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PHY112 - Grundlagenpraktikum I zum Modul Physik I Ausgabe: Herbstsemester 2018 Physik-Institut der Universit¨ at Z¨ urich

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PHY112 - Grundlagenpraktikum I

zum Modul Physik I

Ausgabe: Herbstsemester 2018

Physik-Institut der Universitat Zurich

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PHY112 - Praktikum zur Physik I - Herbstsemester 2018

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Inhaltsverzeichnis

I Einfuhrung 1

II Versuchsanleitungen 7

1. Einfuhrungsversuch (EV) 9

2. γ-Absorption – Messung von Halbwertsdicken (Ab) 15

3. Elastischer Stoss (ES) 31

4. Der Cavendish-Versuch (GK) 39

5. Innere Reibung von Flussigkeiten (IR1) 47

6. Innere Reibung von Gasen (IR2) 55

7. Kreisel (K) 61

8. Mechanische Schwingungen und Resonanz (R) 67

9. Gekoppelte Schwingungen (S) 77

10. Schussgeschwindigkeit (SG) 85

11. Torsion und Biegung eines Stabes (TB) 93

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iv INHALTSVERZEICHNIS

III Fehlerrechnung 105

IV Musterbericht 123

V Einheiten und Konstanten 133

VI Testatzettel 141

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Teil I

Einfuhrung

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Einfuhrung

Das hier beschriebene Praktikum ist ein eigenstandiges Modul, welches den Stoff des Physikmoduls

PHY111 Physik I fur Studierende mit Haupt- oder Nebenfach Physik auf praktische Art vermittelt.

Das Physik-Praktikum stellt einen wesentlichen Teil Ihrer Ausbildung zum Physiker dar. Es soll Ih-

nen Erfahrungen vermitteln im Umgang mit Messeinrichtungen, im Planen, effizienten Durchfuhren

und Auswerten von Experimenten und im Verfassen von Berichten.

Ein wichtiges Ziel des Praktikums ist es auch, Sie mit der Behandlung von Messfehlern und der

Fehlerrechnung vertraut zu machen. Jede Messung ist fehlerbehaftet, und die Angabe eines Messre-

sultats ohne die gleichzeitige Angabe der Messgenauigkeit ist vollkommen sinnlos. Zufallige Fehler,

wie sie z.B. durch statistische Schwankungen einer Zahlrate enstehen, konnen im allgemeinen recht

zuverlassig abgeschatzt werden, indem man eine Messung unter identischen Bedingungen mehr-

mals wiederholt und die erzielten Ergebnisse miteinander vergleicht. Systematische Fehler entstehen

durch eine unvollstandige Kenntnis des Messaufbaus oder durch schlecht geeichte Messinstrumente

(z.B. eine zu schnell laufende Uhr). Sie sind im allgemeinen deutlich schwieriger zu erkennen und

abzuschatzen. Es benotigt viel experimentelle Erfahrung, um allfallige systematische Fehlerquellen

zu identifizieren, sie wenn moglich zu eliminieren, und falls dies nicht moglich sein sollte, ihren

Einfluss auf die Messgenauigkeit zu bestimmen.

Die theoretischen Grundlagen der Fehlerrechnung werden in einer Vorlesung behandelt. Eine kur-

ze Einfuhrung in wesentliche Konzepte der Fehlerrechnung sowie eine kleine Sammlung relevanter

Formeln finden Sie im Anhang zu dieser Praktikumsanleitung. Versuchen Sie immer, die zu er-

wartenden Messergebnisse mit gesundem Menschenverstand abzuschatzen. Dies wird Ihnen helfen,

grobe Fehler fruhzeitig zu erkennen und zu korrigieren.

Organisatorisches

Der Praktikumsbetrieb beginnt mit der Vorlesung zur Fehlerrechnung in der zweiten Semester-

woche. Danach folgt mit dem Einfuhrungsversuch (Versuchsanleitung EV) eine praktische Arbeit

zur Fehlerrechnung. Zu diesem Versuch brauchen Sie keinen Bericht anzufertigen, mussen aber die

gesamte Auswertung wahrend des Praktikumsnachmittages durchfuhren.

Im weiteren Verlauf des Semesters werden Sie in der Regel wochentlich einen weiteren Versuch

ausfuhren. Zu jedem dieser Versuche, die Sie in Zweiergruppen durchfuhren, muss jede/r von Ihnen

einen eigenstandigen Versuchsbericht anfertigen (Details siehe unten). Zusatzlich zum Einfuhrungs-

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versuch mussen Sie sechs Versuche als Teil des Leistungsnachweises fur das Modul PHY112 durchfuhren

und erfolgreich abschliessen. Zusatzlich gibt es im Semester eine mundliche Prufung, deren Resultat

in der Regel die Modulnote bestimmt.

Zur Durchfuhrung jedes Versuchs stehen Ihnen 3 Stunden zur Verfugung. Sie werden die Versuche

normalerweise in Zweiergruppen durchfuhren und dabei von einem/r Praktikumsassistenten/in be-

treut. Dieser ist wahrend der gesamten Dauer des Versuchs anwesend und steht Ihnen fur Fragen

und Diskussionen zur Verfugung.

Zur Anfertigung des Versuchsberichts haben Sie eine Woche Zeit. Der Bericht wird beim Assistie-

renden abgegeben und von diesem/r korrigiert. Etwa eine Woche spater wird Ihnen der Bericht zur

Uberarbeitung zuruckgegeben bzw. akzeptiert.

Die Praktikumsraume befinden sich im Bau 11, Stockwerke E und G. Die Reihenfolge der Versuche

wird am Anfang des Semesters festgelegt und ein entsprechender Plan im Schaukasten vor den

Praktikumsraumen angeschlagen.

Vorbereitung

Machen Sie sich vor dem Versuchsnachmittag anhand der Praktikumsanleitung mit dem theore-

tischen Hintergrund und dem Ziel des Versuches sowie mit den wesentlichen Schritten des Ver-

suchsablaufs vertraut. Eine grundliche Vorbereitung an Hand dieser Anleitung hilft Ihnen, die zur

Verfugung stehende Zeit optimal zu nutzen. Die Vorlesungsskripten stellen eine wertvolle Erganzung

dar, vor allem wenn der zum Versuch gehorende Stoff in der Vorlesung noch nicht behandelt wurde.

Dies lasst sich leider nicht vermeiden, da aus organisatorischen Grunden (Anzahl Versuchsaufbau-

ten) nicht alle Versuche fur alle Studierenden gleichzeitig aufgebaut werden konnen.

Notieren Sie allfallige Unklarheiten und diskutieren Sie diese mit dem Assistierenden. Spezielle

Physikbucher sind zur Vorbereitung der Praktikumsversuche nicht erforderlich.

Die folgenden Materialien sind von Ihnen mitzubringen:

• Die Praktikumsanleitung.

• Ein A4–Heft oder einen Ordner, in dem Sie die Messprotokolle und Versuchberichte eintra-

gen bzw. ablegen. In dem Heft muss genugend Platz zum Aufzeichnen von Tabellen und

graphischen Darstellungen vorhanden sein.

• Ein einfacher Taschenrechner wird fur eine vorlaufige Auswertung der Versuche benotigt.

• Ihr Testatzettel, in welchem die erfolgreiche Ausfuhrung des Versuchs testiert wird (der Te-

statzettel befindet sich auf der letzten Seite dieser Anleitung).

Millimeterpapier und semi-logarithmisches Papier wird, falls benotigt, vom Assistierenden verteilt.

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Durchfuhrung des Versuchs

Am Praktikumsnachmittag sollen Sie innerhalb der drei zur Verfugung stehenden Stunden den

Versuch durchfuhren und eine vorlaufige Auswertung vornehmen.

Bevor Sie mit der Versuchsdurchfuhrung beginnen, gibt der Assistierende eine kurze Einfuhrung in

die Funktionsweise und Bedienung der verwendeten Messgerate. Aufgepasst:

• Die Versuchsaufbauten, insbesondere elektrische Schaltungen, mussen vor der Inbetriebnahme

vom Assistierenden kontrolliert werden.

• Gehen Sie sorgfaltig mit den zum Teil teuren Geraten um. Verursachen Sie grob fahrlassig

einen Schaden, konnen Sie verpflichtet werden, einen Beitrag zu den Reparaturkosten zu

leisten.

Fuhren Sie den Versuch gemass der Versuchsanleitung aus. Stellen Sie alle genommenen Messwerte

sowie allfallige am Versuchsplatz angegebene zusatzliche Grossen tabellarisch in einem Messproto-

koll zusammen, welches Sie direkt in das mitgebrachte Heft schreiben. Ein wahrend der Messung

sauber gefuhrtes Messprotokoll hilft Ihnen spater beim Abfassen des Berichtes genau zu rekon-

struieren, was Sie unter welchen Bedingungen gemessen haben. Jeder muss eine eigene Kopie des

Messprotokols besitzen!

Fuhren Sie schon wahrend des Versuchs oder unmittelbar danach eine provisorische Auswertung

durch, inklusive entsprechender grafischer Darstellungen. Dies gibt Ihnen die Moglichkeit, eventuell

bei der Auswertung auftretende Fragen direkt mit dem Assistierenden zu diskutieren, allfallige grobe

Fehler zu erkennen und noch am Versuchsnachmittag zu korrigieren.

Um sicher zu stellen, dass Sie alle fur das Erstellen des Versuchsberichts notwendigen Daten auf-

genommen haben und dass bei der Durchfuhrung des Versuchs keine groben Fehler aufgetreten

sind, muss das Messprotokoll mit den Namen der beteiligten Studierenden, dem Datum, den an

den Messinstrumenten abgelesenen Messwerten (Einheiten! ), den am Versuchsplatz angegebenen

Grossen, Skizzen, Bemerkungen, vorlaufiger Auswertung, Fehlerabschatzung etc. nach Abschluss

des Experimentes vom betreuenden Assistierenden kontrolliert und gegengezeichnet werden.

Versuchsbericht

Das Erstellen eines guten Versuchsberichts ist ein wesentlicher Teil der wissenschaftlichen Ausbil-

dung! Der Bericht soll so kurz wie moglich und so ausfuhrlich wie notig abgefasst werden. Gestalten

Sie den Bericht so, dass Sie selbst auch nach einem Jahr noch auf den ersten Blick erkennen konnen,

worum es sich bei dem Versuch gehandelt hat und welches die wesentlichen Resultate waren. Im

Laufe der ersten beiden Semester werden Sie einige Berichte schreiben. Sie werden dabei eine ge-

wisse Routine entwickeln, die es Ihnen schliesslich erlauben sollte, einen Bericht in etwa drei bis

vier Stunden zu erstellen.

Im Anhang zu dieser Anleitung finden Sie einen kommentierten “Musterbericht”, anhand dessen

Sie die wichtigsten Merkmale eines guten Berichtes erkennen konnen.

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Eine Woche nach der Durchfuhrung des Versuchs geben Sie den Versuchsbericht zusammen mit dem

Original des Messprotokolls bei dem Assistierenden ab, der den Versuch betreut hat. Vereinbaren

Sie in jedem Fall klar mit dem Assistierenden, wann und wie die Berichte eingereicht werden, und

halten Sie sich dann auch an die gemachte Vereinbarung! Der/die Assistent/in hat das Recht, die

Annahme nicht fristgerecht abgegebener Berichte zu verweigern.

In der Regel wird der Bericht von dem Assistierenden korrigiert, der den Versuch auch betreut hat.

Ist der Bericht in Ordnung, wird der Assistierende Ihnen das Testat fur den Versuch erteilen, anson-

sten wird eine Nachbesserung des Berichts verlangen. Falls der Bericht auch in der nachgebesserten

Version nicht akzeptabel ist oder wenn er nicht fristgerecht abgegeben wird, hat der Assistierende

das Recht, den Bericht zuruckweisen und das Testat fur den Versuch verweigern.

Testat

Ein Testatzettel ist auf der letzten Seite dieser Praktikumsanleitung eingeheftet. Auf diesem Zettel

wird der Assistierende Ihnen nach erfolgter Kontrolle des Messprotokolls zunachst die erfolgreiche

Durchfuhrung des Versuchs testieren. Sobald der Versuchsbericht vollstandig und fehlerlos ist und

akzeptiert wird, gibt er Ihnen dann das endgultige Testat fur den Versuch.

• Bewahren Sie den ausgefullten Testatzettel bis zum Ende des Semesters sorgfaltig auf. Er

dient vor allem Ihrer Kontrolle und uns bei Ruckfragen.

Das Praktikum gilt als erfolgreich absolviert, wenn Sie am Ende des Semesters sechs testierte

Versuche (zusatzlich zum Einfuhrungsversuch) vorweisen konnen, die mundliche Prufung absolviert

haben und die Modulnote mindestens genugend ist.

Fragen ?

Fur allfallige Fragen zu den Versuchen stehen Ihnen die jeweiligen Assistierenden an den Prakti-

kumsnachmittagen zur Verfugung.

Des weiteren stehen Ihnen der Praktikumsleiter nach vorheriger Anmeldung gern zur Beantwortung

von Fragen, fur Anliegen und fur die Diskussion von Wunschen und Verbesserungsvorschlagen zur

Verfugung. Fur Kontaktinformationen konsultieren Sie bitte das Vorlesungsverzeichnis oder die

Webseite zum Praktikum.

Abwesenheit

Sind sie krank oder mussen Sie einen Versuch aus anderen wichtigen Grunden verpassen, so in-

formieren Sie die Praktikumsleiter bitte so fruhzeitig wie moglich. Es wird dann ein Ersatztermin

vereinbart.

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Teil II

Versuchsanleitungen

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1. Einfuhrungsversuch

EV

1.1 Einleitung

Am Beispiel eines einfachen Experiments zur Bestimmung der Erdbeschleunigung g mit Hilfe eines

mathematischen Pendels soll die Durchfuhrung, das Protokollieren und das Auswerten eines Ver-

suches demonstriert und geubt werden. Dazu gehort eine Diskussion verschiedener Messmethoden

und der damit verknupften Fehler. Stichworte zu diesem Versuch sind:

• die Genauigkeit von Messgeraten und die Ablesegenauigkeit,

• das Protokollieren und Auswerten von Messresultaten,

• systematische und zufallige Fehler,

• das Histogrammieren der Resultate einer Messung, und

• die Bestimmung des Mittelwerts und des Fehlers einer Messung.

1.2 Theoretische Grundlagen

mRuhe

ϕ

lFFa

G

Abbildung 1.1: Mathematisches Pendel

Eine Masse m hangt an einem Faden, dessen Lange l

wesentlich grosser ist als der Durchmesser von m. Wir

nehmen an, die Schwingungsbewegung verlaufe rei-

bungsfrei. Fur eine punktformige Masse ist bei kleinen

Schwingungsamplituden die Schwingungsdauer T un-

abhangig von der Masse und der Amplitude; sie hangt

nur noch von der Pendellange und der Erdbeschleuni-

gung ab (vergl. den Anhang zu diesem Versuch):

T = 2π

√l

goder g =

4π2 l

T 2(1.1)

Die Bestimmung von g lasst sich also auf die Messung der Lange und der Schwingungsdauer des

Pendels zuruckfuhren.

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10 1. Einfuhrungsversuch

1.3 Experimenteller Teil

1.3.1 Aufgabenstellung

• Bestimmung der Erdbeschleunigung g aus Lange und Schwingungsdauer eines mathemati-

schen Pendels,

• Diskussion verschiedener Zeitmessmethoden,

• Diskussion der Fehlerfortpflanzung und Bestimmung des Fehlers von g.

1.3.2 Messungen

• Messen Sie die Pendellange mit dem Massstab und schatzen Sie den Fehler der Messung.

• Zeitmessung: (vergl. auch den Abschnitt Fehlerrechnung) Fuhren Sie fur konstante Pen-

dellange und kleine Amplituden (ϕ = 5− 10; im Bogenmass ϕ = 0.09− 0.18) die folgenden

Zeitmessungen durch:

(a) Messen Sie mit einer gewohnlichen Stoppuhr mehrmals die Zeit T fur eine einzelne

Schwingung und berechnen Sie den Mittelwert T der Messungen.

(b) Messen Sie mit einer elektronischen Uhr mehrmals die Zeit T fur eine einzelne Schwin-

gung und berechnen Sie den Mittelwert der Messungen.

(c) Messen Sie mit einer gewohnlichen mechanischen Stoppuhr mehrmals die Zeit fur funf

Schwingungen. Berechnen Sie daraus T und T .

(d) Messen Sie mit einer elektronischen Uhr mehrmals die Zeit fur funf Schwingungen. Be-

rechnen Sie daraus T und T .

• Tragen Sie die Ergebnisse in die Tabellen in Abschnitt 1.3.5 ein.

• Berechnen Sie die statistischen Fehler mT auf die Mittelwerte.

• Diskutieren Sie die genannten Zeitmessungen unter folgenden Gesichtspunkten:

– Bei welcher Methode ist es sinnvoll, den statistischen Fehler von T zu berechnen? Bei

welcher Methode ist es sinnvoll, den Fehler zu schatzen? Begrunden Sie die Antworten.

– Es ist ublich, eine Schwingungsdauer nach Methode (c) oder (d) zu messen. Warum sind

diese Methoden den Methoden (a) und (b) vorzuziehen ?

1.3.3 Auswertung

• Berechnen Sie g aus dem Mittelwert von T und der Pendellange l. Nach Gleichung (1.1) gilt:

g =4π2 l

T2 (1.2)

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1.3. EXPERIMENTELLER TEIL 11

• Berechnen Sie den Messfehler auf g aus den relativen Fehlern auf T und l. Verwenden Sie

dabei die relevanten Gleichungen zur Fehlerfortpflanzung aus dem Abschnitt Fehlerrechnung.

• Uberprufen von T ∝√l: Es stehen zwei Pendel verschiedener Langen l zur Verfugung. Messen

Sie die Schwingungsdauer dieser Pendel. Stellen Sie T als Funktion von√l graphisch dar. Auf

was fur einer Kurve sollten die Messpunkte liegen ?

• Bestimmen Sie die Erdbeschleunigung g aus der Steigung der Geraden.

1.3.4 Zusatzaufgabe (falls die Zeit reicht)

• Amplitudenabhangigkeit der Schwingungsdauer:

– Uberlegen Sie, welche Uhr Sie verwenden sollten, um die kleinen Unterschiede der Schwin-

gungsdauer bei verschiedenen Amplituden zu messen.

– Messen Sie nun die Schwingungsdauer bei drei verschiedenen Amplituden (Auslenkungen

aus der Ruhelage).

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12 1. Einfuhrungsversuch

1.3.5 Messprotokoll

Bestimmung von g

Pendellange: l = Fehler: ml =

Zeitmessungen fur eine Schwingung:

Stoppuhr T (s) el. Uhr T (s)

1.

2.

3.

4.

5.

6.

T =

mT

rT =mTT

Zeitmessung fur funf Schwingungen:

Stoppuhr 5T (s) Stoppuhr T (s) el. Uhr 5T (s) el. Uhr T (s)

1.

2.

3.

T = XXX XXX

mT XXX XXX

rT XXX XXX

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1.3. EXPERIMENTELLER TEIL 13

Langenabhangigkeit von T

Lange l (m) 5T (s) T (s)

1.

.

.

2.

.

.

3.

.

.

4.

.

.

Amplitudenabhangigkeit von T

Amplitude 5T (s) T (s)

1.

.

.

2.

.

.

3.

.

.

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14 1. Einfuhrungsversuch

1.4 Anhang

mRuhe

ϕ

l

tangential

FFa

Gnormaln

Gt

Abbildung 1.2: Mathematisches Pendel

Die Masse m hangt an einem Faden, dessen Lange

l wesentlich grosser ist als der Durchmesser von

m. Die Masse kann deshalb als Massepunkt be-

trachtet werden. Ausserdem sei angenommen, dass

die Bewegung reibungsfrei verlauft. Als Koordina-

te wird zweckmassigerweise der Auslenkungswin-

kel ϕ(t) gewahlt. Die Bewegungsgleichung m−→a =−→F Fa +

−→G wird in eine Normal- und eine Tangenti-

alkomponente zerlegt:

tangential : mld2ϕ

dt2= −mg sinϕ (1.3)

normal : ml [dϕ

dt]2 = FFa −mg cosϕ

Die beiden Gleichungen enthalten die unbekannte Fadenkraft FFa(t) und den zu bestimmenden

Auslenkwinkel ϕ(t). Letzteren erhalt man aus der Gleichung (1.3). Die Gleichung lasst sich aber in

dieser Form nicht elementar losen. Wir betrachten deshalb nur kleine Winkel (ϕ << π/2). Dann

gilt naherungsweise sinϕ ≈ ϕ:

mld2ϕ

dt2= −mg ϕ oder

d2ϕ

dt2+g

lϕ = 0 (1.4)

Da man aus Erfahrung weiss, dass die Pendelbewegung periodisch ist, wahlt man folgenden Losungs-

ansatz:

ϕ(t) = ϕ0 cos(ωt+ δ) ϕ0 = Amplitude

ω = 2πν = 2π/T = Kreisfrequenz

δ = Phasenkonstante (1.5)

ϕ0 und δ hangen von den Anfangsbedingungen ab, ω muss so bestimmt werden, dass der Losungs-

ansatz Gleichung (1.4) erfullt. Zweimaliges Differenzieren von Gleichung (1.5) ergibt:

d2ϕ

dt2= −ϕ0 ω

2 cos(ωt+ δ) (1.6)

und durch Einsetzen in Gleichung (1.4) folgt:

−ϕ0 ω2 cos(ωt+ δ) +

g

lϕ0 cos(ωt+ δ) = 0 ⇒ ω =

√g

l=

T(1.7)

Die Schwingungsdauer T des Pendels ist fur kleine Schwingungsamplituden also unabhangig von

der Masse und der Amplitude. Fur grossere Amplituden ist die Bewegung zwar noch periodisch,

aber nicht mehr harmonisch; die Schwingungsdauer wachst dann mit zunehmender Amplitude.

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2. γ-Absorption – Messung von

Halbwertsdicken

Ab

2.1 Einleitung

Atomkerne besitzen eine Struktur aus positiv geladenen Protonen und ungeladenen Neutronen,

welche durch einen komplexen Satz von Energieniveaus bestimmt wird. Wie die Elektronen in

der Atomhulle, konnen die Kerne durch Absorption von Energie aus einem energetisch tieferen

in einen hoheren Zustand angeregt werden, bzw. durch Abgabe von Energie von einem hoheren

in einen tieferen Zustand ubergehen. Energie wird dabei in festen Betragen mit der Umgebung

ausgetauscht, wobei die Betrage durch die Energiedifferenzen der involvierten Zustande gegeben

sind.

Unter einem radioaktiven Zerfall versteht man den Prozess, bei dem ein aufgrund seiner hohen

Energie instabiler Atomkern spontan unter Abgabe von Strahlung und Teilchen zerfallt. Die Zer-

fallsprodukte sind dann Atomkerne einer anderen chemischen Spezies, die man als Tochterkern

bezeichnet.

Der Zerfall ist ein auf atomarer Ebene zufalliger Prozess, d.h. der Zeitpunkt des Zerfalls eines

Atomkerns kann nicht vorhergesagt werden. Was hingegen vorhergesagt werden kann, ist die Wahr-

scheinlichkeit, dass das Atom zu einem bestimmten Zeitpunkt zerfallen wird, bzw. die Anzahl der

Zerfalle pro Zeiteinheit fur eine grosse Zahl identischer Atome. Die Wahrscheinlichkeit wird uber

eine Zeitkonstante charakterisiert: die sogenannte Halbwertszeit t1/2 gibt an, naxh welcher Zeit sich

die Zahl instabiler Kerne gerade halbiert hat. Je kurzer die Halbwertszeit, desto instabiler der Kern

und desto hoher ist die Aktivitat des Materials.

Es gibt mehrere Arten von Zerfallen, wobei die bekanntesten mit einer Emission eines α- bzw. β-

Teilchens einhergehen (Heliumion respektive Elektron plus Antineutrino) sowie die spontane Spal-

tung, bei der ein Kern in mehrere Isotope zerfallt. Die dabei entstehenden Tochterkerne sind fast

immer hoch angeregt und gehen dann unter Emission elektromagnetischer Strahlung (Photonen,

γ-Zerfall) in energetisch tiefere Zustande uber. Die γ-Strahlung ist elektromagnetische Strahlung

sehr kurzer Wellenlange (λ < 10−2 nm), welche als Begleiterscheinung bei Kernprozessen auftritt

(im Gegensatz hierzu entsteht Rontgenstrahlung bei elektronischen Anregungsprozessen). Falls die

Tochterkerne ebenfalls wieder instabil sind, zerfallen auch diese, so dass sich sogenannte Zerfallsse-

rien ausbilden, die erst bei einem stabilen Element, wie z.B. Blei, enden.

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16 2. γ-Absorption – Messung von Halbwertsdicken

60Co T1/2 = 5.26 a

β - (Emax = 0.312 MeV)

ΔE = 1.173 MeV

ΔE = 1.332 MeV

60Ni (stabil)

137Cs T1/2 = 30 a

β - (Emax = 0.514 MeV)

ΔE = 0.66 MeV

137Ba (stabil)

Abbildung 2.1: Zerfallschema fur 60Co (links) und 137Cs (rechts).

Man weiss, dass starke γ-Strahlung - wie alle anderen Formen so genannter ionisierender (d.h.

energiereicher) Strahlung auch - schadigende Wirkungen auf den menschlichen Organismus hat.

Die Intensitat der naturlichen Strahlung ist so klein, dass vermutlich keine Schadigungen auftreten.

Wird dagegen mit starkeren Quellen gearbeitet, so mussen die damit beschaftigten Personen vor

Strahlenbelastungen geschutzt werden. Solche Strahlenexpositionen konnen z.B. in der Forschung,

oder auch in der medizinischen Diagnostik und Therapie auftreten. Um Abschirmungen richtig zu

dimensionieren, mussen die Absorptionseigenschaften des Abschirmungsmaterials bekannt sein.

In diesem Versuch sollen die Absorptionseigenschaften von Blei, Aluminium und Wasser bei γ-

Energien von 0.66 MeV, resp. 1.17 MeV und 1.33 MeV untersucht werden. Weiterhin sollen das

Linearisieren von exponentiellen Zusammenhangen und die Auswertung von Geraden bei der Aus-

wertung des Versuches geubt werden.

2.2 Theoretischer Teil

a) Quellen fur γ-Strahlung

γ-Strahlung wird erzeugt, wenn ein energetisch angeregter Atomkern von einem Zustand mit An-

regungsenergie Ei in einen Zustand mit niedrigerer Anregungsenergie Ef ubergeht. Die Energiedif-

ferenz ∆E = Ei−Ef wird dabei in Form von elektromagnetischer Strahlung der Energie Eγ = ∆E

und der Wellenlange λ = h · c/Eγ abgestrahlt, wobei

h = Plancksches Wirkungsquantum = 6.626× 10−34 Js (2.1)

c = Lichtgeschwindigkeit = 2.99× 108 m/s (2.2)

Die Energie der erzeugten γ-Strahlung ist charakteristisch fur einen bestimmten Kern und liegt

zwischen ca. 100 keV und mehreren MeV (eV = Elektronenvolt).

1 eV = 1.602× 10−19 J (2.3)

In diesem Versuch werden eine 60Co-Quelle und eine 137Cs-Quelle verwendet. Die Zerfallsschemata

fur 60Co und 137Cs sind in Abb. 2.1 dargestellt. In beiden Fallen ensteht zunachst durch Emission

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2.2. THEORETISCHER TEIL 17

eines Elektrons (β−-Zerfall) ein Tochterkern, 60Ni bzw. 137Ba, der sich in einem angeregten (hoher-

energetischen) Zustand befindet. Die γ-Strahlung wird dann beim Ubergang des Tochterkerns in

einen Zustand tieferer Energie erzeugt. Im Falle von 60Ni findet dieser Ubergang in zwei Schrit-

ten statt, die γ-Strahlung der 60Co-Quelle enthalt immer beide Energien. Im Experiment wird der

Schwachungskoeffizient bzw. die Halbwertsdicke fur die gemischte Strahlung bestimmt.

b) Absorptionsgesetz

Im Rahmen der Quantentheorie lasst sich γ-Strahlung sowohl als elektromagnetische Welle als

auch als Quanten- bzw. Korpuskelstrahlung beschreiben. Im Quantenbild wird bei jedem Ubergang

eines Atomkerns ein γ-Quant der Energie Eγ = ∆E emittiert, und die Intensitat der Strahlung ist

proportional zur Zahl N der erzeugten Quanten. Fur die Beschreibung von Absorptionsprozessen

eignet sich die Quantendarstellung besser.

Die verschiedenen physikalischen Prozesse, die zur Abschwachung der γ-Strahlung beitragen, sind

im Anhang zu diesem Versuch beschrieben.

Zunachst sei die Schwachung der Strahlung in einer dunnen Schicht der Dicke dx betrachtet (siehe

Abb. 2.2). Die Anzahl der Quanten, die absorbiert oder gestreut werden, ist fur dunne Schichten

proportional zur Schichtdicke und zur Anzahl N(x) auftreffender γ-Quanten:

dN = −µ ·N(x) · dx (2.4)

dN

N= −µ · dx (2.5)

Der Abschwachungskoeffizient µ hangt vom Material und von der Energie der Strahlung ab. Das

negative Vorzeichen deutet an, dass die Anzahl der Quanten beim Durchgang durch die dunne

Schicht abnimmt.

Integration von Gleichung 2.5 ergibt

N(x) = N0 · e−µ·x (2.6)

wobei N0 die Anzahl auftreffender Quanten bei x = 0 ist. Gleichung 2.6 zeigt, dass die Anzahl

durchdringender Quanten und damit die Intensitat der γ-Strahlung nie ganz auf Null absinkt. In

der Praxis wahlt man die Absorberdicke so, dass die Intensitat der durchtretenden Strahlung sicher

unterhalb der Toleranzgrenze liegt.

dx

xx+dxxx=0

N(x) N(x+dx)

Abbildung 2.2: Zur Abschwachung in einer dunnen Schicht.

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18 2. γ-Absorption – Messung von Halbwertsdicken

N0

N02

N (x)

xd1/2

Abbildung 2.3: Zur Bestimmung der Halbwertsdicke d1/2.

Ein haufig benutztes Mass fur die Abschwachung der Strahlung ist die sogenannte Halbwertsdicke

d1/2. Sie gibt die Schichtdicke an, nach der die Anzahl der durchdringenden γ-Quanten auf die

Halfte abgesunken ist (siehe Abb. 2.3):

N0

2= N0 · e−µ·d1/2 (2.7)

d1/2 =ln 2

µ(2.8)

Wie der Abschwachungskoeffizient µ, so hangt auch die Halbwertsdicke d1/2 vom Absorbermaterial

und von der Energie der γ-Strahlung ab. Einige Beispiele sind in Tabelle 2.1 zusammengestellt.

