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Bier & Brauhaus | 41 von Falk Osterloh Die USA. Zehn Millionen Quadrat- kilometer zwischen Pazifik und At- lantik. Ebenso New York City wie Omaha, Nebraska. Speerspitze der Freidenker ebenso wie Reaktionä- rensuhle. Wäre die Wendung nicht so furchtbar abgenudelt, müsste man wohl sagen: Das Land der un- begrenzten Möglichkeit. Zu den USA gehören, wie die Muttermilch zur Mutter, Popcorn, Hamburger und, jawohl, Bier. Denn die Ameri- kaner sind ein Volk der Biertrinker, Lynchburg und Napa Valley zum Trotz. 2008 wurde in den Vereini- gten Staaten mehr Bier verkauft als Wein und hochprozentiger Al- kohol zusammen. Die beliebtesten Biere der Amerika- ner sind mit einigem Abstand helle, nicht sonderlich geschmacksintensi- ve Lagerbiere wie Bud Light, lange Zeit das meistverkaufte Bier der Welt, Miller Lite, Coors Light and so on. Light bezieht sich dabei nicht, wie in Deutschland, auf den Alkoholgehalt, sondern auf die Anzahl der Kalorien. Neben den in Deutschland zulässi- gen Inhaltsstoffen enthalten diese Lagerbiere gerne auch Reis oder Mais als zusätzliche Stärkelieferanten. Ge- schmacklich reißen sie mit einer Bit- tereinheit von schon einmal unter 10 niemanden vom Hocker. Und wer je- mals ein Bud Light probiert hat, weiß, weshalb es möglichst kalt serviert wird. Wieso dann also überhaupt ein Artikel über das Bierland USA? Wird nicht schon genug kostbares Papier sinnlos verschwendet? Die Antwort ist: Weil sich die USA trotz Lagerschwemme rühmen kann, den dynamischsten, krea- tivsten und sortenreichsten Bier- markt der Welt zu haben. Allerdings nicht im Rampenlicht, sondern hinter den Strahlern, ein we- nig versteckt, ein wenig sonderbar, ein wenig elitär. Doch wenn man in den richtigen Geschäften schaut, er- öffnet sich für den Liebhaber nichts Geringes als ein El Dorado des Bie- res. Vorneweg ein kleiner Exkurs in die Geschichte. Zwischen 1919 und 1933 waren wäh- rend der Prohibition in den Vereinig- ten Staaten die Produktion, der Transport und der Verkauf von Alko- Bier- und Brauereikultur Photo © 2009 Jason E. Kaplan Photo © 2009 Jason E. Kaplan El Dorado – das Bierland USA

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von Falk Osterloh

Die USA. Zehn Millionen Quadrat-kilometer zwischen Pazi� k und At-lantik. Ebenso New York City wie Omaha, Nebraska. Speerspitze der Freidenker ebenso wie Reaktionä-rensuhle. Wäre die Wendung nicht so furchtbar abgenudelt, müsste man wohl sagen: Das Land der un-begrenzten Möglichkeit. Zu den USA gehören, wie die Muttermilch zur Mutter, Popcorn, Hamburger und, jawohl, Bier. Denn die Ameri-kaner sind ein Volk der Biertrinker, Lynchburg und Napa Valley zum Trotz. 2008 wurde in den Vereini-gten Staaten mehr Bier verkauft als Wein und hochprozentiger Al-kohol zusammen.

Die beliebtesten Biere der Amerika-ner sind mit einigem Abstand helle, nicht sonderlich geschmacksintensi-ve Lagerbiere wie Bud Light, lange Zeit das meistverkaufte Bier der Welt, Miller Lite, Coors Light and so on. Light bezieht sich dabei nicht, wie in Deutschland, auf den Alkoholgehalt, sondern auf die Anzahl der Kalorien. Neben den in Deutschland zulässi-

gen Inhaltssto� en enthalten diese Lagerbiere gerne auch Reis oder Mais als zusätzliche Stärkelieferanten. Ge-schmacklich reißen sie mit einer Bit-tereinheit von schon einmal unter 10

niemanden vom Hocker. Und wer je-mals ein Bud Light probiert hat, weiß, weshalb es möglichst kalt serviert wird. Wieso dann also überhaupt ein Artikel über das Bierland USA? Wird nicht schon genug kostbares Papier sinnlos verschwendet?

Die Antwort ist: Weil sich die USA trotz Lagerschwemme rühmen kann, den dynamischsten, krea-tivsten und sortenreichsten Bier-markt der Welt zu haben.

Allerdings nicht im Rampenlicht, sondern hinter den Strahlern, ein we-nig versteckt, ein wenig sonderbar, ein wenig elitär. Doch wenn man in den richtigen Geschäften schaut, er-ö� net sich für den Liebhaber nichts Geringes als ein El Dorado des Bie-res.

