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Physikalisch-diätetische Therapie IN KLINIK UND PRAXIS 5. Jahrg., Heft 8, August 1964 8454 Schnaittenbach'Bay x + INTRADERMI-Salbe + INTRADERMI-Tropfen Inhaltsverzeichnis: Fritze: Körpereigene Abwehr . 248 Rundgespräch über das Thema „Körpereigene Abwehr" Fischer: Dermatologischer Bei- trag 251 Lampert: Fieber und Entzün- dungen 254 Frick: Pädiatrischer Beitrag . 255 Peter: Pharmakologischer Beitrag 256 Graf Wittgenstein: Psychoso- matischer Beitrag 257 Fritze: Schlußwort 258 Fellmann: Klinischer und so- zialer Aspekt stationärer Kur- heilverfahren bei rheumati- schen Erkrankungen in der Schweiz 258 Graudal: Stationäre Kurheil- verfahren in Dänemark . . . 263 Waghemaker: Stationäre Kur- heilverfahren in Frankreich . 265 Prof. Dr. Erwin Schliephake zum 70. Geburtstag . . . . 277 Anfragen aus dem Leserkreis 278 Phytotherapeutische Fortbil- dung 278 Referate 281 Titelliste 282 Aus deutschen Heilbädern . 283 Aus der WHO 283 Bewährte Therapeutika . . . II Voss: Der Auftrag zur Neural- therapie nach Huneke . . . IV Programm 6. Arbeitstagung d. Intern. Ges. f. Neuraltherapie V Programm Herbstkongreß des Zentralverbandes VI! Zaa- Medizinisch-Literarischer Verlag 2000 Hamburg 13 - Isestraße 115 Postfach 8049, Tel. 474434 Uelzen/Han Uelzen 4R7775E Phys.-diät. Ther.

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Physikalisch-diätetische Therapie

IN KLINIK UND PRAXIS

5. Jahrg., Heft 8, August 1964

8454 Schnaittenbach'Bay

x

+ INTRADERMI-Salbe + INTRADERMI-Tropfen

Inhaltsverzeichnis:

Fritze: Körpereigene Abwehr . 248Rundgespräch über das Thema„Körpereigene Abwehr"Fischer: Dermatologischer Bei-trag 251Lampert: Fieber und Entzün-dungen 254Frick: Pädiatrischer Beitrag . 255Peter: PharmakologischerBeitrag 256Graf Wittgenstein: Psychoso-matischer Beitrag 257Fritze: Schlußwort 258Fellmann: Klinischer und so-zialer Aspekt stationärer Kur-heilverfahren bei rheumati-schen Erkrankungen in derSchweiz 258Graudal: Stationäre Kurheil-verfahren in Dänemark . . . 263Waghemaker: Stationäre Kur-heilverfahren in Frankreich . 265Prof. Dr. Erwin Schliephakezum 70. Geburtstag . . . . 277Anfragen aus dem Leserkreis 278Phytotherapeutische Fortbil-dung 278Referate 281Titelliste 282Aus deutschen Heilbädern . 283Aus der W H O 283Bewährte Therapeutika . . . IIVoss: Der Auftrag zur Neural-therapie nach Huneke . . . IVProgramm 6. Arbeitstagung d.Intern. Ges. f. Neuraltherapie VProgramm Herbstkongreß desZentralverbandes VI!

Zaa-

Medizinisch-Literarischer Verlag

2000 Hamburg 13 - Isestraße 115Postfach 8049, Tel. 474434Uelzen/Han

Uelzen4R7775E

Phys.-diät. Ther.

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Bewährte Therapeutika

Carbo Königsfeld®

Hersteller: Chem.-pharmazeut. Fabrik Apotheker Carl Müller,Göppingen

Zusammensetzung: ca. 1 % Coffein; Vitamine Bi und D; Tri-goneliin; Histobasen; Chlorogen- und Kaffeesäuren;Phenole und Gerbstoffe.

Indikationen: Entzündungen und Infektionen der Mundhöhleund des Darmes: Stomatitis, Gingivitis, Paradentose,Tonsillitis, Enterokolitis.

Dosierung: Innerlich: Mehrmals täglich 1 Messerspitze bis1 gestr. Teelöffel, in Wasser verrührt oder trocken.Äußerlich: Mit Wattebausch oder Pulverbläser auf-stäuben.

Packungsgrößen und Preise: Packung mit ca. 20 g Pulver1,65 DM, Packung mit ca. 85 g Pulver 4,80 DM.

Digestivum Dr. Hetterich

Hersteller: Galenika Dr. Hetterich GmbH, Fürth/Bayern,Gebhardtstraße 5

Zusammensetzung: Plenocolat. Corduii benedicti comp. ausCarduus benedictus, Artemisia absinthium, Achilleamillefolium, Gentiana lutea, Archangelica officinalis,Rheum palmatum; Azulen.

Pharmakologie: Durch die mengenmäßige Abstimmung derKomponenten beruht die therapeutische Effekt von„Digestivum Dr. Hetterich" vorwiegend auf der mehr-fachen Wirkung dieser Bitterstoffe. Von lokalen An-griffspunkten aus wie auch reflektorisch steigern siedie Fermentsekretion der Magen-Darmschleimhaut undsämtlicher Anhangdrüsen (Pankreas, Leber-Galle-Sy-stem), auch der Mundspeicheldrüse. Insbesondere wirddie Gallesekretion gefördert. Gleichzeitig üben dieAmara eine leicht adstringierende Wirkung aus, dieschon deshalb von nicht zu unterschätzender Bedeu-tung ist, weil die Störungen der Sekretion sehr häufigmit Reizzuständen an Magen- und Darmschleimhauteinhergehen oder auch ursächlich im Zusammenhangmit diesen stehen. Auf andere Weise, doch in gleicherRichtung, wirkt das Azulen als vorzügliches Anti-phlogisticum entzündungshemmend und reparativ aufdie erkrankte Schleimhaut von Magen und Zwölf-fingerdarm. Rhabarber laxiert miid und zeigt einengünstigen Einfluß auf sekundäre Motilitätsstörungendes Darmes.

Indikationen: Dyspepsie, Dysfermentie, Afermentie; Anorexienach Magenresektion; Adjuvans bei Sulfonamid- oderPAS-Therapie.

Dosierung: 20 Tropfen in Tee vo r dem Essen.

Verpackung und Preis: Packungen mit 20 ml 2,~ DM o. U.,2,10 DM m. U.; Packungen mit 200 ml 11,85 DM o. U.,72,35 DM m. U.

Divinal-Bohnen

Hersteller: DIVINAL chemisch-pharmazeutische Erzeugnisse,

Zusammenstellung: Extr. Boldo, Chelidon., Agrimon., Leperi,Gentian., Ol. Mentho. pip., Ol. Carvi, Ol. Foenic,Azulen, akt. Papain, Pankreatin, Natr. choleinicum,5 mg Diacetyldiph., Dioctylnat.

Indikationen: Fäulnis- und Gärungsdysp., Fermenfmangelzu-stände, Hepato- und Cholecystop., Meteorismus,823 Bad ReichenhallSympt. Kompl. Roemh., Völlegefühl, Appetitlosigkeit.

Dosierung: Zu den einzelnen Mahlzeiten 1-2 Bohnen unzer-kaut schlucken. Nach Abklingen der akuten Erschei-nungen genügen meist dreimal täglich 1 Bohne zurHauptmahlzeit.

Packungen: Großpackung mit 100 Stück 5,75 DM o. U., Ori-ginalpackung mit 40 Stück 2,60 DM o. U., Kleinpak-kung 20 Stück 1,65 DM o. U.

Palliacol!!-Compositum

Hersteller: Dr. A. Wander GmbH, Frankfurt a. M.

Zusammensetzung: 1 Tablette enthält: Alumin. hydroxyd.coll. 0,375 g, Magnes. hydroxyd. 0,125 g, Aethyl. para-minobenzoic. 0,020 g, Papaverin. hydrochloric. 0,020 g,Scopolamin. hydrochloric. 0,0012 mg, Atropin. sulfuric.0,0037 mg, Hyoscyamin. hydrochloric. 0,0451 mg.

Pharmakologie: Pailiacol-Compositum besetzt neben densäureadsorbierenden Eigenschaften von Palliacol zu-sätzlich bei Magenerkrankungen seit langem bewährtespasmolytische, sekretionsbeschränkende und schleim-hautanaesthetische Komponenten.

Indikationen: Hartnäckige und chronische Gastropathien,Superacidität, Uicus ventriculi et duodeni.

Dosierung: Eine halbe Stunde nach dem Essen und beiNüchternschmerz 1—2 Tabletten in etwas Flüssigkeitaufgeschwemmt einnehmen.

Verpackung und Preis: Packung mit 10 Tbl. 0,95 DM o. U.,Packung mit 40 Tbl. 3,15 DM o. U.

APISIRUMDE BELVEFER

Es stehen folgende Präparate zur Verfügung:

APISERUM TrinkampullenBI-APISERUM TrinkampullenKRALYSE TrinkampullenHaemo-GERAL, pro injectione

Bitte schreiben Sie um Literatur und Proben:

das naturreine Bienensekret-FermentsystemGelee Royale ohne Zugabe fremder Stoffe, standardisiert undstabilisiert im natürlichen Artmilieu.

Kliniker und Praktiker verwenden APISGRUM erfolgreich beiStoffwechselstörungen - Leistungsabfall ihrer Patienten - zurHebung des Allgemeinbefindens in der Rekonvaleszenz. APISERUMdas Mittel der Wahl in der Geriatrie, die Hilfe des Arztes inder Rehabilitation,

Für Kinder: APISERUM-spezial, Trinkampullen, bei Entwickiungs-störungen.

G. LEINBERGER & CO., 8266 LAUFEN-MAYERHOFEN/OBB. (früherLindau-

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Plenivitol

Hersteller: Scott & Bowne GmbH, Frankfurt a. Main

Zusammensetzung: 1 Dragee enthält: 1250 I. E. Vitamin A,200 I. E. Vitamin D3, 0,5 mg Vitamin Bi, 0,5 mg VitaminB2, 7,5 mg Nikotinsäureamid, 2,0 mg Ca-panfothenaf,1,0 mg Vitamin Bi, 2,5 mg p-Aminobenzoesäure,5,0 mg Rutin, 25,0 mg Vitamin C, 2,0 mg Vitamin E,0,01 mg Biotin, 0,1 mg Folsäure, 1 mcg Vitamin B12,0,1 mg Cu II, 0,05 mg Mn, 2,5 mg Fe, 0,05 mg Co,0,05 mg Zn, 0,025 mg Mo, 0,25 mg Rb, 5,00 mg Mg,12,5 mg Si, 20,0 mg Ca, 15,0 mg P.

Pharmakologie: Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelementevitalisieren den intermediären Stoffwechsel, indem siein viele Fermente eingebaut werden bzw. selbst alsFerment im Stoffwechselgeschehen steuernd eingreifen.Durch Zufuhr einer wohlabgewogenen, also die gegen-seitige Beeinflussung berücksichtigenden Menge an die-sen Stoffen werden Erscheinungen eines latenten Vit-aminmangels verhütet.

Indikationen: Vitamin -Mineralstoff-Mangelerscheinungen,Streß-Situationen, vermehrter Energieverbrauch beiThyreotoxikosen, alters- und arbeitsbedingten Auf-braucherscheinungen, Infekte und Schwächung des Re-generationsstoffwechsels werden durch Plenivitol ver-mieden. In Schwangerschafts- und Stillzeiten, imWachstumsalter gibt es ein konstantes Depot lebens-wichtiger Stoffe und verhindert bei Diätkuren eineVerarmung des Körpers an accessorischen Stoffen.

Dosierung: Kinder 2, Erwachsene 3 Dragees täglich währendoder nach den Mahlzeiten.

Verpackung und Preis: Packung mit 30 Dragees 3,40 DM;Packung mit 100 Dragees 8,75 DM.

Pumilen®-Balsam

Hersteller: E. Tosse & Co. mbH, Hamburg-Wandsbek, Fried-rich-Ebert-Damm 101

Zusammensetzung: 1 g enthält: Ol. Pini putn. 7,5 mg, Ol.Pini silv. 40,0 mg, Ol. Eucalypt. 31,0 mg, Ol. Terebinth.40,0 mg, Thymol. 1,5 mg, Menthol. 20,0 mg, Monosali-zylsäureglykolester 20,0 mg in nichtfettender Salben-grundlage.

