Phonetische und Phonologische Aspekte der Assimilierung Hauptseminar: Die phonetischen Grundlagen...

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Phonetische und Phonologische Aspekte der Assimilierung Hauptseminar: Die phonetischen Grundlagen des Lautwandels Dozent: Prof. Dr. Harrington Referent: Lukas Giuliani Datum: 18.06.09

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Phonetische und Phonologische Aspekte der Assimilierung

Hauptseminar: Die phonetischen Grundlagen des LautwandelsDozent: Prof. Dr. HarringtonReferent: Lukas GiulianiDatum: 18.06.09

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Übersicht

Fragestellung

Typische AssimilierungTheorien und Lösungsansätze

Unterschied zwischen VC und CV Silben

Experiment 1 Stimuli und Versuchsaufbau

Ergebnisse

Experiment 2 Versuchsaufbau

Ergebnisse

Zusammenfassend

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Fragestellung:

Inwiefern unterscheiden sich phonetisch CV und VC Reihenfolgen, und welche Folgen hat dieser

Unterschied für den Lautwandel ?

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Häufige Assimilierung

Wenn zwei Stops mit verschiedenen Artikulationsstellen aufeinander treffen wird der erste Stop meißt zum zweiten Stop hin assimiliert

Scriptu → scritto Nocte → notte Bhaktum → bhattum Labdha → laddha

Noch häufiger geschieht es das ein Nasal zur Artikulationsstelle eines folgenden Stops hin assimiliert

Primu tempus → printempus Amita → ante

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Darstellung

Um diese Assimilierung zu notieren wurden Tabellen angelegt, aber diese Tabellen zeigen nicht, dass der Übergang von C1 nach C2 sehr häufig, im entgegen gesetzten Fall allerdings sehr selten ist

Als Lösung nach Chomsky und Halle (1968) wurde der Begriff der Markiertheit und die Konvention, von akkustischen Cues zu reden, eingeführt.

Im Bezug auf Assimiliation steht unmarkiert für untypische Assimilation und markiert für typische Assimilation

Die akkustischen Cues werden im späteren Verlauf noch eine wichtige Rolle spielen

Laut Ohala stellt dies aber keine Lösung dar sondern es “flickt“ nur temporär ein paar Probleme wie der patch für ein Programm. Dies ist auch der Grund warum viele Darstellungsformen im Laufe der Zeit entwickelt wurden

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Bisherige Lösungsansätze

Das so genannte “ease of articulation“ Prinzip

Besagt dass Sprecher unterbewusst dazu tendieren Worte so zu assimilieren dass das Wort “leichter“ zu artikulieren ist

Größtes Pro:Tatsächlich wird eine Artikulationsstelle weniger “angesteuert“ und die

“artikulatorische Arbeit“ ist weniger groß

Größtes Kontra:Die Tatsache, dass nicht erklärt werden kann warum, in ca 95% aller Fälle, C1

zu C2 assimiliert wird und nicht umgekehrt

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Bisherige Lösungsansätze

Eine weitere Theorie nach Kent (1936)

Die Gedanken des Sprechers sind schon weiter voraus als seine Artikulation, daher wird der hintere Teil der Äußerung assimiliert, da es “teurer“ wäre nochmal “zurück zu denken“

Beispiele die diese Theorie bestätigen würde sind unter anderem Buchstabenverdreher wie “teep a cape → keep a tape“

Erklärt aber auch nicht zufriedenstellend die am Anfang gesehenen Assimilierungen

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Zurück zur Frage

Inwiefern unterscheiden sich phonetisch KV und VK Reihenfolgen, und welche Folgen hat dieser

Unterschied für den Lautwandel ?

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VC vs CV

Mehrere Studien haben gezeigt:

Wenn man eine VC und CV Äußerung nacheinander, mit einer kleinen Pause dazwischen die der Länge eines typischen Stops entspricht abspielt, dann nehmen die meißten Hörer nur einen Konsonanten wahr, und zwar den der von der CV Seite her stammt

Beispiel: /eb+de/ wird gehört als /ede/

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VC vs CV P-centre

Dieser Effekt ist immer noch ungeklärt, vermutlich spielen mehrere Faktoren eine Rolle

P-centre:

Das so genannte P-centre ist der Moment, an dem die Silbe laut Hörer beginnt, dieser Moment ist meistens “falsch“ gewählt also bspw. bei Plosiven mit anschließendem Vokal, wird nicht beim Burst oder beim Einsatz der Stimme das P-centre gewählt, sondern irgendwo in der Mitte der Aspiration

Bei CV liegt das P-centre nah an der CV-Äußerung → CV sind wichtiger für den Hörer als VC

→ CV vs VC 1 : 0

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VC vs CV Salience

Die so genannte Salience, hier Übersetzt mit Wichtigkeit

Die Wichtigkeit definiert sich durch den simultanen Wechsel von akustischen Parametern

Je mehr Wechsel, desto höher die Wichtigkeit einer Äußerung

Bei VC Äußerungen wird der Konsonant mehr von dem Vokal (besonders bei Stops) eingefärbt, als ein C bei einer VC Äußerung

Da der Wechsel von Parametern bei der Artikulation, entscheidend für die Wichtigkeit einer Äußerung ist, wird hier die VC Äußerung bevorzugt

→ CV vs VC 2 : 0

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VC vs CV Salience

Die meisten Wechsel von Parametern treten in der Nähe von CV Äußerungen auf, da die Obstruenten aprupte Wechsel im aerodynamischen Druck unter und oberhalb der Glottis erzeugen

Wegen den Obstruenten braucht es dann mehr Zeit um das Luftdrucklevel hinter der Verengen zu auf ein maximum zu steigern