Tabelle 2.1: Einige Halbwertsdicken in cm

Blei Aluminium Luft Wasser

0.1 MeV 0.014 1.7 3.6× 103 4.1

0.5 MeV 0.41 3.0 5.9× 103 7.3

1 MeV 0.88 4.3 8.3× 103 9.9

2 MeV 1.36 5.7 13.4× 103 17.3

5 MeV 1.46 9.5 21.5× 103 21.7

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2.3. EXPERIMENTELLER TEIL 19

2.3 Experimenteller Teil

a) Messprinzip

Um die Halbwertsdicke zu bestimmen, wird die Intensitat der γ-Strahlung als Funktion der Absor-

berdicke gemessen. Die Anzahl der durchtretenden γ-Quanten wird jeweils wahrend eines vorgege-

benen Zeitintervalls ∆t mit einem Geiger-Muller-Rohr gezahlt. Die Funktionsweise des Zahlrohres

ist im Anhang beschrieben (siehe Seite 29).

Durch Logarithmieren von Gleichung 2.6 folgt

logN(x) = logN0 − µx · log e (2.9)

so dass sich in einer halblogarithmischen Darstellung von logN(x) als Funktion der Absorberdicke

x eine Gerade ergibt, aus deren Steigung

a = −µ · log e (2.10)

sich der Absorptionskoeffizient µ bzw. die Halbwertsdicke d1/2 bestimmen lassen (siehe Abb. 2.4)1.

00

400

800

2 4 86 10

103

102

10

0 2 4 6 8 10xx

N/2

N/4

N/2N/4

d1/2

N(x)N(x)

d1/2

Abbildung 2.4: Zur Bestimmung der Halbwertsdicke d1/2.

b) Versuchsaufbau

Der Versuchsaufbau ist in Abb. 2.5 skizziert. Die Quellen befinden sich jeweils in einer Metallkapsel,

deren Hulle die erzeugte β−-Strahlung vollstandig absorbiert. Die β−-Strahlung tragt also auch bei

der Messung ohne Absorberplatten nicht zur gemessenen Zahlrate bei.

Zusatzlich sind die Quellen von einer Bleiabschirmung umgeben, damit die Intensitat der Strahlung

am Arbeitsplatz unterhalb der Toleranzgrenze bleibt. Die austretende Strahlendosis kann mit einem

Messgerat gemessen werden. Das Zahlrohr ist ebenfalls mit Blei umgeben, um den Untergrund durch

naturliche Radioaktivitat, Hohenstrahlung und gestreute γ-Quanten moglichst klein zu halten. In

der Mitte zwischen Quelle und Zahlrohr stehen die zu untersuchenden Absorberplatten.

1Der Einfachheit halber benutzt man in Rechnungen den naturlichen Logarithmus lnN(x). Bei der Auftragung

der Messdaten auf halblogarithmischem Papier erweist sich jedoch der dekadische Logarithmus als weitaus einfacher.

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20 2. γ-Absorption – Messung von Halbwertsdicken

Zähler

Pb-AbschirmungenZählrohr

AbsorberplattenQuelle

Abbildung 2.5: Versuchsaufbau.

Die Absorberdicken sind:

• Pb: 4 mm / Platte

• Al: 20 mm / Platte

• Wasser: 10 cm

c) Durchfuhrung

• Lassen Sie sich vom Assistenten die Funktionsweise und die Bedienung des Zahlrohres erlautern.

• Lassen Sie sich das gewunschte Zeitintervall fur jede Einzelmessung vom Assistenten angeben.

• Stellen Sie die Quellen zunachst beiseite und messen Sie den Untergrund wahrend drei Zeit-

intervallen.

• Entfernen Sie dann den Verschluss von der ersten Quelle und setzen Sie sie in den Versuchsauf-

bau ein.

• Messen Sie zunachst die Zahlrate ohne Absorber (x = 0). Fuhren Sie dann eine Messreihe

fur die Bleiplatten durch, wobei Sie fur jede neue Messung eine zusatzliche Platte in die

Halterung zwischen Quelle und Zahlrohr einsetzen (total 10 Platten).

• Entfernen Sie die Bleiplatten und fuhren Sie in gleicher Weise eine Messreihe fur die Alumi-

niumplatten durch (total 5 Platten).

• Entfernen Sie die Aluminiumplatten und fuhren Sie eine Messung fur das mit Wasser gefullte

Rohr durch. Da auch im Plexiglas des Rohres γ-Strahlung absorbiert wird, mussen Sie die

Messung mit dem leeren Rohr wiederholen und ihr Messergebnis fur Wasser entsprechend

korrigieren.

• Wiederholen Sie das komplette Messprogramm fur die zweite Quelle.

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2.3. EXPERIMENTELLER TEIL 21

• Fuhren Sie zum Schluss noch eine Messreihe zur Uberprufung der Zahlstatistik durch (siehe

Auswertung). Verwenden Sie die 137Cs-Quelle, stellen Sie zwischen Quelle und Zahlrohr ei-

ne einzelne Bleiabsorberplatte auf, und messen Sie die Pulszahl 50 mal fur ein Zeitintervall

von 1 s.

• Stellen Sie alle Messergebnisse in einer ubersichtlichen Tabelle zusammen.

d) Auswertung

Bei diesem Versuch muss die Auswertung von Hand durchgefuhrt werden. Der Assistent wird Ihnen

halblogarithmisches Papier zur Verfugung stellen.

Bestimmung der Halbwertsdicken:

• Tragen Sie fur jede Messreihe die gemessene Pulszahl als Funktion der Absorberdicke in halb-

logarithmischer Darstellung auf. Vergessen Sie nicht, von jedem Messergebnis den Untergrund

zu subtrahieren. Zeichnen Sie zu jedem Punkt den zugehorigen Fehler mittels Fehlerbalken

ein. Der statistische Fehler jeder Einzelmessung ist:

mN =√N (2.11)

und damit (da Mittelwert aus drei Messungen)

mU =√U/3

Damit gilt fur die Pulszahl nach Abzug des Untergrundes:

N ′(x) = N(x)− U

mN ′ =√m2N +m2

U =√N + U/3 . (2.12)

• Zeichnen Sie von Auge die beste Gerade durch die Messpunkte (siehe Abb. 2.6), und bestim-

men Sie aus aus dieser Geraden die Halbwertsdicke d1/2.

• Zeichnen Sie zusatzlich zur besten Geraden auch die steilste und die flachste Gerade ein, die

noch mit den Messfehlern vertraglich sind. Schatzen Sie mittels dieser beiden Geraden den

Fehler auf d1/2 ab.

• Berechnen Sie die Steigung der besten Gerade und daraus den Absorptionskoeffizienten (ohne

Fehlerrechnung).

Weitere Aufgaben:

• Berechnen Sie wie dick eine Bleiplatte sein muss, damit die durchgelassene Strahlungsin-

tensitat fur die gemessenen γ-Energien auf 1/10 der ursprunglichen Intensitat abgeschwacht

wird.

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22 2. γ-Absorption – Messung von Halbwertsdicken

102

4

1002

4

10002

4

Anz

ahl Z

ähle

rpul

se N

(x)

86420

Absorberdicke x (# Platten)

Daten ohne Untergrund

Abbildung 2.6: Anpassen einer Geraden an eine Exponentialfunktion in halb-logarithmischer Dar-

stellung.

• Berechnen Sie, um welchen Faktor die Strahlung durch 10 cm Wasser abgeschwacht wurde.

Berechnen Sie wieviel Blei bzw. Aluminium notig waren, um die gleiche Abschwachung zu

erreichen.

• Nach Gleichung 2.11 gilt fur die Streuung (Standardabweichung) der Pulszahl mN =√N .

Uberprufen Sie diesen Zusammenhang anhand der 50 Messpunkte, die Sie in der letzten

Messreihe aufgenommen haben. Bestimmen Sie den Mittelwert und die Streuung der gemes-

senen Pulszahl und vergleichen Sie das Resultat mit der erwarteten Beziehung mN =√N .

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2.4. ANHANG 23

2.4 Anhang

2.4.1 Dosimetrie

a) Quellenstarke

Die Starke oder Aktivitat Q einer radioaktiven Quelle gibt die Anzahl Kerne an, die pro Zeiteinheit

zerfallen. Sie ist bestimmt durch die totale Anzahl radioaktiver Kerne in der Quelle sowie die

sogenannte Zerfallskonstante λ, die die Wahrscheinlichkeit angibt, dass ein gegebener Kern in einer

Sekunde zerfallt.

Die Einheit der Aktivitat ist das Becquerel. Eine Quelle besitzt die Aktivitat 1 Bequerel = 1 Bq,

wenn pro Sekunde ein Kern zerfallt. Damit ist:

Q = λ · NA ·mA

(2.13)

wobei

Q = Quellenstarke in Bq

λ = Zerfallskonstante in s−1

NA = Avogadro-Zahl = 6× 1023 mol−1

m = Masse der Quelle in g

A = Atommasse des Isotops in g/mol.

b) Ionendosis (fur γ- oder Rontgenstrahlung)

Dringen γ- oder Rontgenstrahlen in Materie ein, so verlieren Sie ihre Energie hauptsachlich in

Stossen mit Elektronen des Absorbermaterials. Beim Stoss entstehen ein freies Elektron und ein

positives Ion, ein sogenanntes Ionenpaar. Die Ionendosis ist ein Mass fur die Anzahl Ionenpaare, die

in einem Kilogramm Luft entstehen. Angegeben wird die entsprechende Ladungsmenge in Coulomb

pro Kilogramm:

Einheit der Ionendosis: 1 C/kg

c) Energiedosis

Die absorbierte Energiedosis ist ein Mass fur die Energie, die pro Kilogramm der betreffenden

Materie durch Ionisationsprozesse absorbiert wird. Die Einheit ist das Gray:

1 Gray = 1 Gy = 1 Joule/kg = 1 J/kg

c) Aquivalentdosis

Die biologische Wirkung radioaktiver Strahlung hangt nicht nur von der absorbierten Energiedosis,

sondern auch von der Art der absorbierten Strahlung ab. Als Mass fur die biologische Wirkung hat

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24 2. γ-Absorption – Messung von Halbwertsdicken

Tabelle 2.2: Qualitatsfaktoren fur verschiedene Arten von Strahlung

Art der Strahlung QF

γ-Strahlung 1

β-Strahlung 1

schnelle Neutronen und Protonen ≈ 10

langsame Neutronen ≈ 3

α-Teilchen ≈ 15

schwere Ionen ≈ 20

man die Einheit Sievert eingefuhrt:

1 Sievert = 1 Sv = 1 J/kg

Ein Sievert ist jene vom menschlichen Korper absorbierte Strahlung, welche im Gewebe dieselbe

biologische Wirkung hervorruft wie 1 Gy absorbierter Rontgenstrahlung von 200 keV. Diese so-

genannte Aquivalentdosis berechnet sich aus der absorbierten Energiedosis in Gray sowie einem

sogenannten Qualitatsfaktor QF:

Aquivalentdosis in Sv = QF × Energiedosis in Gray

Einige Qualitatsfaktoren fur verschiedene Strahlungsarten sind in Tabelle 2.2 zusammengestellt.

d) Altere Einheiten

In alteren Lehrbuchern und Tabellen findet man noch haufig die folgenden bis ca. 1985 gultigen

Einheiten:

Quellenstarke 1 Curie = 1 Cu = 3.7 ×1010 Bq

Ionendosis 1 Rontgen: = 2.58 ×10−4 C/kg Luft

Energiedosis 1 rad = 10−2 Gy

Aquivalentdosis 1 rem = 10−2 Sv

d) Beispiele fur Strahlenbelastung (1 mSv = 10−3 Sv)

Der Mensch ist immer und uberall einer Strahlenbelastung durch naturliche Strahlenquellen aus-

gesetzt. Im Mittelwert der Gesamtbevolkerung liegt diese naturliche Strahlenbelastung bei etwa

• 0.3 - 0.6 mSv/a durch kosmische Strahlung, und

• 0.4 - 1.5 mSv/a durch naturliche Strahlung aus dem Erdboden

Die naturliche Strahlenbelastung aus dem Erdboden hangt von der Haufigkeit naturlicher Radionu-

klide in Boden und Gesteinen ab und kann in verschiedenen Regionen der Erde recht unterschiedlich

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2.4. ANHANG 25

µph

νhKLM

Abbildung 2.7: Absorptionskurve fur Photoeffekt.

sein. In der Schweiz liegt sie zum Beispiel bei etwa 1 mSv/a, in Ramsar im Iran aber bei 6 mSv/a.

Die naturliche Strahlenbelastung durch kosmische Strahlung nimmt mit zunehmender Hohe zu. So

liegt sie zum Beispiel in Berlin (20 m uber dem Meeresspiegel) bei 0.3 mSv/a, in La Paz (3900 m

uber dem Meeresspiegel) aber bei 2.0 mSv/a.

Vielflieger unterliegen einer zusatzlichen Strahlenbelastung durch die hohere kosmische Strahlung

auf Flughohe. Die bei einem Flug von Europa nach Nordamerika erhaltene Dosis aus der kosmischen

Strahlung entspricht etwa derjenigen einer Rontgenaufnahme der Gliedmassen. Bei einer gesamten

Flugleistung von 10 Tagen pro Jahr liegt die zusatzliche Strahlenbelastung zum Beispiel bei etwa

1.4 mSv/a.

Eine erhohte Strahlenbelastung kann auch durch verwendete Baumaterialien auftreten. So kann

zum Beispiel bei Verwendung von Granit oder Schlackensteinen als Baumaterial die zusatzliche

Strahlendosis bis zu 2 mSv/Jahr betragen.

Im Vergleich dazu liegt die durchschnittliche Strahlenbelastung durch Rontgenuntersuchungen bei

etwa 2 mSv/a.

2.4.2 Wechselwirkung der γ-Strahlung mit Materie

Die Abschwachung von γ-Strahlung beim Durchgang durch Materie erfolgt durch Absorption auf

Grund von Photoeffekt und Paarbildung sowie durch Compton-Streuung.

a) Photoeffekt

Trifft ein γ-Quant (Photon) auf ein Atom des Absorbermaterials, so kann es seine Energie an dessen

Hullenelektronen abgeben. Ein Elektron kann dabei in einen gebundenen Zustand hoherer Energie

ubergehen (Anregung) oder, wenn die Energie des γ-Quants grosser ist als die Bindungsenergie des

Elektrons im Atom, ganz aus der Elektronenhulle herausgeschlagen werden (Ionisation). Mit zu-

nehmender Energie des γ-Quants konnen Elektronen aus immer tiefer liegenden Elektronenschalen

herausgeschlagen werden, und die Wahrscheinlichkeit fur die Absorption eines γ-Quants steigt dann

jeweils sprungartig an. Man spricht von den sogenannten K-, L-, M-Kanten in der Absorptionskurve

(Absorptionskoeffizient als Funktion der Energie des γ-Quants, siehe Abb. 2.4.2).

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26 2. γ-Absorption – Messung von Halbwertsdicken

Im Falle der Ionisation verlasst das Elektron das Atom mit der kinetischen Energie:

me · v2

2= hν − EB (2.14)

wobei

hν = Energie des γ-Quants

ν = Frequenz der γ-Strahlung

h = Plancksches Wirkungsquantum = 6.626× 10−34 Js

EB = Bindungsenergie des Elektrons

me = Ruhemasse des Elektrons = 9.109× 10−31 kg

Der Schwachungskoeffizient µPh fur den Photoeffekt ist propotional zu Z5/(hν)3. Der Photoeffekt

spielt eine wichtige Rolle bei kleinen γ-Energien und bei Absorbermaterialien mit hoher Ladungs-

zahl Z.

b) Paarerzeugung

Ist die Energie des γ-Quants grosser als die doppelte Ruhemasse des Elektrons (h · ν > 1 MeV), so

kann das γ-Quant im elektrischen Feld eines Atomkerns in ein Elektron-Positron Paar konvertiert

werden. Das Positron ist das Antiteilchen des Elektrons, es hat die gleiche Ruhemasse aber die

umgekehrte elektrische Ladung wie das Elektron.

Der Schwachungskoeffizient µP fur Paarerzeugung ist proportional zu

Z2 · log

(2h · νme · c2

). (2.15)

Die Abschwachung durch Paarerzeugung dominiert bei hohen γ-Energien.

c) Comptoneffekt

Beim Comptoneffekt streut ein γ-Quant der Energie h · ν an einem Elektron des Absorbermate-

rials und ubertragt dabei einen Teil seiner Energie auf das Elektron. Der Vorgang ist in Abb. 2.8

hνhν '

ϕ2

ϕ1e-

e-

pe-

Abbildung 2.8: Comptonstreuung.

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2.4. ANHANG 27

µ

µtot

µPh

1 MeV ca.8 MeV

µC

µP

Abbildung 2.9: Absorptionskurve fur γ-Strahlung.

illustriert. Nach der Streuung fliegen das Elektron unter einem Winkel ϕ1 und ein γ-Quant der

Energie h · ν ′ unter dem Winkel ϕ2 weg. Fur die Energie des gestreuten γ-Quants gilt:

h · ν ′ = h · ν1 + h·ν

me·c2 · (1− cosϕ2)< h · ν (2.16)

Der Schwachungskoeffizient µc fur den Comptoneffekt ist proportional zur Atomladungszahl Z des

Absorbermaterials. Die Abschwachung durch Comptonstreuung dominiert bei mittleren γ-Energien

um 1 MeV bis 10 MeV.

d) Totaler Schwachungskoeffizient

Der totale Schwachungskoeffizient setzt sich aus den oben erwahnten Beitragen zusammen. In

Abb. 2.9 sind die einzelnen Beitrage sowie der totale Schwachungskoeffizient fur Blei als Funktion

der Energie der γ-Strahlung dargestellt.

2.4.3 Absorption von α- und β-Strahlung

a) α-Strahlung

α-Teilchen (2He-Kerne) verlieren ihre Energie bei Stossen mit Elektronen des Absorbermaterials.

Fur eine gegebene Anfangsenergie der α-Teilchen und ein gegebenes Absorbermaterial ergibt sich

eine bis auf kleine Schwankungen feste Reichweite der Teilchen. Dies ist in Abb. 2.10 veranschau-

licht, in der die Anzahl durchtretender α-Teilchen als Funktion der Absorberdicke aufgetragen ist.

Als Beispiel betragt die Reichweite fur 5 MeV α-Teilchen in Luft etwa 4 cm.

b) β-Strahlung

β-Teilchen (Elektronen) geben ihre Energie ebenfalls bei Stossen mit Elektronen des Absorberma-

terials ab. Zusatzlich andern sie aber bei elastischen Stossen an den Atomkernen praktisch standig

ihre Richtung, ohne dabei Energie zu verlieren. Die tatsachlich im Absorbermaterial zuruckgelegte

Weglange entspricht also keineswegs der Eindringtiefe. Dies hat zur Folge, dass die Reichweite fur

Elektronen einer gegebenen Energie grosse Streuungen aufweist. Uberdies emittiert jede β-Quelle

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28 2. γ-Absorption – Messung von Halbwertsdicken

NN0

N02

Eα1 < Eα2

R1 R2 r

Abbildung 2.10: Reichweite von α-Strahlung.

EEmax

N

R r

N

max

Abbildung 2.11: Energiespektrum einer β-Quelle und Reichweite der emittierten β-Strahlung.

Elektronen mit einer kontinuierlichen Energieverteilung, wie in Abb. 2.11 veranschaulicht. Die ma-

ximale Energie Emax ist dabei charakteristisch fur den zerfallenden Kern. Betrachtet man die

Anzahl durchtretender β-Teilchen als Funktion der Absorberdicke, so erhalt man einen annahernd

exponentiellen Verlauf (siehe Abb. 2.11).

In Tabelle 2.3 sind die maximalen Reichweiten Rmax in verschiedenen Absorbermaterialien fur

einige ausgewahlte β-Quellen zusammengestellt.

Haufig wird die Reichweite auch in g/cm2 oder in mg/cm2 angegeben. Hierbei gilt:

Reichweite in g/cm2 =Reichweite in cm

Dichte des Absorbermaterials in g/cm3 (2.17)

Tabelle 2.3: Maximale Energie in MeV fur ausgewahlte β-Quellen und maximale Reichweite in mm

in verschiedenen Absorbermaterialien

Reichweite Rmaxβ-Quelle Eβmax Luft Wasser Blei

3H 0.018 3 4× 10−3 3.5× 10−4

14C 0.11535S 0.167

270 0.35 3.1× 10−2

203Hg 0.214 350 0.45 4× 10−2

131I 0.606 1550 2.0 0.232P 1.71 5430 7.0 0.6

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2.4. ANHANG 29

Der Geiger-Muller Zahler

Die Apparatur zum Nachweis der beim β−-Zerfall emittierten Elektronen besteht aus einem Geiger-

Muller-Zahlrohr, einem Verstarker und einem elektronischen Zahler. Das Geiger-Muller-Zahlrohr ist

in Abbildung 2.12 skizziert. Es besteht aus einem gasgefullten Metallrohr, das an einem Ende durch

ein dunnes (ca. 3 mg/cm2) Glimmerfenster verschlossen ist. Entlang der Mittelachse des Rohres ist

ein dunner Metalldraht gespannt, an den eine positive Spannung von ca. 400 Volt angelegt wird.

Tritt ein geladenes Teilchen durch das Fenster in das Rohr ein, so erzeugt es durch Stossionisati-

on an den Gasmolekulen eine gewisse Anzahl Elektronen und positive Ionen. Die Ionen driften im

elektrischen Feld zur Aussenwand des Zahlrohrs, die Elektronen werden zum Draht beschleunigt. In

den hohen elektrischen Feldern in der Nahe des Drahtes gewinnen die Elektronen dabei soviel kine-

tische Energie, dass sie ihrerseits durch Stossionisation an Gasmolekulen weitere Elektronen/Ionen

Paare erzeugen konnen. Es kommt zu einem Lawineneffekt, der zu einer Gasentladung zwischen

dem Draht und der Wand des Zahlrohrs fuhrt und bewirkt, dass diese durch das Gas leitend mit-

einander verbunden sind. Damit kann ein Strom von der Spannungsquelle uber die Widerstande R

und RL zum Draht und durch das Gas zuruck zur Wand des Zahlrohrs und zur Spannungsquelle

fliessen. Dieser Strom verursacht einen Spannungsabfall uber den Widerstand RL. Damit wird die

Spannung zwischen dem Draht und der Wand des Zahlrohrs zu klein, um die Gasentladung aufrecht

zu erhalten, und der Stromkreis ist wieder unterbrochen. Das Zahlrohr “loscht” und ist bereit, ein

neues Teilchen zu registrieren. Der Loschprozess wird durch eine geeignete Wahl der Gasfullung im

Zahlrohr unterstutzt.

Jedes Elektron, das in das Zahlrohr eindringt, erzeugt also einen kurzen Strompuls und damit

einen Spannungspuls uber den Widerstand R. Dieser kann elektronisch verstarkt und mit einem

elektronischen Zahler registriert werden.

Das Geiger-Muller-Zahlrohr registriert nicht nur die gewunschten Elektronen aus dem β-Zerfall des

Indium-Isotops, sondern auch geladene Teilchen aus der naturlichen Radioaktivitat der Umgebung,

aus der kosmischen Strahlung usw. Diese Untergrundzahlrate muss experimentell bestimmt und

von allen Messungen abgezogen werden.

Abbildung 2.12: Geiger-Muller-Zahlrohr.

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30 2. γ-Absorption – Messung von Halbwertsdicken

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3. Elastischer Stoss

ES

3.1 Einleitung

Ein Stoss ist eine Wechselwirkung zweier Korper wahrend einer kurzen Zeit, wobei Impuls und Ener-

gie ausgetauscht werden. Elastisch nennt man den Stoss, wenn dabei keine Energie zur Erzeugung

von Warme, irreversiblen Deformationen, elektronischen Anregungen oder anderen nichtkinema-

tischen Effekten verbraucht wird. Wahrend des Stosses wirken komplizierte Krafte zwsichen den

Stosspartnern, welche oft nicht genau bekannt sind. Die Erhaltungssatze fur den Impuls, die Energie

und unter gewissen Umstanden den Drehimpuls erlauben aber eine befriedigende Bestimmung des

Verhaltens der Stosspartner nach dem Stoss. Dies soll in dem Versuch am Beispiel des elastischen

Stosses zweier Kugeln illustriert werden.

Im ersten Teil des Versuches wird die kinetische Energie bestimmt, die eine Kugel, nachdem sie

eine schiefe Ebene hinuntergerollt ist, an eine zweite, ruhende Kugel ubertragen kann. Im zweiten

Teil wird die Impulserhaltung uberpruft, indem fur eine anfanglich ruhende Kugel der Impuls nach

dem Stoss in Abhangigkeit des Streuwinkels gemessen und mit der Theorie verglichen wird.

3.2 Theoretischer Teil

a) Kinetische Energie einer rollenden Kugel

y

z

x

y

yS

yR

00 x0

m v1

Abbildung 3.1: Versuchsanordnung

31

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32 3. Elastischer Stoss

Rollt eine Kugel wie in Abb. 3.2 dargestellt eine schiefe Ebene hinunter, so lasst sich unter Ver-

nachlassigung von Reibungsverlusten dank der Energieerhaltung aus der potentiellen Energie Epund der Rotationsenergie Er die kinetische Energie Ek am Ende der Rampe berechnen:

Ek = Ep − Er (3.1)

1

2m · v21 = m · g · (yS − yR)− 1

2I0 · ω2 (3.2)

Dabei ist:

m = Masse der Kugel

v1 = Betrag der Geschwindigkeit der Kugel

g = Erdbeschleunigung = 9.81 m/s2

yS − yR = Hohenunterschied zwischen Startpunkt der Kugel und Ende der Rampe

I0 = Tragheitsmoment der Kugel

ω = Winkelgeschwindigkeit der Kugel

Ist r der Radius der Kugel und beruhrt sie beim Rollen die Unterlage stets nur an einem Punkt,

so gilt:

v1 = ω · r (3.3)

Mit

I0 =2

5m · r2 (3.4)

ergibt sich dann aus Gl. 3.2 fur den Betrag der Geschwindigkeit am Ende der Rampe

v1 =

√10

7g · (yS − yR) (3.5)

Im Experiment wird die Kugel jedoch in einer V-formigen Rinne gefuhrt (siehe Abb. 3.2). Sie

beruhrt die Unterlage beim Rollen an zwei Punkten und rollt statt auf einem Grosskreis mit Radius

r tatsachlich auf zwei dazu parallelen Kreisen mit Radius r′ = r · sinα ab. Im vorliegenden Versuch

ist α = 60.

αr r

α

Abbildung 3.2: Zur Erklarung des Radius r′

Entsprechend wird die Bedingung fur das Rollen

v1 = ω · r′ = ω · r · sinα (3.6)

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3.2. THEORETISCHER TEIL 33

und damit

v1 =

√1

k· g · (yS − yR) (3.7)

mit

k =1

2+

1

5 · sin2 α(3.8)

Nach dem Verlassen der Rampe und bis zum Aufprall fallt die Kugel wahrend einer Zeit

τ =

√2 yRg

(3.9)

im Gravitationsfeld der Erde und legt dabei die horizontale Distanz

x0 = τ · v1 =

√2

k· yR · (yS − yR) (3.10)

zuruck. Aus der Messung von x0 kann somit die Geschwindigkeit der Kugel beim Verlassen der

Rampe bestimmt und mit dem theoretischen Wert nach Gl. 3.7 verglichen werden. Dabei ist bei

der Bestimmung von yS und yR zu beachten, dass sich beim Aufprall der Schwerpunkt der Kugel

in der Ebene y = 0 befindet und nicht der Aufprallpunkt.

b) Geschwindigkeit der Stosspartner nach dem Stoss

Der Energie- und der Impulserhaltungssatz beim Stoss zweier Kugeln mit Massen m1 und m2

lauten:

1

2m1 · v21 +

1

2m2 · v22 =

1

2m1 · v′1

2+

1

2m2 · v′2

2(3.11)

m1 · −→v 1 +m2 · −→v 2 = m1 · −→v ′1 +m2 · −→v ′2 (3.12)

Dabei sind −→v 1 und −→v 2 die Geschwindigkeiten der Kugeln vor dem Stoss, −→v ′1 und −→v ′2 ihre Ge-

schwindigkeiten nach dem Stoss.

Haben beide Kugeln dieselbe Masse m = m1 = m2 und ist die zweite Kugel vor dem Stoss in Ruhe,

so vereinfacht sich der Energieerhaltungssatz zu:

v21 = v′12

+ v′22

(3.13)

Nach dem Satz von Pythagoras mussen die Geschwindigkeitsvektoren nach dem Stoss also senkrecht

zueinander stehen. Mit den Konventionen nach Abb. 3.3 gilt: Findet der Stoss in der x− z Ebene

statt und hat die Geschwindigkeit der ersten Kugel vor dem Stoss nur eine Komponente in der

x-Richtung, so ergibt sich fur die x- und z-Komponenten der Geschwindigkeiten:

x-Komponenten : v1 = v′1 · cosϕ1 + v′2 · cosϕ2 = v′1 · sinϕ2 + v′2 · cosϕ2 (3.14)

z-Komponenten : 0 = v′1 · sinϕ1 − v′2 · sinϕ2 = v′1 · cosϕ2 − v′2 · sinϕ2 (3.15)

mit ϕ1 + ϕ2 = π2 wie in Abb. 3.3 skizziert.

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34 3. Elastischer Stoss

2v

z0v1

vor dem Stoss z

x

Von oben betrachtet:

nach dem Stoss

ϕ1ϕ2

ϕ2

ϕ1

1v

ϕ1

Abbildung 3.3: Zur Definition der Streuwinkel ϕ1 und ϕ2.

Durch Auflosen von Gl. 3.15 nach v′1 und Einsetzen in Gl. 3.14 kann v′2 als Funktion vom Streuwinkel

ϕ2 bestimmt werden:

v′2 = v1 · cosϕ2 (3.16)

Wie in Abb. 3.4 veranschaulicht, bedeutet dies aber gerade, dass sich die Spitze des Geschwindig-

keitsvektors −→v ′2 fur beliebige Streuwinkel ϕ2 immer auf einem Kreis befindet, dessen Durchmesser

durch den Vektor −→v 1 definiert ist.

2v =v1cosϕ2

ϕ2

v1

Abbildung 3.4: Zum Zusammenhang zwischen v′2 und ϕ2

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3.3. EXPERIMENTELLER TEIL 35

3.3 Experimenteller Teil

a) Bestimmung der Geschwindigkeit der stossenden Kugel

Die Halterung fur die zweite Kugel (siehe Abb. 3.5) wird erst im zweiten Teil des Versuches ge-

braucht. Vergewissern Sie sich, dass sie fur diesen Teil des Versuches entfernt ist. Die Kugel wurde

diese Halterung im Flug beruhren und dabei abgelenkt werden.

Rampe

Nocken Halterung

Auftreffebene

Abbildung 3.5: Die Halterung fur die zweite Kugel (zweiter Teil des Versuchs).

Befestigen Sie auf der Auftreffebene ein druckempfindliches Papier, auf dem die Kugel beim Auf-

treffen eine dunkle Marke hinterlasst. Die Marke wird etwas grosser und besser sichtbar, wenn die

Oberflache der Auftreffebene mit einem weicheren Material belegt ist. Achten Sie darauf, dass das

Papier nicht verrutschen kann.