Indikationen: Erkältungskrankheiten und Katarrhe der Luft-wege, bei grippalen Infekten, Keuchhusten und Pleuri-tiden.

Dosierung und Anwendung: Brust und Rücken werden zwei-bis dreimal täglich, besonders vor dem Schlafengehen,intensiv mit Pumilen-Balsam eingerieben. Im allgemei-nen genügt ein 3—4 cm langes Salbenstück.Inhalation: 2-4 cm des Balsams werden mit kochen-dem Wasser übergössen, wobei sich eine milchigeEmulsion bildet, deren Dämpfe eingeatmet werden.

Pharmakologie: Die Wirkung von Pumilen-Balsam erfolgt inzweifacher Weise: Neben der perkutanen Resorption- die gewählte Salbengrundlage gewährleistet eineintensive Resorption - werden die antibakteriell wir-kenden ätherischen öle über einen längeren Zeitrauminhaliert. Dadurch kommt es zu einem raschen undnachhaltigen Abschwellen der Schleimhäute, freierAtmung, besserer Lungendurchblutung sowie Stützungdes Kreislaufs und Senkung des Fiebers. Pumilen-Bal-sam mildert die Hustenreize, fördert die Sekretion undsteigert die körpereigenen Abwehrkräfte.

Verpackung und Preis: Tube mit 30 g 2,45 DM o. U., An-staltspackung 300 g 17,65 DM o. U.

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Der Auftrag zur Neuralfherapie nach Hunefce

Von H e r m a n n Ferd. Voss

JORES schreibt: „In unserer heutigen Medizin, die nachaußen hin ein so imponierendes Gebäude errichtet hat, gibtes trotz aller erzielter Erfolge auch eine Reihe meist über-sehener Mißerfolge. Zu diesen Mißerfolgen gehört die Tat-sache, daß es weitverbreitete und häufige Krankheiten gibt,über deren wirkliche Ursache nichts bekannt ist. Aus diesemGrunde gibt es gegen diese Krankheiten auch keine kau-sale, sondern nur eine symptomatische Therapie." ')

Diese von JORES genannten „meist übersehenen Mißerfolge"ergeben sich nicht zu selten nach längeren klinischen Beob-achtungszeiten, nach denen die Kranken nach JORES Wor-ten „mit einem meist recht ausführlichen Brief, der zwar sehrviel über diagnostische Untersuchungen enthält, dann abermit einigen gut gemeinten allgemeinen therapeutischen Rat-schlägen schließt", entlassen werden.

So kommt es dann zu jener Vielzahl weitverbreiteter Krank-heiten, bei denen allgemein höchstens eine leichte Linde-rung des Beschwerdebildes erreicht werden kann. Darin liegtunter anderem der Grund dafür, daß die Zahl der chronischKranken und Frühinvafiden eine ständig zunehmende Be-deutung gewinnt.

Damit werden aber die erwähnten Mißerfolge so wesent-lich, daß sie nicht mehr übersehen werden können, nochdürfen.

Angesichts der erzielten Fortschritte in der medizinischenDiagnostik und Therapie lassen aber sehr viele noch dieTatsache außer achf, daß die Neura/fherapie nach HUNEKEerstaunliche Heilungsmöglichkeiten gerade bei chronischenKrankheitsfällen bietet.

Sie stellt einerseits mit der erweiterten Segmenttherapie,andererseits mit der Störungsfeldtherapie, der Auslösung desHUNEKE-Sekunden-Phänomens eine wesentliche Erweiterungder Behandlungsmethoden im Rahmen der Gesamtmedizindar.

Die kritische Betrachtung der Erfolgsmöglichkeiten mittelsder klassischen Neuraltherapie, ihrer Contraindikationen undIndikationen sowie die exakte Beherrschung der neuralthera-peutischen Injektionstechnik dürften für jeden Arzt undFacharzt, draußen und in der Klinik, zu einem erfolgver-sprechenden und damit dankbaren Studium werden.

Es würde den Rahmen dieser Ausführungen überschreiten,Erfahrungen, Tatsachen, Beobachtungen aus Labor und Kli-nik usw. in einer kritischen und ausführlichen Darstellung zubringen. Auf die zahlreiche Literatur sei deshalb verwiesen.

Aus dem Wissen um die Vorgänge bei der Neuraltherapienach HUNEKE, aus fleißigem Studium der Literatur undpraktischen Erfahrungen erworben, entsteht eine Kenntnis,die es verständlich macht, warum erfahrene Neuraltherapeu-ten - mit den Worten von DOSCH — „ohne diese Heilkunstnicht mehr Arzt sein möchten".2),3)

Die Neuraltherapie nach HUNEKE hat sich im Laufe derletzten drei Jahrzehnte in ständig zunehmendem Maßeeinen gesicherten Platz unter den verschiedenen, vielfältigentherapeutischen Bemühungen erworben. Sie wird von sehrvielen namhaften Vertretern der Wissenschaft und Praxisauch als reale therapeutische Möglichkeit anerkannt und mitunterschiedlicher Intensität eingesetzt.4)

Noch kann die neuartige Erkenntnis der neuraltherapeuti-schen Möglichkeilen mit dem seitherigen wissenschaftlichenDenkschema nicht völlig verstanden und gedeutet werden;so kam es vielfach zu oft nicht allgemein verständlichenDeutungsversuchen, die aber für die Realität der therapeu-tischen Möglichkeifen belanglos sind.

So wie in der Physik die neuen Ergebnisse - in der Ayf-lösung des alten klassischen physikalischen Rahmens - er-kennen lassen, daß nur mittels einer neuen, hinzugelerntenDenkweise Erklärungen zu erwarten sind für Vorgänge, diezur Zeit nur zum Teil deutbar sind, so erhofft auch dieChemie, daß die Eigengesetzlichkeit der chemischen Mannig-faltigkeiten theoretischer und experimenteller Arbeit mitglücklichen Einfällen und dem „chemischen Gefühl" erfaßt,verstanden und beherrscht wird.5)

In gleicher Weise dürfen wir auch für die medizinische For-schung Erwartungen hegen. Würde man aber die Erfolgs-möglichkeiten der Neuraltherapie deshalb abstreiten, weilsie mit den derzeitigen Deutungsmöglichkeiten noch nicht inallen Einzelteilen erklärbar sind, so würde man nicht nurvieltausendfache, auch experimentelle Beweise von neural-fherapeufischen Wirkungen verleugnen, sondern auch füh-rende Wissenschaftler desavouieren.6)

Die noch abwartende Haltung mancher Wissenschaftler zuden Fragen der Neuraltherapie ist verständlich aus ihrerEntwicklungsgeschichte außerhalb der Klinik und aus derTatsache, daß der hier bei der Behandlung ablaufende Vor-gang weder somatisch noch psychisch als Ganzes experi-mentell verfolgt und gedeutet werden kann. Der früherhäufig erhobene Einwand, es sei doch alles nur Suggestion,ist längst von führenden Psychiatern und Psychotherapeutenwie auch durch experimentelle Arbeiten ad absurdum ge-führt worden.6) - Eine zusammenfassende und übersichtlicheBeobachtung der vegetativen Regulations- und Funktions-vorgänge im Rahmen der normalen und pathologischen Phy-siologie als Ganzes bleibt mit den heutigen Untersuchungs-methoden noch unmöglich. Die Forschung beschränkt sichnoch auf Darstellungen von Einzelvorgängen, wie sie auchin der Neuraltherapie zur Anwendung gelangen.

Die Sicherheit, daß es bei entsprechenden Versuchsmöglich-keiten gelingt, ein HUNEKE-Sekunden-Phänomen bzw. ein-zelne der diesem zu Grunde liegende Vorgänge zu registrie-ren und mit exakt-wissenschaftlichen Methoden zu objek-tivieren,, gibt der Wichtigkeit des Studiums über die neural-therapeutischen Einsatz- und Heilungsmöglichkeiten einenzusätzlichen Rückhalt. Angesehene Hochschullehrer habendies betont; auch bekannte reine Kliniker haben auf Grundihrer Beobachtungen am Krankenbett und im Labor bestä-tigt, daß eine Nachprüfung möglich ist, und auch in derVeterinärmedizin werden entsprechende Erfolge objektivdargestellt.7) bis n)

„Unsere Medizin befindet sich in der Lage eines Theater-besuchers, der die ersten zwei Akte im Dunkeln erlebt; erstbeim dritten Akt geht die Bühnenbeleuchtung an."12) —LERICHE, der schon 1925 die überlegenen Möglichkeiten derProcain-Injektionen erkannte und lehrte und damit dieneuraltherapeutischen Behandlungen selbst auch schon be-gann, betont mit diesem Vergleich, daß unsere derzeitigenUntersuchungsmethoden zumeist lediglich einen Krankheits-prozeß anzeigen, aber nur sehr wenig über den oft schonlängere Zeit vorher stattgefundenen Krankheitsverlauf unddie Krankheitsursache aussagen.

Damit wird bestätigt, wie notwendig eine in vermehrtemMaße verfeinerte Untersuchungstechnik, Befunderhebung undAnamnestik sind, um die persönliche Pathogenetik zu er-fassen und diese Kenntnis in die Therapie einzubauen - ausder Diagnostik zur Therapie! I3j bis T7)

Die neuraltherapeutisch ausgerichtete oder entsprechend ge-schulte Differenfialdiagnostik ergibt - parallel zur Psycho-therapie - , daß keine Krankheit, kein Krankheitsablauf, kein„gleiches Geschehen" einem anderen wirklich gleicht. Diejeweilige Krankheitsursache mit allen ihren verschiedenenMöglichkeiten, die auch bei den jeweiligen Krankheitsver-läufen mitbestimmend, \a entscheidend sein kann, ist im

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Sinne einer ganzheitsmedizinischen Betrachtung zu erkennen.Die Therapie sollte entsprechend pathogenetisch eingesetztwerden; dabei wird sehr häufig die Neuraltherapie nachHUNEKE indiziert sein.2)

Die therapeutischen Versuche, ausgerichtet auf dem Bodender Pathogenese, gewinnen experimentell und klinisch immermehr Interesse und Bedeutung18); sie bestätigen die Richtig-keit dieses Denkens, das für die Neuraltherapie eine Grund-lage darstellt.

Die positive Erfahrung, die sich geübte Neuraltherapeutenin von Mißerfolgen und Rückschlägen nicht verschonter jahr-zehntelanger Tätigkeit erworben und mit katamnestischerKontrolle ihrer Patienten immer wieder überprüft haben,gab Veranlassung, theoretischen und klinischen Wissen-schaftlern zu empfehlen, mit den ihnen zur Verfügungstehenden Mitteln und Methoden zu forschen und Einzel-beobachtungen zu registrieren, um der Frage näher zu tre-ten, warum die vielgestaltigen, der Krankheit zugrunde lie-genden und den Krankheitsablauf jeweils bestimmendenVorgänge eine Normalisierung erfahren, wenn der klini-sche Behandlungserfolg mittels neuraltherapeutischer Maß-nahmen — sei es über das Segment, sei es über das HU-NEKE-Sekunden-Phänomen — erreicht wurde. Wie bei denfrüheren Tagungen der Internationalen Gesellschaft fürNeuraltherapie nach HUNEKE wird auch 1964 das bekannteArbeitsteam aus Wiener Instituten und Kliniken über seineBeobachtungsergebnisse berichten.

Sicherlich werden letzte Aussagen über das „Lebendige"nie mit der sogenannten exakten Forschung zu erhaltensein, doch die Tatsache, daß in zunehmendem Maße dieexakten Vorgänge bei der Neuraltherapie mittels klinischerund experimenteller Methoden beobachtet, registriert undbestätigt werden, erbringt — ganz abgesehen von den vie-len, in aller Welt erfolgten Heilungen — den Beweis fürdie Richtigkeit der neuraltherapeutischen Bemühungen, wiesie besonders die Internationale Gesellschaft für Neural-therapie nach HUNEKE verfolgt. Diese Tatsache verstärktdas Gefühl der Gemeinsamkeit, zumal immer neue macht-volle Faktoren hinzutreten; sie gibt den neuraltherapeuti-schen Bemühungen eines jeden Arztes um seine Krankenneuen Antrieb, da dieser weiß, daß die Neuraltherapie nachHUNEKE - neben vielen anderen anerkannten und bewähr-ten Behandlungsmethoden - eine gesicherte, erweiterteMöglichkeit therapeutischen Handelns darstellt.