Vorneweg ein kleiner Exkurs in die Geschichte.Zwischen 1919 und 1933 waren wäh-rend der Prohibition in den Vereinig-ten Staaten die Produktion, der Transport und der Verkauf von Alko-

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hol verboten. Den Amerikanern ge-� el das wenig, der Schwarzmarkt boomte und schließlich wurde ein-mal mehr in der Geschichte eine am Reißbrett entstandene und ziemlich verrückte Idee von der Realität zer-mahlen. Die Prohibition hinterließ allerdings ihre Spuren. Von den etwa 1.900 Brauereien aus dem Jahre 1919 waren 1933 nur noch 756 übrig. Und es wurde nicht besser. Der Zweite Weltkrieg und ein Konzentrations-, um nicht zu sagen Kannibalisie-rungsprozess der übrig gebliebenen Brauereien führte 1978 zu nicht mehr als 42 verbliebenen Brauereien auf den gesamten zehn Millionen Quad-ratkilometern. Doch allmählich be-gann eine Gegenbewegung. 1976 erö� nete mit New Albion im kalifor-nischen Sonoma die erste „Microb-rewery“, 1977 erschien Michael Jack-sons (nicht der Michael Jackson) „World Guide to Beer“, der vielen amerikanischen Bierfreunden durch eine sü� ge Skizzierung der europäi-schen Sortenvielfalt den Mund wäss-

rig machte, und 1978 schließlich wurde das Hausbrauen bis zu einer bestimmten Biermenge steuerfrei. Im selben Jahr gründete Charlie Pa-pazian die „American Homebrewer’s Association“ und vier Jahre später ö� nete das „Great American Beer Festival“ (GABF) seine Tore, mittler-weile eines der größte Bierfeste welt-

weit mit 3.308 verschiedenen Bier-sorten im diesjährigen Wettbewerb. Mit jedem Jahr kamen nun neue Brauereien hinzu, die ihre Biere auf traditionelle Weise brauten und sich deshalb „Craft Breweries“ nannten, darunter Brauereien, die noch heute die „Craft Breweries“-Hitliste anfüh-ren: Sierra Nevada in Chico, Kaliforni-en (1980), Boston Beer Company mit ihrem Flaggschi� „Samuel Adams Boston Lager“ (1984) oder New Bel-gium in Fort Collins, Colorado (1991).

Heute gibt es in den USA nicht we-niger als 1.482 „Craft Breweries“, die sich in 64 mittelständische Un-ternehmen, 456 „Microbreweries“ in 962 Brauereikneipen untertei-len – große, industrielle Braue-reien gibt es demgegenüber nur noch 20.

Des untergärigen, betont schwach gehopften Lagers überdrüssig, machten sich die neuen, jungen Braumeister nun über alles her, was die großen europäischen Biernatio-nen, insbesondere Großbritannien,

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Foto: © Soul of Beer

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Belgien, Deutschland und Tschechi-en, so zu bieten hatten. Sie pickten sich das beste heraus, nämlich alles, und brauten ihre eigene Version der klassischen Sorten rechts des Atlan-tik: von Pils, Dortmunder, Hefewei-zen über IPA, Witbier, Porter, Stouts zu Dubbel, Tripel, Alt, Kölsch. Frei von Reinheitsgeboten, jahrhunderteal-ten Geschmacksstrukturen und Zau-derei gingen sie bald noch einen Schritt weiter und experimentierten mit Hopfen, Hefe und natürlichen Zusatzsto� en wie Obst oder Gewür-zen. Aus IPA wurde so Double IPA, aus Porter wurde Imperial Porter.

Der Sortenkatalog der „Brewer’s Association“ umfasst mittlerweile beeindruckende 124 unterschied-liche Biersorten, von „Englisch-Style Barley Wine Ale“ über „Ame-rican-Belgo-Style Pale Ales“ bis hin zu „Bamberg-Style Märzen Rauchbier“.

Viele Brauereien produzieren zudem limitierte Ausgaben einer Sorte oder Jahrgangsabfüllungen. So vergeht

kaum eine Woche, in der nicht eine Braue-rei ihr „2008 Chocolate Indulgence“ (Omme-gang), „Espresso Am-ber Ale“ (Peak Orga-nic) oder „Hallertau Imperial Pilsner“ mit 8,8% alc. (Samuel Adams) vorstellt. Stets wohlwollend aufge-nommen werden da-bei Alkoholgehalte von 14 Prozent oder Bittereinheiten von bis zu 80. Eine ver-schworene „Craft Beer Community“ tri� t sich dazu regelmäßig zu Verkostungen und diskutiert in Pubs, Internetforen oder auf zahlreichen Festivals im ganzen Land Genialität und Wahn neuer und alter Brauresultate.

In den USA, zumindest in einer klei-nen Gemeinschaft, sind sie also dort, wohin wir in Deutschland noch wollen. Bier wird als ein hoch-wertiges Kulturprodukt angesehen und wertgeschätzt, über das auf ei-nem hohen fachlichen Niveau ge-schrieben und gesprochen wird und für das Liebhaber auch gerne mehr bezahlen als für die Massenprodukte. Zwar ist der Markt klein. Von den gut 210 Millionen produzierten Bar-

rel im Jahr (ca. 250 Millionen Hekto-liter), stammen nur etwa 8,5 Millio-nen Barrel aus den „Craft Breweries“. Doch er wächst seit Jahren und auch in der Finanzkrise hat er im ersten Halbjahr dieses Jahres fünf Prozent zugelegt, während der ge-samte Markt 1,3 Prozent verloren hat. Vielleicht wäre es ja auch in Deutschland der richtige Weg, zu-sätzlich zum Kerngeschäft nicht auf verwässerte bzw. verzuckerte Mischgetränke für Menschen zu setzen, die Bier gar nicht mögen, sondern auf ausdrucksstarke, ge-schmackreiche und -vielfältige Bie-re für Menschen, die Bier auch wirk-lich schätzen.

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