Uberprufen Sie mit der Wasserwaage, ob die Rampe und die Auftreffebene horizontal ausgerichtet

sind. Stellen Sie notfalls mit Hilfe der vorhandenen Stellschrauben zuerst die Auftreffplatte und

anschliessend die Rampe horizontal.

• Lassen Sie die Kugel von der Rampe rollen und Messen Sie die Distanz x0, die die Kugel nach

dem Verlassen der Rampe bis zum Aufprall zurucklegt. Wiederholen Sie das Experiment

insgesamt funf mal. Berechnen Sie den Mittelwert und den Fehler (schatzen Sie die Fehler der

verwendeten Grossen ab) und vergleichen Sie Ihr Resultat mit dem aus Gl. 3.10 erwarteten

Wert. Der Winkel α betragt fur die verwendete Rampe 60 mit einer Toleranz von 1%.

• Bestimmen sie aus dem Messergebnis die Geschwindigkeit der Kugel beim Verlassen der

Rampe.

• Beantworten Sie folgende Fragen:

– Wie wurde sich das Resultat andern, wenn die Rampe und/oder die Auftreffebene nicht

horizontal waren?

– Die Rinne, in der die Kugel rollt, ist mit einem Plastikfilm bedeckt, damit der Reibungs-

koeffizient genugend gross ist, um die Kugel rollen und nicht gleiten zu lassen. Wie wurde

sich ein Gleiten der Kugel auswirken ?

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36 3. Elastischer Stoss

b) Uberprufung der Impulserhaltung beim Stoss

Montieren Sie nun die Halterung (siehe Abb. 3.5) fur die zweite Kugel. Beachten Sie dabei, dass die

Nocken der Halterung gut in die entsprechenden Locher an der Rampe passen, damit ein fester Sitz

der Halterung gewahrleistet ist. Die Halterung kann fur die grossere und, umgedreht installiert,

auch fur die kleinere Kugel verwendet werden. Die grosseren Kugeln ergeben aber die besseren

Resultate.

• Warum ergeben kleinere Kugeln schlechtere Resultate ?

Fur diesen Teil des Versuches kann ein Kugelstopper montiert werden, der die stossende Kugel

gleich nach dem Stoss festhalt. Bei der Messung grosser Streuwinkel muss er allerdings wieder

entfernt werden.

Kontrollieren Sie die vertikale Einstellung der Apparatur. Legen Sie dazu eine Kugel auf das Ende

der Rampe und eine zweite Kugel gleicher Grosse auf die Halterung, und verifizieren Sie mit Hilfe

der Wasserwaage, dass die zwei Kugeln dieselbe Hohe haben.

Untersuchen Sie zunachst den Fall des zentralen Stosses. Stellen Sie dazu mittels des Mikrome-

tereinstellknopfes die horizontale Position der Kugelhalterung relativ zur Rampe so ein, dass der

Stossparameter zwischen den beiden Kugeln z0 = 0 ist (als Stossparameter z0 bezeichnet man den

Abstand der beiden Kugeln senkrecht zur Bewegungsrichtung der ersten Kugel vor dem Stoss, siehe

Abb. 3.3).

• Lassen Sie die erste Kugel von der Rampe rollen und dabei die zweite, gleich grosse, auf der

Halterung ruhende Kugel wegstossen. Messen Sie die Distanz x0, die die zweite Kugel bis zum

Aufprall zurucklegt.

• Wiederholen Sie das Experiment insgesamt funf mal und bestimmen Sie den Mittelwert der

Messungen und den Fehler.

• Um welche Distanz sollte der Auftreffpunkt der gestossenen Kugel im Vergleich zum ersten

Versuchsteil nach vorne verschoben sein, wenn der gesamte Impuls von der ersten Kugel auf

die zweite ubertragen wird? Vergleichen Sie das Ergebnis der Messung mit Ihrer Erwartung.

Als nachstes soll der Zusammenhang zwischen dem Streuwinkel und der Geschwindigkeit der gestos-

senen Kugel (Gl. 3.16) untersucht werden. Da die Flugzeit der Kugel vom Stoss bis zum Aufprall

nur von der durchfallenen Hohe abhangt und damit unabhangig von der Horizontalgeschwindigkeit

ist, werden mit dieser Versuchsanordnung Geschwindigkeitsvektoren auf Orte abgebildet. Wenn al-

so die Spitzen der Geschwindigkeitsvektoren auf einem Kreis liegen (siehe Abb. 3.4), so bilden auch

die Aufprallorte einen Kreis.

• Variieren Sie den Stossparameter z0 in Schritten von 1 mm von z0 = −2 cm bis z0 = +2 cm

und fuhren Sie fur jede Einstellung jeweils eine einzelne Messung durch. Notieren Sie fur

jeden Auftreffpunkt der gestossenen Kugel den entsprechenden Wert des am Mikrometer

eingestellten Stossparameters.

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3.3. EXPERIMENTELLER TEIL 37

• Uberprufen Sie mit Hilfe der am Versuchsplatz vorhandenen Kreisschablone, ob die Mes-

spunkte tatsachlich auf einem Kreis liegen. Sind signifikante Abweichungen von der Kreisform

feststellbar? Wenn ja, wie sind sie erklarbar?

• Bestimmen Sie den Durchmesser des Kreises, der sich aus den Messpunkten ergibt und be-

rechnen Sie daraus die Geschwindigkeit v1 mit ihrem Fehler.

• Stellen Sie den Streuwinkel ϕ2 als Funktion des Stossparameters z0 dar. Welche Beziehung

ϕ2(z0) lasst sich erahnen? Zeichnen Sie die beiden Kugeln beim Stoss auf, und geben Sie an,

wie der Geschwindigkeitsvektor der stossenden Kugel vor dem Stoss in die beiden Geschwin-

digkeitsvektoren nach dem Stoss zerlegt werden konnte. Zeichnen Sie die daraus erwartete

Funktion ϕ2(z0) in das gemessene Diagramm ein. Stimmt die vermutete Funktion mit der

Messung uberein ?

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38 3. Elastischer Stoss

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4. Der Cavendish-Versuch

GK

4.1 Einleitung

Newton entdeckte 1684 das nach ihm benannte Gravitations-Gesetz: Zwei Korper ziehen sich ge-

genseitig mit einer Kraft an, die proportional dem Produkt ihrer schweren Massen und umgekehrt

proportional dem Quadrat des Abstands ihrer Schwerpunkte ist. Die Proportionalitatskonstante

Γ ist eine der fundamentalen Naturkonstanten. Sie muss experimentell bestimmt werden, indem

man die Kraft zwischen zwei Massen in einer bekannten geometrischen Anordnung misst. Die erste

Messung wurde 1771 von Henry Cavendish mit einer Torsionswaage ausgefuhrt.1 Der heutige Wert

der Konstanten ist Γ = 6.6742(10)×10−11 Nm2 / kg2. Eine der zur Zeit genauesten Messungen von

Γ wurde 2002 von einer Gruppe am Physik-Institut der Universitat Zurich durchgefuhrt.

In diesem Versuch soll Γ mit Hilfe einer Torsionswaage nach dem sogenannten Endausschlagsver-

fahren bestimmt werden.

4.2 Theoretischer Teil

Das Gravitationsgesetz

Das Gravitationsgesetz lautet in vektorieller Form:

−→F 12 = −Γ · m1 ·m2

r212·−→r 12

r12(4.1)

wobei (siehe auch Abb. 4.1):

−→F 12 = von Korper 1 auf Korper 2 ausgeubte Kraft

m1,2 = Massen der Korper 1 und 2

Γ = Gravitationskonstante−→r 12 = Ortsvektor vom Schwerpunkt des Korpers 1 zum Schwerpunkt des Korpers 2

1Die Originalarbeit kann man unter folgender Referenz finden: Henry Cavendish, Experiments to determine the

Density of the Earth. Philosophical Transactions of the Royal Society of London, Vol. 88, Seite 469 (1798).

39

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40 4. Der Cavendish-Versuch

r12

F12

F21

m1

m2

Abbildung 4.1: Zum Gravitationsgesetz

Hohlspiegel

m

M

rs

S

L

12

ϕ0 ϕ0ϕ0 ϕ0

M M

M

m

Laser

d

Abbildung 4.2: Zum Versuchsaufbau und Messprinzip

Bestimmung der Gravitationskonstante mit einer Torsionswaage

Die Gravitationskonstante Γ soll mit Hilfe der in Abb. 4.2 skizzierten Torsionswaage nach dem

Endausschlagsverfahren bestimmt werden.

Die Torsionswaage besteht aus einem Torsionsband, an dem ein hantelformiger Pendelkorper mit

zwei kugelformigen Probemassen m befestigt ist. Im Anfangszustand (1) befindet sich die Torsions-

waage im statischen Gleichgewicht mit zwei ausseren Kugelmassen M . Dreht man nun die ausseren

Kugeln in die zweite skizzierte Position, so wird der Pendelkorper in seinem Gleichgewicht gestort

und in eine gedampfte Drehschwingung versetzt. Schliesslich kommt die Torsionswaage in einer

neuen Gleichgewichtslage (2) zur Ruhe. Der Verdrehwinkel zwischen den beiden Gleichgewichtsla-

gen ist ein Mass fur die auf die Probemassen m wirkende Gravitationskraft. An dem Torsionsfaden

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4.2. THEORETISCHER TEIL 41

ist ein kleiner Hohlspiegel angebracht, sodass die Schwingung des Pendelkorpers mit Hilfe eines La-

serstrahls auf einem Schirm abgebildet werden kann. Aus dem zeitlichen Verlauf der Schwingung,

den bekannten Massen M und der Geometrie der Anordnung kann dann die Gravitatioskonstante

Γ bestimmt werden.

Im Anfangs- und Endzustand ist das von der Gravitationskraft auf die Torsionswaage ausgeubte

Drehmoment D im Gleichgewicht mit dem ruckstellenden Torsionsmoment k · ϕ0:

2 d · Γ · m ·Mr2

= −k · ϕ0 (4.2)

wobei

d = Abstand der Probemassen von der Drehachse

m = Massen der beiden Probemassen

M = Massen der ausseren Kugeln

r = Schwerpunktsabstand zwischen Probemassen und ausseren Kugelmassen

k = Torsionskonstante des Torsionsbandes

ϕ0 = Verdrehwinkel der Torsionswaage im Gleichgewicht

Der Faktor 2 auf der linken Seite tragt der Tatsache Rechnung, dass der Aufbau zwei Probemassen

und aussere Massen umfasst.

Die Torsionskonstante k ist zunachst nicht bekannt, kann aber durch die Messung der Schwingungs-

periode T und der Dampfungszeitkonstante τ der Torsionswaage im Experiment bestimmt werden.

Die Bewegungsgleichung der Torsionswaage lautet:

Is ·d2ϕ

dt2+ β · dϕ

dt+ k · ϕ = D (4.3)

wobei

Is = Tragheitsmoment der Torsionswaage

β = Dampfungskonstante

k = Torsionskonstante

D = Drehmoment

Die homogene Losung dieser Differentialgleichung (D = 0) ist, wie man sich durch Einsetzen

uberzeugen kann, eine gedampfte harmonische Schwingung (siehe auch Versuch R)

ϕ(t) = ϕ0 · e−t/τ · cos (ω · t− δ) (4.4)

mit

τ =2 Isβ

und ω =2π

T=

√k

Is− 1

τ2(4.5)

Das Tragheitsmoment Is der Torsionswaage ist in guter Naherung

Is = 2m · d2 (4.6)

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42 4. Der Cavendish-Versuch

wobei die zwei Probemassen als punktformig angenommen und der Beitrag des Verbindungsstabs

zwischen den beiden Probemassen vernachlassigt wurde. Mit Gl. 4.4 und 4.6 ergibt sich fur die

Torsionskonstante:

k = 2m · d2 ·(

4π2

T 2+

1

τ2

)(4.7)

Der Torsionsfaden ist in der Ruhelage (1) um den Winkel ϕ0 in die eine und in der Ruhelage (2) um

den gleichen Winkel in die andere Richtung verdreht. Zudem zeigt der vom Hohlspiegel reflektierte

Laserstrahl jeweils nicht den einfachen, sondern den doppelten Verdrehungswinkel an. Auf dem sich

im Abstand L von der Drehachse befindlichen Schirm ergibt sich damit der Abstand S zwischen

den Laserlichtmarken fur die zwei Ruhepositionen zu

S = 4L · tanϕ0 (4.8)

Da ϕ0 sehr klein ist, gilt tanϕ0 ≈ ϕ0 und damit

ϕ0 =S

4L(4.9)

Aus Gl. 4.2, 4.7 und 4.9 ergibt sich fur die Gravitationskonstante

Γ =

(4π2

T 2 + 1τ2

)· r2 · d · S

4M · L(4.10)

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4.3. EXPERIMENTELLER TEIL 43

4.3 Experimenteller Teil

Warnung: Die Torsionswaage ist ein ausserst sensitives Messinstrument. Vermeiden Sie vor und

wahrend des Versuches jegliche Erschutterungen der Torsionswaage. Stutzen Sie sich nicht auf die

Platte, auf der die Waage steht und benutzen Sie die Platte nicht zum Schreiben. Eine unvorsichtige

Handlung kann viel Zeit kosten und im schlimmsten Fall den Versuch am selben Tag verunmogli-

chen.

a) Durchfuhrung des Versuchs

Das Ziel des Versuchs ist es, die Gravitationskonstante Γ gemass Gl. 4.10 zu bestimmen. Die Grossen

d, r, und M mit ihren jeweiligen Fehlern sind in Tabelle 4.1 angegeben. Im Versuch selbst sind

folgende Grossen zu messen:

• die Schwingungsperiode T und die Dampfungszeitkonstante τ der Torsionswaage

• der Abstand S zwischen den Positionen PAnfang und PEnde der Lasermarken in den Gleichge-

wichtszustanden (1) und (2)

• die Entfernung L zwischen dem am Torsionsfaden angebrachten Hohlspiegel und dem Schirm,

auf dem die Lasermarken abgelesen werden

Am Anfang des Versuches befinden sich die ausseren Kugeln M in einer der beiden Positionen (1)

oder (2) und die Torsionswaage ist im Gleichgewicht.

• Befestigen Sie den als Skala dienenden Millimeterpapierstreifen auf der dazu vorbereiteten

Metallplatte.

• Schalten Sie den Laser ein und notieren Sie die Position der vom Hohlspiegel reflektierten

Lasermarke auf der Millimeterpapierskala uber 20 Minuten in Intervallen von 2 Minuten.

Bestimmen Sie die Anfangsposition PAnfang als Mittelwert der abgelesenen Positionswerte

und schatzen Sie den Fehler auf PAnfang aus den Schwankungen der Messwerte ab.

• Bewegen Sie nun die ausseren Kugeln M in die entgegengesetzte Position (2) oder (1). Achten

Sie darauf, dass Sie den Vorgang moglichst ruhig und ohne ubermassige Erschutterungen

durchfuhren. In der neuen Lage sollen die Kugeln M die Frontplatte der Torsionswaage leicht

beruhren, so dass der Abstand r zu den kleinen Pendelkugeln m in der angestrebten neuen

Ruhelage gut definiert ist.

Tabelle 4.1: Angaben zur Apparatur

Masse einer ausseren Massenkugel M = (1500± 2) g

Abstand des Schwerpunkts der Probemassen von der Drehachse d = (50.0± 0.2) mm

Abstand zwischen den Schwerpunkten der ausseren Kugel

(bei Gehauseberuhrung) und der Probemasse (in Ruhelage)r = (47.0± 0.4) mm

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44 4. Der Cavendish-Versuch

Die Torsionswaage beginnt sich in einer schwach gedampften Schwingung in die neue Gleichge-

wichtslage zu bewegen. Die Schwingungsperiode T betragt wegen der erforderlichen Drehmomen-

tempfindlichkeit ungefahr 10 Minuten, und es dauert einige Stunden, bis die Torsionswaage in der

neuen Gleichgewichtslage zur Ruhe kommt. Um die neue Ruhelage PEnde bestimmen zu konnen,

genugt es aber, die Schwingungskurve der Laserlichtmarke wahrend einger Schwingungsperioden

aufzunehmen und ihren Mittelwert zu bestimmen.

• Nehmen Sie die Schwingungskurve wahrend der ersten 5 Perioden auf. Zeichnen Sie dazu jede

Minute die Position der Laserlichtmarke auf der Milimeterpapierskala ein. Verwenden Sie da-

bei verschiedene Zeichen oder Farben, sodass Sie die zeitliche Reihenfolge der Eintragungen

bei der Auswertung eindeutig und einfach verfolgen konnen. Verwenden Sie zur Kontrol-

le insbesondere fur die erste und letzte Markierung ein besonderes Zeichen und tragen Sie

zusatzlich bei der letzten Markierung noch die gesamte Messdauer ein.

• Messen Sie zum Schluss die Entfernung L der Millimeterpapierskala vom Hohlspiegel am

Torsionsfaden.

b) Auswertung

• Tragen Sie die abgelesenen Positionen der einzelnen Markierungen gegen die Zeit in ein Dia-

gramm ein (siehe Abb. 4.3).

• Zeichnen Sie in die so gewonnene Schwingungskurve die beste Null-Linie ein (berucksichtigen

Sie dabei die exponentielle Abnahme der Schwingungsamplitude). Bestimmen Sie PEnde und

den Abstand S zwischen PEnde und dem zu Beginn des Versuchs berechneten PAnfang.

• Bestimmen Sie die Schwingungsperiode T , indem Sie den mittleren Zeitabstand zwischen

allen aufeinander folgenden Maxima beziehungsweise Minima der Schwingungskurve bilden.

• Bestimmen Sie die Dampfungszeitkonstante τ . Tragen Sie dazu den Logarithmus der abge-

lesenen Schwingungsamplituden Ai gegen die dazugehorige Zeit auf (siehe Abb. 4.4). Die

eingetragenen Punkte sollen ziemlich gut auf einer Gerade liegen. Zeichnen Sie die beste Ge-

rade ein und bestimmen Sie die Dampfungszeitkonstante τ aus der Steigung dieser Geraden.

Zeit t (min)Ai

P End

eP

(cm

)

T TT

Ai

Ai

Ai

Abbildung 4.3: Laserposition als Funktion der Zeit

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4.3. EXPERIMENTELLER TEIL 45

t (min)T/2ln

|Ai|

Abbildung 4.4: Schwingungsamplitude als Funktion der Zeit

• Schatzen Sie die Fehler auf L, S, T und τ ab.

• Berechnen Sie die Gravitatioskonstante Γ gemass Gl. 4.10 und bestimmen Sie den Fehler

auf Γ mit Hilfe des Fehlerfortpflanzungsgesetzes. Uberlegen Sie dabei, welche der einzelnen

Messfehler dominieren und welche Sie vernachlassigen konnen.

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46 4. Der Cavendish-Versuch

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5. Innere Reibung von Flussigkeiten

IR1

5.1 Einleitung

Zwischen den Molekulen in Flussigkeiten wirken anziehende Van der Waals Krafte oder — wie im

Falle des Wassers — Krafte, die von sogenannten Wasserstoffbruckenbindungen ausgehen. Um die

Molekule gegeneinander zu bewegen, muss deshalb Arbeit geleistet werden. Makroskopisch lasst

sich dies als eine Verschiebung der Flussigkeit gegen den Widerstand innerer Reibungskrafte be-

schreiben. Die Starke dieser Reibungskrafte wird durch die Zahigkeit oder Viskositat der Flussigkeit

beschrieben.

Bei Leitungssystemen aller Art, insbesondere auch beim Blutkreislaufsystem des Menschen, spielen

der Leitungsdurchmesser und die Viskositat der Flussigkeit eine entscheidende Rolle. Mit einfachen

Mitteln wird in diesem Versuch die Viskositat von Wasser und Rizinusol bestimmt und demonstriert

wie der Leitungswiderstand mit abnehmendem Leitungsdurchmesser stark zunimmt.

5.2 Theoretischer Teil

a) Das Newtonsche Reibungsgesetz

Bei laminarer Stromung einer Flussigkeit oder eines Gases treten zwischen Schichten, welche mit

verschiedenen Geschwindigkeiten stromen, Reibungskrafte−→FR in Form von Schubspannungen auf.

Ein einfaches Beispiel ist in Abb. 5.1 illustriert: Eine Flussigkeitsschicht ist zwischen zwei Plat-

ten eingeschlossen, wobei die obere Platte sich mit der Geschwindigkeit v gegenuber der ruhenden

FR

d υ

Abbildung 5.1: Zum Newtonschen Reibungsgesetz.

47

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48 5. Innere Reibung von Flussigkeiten

unteren Platte bewegt. An den Grenzflachen haften erfahrungsgemass die Flussigkeitsmolekule an

den Platten, so dass die beiden aussersten Lagen der Flussigkeitsschicht ebenfalls die Geschwin-

digkeit v gegeneinander aufweisen. Uber die Dicke der Flussigkeitsschicht stellt sich ein lineares

Geschwindigkeitsgefalle ein.

Um die Geschwindigkeit v der oberen Platte aufrecht zu erhalten, muss eine Kraft F = FR aufge-

wendet werden. Ist die Geschwindigkeit nicht zu gross und der Plattenabstand klein gegenuber der

Plattenausdehnung, so gilt das Newtonsche Reibungsgesetz

FR = η ·A · vd

(5.1)

Dabei ist A die Flache der Platte, und die Zahigkeit oder Viskositat η eine fur die betreffende

Flussigkeit charakteristische, stark temperaturabhangige Materialgrosse. Als Einheit der Viskositat

wurde das Poise eingefuhrt:

1 Poise = 1g

cm · s= 0.1 Pa · s (5.2)

Fur den allgemeinen Fall eines nicht-linearen Geschwindigkeitsprofils gilt das Newtonsche Reibungs-

gesetz in differentieller Form:

FR(z) = η ·A · dvdz

(5.3)

b) Das Gesetz von Hagen-Poiseuille

Mit Hilfe des Newtonschen Reibungsgesetzes kann die laminare Stromung in einem zylindrischen

Rohr mit Lange l und innerem Radius R berechnet werden (siehe Abb. 5.2).

Man betrachtet dazu die Krafte auf das in einem gedachten konzentrischen Zylinder mit dem Radius

r ≤ R eingeschlossene Flussigkeitsvolumen. Zwischen den beiden Enden des Rohres herrsche ein

Druckunterschied ∆p = p1−p2. Infolge dieses Druckunterschiedes wirkt auf den Zylinder eine Kraft

Fp = π · r2 ·∆p (5.4)

Das an der Mantelflache des Zylinders herrschende Geschwindigkeitsgefalle (dv/dr)|r erzeugt nach

Gl. 5.3 eine Reibungskraft

FR = η · 2π · r · l ·(dv

dr

)∣∣∣∣r

(5.5)

p1

FR FP

p2

Rr

l

Abbildung 5.2: Zur Berechnung der Krafte auf eine in einem zylindrischen Rohr fliessende Flussig-

keit.

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5.2. THEORETISCHER TEIL 49

r

υmax

υ(r)

Abbildung 5.3: Geschwindigkeitsprofil in einem zylindrischen Rohr.

Im stationaren Fall (konstantes Geschwindigkeitsprofil) sind Druckkraft und Reibungskraft im

Gleichgewicht, d.h.

π · r2 ·∆p+ η · 2π · r · l ·(dv

dr

)∣∣∣∣r

= 0 (5.6)

Daraus ergibt sich fur das Geschwindigkeitsgefalle im Abstand r von der Achse(dv

dr

)∣∣∣∣r

= − ∆p

2 η · l· r (5.7)

Die Geschwindigkeit als Funktion des Radius erhalt man durch Integration dieser Gleichung unter

Beachtung der Randbedingung v(r = R) = 0:

v(r) =∆p

4 η · l· (R2 − r2) (5.8)

Es ergibt sich also eine parabolische Geschwindigkeitsverteilung, wie in Abb. 5.3 skizziert. Die

Stromungsgeschwindigkeit ist in der Mitte des Rohres am grossten und nimmt zum Rand hin

quadratisch ab.

Die Flussigkeitsmenge dQ, die wahrend der Zeit t durch einen gedachten Hohlzylinder mit Radius r

und Wandstarke dr (siehe Abb. 5.4) fliesst, ist dann

dQ = t · v(r) · 2π · r · dr = t · π · r ·∆p · (R2 − r2)

2 η · ldr (5.9)

Durch Integration dieser Gleichung ergibt sich fur die durch den gesamten Rohrquerschnitt flies-

sende Flussigkeitsmenge das Hagen-Poiseuillesche Gesetz

Q = t ·∫ R

0

π · r ·∆p · (R2 − r2)2 η · l

dr =π ·R4 ·∆p

8 η · l· t (5.10)

Ist die Geometrie des Rohres bekannt, so kann die Viskositat η der durch das Rohr stromenden

Flussigkeit aus den Messgrossen Q, t und ∆p bestimmt werden.

dr

r

Abbildung 5.4: Zur Herleitung des Hagen-Poiseuilleschen Gesetzes.

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50 5. Innere Reibung von Flussigkeiten

c) Laminare und turbulente Stromung, Reynoldsche Zahl

Die Newtonsche Gleichung 5.3 gilt nur fur den Fall der laminaren Stromung, d.h. fur nicht zu

grosse Stromungsgeschwindigkeiten. Oberhalb einer gewissen kritischen Geschwindigkeit vkrit be-

ginnen in der Flussigkeit Wirbel aufzutreten und es kommt zu einer turbulenten Stromung. Die

Wirbel enthalten infolge ihrer Rotationsbewegung kinetische Energie, welche zur Aufrechterhaltung

der Stromung kontinuierlich von aussen zugefuhrt werden muss. Der Stromungswiderstand nimmt

deshalb beim Ubergang von der laminaren zur turbulenten Stromung stark zu. Fur ein gegebenes

System ist die kritische Geschwindigkeit vkrit durch die Dichte ρ und die Viskositat η der Flussigkeit

sowie durch eine charakteristische Ausdehnung d des Systems (z.B. der Rohrdurchmesser im Falle

eines zylindrisches Rohr) bestimmt. Ein Mass fur den Stromungszustand ist die aus diesen Grossen

gebildete dimensionslose Reynoldsche Zahl

Re =ρ · v · dη

(5.11)

Solange Re einen gewissen kritischen Wert Rekrit nicht ubersteigt, bleibt die Stromung laminar.

Fur Re > Rekrit stellt sich Turbulenz ein.

Fur gerade, zylindrische Rohre ist Rekrit ≈ 2300 und mit Gl. 5.11 folgt

vkrit = 2300η

ρ · d(5.12)

wobei d der Durchmesser des Rohres ist. Die Stromung bleibt laminar solange die mittlere Stromungs-

geschwindigkeit im Rohr vkrit nicht ubersteigt.

d) Das Gesetz von Stokes

Bei zahen Flussigkeiten, z.B. Ol, wurden sich beim Durchfluss durch Kapillaren derart lange Aus-

flusszeiten ergeben, dass man ihre Viskositat zweckmassiger nach einer anderen Methode misst.

Ein einfaches Verfahren stellt die Messung der Fallgeschwindigkeit einer Kugel durch die Flussig-

keit dar. Die auf die Kugel wirkenden Krafte sind in Abb. 5.5 dargestellt. Die Gewichtskraft FG

FA

FG

FR

z

Abbildung 5.5: Krafte auf eine in einer viskosen Flussigkeit fallenden Kugel.

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5.2. THEORETISCHER TEIL 51

und die Auftriebskraft FA sind:

FG = m · g =4

3π · r3ρK · g

FA =4

3π · r3 · ρFl · g

wobei ρK die Dichte und r der Radius der Kugel und ρFl die Dichte der Flussigkeit sind.

Fur die Reibungskraft FR gilt bei laminarer Stromung das Stokessche Reibungsgesetz:

FR = 6π · η · r · v (5.13)

wobei

η = Viskositat der Flussigkeit

r = Radius der Kugel

v = Geschwindigkeit der Kugel

Da die Reibungskraft propotional mit der Geschwindigkeit der Kugel zunimmt, wird sich ein sta-

tionarer Zustand einstellen, in dem die auf die Kugel wirkenden Krafte im Gleichgewicht sind und

die Kugel mit konstanter Geschwindigkeit sinkt (siehe Anhang). In diesem stationaren Zustand ist

4

3π · r3 · (ρK − ρFl ) · g − 6π · η · r · v = 0 (5.14)

Sind die Dichte und der Radius der Kugel sowie die Dichte der Flussigkeit bekannt, lasst sich somit

die Viskositat der Flussigkeit aus der Fallgeschwindigkeit der Kugel bestimmen:

η =2 r2 · g · (ρK − ρFl )

9 v(5.15)

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52 5. Innere Reibung von Flussigkeiten

5.3 Experimenteller Teil

a) Bestimmung der Viskositat von Wasser

Die Viskositat von Wasser soll nach Gl. 5.10 bestimmt werden. Dazu wird die Wassermenge Q

gemessen, die wahrend einem vorgegebenen Zeitintervall ∆t durch eine Kapillare mit bekanntem

Radius R und Lange l fliesst. Die Messung soll an zwei Kapillaren mit unterschiedlichem Radius

durchgefuhrt werden.

Die Versuchsanordnung ist in Abb. 5.6 skizziert. Sie besteht aus einem Messzylinder mit einem

Auslaufstutzen, in welchem die zu messende Kapillare befestigt wird. Bei gegebener Hohe h der

Flussigkeitssaule im Messzylinder betragt der Druckunterschied ∆p = p1−p2 zwischen Einlass und

Auslass der Kapillare:

∆p = p1 − p2 = pL + ρ · g · h− pL = ρ · g · h (5.16)

• Messen Sie die Lange l der zu verwendeten Kapillaren. Der Innendurchmesser der Kapillaren

ist angegeben. Montieren Sie die erste Kapillare am Ausfluss des Messzylinders.

• Fullen Sie den Messzylinder mit entionisiertem Wasser. Es darf ausschliesslich entionisiertes

Wasser verwendet werden, da normales Leitungswasser zu Verstopfungen in den sehr feinen

Kapillaren fuhren wurde. Beim Fullen darf die fur die jeweilige Kapillare angegebene maxi-

male Fullhohe nicht uberschritten werden, um sicher zu stellen, dass beim Ausstromen der

Flussigkeit die kritische Geschwindigkeit vkrit in der Kapillare nicht uberschritten wird.

• Lassen Sie das Wasser wahrend eines Zeitintervalls ∆t durch die Kapillare in einen der Messbe-

cher auslaufen. Messen Sie ∆t sowie die Hohe ha der Flussigkeitssaule am Anfang und ihre

Hohe hb am Ende des Zeitintervalls (lassen Sie sich vom Assistenten vernunftige Werte fur

das Zeitintervall ∆t angeben).

• Bestimmen Sie die ausgestromte Wassermenge Q durch Wagen des gefullten Messbechers.

Wagen Sie auch den leeren Messbecher und ziehen Sie seine Masse vom Messergebnis ab!

Luftdruck

Luftdruck pL

pL

ρW

h

l

2r

Abbildung 5.6: Anordnung zur Bestimmung der Viskositat von Wasser.