Als Ergebnis entsteht dann bei Öffnung ein aprupterer Wechsel der Amplitude der Stimme und es wird ein “Burstartiger“ Ton erzeugt

Deswegen ist CV wegen der Öffnung von C nach V wiederum wichtiger als VC

→ CV vs VC 3 : 0

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VC vs CV

Manche Befunde haben auch gezeigt das Sprecher aktiv versuchen kurzzeitig eine definiertere Artikulation bei einer CV Äußerung zu machen um Die Wichtigkeit noch zu erhöhen

Höhere Präzision bei der Artikulation erhöht dadurch, das die Bewegung eines einzelnen Artikulators den Wechsel in der Akustik erhöht, die Wichtigkeit mehr, als ein gleichzeitiger Wechsel von 2 Artikulatoren

Es lohnt sich daher für den Sprecher mehr prevokalische Silben zu bevorzugen und klarer zu artikulieren, da diese von vornherein schon eine höhere Wichtigkeit besitzen als postvokalische

→ CV vs VC 4 : 0

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Experiment 1 StimuliVerwendete Stimuli:VCV und VC1C2V ÄußerungenV war immer ein /a/Und C und C2 immer /p, t, k, b, d, g/C1 Nasal mit gleicher Artikulationsstelle

VCV VC1C2V

'apa 'aba 'ampa'amba

'ata 'ada 'anta'anda

a'pa a'ba am'paam'ba … …

… ...

Insgesamt wurden 24 Aufnahmen zu 72 Paaren erstellt

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Experiment 1 Versuchsaufbau

Filterung mit 5 kHz → Samplerate von 10 kHz → Kopie und Tokenisierung → Randomisierung der Daten → Aufnahme auf ein Tape mit jeweils →

250ms 1 kHz Sinus Warnton 500ms vor jedem Stimuli und → 4-6s Pause zwischen den Stimuli

6 Tokens wurden zufällig für eine Trainingsrunde vorweg verwendet

12 Versuchspersonen wurden befragtIhnen wurde erklärt es ginge um ein SprachsyntheseexperimentAntwortmöglichkeiten waren immer C1, C2 oder “other“

Beispiel: Stimulus /ap-ka/ Antwortmöglichkeiten /apa/ /aka/ “other“

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Experiment 1 Ergebnisse

Von 576 Antworten (das waren alle Antworten bei dem bei der Randomisierung nicht C1 = C2) zeigten 93% das C2 dominanter war als C1

Bei unterschiedlicher Betonung der Silben zeigte sich kein Unterschied

Bei stimmlosen vs. stimmhaften Silben zeigte sich ein kleiner aber dennoch signifikanter Unterschied, 89% bei stimmhaften und 97% bei stimmlosen Stimuli wurden C2 zugeordnet

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Experiment 2 Versuchsaufbau

Die Stimuli aus Experiment 1 wurden modifiziertAlle C1 = C2 und C1 = nasal, Stimuli wurden gelöscht

Bei den restlichen wurde die Verschlussphase in 10 ms Schritten soweit erhöht, bzw. reduziert, bis die Verschlussphase bei 120-170 ms bei den stimmlosen und 70 – 140 ms bei den stimmhaften Stimuli lag

Dann wurde wieder randomisiert und dieses mal wurden 18 Hörer getestet

Die Antwortmöglichkeiten diesmal warenBei einem Stimulus / V C1 C2 V /Antwortmöglichkeiten / V C1 V / / V C2 V / / V C1 C2 V /Beispielstimuli / a k t a / Antwortmöglichkeiten / a k a / / a t a / / a k t a /

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Experiment 2 Ergebnisse

Durchgezogene Linie = StimmhaftGestrichelte Linie = StimmlosY-Achse = steigende VC1C2V BeurteilungenX-Achse = Dauer der Verschlußphase

→ Wenn die Dauer der Verschlußpahse steigt, tendieren mehr Hörer dazu beide Konsonanten wahrzunehmen und nicht nur einen Einzelnen

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Experiment 2 Ergebnisse

Es wird vermutet das dieser Unterschied die Wiedergabe des intrinsischen Unterschieds der Dauer der Verschlußphase zwischen stimmhaften und stimmlosen VCV - Äußerungen ist

Stimmhafte Stops sind typischerweise kürzer als stimmlose

Deswegen müssen Hörer eine kürzere stimmhafte Verschlußphase hören um eine VCV - Äußerung zu hören statt einer VC1C2V – Äußerung

Dies lässt darauf schließen das Hörer ihre bisherige Erfahrung verwenden um zwischen VCV und VC1C2V zu unterschieden.

Es könnte also sein das der Lautwandel (am Anfang) daran liegt dass es den Hörern an Erfahrung mangelt die schwächeren Cues der CV Transition zu hören.

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Zusammenfassend

Inwiefern unterscheiden sich phonetisch CV und VC Reihenfolgen, und welche Folgen hat dieser Unterschied für den Lautwandel ?

CV Silben dominieren bei P-centre, Salience (durch die Vokalische Einfärbung und den Druck der Obstruenten)

Die Folge für den Lautwandel ist, dass auch in Zukunft Äußerungen mit der Struktur V C1 C2 V nach V C2 V verändert werden

Dieser Vorgang kann auch schon heute beobachtet werden und es ist nur eine Frage der Zeit bis manche Wörter des Deutschen assimiliert werden.

Beispiele:

Astgabel → AsgabelKostbar → KosbarAltbier → Albbier

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Zusammenfassend

Some [schoolars of language]... have allowed themselves... to be led astray by paying more attention to the symbols of sound than to sounds themselves

(KEY 1857)

… on paper almost everything is possible (OSTHOFF AND BRUGMANN 1878)