Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

25
Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern

Transcript of Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Page 1: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Pharmakodynamik IIBlock I, Vorlesung 9

H. Porzig

Pharmakologisches Institut der Universität Bern

Page 2: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

GliederungPharmakodynamik II

1. Rezeptorbindung und systemische Wirkung

2. Synergismus und Antagonismus

3. Partielle Agonisten (Antagonisten)

4. Grundsätze einer rationalen Arzneimitteltherapie

Page 3: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Affinität und Rezeptorbesetzung I

Bindung des Pharmakons (P) an ein Protein des Gewebes (Rezeptor, R)führt zur reversiblen Bildung eines Pharmakon-Rezeptor-Komplexes (PR)

Dieser Prozess gehorcht dem Massenwirkungsgesetz: ‚Die Geschwindigkeit einerchemischen Reaktion ist proportional dem Produkt der Konzentrationen derReaktionspartner.‘

k1[P] + [R] [PR] im Gleichgewicht: k1 x [P] x [R] =k2 x [PR]

k2 k2/k1 = KD = [P] x [R] / [PR] (1)

Der Quotient k2/k1 (KD) wird als Dissoziationskonstante bezeichnet. Sie ist ein Mass für die Affinität des Rezeptors und entspricht gerade derjenigen Konzentration an freiem ungebundenen Pharmakon, bei der die Hälfte aller Rezeptoren besetzt sind. Je kleiner KD desto höher ist die Affinität des Rezeptors für ein Pharmakon. KD liegt häufig im nanomolaren Bereich.

Page 4: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Affinität und Rezeptorbesetzung II

Ausserdem gilt: RT (Gesamtzahl der Rezeptoren) = [R] + [PR] (2)

Aus der Kombination von (1) und (2) ergibt sich die Beziehung zwischen der Zahl besetzter Rezeptoren, der freien Pharmakonkonzentration und der Dissoziationskonstanten

[PR] = [RT] x [P] / (KD + [P])

Analog gilt für den Zusammenhang zwischen Wirkung (W) und freier Pharmakonkonzentration [P] unter der Annahme, dass W portional [PR] ist:

W = Wmax x [P] / (ED50 + [P])

Page 5: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Bestimmung von Rezeptorbindungskurven

Page 6: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Beziehung zwischen Pharmakonkonzentration und Wirkung resp. Rezeptorbesetzung

K D E C 5 0

P h a rm a k o n k o n ze n tra tio n ([P ])

Rez

epto

rbes

etzu

ng (

[RP

], %

)

1 0 0

5 0

K D

B m ax

([R T ]= [R P ])

P h a rm a k o n k o n ze n tra tio n ([P ])

Wir

kung

(W

, %)

1 0 0

5 0

E C 5 0

W m ax

Die quantitative Beziehung zwischen KD und EC50 wird bestimmt durch die biochemischen Prozesse, die zwischen Rezeptorbesetzung und messbarer Wirkung liegen (Signaltransduktion‚ ‚Kopplung‘).

(KD EC50)

Page 7: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Interaktionen

Pharmakodynamische Interaktionen betreffen Probleme desSynergismus und Antagonismus auf der Ebene eines Rezeptorsoder eines Regelkreises

Synergismus: Ethanol und AntidepressivaHalothan und KatecholamineHypercalcämie/Hypokaliämie und Herzglykoside(cave: Laxanzien oder Diuretika)Resultat: Relative Überdosierung

Antagonismus: Sulfonamide und PenicillinGlucocorticoide und Insulin(Steigerung der Gluconeogenese)Resultat: Fehlende Wirkung oder Erkrankung

Page 8: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Synergismus

= gleichsinniges Zusammenwirken zweier Agonisten----------------------------------------------------------------------------------------------------Wenn A und B zwei verschiedene Pharmaka sind, die den gleichen makroskopischen Effekt auslösen (z. B. Blutdrucksenkung) können sie sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken. Man unterscheidet

additiver Synergismus: Die Wirkung von A und B ist rein additiv

überadditiver Synergismus: In Gegenwart von A wirkt B stärker als in Abwesenheit von A

Potenzierung: Eine gegebene Dosis von B hat keine Wirkung ohne A, mit geringer Dosis A wird mit der gleichen Dosis B die volle Wirkung erzielt.