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5.3. EXPERIMENTELLER TEIL 53

• Berechnen Sie die Viskositat η des Wassers nach Gl. 5.10. Setzen Sie dabei als Wert fur den

Druck ∆p den Mittelwert der Druckdifferenzen am Anfang der Messung und am Ende der

Messung ein:

∆p =∆pa + ∆pe

2= ρW · g ·

ha + he2

(5.17)

• Fuhren Sie die Messung jeweils zweimal an zwei Kapillaren unterschiedlichen Durchmessers

durch. Berechnen Sie den Mittelwert Ihrer Ergebnisse und schatzen Sie den Fehler ab.

• Berechnen Sie fur beide Kapillaren aus der ausgestromten Wassermenge, der vestrichenen

Zeit und dem Leitungsquerschnitt die mittlere Stromungsgeschwindigkeit des Wassers in der

Kapillare, und verifizieren Sie, dass diese die kritische Geschwindigkeit nicht ubersteigt.

b) Bestimmung der Viskositat von Rizinusol

Die Viskositat von Rizinusol soll nach Gl. 5.15 aus der Fallgeschwindigkeit von Kugelchen im

Ol bestimmt werden. Die Fallgeschwindigkeit wird dabei uber die Fallzeit durch eine gewahlte

Fallstrecke gemessen. Die Messung soll fur drei unterschiedliche Kugelradien durchgefuhrt werden.

Die Viskositat des Ols ist stark temperaturabhangig. Kontrollieren Sie wahrend der Messungen

fortlaufend die Temperatur!

• Fuhren Sie den Versuch zunachst fur die mittelgrossen Kugelchen durch. Wahlen Sie ein

Kugelchen aus, lassen Sie es durch das Rizinusol fallen und beobachten Sie seine Fallge-

schwindigkeit qualitativ.

• Wahlen Sie aufgrund Ihrer Beobachtung eine geeignete Fallstrecke fur die weiteren Messungen

aus. Markieren Sie Startpunkt und Endpunkt auf dem Glaszylinder und messen Sie die Lange

∆l der Fallstrecke. Achten Sie bei der Wahl der Fallstrecke insbesondere darauf, dass die

Kugelchen bereits vor dem Startpunkt eine konstante Fallgeschwindigkeit erreicht haben.

Weiterhin sollte die Fallstrecke lang genug gewahlt werden, sodass eine verlassliche Messung

der Fallzeit mit Hilfe einer Stopuhr moglich ist.

• Wahlen Sie ein neues Kugelchen der gleichen Grosse aus und messen Sie seinen Durchmesser

mit Hilfe der Mikrometerschraube. Lassen Sie das Kugelchen durch das Ol fallen und messen

Sie die Zeit ∆t, die das Kugelchen benotigt, um die gewahlte Fallstrecke zu durchlaufen.

Berechnen Sie die Fallgeschwindigkeit v = ∆l/∆t und die Viskositat η nach Gl. 5.15. Benutzen

Sie dabei den gemessenen Kugelradius und die folgenden Werte fur die Dichten:

– Rizinusol: ρFl = 0.96× 103 kg m−3

– Kugelchen: ρK = 7.86× 103 kg m−3

• Wiederholen Sie die Messung zunachst fur insgesamt funf verschiedene Kugelchen mittlerer

Grosse und dann fur jeweils funf der grosseren und funf der kleineren Kugelchen. Wenn notig,

wahlen Sie fur die Kugelchen unterschiedlicher Grosse jeweils die Start- und Endpunkte der

Fallstrecke neu.

• Bestimmen Sie den Mittelwert aller Ergebnisse und schatzen Sie den Fehler ab.

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54 5. Innere Reibung von Flussigkeiten

5.4 Anhang

Die Bewegungsgleichung der fallenden Kugel ist von der Form

m · d2z

dt2= α− β · dz

dt(5.18)

mit den Konstanten α = FG−FA und β = 6π · η · r. Fur die Geschwindigkeit v = dz/dt ergibt sich

damit die Differentialgleichung erster Ordnung:

m · dvdt

= α− β · v (5.19)

deren Losung eine Exponentialfunktion ist. Die genaue Form der Losung ergibt sich aus den Rand-

bedingungen. Ist die Anfangsgeschwindigkeit der Kugel Null, so ist der Term auf rechten Seite der

Gleichung positiv, d.h. dv/dt > 0 und die Geschwindigkeit der Kugel nimmt zu. Damit nimmt der

Term auf der rechten Seite ab, womit auch die Geschwindigkeitsanderung kleiner wird. Im Grenzfall

t→∞ wird dv/dt = 0 und v∞ = α/β. Damit lautet die Losung der Differentialgleichung

v(t) =α

β·(

1− e−βmt)

(5.20)

wie sich durch Einsetzen leicht verifizieren lasst. Die Kugel wird sich der Endgeschwindigkeit umso

schneller annahern je grosser die Viskositat der Flussigkeit ist.

Ist die Anfangsgeschwindigkeit der Kugel v(t = 0) 6= 0, so gelten ahnliche Uberlegungen. Die

Geschwindigkeit der Kugel wird sich asymptotisch immer dem gleichen Wert v∞ = α/β annahern.

Der Verlauf der Geschwindigkeitskurve fur v(t = 0) = 0 und fur zwei Werte von v(t = 0) > 0 sind

in Abb. 5.7 schematisch dargestellt.

υ

υ0

υ∞

t0

υ0

Abbildung 5.7: Geschwindigkeitsverlauf der Kugel fur v(t = 0) = 0 (durchgezogene Linie) und fur

zwei Werte von v(t = 0) > 0 (gestrichelte Linien).

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6. Innere Reibung von Gasen

IR2

6.1 Einleitung

Wie fur Flussigkeiten, so gilt auch fur laminar stromende Gase das Newtonsche Reibungsgesetz

(siehe Versuch IR1). Im ersten Teil des Versuchs wird hiervon ausgehend die Viskositat der Luft bei

Normaldruck bestimmt, indem die Reibungskraft zwischen zwei gegeneinander rotierenden Platten

gemessen wird, zwischen denen eine Luftschicht eingeschlossen ist.

Im zweiten Teil des Versuchs wird mit Hilfe einer Vakuumpumpe der Luftdruck zwischen den Plat-

ten so stark verringert, dass die freie Weglange der Luftmolekule von der gleichen Grossenordnung

ist wie der Abstand zwischen den zwei Platten. Es wird gezeigt, dass in diesem Fall das Modell der

Luft als viskoser Substanz versagt und zu Gunsten einer Betrachtung der Eigenschaften einzelner

Teilchen aufgegeben werden muss.

6.2 Theoretischer Teil

Die Versuchsanordnung ist in Abb. 6.1 skizziert. Zwei flache, runde Scheiben I und II mit gleichem

Radius R sind in einem Abstand d voneinander auf einer gemeinsamen Achse angeordnet. Schei-

be II ist moglichst reibungslos um die Achse drehbar. An dieser Scheibe ist im Abstand l von der

Drehachse eine Masse mit Gewichtskraft G befestigt. Scheibe I wird mit Hilfe eines Elektromotors

in eine Drehbewegung mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω versetzt.

Aufgrund der auftretenden Reibungskrafte wird das zwischen den Platten eingeschlossene Gas von

der rotierenden Scheibe I “mitgenommen” und es wird ein Drehmoment MR auf die Scheibe II aus-

geubt. Scheibe II wird sich soweit verdrehen, bis das durch das Gewicht G ausgeubte Drehmoment

MG im Gleichgewicht mit MR ist. Fur einen Verdrehwinkel α ist

MG = −G · l · sinα (6.1)

Das Drehmoment MR kann aus dem Newtonschen Reibungsgesetz berechnet werden. Da der Schei-

benabstand d klein gegenuber dem Radius R der Scheiben ist, kann das Geschwindigkeitsgefalle

zwischen den Platten als linear angenommen werden (vergleiche Abb. 5.1 in Versuch IR1) und die

auf Scheibe II ausgeubte Kraft ist

FR = η ·A · vd

(6.2)

55

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56 6. Innere Reibung von Gasen

Motor

G

l

R

d

α

ω

G

I II

Abbildung 6.1: Versuchsaufbau zur Bestimmung der Viskositat eines Gases.

Die Geschwindigkeit v ist vom Abstand r von der Drehachse abhangig und betragt

v(r) = ω · r (6.3)

Damit ist das von einem Kreisring mit Radius r und Breite dr herruhrende Drehmoment

dMR = r · dF = r · η · dA · v(r)

d= η · 2π · ω

d· r3 dr (6.4)

Das gesamte Drehmoment MR ergibt sich durch Integration zu

MR =

∫ R

0dMR = η · 2π · ω

d·∫ R

0r3 dr = η · π · ω ·R

4

2 d(6.5)

Im Gleichgewichtszustand ist MR = MG. Durch Einsetzen von Gl. 6.1 und 6.5 und Auflosen nach

η ergibt sich

η =2G · d · l·π ·R4

· sinα

ω(6.6)

Sind R, d, G und l bekannt, so kann η aus der Messung von α als Funktion von ω bestimmt werden.

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6.3. EXPERIMENTELLER TEIL 57

6.3 Experimenteller Teil

a) Bestimmung der Viskositat von Luft bei Normaldruck

Im ersten Versuchsteil soll die Viskositat von Luft bei Normaldruck bestimmt werden.

Die Apparatur ist bereits justiert. Die Glasglocke darf deshalb nicht vom Pumpstand abgehoben

werden. Die notwendigen Konstanten R, d, G und l der Apparatur sind am Versuchsplatz angege-

ben.

Die Winkelgeschwindigkeit ω der Scheibe I wird mit Hilfe eines Stroboskops gemessen. Dieses

Gerat arbeitet wie ein elektronisches Blitzlichtgerat, bei dem sich die einzelnen Lichtblitze mit

einer einstellbaren Frequenz wiederholen.

Hinweis: Notieren Sie sich wahrend des Versuchs immer die eingestellten elektrischen Spannungen.

So lassen sich die Messungen am besten reproduzieren.

Auf der Ruckseite der Scheibe I sind ein schwarzes Feld und ein Spiegel angebracht. Man beleuchtet

die sich drehende Scheibe mit dem Stroboskop. Ist die Rotationsfrequenz der Scheibe gleich der

Frequenz der Lichtblitze, so wird die Scheibe immer in der gleichen Stellung beleuchtet, sodass sie

fur das Auge stillzustehen scheint. Man nennt dies ein stehendes Bild der Scheibe. Es lasst sich am

leichtesten anhand des Spiegels oder anhand des schwarzen Feldes beobachten.

• Um ω zu messen, verandern Sie die Frequenz der Lichtblitze solange, bis ein stehendes Bild

entsteht. Sie konnen die Rotationsfrequenz der Scheibe in Einheiten von Pulsen pro Minu-

te direkt auf der geeichten Skala des Stroboskopes ablesen. Was beobachten Sie, wenn die

Blitzfrequenz ein ganzzahliges oder halbzahliges Vielfaches der Drehfrequenz der Scheibe ist?

• Mussen Sie also zur Messung der Winkelgeschwindigkeit die Frequenz des Stroboskops von

hohen zu tiefen oder von tiefen zu hohen Werten durchfahren?

• Messen Sie bei einem Druck von 1000 mbar (Luftdruck oder etwa 730 Torr) den Verdreh-

winkel α der Scheibe II als Funktion der Kreisfrequenz ω der Scheibe I. Fuhren Sie, um

Hysterese-Effekte zu vermeiden, mehrere Messreihen mit zunehmender und abnehmender

Winkelgeschwindigkeit durch und mitteln Sie uber die Resultate.

Der sich ergebende Kurvenverlauf ist in Abb. 6.2 skizziert. Fur niedrige Geschwindigkeiten steigt

α wie nach Gl. 6.6 erwartet linear mit ω an (fur kleine Winkel α gilt sinα ≈ α). Oberhalb der

kritischen Geschwindigkeit vkrit kommt es zu turbulenter Stromung des Gases, die Reibungskrafte

und damit der Verdrehwinkel steigen schneller als linear mit der Geschwindigkeit an.

• Legen Sie die beste Gerade durch mindestens funf Messwerte unterhalb der kritischen Ge-

schwindigkeit vkrit und bestimmen Sie die Viskositat η der Luft aus der Steigung dieser

Geraden. Schatzen Sie den Fehler auf η ab.

• Schatzen Sie aus dem Verlauf der Kurve die kritische Geschwindigkeit vkrit ab und berechnen

Sie daraus die kritische Reynoldszahl Rekrit (siehe Versuch IR1).

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58 6. Innere Reibung von Gasen

α

υ~ω

α(υ) bei pminRe<Rekrit.

υkrit.

Abbildung 6.2: Erwartete Abhangigkeit des Winkels α von der Rotationsgeschwindigkeit v.

b) Untersuchung der Viskositat von Luft bei niedrigem Druck

• Stellen Sie eine konstante Rotationsfrequenz ω unterhalb der kritischen Geschwindigkeit vkritein. Schalten Sie die Vakuumpumpe ein und beobachten Sie den Verdrehwinkel der Scheibe II

als Funktion des abnehmenden Luftdrucks.

• Es zeigt sich, dass die Viskositat der Luft bis zu sehr kleinem Druck nicht vom Druck abhangt.

Schatzen Sie aufgrund der im Anhang angestellten Uberlegungen ab, bei welchem Druck

fur die Versuchsapparatur ein Abfall der Viskositat zu erwarten ist. Bei p = 10−6 bar und

T = 20C betragt die mittlere freie Weglange fur N2- und O2-Molekule etwa 7 cm.

• Nachdem beim Abpumpen der minimale Druck erreicht ist, erhohen Sie die Rotationsfrequenz

ω auf einen Wert oberhalb der bei Luftdruck gefundenen kritischen Geschwindigkeit. Tragen

Sie den gemessenen Verdrehwinkel α in das im ersten Versuchsteil erstellte α(v)-Diagramm

ein. Extrapolieren Sie, wie in Abb. 6.2 gezeigt, die im ersten Versuchsteil gefundene Gerade

und erklaren Sie, warum der neue Messwert auf dieser Geraden liegt (siehe Anhang).

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6.4. ANHANG 59

6.4 Anhang

Druckabhangigkeit der Viskositat eines Gases

In einem Gas bewegen sich die Molekule mit grosser Geschwindigkeit und stossen dabei unterein-

ander und mit den Gefasswanden zusammen. Diese Bewegung ist vollkommen ungeordnet und hat

keine bevorzugte Richtung.

Innere Reibung tritt erst dann auf, wenn dieser ungeordneten Bewegung eine mittlere Driftge-

schwindigkeit v uberlagert ist, die vom Ort abhangt.

Als Beispiel sei ein Gas zwischen zwei parallelen Platten betrachtet, die sich mit der Geschwindigkeit

v gegeneinander bewegen (siehe Abb. 5.1, Versuch IR1) .

Ist der Druck des Gases so klein, dass die mittlere Weglange l der Molekule zwischen zwei Stossen

grosser ist als der Abstand der Scheiben, so konnen Molekule von der ruhenden Wand (mittlere

Geschwindigkeit (v = 0) ungehindert auf die bewegte Wand gelangen (siehe Abb. 6.3). Dort bleiben

sie fur kurze Zeit haften und nehmen dabei von der Wand Impuls auf. Auf die Wand wirkt dadurch

eine Schubspannung τ = F/A, die dem pro Zeit- und Flacheneinheit ubertragenen Impuls entspricht

τ ∝ Z ·m · v (6.7)

Dabei ist m die Masse eines Molekuls und Z die Anzahl der pro Sekunde und cm2 auf die Wand

stossenden Molekule. Z ist proportional zur Molekuldichte, die ihrerseits dem Druck p proportional

ist. Damit ist τ ∝ p und wegen η ∝ τ auch η ∝ p.

Die mittlere freie Weglange l der Gasmolekule ist umgekehrt proportional zur Teilchendichte und

damit zum Druck p. Wird der Druck soweit erhoht, dass l d, so kommen die auf die bewegte

Wand stossenden Molekule nicht direkt von der ruhenden Wand, sondern sie haben zuletzt in einer

Gasschicht im Abstand von etwa l von der bewegten Wand Zusammenstosse erfahren und die

dortige mittlere Geschwindigkeit

v(d− l) = v ·(

1− l

d

)(6.8)

dl

l « dl » d

υ(d)

υ(z)

z

0

υ υ

Abbildung 6.3: Bewegung der Gasmolekule zwischen zwei Platten fur l d (links) und l d

(rechts).

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60 6. Innere Reibung von Gasen

η

η~p für l»d η unabhängig von p für l«d

p

Abbildung 6.4: Erwartete Abhangigkeit der Viskositat eines Gases vom Gasdruck.

angenommen. Der von der Wand aufgenommene Impuls ist daher

m ·(v − v(d−−l)

)= m · v · l

d(6.9)

Mit Gl. 6.7 ergibt sich dann

τ ∝ Z ·m · v · ld

fur l d (6.10)

Da Z ∝ p und l ∝ 1/p, ist die Schubspannung auf die Platte, und damit die Viskositat des Gases,

nicht mehr vom Druck abhangig. Insgesamt ist daher eine wie in Abb. 6.4 skizzierte Druckabhangig-

keit der Viskositat zu erwarten.

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7. Kreisel

K

7.1 Einleitung

Dieser Versuch befasst sich mit der einfachsten Kreiselbewegung, der so genannten Prazession. Als

Anwendung wird aus der Prazessionsfrequenz das Tragheitsmoment des prazedierenden Velora-

des bestimmt. Im zweiten Teil wird diese Messung mit einer einfacheren Methode, die auf dem

Energiesatz beruht, wiederholt.

7.2 Theoretischer Teil

a) Der Kreisel

Ein Korper, der sich so bewegt, dass nur einer seiner Punkte (Drehpunkt O) im Raum festbleibt,

heisst Kreisel. Die Kreiselbewegung hat drei Freiheitsgrade und wird durch den Drallsatz

−→dL

dt=−→M (7.1)

beschrieben, wobei−→L den Drehimpuls des Kreisels und

−→M das von aussen auf ihn wirkende

Drehmoment beschreiben. Man kann die Bewegung des Kreisels als Rotation auffassen, deren mo-

mentane Drehachse durch den Punkt O verlauft. Die Drehachse andert allerdings im Laufe der

Zeit ihre Lage im Raum und bezuglich des Kreisels. Dieser allgemeine Fall der Kreiselbewegung

ist kompliziert und mathematisch schwer zu behandeln. Wir beschranken uns daher auf folgenden

Spezialfall (siehe Abb. 7.1):

1. Der Kreisel sei rotationssymmetrisch um seine Korperachse; diese Korperachse bezeichnen

wir mit z′. Der raumfeste Drehpunkt O sei zugleich ein Punkt der Kreiselachse z′.

2. Der Kreisel rotiere rasch um die Kreiselachse z′, die Bewegung der z′-Achse im Raum erfolge

relativ hierzu langsam. Sein Tragheitsmoment (Aquivalent bei Rotationen zur tragen Masse

bei Translationen) sei Iz′ .

3. Es wirke nur die Schwerkraft.

Diese Bedingungen konnen zusammengefasst werden als Spezialfall des rasch rotierenden, symme-

trischen Kreisels im Schwerefeld.

61

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62 7. Kreisel

z

z'

G0

rsϑ

z' || ω || Lo

Abbildung 7.1: Geometrie des Kreisels.

Wird speziell der Schwerpunkt S als Drehpunkt genommen, wird er zum kraftefreien Kreisel. Nach

dem Drallsatz Gl. 7.1 muss dann der Drehimpuls konstant bleiben:

−→dL

dt=−→M = 0, d.h.

−→L = konstant.

Fallt die Richtung des Drehimpulses−→L mit der Kreiselachse z′ zusammen, so bleibt diese Achse

im Raum fest. Andernfalls fuhrt die z′-Achse eine Kreisbewegung um die raumfeste Drehimpuls-

richtung aus; diese Bewegung wird Nutation genannt.

b) Prazession

Bei unerem Versuch falle die Richtung des Drehimpulses−→L mit der Kreiselachse z′ zusammen. Der

Betrag des Drehimpulses L sei naherungsweise nach Bedingung (2)

L ≈ Lz′ = Iz′ · ωz′ . (7.2)

Der Schwerpunkt S liege im Abstand rs vom Drehpunkt O. Die Schwerkraft ubt daher ein Dreh-

moment−→M0 mit

−→M0 = −→rs ×

−→G

auf den Kreisel aus, und der Betrag von−→M0 ist

|−→M0| = M0 = rsM g sinϑ, (7.3)

wobei M die Gesamtmasse des Kreisels ist.

Dieses Drehmoment−→M0 steht nach Definition des Vektorproduktes senkrecht auf der durch −→r und

−→G gebildeten Ebende, wobei −→r und

−→G mit

−→M0 ein Rechtssystem bilden.

Zur Zeit t habe der Drehimpuls die Richtung−→L . Die Drehimpulsanderung

−→dL wahrend des Zeitin-

tervalls dt muss nach dem Drallsatz Gl. 7.1 die gleiche Richtung haben wie das Drehmoment−→M0.

Zur Zeit t+ dt haben der Drehimpulsvektor−→L und mit ihm die Kreiselachse z′ ihre ursprungliche

Richtung verlassen und die neue Lage−→L +

−→dL eingenommen. Damit ist aber auch der Drehmo-

mentvektor−→M0 um den Winkel dϕ (siehe Abb. 7.2) gedreht worden, und die Bewegung setzt sich

von der neuen Lage aus analog fort. Die Spitze des Drehimpulsvektors−→L beschreibt also einen

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7.2. THEORETISCHER TEIL 63

zωp

Mo

dLo

Lo (t+dt)

Lo (t)

| Lo | sinϑ

0

ϑ

z’

Abbildung 7.2: Prazession: Drehimpuls, Drehmoment und Anderung des Drehimpulses.

horizontalen Kreis um die raumfeste vertikale Achse z. Der Schwerpunkt des Kreisels bewegt sich

ebenfalls auf einem horizontalen Kreis, also senkrecht zur wirkenden Schwerkraft, Diese Bewegung

heisst Prazession.

Die Winkelgeschwindigkeit der Prazessionsbewegung ist ωp = dϕ/dt, wobei mit dϕ der Winkel

bezeichnet wird, um den sich der Drehimpuls−→L (und mit ihm die Kreiselachse z′) wahrend der

Zeit dt um die raumfeste Achse z gedreht hat. Aus Abb. 7.2 folgt

dϕ =Bogen

Radius=

|−−→dL0|

|−→L0| · sinϑ

.

Da aber nach dem Drallsatz Gl. 7.1−−→dL0 =

−→M0 dt ist, ergibt sich

dϕ =|−→M0| dt|−→L0| · sinϑ

.

Wenn man die Gleichungen 7.2 und 7.3 einsetzt, fallt die Abhangigkeit vom Winkel ϑ weg. Fur die

Winkelgeschwindigkeit der Prazession ergibt sich

ωp =dϕ

dt=

rsG sinϑ

Iz′ ωz′ sinϑ=

rsM g

Iz′ ωz′, (7.4)

wobei folgende Grossen benutzt werden:

ωp = Winkelgeschwindigkeit der Prazessionsbewegung und

ωz′ = Winkelgeschwindigkeit der Rotation um die z′-Achse mit ωz′ ωp.

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64 7. Kreisel

7.3 Experimenteller Teil

a) Versuchsaufbau

m1

m

MoF

Lor 0 z'

Präzession

Lo

Mo

0

dLoLo+dLo

Abbildung 7.3: Versuchsaufbau.

Ein Velorad sei mit der Masse m1 im indifferenten Gleichgewicht. Die Anordnung stellt dann den

kaftefreien Kreisel dar. Durch Anghangen einer Zusatzmasse m im Abstand r vom Drehpunkt O

erhalten wir einen Kreisel, welcher unter Einfluss der Schwerkraft prazessiert. Das Drehmoment−→M0 ist nun gegeben durch die Gewichtskraft

−→FG = m−→g der Zusatzmasse:

−→M0 = −→r ×

−→F = m · −→r ×−→g

und damit

ωp =mg r

Iz′ ωz′. (7.5)

Um die Winkelgeschwindigkeit zu bestimmen, misst man die Umlauffrequenz und kann dann mittels

Gl. 7.5 Iz′ berechnen.

b) Durchfuhrung und Auswertung

Durch Verschieben der Masse m1 wird der Kreisel ins indifferente Gleichgewicht gebracht. Vor jeder

Messung versetzt man den Kreisel in rasche Rotation (ωz′ ωp).

1. Qualitative Beobachtung: Nach einem Stoss auf die Kreiselachse z′ fallt diese nicht mehr

mit dem Drehimpuls−→L0 zusammen. Der Kreisel fuhrt eine Nutationsbewegung aus. Man

wiederhole dieses qualitative Experiment mit entgegengesetzt rotierendem Rad.

2. Durch Anhangen einer Masse m bringt man den horizontal gestellten Kreisel zur Prazession.

Eine allenfalls auftretende Nutation kann man verhindern, indem man dem Kreisel die richtige

Anfangs-Prazessionsgeschwindigkeit erteilt. Dies ist notig, da die Gleichung Gl. 7.4 unter der

Annahme einer stationaren Prazessionsbewegung abgeleitet wurde. Die Zeiten Tz′ und Tpmussen gleichzeitig gemessen werden, da die Umlaufzeit des Rades infolge der Reibung nicht

konstant bleibt.

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7.3. EXPERIMENTELLER TEIL 65

Man ueberzeuge sich von der Gultigkeit des vektoriellen Zusammenhanges von−→M0 und

−−→dL0 indem

man das Rad in verschiedenen Drehrichtungen rotieren lasst. Der Versuch wird 5-mal ausgefuhrt

und das Tragheitsmoment und der Messfehler aus Gl. 7.5 berechnet.

c) Energieerhaltung: Versuch zur Fallbeschleunigung

R

ω

m

h

Abbildung 7.4: Prinzip der Fallmethode.

Das Velorad wird arretiert. Um die Felge wird eine Schnur gelegt, an deren Ende die Masse m

hangt. Die aus der Hohe h fallende Masse m bewirkt eine zunehmende Winkelgeschwindigkeit des

Rades. Die Endgeschwindigkeit wird erreicht, wenn die Masse m auf dem Boden aufschlagt.

Wir stellen die Energiebilanz dieses Versuches auf: die Summe der potentiellen und kinetischen

Energie des Rades und der Masse m ist zu Beginn und am Ende des Falles gleich gross, so dass

mg h + 0 + 0 = 0 +mv2end

2+Is ω

2end

2. (7.6)

Die potentielle Energie der Masse m am Anfang ist also gleich der Summe der kinetischen Energien

von Masse und Rad am Ende des Versuchs. Die Endgeschwindigkeit vend der Masse m ist gleich

der Geschwindigkeit eines Punktes auf dem Radumfang

vend = vUmfang = ωend ·R,

wobei R der Radius des Rades ist und vUmfang die Geschwindigkeit am Umfang des Rades.

c) Durchfuhrung und Auswertung

Es ist darauf zu achten, dass die Schnur bis zum Auftreffen der Masse m auf dem Boden die

Radfelge tangential verlasst. Der Versuch wird 5-mal durchgefuhrt, wobei die angehangte Masse

m und die Hohe h variieren.

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66 7. Kreisel

• Die Umlaufzeit Tend = 2π/ωend wird jeweils aus den drei ersten Umdrehungen mit der

Stoppuhr bestimmt.

• Man berechne das Tragheitsmoment Is fur die Fallmethode Is,Fall sowie den Messfehler aus

Gl. 7.6 und vergleiche es mit dem Ergebnis des ersten Versuches.

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8. Mechanische Schwingungen und

Resonanz

R

8.1 Einleitung

Schwingungsvorgange spielen in allen Gebieten der Physik eine wichtige Rolle. Einige Beispiele

sind die Schwingungen verschiedener Pendel (mathematisches Pendel, Federpendel, Physikalisches

Pendel) in der Mechanik, elektrische Schwingkreise in der Elektrotechnik, schwingende Saiten und

Membranen in der Akustik und schwingende elektrische und magnetische Felder in der Optik. Die

mathematische Beschreibung der Schwingungsvorgange fuhrt dabei immer auf Gleichungen, deren

Struktur identisch ist.

Am Beispiel der Drehschwingungen einer Scheibe werden in diesem Versuch die wesentlichen Ei-

genschaften schwingungsfahiger Systeme untersucht. Insbesondere wird das Verhalten bei unter-

schiedlich starken Dampfungen betrachtet, wobei angenommen wird, dass die dampfende Kraft

proportional zur Geschwindigkeit ist. Resonanzerscheinungen werden am Beispiel einer antreiben-

den Kraft untersucht, die harmonisch von der Zeit abhangt. Anhand von Analogien lassen sich die

hier erzielten Erkenntnisse auf andere schwingungsfahige Systeme ubertragen.

8.2 Theoretischer Teil

Man unterscheidet ungedampfte, gedampfte und erzwungene Schwingungen. Ungedampfte Schwin-

gungen sind harmonisch, wenn eine rucktreibende Kraft wirkt, die proportional zur momenta-

nen Auslenkung ist. Diese Voraussetzung ist fur kleine Auslenkungen meistens erfullt. Harmoni-

sche Schwingungen lassen sich durch eine Sinus- oder Cosinus-Funktion beschreiben. Ungedampfte

Schwingungen, also Schwingungen ohne Energieverlust, sind Idealisierungen. In Wirklichkeit ist

jede Schwingung wegen der Reibung, die sich nie vollstandig eliminieren lasst, gedampft. Ihre Am-

plitude nimmt im Laufe der Zeit ab. Wirkt zusatzlich eine aussere antreibende Kraft, z.B. von

einem Motor, so spricht man von erzwungener Schwingung. Hangt diese Kraft harmonisch von

der Zeit ab, so ist die Schwingungsamplitude eine Funktion der Anregungsfrequenz und es treten

Resonanzerscheinungen auf.

67

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68 8. Mechanische Schwingungen und Resonanz

Spiralfeder

Scheibe

ϕ

Abbildung 8.1: Drehpendel

a) Ungedampfte Drehschwingungen einer Scheibe

Eine Metallscheibe sei, wie in Abb. 8.1 skizziert, durch eine Spiralfeder so fixiert, dass sie um ihre

Ruhelage schwingen kann. Wird die Scheibe um den Drehwinkel ϕ ausgelenkt, so bewirkt die Feder

ein rucktreibendes Drehmoment auf die Scheibe, das fur kleine Auslenkungen proportional zum

Winkel ϕ ist:

MD = −kD · ϕ (8.1)

Werden Reibungskrafte vernachlassigt, so folgt aus dem Drallsatz die Bewegungsgleichung der

Scheibe

Is ·d2ϕ

dt2= −kD · ϕ (8.2)

wobei

Is = Tragheitsmoment der Scheibe (8.3)

kD = Federkonstante der Spiralfeder (8.4)

Gl. 8.2 ist die Differentialgleichung einer harmonischen Schwingung mit der Losung

ϕ(t) = ϕ0 · cos (ω0 · t− δ) (8.5)

wobei (siehe Abb. 8.2)

ϕ0 = Schwingungsamplitude (8.6)

ω0 =

√kDIs

= Eigenfrequenz der ungedampften Schwingung (8.7)

δ = Phasenkonstante (8.8)

Die Eigenfrequenz ω0 ist durch die Eigenschaften des schwingenden Systems festgelegt. Sie bestimmt

die Schwingungsperiode

T =2π

ω0(8.9)

Die Amplitude ϕ0 und die Phase δ sind durch die Anfangsbedingungen bestimmt.