Diese Möglichkeit, nicht zuletzt bei den chronisch Krankenund Frühinvaliden mittels der klassischen Neuraltherapienach HUNEKE häufig noch eine wesentliche Behandlung ein-setzen zu können, sollte ein echter ärztlicher Auftrag invermehrtem Maße werden.

S c h r i f t t u m zum S t u d i u m des s p e z i e l l e n T h e m a s

I. HUNEKE, Ferdinand: „Das Sekunden-Phänomen, Testament einesArztes", Ulm (Donau), Haug-Verlag

II. DOSCH, Peter: „Lehrbuch der Neuraltherapie nach Huneke", Ulm(Donau), Haug-Verlag

III. HUNEKE, Walter: „Impletol-Therapie", Stuttgart, Hippokrates-VerlagIV. SIEGEN, Hubert: „Theorie und Praxis der Neuraltherapie mit Impletol",

Köln, Stauffen-VerlagV. KIBLER, Max: „Das Störungsfeld bei Gelenkerkrankungen und inneren

Krankheiten", Stuttgart, Hippokrates-VerlagVI. „Freudenstadt 1959, 1960 und 1961", Tagungsberichfe der Internationa-

len Gesellschaft für Neuraltherapie nach Huneke, Heidenheim (Brenz)

S c h r i f t t u m zum A u f s a t z

1. JORES, A.: „Vom kranken Menschen", Stuttgart, Thieme-Verlag2. DOSCH, P.: s. o. II. und VI.3. HUNEKE, F.: s. o. I. und VI.4. HOFF, F.: „Behandlung innerer Krankheiten", Stuttgart, 1960, Thieme-

Verlag, p. 240/774 ff5. SCHWAB, G. M.: „Die Erkenntniskrise in der Chemie und ihre Über-

windung", Stuttgart, Universitas, 16/2, p. 187-196/19616. HARRER, G.: „Kritisches zur Neuraltherapie aus neurologischer Sicht",

Freudensfadt 1961, p. 204-2117. P1SCHINGER, A.: „Die Objektivierung des Sekunden-Phänomens (F.

Huneke)", Freudenstadt 1961, p. 124-138„Die vegetativen Grundlagen des Herdgeschehens", österr. Zeitschr. f.Stomatologie 60/8/1963

8. KELLNER, G.: „Die Wirkung des Herdes auf die Labilität des humora-len Systems", Österr. Zeitschr. f. Stomatologie 60/8/1963

9. FLEISCHHACKER, H.: Zur klinischen Bedeutung des Herdgeschehens",österr. Zeitschr. f. Stomatologie 60/10/1963

10. FLEISCHHACKER, H., u. A. STACHER: „Die Bedeutung des Störungs-feldes für das Blutbild", Freudenstadt 1962

11. HOPFER, F.: „Die Berechtigung der Neuraltherapie bei Herderkrankun-gen", ösferr. Zeitschr. f. Stomatologie 60/11/ 1963

12. LERICHE, A., zitiert nach P. TOURNIER: „Unsere Maske und wir", Göt-tingen, Vandenhoek-Verlag

13. RISAK, A.: „Der klinische Blick", Wien 193714. KAHLER, H.: „Diagnostik durch Sehen und Tasten", Wien 194915. GOECKE, H.: „Die Neuraltherapie im gynäkologischen Raum", Freu-

denstadt 1961, p. 196-20316. LAURENZ, F.: „Die Problematik der speziellen Anamnestik, Diagnostik

und Indikation in der Allgemeinpraxis als Grundlage einer Neural-therapie", Freudenstadt 1960, p. 19-30„Neuralfherapeutische Möglichkeiten in der inneren Medizin", Freuden-stadt 1961, p. 114-123

17. VOSS, H. F.: „Neuraltherapie, ein individuelles Naturheilverfahren",Freudenstadt 1959, p. 53-60„Warum auch Neuraltherapie nach Huneke", Freudenstadt 1960, p. 126bis 130„Regulationstherapie und Neuraltherapie", Landarzt 38/21, p. 898-903,1962„Was ist Neuraltherapie", Physikalisch-diätetische Theraoie 6/63

18. WISCHNEWSKI, A. W., u. A. A. : „Die Novocainblockade und die ö l -Balsam-Antiseptica als besondere Art der pathogenerischen Therapie",Berlin 1956, VEB-Verlag Volk und Wissen

Anschrift des Verfassers: Dr. med. H. F. VOSS, 792 Heidenheim, Friedrich-straße 10

6. Arbeitstagung

der Internationalen Gesellschaft für Neuraltherapie

nach Huneke e. V.

vom 10. bis 12. September 1964 in Freudenstadt/Schwarzwald

P r o g r a m m

Mittwoch, den 9. September 1964Anreisetag und Begrüßungsabend

Donnerstag, den 10. September 1964 Ort: Stadthaus9.00 Uhr Eröffnung der Heilmittelausstellung anläßlich der

Tagung des 27. Kongresses des Zentralverbandesder Ärzte für Naturheilverfahren e.V.

9.15 Uhr Eröffnung der Tagung und Begrüßung der Teil-nehmer durch Dr. med. H. F. Voss, Heidenheim/BrenzV o r s i t z : Dr. med. W. Keller, Zürich

9.30-10.15 Uhr Pischinger, A., Prof. Dr. med., Vorstand desHistologisch-Embryologischen Instituts der Univer-sität Wien:„Organisation und Bedeutung des vegetativenSystems"

10.15-10.50 Uhr Kellner, G., Univ.-Doz., Dr. med. am Histo-logisch-Embryologischen Institut der UniversitätWien:„Die Bedeutung der Zelle für Regulationsvorgängeim humoralen System"

10.50-11.10 Uhr Pause

11.10-11.55 Uhr Fleischhacker, H., Prof. Dr. med., Vorstandder I. Medizinischen Abteilung des Hanusch-Kran-kenhauses in Wien:„Die Therapie im Spiegel der medizinischen Auf-fassungen"

n.55-12.30Uhr Bergsmann, O., Primarius Dr. med., Heil-stätte Alland:„Neuraltherapeutisch verwertbare Befunde ausder Pulmologie"

12.30-12.45 Uhr Böhnel, J., Dr. med., Oberärztin an derI. Medizinischen Abteilung des Hanusch-Kranken-hauses in Wien:„Neuraltherapeutische Beobachtungen bei häma-tologischen Erkrankungen"

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15.00-15.35 Uhr Hopfer, F., Medizinalrat Dr. med. et dent.,Wien:„Wege zu einer gezielten Neuraltherapie"

15.35-16.10 Uhr Sfacher, A., Dr. med., Oberarzt an derI. Medizinischen Abteilung des Harnisch-Kranken-hauses in Wien:„über das Sekunden-Phänomen und seine Objek-tivierung"

16.10-16.30 Uhr Pause16.30—17.30 Uhr Diskussion und Colloquien über die Tages-

fhemenFreitag, den 11. September 1964 Ort: Stadthaus

V o r s i t z : Dr. med. F. Laurenz, Borghorst9.30-10.00 Uhr Huneke, W., Dr. med., Stuttgart:

„Zum Wirbelsäulensyndrom und Cervikalsyndrom- Neuraltherapie oder Chirotherapie"

10.00-10.20 Uhr Heusterberg, K. H„ Dr. med., München:„Neuraltherapeutische Ergebnisse bei Prostata-Erkrankungen"

10.20-10.45 Uhr Nosaka, Y., Prof. Dr. med. an der Hals-Nasen-Ohren-Klinik der Universität Kumamoto/Japan:„Herdstörungsfeldtest mit Impletol bei tonsillärenInfektionen"

10.45-11.00 Uhr Pause11.00 Uhr Kasuistische Berichte mit Katamnestik und Patien-

tendemonstrationen15.00 Uhr Fortsetzung der kasuistischen Berichte mit Ka-

tamnestik,anschließend Collquien zum Tagesprogramm

17.30 Uhr Hauptversammlung der Mitglieder der GesellschaftSamstag, den 12. Sept. 1964 Ort: Kurtheater/Kurhaus9.00 Uhr Beginn des 27. Kongresses des Zentralverbandes

der Ärzte für Naturheilverfahren und Abschiuß-tag der 6. Arbeitstagung der Internationalen Ge-sellschaff für Neuraltherapie nach Huneke e. V.V o r s i t z : Dr. med. H. F. Voss, Heidenheim

9.30 Uhr Huneke, F., Dr. med., Düsseldorf:„Zwischenfälle und Gefahrenmomente in derNeuraltherapie"

ca. 10.15 Uhr Pause10.30 Uhr Göbel, J., Dr. med., Maxhütte-Haidhof:

„Neuraltherapie nach Huneke als echte Ganz-heitstherapie"anschließend Colloquien am runden Tisch mit denReferenten der Tagung über das Thema:„Contraindikationen und Indikationen zur Neu-raltherapie in Klinik und Praxis"

12.30 Uhr Voss, H. F., Dr. med., Heidenheim:„Versuch einer Würdigung des Lebenswerkes vonFerdinand Huneke" - undAbschluß der Tagung

Am Donnerstag, dem 10. September 1964, ab 17.30 Uhr, undam Freitag, dem 11. September 1964, ab 16.30 Uhr:

Einführungslehrgang in die neuraltherapeutische Anctm-nestik und dergl. für Arzt-Ehefrauen und ArzthelferinnenLe i t ung : Dr. med. F. Laurenz, Borghorst

Während des 27. Kongresses des Zentralverbandes der Ärztefür Naturheilverfahren am Montag, dem 14., Dienstag, dem15., und Mittwoch, dem 16. September 1964:

neuraltherapeutischer KursL e i t u n g : Dr. med. H. F. Voss, Heidenheim

Gesellschaftliche VeranstaltungenMittwoch, den 9. September 1964

Begrüßungsabend im Kurhaus-Cafe ab 20.30 UhrFreitag, den 11. September 1964

Gesellschaftsabend (zwanglos) mit Tanz im Kurhaus-Cafe ab 20.30 Uhr (die Teilnehmer werden gebeten,vorher zu Abend zu speisen).

Samstag, den 12. September 1964Für die Damen Kaffeefahrt über den Kniebis zum Ruhe-stein. 15.00 Uhr Treffpunkt Stadthaus. Anmeldungen beimVerkehrsbüro im Stadthaus bis 11.00 Uhr. Rückkehrgegen 18.00 Uhr.

Allgemeine HinweiseOrt der Tagung: Freudenstadt/Schwarzwald; am 10. und

11. 9. 1964 Stadthaus, am 72. 9.1964 Theafersaal/KurhausAnschrift während der Tagung:

Freudenstadt 1964 / 6. Arbeitstagung der Internationa-len Gesellschaft für Neuraltherapie nach Huneke e. V.,729 FreudenstadtEingegangene Post wird am Schwarzen Brett ausgehängt.Telefonnummer (Freudenstadt): 07441 /2751

Teilnehmergebühren: Tagungskarte (für die gesamte Arbeits-tagung vom 10.-12. September 1964):für Mitglieder der Gesellschaft (gegen Vorlageder Beitragsquittung 1964) 10,- DMfür Nicht-Mitglieder der Gesellschaft . . . . 30,- DMTageskarte:für Mitglieder der Gesellschaft (gegen Vorlageder Beifragsquiffung 1964) 5,— DMfür Nicht-Mitglieder der Gesellschaft . . . 1 5 - DMEinführungslehrgang für Arzt-Ehefrauen undArzthelferinnen 10,- DMNeuraltherapeutischer Kurs(am 14., 15. und 16. September 1964) . . . 30,- DMDie Teilnehmergebühren für die Tagung sind möglichstvorauszuzahlen, und zwar bis zum 1. September 1964 aufdas Konto Nr. 7567 bei der Deutschen Bank AG, FilialeHeidenheim.Für diese Teilnehmer liegen die Teilnehmerkarten imTagungsbüro — Sekretariat - Stadthaus ab 10. Septem-ber 1964, 8.00 Uhr, bereit.Anderenfalls können die Teilnehmergebühren im Ta-gungsbüro — Sekretariat — Stadthaus bzw. Kurhaus anallen drei Tagen ab 8.00 Uhr entrichtet werden.Die Beitragsgebühren für die Internationale Gesellschaftfür Neuraitherapie nach Huneke e. V. sind hingegen zuzahlen auf das Konto Nr. 30600 bei der DeutschenBank AG, Filiale Heidenheim (Postscheckkonto der Deut-schen Bank: Stuttgart Nr. 57).