100

50

00.1 1 10 100 1000

Wir

kun

g (

%)

Dosis

Ohne AMit A

Potenzierung

Page 9: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Antagonismus I

Viele Arzneimittel wirken als Antagonisten körpereigener Signal -substanzen (wie Neurotransmitter oder Hormone)-----------------------------------------------------------------------------------------------------Formen des Antagonismus:

Kompetitiv (reversibel): Verdrängungsreaktion am gleichen Rezeptor (z. B. Noradrenalin – Propranolol)

Nicht-kompetitiv: Antagonist greift nicht am aktiven Zentrum des Rezeptors an, keine optimale Signaltransduktion trotz unveränderter Bindungsverhältnisse (z. B. Verapamil – Isoprenalin)

Chemisch: Agonist wird inaktiviert (z. B. durch Komplexbildner)

Funktionell: Antagonist neutralisiert Agonist durch gegensätzliche Wirkung (z. B. Noradrenalin – Histamin)

Pharmakokinetisch: Pharmakon A beschleunigt Abbau von Pharmakon B (z. B. Phenobarbital – Marcumar)

Page 10: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Antagonismus II

100

50

00.1 1 10 100 1000

Wir

kun

g (

%)

Konzentration

EC50 EC50

100

50

0

Wir

kun

g (

%)

Konzentration

2

In Gegenwart des Antagonisten:Efficacy und Steilheit der D-W kurve nehmen ab, Potency kann (muss aber nicht) erhalten bleiben.

Kompetitiv Nicht- kompetitiv

In Gegenwart des Antagonisten: Parallelverschiebung der D-W Kurve nach rechts (apparente Affinität des Agonisten (potency) nimmt ab). Das Ausmass der Verschiebung ist eine lineare Funktion der Affinität des Antagonisten. Maximaleffekt des Agonisten (efficacy) bleibt unverändert.

0.1 1 10 100 1000

121

Ag +AntagAg

+Antag

Page 11: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Mögliche Interaktionen zweier Pharmaka am Rezeptor

R R

k o m p e titiv e r A n ta g o n is m u s a llo s te ris c h e r A n ta g o n is m u s

A

B

AB

R

n ic h t k o m p e titiv e r A n ta g o n is m u s

A

B

Page 12: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Partielle Agonisten

Page 13: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Agonist(A)

Antagonist(B)

R

R

AR

BR

AR* Effekt

kein Effekt

plus

plus

k+1

k -1

k+1

k -1

Bindung(determiniertdurch Affinität)

Aktiv ierung(determiniertdurch 'Efficacy')

Der konzeptionelle Unterschied zw ischen Rezeptorbindungund Rezeptoraktivierung

Page 14: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Partieller Agonist: Möglicher Wirkungsmechanismus

a k tiv erR ezep to r

in a k tiv erR ezep to r

W irku n g ke in e W irku n g

a k tiv erR ezep to r P

in a k tiv erR ezep to r

P

P P

Page 15: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Desensibilisierung(Spezialform: Tachyphylaxie)

•Veränderung von Rezeptoreigenschaften

•Verlust von Rezeptoren

•Erschöpfung von Mediatorsubstanzen

•Zunahme des metabolischen Abbaus

•Physiologischer Adaptation

•Aktivem Transport eines Arzneimittels aus der Zelle

Eine Abnahme oder ein Verlust der Arzneimittelwirkung alsFunktion der Zeit kann beruhen auf

Page 16: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Ziele der Arzneimitteltherapie

•Prophylaxe

•Ursächliche Therapie (z. B. Antibiotika)

•Palliative Therapie (z. B. Blutdruckmittel)

•Wirksamkeitsnachweise

•Optimierung des Nutzen / Risiko Verhältnisses

Page 17: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Sorgfaltspflichten des Arztes bei der Arzneimitteltherapie

•Sorgfältige Diagnose

•Richtige Wahl des Medikamentes

•Genaue Information über das Medikament

•Unterscheidung zwischen Information und Reklame

•Richtige (ev. individuell angepasste) Dosierung

•Orientierung des Patienten

•Beurteilung des Therapieerfolgs

•Kontrolle der Compliance

Page 18: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Arzneimittelnamen

1. Chemischer Name

2. Internationaler Freiname (generic name): DCI- Namen (Dénomination Commune International, festgelegt durch WHO) z. B. Diazepam

3. Spezialitätennamen (Handelsnamen):

z. B. Valium®. Diazepam wird unter mehr als 120 verschiedenen Spezialitätennamen angeboten!