Die Auslenkung geht jeweils zu den Zeiten tn mit ω0tn = δ + nπ (n = 0, 2, 4, . . .) durch ein

Maximum. Die Amplitude der Schwingung ist konstant.

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8.2. THEORETISCHER TEIL 69

δω0

2πω0

T=

t

ϕ(t)

t0

ϕ0

Abbildung 8.2: Harmonische Schwingung.

b) Gedampfte Schwingung

Die Schwingung der Scheibe ist gedampft, wenn Reibungskrafte auftreten, die ihrer momentanen

Bewegungsrichtung entgegengesetzt sind. Ist die Starke dieser Reibungskrafte proportional zur

Winkelgeschwindigkeit, so erzeugen sie ein Drehmoment

MR = −β · dϕdt

(8.10)

Der Drallsatz fuhrt in diesem Fall auf

Is ·d2ϕ

dt2= −kD · ϕ− β ·

dt(8.11)

oderd2ϕ

dt2+β

Is· dϕdt

+kDIs· ϕ = 0 (8.12)

Dies ist die Differentialgleichung einer gedampften Schwingung. Ihre Losung hangt von der Starke

der Dampfung ab.

Schwache Dampfung

Fur schwache Dampfung lautet die Losung (siehe Abb. 8.3):

ϕ(t) = ϕ0 · e−α·t · cos (ω′ · t− δ′ ) (8.13)

wobei

α =β

2 Is= Dampfungskonstante (8.14)

ϕ0 = maximale Amplitude (8.15)

ω′ =√ω20 − α2 = Kreisfrequenz der gedampften Schwingung (8.16)

δ′ = Phasenkonstante

Die Kreisfrequenz ω′ ist kleiner als die Kreisfrequenz ω0 der ungedampften Schwingung, d.h. die

Schwingung wird durch die Dampfung verlangsamt. Die Phase δ′ und die maximale Amplitude ϕ0

sind wiederum durch die Anfangsbedingungen bestimmt.

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70 8. Mechanische Schwingungen und Resonanz

ϕ0

ϕ (t)

ϕ0e

ω'δ'

τ

t

ω'2πT'=

Abbildung 8.3: Schwach gedampfte Schwingung.

Die Auslenkung geht jeweils zu den Zeiten tn = δ′/ω′ = 0, π, 2π, . . . , n π durch ein Extremum. Die

Amplitude

ϕ(tn) = ϕ0 · e−α·t (8.17)

nimmt mit der Zeit exponentiell ab, und zwar umso schneller je grosser die Dampfung α ist. Die

Abklingzeit τ = α−1 gibt die Zeit an, nach der die Amplitude auf den e-ten Teil ihres ursprunglichen

Wertes abgefallen ist.

Kritische Dampfung

Wie aus Gl. 8.16 ersichtlich, nimmt ω′ mit zunehmender Dampfung α ab. Im Falle der sogenannten

starken Dampfung α > ω0 kommt es schliesslich zu keiner periodischen Bewegung mehr. Das Pendel

kehrt in seine Ruhelage zuruck, ohne uberzuschwingen. Den Grenzfall α = ω0 bzw. ω′ = 0, d.h.

den Ubergang zwischen gedampfter Schwingung und aperiodischer Bewegung nennt man kritische

Dampfung. Typische Kurvenverlaufe fur schwache, starke und kritische Dampfung sind in Abb. 8.4

dargestellt.

schwache Dämpfung

kritische Dämpfung

starke Dämpfung

ϕ

t

Abbildung 8.4: Schwache, kritische und starke Dampfung.

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8.2. THEORETISCHER TEIL 71

Kritische Dampfungen werden z.B. bei Waagen und Stossdampfern verwendet.

c) Erzwungene Schwingung

Wird durch eine aussere Kraft ein zusatzliches periodisches Drehmoment

MA = M0 · cos (ω · t) (8.18)

mit der Kreisfrequenz ω auf die Scheibe ausgeubt, so fuhrt der Drallsatz auf die Differentialgleichung

d2ϕ

dt2+β

Is· dϕdt

+kDIs· ϕ =

M0

Is· cos (ω · t) (8.19)

einer erzwungenen Schwingung. Der gedampften Eigenschwingung wird eine von aussen erzwungene

Schwingung der Kreisfrequenz ω uberlagert. Wie oben gezeigt, klingt die gedampfte Eigenschwin-

gung im Laufe der Zeit ab. Fur Zeiten t α−1 bleibt daher nur noch die erzwungene Schwingung

ubrig. Die Scheibe wird dann sicher mit der Anregungsfrequenz ω, aber evtl. phasenverschoben

gegen die anregende Kraft schwingen. Mit dem Losungsansatz

ϕ(t) = A · cos (ωt− δ′′) (8.20)

zeigt sich durch Einsetzen in Gl. 8.19, dass die Amplitude der erzwungenen Schwingung wie

A(ω) =M0

Is ·√(

ω20 − ω2

)2+ β2ω2/I2s

(8.21)

von der Anregungsfrequenz ω abhangt (siehe Abb. 8.5).

Amax2

ω

FWHM

A(ω)Amax

ωres~ω0

2Δω1/2

M0kD

α1

α2

α1<α2

Abbildung 8.5: Resonanzkurve mit Halbwertsbreite (FWHM).

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72 8. Mechanische Schwingungen und Resonanz

Das Maximum dieser Resonanzkurve liegt bei

ωres = ω′ =√ω20 − 2α2 (8.22)

und betragt

Amax =M0

β · ω0=

M0

2α · ω0 · Is(8.23)

Als Mass fur die Breite der Resonanzkurve wird haufig die sogenannte Halbwertsbreite (engl.

FWHM = full width at half maximum) 2 ∆ω1/2 benutzt. Sie ist definiert als die Breite der Kurve

auf halber Hohe des Maximums und hangt einzig von der Starke der Dampfung ab (siehe Abb. 8.5):

∆ω1/2 = α ·√

3 (8.24)

Aus einer Messung der Halbwertsbreite der Resonanzkurve lasst sich somit die Dampfungskonstante

α bestimmen.

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8.3. EXPERIMENTELLER TEIL 73

8.3 Experimenteller Teil

0

5

10

15

10

5

15

Zeiger desschwingendes Systems

Skala

schwingendes System

Spiralfeder

Buchsen fürMotorspannung

Übertragungshebel

Führungsschlitz zur Einstellungder Amplitude

ElektromagnetEingangsbuchsen zurStromversorgung derWirbelstrombremse

SchubstangeAntriebsradund Excenter

Technische Daten:

Eigenfrequenz: ca. 0, 5 Hz

Motorspannung: 2...16 V

– in Resonanznahe: 8 V

Wirbelstromdampfung: 0...10 V

Belastbarkeit der Spulen: maximal 1.0 A

(kurzzeitig (!!!) bis 1.5 A)Eingangsbuchsen zur Stromversorgungder Wirbelstrombremse

Abbildung 8.6: Drehpendel nach Pohl mit Wirbelstrombremse

Der Versuchsaufbau ist in Abb. 8.6 gezeigt. Er besteht aus dem Drehpendel, einer Wirbelstrom-

bremse und einem Elektromotor, der uber eine exzentrisch montierte Stange mit dem Drehpendel

verbunden ist. Die Starke der Dampfung kann uber den durch die Wirbelstrombremse fliessenden

Strom reguliert werden, und mit Hilfe des Elektromotors kann ein periodisches Drehmoment mit

einstellbarer Kreisfrequenz auf das Drehpendel ausgeubt werden. Die Funktionsweise der Wirbel-

strombremse und die Bedienung der Speisegerate werden vom Assistenten erklart.

Im Versuch soll zunachst das Verhalten des Pendels bei schwacher, starker und kritischer Dampfung

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74 8. Mechanische Schwingungen und Resonanz

qualitativ beobachtet werden. Dann soll bei vorgegebener schwacher Dampfung die Dampfungskon-

stante α aus dem exponentiellen Abfall der Schwingungsamplitude bestimmt werden. Schliesslich

soll bei gleich starker Dampfung eine Resonanzkurve aufgenommen und die Dampfungskonstante

α aus deren Breite bestimmt werden.

a) Kritische Dampfung

Zur Beobachtung der kritischen Dampfung steht ein spezielles Speisegerat fur die Wirbelstrom-

bremse zur Verfugung, welches einen genugend grossen Strom liefert.

• Beobachten Sie zunachst das Schwingverhalten des Pendels bei schwacher Dampfung. Ver-

grossern Sie dann den Strom durch die Wirbelstrombremse so lange, bis das Drehpendel nicht

mehr uberschwingt. Notieren Sie den Strom bei kritischer Dampfung.

• Aufgepasst: die Wirbelstrombremse darf nur bis zu maximal 1.5 A belastet werden und dies

auch nur kurzzeitig! Fuhren Sie diesen Versuchsteil zugig durch!

b) Bestimmung der Dampfungskonstante aus dem Abfall der Schwingungsam-

plitude

Bei vorgegebener Dampfung soll die Dampfungskonstante nach Gl. 8.17 aus dem exponentiellen

Abfall der Schwingungsamplitude bestimmt werden.

Durch Logarithmieren von Gl. 8.17 ergibt sich

lnϕ(tn) = lnϕ0 − α · tn (8.25)

oder

logϕ(tn) = logϕ0 − α · tn · log e (8.26)

In einer halblogarithmischen Darstellung von lnϕ(tn) oder logϕ(tn)1 als Funktion der Zeit t ergibt

sich also eine abfallende Gerade, aus deren Steigung −α bestimmt werden kann (siehe Abb. 8.7).

• Stellen Sie die gewunschte Dampfung am Speisegerat ein. Die zwei zu verwendenden Strome

sind am Versuchsplatz angegeben.

• Bestimmen Sie mit der Stoppuhr aus drei Messungen uber jeweils vier Schwingungen die

Schwingungsdauer T ′.

• Messen Sie die abnehmenden Amplituden als Funktion der Zeit.

• Zeichnen Sie die gemessenen Amplituden im halblogarithmischer Darstellung auf.

• Legen Sie die beste Gerade durch die Messpunkte und bestimmen Sie α aus der Steigung

dieser Geraden. Es soll keine Fehlerrechnung durchgefuhrt werden.

1Die Art des verwendeten Logarithmus ist beliebig - wahrend der naturliche Logarithmus sich fur Rechnungen

eignet, bietet der dekadische Logarithmus Vorteile bei Auftragung der Daten auf halblogarithmischem Papier.

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8.3. EXPERIMENTELLER TEIL 75

∆tT'

t0 t

log ϕ(t)

Δlo

g ϕ

(t)t1 t2 t3 t4

Abbildung 8.7: Bestimmung der Dampfungskonstanten α.

• Berechnen Sie die Halbwertszeit der gedampften Schwingung.

• Fuhren Sie den Versuch fur die zweite angegebene Dampfung durch.

c) Bestimmung der Dampfungskonstante aus der Breite der Resonanzkurve

• Stellen Sie die gleiche Dampfung ein wie im Versuchsteil b).

• Schliessen Sie den Elektromotor an und versetzen Sie das Pendel in erzwungene Schwingungen.

• Messen Sie die Anregungsfrequenz ω, indem Sie mit der Stoppuhr die Motorfrequenz aus zehn

Umdrehungen bestimmen.

• Warten Sie, bis die gedampfte Eigenschwingung abgeklungen ist, und messen Sie dann die

Amplitude der erzwungenen Schwingung.

• Verandern Sie die Motorfrequenz und wiederholen Sie die Messung. Nehmen Sie die Reso-

nanzkurve auf, wobei Sie die Anregungsfrequenz in der Nahe der Resonanz in kleinen, weit

davon entfernt in grosseren Schritten variieren.

• Zeichnen Sie die gemessenen Amplituden als Funktion der Anregungsfrequenz ω auf, bestim-

men Sie die Breite der Resonanzkurve auf halber Hohe und berechnen Sie daraus nach Gl. 8.24

die Dampfungskonstante α (siehe Abb. 8.8) (ohne Fehlerrechnung).

• Wiederholen Sie die gesamte Messung fur die zweite angegebene Dampfung.

Vergleichen Sie das Resultat der Messung mit dem aus Versuchsteil b).

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76 8. Mechanische Schwingungen und Resonanz

Amax2

ω

FWHM

A(ω)Amax

ωres~ω0

2Δω1/2

Abbildung 8.8: Halbwertsbreite der Resonanzkurve.

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9. Gekoppelte Schwingungen

S

9.1 Einleitung

Schwingungen von mehreren miteinander gekoppelten Systemen spielen in fast allen Gebieten der

Physik ein wichtige Rolle (siehe auch Versuch R). Die wesentlichen Erscheinungen treten schon

bei der Kopplung von nur zwei Systemen auf. Als schwingungsfahige Systeme werden in diesem

Versuch mechanische lineare Oszillatoren verwendet. Der Versuch soll zeigen, wie das gekoppelte

System mit Hilfe sogenannter Normalschwingungen charakterisiert werden kann, und wie diese mit

den Eigenfrequenzen der einzelnen Systeme sowie der Kopplung zwischen den Systemen zusam-

menhangen.

9.2 Theoretischer Teil

a) Der lineare Oszillator

Der lineare Oszillator besteht aus einer Masse m, die an einer Feder mit der Federkonstanten k

befestigt ist und sich in einer Dimension, z.B. entlang der x-Achse, bewegen kann (siehe Abb 9.1a).

Nimmt man an, dass die Feder im Hookeschen Bereich beansprucht wird, dass also die rucktrei-

bende Kraft F , welche auf m wirkt, gegeben ist durch F = −k · x, und vernachlassigt man die

k m

k/2 k/2

0

m

x

a)

b)

Abbildung 9.1: Linearer Oszillator

77

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78 9. Gekoppelte Schwingungen

Reibungskrafte, so lautet die Bewegungsgleichung

m · x = −k · x (9.1)

mit der Losung

x = A · cos (ω0 · t+ δ) mit ω0 =

√k

m(9.2)

Der Oszillator schwingt rein harmonisch mit einer charakteristischen Frequenz ω0, der Eigenfre-

quenz des Systems. Die beiden Integrationskonstanten, namlich die Amplitude A und die Phase δ,

sind durch die Anfangsbedingungen festgelegt. Aus praktischen Grunden werden im Experiment

statt einer einzigen meist zwei symmetrisch angeordnete Federn fur einen Oszillator verwendet.

Die obigen Beziehungen sind weiterhin gultig, wenn beide Federn die Federkonstante k/2 besitzen

(siehe Abb 9.1ab).

b) Zwei gekoppelte Oszillatoren

Betrachtet man die Schwingungen zweier Oszillatoren, welche durch eine Feder miteinander gekop-

pelt sind (siehe Abb 9.2), so lauten die beiden Bewegungsgleichungen fur die Massen m1 und m2

m1 · x1 = −k1 · x1 − k′ · (x1 − x2) (9.3)

m2 · x2 = −k2 · x2 − k′ · (x2 − x1) (9.4)

Nimmt man an, dass die beiden Oszillatoren gleich sind, d.h. m1 = m2 = m und k1 = k2 = k so

ergibt sich

m · x1 = −k · x1 − k′ · (x1 − x2) (9.5)

m · x2 = −k · x2 − k′ · (x2 − x1) (9.6)

Dieses gekoppelte Gleichungssystem kann auf verschiedene Arten gelost werden. Im Folgenden wird

ein anschaulicher Ansatz beschrieben.

Die experimentelle Beobachtung zeigt, dass harmonische Losungen existieren, fur die beide Massen

mit der gleichen Frequenz schwingen. Dies erlaubt den Losungsansatz

x1 = A · ei ω·t (9.7)

x2 = B · ei ω·t (9.8)

k1/2 k1/2 k2/2k2/2

k’

x1 x2

Abbildung 9.2: Zwei gekoppelte linearere Oszillatoren.

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9.2. THEORETISCHER TEIL 79

wobei A und B komplexe Amplituden sein sollen (d.h. die Phasenkonstante enthalten).

Durch Einsetzen von Gl. 9.8 in Gl. 9.5 und 9.6 ergibt sich

(−m · ω2 + k + k′ ) ·A− k′ ·B = 0 (9.9)

−k′ ·A+ (−m · ω2 + k + k′ ) ·B = 0 (9.10)

Dieses System von zwei linearen homogenen Gleichungen fur A und B hat bekanntlich nur dann

eine nichttriviale Losung, wenn die Determinante der Koeffizientenmatrix verschwindet, d.h. wenn∣∣∣∣∣ −m · ω2 + k + k′ −k′

−k′ −m · ω2 + k + k′

∣∣∣∣∣ = (−m · ω2 + k + k′ )2 − k′2 = 0 (9.11)

Es gibt daher zwei Frequenzen, die den Ansatz befriedigen, namlich die beiden positiven Losungen

der quadratischen Gl. 9.11

ω1 =

√k

mund ω2 =

√k + 2 k′

m(9.12)

Aus Gl. 9.9 ergibt sich

B =−m · ω2 + k + k′

k′·A (9.13)

und durch Einsetzen der beiden Losungen ω1 und ω2 fur die Frequenz ergeben sich die Losungen

fur die Amplituden zu A1 = B1 und A2 = −B2. Zusammengefasst lauten die zwei Losungspaare,

die den Ansatz erfullen

x1,ω1 = A1 · eiω1·t und x2,ω1 = A1 · eiω1·t (9.14)

fur die Eigenfrequenz ω1 und

x1,ω2 = A2 · eiω2·t und x2,ω2 = −A2 · eiω2·t (9.15)

fur die Eigenfrequenz ω2. In reller Form lauten die Losungen

x1,ω1 = A1 · cos (ω1 · t+ δ1) und x2,ω1 = A1 · cos (ω1 · t+ δ1) (9.16)

fur die Eigenfrequenz ω1 und

x1,ω2 = A2 · cos (ω2 · t+ δ2) und x2,ω2 = −A2 · cos (ω2 · t+ δ2) (9.17)

fur die Eigenfrequenz ω2.

Diese beiden rein harmonischen Losungen nennt man die Normalschwingungen des Systems zweier

gekoppelter Oszillatoren.

Die allgemeinste Losung der Bewegungsgleichung ergibt sich durch Superposition der Normal-

schwingungen

x1 = A1 · cos (ω1 · t+ δ1) +A2 · cos (ω2 · t+ δ2) (9.18)

x2 = A1 · cos (ω1 · t+ δ1)−A2 · cos (ω2 · t+ δ2) (9.19)

Wie zu erwarten, gibt es vier durch Anfangsbedingungen festzulegende Konstanten A1, A2, δ1 und

δ2, namlich je zwei fur Gl. 9.5 und 9.6.

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80 9. Gekoppelte Schwingungen

c) Anregung bestimmter Schwingungszustande

Ein Schwingungszustand ist durch die vier Anfangsbedingungen vollstandig bestimmt. Im Folgen-

den sollen drei wichtige Spezialfalle betrachtet werden.

Fall 1: Beide Oszillatoren werden mit gleicher Auslenkung aus der Ruhe losgelassen

Die Anfangsbedingungen bei t = 0 lauten:

x1(0) = x2(0) = A , x1(0) = x2(0) = 0 (9.20)

Eingesetzt in Gl. 9.18 und 9.19 ergibt dies die Losungen A1 = A, A2 = 0, δ1 = 0 und δ2 beliebig.

Damit ist

x1 = x2 = A · cos (ω1 · t ) mit ω1 =

√k

m(9.21)

Die beiden Oszillatoren schwingen miteinander. Die Losung ist eine Normalschwingung, und zwar

diejenige mit der tiefsten Frequenz. Die Tatsache, dass die Federkonstante k′ im Ergebnis nicht

auftritt, reflektiert die Tatsache, dass diese Feder sich nicht an der Schwingung beteiligt und ihren

Spannungszustand nicht andert (beobachten!)

Fall 2: Die beiden Oszillatoren werden mit entgegengesetzt gleicher Auslenkung aus

der Ruhe losgelassen

Die Anfangsbedingungen bei t = 0 lauten:

x1(0) = −x2(0) = B , x1(0) = x2(0) = 0 (9.22)

Eingesetzt in Gl. 9.18 und 9.19 ergibt dies die Losungen A1 = 0, A2 = B, δ1 beliebig und δ2 = 0.

Damit ist

x1 = −x2 = B · cos (ω2 · t ) mit ω2 =

√k + 2 k′

m(9.23)

Dies ist die zweite Normalschwingung, wobei beide Oszillatoren gegeneinander schwingen.

Fall 3: Der eine Oszillator wird aus der Ruhelage, der andere mit einer Auslenkung

aus der Ruhe losgelassen.

Die Anfangsbedingungen bei t = 0 lauten:

x1(0) = C , x2(0) = 0 , x1(0) = x2(0) = 0 (9.24)

Eingesetzt in Gl. 9.18 und 9.19 ergibt dies die Losungen A1 = A2 = C/2 und δ1 = δ2 = 0. Damit

ist

x1 =C

2· ( cos (ω1 · t ) + cos (ω2 · t ) ) = C · cos (

ω2 − ω1

2· t ) · cos (

ω2 + ω1

2· t ) (9.25)

x2 =C

2· ( cos (ω1 · t )− cos (ω2 · t ) ) = C · sin (

ω2 − ω1

2· t ) · sin (

ω2 + ω1

2· t ) (9.26)

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9.2. THEORETISCHER TEIL 81

2π(ω2-ω1)/2

t

t

x1

x2

Abbildung 9.3: Schwebung: im mittleren Schwingungsbauch besitzt der Oszillator die zum An-

fang entgegengesetzte Phase; die Schwebung erstreckt sich in diesem Fall also uber zwei Schwin-

gungsbauche.

Fur schwache Kopplung (k′ << k) ist ω2 ≈ ω1 und daher ω2 − ω1 << ω1 + ω2. Wie in Abb. 9.3

illustriert, kann diese Losung als Schwingung der Frequenz ω1+ω22 mit zeitlich variabler Amplitude

aufgefasst werden.

Es handelt sich um eine Schwebung, wie sie immer bei der Uberlagerung von Schwingungen fast

gleicher Frequenzen auftritt. Da die Amplitude eines einzelnen Oszillators hier von der Zeit abhangt,

ist seine Energie im Gegensatz zu den Fallen 1 und 2 nicht konstant. Die Energie des Systems

wandert mit der Frequenz Ω = ω2 − ω1 von einem Oszillator zum anderen, die Gesamtenergie der

beiden Oszillatoren ist dabei jedoch konstant.

d) Verallgemeinerung auf ein System von N gekoppelten Oszillatoren

Im Allgemeinen ist die Anzahl der Normalschwingungen gleich der Zahl der Freiheitsgrade des

Gesamtsystems. Die Verallgemeinerung fur N gekoppelte Oszillatoren ergabe ein System von N

gekoppelten Bewegungsgleichungen. Damit ware Gleichung 9.11 vom Grad 2N mit im allgemeinen

N verschiedenen positiven Losungen fur die Normal- oder Eigenfrequenzen ωN .

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82 9. Gekoppelte Schwingungen

9.3 Experimenteller Teil

Im Versuch sollen die im theoretischen Teil hergeleiteten Beziehungen qualitativ und quantitativ

untersucht werden. Da bei den Herleitungen Reibungskrafte vollig vernachlassigt wurden, ist auch

das Experiment so aufgebaut, dass die Reibungskrafte moglichst klein gehalten werden. Die Oszil-

latoren bestehen aus zwei Reitern, die auf einem Luftkissen gleiten und durch Federn miteinander

gekoppelt werden konnen.

Die Federn durfen bei den Versuchen nicht uberdehnt werden, da ansonsten die allen Uberlegungen

zugrunde liegende Annahme eines linearen Kraftgesetzes (F = −k · x) nicht gerechtfertigt ist.

a) Qualitative Beobachtungen

• Offnen Sie den Presslufthahn so weit, dass die Reiter sich von der Unterlage abheben.

• Regen Sie die oben erwahnten speziellen Schwingungszustande durch richtige Wahl der An-

fangsbedingungen an, und vergleichen Sie das Verhalten der Oszillatoren mit der Erwartung.

b) Messung der Schwingungsfrequenzen

Die folgenden Frequenzen sollen experimentell bestimmt werden:

ω1 =

√k

m(1. Normalschwingung)

ω2 =

√k + 2 k′

m(2. Normalschwingung)

Ω = ω2 − ω1 (Schwebungsfrequenz)

ω′ =

√k + k′

m(Frequenz eines Oszillators, wenn der andere festgehalten wird)

• Bestimmen Sie ω1, ω2 und ω′ indem Sie die Periode T der jeweiligen Schwingungen aus jeweils

funf Messungen uber 20 Schwingungszyklen bestimmen und die Kreisfrequenz nach ω = 2π/T

berechnen. Ermitteln Sie jeweils den Mittelwert ihrer Messungen und schatzen Sie die Fehler

auf ω1, ω2 und ω′ ab.

• Bestimmen Sie die Schwebungsfrequenz Ω und den Fehler auf Ω in analoger Weise. Wegen der

unvermeidlichen Dampfung mussen Sie in diesem Fall die Periode T jedoch aus Messungen

uber nur 10 Schwebungszyklen bestimmen, z.B. uber 10 × 2 Schwingungsknoten eines der

beiden Pendel (siehe Abb. 9.3).

• Bestatigen Sie anhand der gemessenen Frequenzen die erwarteten Beziehungen Ω = ω2 − ω1

und ω21 + ω2

2 = 2ω′2.

• Uberlegen Sie sich, welche Grunde fur die schlechte Ubereinstimmung des berechneten und

des experimentell bestimmten Wertes fur Ω ausschlaggebend sein konnten.

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9.3. EXPERIMENTELLER TEIL 83

c) Messung der Federkonstanten und Berechnung der Schwingungsfrequenzen

Die Federkonstanten k0 der verwendeten Federn sollen einzeln bestimmt werden. Dazu werden die

zwei in Abb. 9.4 illustrierten Methoden verwendet. Da in den vorhergehenden Experimenten jeweils

zwei Federn pro Oszillator verwendet wurden, gilt k0 = k/2.

• Belasten Sie nacheinander jede der Federn durch Anhangen einer bekannten Masse m und

messen Sie ihre Langenanderung h. Berechnen Sie die Federkonstante gemass k0 = m · g/h.

• Versetzen Sie die mit der Masse m belastete Feder in vertikale Schwingungen und messen Sie

die Schwingungsperiode T . Berechnen Sie die Federkonstante gemass k0 = m·ω2 = m·4π2/T 2

• Berechnen Sie aus den gemessenen Federkonstanten k0 = k/2 und den bekannten Massen der

in den ersten Versuchsteilen verwendeten Reitern die erwarteten Werte fur die Eigenfrequen-

zen ω1 und ω2. Vergleichen Sie diese mit ihren Messergebnissen.

a) b)

mg = k0 h

k0= mgh

h

m m y = A cos ωt

k0ω = m

y

k0 = mω2

G = mg

Abbildung 9.4: Zur Bestimmung der Federkonstanten k.

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84 9. Gekoppelte Schwingungen

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10. Schussgeschwindigkeit

SG

10.1 Einleitung

Erhaltungssatze spielen in der Physik eine ausserordentlich wichtige Rolle. Als Beispiel zur Anwen-

dung des Impulserhaltungssatzes und des Energieerhaltungssatzes der Mechanik wird im ersten

Teil des Versuchs die Schussgeschwindigkeit einer Pistolenkugel bestimmt, die in ein ballistisches

Pendel geschossen wird.

Im zweiten Teil des Versuches wird die Geschwindigkeit einer Pistolenkugel bestimmt, indem ihre

Flugzeit uber eine gegebene Distanz gemessen wird.

10.2 Theoretischer Teil

a) Bestimmung der Fluggeschwindigkeit aus Impuls- und Energieerhaltung

Im ersten Teil des Versuchs wird eine Kugel der Masse mK in ein zunachst ruhendes ballistisches

Pendel der Masse mP geschossen. Die Kugel bleibt in dem Pendel stecken und fuhrt zu einer

Auslenkung, aus deren Amplitude die Geschwindigkeit der Kugel bestimmt werden kann.

Aus der Impulserhaltung beim Stoss folgt, dass

mK · vK = (mK +mP ) · vP (10.1)

wobei vK die Geschwindigkeit der Kugel vor dem Stoss und vP die Geschwindigkeit des Pendels

unmittelbar nach dem Stoss sind.

Beim Ausschwingen des Pendels wird seine kinetische Energie in potentielle Energie umgesetzt, bis

es im Umkehrpunkt bei der maximalen Auslenkung auf der Hohe h kurzzeitig zur Ruhe kommt.

Unmittelbar nach dem Stoss ist

Ekin =1

2(mK +mP ) · v2P und Epot = 0 (10.2)

und im Umkehrpunkt ist

Ekin = 0 und Epot = (mK +mP ) · g · h (10.3)

Aus dem Energieerhaltungssatz folgt

1

2(mK +mP ) · v2P = (mK +mP ) · g · h (10.4)

85

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86 10. Schussgeschwindigkeit

l

h = 2l sin2φ/2

φ

φ/2

φ

Abbildung 10.1: Zur Energieerhaltung beim Pendel.

und vP kann aus der Hohe h berechnet werden

vp =√

2 g · h (10.5)

Die Hohe h lasst sich, wie in Abb. 10.1 illustriert, durch den maximalen Auslenkungswinkel φ und

die Lange l des Pendels ausdrucken

h = l · ( 1− cosφ ) = 2 · l · sin2 φ

2. (10.6)

Die Lange l ist dabei der Abstand des Schwerpunkts des Pendels von der Drehachse.

Durch Einsetzen von Gl. 10.5 und 10.6 in Gl. 10.1 folgt

vk =mP +mK

mK·√g · l · 2 sin

φ

2. (10.7)

Sind die Masse und Lange des Pendels sowie die Masse der Kugel bekannt, so kann die Flugge-

schwindigkeit der Kugel aus dem maximalen Auslenkungskwinkel des Pendels bestimmt werden.

b) Bestimmung der Fluggeschwindigkeit aus Flugzeit und Weg

Im zweiten Versuchsteil wird die Geschwindigkeit v der Kugel gemass

v =∆s

∆t(10.8)

aus der Flugzeit ∆t bestimmt, in der sie eine bekannte Strecke ∆s zurucklegt. Streng genommen

wird mit dieser Methode die mittlere Geschwindigkeit der Kugel uber die Strecke ∆s bestimmt.

Wenn ∆s aber nicht zu gross gewahlt wird, kann v als konstant angenommen werden.

Aufgrund der hohen Geschwindigkeit der Kugel ist die Flugzeit ∆t sehr klein, und es muss eine

besondere Methode der Zeitmessung angewendet werden, um ein verlassliches Ergebnis zu erhalten.

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10.2. THEORETISCHER TEIL 87

V0

S1 S2

RCV(t)

Abbildung 10.2: Schaltkreis zur Messung der Flugzeit.