Steuerfragen: Die Kosten für die Arbeitstagung sind samtSpesen absetzbar.

Anmeldungen: Für Kurzreferate werden die Anmeldungenbis zum 1. September 1964 dringend erbeten.

Anmeldungen, Anfragen, Anforderungen von Einladungen:An das Sekretariat der Internationalen Gesellschaft fürNeuraltherapie nach Huneke e. V., 792 Heidenheim,Friedrichstraße 10.

©ranotorf das polyvalente Vitamin-Präparataus Weizenkeim-Extraktenund Citrusfrüchten.Bei Erschöpfungszuständenvorzeitiger Leistungsminderu ngAbnutzungserscheinungenAltersbeschwerden, Rekonvaleszenz.

KEIMDIÄT GMBH. AUGSBURG

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PROGRAMM

HERBSTKONGRESS DES „ZENTRALVERBANDES DER ÄRZTE

FÜR NATURHEILVERFAHREN" VOM 12. BIS 19. SEPTEM-

BER 1964 IN FREUDENSTADT/SCHWARZWALD, STADTHAUS

Sonnabend, 12. SeptemberVormittags: NeuraltherapieNachmittags: Arbeitsgemeinschaft der biologischen Zahnärzte

Begrüßung und Verleihung der Hufeland-MedailleProf. H e r m a n n , Mainz: Kariesätologie undKariesprophylaxe

- Dr. H-o-ffnra n n, Mettnau bei Radolfzeih DasZungenbild in der zahnärztlichen DiagnostikProf. B a l t e r sDiskussionBegrüßungsabend im Kurhaus

Sonntag, 13. SeptemberVormittags: Zahn- und Mundkrankheiten in biologischer Sicht

Dr. med. habil. S t e i n e r , Eßlingen: Die Ganzheitin und aus der ZelleDr. N e u h ä u s s e r , München: Der Zahnarzt undseine GesundheitDiskussion

, \ , PauseDr. med. R e i n s t e i n , Stuttgart: Symptomatik,Diagnose und biologische Therapie der gastro-intestinalen Autointoxikationen

Nachmittags: GasfroenterofoieDr. med. Martin S c h l ü t z , Bremen: NatürlicheHeilweisen in der GastroenferologieDr. med. H. R. F e i n d t , Hamburg: Aussagemög-lichkeiten und Grenzen der Röntgendiagnostik inder GastroenterologieDiskussionzur Diskussion aufgefordert: Prof. M o m m s e n ,Frankfurt

Montag, 14. SeptemberVormittags: Gastroenterologie

Dr. med. S c h w e n k e nbe ehe r, Sulingen beiHannover: Enzymdiagnostik von LebererkrankungenDr. med. Uwe B l e y l , pathol. Institut Karlsruhe:Die Pathomorphologie des exkretorischen PankreasProf. K u h l m a n n , Essen: Die chronische Pankre-atitis, ihre Diagnose und TherapieDozent Dr. med. R. I n g b e r , Ramat-Chen/TelAviv:Die Röntgensemiotik des Mechanismus der chroni-schen DarmautointoxationDr. U. E h e b a l d , Hamburg: Psychosomatische

' Aspekte in der GastroenterologieDiskussion

Nachmittags: Dr. med. Friedrich E c k a r d t , Karlsruhe: über dieSchrothkurDr. med. Carl S c h ö l t e n , Düsseldorf: Appetit-störungen bei KindernDozent Dr. med. H. S c h o e l e r , Karlsruhe: Homöo-pathische und neuraltherapeutische Behandlung derUlcuskrankheitPauseDoz. Dr. med. R. I n g b e r , Ramat-Chen/Tel Aviv:Neue Ergebnisse der funktionellen Röntgenologie imGebiet des Bauchraums (Seminar)

Dienstag, 15. SeptemberVormittags: Geburtenkontrolle aus der Sich'

des SozialhygienikersProf. H a r m s e n , Hamburg, Direktor des Hygieni-schen Institutsdes SozialpolitikersFrau Dr. v. R e n t h e - F i n k , Berlindes GynäkologenProf. Dr. med. H. K n a u s , Wien-Lainzder GynäkologinFrau Dr. med. R e i m a n n - H u n z i k e r , Beratungs-stelle für Familienplanung der Universität Baseldes JuristenSenator K r a m e r , HamburgDiskussion

Nachmittags: des katholischen TheologenProf. A u e r, Würzburg

des evangelischen TheologenProf. Kö b e r I e , Tübingendes PsychotherapeutenDr. med. Graf W i t t g e n s t e i n , MünchenDiskussion

Mittwoch, 16. Septembernur vormittags:

Der vegetative Faktor in der TherapieProf. H a l b e r g , Minneapoüs: Tagesrhythmen undihre Bedeutung in der TherapieProf. L a m p e r t , Höxter: Bedeutung der vegeta-tiven Ausgangslage bei der TherapiePauseDr. med. H o p f , Würzburg: Vegetative Syndromebei Erkrankung peripherer NervenDr.med.Seyf f a r t h , Oslo: Uberlastungsbeschwer-den und NeuraltherapieDiskussion

Donnerstag, 17. Septembernur vormittags:

Fortsetzung des Themas: Der vegetative Faktor inder Therapie derChirurgischen Ambulanz: Dr. R o h r , BonnHNO-Krankheiten: Doz. Dr. D e d i e r , BonnPsychiatrischen Ambulanz: Doz: Dr. K l a g es ,DüsseldorfDermatologischen Ambulanz: Prof. Dr. H o p f ,HamburgDoz. Dr. K u n e r t , Bonn: Vegetatives Nervensystemund SkelettmuskulaturZur Diskussion aufgefordert:Dr. med. V o s s , HeidenheimDiskussion

Freitag, 18. SeptemberVormittags: Aktuelle sozialmedizinische Probleme

Prof. J u s a t z , Heidelberg: Hauptursachen des vor-zeitigen Ausscheidens aus dem ErwerbslebenDr. med. S c h a u w e c k e r , Bensheim-Schönberg:Sozialmedizin und PräventionDr. med. habil. K. F r a n k e , Bad Lauferberg: Ge-sundheifserziehung und praktischer ArztDr. med. Ana K r a k e r , Krainj/Jugoslawien: Prä-ventivmedizin und Gesundheitserziehung in Jugo-slawienDiskussion

Nachmittags: VariaDr. V o l l , Plochingen: Beziehungen von Zähnen zuverschiedenen OrgansystemenDr. Henri M - C l e m e n t , Ettelbruck/Luxemburg:Die Behandlung von Poliomyelitis-Restzuständen mitfermenthaltigen LösungenDr. R. R o e d i g , Frankfurt/M.: Kontaktallergene imAlltagDiskussion

Sonnabend, 19. SeptemberPsychotherapieseminar (Dr. Graf Wittgenstein)Allgemeine Vorträge zum Thema: D i a g n o s e -s t e l l u n g e n

Im Rahmen des Herbstkongresses finden folgende praktische Kursebzw. Seminare statt:

Bewegungstherapie (Dr. G r o h , D r . v. N a i h u s i u s )Chirotherapie (Diagnostik-Kurs): FAC, Bad HammElektrokardiographie (Dr. Rei n s t e i n)Elektroakupunktur (Dr. V o l l )Elektrotherapie für Ärzte und deren Hilfspersonal(mitDemonstrationen) ( D r . C r a m e r , Hamburg, undDipl.-Phys. H ö h n e , Stuttgart)Homotoxikologie (Dr. R e c k e w e g )Mikrobiologisches Seminar (Prof. M o m m s e n , Dr.K o l b )Neuraltherapie (Dr. Voss )Neuraltherapie der Ubertastungstendomyosen(Dr. S e y f f a r t h , O s l o )Neue Ergebnisse der funktionellen Röntgenologieim Gebiet des Bauchraums (Doz. Dr. I n g b e r ,Ramat-Chen/Tel Aviv)Zytomorphologie des Blutbildes (Dr. B o e g l e r ,Heiligenberg)Für Arztfrauen:Bewegungstherapie (Dr. G r o h , Dr. v. N a t h u s i u s )Diät-Kochkurs (Frau G . S c h m i d t )Kosmetisches Praktikum (Frau B o e g l e r )

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Physikalisch-diätetische TherapieIN KLINIK UND PRAXIS

Mitteilungsblatt und Organ des Zentralverbandes der Ärzte für Naturheilverfahren e.V.

Schriftleitung: A. Cramer - H. Haferkamp - F. Oelze

Wissenschaftlicher Beirat:

H. Anemüller (Prien) - K. Franke (Bad Lauterberg) - P. Frick (Mainz) - S. Gräff (Burgberg/Schw.) - H.-G. Gütfner (Dresden) - H. Harmsen (Hamburg)A. Hoff (Bad Wörishofen) - R. G. Heyer (Nußdorf/Inn) - M. Hochrein (Ludwigshafen/Rh.) - F. Huneke (Düsseldorf) - K. Kötschau (Schloßberg) - H. Krauss(Berlin-Buch) — W. Küstner (Magdeburg) - H.Lampert (Höxter) - E.Meyer (Seeshaupt) - H. Mommsen (Frankfurt/M.) — W. v. Nathusius (Hirzenhain/Ober-hessen) - P. Neuhäuser (München) - G. W. Parade (Neustadt/Weinstraße) - H. P. Rusch (Frankfurt/M.) - H. Seyfarth (Rostock) - H. Storck (Endbach) - E.-G.Schenck (Aachen) - R. Schmeicher (Karlsruhe) ~ H. Schoeler (Karlsruhe) — H. Tiegel (Hallbergmoos) - R. Voll (Plochingen) — H.F.Voss (Heidenheim/Brenz)H. Warning (Frankfurt/M.) - R. F. Weiss (Marstetten-Aitrach) - F. Wittenbeck (Mannheim) - Graf Wittgenstein (München) - W. Zabel (Berchtesgaden)

5. Jahrgang August 1964 H e f t 8

A u s d e r M e d i z i n i s c h e n K l i n i k u n d P o l i k l i n i k ( C h e f a r z t P r o f . D r . E . F r i t z e ) d e r B e r u f s g e n o s s e n -s c h a f H i c h e n K r a n k e n a n s t a l t e n „ B e r g m a n n s h e i l " , B o c h u m

Körpereigene Abwehr

Von E. F r i t z e

Mein Thema „körpereigene Abwehr" soll unter dem größe-ren Gesichtspunkt der „Fundamente der Therapie" behan-delt werden. Es ist sicher richtig, daß die Berücksichtigungder sogenannten Resistenzlage Grundlage jedes therapeu-tischen Handelns sein muß. Nicht zuletzt sind die Chemo-und Antibiotika-Therapie die Ursache, daß das pathophysio-logische und therapeutische Denken des Arztes oft sehr ein-seitig von der Noxe bestimmt wird. Es ist aber nicht zwei-felhaft, daß der Organismus mit Bakterien oder anderenMikroorganismen unter bestimmten Voraussetzungen auchohne medikamentöse Unterstützung fertig zu werden ver-mag. Schließlich werden die durch bakteriostatisch wirkendeAntibiotika und Sulfonamide nur geschädigten Mikrobenerst durch körpereigene Mechanismen endgültig vernichtet.DUBOS hat vor wenigen Jahren formuliert: Bisher haben wiruns durch Chemotherapie, Antibiotika, Seren und durchhygienische Maßnahmen der Bakterien zu erwehren gesucht,jetzt müssen mit neuen Methoden die biologischen Bedin-gungen identifiziert werden, die es gestatten, pathogeneMikroben zu beherbergen, ohne krank zu werden.

Krankheit, also eine Störung der physiologischen Ordnung,braucht bei der Auseinandersetzung zwischen Parasiten undWirfsorganismus keineswegs immer zu entstehen. Beide kön-nen sich ignorieren oder tolerieren. Dabei bin ich der Mei-nung, daß Mikroben in diesem Zusammenhang nur ein be-sonders gut bekanntes Beispiel sind. Andere Noxen rufenweitgehend ähnliche Reaktionen des Organismus hervor. Siesind teils lokale Gewebsreaktionen im Sinne der Entzün-dung und ihrer Reparation, teils Allgemeinreaktionen mitAuswirkungen auf den Stoffwechsel, auf die Körpertempera-tur, auf das Endokrinium und das Zentralnervensystem, dieihrerseits die Reaktionsintensität beeinflussen und steuern.Diese reaktiven Mechanismen, deren Ausdruck die Krankheitals lokales Ereignis und als allgemeine Störung ist, habenoffenbar das Ziel, die Integrität des Organismus, dieHomöostase zu erhalten oder wieder herzustellen. Leider

sind unsere Kenntnisse über die Genese dieser natürlichenHeilungsvorgänge noch relativ begrenzt.