Page 19: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Ursachen für unterschiedliche Arzneimittel-empfindlichkeit in der Pharmakotherapie

1. Interindividuell unterschiedliche Pharmakokinetik(z. B. bedingt durch Alter, Geschlecht, Gewicht, eingeschränkte Leber- oder Nierenfunktion, Genetik)

1. Unterschiedliche Konzentration eines endogenen Liganden(z. B. endogene Katecholamine)

3. Unterschiede in Rezeptorzahl und/oder –funktion (Toleranzentwicklung, Tachyphylaxie, Sensibilisierung, Effekt von Hormonen auf Rezeptorexpression)

4. Veränderungen von Prozessen distal der Rezeptorebene(z. B. Kompensatorische Mechanismen, die der Arzneimittelwirkung entgegengerichtet sind)

Eine falsche Diagnose oder falsche pathophysiologische Vorstellungen sind die häufigste Ursache für das Nichtansprechen auf Medikamente!

Page 20: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Durch Medikamente bedingte Schadenfälle(gesamt = 100 %)

Davon entfallen auf

Nichtbeachtung von Kontraindikationen 5.1 %

Verwechslung von Medikamenten 2.6 %

Dosierungsfehler 2.7 %

Applikationsfehler 2.3 %______

Gesamt 12.7 %

Page 21: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Grundsätze für den Umgang mit Arzneimitteln in der ärztlichen Praxis

Kein Verzicht auf eine naturwissenschaftliche Fundierung von Therapieentscheidungen

Keine Verordnung von Handelspräparaten ohne genaue Kenntnis der Inhaltsstoffe

Verwendung eines überschaubaren, rational begründeten Arzneimittelsortiments (~ 200 Präparate). Als Anpassung an therapeutischen Fortschritt und veränderte Bedürfnisse nicht mehr als 10 % davon pro Jahr austauschen.

Zurückhaltung gegenüber Verordnungswünschen von Patienten

Vermeiden von Polypharmazie und von fixen Kombinationen

Strikte Beachtung von Kontraindikationen und Interaktionen

Vorsicht bei der Verordnung von Arzneimitteln die Abhängigkeit erzeugen oder

unterhalten können

Einbezug des Patienten in die Therapieentscheidungen (Compliance!)

Wirtschaftliche Verordnungsweise beachten (Verwendung von Generika). Neue Arzneimittel sind immer teurer aber längst nicht immer besser als ihre Vorgänger.

Page 22: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Abhängigkeit der Nebenwirkungshäufigkeit von der Zahl der verabreichten Medikamente

Daten aus dem Zieglerspital, Bern (Prof. Hoingé)

Page 23: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Latenz zwischen Nachweis der Wirksamkeit und Akzeptanz einer Pharmakotherapie

Page 24: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Pharmakodynamik II, Zusammenfassung

1      Dosis-Wirkungsbeziehungen folgen ebenso wie Rezeptor-Bindungskurven einer hyperbolischen Funktion. Daraus lassen sich ‘potency’ (ED50) und ‘efficacy’ resp. Kd und Bmax Werte ablesen.  2      Trotz der formalen Ähnlichkeit von Rezeptorbindungskurven und Dosis –Wirkungs- beziehungen lassen sich aus letzteren keine direkten Rückschlüsse auf Rezeptoreigenschaften ableiten. 3      Antagonisten werden dazu benutzt, die Wirkungen endogener oder exogener agonistischer Liganden zu blockieren. Je nach Mechanismus unterscheidet man kompetitive, nicht kompetitive, funktionelle und chemische Antagonisten.  4      Partielle Agonisten haben ähnliche Bindungseigenschaften wie volle Agonisten, können aber die aktive Form des Rezeptors nicht oder nicht genügend stabilisieren. 5      Rationale Arzneimitteltherapie verlangt Kenntnisse der quantitativen Zusammen- hänge zwischen Dosis und Effekt, der möglichen Gründe für unterschiedliche Arzneimittelempfindlichkeit und (selbst)kritische Analyse des Nutzen / Risiko Verhältnisses.

Page 25: Pharmakodynamik II Block I, Vorlesung 9 H. Porzig Pharmakologisches Institut der Universität Bern.

Internetadressen für Arzneimittelinformationen Internetadresse für Arzneimittelinformationen Schweiz: (inkl. Arzneimittelkompendium online)

http://www.documed.ch/deutsch/index.html Schweizerisch Arzneimittel-Nebenwirkungs-Zentrale:

http://www.sanz.ch/ Schweizerisches Heilmittelinstitut (Swissmedic):

http://www.swissmedic.ch Schweizerisches Toxikologisches Informationszentrum:

http://www.toxi.ch/ger/welcome.html