Das in diesem Versuch benutzte Messprinzip wird in Abb. 10.2 veranschaulicht. Ein Kondensator C

wird zunachst bei geschlossenen Schaltern S1 und S2 durch die Spannungsquelle auf die Spannung

V0 aufgeladen. Wird nun der Schalter S1 geoffnet und bleibt der Schalter S2 geschlossen, so entladt

sich der Kondensator uber den Widerstand R, wobei die Spannung an C exponentiell mit der Zeit

t abnimmt (Herleitung im Anhang zu diesem Versuch):

V (t) = V0 · e−tRC (10.9)

Wird nach einer Zeit ∆t der Schalter S2 geoffnet, so liegt am Kondensator noch die Spannung

V1 = V0 · e−∆tRC (10.10)

an. Damit ist

∆t = R · C · ln V0V1

(10.11)

Die Zeit ∆t kann aus den gemessenen Spannungen V0 und V1 bestimmt werden, wenn die Werte

von R und C bekannt sind.

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88 10. Schussgeschwindigkeit

10.3 Experimenteller Teil

a) Bestimmung der Fluggeschwindigkeit aus Impuls- und Energieerhaltung

Im ersten Versuchsteil wird eine Pistolenkugel der Masse mK in ein anfanglich ruhendes ballistisches

Pendel der Masse mP geschossen und die Geschwindigkeit der Kugel vor dem Aufprall gemass

Gl. 10.7 aus dem maximalen Auslenkungswinkel des Pendels nach dem Stoss bestimmt.

Da der erste Ausschlag schwierig zu beobachten ist, macht man sich die Tatsache zunutze, dass das

Pendel eine durch Reibung gedampfte Schwingung vollfuhrt. Die Amplitude einer solchen Schwin-

gung klingt exponentiell mit der Zeit ab (siehe Versuch Gk, S. 39, oder R, S. 67). Wenn man die

Amplitude auf halblogarithmischen Papier gegen die Zeit (bzw. die Anzahl Perioden auftragt), kann

man durch eine Ruckwartsextrapolation mittels einer Geraden den ersten Ausschlag ermitteln.

• Wagen Sie die Kugel und das Pendel mit eingesetztem Kittklotz.

• Justieren Sie das Pendel so, dass seine Schwingungsebene moglichst genau in der Schussrich-

tung liegt und dass es nach dem Schuss nicht dreht.

• Fuhren Sie den Versuch funfmal durch: Messen Sie gemass den obigen Erlauterungen den

maximalen Ausschlagwinkel φ des Pendels, indem Sie die Amplitude uber so viele Schwin-

gungen wie moglich notieren. Tragen Sie die Amplituden gegen die Anzahl Schwingungen auf

halblogarithmischem Papier auf und bestimmen Sie mit einer Gerade den ersten Ausschlag.

Berechnen Sie den Mittelwert der der funf Messungen und schatzen Sie den Fehler auf φ ab.

Berechnen Sie nach Gl. 10.7 die Geschwindigkeit vK der Kugel und schatzen sie den Fehler

auf vK ab.

• Berechnen Sie nach Gl. 10.5 die Geschwindigkeit vP des Pendels unmittelbar nach dem Stoss.

Berechnen Sie aus vK und vP die kinetische Energie der Kugel vor dem Stoss und die des

Pendels unmittelbar nach dem Stoss.

Offensichtlich ist die kinetische Energie beim Stoss nicht erhalten, und ein Teil der kinetischen

Energie der Kugel wird in Warme Q umgesetzt.

• Leiten Sie algebraisch aus der Impulserhaltung beim Stoss her, dass die kinetische Energie

nicht erhalten sein kann.

• Benutzen Sie die Tatsache, dass die Gesamtenergie beim Stoss erhalten sein muss, um Q zu

bestimmen. Geben Sie an, wie der Bruchteil von Q an der Gesamtenergie von den Massen

mK und mP abhangt. Vergleichen Sie das Ergebnis ihrer Rechnung mit der Messung.

b) ) Bestimmung der Fluggeschwindigkeit aus Flugzeit und Weg

Im zweiten Versuchsteil wird die Geschwindigkeit der Pistolenkugel durch die Messung der Flugzeit

uber eine bekannte Distanz bestimmt.

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10.3. EXPERIMENTELLER TEIL 89

Δs

1. Gitter 2. GitterFlugbahn

Spannungs-quelle

C Voltmeter V R

Abbildung 10.3: Versuchsaufbau zur Messung der Flugzeit.

Der Versuchsaufbau ist in Abb. 10.3 skizziert. Die beiden in Fig. 10.2 gezeigten Schalter S1 und

S2 sind durch zwei Gitter realisiert, die aus einem auf ein Plexiglasrahmchen gewickelten dunnen

Draht bestehen. Die einzelnen Windungen des Drahtes liegen dabei so eng aneinander, dass die

Kugel beim Durchfliegen des Gitters auf jeden Fall den Draht zerreisst und damit die elektrische

Verbindung unterbricht.

Die Flugstrecke ∆s ist durch den Abstand der zwei Gitter gegeben, die Entladungsdauer ∆t des

Kondensators ist gleich der Flugzeit der Kugel zwischen Gitter 1 und Gitter 2.

Die Spannung am Kondensator wird mit einem Digitalvoltmeter mit hohem Eingangswiderstand

(≥ 10MΩ) gemessen. Trotz des hohen Widerstandes fliesst weiter ein Entladestrom uber den

Voltmeter, wobei die Spannung am Kondensator diesmal langsamer aber weiterhin exponentiell

abnimmt. Wie in Experiment (a) kann der erste Spannungswert ermittelt werden, indem der Span-

nungswert in regelmassigen Zeitintervallen gemessen und halblogarithmisch gegen die Zeit aufgetra-

gen wird. Den Wert zum Zeitpunkt kann man durch Ruckwartsextrapolation mittels einer Geraden

bestimmt werden.

• Wickeln Sie die zwei Gitter. Dabei brauchen Sie die Plastikrahmchen nur im mittleren Be-

reich zu umwickeln, durch den spater die Kugel geschossen wird. Am Anfang und Ende der

Wicklung sollten jeweils ca. 20 cm Draht ubrigbleiben.

• Entfernen Sie die Isolation an den beiden Enden der Drahte sorgfaltig und schliessen Sie die

Drahte an den dafur vorgesehenen Kontaktklemmen an. Das Digitalvoltmeter lasst sich auch

als Ohmmeter benutzen. Messen Sie den elektrischen Widerstand zwischen den Kontaktklem-

men. Zeigt das Gerat ∞ an, so ist vermutlich der Draht noch nicht genugend abisoliert oder

der Kontakt an den Befestigungen schlecht.

• Lassen Sie vor dem Einschalten der Spannungsquelle die Schaltung vom Assistenten kontrol-

lieren!

• Schalten Sie die Spannungsquelle ein und stellen Sie die Spannung auf einen gunstigen Wert

ein (fragen Sie den Assistenten).

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90 10. Schussgeschwindigkeit

• Uberprufen Sie nochmals, dass alle elektrischen Kontakte gut verbunden sind, indem Sie mit

dem Voltmeter die Spannung uber dem Widerstand R messen.

• Fuhren Sie den Versuch dreimal durch. Messen Sie jeweils die Spannungen V0 vor dem Schuss

und in Schritten von 10 Sekunden die Spannung wahrend mindestens 100 Sekunden nach dem

Schuss. Bestimmen Sie V1 nach dem Schuss durch Extrapolation mittels einer Geraden auf

halblogarithmischem Paper und berechnen Sie ∆t nach Gl. 10.11. Berechnen Sie v = ∆s/∆t

und schatzen Sie den Fehler auf v ab.

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10.4. ANHANG 91

10.4 Anhang

a) Herleitung von Gl. 10.9

Bei angelegter Spannung V ist die in dem Kondensator der Kapazitat C gespeicherte Ladung

Q = C · V (10.12)

Wird nun der Stromkreis uber den Widerstand R geschlossen, so fliesst ein Strom

I =V

R(10.13)

Damit wird der Kondensator entladen und die Spannung uber den Kondensator fallt ab. Mit

Gl. 10.12 und 10.13 sowie I = dQ/dt folgt

V

R= I =

dQ

dt= C · dV

dt(10.14)

und damitdV

dt− 1

RC· V = 0 (10.15)

Dies ist eine Differentialgleichung erster Ordnung fur die Spannung V (t). Die Losung ist eine

Exponentialfunktion

V (t) = V0 · e−tRC (10.16)

wobei die Integrationskonstante V0 durch die Anfangsbedingung festgelegt ist: V0 = V (t = 0)

(Spannung am Kondensator).

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92 10. Schussgeschwindigkeit

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11. Torsion und Biegung eines Stabes

TB

11.1 Einleitung

In der Mechanik starrer Korper werden ausgedehnte Korper als unverformbar angenommen und die

Beschreibung ihrer Bewegungen auf die Translationsbewegung des Schwerpunkts sowie Rotationen

um den Schwerpunkt reduziert. Der starre Korper ist jedoch eine Idealisierung, denn in Wirklichkeit

verformt sich jeder Korper, wenn Krafte auf ihn wirken. Beispiele fur Verformungen sind Dehnung,

Biegung, Drillung (Torsion) und Knickung. Durch die Verformung treten im Inneren des Korpers

Spannungen auf, die die ausseren Krafte kompensieren. Sind die auftretenden Spannungen nicht zu

gross, so ist die Verformung elastisch, d.h. der Korper nimmt nach Wegfall der ausseren Krafte wie-

der seine ursprungliche Form an. Uberschreiten die Spannungen die sogenannte Elastizitatsgrenze,

so fuhren sie zu einer bleibenden Verformung des Korpers, d.h. der Korper verhalt sich plastisch.

Bei weiterer Vergrosserung der Spannungen kommt es schliesslich zum Bruch.

In diesem Versuch werden als Beispiele die Torsion zylindrischer Stabe und die Biegung rechtecki-

ger Stabe im elastischen Bereich betrachtet. Zum einen wird dabei fur einen gegebenen Stab die

Abhangigkeit der Verformung von der Starke der ausseren Kraft untersucht. Zum anderen werden

Stabe unterschiedlichen Materials und unterschiedlichen Querschnitts bei gleichen ausseren Kraften

miteinander verglichen und die Abhangigkeit der Verformung von Form und Material untersucht.

11.2 Theoretischer Teil

Im Folgenden werden zunachst die grundlegenden Begriffe Normal- und Schubspannung, Elasti-

zitats- und Schubmodul, sowie das Hookesche Gesetz eingefuhrt. Danach werden die Beispiele der

Torsion eines zylindrischen Stabes und der Biegung eines rechteckigen Stabes betrachtet.

Bei allen Betrachtungen wird im Folgenden davon ausgegangen, dass die innere Struktur der unter-

suchten Korper homogen und isotrop ist. Dies ist im allgemeinen nicht der Fall, zum Beispiel wenn

das Material im Korper inhomogen verteilt ist oder wenn sich durch die innere Molekulstruktur des

verwendeten Materials bevorzugte Achsen ausbilden, entlang derer das Material besonders stabil

ist.

Weiterhin sind die gewahlten Beispiele deshalb besonders einfach, weil die Symmetrie der ausseren

Krafte jeweils der Symmetrie des Stabes angepasst ist. Wesentlich komplizierter sind Falle, wo

z.B. Krafte schief zum Querschnittprofil stehen ( Biegungsrichtung nicht parallel zur Kraft ) oder

93

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94 11. Torsion und Biegung eines Stabes

dFn

dFtdF

dA

Abbildung 11.1: Zur Definition von Normal- und Schubspannungen.

Drehmomente an einem nicht runden Stab angreifen.

a) Normal- und Schubspannung, Elastizitats- und Schubmodul, Hookesches Ge-

setz

Um die an einem Ort im Inneren eines Korpers auftretenden Spannungen zu untersuchen, betrach-

tet man die Krafte, die entlang eines an diesem Ort durch den Korper gedachten Schnittes wirken.

An den beiden durch den Schnitt erzeugten Schnittflachen treten nach dem Reaktionsprinzip ent-

gegengesetzt gleiche Krafte auf, die den Korper entlang der Schnittflachen zusammenhalten. Die

auf ein Flachenelement dA der Schnittflache wirkende Kraft d−→F kann in eine Normalkomponente

dFn senkrecht zum Flachenelement und eine Tangentialkomponente dFt parallel zum Flachenele-

ment zerlegt werden (siehe Abb. 11.1). Die Normalspannung σ und die Schubspannung τ sind dann

definiert als

σ =dFndA

und τ =dFtdA

(11.1)

Wird ein Stab der Lange l und der Querschnittsflache A wie in Abb. 11.2 illustriert in Langsrich-

tung mit einer ausseren Kraft−→F belastet, so tritt an jeder beliebigen Schnittflache senkrecht zur

Stabachse eine Normalspannung σ = F/A auf, wahrend die Schubspannung entlang dieser Schnitt-

flachen Null ist. Die aussere Kraft bewirkt eine Langenanderung ∆l des Stabes. Ist die Kraft nicht

zu gross, so gilt das Hookesche Gesetz und die relative Langenanderung ε = ∆l/l ist proportional

zum Betrag der Kraft F und damit zur Normalspannung σ. Die Proportionalitatskonstante

E =σ

ε(11.2)

nennt man den Elastizitatsmodul. Er ist eine fur das Material des Korpers charakteristische Mate-

rialkonstante.

-F FA

σ

Abbildung 11.2: Dehnung eines Stabes.

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11.2. THEORETISCHER TEIL 95

F

-F

F

-F

δ

Abbildung 11.3: Scherung eines Wurfels.

Wird ein Wurfel, wie in Abb. 11.3 dargestellt, durch eine aussere Kraft parallel zu seinen Seiten-

flachen belastet, so wird er um einen Winkel δ geschert. Entlang jeder beliebigen zu den belasteten

Seitenflachen parallelen Schnittflache tritt eine Schubspannung τ = F/A auf, wahrend die Nor-

malspannung entlang dieser Schnittflachen Null ist. Ist die aussere Kraft nicht zu gross, so ist der

Scherwinkel δ proportional zum Betrag der Kraft und damit zur Schubspannung τ . Die Proportio-

nalitatskonstante

G =τ

δ(11.3)

nennt man den Schubmodul. Er ist wie der Elastizitatsmodul eine fur das Material des Korpers

charakteristische Materialkonstante.

b) Torsion eines zylindrischen Stabes

Ein zylindrischer Stab mit Lange l und Radius R sei, wie in Abb. 11.4 dargestellt, an einem Ende

fest eingespannt und am anderen Ende mit einem axialen Drehmoment belastet. Damit der Stab im

Gleichgewicht ist, muss am eingespannten Ende und in jeder Schnittflache senkrecht zur Stabachse

ein entgegengesetzt gleich grosses Drehmoment wirken, welches durch innere Schubspannungen

erzeugt wird.

Erfahrungsgemass bewirkt diese Belastung eine Torsion des Stabes, wie in Abb. 11.5 illustriert.

Ebenen senkrecht zur Stabachse bleiben Ebenen, werden aber um einen Winkel φ(x) verdreht. Der

Winkel φ(x) nimmt linear mit der Position x entlang des Stabs zu. Gerade Mantellinien gehen in

Schraubenlinien uber, die gegenuber der Stabachse um einen Winkel δ verdreht sind. Dabei gilt fur

-M0 M0

F

-F

0 x l

Rx

Abbildung 11.4: Torsion eines zylindrischen Stabes.

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96 11. Torsion und Biegung eines Stabes

0 x

R

Pr

Φ

δ

τ(r)

-M0

Abbildung 11.5: Torsion eines zylindrischen Stabes.

nicht zu grosse Verdrehwinkel

x · δ = r · φ (11.4)

Das in Abb. 11.5 schraffiert eingezeichnete Volumenelement erfahrt eine Scherung um den Winkel

δ, die durch eine Schubspannung τ an der Stirnflache erzeugt wird. Fur nicht zu grosse Belastungen

gilt das Hookesche Gesetz und damit

τ = G · δ = G · r · φx

(11.5)

Damit der in Abb. 11.5 betrachtete Teil des Stabes im Gleichgewicht ist, muss das gesamte von

diesen Schubspannungen erzeugte Drehmoment bezuglich dem Punkt P gleich dem ausseren Dreh-

moment M0 sein, also

M0 =

∫r · τ dA =

G · φ(x)

x·∫r2 dA =

G · φ(x)

x·∫ R

0r2 · 2π · r dr =

G · φ(x)

x· π ·R

4

2(11.6)

Insbesondere ist damit der maximale Verdrehwinkel am Stabende (x = l)

φ(l) =2 l ·M0

π ·G ·R4(11.7)

Handelt es sich bei dem Stab nicht um einen Vollzylinder, sondern um einen Hohlzylinder, so wird

die Integration in Gl. 11.6 vom Innenradius Ri bis zum Aussenradius Ra ausgefuhrt und es folgt

φ(l) =2 l ·M0

π ·G · (R4a −R4

i )(11.8)

d) Biegung eines rechteckigen Stabes

Ein rechteckiger Stab mit Lange l und Querschnittsflache A sei, wie in Abb. 11.6 dargestellt, an

einem Ende fest eingespannt und am anderen Ende mit einer Kraft−→F 0 rechtwinklig zur Stabachse

belastet. Damit der Stab im Gleichgewicht ist, mussen innere Spannungen diese Kraft und das von

ihr erzeugte Drehmoment kompensieren.

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11.2. THEORETISCHER TEIL 97

A

F0

ln

F0

Abbildung 11.6: Biegung eines rechteckigen Stabes.

n

h

xlx h(x)

στ

F0

Abbildung 11.7: Biegung eines rechteckigen Stabes.

Erfahrungsgemass fuhrt diese Belastung zu einer Biegung des Stabes, wie in Abb. 11.7 illustriert.

Schichten oberhalb der sogenannten neutralen Faser n erfahren eine Dehnung langs der Stabachse,

solche im Bereich unterhalb der neutralen Faser eine Stauchung. Die neutrale Faser selbst ist als

diejenige Ebene langs des Stabes definiert, die keine Langenanderung erfahrt. Ebenen senkrecht

zur neutralen Faser bleiben bei der Biegung Ebenen und stehen weiterhin senkrecht zur neutralen

Faser.

Entlang einer beliebigen Schnittflache senkrecht zur neutralen Faser tritt eine uber die Flache

konstante Schubspannung

τ =F0

A(11.9)

auf, welche die aussere Kraft F0 kompensiert und damit ein Kraftegleichgewicht herstellt (siehe

Abb. 11.7).

Zusatzlich treten an diesen Schnittflachen Normalspannungen auf, die das von der ausseren Kraft

erzeugte Drehmoment M0 kompensieren. Dieses Drehmoment ist

M0(x) = F · ( l − x ) (11.10)

nimmt also mit zunehmendem Abstand vom Stabende zu und ist am grossten bei x = 0, d.h. an

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98 11. Torsion und Biegung eines Stabes

z

dA

σ(z) dAσ(-z)σ(z)

ϕ

R

n0

Abbildung 11.8: Biegung eines rechteckigen Stabes.

der Einspannstelle des Stabes.

Ist R(x) der Biegeradius des gebogenen Stabes (siehe Abb. 11.8) an der Stelle x, so ist die relative

Langenanderung des Stabes im Abstand z von der neutralen Faser

ε(x, z) =(R(x) + z ) · φ−R(x) · φ

R(x) · φ=

z

R(x)(11.11)

Fur nicht zu grosse Belastungen gilt das Hookesche Gesetz und damit ist die relative Langenande-

rung proportional zur Normalspannung

σ(x, z) = E · ε(x, z) = E · z

R(x)(11.12)

Diese Normalspannungen erzeugen ein totales Drehmoment

M ′0(x) =

∫Az · σ(x, z) dA =

E

R(x)·∫Az2 dA =

E

R(x)· Iz (11.13)

um einen Punkt auf der neutralen Faser. Das sogenannte Flachentragheitsmoment Iz =∫A z

2 dA

ist eine fur die Stabilitat des Korpers wichtige Grosse. Sie hangt von der Materialverteilung im

Querschnitt ab. Fur einen rechteckigen Stab der Breite b senkrecht zur Biegungsrichtung und der

Dicke d in Richtung der Biegung ist

Iz =b · d3

12(11.14)

Der Korper als Ganzes ist im Gleichgewicht wenn

M ′0(x) = M0(x) d.h.E

R(x)· Iz = F0 · ( l − x ) (11.15)

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11.2. THEORETISCHER TEIL 99

Fur grosse Biegeradien R (d.h. kleine Deformation des Stabes) gilt naherungsweise

1

R(x)=d2h

dx2(11.16)

wobei h(x) die Durchbiegung des Stabes an der Stelle x ist. Einsetzen in Gl. 11.15 ergibt

d2h

dx2=

F0

E · Iz· ( l − x ) (11.17)

woraus nach zweimaliger Integration folgt

h(x) =F0

E · Iz·(l · x2

2− x3

6

)+ C1 · x+ C2 (11.18)

Die Integrationskonstanten werden aus den Randbedingungen an der Einspannstelle x = 0 be-

stimmt. Hier ist h(x) = 0 und dhdx = 0 und damit folgt C1 = C2 = 0. Fur die maximale Durchbiegung

am Stabende (x = l) ergibt sich damit

h(l) =F0

E · Iz·(l3

2− l3

6

)=

F0 · l3

3E · Iz(11.19)

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100 11. Torsion und Biegung eines Stabes

11.3 Experimenteller Teil

Im Versuch sollen die Beziehungen 11.7 und 11.19 zwischen ausserem Drehmoment und Verdreh-

winkel, bzw. ausserer Kraft und Durchbiegung verifiziert und die entsprechenden elastischen Kon-

stanten verschiedener Materialien bestimmt werden.

a) Torsion des zylindrischen Stabes

Im ersten Versuchsteil werden zylindrische Stabe mit einem bekannten ausseren Drehmoment be-

lastet und der Verdrehwinkel φ = φ(l) am Ende des Stabes gemessen.

Der Verdrehwinkel kann einerseits direkt an einer Winkelskala abgelesen werden, der Versuchsauf-

bau erlaubt es aber auch, diesen Winkel uber die Ablenkung eines Laserstrahls zu bestimmen.

Lassen Sie sich diese zweite Messmethode vom Assistenten erklaren. Probieren Sie beide Methoden

aus und vergleichen Sie die Resultate. Diskutieren Sie mit dem Assistenten die Vor- und Nachteile

der beiden Methoden.

Das aussere Drehmoment M0 wird erzeugt, indem Gewichte bekannter Masse m an der Peripherie

einer Scheibe mit Radius Rs am Stabende angehangt werden. Damit ist M0 = m · g · Rs und mit

Gl. 11.7 folgt

φ =2 l · g ·Rsπ ·G ·R4

·m (11.20)

Die Gewichte werden fur jeden Stab so gewahlt, dass der Drehwinkel φ jeweils 15 nicht uberschrei-

tet und die Deformation im linearen Bereich bleibt.

Die relevanten Parameter der fur den Versuch zur Verfugung stehenden Stabe sind in Tabelle 11.1

zusammengefasst. Anhand dieser Stabe sollen

- der Schubmodul G von Aluminium, Messing und Eisen bestimmt werden (Stabe 1, 2 und 3),

- die R4-Abhangigkeit des Verdrehwinkels verifiziert werden (Stabe 3 und 4), und

- ein Vollzylinder und ein Hohlzylinder annahernd gleicher Querschnittsflache verglichen werden

(Stabe 4 und 5).

Beim Einspannen der Stabe sollte jeweils eine leichte Vorspannung erzeugt werden, sodass sich nach

dem An- und Abhangen der Gewichte eine reproduzierbare Nulllage einstellt.

Tabelle 11.1: Zylindrische Stabe fur die Torsionsversuche

Stab Material Lange [mm] Innenradius [mm] Aussenradius [mm]

1 Aluminium 750 - 2.5

2 Messing 750 - 2.5

3 Eisen 750 - 2.5

4 Eisen 750 - 2.75

5 Eisen 750 1 3.0

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11.3. EXPERIMENTELLER TEIL 101

• Uberprufen Sie die Dimensionen aller Stabe mit einem Mikrometer. Benuzten Sie fur Ihre

Rechnungen die gemessenen Parameter, nicht die in Tabelle 11.1 angegebenen.

Bestimmung des Schubmoduls von Aluminium, Messing und Eisen

• Spannen Sie zunachst den Aluminium-Stab (1) ein und spannen Sie ihn vor.

• Belasten Sie den Stab nacheinander mit Gewichten der Masse 0.25 kg, 0.5 kg und 0.75 kg und

messen Sie jeweils den Verdrehwinkel φ am Ende des Stabes.

• Tragen Sie φ als Funktion von m auf. Legen Sie die beste Gerade durch die Messpunkte (die

Gerade muss nicht unbedingt durch den Nullpunkt laufen) und bestimmen Sie G aus deren

Steigung. Schatzen Sie den Fehler auf G ab.

• Wiederholen Sie den Versuch mit dem Messing-Stab (2), wobei Sie Gewichte der Masse

0.25 kg, 0.5 kg, 0.75 kg und 1.0 kg verwenden.

• Wiederholen Sie die Messung mit dem Eisen-Stab (3), wobei Sie Gewichte der Masse 0.5 kg,

1.0 kg, 1.5 kg und 2.0 kg verwenden.

Uberprufung der R4-Abhangigkeit des Drehwinkels

• Spannen Sie zunachst den dunneren Eisen-Stab (3) ein und spannen Sie ihn vor.

• Belasten Sie den Stab nacheinander mit Gewichten der Masse 0.25 kg und 2.0 kg und messen

Sie jeweils den Verdrehwinkel φ am Ende des Stabes.

• Wiederholen Sie den Versuch fur den dickeren Eisen-Stab (4). Benuzten Sie dabei die gleichen

Massen wie fur den dunneren Stab (3).

• Vergleichen Sie die Verdrehwinkel der beiden Stabe bei gleicher Belastung und verifizieren

Sie, dassφ4φ3

=R4

3

R44

(11.21)

Vergleich eines Vollzylinders mit einem Hohlzylinder

• Spannen Sie zunachst den Vollzylinder (4) ein und spannen Sie ihn vor.

• Belasten Sie den Stab nacheinander mit Gewichten der Masse 0.25 kg und 2.5 kg und messen

Sie jeweils den Verdrehwinkel φ am Ende des Stabes.

• Wiederholen Sie den Versuch fur den Hohlzylinder (5). Benuzten Sie dabei die gleichen Massen

wie fur den Vollzylinder (4).

• Vergleichen Sie die Verdrehwinkel der beiden Stabe bei gleicher Belastung. Verifizieren Sie,

dassφ4φ5

=R4

5,a −R45,i

R44

(11.22)

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102 11. Torsion und Biegung eines Stabes

StabBalken Wasserwaage

Mikrometer-schraube

h

F0

Abbildung 11.9: Versuchsaufbau zur Messung der Biegung eines rechteckigen Stabes.

• Berechnen Sie die Querschnittsflachen der beiden Stabe und diskutieren Sie das Verhaltnis

von eingesetzter Materialmenge zu erreichter Stabilitat.

b) Biegung eines rechteckigen Stabes

Im zweiten Versuchsteil werden rechteckige Stabe mit einer bekannten ausseren Kraft belastet und

die Auslenkung h = h(l) am Ende des Stabes gemessen.

Die Versuchsanordnung ist in Abb. 11.9 skizziert. Die Durchbiegung des Stabendes wird mit Hilfe

des Balkens gemessen, der an einem Ende mit dem zu messenden Stab verbunden ist und am ande-

ren Ende auf einer Mikrometerschraube aufliegt. Mit Hilfe der Mikrometerschraube wird der Balken

mit Hilfe der Wasserwaage in Horizontalstellung gebracht. Die an der Mikrometerschraube abgele-

sene Hohe ist dann gleich der Hohe des Stabendes und aus der Hohendifferenz bei verschiedenen

Belastungen ergibt sich die Durchbiegung des Stabendes bei Belastung.

Die aussere Kraft F0 wird erzeugt, indem Gewichte bekannter Masse m am Stabende angehangt

werden. Damit ist F0 = m · g und mit Gl. 11.19 und Gl. 11.14 folgt

h =12 g · l3

3E · b · d3·m (11.23)

Die Gewichte werden fur jeden Stab so gewahlt, dass die Durchbiegung nicht zu gross wird und die

Deformation im linearen Bereich bleibt.

Die relevanten Parameter der fur den Versuch zur Verfugung stehenden Stabe sind in Tabelle 11.2

zusammengefasst. Anhand dieser Stabe sollen

- der Elastizitatsmodul E von Stahl, Aluminium, und Messing bestimmt werden (Stabe 3, 6

und 7),

- die l3-Abhangigkeit der Auslenkung verifiziert werden (Stabe 1 und 2), und

- verschiedene Leiterquerschnitte mit annahernd gleicher Querschnittsflache miteinander ver-

glichen werden (Stabe 2, 3, 4 und 5).

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11.3. EXPERIMENTELLER TEIL 103

Fur alle Messungen gilt:

• Uberprufen Sie die Dimensionen aller Stabe mit einem Mikrometer.

• Messen Sie nach dem Einspannen jedes Stabes die Lange l von der Einspannstelle bis zum

Stabende

• Benutzen Sie fur Ihre Rechnungen die gemessenen Parameter, nicht die in Tabelle 11.1 ange-

gebenen.

Bestimmung des Elastizitatsmoduls von Stahl, Aluminium und Messing

• Spannen Sie zunachst den Stahl-Stab (3) in die Vorrichtung ein und messen Sie die Hohe des

Stabendes ohne aussere Kraft.

• Belasten Sie den Stab nacheinander mit Gewichten der Masse 0.5 kg, 1.0 kg, 1.5 kg und 2.0 kg.

Messen Sie jeweils die Hohe des Stabendes und berechnen Sie die Durchbiegung h am Stabende

aufgrund der ausseren Kraft.

• Tragen Sie h als Funktion von m auf. Legen Sie die beste Gerade durch die Messpunkte und

bestimmen Sie E aus deren Steigung. Schatzen Sie den Fehler auf E ab.

• Wiederholen Sie den Versuch mit dem Aluminium-Stab (6), wobei Sie Gewichte der Masse

0.25 kg, 0.5 kg, 0.75 kg, 1.0 kg und 1.25 kg verwenden.

• Wiederholen Sie die Messung mit dem Messing-Stab (7), wobei Sie Gewichte der Masse

0.25 kg, 0.5 kg, 0.75 kg, 1.0 kg, 1.25 kg und 1.5 kg verwenden.

Uberprufen der l3-Abhangigkeit der Durchbiegung

• Spannen Sie zunachst den kurzeren Stahl-Stab (1) ein und messen Sie die Hohe des Stabendes

ohne aussere Kraft.

• Belasten Sie den Stab mit einem Gewicht der Masse 1.0 kg und messen Sie die Durchbiegung

h am Ende des Stabes.

Tabelle 11.2: Rechteckige Stabe fur die Biegungsversuche

Stab Material Lange [mm] Breite [mm] Hohe [mm] Wandstarke [mm]

1 Stahl 250 8 6 -

2 Stahl 350 8 6 -

3 Stahl 350 6 8 -

4 Stahl 300 16 4 -

5 Stahl 300 15 10 1.5

6 Aluminium 350 6 8 -

7 Messing 350 6 8 -

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104 11. Torsion und Biegung eines Stabes

• Wiederholen Sie den Versuch fur den langeren Stahl-Stab (2). Verwenden Sie dabei die gleiche

Masse wie fur Stab (1).