Zur Abwehr eingedrungener Mikroben oder anderer Noxenstehen dem Organismus grundsätzlich zelluläre und humo-rale Mechanismen zur Verfügung. Beide sind aber engkoordiniert, und ihre Trennung ist überhaupt nur aus didak-tischen Gründen berechtigt. Die zellulären Abwehrmecha-nismen sind an die Leukozyten und insbesondere an die zurPhagozytose befähigten Zelltypen des leukozytären Systemssowie an die Phagozyten des reticuloendothelialen Systemsgebunden. Die humoralen Vorgänge betreffen im wesent-lichen bestimmte Serumproteine und speziell die Antikör-per, das Komplement- und Properdin-System. Es erübrigtsich, darauf hinzuweisen, daß diese humoralen Reaktions-systeme der sogenannten unspezifischen Resistenz einerseitsund der erworbenen Resistenz oder spezifischen Immunitätandererseits ebenfalls zellulär verankert wird.

Lokale und allgemeine Infektionen lösen in gleicher Weisewie mechanische, thermische oder chemische Gewebsfrau-men, Sauerstoffmangel und andere Schädigungen lokaleReaktionen im Sinne der Entzündung und Allgemeinreaktio-nen mit Fieber, mit Veränderungen des weißen Blutbildes,des lymphatischen Systems und des Knochenmarks, mit Be-einflussung des Eisen- und Kupferhaushaltes, der Mineralienund anderer Sfoffwechselsysteme aus. Reiz und Reaktionsind offenbar weitgehend unspezifisch. Allerdings kann diebesondere Art des schädigenden Agens, z. B. seine Antigen-natur, den im übrigen relativ stereotypen Reaktionen oderihren einzelnen Phasen charakteristische Akzente verleihen.

Diese relative Uniformität der zellulären, humoralen, ner-vösen und hormonalen Reaktionen gegen Reize mannigfal-tigster Art verlangt die Annahme eines biologischen Mecha-nismus, der sie als eine Art Vermittler (Mediator) auslöst unddem Reiz anpaßt. Dieser Vermittlermechanimus, mit dem mansich seit einigen Jahren sehr intensiv beschäftigt, ist offen-

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bar zellulär-enzymatischer Natur; sein gewebliches Substratist das mesenchymal-leukozytäre Sysfem.Schon HUNTER deutete die entzündlichen Reaktionen alsAbwehrbestreben des Gewebes. ADDISON, HERING,COHNHEIM und schließlich METSCHNIKOFF erkannten dieBeseitigung von Fremdkörpern und Mikroben durch die ausden Gefäßen in das geschädigte Gewebe emigrierendenLeukozyten als Abwehrmaßnahme. Durch die Entdeckungder Antitoxine durch von BEHRING und der agglutinieren-den und präzipitierenden Antikörper durch BORDET wurdedie Bedeutung der spezifischen humoralen Abwehrmechanis-men erkannt. Schließlich erbrachten erst in jüngster ZeitUntersuchungen von P1LLEMER, LEWIS, MENKIN, WOODund vielen anderen Kenntnis von der Bedeutung des Kom-plement- und Properdinsystems sowie von der Rolle be-stimmter Faktoren wie Histamin, Hyaluronidase, bestimmterPolysaccharidkomplexe und Polypeptide für den Ablauf derEntzündung im Gewebe. In solchen Faktoren sind die Binde-glieder — Mediatoren — in der Reaktionskette zwischen Reizund Reaktion zu suchen.Wir wissen, daß pathogene Organismen jeder Art, Bakte-rien, Pilze, Viren, Rickettsien, Protozoen usw. in aktiver Formim Gewebe oder selbst im Blut eines empfänglichen Wirtesvorkommen können, ohne daß eine Krankheit entsteht. Fastnach jeder Zahnextraktion, ja selbst bei jedem Kauakt wer-den durch Eröffnung von Lymph- und Blutbahnen pathogeneKeime in den Kreislauf geschwemmt. 70 bis 80 % positiveBlutkulturen sind nach Zahnextraktionen zu gewinnen. Ohnedie Tätigkeit der Granulozyten, die in allen Geweben, aufden Schleimhäuten und im strömenden Blut als Phagozyteneine echte und entscheidend wichtige Abwehraufgabe erfül-len, würden über den Magen-Darm-Kanal, über die Atem-wege und das Urogenitafsystem pafhogene Keime denOrganismus überfluten, wie das klinische Bild der Agranu-lozytose zeigt. Ihre Zahl im Gewebe ist um ein Vielfachesgrößer als im zirkulierenden Blut, wo sie sich offenbar nurin einer Art Durchgangs- oder Bereitschaftsstation befinden.Von dort wandern sie, gelockt und geleitet durch bestimmteSubstanzen, besonders durch Polysaccharide, die aus Bak-terien und aus körpereigenem Material frei werden, an denOrt einer Gewebsschädigung, phagozytieren Mikroben oderandere Teilchen und wahrscheinlich auch kolloidale odergelöste Stoffe. Sie bauen das aufgenommene Material, so-weit möglich, intraceliulär auf fermentativem Wege ab.Aber nicht alle Mikroben sind durch die verfügboren Fer-mentsysteme angreifbar oder gar abzutöten. So überlebenz. B. Tuberkelbakterien und werden durch Phagozyten imOrganismus verschleppt, die schließlich ihrerseits zugrundegehen und dabei die Erreger wieder in Freiheit setzen.Es ist nicht genau bekannt, auf welche Weise bestimmteBakterien, bakterielle Leibessubstanzen,, Produkte ausAntigen-Antikörper-Reaktionen und bestimmte Polysaccharid-fraktionen aus Harn, Plazenta und anderen Geweben dieLeukozytenemigration fördern und leukotaktisch wirken. Da-bei dürften elektrische Potentialdifferenzen und anderephysikalische Oberflächenkräfte wie bei der Phagozytoseselbst eine wichtige Rolle spielen. Elektrische Potentiale be-stimmen die Wanderungsrichtung der an ihrer Oberflächenegativ geladenen weißen Blutkörperchen. Die Reaktionspezifischer Immunseren mit der ebenfalls negativ gelade-nen Oberfläche von Bakterien oder die Behandlung vonErythrozyten mit Viren vermindert ihre negative elektrischeOberflächenladung und macht sie damit für Granulozytenleichter phagozytierbar. Die Aufnahme von Mikroben durchPhagozytose ist ein von Oberflächenkräften des Phago'zyten, des aufgenommenen Teilchens und des umgebendenMilieus abhängiges Phänomen.Der aktiven, amöboiden Fortbewegung und den dabei teil-weise außerordentlich schnell eintretenden bizarren Form-

veränderungen der Phagozyten entspricht ein ständigerWechsel der kolloidalen Struktur ihres Protoplasmas.Diese und die genannten Oberflächenkräfte sind Voraus-setzung der aktiven Zellbewegung und der Fähigkeit zurPhagozytose.Außer Bakterien und anderen körperfremden Substanzenwerden von den Granulozyten unter bestimmten Voraus-setzungen auch körpereigene Zellen oder Zellteile phago-zytiert wie z. B. Teile des Zytoplasmas eines Lymphozytenvon einem Granulozyten aufgenommen werden.Das Haften von Mikroben an der Oberfläche von Erythro-zyten, das sogenannte immune-adherence-Phänomen, er-leichtert den Phagozyten ihre Vernichtung durch Phago-zytose. Dadurch gewinnen die roten Zellen und ihre beiDysproteinämien veränderte Oberflächenklebrigkeit wichtigeBedeutung für die Abwehr. Solche mit Bakterien beladenenErythrozyten werden in den Sinus der Milz aus dem Kreis-lauf eliminiert und dort durch Phagozytose unschädlich ge-macht.

Mit der von REBUCK angegebenen Hautfenstertechnik, beider aus der skariflzierten Haut Granulozyten und Makro-phagen auf ein aufgelegtes Glimmerplättchen nacheinanderaufwandern, kann die Funktion der Phagozyten und der Ab-lauf der zellulären Entzündung auch unter dem Einfluß vonSubstanzen in vivo verfolgt werden.Offenbar kann die Phagozytoseaktivität unmittelbar stimu-liert werden wie hier bei Menschen nach intravenöser Injek-tion eines bakteriellen Endotoxins. Bei fieberhaften Krank-heiten sind im Blutplasma phagozytosefördernde Eigenschaf-ten in stärkerem Maße vorhanden als beim gesunden Tieroder Menschen. Aus der Aiphai- und aus der Beta-Fraktionder Serum-Proteine konnten phagozytosestimulierende Fak-toren iso/ierf werden, und auch der Faktor C l des Serum-Komplements soll entsprechende Wirksamkeit haben.In die Auseinande-setzung zwischen Phagozyt und zu pha-gozytierendem Material greifen neben unspezifischen Plas-mafaktoren auch die Antikörper-Globuline ein. Nach intra-bronchialer Applikation von Pneumokokken entsteht im7'terexperiment eine pneumonische Infiltration: ZentraleNekrose mit Makrophagen, davon peripher eine Zone mitBakterien und phagozytierenden Granulozyten und schließ-lich in der äußeren Zone, von der aus der entzündliche Pro-zeß fortschreitet, nur Pneumokokken. Nach intravenöser In-jektion eines gegen diese Pneumokokken gerichteten Anti-serums sind die Bakterien dieser äußeren Oedemzone agglu-tiniert, dadurch an ihrer Ausbreitung gehindert und leichterphagozytierbar. Spezifische Antikörper machen die Bak-terien also für die Phagozyten leichter angreifbar.Die Erreger der meisten akuten Infektionen werden durchPhagozytose unschädlich gemacht. Das Besondere der Er-reger chronischer Infektionen wie z. B. der Tuberkelbakterienoder der Spirochäten und mancher Viren liegt darin, daßsie intrazellulär überleben und schließlich den Untergangdes Phagozyten herbeiführen können. Die von manchenStaphyiokokkenstämmen gebildete Koagulase, die von man-chen Keimen gebildete Kapsel aus Mucopolysacchariden,zytotoxische Stoffe, Fibrinolysin, Haemolysin und anderebakterielle Enzyme, aber auch unbelebtes Material wieQuarzpartikel oder dergleichen, stellen den Abwehrmecha-nismen besondere Probleme. Die Schleimhülle des Pneumo-coccus mucosus, die besondere Oberflächenstruktur derTuberkelbakterien und ähnliche Erregereigenschaften bedin-gen deren spezielle Pathogenität und Virulenz, Löslichkeit,Giftigkeit oder Struktur unbelebten Materials seine schäd-liche Wirkung auf Zellen und Gewebe.

Ob bei einer Infektion die eingedrungenen Bakterien oderder Organismus die Oberhand behält, hängt von der Artder Keime, ihrer Virulenz und Vermehrung und besondersvon ihrer Zerstörung durch die Granulozyten und Makro-

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phagen ab. Die Infektion kann durch diese zellulären Me-chanismen beherrscht sein, ehe humorale Mechanismen ein-greifen oder die Antikörper überhaupt gebildet werden. Inspäteren Phasen der Infektion können aber spezifische Anti-körper diesen Kampf noch zugunsten des Organismus ent-scheiden, indem sie Bakterien oder andere Antigene für diePhagozyten leichter angreifbar machen.Die Antikörper werden in den Plasmazellen gebildet. Siekönnen aber erst etwa 5-6 Tage nach der Einwirkung einesAntigens eingreifen, welche Zeit etwa die Differenzierungund Proliferation der Plasmazellen im mesenchymalen Reti-kulum braucht.Antikörper werden aber in den Plasmazellen nicht durch un-mittelbare Einwirkung von Bakterien oder anderem anti-genen Material gebildet. Vielmehr ermöglichen erst diePhagozyten die Antikörperbildung, indem sie Bakterien undandere Antigene aufnehmen, bis zu antigeneffektiven Struk-turen fermentativ abbauen, diese ausscheiden und so dieBildung von Plasmazellen und Antikörpern induzieren.Die Unfähigkeit, Plasmazellen und Antikörper zu produzie-ren und damit das Fehlen der Gamma-Globuline im elektro-phoretischen Serum-Eiweißbild erklärt die Anfälligkeit vonKranken mit Agammaglobulinämie gegenüber Infektionenaller Art.

Aus genetischen Gründen können im allgemeinen körper-eigene Zellen und Gewebe nicht als Antigene wirksam sein.Unter bestimmten Voraussetzungen können aber körper-eigene Strukturen wie das Kernmaterial beim Lupus erythe-matodes durch Antikörper angegriffen werden, entwederweil Veränderungen seiner Struktur ihm Antigencharakterverleihen oder durch Fehlbildung von Antikörpern.Ähnliche Mechanismen liegen vielen Fällen von erworbenerhämolytischer Anämie, Thrombopenie oder Agranulozytose,erber wahrscheinlich auch der diffusen Glomerulonephritisund anderen Organkrankheiten zugrunde.Unspezifische humorale Abwehrfunktionen sind an bestimmteenzymartige Proteine mit bakterizider und zytolytischer Wir-kung gebunden. Die seit langem bekannte bakterizide Akti-vität des Serums und der Körperflüssigkeiten gegen be-stimmte Keime ist wenigstens zum Teil durch seinen Gehaltan Properdin erklärt, das auch Viren zu inaktivieren vermag,Protozoen und abnorme Erythrozyten abbauen kann.Das nur im frischen und nicht inaktivierten Serum nachweis-bare Komplement besteht aus mindestens vier fermentarti-gen Komponenten, die als C'1, C'2, C'3 und C'4 bezeichnetwerden und sich durch bestimmte Eigenschaften unterschei-den. Neuerdings wurde durch MÜLLER-EBERHARD ein Fak-tor C'O gefunden. Zusammen mit Antikörpern wirkt Komple-ment phagozytosesteigernd und als zytolysierendes Prinzip.In der Pathogenese einiger Krankheiten wie der Serum-krankheit, der akuten Nephritis und dem viszeralen Lupuserythematodes spielt das Komplement offenbar eine wich-tige Rolle. Properdin sol! für die Resistenz gesunder Men-schen gegen einige bestimmte Mikroben und vielleicht so-gar gegen bösartige Geschwülste verantwortlich sein.Bei Krankheiten des Menschen ist die Höhe des Properdin-spiegels sehr unterschiedlich. Im allgemeinen sinkt er imBeginn einer Infektionskrankheit stark ab, um sich im wei-teren Verlauf wieder auszugleichen.

Die Überlebensrate einer Einsaat von Coli-Bakterien ist ineinem properdinfreien Serum um ein Vielfaches größer, alsin einem Normalserum.Im Hinblick auf unsere ärztliche Aufgabe, die Behandlungvon Kranken und von Krankheiten, dürfen wir zusammen-fassen, daß die Übertragung von Blut oder Plasma und da-mit von Blutzellen, Plasmaproteinen, Komplement, Proper-din und Antikörpern, die intravenöse Applikation vonGamma-Globulin bei Agammaglobulinämie oder bei In-fektanfälligkeit anderer Genese eine Therapie auf der

Grundlage der körpereigenen Abwehrfunktionen ist. In die-sem Sinne ist auch die aktive Immunisierung als prophylak-tische Maßnahme und die therapeutische passive Übertra-gung antikörperhaltigen Serums zu werfen.Vor der Besprechung der noch sehr problematischen Mög-lichkeiten einer unspezifischen Aktivierung zellulärer undhumoraler Abwehrreaktionen sollen das Fieber und seinepathogenetischen Mechanismen behandelt werden. Es istunbekannt, ob die Erhöhung der Körpertemperatur einervernünftigen Reaktionsweise etwa mit dem Ziel der Steige-rung des Stoffwechsels und enzymatischer Prozesse ent-spricht, oder ob es sich nur um eine Begleiterscheinung an-derer Reaktionen handelt.' Jedenfalls kann man im experi-mentellen Fieber die Körpertemperatur konstant halten undtrotzdem alle anderen Reaktionen in anscheinend vollerStärke auslösen.

Fieber entsteht aus sehr verschiedenen Ursachen, durchlokale oder allgemeine Infektionen, durch Blutungen, Ge-schwülste, hämolytische Krisen, Gewebstraumen usw. An dernervösen Steuerung der Körpertemperatur durch hypothala-mische Zentren besteht kein Zweifel. Beim Studium der Fie-bergenese hat sich aber herausgestellt, daß pyrogene Sub-stanzen wie die Endotoxine gramnegativer Bakterien erstüber die Passage der Phagozyten zur Entstehung endogenerFieberfaktoren führen, die erst ihrerseits an den die Körper-temperatur regulierenden Zentren angreifen.Nach Infektion eines bakteriellen Endotoxin setzt die Tem-peratursteigerung nach sehr charakteristischer Latenzzeit ein.Nach initialer Granulozytopenie im Blut kommt es zu einerGranulozytose, an Erythrozyten und besonders an den Gra-nulozyten sind Veränderungen der Zelloberfläche zu beob-achten, die sich in vorübergehend veränderter elektrophore-tischer Wanderungsgeschwindigkeit der Zellen ausdrücken.Zugleich ist ihre Phagozytoseaktivität gesteigert.Nach Übertragung des Blutes eines solchen Menschen aufeinen zweiten Menschen oder nach Injektion menschlichenBlutes, das mit bakteriellem Endotoxin inkubiert wurde, ent-steht mit sehr viel kürzerer Latenzzeit ebenfalls Fieber.Offenbar ist im Organismus bzw. im Blut ein neuer Fieber-faktor entstanden, der sich durch kürzere Latenzzeit undandere Eigenschaften von der Fieberwirkung bakteriellerEndotoxine unterscheidet. Quelle dieses endogenen Pyro-gens sind offenbar die Granulozyten des Blutes.Bei seiner Entstehung dürften die genannten elektrischenVeränderungen ihrer Oberfläche eine Rolle spielen, dennnach Injektion von endogenem Fieberfaktor sind solche Ver-änderungen nicht zu beobachten.

Bakterielle Endotoxine sind hinsichtlich ihrer Wirkungen beiMensch und Tier besonders gut untersucht. Die wirksameMinimaldosis und die Letaldosis liegen vieltausendfach aus-einander. Neben Fieber und Auswirkungen auf die Zahl,Funktion und Oberflächeneigenschaft der phagozytierendenGranulozyten kommt es zur Aktivierung des fibrinolytischenSystems, zur Steigerung des Properdingehaltes des Serumsund zu erhöhter Resistenz gegenüber Infektionen.Dem Anstieg des Serum-Properdin-Titers geht aber ein vonDosis und Ausgangslage abhängiger deutlicher Abfall mitverminderter Resistenzphase vorher. Es ist deshalb nicht ein-fach, sich diese Wirksamkeit bakterieller Endotoxine mittherapeutischem Ziel nutzbar zu machen. Immerhin entsprichtdie gute Wirkung der Fiebertherapie bei tertiärer Lues, beiden chronischen Formen des Gelenkrheumatismus, bei Er-frierungen, bei experimenteller Tuberkulose, bei Throm-bosen und anderen Prozessen klinischer und experimentellerErfahrung. Es ist aber sehr fraglich, ob die Pyrogenität alssolche die Wirksamkeit solcher Substanzen ausmacht. DurchUnterdrückung des Fiebers mit Antipyretica oder mit Hor-monen der Cortisongruppe wird ihre Wirksamkeit jedenfallsnicht nachweislich beeinträchtigt.

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Die geschilderten Faktoren und Mechanismen der körper-eigenen Abwehr, celluläre und humorale Systeme, lassen diezentrale Bedeutung des phylogenetisch älteren zellulärenAnteils als Entstehungsort humoral wirksamer Substanzenerkennen. Die Differenzierung des mesenchymalen Systems,des Muttergewebes der Blutzellen und des RES in die ver-schiedenen Leukozytenarten und in die Histiozyten undfixen Retikuloendothelien entspricht einer Art Aufgaben-teilung. Das mesenchymal-leukozytäre Zellsystem ist das ge-webliche Substrat der Abwehrreaktionen. Ein die Zelle tref-fender Reiz führt auf nach unbekannte Weise zur Aktivie-rung von Kinasen, die ihrerseits enzymatische Reaktionen,z. B. Proteolyse, in Gang setzen, als deren Ergebnis Fak-toren die Zelle verlassen, welche als Vermittlersubstanzendie Gewebsreaktionen der Entzündung und Allgemeinreak-tionen wie Fieber und die Antikörperbildung bedingen. Indiese enzymatischen Reaktionen vermögen die Hormone derNebennierenrinde, aber auch Pharmaka mit sog. entzün-dungshemmender Wirkung wie Salizylate, Antihistaminicaund auch Heparin hemmend einzugreifen, andere hormonaleBedingungen wie Hyper- oder Hypothyreose vermögen siezu beeinflussen.

So hemmen ACTH und die Steroide der NebennierenrindeTaxis und Migration der Phagozyten, ihre Phagozytoseakti-vität, die Entstehung von Antikörpern, die Exsudation unddie Bildung von Granulationsgewebe. Fieber kann bisweilenschlagartig dadurch beseitigt werden. Die bekannten Ge-fahren der Ausbreitung bakterieller Infektionen unter derAnwendung solcher Hormone erklären sich teils durch Hem-mung der Granulozytenfunktion, teils ist die verminderte In-fektionsresistenz Folge der Depression der zirkulierendenAntikörper.Diese Situation muß zu großer Vorsicht und Kritik bei der

Anwendung sog. Reizkörper wie bei der von Nebennieren-rindensteroiden, Butazolidin und anderen entzündungs-widrig wirksamen Substanzen veranlassen. Nur wenn dieIntensität der Reaktionen für den Organismus von Nachteilist, ist ihre Hemmung berechtigt, wie andererseits gelegent-lich ihre Aktivierung erwünscht sein mag. Leider gibt esaber vorläufig keine Möglichkeit, Art und Intensität derReaktionen als Reaktionstypus mit einiger Sicherheit fest-stellen zu können, also Hinweise für die aktuelle Reaktions-oder Abwehrlage zu gewinnen.

Zusammenfassung:

Körpereigene Abwehr oder Resistenz bzw. Empfänglichkeitoder Disposition sind Ausdruck der Reaktionen des Ge-webes und des Organismus auf lokale und allgemeine Reizezur Erhaltung oder Wiedergewinnung seiner Integrität.Diese zellulären und humoralen Reaktionen werden in ihrerIntensität und ihrem Ablauf durch das vegetative Nerven-system, durch das Endokrinium und durch Faktoren desStoffwechsels beeinflußt. Die zellulären Reaktionen betreffendie Leukozyten des Blutes und die Phagozyten des retikulo-endothelialen Systems, die letztlich ebenfalls zellulär gebun-denen humoralen Reaktionen sind durch die Faktoren derunspezifischen sogenannten natürlichen Resistenz und dererworbenen Resistenz oder spezifischen Immunität gekenn-zeichnet. Die Bedeutung und Wirkungsmechanismen dieserFaktoren und die Gründe der relativen Urtiformitär dieserReaktionen werden diskutiert. Dazu werden die heute nochsehr begrenzten Möglichkeiten ihrer Beeinflußbarkeit be-sprochen.

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. E. FRITZE, Med. Klinik der Kranken-anstalten „Bergmannsheil", 463 Bochum

Rundgespräch über das Thema »Körpereigene Abwehr«Dermatologischer Beifrag

Aus der U n i v . - H a u t k l i n i k T ü b i n g e n ( D i r e k t o r : P r o f e s s o r Dr. med. W. Schne ide r )

Von H. F ischer

JJI der DermatoJogie liegt die Annahme einer mangelhaftenAbwehr besonders angesichts der meist chronischen undimmer wieder rezidivierenden Krankheitszustände durchsolche Eitererreger nahe, die als harmlose Saprophyten aufjeder Haut vorkommen, dann aber im Sinne der Individual-pathologie von GOTTRON aus teils übersehbaren, wiepostinfektiös oder beim Diabetes mellitus, meist aber auszunächst nicht übersehbaren Gründen die chemisch-fermen-tative und mechanische Barriere durchbrechen, pathogenwerden und dabei ganz verschiedenartige Krankheitszu-stände auslösen, wie die (streptogene) Pityriasis alba faciei,Impetigo contagiosa, chancriforme Pyodermien, Ekthyma undErysipel oder die tiefen Abszesse und Phlegmonen, oderaber die (staphylogene) Impetigo Bockhart und verschiedentiefreichende Follikulitiden einschließlich der des Barfes undNackens, Furunkel, Karbunkel und die Hidradenitis suppura-tiva.Sowohl bei Bakterien- als auch besonders bei Pilzinfekfionenführen die oberflächlich sich abspielenden Krankheitspro-zesse allenfalls zu einer Allergisierung der Haut. Zur Bil-dung von Antikörpern kommt es dagegen nur bei dentieferreichenden phlegmasischen Krankheitsformen mit aus-reichender Reizung des reticulohistiozytären oder des lym-phatischen Systems. Entsprechend sind sowohl der klinischeVerlauf als auch die therapeutische Beeinflußbarkeit ver-schieden.