• Vergleichen Sie die Durchbiegung der beiden Stabe und verifizieren Sie, dass bei gleicher

Belastungh2h1

=l32l31

(11.24)

Abhangigkeit der Durchbiegung vom Flachentragheitsmoment

• Spannen Sie zunachst den flachen Stahl-Stab (2) ein und messen Sie die Hohe des Stabendes

ohne aussere Kraft.

• Belasten Sie den Stab mit einem Gewicht der Masse 1.5 kg und messen Sie die Durchbiegung

h am Ende des Stabes.

• Wiederholen Sie den Versuch fur die Stabe (3), (4) und (5). Verwenden Sie dabei die gleiche

Masse wie fur Stab (2).

• Berechnen Sie die Flachentragheitsmomente der vier Stabe nach Gl. 11.14 (uberlegen Sie

sich selbst, wie das Flachentragheitsmoment eines rechteckigen Hohlprofils in Analogie zu

Gl. 11.14 bestimmt werden kann) und verifizieren Sie, dass bei gleicher Belastung

hihj

=Iz,jIz,i

(11.25)

• Berechnen Sie die Querschnittsflachen der vier Stabe und diskutieren Sie das Verhaltnis von

eingesetzter Materialmenge zu erreichter Stabilitat.

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Teil III

Fehlerrechnung

105

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Fehlerrechnung und Statistik

Einleitung

Die exakte Messung einer physikalischen Grosse ist nicht moglich. Jede Messung weist Fehler auf,

die systematisch oder zufallig sind. Das Ergebnis der Messung muss deshalb ausser dem Messwert

eine Angabe uber den Messfehler enthalten. Die Bestimmung des Messfehlers ist die Aufgabe der

Fehlerrechnung.

Systematische Fehler sind vermeidbar, zufallige hingegen nicht. Die zufalligen Fehler werden nach

Regeln aus der Statistik behandelt und erlauben daher eine einheitliche Interpretation.

Unsere kurze Anleitung1 zur Fehlerrechnung wird diese Regeln fur einfache Falle darlegen. Zuvor

aber sollen die Eigenschaften von Fehlern und einige Begriffe aus der Statistik besprochen werden.

Beobachtungsfehler

Zwei Arten von Beobachtungsfehlern werden unterschieden: die systematischen und die zufalligen.

Systematische Fehler treten auf, wenn storende Einflusse unberucksichtigt oder unerkannt blei-

ben, die das Ergebnis immer in der gleichen Richtung verfalschen. Das Wiederholen derselben

Messung eliminiert solche Fehler nicht.

Beispiele:

• Bei einer Messung mit dem Mikrometer wird das Objekt zusammengedruckt.

• Bei einzelnen Menschen beschleunigt das Fuhlen des Pulses jedesmal den Herzschlag.

• Ein Instrument ist falsch geeicht.

Oft konnen solche Fehler durch eingehende Prufung des Messvorganges, eventuell durch Vergleich

mit einer andern Messmethode gefunden werden. Der Experimentator versucht, systematische Feh-

ler zu vermeiden oder aber ihre Ursache zu erfassen und ihre Auswirkung auf das Messergebnis

1Wichtige Teile dieser Anleitung stutzen sich auf Vorlesungen, die Prof. B. L. van der Warden an der Universitat

Zurich gehalten hat, und auf sein Buch: Mathematische Statistik, Springer 1965. Ausserdem verweisen wir auf die

Skripten zur Vorlesung von Prof. H. H. Storrer: Einfuhrung in die mathematische Behandlung der Naturwissenschaf-

ten.

107

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108

rechnerisch zu korrigieren. Zufallige Fehler lassen sich nicht vermeiden. Erfahrungsgemass ergeben

wiederholte Messungen derselben physikalischen Grosse nicht immer den gleichen Wert. Die Diffe-

renz des nachfolgenden zum vorangehenden Messwert fallt unregelmassig aus, einmal positiv, dann

wieder negativ. Auch ihr Betrag wechselt innerhalb gewisser Grenzen ganz zufallig. Zur Schatzung

der Grosse zufalliger Fehler sind viele Messwerte notig, die zum Beispiel durch Wiederholen der

Messung unter gleichen Bedingungen gewonnen werden.

Hat die Messgrosse einen festen Wert, so streuen beim Wiederholen die Ergebnisse um einen

mittleren Wert, der dem wahren Wert im allgemeinen umso naher kommt, je mehr Messungen

vorliegen. Die Verteilung der Ergebnisse um den mittleren Wert erlaubt die Schatzung des Fehlers.

Streut dagegen die Messgrosse selber um einen mittleren Wert, so gilt das Hauptinteresse

der Verteilung. Der mittlere Wert und ein Mass fur die Streuung sind ihre wichtigsten Kennzei-

chen. Misst man zum Beispiel die Hohe von je 50 Fichten bestimmten Alters an verschiedenen

Standorten, so ergibt sich fur jeden Standort eine Verteilung um die mittlere Hohe. Der Vergleich

dieser Verteilungen dient etwa zur Klarung der Frage, ob und wie sich die Hohen an verschiedenen

Standorten unterscheiden. In diesem Fall sind die Messfehler ganz unbedeutend im Vergleich zu

den Hohenunterschieden von Baum zu Baum. Wird dagegen derselbe Baum 50 mal gemessen, so

ergibt sich eine ganz anders geartete Verteilung, die durch das Messverfahren beeinflusst ist.

Um uberhaupt eine Verteilung der Messwerte feststellen zu konnen, muss in beiden Fallen die

Messeinrichtung ausreichend empfindlich sein. Andernfalls ergibt sich bei jeder Wiederholung

derselbe Zahlenwert auf einer wie auch immer gearteten Anzeige. Die Messeinrichtung ist dann zu

grob, um die Streuung der Messwerte zu erfassen. Der Messfehler lasst sich nicht nach den Regeln

der Statistik bestimmen. Er muss geschatzt werden. Er ist von der Grossenordnung des minimalen

Anzeigeintervalls.

Im folgenden besprechen wir ausschliesslich die Fehler einer Messgrosse mit festem Wert. Dabei neh-

men wir an, dass keine systematischen Fehler vorliegen und dass die Messeinrichtung so empfindlich

sei, dass die zufalligen Fehler beobachtet werden konnen.

Statistische Beschreibung von Verteilungen

Haufigkeit und Wahrscheinlichkeit

Wenn beim Wurfeln in 100 Wurfen 17-mal die 3 erscheint, so ist die Haufigkeit 17/100 oder 17%.

Die Haufigkeit hi eines Ereignisses i ist die Anzahl ki jener Falle, in denen es eingetreten ist,

dividiert durch die Gesamtzahl n der Falle:

hi =kin

(11.26)

Die Haufigkeit unterliegt zufalligen Schwankungen. Bei 100 andern Wurfen erscheint die drei viel-

leicht 15 oder 18 mal. Unter diesem Gesichtspunkt bezeichnet man eine Serie von n Wurfen als

Stichprobe. Die Haufigkeit schwankt unter gleichbleibenden Umstanden um einen Durchschnitts-

wert. Diesen nennt man die Wahrscheinlichkeit pi des Ereignisses. Sie hangt nicht vom Zufall ab.

Wenn die Versuchszahl klein ist, sind betrachtliche Schwankungen der Haufigkeit zu erwarten. Ist

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109

sie aber gross, so wird hi meistens nahe bei pi liegen. Fur die Grossenordnung σ der zu erwartenden

Abweichungen |hi − pi| berechnet man in der Statistik:

σi =

√pi (1− pi)

n(11.27)

Abweichungen grosser als 2σ kommen nur selten vor, grossere als 3σ fast nie.

Mit zunehmendem n bildet die Haufigkeit ein immer genaueres Mass fur die Wahrscheinlichkeit. Auf

diesem Gesetz der grossen Zahl beruht die prinzipielle Moglichkeit, Wahrscheinlichkeiten statistisch

zu erfassen. Die Auswahl der Falle muss aber rein durch Zufall bedingt sein. Man darf die Statistik

nicht falschen. Auch mussen die einzelnen Falle voneinander unabhangig sein. Der Ausgang des

zehnten Versuches darf nicht von dem der ersten neun abhangen.

Beim Wurfelspiel ist 3 nicht die einzige Augenzahl, die erscheinen kann. Im Gegenteil: von einem

guten Wurfel wird erwartet dass jede der sechs Augenzahlen mit der gleichen Wahrscheinlichkeit

von einem Sechstel vorkommt. Die Verteilung der Wahrscheinlichkeit auf die betreffenden Augen-

zahlen besteht aus sechs gleichen Werten. Fur die Haufigkeit gilt das nur naherungsweise wegen der

zufalligen Schwankungen. Tabelle 11.3 zeigt den Ausgang fur drei verschieden grosse Stichproben.

Augenzahl Stichprobe 1 Stichprobe 2 Stichprobe 3

i 102 Wurfe hi 104 Wurfe hi 106 Wurfe hi

1 14 0.14 1666 0.1666 167009 0.167009

2 16 0.16 1644 0.1644 166059 0.166059

3 15 0.15 1673 0.1673 166373 0.166373

4 21 0.21 1697 0.1697 166480 0.166480

5 16 0.16 1676 0.1676 167533 0.167533

6 18 0.18 1644 0.1644 166546 0.166546

σ 4 · 10−2 4 · 10−3 4 · 10−4

Tabelle 11.3: Beispiele fur die Resultate von drei Stichproben beim Wurfelspiel.

In einem sogenannten Histogramm (Abbildung 11.10) ist die erste Stichprobe dargestellt. Fur jede

Augenzahl i ist darin die Haufigkeit hi als Rechteckflache dargestellt. Alle Rechtecke zusammen

haben die Flache:6∑i=1

hi = 1 (11.28)

Das bedeutet, dass bei jedem Wurf mit Sicherheit irgend eine der sechs Augenzahlen erscheint.

Die Wahrscheinlichkeitsverteilung im Wurfelspiel heisst diskret, weil die Zufallsgrosse (die Au-

genzahl) nur eine endliche Anzahl bestimmter Werte annimmt. Im andern Extremfall heisst die

Verteilung kontinuierlich. Dann existiert eine Funktion f(x), die sog. Wahrscheinlichkeitsdichte,

mit der Eigenschaft, dass f(x)dx die Wahrscheinlichkeit dafur angibt, dass die Zufallsgrosse Werte

zwischen x und x+dx annimmt. Da x sicher irgendeinen Wert annimmt, ist die Wahrscheinlichkeit

dafur gleich 1. Also gilt: ∫ +∞

−∞f(x) · dx = 1 (11.29)

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110

iP

0.2

0.166

ih

0.1

Augenzahl i1 2 3 4 5 6 x

i

a

P

b

f(x)

1/(b-a)

f(x) = 1/(b-a) falls a<x<b f(x) = 0 sonst

Abbildung 11.10: Histogramm mit den

Haufigkeiten zum Resultat der ersten Stich-

probe aus Tabelle 11.3 beim Wurfelspiel.

Abbildung 11.11: Wahrscheinlichkeitsdichte

einer uniformen Verteilung.

Als Beispiel kann die Verteilung fur eine Zufallsgrosse dienen, fur die zwischen den Grenzen a und

b alle Werte gleich wahrscheinlich sind (Abbildung 11.11).

Liegt eine Reihe von Messergebnissen vor, so kann der ganze Wertebereich in Intervalle unterteilt

werden (siehe das Beispiel im Abschnitt III). Nun lasst sich fur jedes einzelne Intervall angeben,

wie oft ein Messwert in das betreffende Intervall fallt. Dafur kann man die Haufigkeit berechnen.

Diese Haufigkeiten hangen wieder von der Stichprobe ab. Ist sie sehr gross, so gleichen sich die

zufalligen Schwankungen aus und die Haufigkeiten werden naherungsweise gleich den Wahrschein-

lichkeiten. Das sieht man auch, wenn man die Werte aus Tabelle 11.3 der 3 Stichproben vergleicht.

Der Messvorgang legt die Verteilung der Wahrscheinlichkeiten fest. Diese ist meistens unbekannt

und muss daher aus der Verteilung der Haufigkeiten in einer Stichprobe geschatzt werden. Eine

solche Schatzung fallt mehr oder weniger genau aus, da jede Stichprobe zwangslaufig begrenzt ist

(verfugbare Zeit, Auswahl, Kosten,. . .). In diesem Sinne entzieht sich die Wahrscheinlichkeit der

exakten Beobachtung.

Erwartungswert, Varianz, Standardabweichung

Die Statistik definiert als wichtigste Merkmale einer Verteilung der Zufallsgrosse x den Erwar-

tungswert x und die Varianz σ2 mit Hilfe der Wahrscheinlichkeit, mit der die Zufallsgrosse einen

bestimmten Wert annimmt.

Ist die Verteilung diskret, und nimmt die Zufallsgrosse x die Werte x1, x2, . . . , xm mit den Wahr-

scheinlichkeiten p1, p2, . . . , pm an, so wird definiert:

Erwartungswert: x =

m∑k=1

xk · pk (11.30)

Varianz: σ2 =m∑k=1

(xk − x)2 · pk (11.31)

Die Standardabweichung σ (die Quadratwurzel aus der Varianz) ist ein Mass fur die Streuung

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um x. Abweichungen |xk − x| grosser als 2σ kommen selten vor, grossere als 3σ fast nie. In der

Fehlertheorie nennt man die Abweichung (xk − x) den zufalligen Fehler.

Lineare Funktionen mehrerer Zufallsvariablen

Bei Anwendungen der Statistik in der Fehlerrechnung kommen Funktionen von Zufallsgrossen

haufig vor. Fur lineare Funktionen benutzen wir die folgenden Ergebnisse der Wahrscheinlich-

keitsrechnung.

Sind x und y zufallige Grossen, so ist es auch die Summe z = x + cy (c konstant). Fur den

Erwartungswert von z wird gezeigt:

z = x+ cy (11.32)

Fur die Varianz σ2z von z gilt

σ2z = σ2x + c2 · σ2y (11.33)

falls x und y voneinander unabhangig sind (das heisst: die Wahrscheinlichkeit dafur, dass im ge-

paarten Ereignis (x, y) die Grosse x den Wert xk annimmt, hangt nicht vom Wert yk ab, den die

Grosse y annimmt, und umgekehrt). Dabei bezeichnen σ2x und σ2y die Varianzen der Grossen x und

y.

Die Gleichungen (11.32) und (11.33) lassen sich auf mehr als zwei Zufallsgrossen verallgemeinern.

Als wichtiges Beispiel betrachten wir das arithmetische Mittel z von n unabhangigen Zufallsgrossen

x1, x2, . . . , xn:

z =1

n

n∑i=1

xi (11.34)

Haben alle Zufallsgrossen xi dieselbe Verteilung, also je den gleichen Erwartungszwert x und die

gleiche Varianz σ2, so folgt fur den Erwartungswert z und die Varianz σ2z des arithmetischen Mittels:

z =1

n

n∑i=1

xi =1

nnx = x (11.35)

σ2z =1

n2

n∑i=1

σ2i =1

n2nσ2 =

σ2

n(11.36)

Mittelwert und Fehler einer Stichprobe

Definitionen

Wird die physikalische Grosse x auf dieselbe Weise n mal gemessen, so entsteht eine Stichprobe von

Messwerten x1, x2, . . . , xn. Diese Werte streuen um den Erwartungswert x in einem Ausmass, das

durch σ erfasst ist. Da aber die Wahrscheinlichkeiten nicht bekannt sind, mussen diese mit Hilfe

der beobachteten Haufigkeiten geschatzt werden.

Anstelle des Erwartungswertes x ergibt sich der Mittelwert x

x =1

n

n∑i=1

xi (11.37)

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112

und statt der Standardabweichung σ der Fehler der Einzelmessung s

s =

√√√√ 1

n− 1

n∑i=1

(xi − x)2 (11.38)

Der Fehler m des Mittelwertes x betragt gemass Gleichung (11.36)

m =s√n

=

√√√√ 1

n(n− 1)

n∑i=1

(xi − x)2 (11.39)

Oft wird auch der relative Fehler r des Mittelwertes angegeben:

r =m

x(11.40)

Im Gegensatz zum relativen Fehler bezeichnen wir m auch als absoluten Fehler. Die Grossen x und

s hangen von der Stichprobe ab und sind somit zufallig. Fur hinreichend grosse Stichproben ist s

ein Mass fur die erwarteten Abweichungen |xi − x| einzelner Messwerte vom Erwartungswert, m

dagegen ein Mass fur die Abweichungen des Mittelwertes x vom Erwartungswert x.

Beispiel

Es werden 30 Messungen derselben Lange x mit derselben Sorgfalt und unter denselben Bedingun-

gen vorgenommen. Die Ablesegenauigkeit unseres Massstabes erlaube die Schatzung der Lange auf

0.1 cm genau.30∑i=1

xi = 465.130∑i=1

(xi − x)2 = 2.21 cm2

Die Summe uber die Abweichungen (xi− x) sollte 0 sein, ist aber 0.1 cm. Dieser Unterschied ergibt

sich aus den Rundungsfehlern.

Nach den Gleichungen (11.37) bis (11.40) wird:

x =1

n

n∑i=1

xi =1

30· 465.1 cm = 15.503 cm

s =

√√√√ 1

n− 1

n∑i=1

(xi − x)2 =

√1

29· 2.21 cm2 = 0.276 cm

m =s√n

= 0.050 cm

r =m

x=

0.050

15.503= 0.0032 = 0.3%

Das Ergebnis, der Mittelwert mit seinem Fehler, enthalt die Zahlenwerte in einer Genauigkeit, die

sich nach der Grosse des Fehlers richtet, und hat folgende Form:

x = (15.50± 0.05) cm

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xi (xi − x) (xi − x)2 xi (xi − x) ·(xi − x)2

(cm) (cm) (cm2) (cm) (cm) (cm2)

15.4 -0.10 0.0107 15.3 -0.20 0.0413

15.6 +0.10 0.0093 14.9 -0.60 0.3640

15.7 +0.20 0.0387 15.5 0.00 0.0000

15.8 +0.30 0.0880 15.5 0.00 0.0000

15.6 +0.10 0.0093 15.1 -0.40 0.1627

15.4 -0.10 0.0107 14.9 -0.60 0.3640

15.5 0.00 0.0000 15.5 0.00 0.0000

15.5 0.00 0.0000 16.0 +0.50 0.2467

15.9 +0.40 0.1573 15.5 0.00 0.0000

15.5 0.00 0.0000 15.3 -0.20 0.0413

15.8 +0.30 0.0880 15.2 -0.30 0.0920

16.1 +0.60 0.3560 15.4 -0.10 0.0107

15.3 -0.20 0.0413 15.7 +0.20 0.0387

15.6 +0.10 0.0093 15.6 +0.10 0.0093

15.4 -0.10 0.0107 15.6 +0.10 0.0093

465.1 0.10 2.2093

Tabelle 11.4: Beispiel fur die Resultate einer Langenmessung.

Histogramme

Das Histogramm in der Abbildung 11.12 zeigt anschaulich die Verteilung der Messwerte fur das

Beispiel aus Abschnitt III. Dazu wird die Abszisse in gleiche Intervalle der Lange ∆x (entsprechend

der Ablesegenauigkeit ist ∆x = 0.1 cm gewahlt) so unterteilt, dass die moglichen Ablesungen xkjeweils in der Mitte eines Intervalls liegen. Die Flache fk ·∆x ist gleich der Haufigkeit hk = nk/n,

wobei nk die Anzahl jener Ergebnisse xi bedeutet, die in das Intervall um xk fallen. Somit ist

fk =hk∆x

=nk

n ·∆x(11.41)

In Tabelle 11.5 sind die Werte von xk, nk, fk fur δx = 0.1 cm und das Beispiel aus Abschnitt III

aufgelistet.

Der Mittelwert x und der Fehler s der Einzelmessung lassen sich auch durch die Grossen xk und

fk ausdrucken:

x =1

n

∑k

xknk =∑k

xkfk ·∆x (11.42)

s2 =1

n− 1

∑k

(xk − x)2 · nk =n

n− 1

∑k

(xk − x)2 · fk ·∆x (11.43)

Der Index k durchlauft dabei die Intervalle, nicht die Messwerte.

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xk nk fk xk nk fk(cm) (cm−1) (cm) (cm−1)

14.8 0 0 15.6 5 1.67

14.9 2 0.67 15.7 2 0.67

15.0 0 0 15.8 2 0.67

15.1 1 0.33 15.9 1 0.33

15.2 1 0.33 16.0 1 0.33

15.3 3 1.0 16.1 1 0.33

15.4 4 1.33 16.2 0 0

15.5 7 2.33

Tabelle 11.5: Verteilung der Messwerte

0,5

1

if

x kx15.0 16.00

2

(cm)

(1/cm)

s s

1,5

-

Abbildung 11.12: Histogramm zu

den Resultaten einer Langenmes-

sung (Tabelle 11.5).

Die Normalverteilung

Im Beispiel hat sich fur die Stichprobe von 30 Messungen die empirische Haufigkeitsverteilung

(Histogramm in Abb. 11.12) der Messwerte ergeben. Empirische Verteilungen sind immer diskret,

ob es nun die zugrunde liegende Wahrscheinlichkeitsverteilung auch ist oder nicht. Die Erfahrung

zeigt, dass viele (nicht alle) empirisch gewonnenen Haufigkeitsverteilungen nicht zu unterscheiden

sind von solchen, denen eine einzige Wahrscheinlichkeitsverteilung zugrunde liegt: die sogenannte

Normalverteilung.

Zur Erklarung dieser Tatsache stellt C. F. Gauss die “Hypothese der Elementarfehler” auf. Da-

nach setzt sich der gesamte Beobachtungsfehler der Einzelmessung aus einer grossen Zahl von

unabhangigen kleinen Fehlern zusammen (zum Beispiel Schwankungen der Temperatur, mechani-

sche Erschutterungen). Die beobachtete Grosse ist dann normal verteilt (als Folge des zentralen

Grenzwertsatzes der Statistik). Die Normalverteilung ist eine kontinuierliche Verteilung mit der

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Wahrscheinlichkeitsdichte f(x):

f(x) =1

σ√

2πe−

(x−x)2

2σ2 (11.44)

Diese Funktion heisst Gauss’sche Fehlerfunktion und ist in Abbildung 11.13 abgebildet.

f(x)

x x0

s s^

Abbildung 11.13: Gausssche Fehler-

funktion.

Fur eine kontinuierliche Verteilung mit der Wahrscheinlichkeitsdichte f(x) lauten die Definitionen

fur den Erwartungswert und die Varianz:

Erwartungswert x =

∫ +∞

−∞xf(x)dx (11.45)

Varianz σ2 =

∫ +∞

−∞(x− x)2 f(x)dx (11.46)

Die Wurzel aus der Varianz σ wird auch Standardabweichung genannt. Eine wichtige Eigenschaft der

Normalverteilung ist die folgende: Sind x und y unabhangige und normal verteilte Zufallsgrossen,

so ist z = x+ y eine Zufallsgrosse, die wiederum normal verteilt ist. Das ist verstandlich, weil sich

der Beobachtungsfehler von z aus den vielen Elementarfehlern von x und von y zusammensetzt.

Fur den Erwartungswert z und die Varianz σ2z folgt aus den Gleichungen (11.32) und (11.33):

z = x± yσ2z = σ2x + σ2y (11.47)

Die Wahrscheinlichkeit, bei einer Messung von x einen Wert zwischen a und b zu erhalten ist

P (a, b) =

∫ b

af(x)dx (11.48)

In einer graphischen Darstellung von f(x) ist P (a, b) die von a und b begrenzte Flache unter der

Kurve. Die Grenzen der Flache P (x − σ, x + σ) sind in Abbildung 11.13 markiert. Tabelle 11.6

verzeichnet einige Werte von P (a, b), die fur die Normalverteilung wichtig sind.

Trifft die Hypothese der Elementarfehler zu und erhoht man die Anzahl der Messwerte, so nahert

sich die diskrete Haufigkeitsverteilung der Messreihe immer mehr jener, die bei gleicher Intervall-

grosse der Gauss’schen Fehlerfunktion entspricht. Gleichzeitig wird der Fehler der Einzelmessung s

ein immer zuverlassigeres Mass fur σ.

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P (−∞,+∞) = 100 % Die Wahrscheinlichkeit irgendeinen Wert zu messen ist 1

P (x− σ, x+ σ) = 68 % Innerhalb ± einer Standardabweichung

P (x− 2σ, x+ 2σ) = 95 % Innerhalb ± zwei Standardabweichungen (s. Abb. 11.13)

P (x− 3σ, x+ 3σ) = 99.7 % Innerhalb ± drei Standardabweichungen

P (x+ 3σ,+∞) = 0.13 % Messwerte grosser als x+ 3σ oder

kleiner als x− 3σ sind sehr unwahrscheinlich

Tabelle 11.6: Werte fur P (a, b) der Normalverteilung.

Aus P (x− σ, x+ σ) = 68% folgt dann umgekehrt auch fur die diskrete Messreihe, dass zirka 68%

der Messwerte zwischen x− s und x+ s liegen (Abb. 11.14).

0,5

1

if

x kx15.0 16.00

2

[cm]

[1/cm]

s s

1,5

Histogramm derLängenmessung

-

Abbildung 11.14: Vergleich von Ab-

bildung 11.12 mit Abbildung 11.13.

Vergleich verschiedener Messungen und gewichtete Mittel

Unabhangige Messungen

Eine physikalische Grosse sei mit zwei unabhangigen Methoden gemessen, mit den Ergebnissen

G1 = (x±mx) (11.49)

G2 = (y ±my) (11.50)

Meistens ist x etwas verschieden von y. Somit stellt sich die Frage: “Ist |x − y| eine zufallige

Differenz oder unterscheiden sich die Erwartungswerte wirklich ?” Das letztere konnte bedeuten,

dass mindestens eine der Messmethoden einen systematischen Fehler aufweist. Wir nehmen an,

dass die Mittelwerte x und y normale Verteilungen haben mit Varianzen µ2x und µ2y. Die Differenz

d = x − y hat dann eine Normalverteilung mit der Varianz σ2d = µ2x + µ2y. Unter der Annahme

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x = y sind demnach Differenzen |d| > 3σd sehr unwahrscheinlich. Kommt eine so grosse Differenz d

trotzdem vor, so wird man die Annahme x = y verwerfen und die Differenz als gesichert betrachten.

Zwei Schwierigkeiten sind mit dieser Uberlegung verknupft: Einerseits sind die Varianzen µ2x und

µ2y nicht genau bekannt, wohl aber die Fehler mx und my, von denen man annehmen muss, dass

sie aus hinreichend grossen Stichproben stammen. So mogen m2x und m2

y als Naherung fur µ2x und

µ2y dienen. Andererseits liegt die Grenze fur d nicht fest: soll man sie bei 2σd, 3σd oder erst bei 4σd

setzen? Ziehen wir die Grenze bei 3σd willkurlich, und bezeichnet sd =√m2x +m2

y die Schatzung

fur σd, so lautet die Antwort auf die ursprungliche Frage: Fallt |x − y| grosser als 3sd aus, so ist

die Annahme eher zu verwerfen, dass die Erwartungswerte x und y gleich seien. Andernfalls ist es

moglich, dass die Differenz zufallig ist und x = y gilt. Das bedeutet aber nicht, dass die Hypothese

x = y richtig sei. Diese Sachlage ist typisch fur die Prufung von Hypothesen (zum Beispiel durch

statistische Tests).

Der gewichtete Mittelwert und sein Fehler

Ist die physikalische Grosse y mehrmals mit unterschiedlicher Genauigkeit gemessen worden, so

konnen die Ergebnisse (yi±myi) durch gewichtete Mittelwertbildung zu einem Mittelwert mit Fehler

zusammengefasst werden. Dabei wird jedem Messwert ein Gewicht gi umgekehrt proportional zu

m2yi zugeordnet:

gi ∝1

m2yi

(11.51)

Folgende Formeln beschreiben das Verfahren:

gi =

(c

myi

)2

Gewicht (c > 0) frei wahlbar (11.52)

y =1

G

n∑i=1

giyi, G =n∑i=1

gi gewichteter Mittelwert (11.53)

my =c√G

Fehler des gewichteten Mittelwertes (11.54)

my ist immer kleiner als das kleinste my. Beim Rechnen kann c so gewahlt werden, dass die gipraktische Zahlenwerte haben.

Beispiel zum gewichteten Mittel

Gemessen wird die Brennweite einer dunnen Linse mit drei Methoden:

1. Durch Messen der Gegenstandsweite g und der Bildweite b: Aus der Abbildungsgleichung wird

f = gb/(g + b) berechnet. Das Fehlerfortpflanzungsgesetz (Abschnitt III) liefert den Fehler

mf aus den Fehlern von g und b, zum Beispiel f1 = (42.0± 0.5) cm.

2. Durch Messen der Gegenstandsweite g und der Vergrosserung m: f = mg/(m − l) mit dem

Ergebnis: f2 = (40.8± 0.3) cm.

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118

3. Direkte Messung der Brennweite durch Autokollimation: f3 = (41.1± 0.6) cm.

i fi mfi gi

1 42.0 0.5 4

2 40.8 0.3 11

3 41.1 0.6 3∑gi = 18

Tabelle 11.7: Messresultate fur die Brennweite einer Linse.

c = 1

f =

∑gifi∑gi

= 41.12 cm

mf =1√∑gi

= 0.24 cm

f = (41.1± 0.2) cm

Das Fehlerfortpflanzungsgesetz

Allgemeine Definitionen

Es kommt haufig vor, dass die physikalische Grosse u, die zu bestimmen ist, nicht direkt gemessen

wird. In solchen Fallen ist u eine bekannte Funktion u(x, y, z, . . .) mehrerer Variablen. Die Grossen

x, y, z, . . . sind direkt gemessen mit den Fehlern mx, my, mz etc. Neben u betrachten wir die

Funktion v(x, y, z, . . .)

v = u+ a (x− x) + b (y − y) + c (z − z) + . . . (11.55)

wobei

u = u (x, y, z, . . .) (11.56)

In einer kleinen Umgebung der Stelle (x, y, z, . . .) ist v eine brauchbare Naherung fur die Funktion

u. v ist eine Zufallsvariable, die aus der Summe der Zufallsvariablen x, y, z, . . . (zusammen mit

konstanten Faktoren a, b, c, . . .) gebildet ist. Sind diese unabhangig, so gilt als Verallgemeinerung

der Gleichungen (11.32) und (11.33):

v = u (11.57)

σ2v = a2σ2x + b2σ2y + c2σ2z + . . . (11.58)

In einer genugend grossen Stichprobe konnen die Erwartungswerte durch die Mittelwerte und die

Standardabweichungen durch die Fehler ersetzt werden:

v = u = u (x, y, z, . . .) (11.59)

mv = mu =√a2m2

x + b2m2y + c2m2

z + . . . (11.60)

Die Mathematik lehrt, dass die Konstanten a, b, c, . . . gleich den partiellen Ableitungen ∂u/∂x,

∂u/∂y, ∂u/∂z, . . . an der Stelle (x, y, z, . . .) sein mussen. Daraus folgt das Fehlerfortpflanzungsge-

setz:

mu =

√(∂u

∂xmx

)2

+

(∂u

∂ymy

)2

+

(∂u

∂zmz

)2

+ . . . (11.61)

Die partielle Ableitung ∂u/∂x gibt an, wie sich eine Anderung von x allein auf die Funktion

u(x, y, z, . . .) auswirkt. Sie wird als gewohnliche Ableitung von u nach x berechnet, wobei alle

Variablen ausser x konstant gehalten werden.