Die Verhältnisse werden noch dadurch kompliziert, daß dieHaut andererseits ein wichtiges Erfolgsorgan allergischerReaktionen darstellt, das v. PIRQUET seinerzeit (1906) zurAufstellung des Allergiebegriffes veranlaßte.Eine Lücke in der Hautbarriere kann so beim Sensibilisiertenzu entsprechenden lokalen Abwehrreaktionen führen. An-dererseits vermögen offenbar aber auch auf dem Blutwegein die Haut gelangende Antigene Reaktionen auszulösen,wobei außer an Mikroben und deren Toxine immer wiederauch an herdeigene Auto- und Komplexantigene (i. S. vonWHITFIELD) gedacht wird.Im Rahmen des Mechanismus der körpereigenen Abwehr er-geben sich hier eine Reihe von Angriffsmöglichkeiten, indemdurch (spezifische) Vakzinierung oder (unspezifische) Reiz-körpertherapie eine Steigerung der Abwehrkräfte herbei-geführt werden soll, oder eine verstärkte Reaktionsbereit-schaft durch Desensibilisierung unterbunden wird. Durch all-gemeine Umstimmung sollen die Hypophysen-Nebennieren-achse aktiviert oder der vegetative Tonus beeinflußt werden.Eine unmittelbare Einwirkung auf das Gefäßnervensystembzw. die Endstrombahn läßt sich außerdem aber auch durcheine große Anzahl örtlicher Maßnahmen erzielen. Aus derFülle der gegebenen Möglichkeiten kann hier nur eine Aus-wahl angeführt werden.Die Behandlung bakterieller Hautkrankheiten mit V a k z i n e nist auch im Zeitalter der Antibiotika nicht überflüssig gewor-

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den. Ist es doch bei dem chronisch-rezidivierenden Charak-ter mancher bakterieller Hautveränderungen wie der Furun-kulose oft weniger entscheidend, den augenblicklichen Krank-heitszustand zur Abheilung zu bringen, als Rückfälle übereine Steigerung der Abwehrkräfte zu verhindern (SCHNEI-DER). Erfahrungsgemäß können die Mischvakzinen des Han-dels (wie Staphar, Reoderm oder Vaccineurin) zwar hoheAgglutinin-, Präzipifin-, Opsonin- und Komplementbindungs-titer hervorrufen (MEYER), in ihrer Heilwirkung sind sie denAutovakzinen jedoch unterlegen. Die Anwendung erfolgt,was manchmal nicht genügend bekannt zu sein scheint,intramusculär mit steigenden Keimmengen von 2 bis 5 Mil!.bis etwa 10 bis 20 Mill. zweimal wöchentlich. In den tieferenHautschichten ablaufende Infektionen wie Sycosis barbae,Furunkel, Karbunkel, Phlegmonen, Schweißdrüsenabszesseoder bestimmte, stark pustulierende Formen der Akne aggre-gafa oder conglobafa sprechen im allgemeinen besser an alsoberflächliche Formen (REISS und PLATEK), die an sich schonohne wesentliche Beteiligung des Gefäßbindegewebsappa-rats ablaufen.

Die u n s p e z i f i s c h e T h e r a p i e mit dem Ziele einer all-gemeinen biologischen Leistungssteigerung im Sinne vonWEICHARDT wurde von der Dermatologie alsbald aufge-nommen und bildete schon im Jahre 1921 ein Hauptver-handlungsthema auf dem Kongreß der Deutschen Dermato-logischen Gesellschaft in Hamburg. Da es sich um eine Reiz-therapie handelt, so sind, wie SCHNEIDER betont, bei derpraktischen Anwendung nicht nur die Stärke des Reizes, son-dern auch die individuelle Reizbarkeit des Kranken und seineBereitschaft zur Reizbeantwortung gegeneinander abzu-wägen. Dies beinhaltet, daß zu vorsichtiges Vorgehen wir-kungslos bleiben, während ein zu starker Reiz auch zur Pro-vokation und Exazerbation einer Dermatose führen kann.Daraus wird ersichtlich, daß die Schwierigkeiten bei derpraktischen Handhabung vor allem in der Indikation sowiein der Wahl und Dosierung des Reizkörpers liegen, die je-weils dem Einzelfalle angepaßt sein sollen. Im allgemeinenwird man mit schwächeren Reizgaben beginnen, wenn mannicht überhaupt l o k a l e U m s t i mmu n g smaß n a h m e nvorzieht, die allerdings bis zu einem gewissen Grade aucheine Allgemeinwirkung haben können.

Sieht man hier von der Cignolin-Behandlung der Psoriasisab - die jedoch schon die ganze Problematik der Reizthera-pie offenbart, indem zu intensive Behandlung eine Ver-schlimmerung des Zustandes statt seine Heilung herbeiführt— so zählen hierzu in erster Linie die U. V.-Licht- und dieRöntgenbestrahlung. Dabei sei anhangsweise bemerkt, daßdie Wirkung durch gleichzeitige Medikation von Hypophy-senextrakt (Hyphibion) verstärkt werden kann, wie der Dok-torand A. KIRN auf Grund verschiedener Hautfunktionsprü-fungen an unserer Klinik auch objektiv nachgewiesen hat.Die auf FINSEN (1886) zurückgehende U V - B e h a n d l u n gder Hauttuberkulose stellt auch heute noch vor allem beiRecidiven eine wertvolle Ergänzung der Chemotherapie dar(GRAUL, KALKOFF, ZELLER). Die durchblutungssteigerndeWirkung wird besonders bei der Behandlung der Alopeciaareata ausgenützt. Da bei der heute üblichen Druckbestrah-lung mit der Kromayer-Lampe aber auch eine Zerstörungvon Gewebe zustande kommt, muß abgewartet werden, bisdie jeweilige Bestrahlungsreaktion abgeklungen ist. Insofernkann diese Methode auch ais milde Reizkörpertherapie z. B.bei inveterierfer Schuppenflechte gewertet werden. Zur loka-len Umstimmung hat sich uns die Quarzbestrahlung fernerganz besonders bei der Rhinitis vasomotorica bewährt, wo-bei die Wirkung auf die Endstrombahn für den therapeuti-schen Erfolg entscheidend sein dürfte (GOTTRON).R ö n t g e n s t r a h l e n in sogenannten Entzündungsdosen von100 r bis zur Aufsättigungsdosis von 450 r innerhalb vonzehn Tagen besitzen zweifellos eine deutlich schmerzstillende

Wirkung, die sich vor allem auch bei oberflächlichenThrombophlebitiden sehr günstig auswirkt. Den Einfluß aufdie Entzündungsreaktion bei Furunkeln und Karbunkeln, derz. T. angezweifelt wurde, konnte SCHNEIDER am Kranken-gut der Universitäts-Hautklinik Tübingen nunmehr auch stati-stisch sichern. Dabei hat sich gezeigt, daß der Erfolg ebensomit den hohen Stufen der Weichstrahlgeräte erzielt werdenkann. Auch bei der Bestrahlung von chronischen Ekzemen,oberflächlichen Mykosen sowie Strepto- und Staphyloder-mien, die nicht nässen, sind wir in den letzten Jahren zuneh-mend auf weichere Strahlenqualitäten übergegangen. We-niger gut sprachen chronische Paronychien an. Bei Herpes-simplex recidivans empfiehlt SCHIRREN ebenfalls Rö-Be-strahlung mit 150 bis 200 r an zwei aufeinanderfolgendenTagen auf dem Höhepunkt der Erscheinungen.Auf größere Hautflächen angewandt, stellen Röntgen- undUV-Strahlen auch eine a l l g e m e i n e R e i z t h e r a p i e dar,die sich in Form der Ron tg en -Fern bes t ra h lu ng mitungefilterten Weichstrahlen in kleinen Einzeldosen von 30bis 50 r (GHWT = 1-2 mm) jeden zweiten Tag bei generali-sierten Ekzemen und seborrhoischen Erythrodermien bewährthat, desgleichen bei Liehen ruber generaüsatus, wobei dierasche Beseitigung des Juckreizes besonders hervorzuhebenist.

UV-Bes t ra h 1 un gen dienen der Umstimmung bei allenFormen der Urticaria; seroresistente Luesfälle sprechen nachGOTTRON und SCHNEIDER nach vorheriger UV-Allgemein-bestrahlung auf antiluetische Kuren besser an, weshalb ingeeigneten Fällen an diese Möglichkeit gedacht werdensollte. Auch beim chronisch-rezidivierenden Erysipel, daseiner Behandlung mit Antibiotika nicht mehr zugänglich ist,kann eine tägliche UV-Bestrahlung wirksam sein und dieWeiterbestrahlung nach Abklingen des Schubes mit Sube-rythem-Dosen eine Terrain-Umstimmung bewirken. Es er-scheint nicht bedeutungslos, daß die Psoriasis, die im Rah-men der Reizkörpertherapie immer wieder als Indikationauftaucht, auf UV-Bestrahlung in geeigneter Dosierung an-spricht.

Die Domäne der a l l g e m e i n e n R e i z k ö r p e r t h e r a p i emit dem Ziel einer vegetativen Gesamtumschaltung sind inder Dermatologie indessen wiederum die bakteriellen Haut-krankheiten, bestimmte Formen des mikrobiell-seborrhoischenund des endogenen Ekzems, juckende Dermatosen und ins-besondere Pruritus- und Prurigoformen und nicht zuletzt dieUrticaria, die in ihren chronisch-rezidivierenden Erschei-nungsbildern nur in den seltensten Fällen auf einer spezifi-schen überempfindlichkeit beruht. Am Rande seien als Indi-kationen ferner erwähnt die chronischen unspezifischen, kon-gestiven Urethritiden und Adnexerkrankungen der männ-lichen Generationsorgane, während die Gonorrhoe heutemit Penicillin geheilt werden kann und deshalb als Indikationausscheidet.

In der Sulfonamidära stellte die Fieberbehandlung dagegenoft eine wertvolle Ergänzungstherapie dar, mit der es ge-lang, auch resistente, chronische Fälle noch einer Heilungzuzuführen.Bei der F i ebe r be ha n d I u n g , die F. FEHLEISEN aufGrund einer Beobachtung von BUSCH (1866) schon im Jahre1883 bei inoperablen Tumoren durch Superinfektion mitErysipel angewandt hat (s. auch HUTH oder SELAWRY:450 gesicherte Spontanremissionen!), ziehen wir gereinigtesT e r p e n t i n nach KLINGMÜLLER den Wirkstoffen aus nichtpathogenen Bakterienstämmen der Coligruppe ( P y r i f e r )und anderen Eiweißhydrolysaten (Caseosan, Germastan,Hypertherman, Xifal-Milch) vor. Nach der intramusculärenInjektion von 0,5 bis 1 cem Olobintin in einer Konzentrationvon 40% kommt es mit der Ausbildung eines schmerzhaften,sterilen Infiltrates zu hohem Fieber mit Höhepunkt am drit-ten Tag. Vor Einleitung der Behandlung darf daher nicht

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vergessen werden, den Kranken entsprechend aufzuklärenund seine Einwilligung möglichst schriftlich einzuholen. Fürdie ambulante Praxis steht zehnprozentiges Olobintin zurVerfügung, die damit erzielbaren Reaktionen sind jedochwesentlich geringer.Die Wirksamkeit dieser Therapie beruht nach SCHNEIDERdarauf, daß dieser eiweißfreie, artfremde Stoff an seinemApplikationsort arteigene Eiweißkörper freisetzt. NachBOHNSTEDT wird ein bestehender Vagushypertonus durch-brochen und eine sympathicotone Reaktionslage herbei-geführt. Die Wirkung auf die Nebennierenrinde, die der desACTH entsprechen soll, kann allerdings durch Phenothiazinunterdrückt werden, was auf die Bedeutung des Nerven-systems hinweist. Im Rahmen der Fieberreaktion steigen Blut-zucker, Reticulozyten und Leukozyten an bei gleichzeitigemRückgang der Lymphozyten und Eosinophilen. Im Tierver-such lassen sich ein anaphylakfischer Schock und das Arthus-phänomen unterdrücken, während die ekzematöse Sensibili-sierungsreaktion mit Dinitrochlorbenzol unbeeinflußt bleibt(SCHULZ und PANSCHEREWSKI).