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Praktisches Rechnen mit dem Fehlerfortpflanzungsgesetz

Das Fehlerfortpflanzungsgesetz gemass Gleichung (11.61) bildet die Grundlage zur Berechnung der

Fehler von Funktionswerten. Seine Anwendung ist oft kompliziert. In vielen Fallen fuhren daraus

abgeleitete Regeln bequemer zum Ziel.

Vier einfache Beispiele und drei Regeln

Regel 1: Das Quadrat des Fehlers einer Summe (oder Differenz) ist die Quadratsumme der Fehler

der Summanden.

u(x, y) = x± yMittelwert: u = x± y

Fehler: m2u = m2

x +m2y (11.62)

Regel 2: Das Quadrat des relativen Fehlers eines Produktes (oder Quotienten) ist gleich der Qua-

dratsumme der relativen Fehler der Faktoren.

u(x, y, z) =xy

z

Mittelwert: u =xy

z

Fehler: m2u =

( yzmx

)2+( xzmy

)2+( xyz2mz

)2(11.63)

Der relative Fehler ru = mu/u ist gegeben durch:

r2u =(muz)

2

(xy)2=(mx

x

)2+

(my

y

)2

+(mz

z

)2r2u = r2x + r2y + r2z (11.64)

Regel 3: Der relative Fehler der Potenz xa ist das |a|-fache des relativen Fehlers von x. Oft ist die

Funktion u(x, y, z, . . .) bei naherem Betrachten die Summe von Produkten, deren Faktoren

allenfalls konstante Exponenten haben. In diesem Fall konnen die Fehler von Teil-Ausdrucken

mit den drei Regeln einfach berechnet werden. Bei Summen oder Differenzen rechnet man

mit absoluten Fehlern (m), bei Produkten, Quotienten oder Potenzen mit relativen Fehlern

(r).

u(x) = xa, a konstant

Mittelwert: u = (x)a

Fehler: mu =

√(a (x)a−1mx

)2ru =

mu

u= |a| · mx

x= |a|rx (11.65)

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Einfaches Beispiel:

u(x, y, z) = −az +x

y2= w(z) + v(x, y), a konstant

rv =

√r2x + (2ry)

2

mv = |v|rvmw = |a|mz

mu =√m2v +m2

w

Ein kompliziertes Beispiel

u(x, y, z) = ya sin(x) + ln z

Nach dem Fehlerfortpflanzungsgesetz ist:

m2ln z =

(mz

z

)2= r2z

m2sinx = (mx cos x)2

rsinx = | cotx|mx

Achtung: mx muss im Bogenmass eingesetzt werden!

rya = |a|ry

Der relative Fehler des ersten Summanden ist:

r1 =√r2ya + r2sinx =

√a2r2y + (cot xmx)2

mit dem absoluten Fehler

m1 = |ya sin x|r1

Der Fehler mu von u wird schliesslich (nach der Regel fur die Summe)

mu =√m2

1 +m2ln z

Dazu das Zahlenbeispiel:

a = 3 x = 7.6 ± 0.3 y = 4.74± 0.05 z = 153± 15

u = 14.085 + 5.030 = 19.115

mln z = 0.1 rya = 0.032

rsinx = 0.039 r1 =√

(0.032)2 + (0.039)2 = 0.05 → m1 = 0.70

mu =√

(0.7)2 + (0.l)2 = 0.71

u = (19.1± 0.7)

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121

Formelsammlung

Messungen gleicher Genauigkeit

Mittelwert gemass Gleichung (11.37)

x =1

n

n∑i=1

xi

Fehler des Mittelwerts (11.39)

m =

√√√√ 1

n(n− 1)

n∑i=1

(xi − x)2

Relativer Fehler (11.40)

r =m

x

Messungen unterschiedlicher Genauigkeit

Gewichteter Mittelwert gemass Gleichung (11.53)

y =1

G

n∑i=1

giyi

Gewichte (11.52)

gi =

(c

myi

)2

G ≡n∑i=1

gi c > 0

Fehler des gewichteten Mittelwerts (11.54)

my =c√G

Fehlerfortpflanzungsgesetz: Fehler von Funktionen

Funktion

u = u(x, y, z, . . . )

Mittelwert (11.60)

u = u(x, y, z, . . .)

Fehler des Mittelwerts (11.61)

mu =

√(∂u

∂xmx

)2

+

(∂u

∂ymy

)2

+

(∂u

∂zmz

)2

+ . . .

Es gilt speziell (11.62)

u = x± y ⇒ mu =√m2x +m2

y

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122

und auch (11.64)

u = xy, u =x

y ⇒ ru =

√r2x + r2y

sowie (11.65)

u = ya ⇒ ru = |a| · ry

Die Normalverteilung

Die Normalverteilung ist eine kontinuierliche Verteilung mit der Wahrscheinlichkeitsdichte f(x):

f(x) =1

σ√

2πe−

(x−x)2

2σ2 (11.66)

Diese Funktion heisst Gauss’sche Fehlerfunktion und ist in Abbildung 11.15 abgebildet.

f(x)

x x0

s s^

Abbildung 11.15: Gauss’sche Fehler-

funktion.

Fur eine kontinuierliche Verteilung mit der Wahrscheinlichkeitsdichte f(x) lauten die Definitionen

fur den Erwartungswert und die Varianz:

Erwartungswert x =

∫ +∞

−∞xf(x)dx (11.67)

Varianz σ2 =

∫ +∞

−∞(x− x)2 f(x)dx (11.68)

Die Wurzel aus der Varianz σ wird auch Standardabweichung genannt.

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Teil IV

Musterbericht

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Musterbericht

Allgemeines

• Der Versuchsbericht sollte kurz gehalten werden, aber das Notwendige enthalten. Er sollte

klar vermitteln was - wie gemessen wurden.

• Kapiteluberschriften helfen bei der sauberen Strukturierung des Berichtes und damit so-

wohl beim Schreiben als auch bei der Korrektur.

• Berichte, bei denen grosse bzw. essentielle Teile, wie Messwerte oder Fehlerrechnung fehlen,

werden direkt zuruckgewiesen! Grobe Mangel, die bei der Korrektur nicht behoben werden,

konnen zur Aberkennung des Versuchs fuhren.

• Bei Zahlenangaben verwenden Sie, soweit wie es moglich bzw. notig ist, Zehnerpotenzen

und geben Sie nur die notwendige Anzahl von Nachkommastellen an! Ein gutes Mass hierfur

ist die Grossenordnung des Messfehlers. Vergessen Sie nie die Einheiten! Also:

NICHT: W = 128364.456 ± 468 J,

sondern: W = 1.283× 105 ± 4.7× 102 J

oder: W = (1.283 ± 0.005)× 105 J

• Versuchsberichte, die mit dem Computer erstellt wurden, aber nur Stichworte enthalten

oder deren Graphen nicht vollstandig sind (keine Achsenbeschriftung, keine Einheiten, keine

Angaben zu den Steigungen oder Geraden usw.), werden nicht akzeptiert. Excel und ahnliche

Programme konnen zur Analyse der Daten verwendet werden, sind aber keine Textverarbei-

tungsprogramme!

Messprotokoll

Ohne ubersichtliches Messprotokoll kann kein Versuchsbericht erstellt werden. Jeder Studierende

muss bei jedem Experiment sein eigenes Protokoll anfertigen. Der Versuch gilt erst als durchgefuhrt,

wenn das Messprotokoll vom Assistenten auf Vollstandigkeit uberpruft worden und akzeptiert wor-

den ist. Stellen Sie daher wahrend des Versuches alle gemessenen Werte mit Einheiten ubersichtlich

in Tabellenform zusammen, wie in Teil (2) des folgenden Versuchsberichtes dargestellt. Notieren

Sie bei allen gemessenen Grossen die Messunsicherheiten, z.B. 1 m ±0.01 m.

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Versuchsbericht Teil 1: Einleitung

• Vergessen Sie Namen (e-Mail-Adressen) und Datum nicht! Weiterhin ist es hier nutzlich, den

Namen des/der Assistenten/tin anzufuhren.

• Geben Sie Seitenzahlen an und nummerieren Sie gegebenenfalls die Gleichungen und Formeln

durch, die Sie benutzen.

Namen: Niels Bohr, Albert Einstein 16.8.2001

Spezifische Warme fester Korper

In diesem Versuch werden die spezifischen Warmen von Kupfer und Aluminium gemessen und

mit den Literaturwerten verglichen.

Einleitung und Messmethode

Die spezifische Warme c (pro kg) ist die Proportionalitatskonstante zwischen der zugefuhrten

Warmemenge Q und der daraus resultierenden Temperaturanderung:

Q = c ·m ·∆T mit m = Masse des Korpers. (1)

Fur feste Korper gilt das Gesetz von Dulong-Petit fur die Warmekapazitat pro Mol:

cp ≈ cV = 3R, (2)

wobei R = 8.31 J/(K mol) die universelle Gaskonstante ist. ...

Aufbau:

Thermometer

Isolation

Probe

Wasser

Heiz-wicklung

Magnet

Magnetrührer

Cu-Gefäss

In einem moglichst gut isolierten Gefass mit kleiner Warmekapazitat W wird der Metallzylinder

im Wasserbad erwarmt. Aus der Stromquelle wird elektrische Energie zugefuhrt, ...

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Teil 2: Messprotokoll

• Stellen Sie die Messungen ubersichtlich dar.

• Geben Sie die Einheiten und die Messunsicherheiten an. Sie werden sich zuhause nicht mehr

daran erinnern konnen!

Messungen

Bestimmung von W :

Wasser mW = (296.4± 0.1)× 10−3 kg

Bestimmung von cCu:

Wasser mW = (114.4± 0.1)× 10−3 kg

Wasser mCu = 1.628± 0.005 kg

...

Strom I = 2.9± 0.05 A

Spannung U = 25.0± 0.5 V

usw.

Zeit (min/sec) Temperatur (C)

min sec TW TCu TAl

0 26.6 26.2 26.8

0 30 28.0 26.4 28.2

1 29.6 26.8 30.1

1 30 31.2 28.0 33.3

2 33.0 28.2 34.8

2 30 34.7 29.2 36.0

...

8 (*) 53.6 55.5 62.4

9 53.9 58.8 66.4

10 53.8 61.9 (*) 68.3

11 53.7 63.9. 67.8

12 53.6 (*) 66.7 67.6

usw.

Fehler auf Temperatur: ±0.1C

Messdauer: (Strom eingeschaltet)

W: 510± 1 s

Cu: 720± 1 s

Al: 600± 1 s

(*)=Strom wird abgeschaltet.

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Teil 3: Resultate

• Geben Sie die Resultate zusammen mit dem Fehler an, falls notwendig, in Exponentialschreib-

weise. Vergessen Sie nicht die Einheiten!

• Runden Sie das Ergebnis auf eine vernunftige Zahl von Stellen! Ublicherweise genugen etwa

2-3 Stellen in Exponentialschreibweise. Ein gutes Mass hierfur ist der Messfehler.

• Vergleichen Sie Ihre Resultate mit Literaturwerten, falls solche verfugbar sind.

• Fassen Sie Ihr Resultat in einem Schlusssatz zusammen.

Resultat

cCu = 24.8± 1.9 JK.mol

cAl = 24.2± 2.0 JK.mol

Theoretischer Wert nach Gleichung (2): c = 24.94 JK.mol

Literaturwerte:

Kupfer: cCu = 24.51 JK.mol

Aluminium: cAl = 24.18 JK.mol

Die gemessenen Werte stimmen gut mit den Literaturwerten uberein. Der theoretische Wert

erweist sich als gute Naherung.

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Teil 4: Graphische Darstellung

• Zeichen Sie die Achsen so gross wie moglich und nur uber den Wertebereich, uber den gemes-

sen wurde. Beschriften Sie die Achsen und geben Sie die Einheiten an.

• Tragen Sie die Daten mit Symbolen ein; verbinden Sie nicht die Punkte durch Linien! Ver-

wenden Sie fur verschiedene Kurven im gleichen Graphen verschiedene Symbole oder Farben.

• Geben Sie bei jedem Punkt durch Balken die Fehler der Messwerte an, ausser wenn die Balken

zu klein waren, um sie darzustellen. In letzterem Fall machen Sie eine Anmerkung und geben

Sie einen Zahlenwert an.

• Je nach Aufgabenstellung berechnen Sie die Steigung mithilfe eines moglichst grossen Stei-

gungsdreieckes sowie die Steigungen der steilsten und flachsten Geraden, die noch mit den

Punkten vereinbar sind (Fehler auf der Steigung).

Graphische Darstellung

70

60

50

40

30

20

Tem

pera

tur

(°C

)

20151050Zeit (min)

Bestimmung von W Kupfer Aluminium

ΔT = 42.9° = 42.9 K

Δt = 720 s

Anmerkung: Die Fehlerbalken wurden weggelassen, da man sie in dieser Graphik nicht darstellen

kann (±0.1C bzw. ±1 s).

Berechnung der Steigung fur Kupfer:

Steigung α =∆T

∆t=

42.9 K

720 s= 5.96× 10−2 K/s.

usw.

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Teil 5: Auswertung

• Notieren Sie bei der Auswertung auch alle Zwischenschritte – dies hilft Ihnen (und dem

Assistenten) bei der Kontrolle und bei der Fehlersuche.

• Schreiben Sie der Ubersichtlichkeit halber alle Messwerte mit Einheiten sauber zusammen.

Kontrollieren Sie die Einheiten der Resultate.

• Tipps: Schatzen Sie die Grossenordnung der Resultate im Kopf vorher ab und rechnen Sie

alle Resultate routinemassig ein zweites Mal nach.

Auswertung

Berechnung von W :

W =Q

∆TW−mW · cW

Q = U · I ·∆t = 2.9 A · 25 V · 510 s = 3.7× 104 J

∆TW = 27.5 K

mW = 0.296 kg

cW = 4.182× 103 J/(kg.K)

W =3.7× 104 J

27.5 K− 0.296 kg · 4.182× 103 (kg.K) = 108 J/K.

Berechnung der spezifischen Warme von Kupfer cCu:

c =

(Q

∆TCu−mW cW −W

)· 1

nCumit

Q

∆TCu=

U · I ·∆t∆TCu

=U · Iα

wobei α=Steigung = 5.96× 10−2 K/s

mW · cW = 0.114 · 4.182× 103 J/K = 477 J/K

nCu =mCu

MCu=

1.63 kg

0.064 kg/mol

woraus folgt: cCu =(

25·2.95.96×10−2 − 477− 108

)J/(kg.K) · 0.019 kg/mol = 24.8 J/(mol.K).

usw.

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Teil 6: Fehlerrechnung

• Stellen Sie hier noch einmal alle relevanten Werte zusammen - das erspart viel Zeit.

• Stellen Sie die Formeln zusammen und geben Sie alle verwendeten partiellen Ableitungen an!

• Schatzen Sie am Anfang bereits ab, welche Beitrage Sie gegebenenfalls vernachlassigen konnen.

Streichen Sie vernachlassigte Beitrage zum Fehler deutlich durch und begrunden Sie dies mit

Zahlenwerten.

• Ein Tipp: Haufig lassen sich relative Fehler r einfacher bestimmen als absolute Fehler m

(besonders bei Multiplikationen).

Fehlerrechnung

(hier am Beispiel fur Kupfer)

c =

U · Iα︸ ︷︷ ︸A

−mW cW︸ ︷︷ ︸B

−W

· 1

nCu

mit nCu = Masse/Molmasse von Kupfer: rn = 0.21628.2 ≈ 10−4 vernachlassigbar.

Es gilt:

mc =

√(∂c

∂A

)2

m2A +

(∂c

∂B

)2

m2B +

(∂c

∂W

)2

m2W =

1

nCu

√m2A +m2

B +m2W

da fur die partiellen Ableitungen nach A, B und W gilt:

∂c

∂A=

∣∣∣∣ ∂c∂B∣∣∣∣ =

∣∣∣∣ ∂c∂W∣∣∣∣ =

1

nCu.

Fur die Fehler auf A, B und W gilt:

rA =√r2U + r2I + r2α =

√(0.5

25

)2

+

(0.05

2.9

)2

+

(0.03× 10−2

5.96× 10−2

)2

= 2.6× 10−2

mA = A · rA =25 · 2.9

5.96× 10−2J/K · 2.6× 10−2 = 31.6 J/K

... u.s.w.

→ mc = 1.9 J/(K.mol).

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Teil V

Einheiten und Konstanten

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Einheiten und Konstanten

SI-Einheiten

Fur Grundgrossen und abgeleitete Grossen wurde an der 11. Generalkonferenz fur Mass und Ge-

wicht 1960 ein koharentes Einheitssystem, das Systeme International d’Unites (SI), fur den all-

gemeinen Gebrauch empfohlen. Das SI ersetzt alle fruheren Masssysteme, wie das cgs- (cm g s),

das mks- (m kg s), oder das technische Masssystem. Aufgrund technischer Schwierigkeiten bei der

Realisierung der Einheitsnormale sollen in 2018 neue Konventionen eingefuhrt werden: neu werden

nicht mehr die Einheiten vorgegeben und die Naturkonstanten mit Unsicherheiten gemessen son-

dern die Naturkonstanten als exakt gesetzt und daraus die Einheiten abgeleitet! Unten sind beide

Varianten angegeben.

Zeit

1 Sekunde (s) ist die Zeitdauer von 9 192 631 770 Schwingungen des Ubergangs zwischen den

beiden Hyperfeinstrukturniveaus im Grundzustand des 133Cs Atoms.

Lange

1 Meter (m) ist die Lange der Strecke, die das Licht im Vakuum wahrend der Dauer von

1/299 792 458 s zurucklegt. Veraltet: Urmeter (sollte 1/40 000 000 des Meridians durch Paris sein),

1 m = 1 650 763.73 Wellenlangen des roten Lichtes, das von 86Kr bei einem bestimmten Ubergang

emittiert wird.

Masse

Bisher: 1 Kilogramm (kg) ist bisher die Masse des aus Pt-Ir bestehenden Urkilogramms, das im

Bureau International des Poids et Mesures in Sevres aufbewahrt wird. Neue Konvention: Die Ein-

heit Kilogramm soll neu uber das Joule und die Planck’sche Konstante h = 6.626 069 57× 10−34 Js

(exakt) mit den Einheiten Meter und Sekunde verknupft werden (Stichwort: Wattwaage).

Elektrische Stromstarke

Bisher: 1 Ampere (A) ist die Starke eines Stromes, der durch zwei im Vakuum im Abstand von

1 m parallel verlaufende, geradlinige, unendlich lange Leiter von vernachlassigbarem Durchmesser,

fliessend, eine gegenseitige Kraft von 2× 10−7 Newton pro Meter Lange hervorruft. Neu: Die Ein-

heit Ampere wird uber die Elementarladung e = 1.602 176 565× 10−19 C (exakt) mit der Sekunde

verknupft.

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Temperatur

Bisher: 1 Kelvin (K) ist der Bruchteil 1/273.16 der thermodynamischen Temperatur des Tripel-

punktes von Wasser. Die Celsiusskala ist definiert durch: t(C) = t(K) - 273.15 K. Schmelzpunkt

und Siedepunkt des Wassers unter Normalbedingungen liegen nur ungefahr bei 0 respektive 100C.

Der absolute Nullpunkt ist per Definition 0 K. Neu: Die Einheit Kelvin wird uber die Boltzmann-

Konstante kB = 1.380 648 8 × 10−23 J/K (exakt) mittels der Einheiten Kilogramm, Meter und

Sekunde definiert.

Quantitat der Materie

Bisher: 1 Mol (mol) ist die Menge eines Stoffes, die gleich viele Teilchen besitzt, wie Atome in

12 g des Kohlenstoffisotops 12C enthalten sind:

NA =12.000 g/mol

Masse eines Atoms 12C= Avogadro’sche oder Loschmidt’sche Zahl.

Neu wird die Avogadro-Konstante als exakt gesetzt: NA = 6.022 141 29× 1023 mol−1.

Lichtstarke

Bisher: 1 Candela (cd) ist die Lichtstarke (Intensitat I = dΦ/dΩ), mit der 1/60 cm2 Oberflache

eines schwarzen Strahlers bei der Temperatur des beim Druck von 1 atm erstarrenden Pt (2024.5

K) senkrecht zur Oberfache strahlt. Da schwarze Strahler bei hohen Temperaturen technisch schwer

zu realisieren sind, verbindet man neu die Candela mit den Basiseinheiten Sekunde, Kilogramm

und Meter: Die Candela ist die Lichtstarke einer monochromatischen Strahlungsquelle der Fre-

quenz 540 × 1012 Hz in einer bestimmten Richtung, wenn deren Strahlstarke in dieser Richtung

1/683 W/sr betragt.

Samtliche Dimensionen physikalischer Grossen lassen sich auf diese Grundgrossen zuruckfuhren.

Die Grundgrossen sind nicht alle fundamentale Basisgrossen, z.B. wird die Kelvinskala nur ein-

gefuhrt, weil der Zusammenhang zwischen Temperatur und Energie experimentell nur schlecht

bestimmbar ist. Fur die Physik genugen die vier Basisgrossen m, kg, s und A.

Vorsilben der Dezimalteilung von Einheiten

Vorsilbe Abk. Faktor Vorsilbe Abk. Faktor spezielles

Exa E 1018 Dezi d 10−1 nur dl, dm

Peta P 1015 Zenti c 10−2 nur cm

Tera T 1012 Milli m 10−3

Giga G 109 Mikro µ 10−6

Mega M 106 Nano n 10−9

Kilo k 103 Piko p 10−12

Hekto h 102 Femto f 10−15 1 fm=1 Fermi

Deka d 101 Atto a 10−18

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Von den SI-Einheiten abgeleitete Einheiten z.T. mit speziellen Namen

In Klammern: i.a. benutzte Bezeichnungen der Grossen.

ebener Winkel Radiant = rad = m m−1

Raumwinkel (Ω) Steradiant = sr = m2 m−2

Frequenz (ν) Hertz = Hz = s−1

Geschwindigkeit (−→v ) = m s−1

Impuls (−→p ) = kg m s−1 = Ns

Kraft (−→F ) Newton = N = m kg s−2

Druck (p) Pascal = Pa = m−1 kg s−2 = N/m2

Energie,Arbeit (E,W ) Joule = J = m2 kg s−2 = Nm

Leistung (P ) Watt = W = m2 kg s−3 = J/s

Drehimpuls (−→L ) = kg m 2 s−1

Drehmoment (−→M) = kg m 2 s−2 = Nm

Tragheitmoment (I) = kg m2

Warmemenge (Q) Joule = J = m2 kg s−2 = Nm

Entropie (S) = J/K

el. Ladung (q,Q) Coulomb = C = As

elektrische Feldstarke (−→E ) = V/m

dielektrische Verschiebung (−→D) = Cb/m2

el. Stromdichte (−→j ) = A/m2

el. Spannung, Potential (V ) Volt = V = m2 kg s−3 A−1 = J/C

el. Kapazitat (C) Farad = F = m−2 kg−1 s4 A2 = C/V

el. Widerstand (R) Ohm = Ω = m2 kg s−3 A−2 = V/A

el. Leitfahigkeit (σ) Siemens = S = m−2 kg−1 s3 A2 = A/V

Induktionsfluss (Φ) Weber = Wb = m2 kg s−2 A−1 = V s

magn. Induktion (−→B ) Tesla = T = kg s−2 A−1 = Wb/m2

magnetische Feldstarke (−→H ) = A/m

Induktivitat (L) Henry = H = m2 kg s−2 A−2 = Vs/A

Lichtstrom Lumen = lm = cd sr

Beleuchtungsstarke Lux = lx = lm m−2

Radioaktivitat Bequerel = Bq = s−1

absorbierte Strahlungsdosis Gray = Gy = m2 s−2 = J/kg

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Weitere (teilweise veraltete) Einheiten

Grosse (Symbol) SI Einheit

Lange (l) 1 m 1 Parsec = 1 pc = 3.085 72 ×1016 m

1 Lichtjahr = 1 ly = 9.460 530 ×1015 m

1 astr. Einheit = 1 AE = 1.496 00 ×1011m

1 inch = 1 in. = 2.54 cm (exakt)

1 yard = 1 yd. = 3 feet = 3 ft.= 36 in.

1 Seemeile = 10 Kabel = 1000 Faden = 1852 m

1 mile = 1 mi. = 1760 yd. = 1.609 344 km

1 Angstrom = 1 A = 10−10 m

1 Fermi = 1 fm = 10−15 m

Fache (A) 1 m2 1 Are = 1 a = 102 m2

1 Barn = 1 b = 10−28 m2

Volumen (V ) 1 m3 1 Liter = 1 l = 10−3 m3

1 Gallone (US) = 4 Quarts = 8 Pints = 3.785 4 l

1 Gallone (GB) = 4 Quarts = 8 Pints = 4.545 9631 l

Zeit (t) 1 s 1 d = 24 h = 86400 s

1 Jahr = 1 y = 3.155 69 ×107 s ≈ π × 107 s

Frequenz ν 1 Hz 1 cycle per second = 1 cps = 1 Hz

1 revolution per minute = 1 rpm = 1/60 Hz

Geschwindig. (v) 1 m/s 1 km/h = 1/3.6 m/s

1 Knoten = 1 Seemeile/h

1 mile per hour = 1 mph = 1.609 344 km/h

Masse (m) 1 kg 1 techn. Masseneinh. = 1 TME = 1 kp m−1s2 = 9.806 65 kg

1 atomare Masseneinheit = 1 u = 1.660 5655(86) ×10−27kg

1 pound = 1 lb = 16 ounces = 16 oz. = 0.453 59237 kg

Kraft (F ) 1 N 1 dyn = 1 cm g s−2 = 10−5 N

1 Kilopond = 1 kp = 1 kg∗ = 9.806 65 N

Druck (p) 1 Pa 1 Bar = 1 b = 103 mb = 105 Pa

1 Atmosphare (phys.) = 1 atm = 1.013 25 ×105 Pa

1 Atm. (techn.) = 1 at = 1 kp/cm2 = 0.980 665 ×105Pa

1 Pound per sq. in. = 1 PSI = 6.894 76 ×103 Pa

1 Torr = 1/760 atm = 133.322 37 Pa = 1 mm Hg (0 C)

Arbeit (W ) 1 J 1 Erg = 1 erg = 10−7 J

Energie (E) 1 kWh = 3.6 ×106J

Warme(Q) 1 cal (thermoel.) = 4.184 J

1 cal (mittlere) = 4.186 97 J

1 cal (15 C) = 4.185 5 J

1 cal (IT) = 4.186 84 J

1 eV = 1.602 1892(46) ×10−19J

Leistung (P ) 1 W 1 Pferdestarke = 1 PS = 75 m kp/s = 735.498 75 W

1 horse power = 1 hp (mech.) = 550 ft lb/s = 745.692 27 W

1 hp (elektr.) = 746 W

Magn. Indukt. (B) 1 T 1 Gauss = 1 G = 10−4T

Magn. Feld (H) 1 A/m 1 Oersted = 103/4π A/m

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Einige physikalische Konstanten (Stand 1986)

Physikalische Grosse Symbol Wert(Fehler) Einheit Fehler

(ppm)

Lichtgeschwindigkeit c 2.997 924 58 × 108 m s−1 exakt

magn. Feldkonst., Induktionskonst. µ0 4π × 10−7 V s A−1 m−1 exakt

el. Feldkonst., Influenzkonst.=1/µ0c2 ε0 8.854 187 817 × 10−12 A s V−1 m−1 exakt

Gravitationskonstante G 6.672 59(85) × 10−11 m3 kg−1 s−2 128

Standardschwerebeschleunigung gn 9.806 65 m s−2 exakt

Fallbeschleunigung Zurich (452 m) gZ 9.806 52 m s−2

Plancksche Konstante h 6.626 075 5(40) × 10−34 J s 0.60

h/2π h 1.054 572 66(63) × 10−34 J s 0.60

Elementarladung e 1.602 177 33(49) × 10−19 A s = C 0.30

magnetische Flussquant, h/2e Φ0 2.067 834 61(61) × 10−15 V s = Wb 0.30

Feinstrukturkonstante, µ0ce2/2h α 7.297 353 08(33) × 10−3 0.045

Atomare Masseneinheit m(12C) u 1.660 540 2(10) × 10−27 kg 0.59

u 931.494 32(28) MeV/c2 0.30

Spezifische Ladung des Elektrons −e/me −1.758 819 62(53) × 1011 C kg−1 0.30

Elektronenmasse me 9.109 389 7(54) × 10−31 kg 0.59

me 5.485 799 03(13) × 10−4 u 0.023

me 0.510 999 06(15) MeV/c2 0.30

Myonenmasse mµ 1.883 532 7(11) × 10−28 kg 0.61

mµ 105.658 389(34) MeV/c2 0.32

mµ/me 206.768 262(30) 0.15

Protonenmasse mp 1.672 623 1(10) × 10−27 kg 0.59

mp 1.007 276 470(12) u 0.012

mp 938.272 31(28) MeV/c2 0.30

mp/me 1836.152 701(37) 0.020

Neutronenmasse mn 1.674 928 6(10) × 10−27 kg 0.59

mn 1.008 664 904(14) u 0.014

mn 939.565 63(28) MeV/c2 0.30

Rydberg-Energie, chR∞ ERy 13.605 698 1(41) eV 0.30

Bohrscher Radius, α/(4πR∞) a0 0.529 177 249(24) × 10−10 m 0.045

Compton Wellenlange, h/mec λe 2.426 310 58(22) × 10−12 m 0.089

klassischer Elektronenradius, α2a0 re 2.817 940 92(38) × 10−15 m 0.13

Avogadro (Loschmidt) Konstante N=L 6.022 136 7(36) × 1023 mol−1 0.59

Faraday-Konstante, Ne F 96 485.309(29) C mol−1 0.30

Molare Gaskonstante R 8.314 510(70) J K−1 mol−1 8.4

Boltzmann-Konstante, R/N k 1.380 659(12) × 10−23 J K−1 8.5

Molvolumen (273.15 K, 101325 Pa) VM 22.414 10(19) × 10−3 m3 mol−1 8.4

Wiensche Konstante, λmaxT b 2.897 756(24) × 10−3 m K 8.4

Stefan-Boltzmann-Konstante σ 5.670 51(19) × 10−8 W m−2 K−4 34

PHY112 - Praktikum zur Physik I - Herbstsemester 2018

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Teil VI

Testatzettel

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Testatzettel

PHY112 Praktikum I

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Hauptfach: Herbstsemester:

Durchfuhrung und Messprotokoll Bericht, Nachbesprechung, TestatVersuch

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