Im allgemeinen gelten neben chronischen Infektionen, ins-besondere wiederum den tiefen Pyodermien, die chronischenEkzemformen - und darunter auch u. U. vulgäre Ekzemeinfolge verstärkter Reaktionsbereitschaft - als bevorzugtesAnwendungsgebiet. Beim Schweißdrüsenabszeß verwendenwir auch heute noch gerne Terpichin mit gutem Erfolg, oberdie oben genannten Krankheitszustände hinaus habenBOHNSTEDT und WOEBER die Indikation als sogenannte„maximale Reiztherapie" auch auf schwere akute Ekzeme,toxisch-urticarielle und multiforme Erytheme ausgedehnt, wo-bei im Einzelfalle eine provozierende Wirkung aber nichtausgeschlossen werden kann. Zweifelhaft ist die Wirkungferner bei den habituellen recidivierenden Aphthen undbeim Herpes recidivans, der andererseits durch Fieber aberauch provoziert werden kann (Biotropismus). Als weitereIndikationsgebiete der Pyretotherapie werden schließlich nochder Liehen ruber planus, die Dermatitis herpetiformis unddie exsudative Psoriasis vulgaris angegeben. HERZBERGnennt im Anschluß an MEYER-ROHN als Indikationen dasendogene Ekzem, allergisch-ekzematöse Reaktionen, vor-wiegend deren nässende Formen, chronische Urticaria, Ure-thritis simplex, Ulcera cruris und die Neurolues.Ob indessen das Auftreten einer fieberhaften Reaktion zurErzielung einer vegetativen Gesamtumschaltung unbedingterforderlich ist, hat schon WEICHARDT und neuerdings auchLÜDERITZ bezweifelt (s. a. WYRSCH und BRUNS). Dem-entsprechend läßt sich auch mit r e a k t i v e n E i w e i ß k ö r -pern aus Stoffwechselprodukten verschiedener apathogenerSpaltpilze (Omnadin) und sogar mit p f l a n z l i c h e n S to f -fen wie Echinacea- und Viscumextrakten (Echinacin, Esberi-tox, Influe oder Bifosept) bzw. Kombinationspräparafen,die etwa Fraktionen aus Compositen und Ascomyceten (Res-plant) enthalten, eine vegetative Umschalfung erzielen, wieteilweise in eigenen gemeinsam mit EMRICH und P. FISCHERdurchgeführten Untersuchungen bestätigt werden konnte.Auch für diese Stoffe gilt das Indikationsgebiet der Fieber-therapie, die durch sie teilweise sogar ersetzt werden kann.Mit Vorliebe verwenden wir diese Reizkörper bei mikro-biellen Ekzemen und ekzematisierten Stauungserythemen.Wenn nach langdauernder, oft jahrelanger Vorbehandlungmit kortikoidhaltigen Salben eine unbeherrschbare bak-terielle Superinfektion die Fortsetzung dieser Therapie un-möglich macht und die Haut dann derartig reizbar ist, daßjegliche differentere Lokaltherapie zu flächenhaft nässendenReaktionen mit Streuung auf Stamm, Gesicht und Extremi-täten führt, versuchen wir mit diesen pflanzlichen Reizkör-pern die Wiederherstellung einer normalen Hautreaktion zubeschleunigen.Mit KÖRTING und RASP sind als weiteres Anwendungs-

gebiet die großflächigen Formen der Psoriasis vulgaris zunennen und alle Formen der Psoriasis arthropathica, die ofterstaunlich gut ansprechen.Die Wirkung von Mistefextrakf (P/enoso/j a/s einem weiterenpflanzlichen Reizkörper auf den Alterspruritus hält KÖR-TING fernerhin für so spezifisch, daß er bei Nichtansprechenin jedem Falle nach einer anderen, organischen Ursachedesselben sucht.Eine weitere milde Form der Reizkörpertherapie ohne obli-gate Fieberreaktion stellt schließlich auch die B l u t t r a n s -f u s i o n dar, die LINSER im Jahre 1911 bei einer Krankenmit Impetigo herpetiformis erstmals erfolgreich angewandthat. Die intramusculäre Behandlung mit E i g e n b l u t (bzw.Homoseran), als deren Vorläufer der Schröpfkopf geltenkann, wird in Abständen von mindestens zwei Tagen mitallmählich steigenden Dosen von 2 bis 10 cem durchgeführt.Bei Furunkeln, Karbunkeln und Schweißdrüsenabszessenkann diese Methode oft noch einen überraschenden Erfolgbringen, wenn andere versagt haben, jedoch sind die Er-gebnisse nicht sicher reproduzierbar, weshalb wir immergleichzeitig auch Antibiotika und Röntgenstrahlen an-wenden.

Bei der chronisch-rezidivierenden Urticaria verzichten wir infast keinem Falle auf eine zusätzliche Eigenblutbehandlung.KURNICK glaubt, mit gruppengleichem Blute (bzw. einerdaraus gewonnenen Leukozyten-Plasmasuspension) Des-oxyribonuclease-lnhibitor zuzuführen, womit er die günstigeWirkung bei manchen Fällen von Lupus erythematodes acu-tus erklärt.Eine Modifikation erfährt die Therapie mit Blut- bzw. mitPlasmaübertragung durch Verwendung von G a m m a - G l o -b u l i n als dem Träger der Antikörper des Blutes. An derKlinik konnten wir damit nach Versagen aller anderen Be-handlungsmethoden in einem Falle von schwerer Psoriasispustulosa zusammen mit Kortikoiden einen frappierendenErfolg erzielen, ferner bei einem hochfieberhaften Ekzemaherpeticatum auf einer Dyskeratosis follicularis (Morbus Dar-rier), in Verbindung mit einem Virostaticum (einem Derivatdes Bis-ureido-diphenylsulfons) den entscheidenden Um-schwung im Krankheitsverlauf herbeiführen. Einen günstigenEinfluß von Gamma-Globulin haben wir außerdem bei dreiKranken mit Aphthosis Touraine bzw. Behcetscher Krankheitgesehen.

Auf die frühzeitige Verabfolgung von Gamma-Globulinbei allen Mumpsinfektionen Erwachsener zur Orchitispro-phylaxe sei noch besonders aufmerksam gemacht, wie jaganz allgemein vor allem die Prophylaxe von Virusinfektio-nen die bevorzugte Indikation für Gamma-Globulin dar-stellt. Im übrigen sollen in diesem Zusammenhang die histo-rischen Übertragungsversuche von defibriniertem Blut in dassubeutane Gewebe bzw. in die Bauchhöhle, die von ZIEMS-SEN bzw. PONFIAK vor nunmehr fast schon 100 Jahrendurchführten, sowie die Transfusionsversuche BlERs vor Ent-deckung der Blutgruppenfaktoren durch LANDSTEINER imJahre T901 nicht unerwähnt bleiben, sowie die schon vorFILATOW oder gar BOGOMOLETZ von PAUL bezw.SCHWARZKOPF durchgeführten Behandlungsversuche mitMilz- bzw. Muskelextrakten. Indessen hat sich die Therapiemit den verschiedensten Gewebsextrakten, antireticulärenSeren und Organimplantationen in der Dermatologie nichtdurchzusetzen vermocht, lediglich bei der progressivenSklerodermie scheint sich ein günstiger Einfluß zu ergeben.Im Hinblick auf die Rolle der Übermittlungssubstanzen beider Sofortreaktion sowie beim anaphylaktischen Tierversuchwird neuerdings Globulin (Allerglobulin) übertragen, das sichdurch eine besonders gute Histaminopexie auszeichnet. Dieseist nach den Untersuchungen von WODNIANSKY im Blutevon Kranfeen mir allergischen Krankrterfserschernungen all-gemein verringert. Es kann jedoch noch nicht gesagt werden,

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ob eine Substitution oder eine Reizwirkung im VordergrundstehenGunstige Ergebnisse bei Urticana konnten im Anschluß anSCHNEIDER schließlich noch durch Injektion einer Kompiex-verbmdung von menschlichem Gamma-Globulin mit Hista-min (Histadestal) erzielt werden, insbesondere sprach einKranker mit einer ausgeprägten Kalteurticana überraschendgut anZusammenfassend kann festgestellt werden, daß die allge-meine und örtliche Reiz- bzw Umstimmungstherapie imRahmen der Dermatologie auch heute noch einen fest um-nssenen Platz im Therapieplan einnimmt Bevoizugt eignensich fast alle Formen des Ekzems, der Urticana und |uckendeDermatosen Dabei scheinen die allgemeine Umstimmungund die Wirkung auf die Endstrombahn im Sinne vonGOTTRON für den Behandlungserfolg oftmals entscheiden-der zu sein als eine evtl erfolgende Desensibilisierung oderdie Stimulierung der allgemeinen und spezifischen Abwehr-krafte Diese letztere Wirkung der Reizkorpertherapie istledoch bei der Bekämpfung der pyogenen Hautinfektionenoftmals nicht zu entbehren, zumal die Antibiotika geradebei diesen Krankheiten, die zahlenmäßig übrigens den Vor-kriegsstand nicht unterschritten haben, häufig nicht befrie-digen

Zusammenfassung:

Der Gedanke einer mangelhaften Abwehr liegt besondersbei den chronischen und immer wieder rezidivierendenKrankheitszustanden durch Eitererreger nahe, die als harm-lose Saprophyten auf |eder Haut vorkommen, dann aberplötzlich pathogen werden Die so entstehenden Krankheits-veranderungen können dabei — unabhängig von der Art derErreger — die verschiedenartigsten Krankheitszustande aus-losen, so daß gerade der Dermatologe immer wieder aufdie Bedeutung des Terrains sehr augenfällig hingewiesenwird Beim Sensibilisierren stellt die Haut aber auch einwichtiges Erfolgsorgan dar, so daß es sowohl durch äußereals auch durch innere Einflüsse immer wieder zu entspre-chenden Reaktionen kommen kann Der Therapie eroffnensich hier nun verschiedene Möglichkeiten Steigerung derspezifischen Abwehrkrafte durch Vakzination, Steigerung derallgemeinen Abwehrkrafte durch allgemeine Umstimmung(Fieber etc), Desensibilisierung sowie Einflußnahme auf dieEndstrombahn, wofür sowohl allgemeine als auch lokaleMaßnahmen zur Verfugung stehen

Die Bedingungen zur Anwendung der verschiedenen Maß-nahmen werden nun im einzelnen erläutert, wobei auf dieVakzine-Therapie, UV- und Rontgen-Bestrahlung, Fieber-Therapie, insbesondere die mit Terpentin, aber auch mitpflanzlichen Extrakten wie Echmacin oder Resplant, schließ-lich auch auf die Eigenblut-In|ektion naher eingegangen wirdAn letztere schließen sich noch Bemerkungen über die Thera-

pie mit Gamma-Globulin und die Anregung der Hista-minopexie mit Allerglobulm sowie die Desensibilisierung mitHistadestal anDas Indikationsgebiet erstreckt sich auf alle Formen desEkzems, die Urtikana und vor allem auf |uckende Dermatosen, daneben aber auch auf die pyogenen Hautinfektio-nen, bei denen die unspezifische Therapie auch im Zeitalterder Antibiotika einen festen Platz im Heilplan einnimmtEine neue Indikation ergibt sich für die unspezifische Thera-pie bei Krankheitszustanden, bei denen die Reaktionsfähig-keit der Haut durch langdauernde vorausgegangene Korti-koid-Behandlung so entscheidend verändert ist, daß nachAbsetzen der Kortikoide wegen unbeherrschbarer Super-mfektion keinerlei differente Therapie mehr vertragen wird

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SCHULZ K H , u D PANTSCHEREWS Kl Hautarzt 1959, 477SCHWARZMANN J S Munch Med Wschr 1931/11, 1565SELAWRY, B Zur Wirkung erhöhter biokmefischer Temperaturen auf ma

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WEICHARDT, W Munch Med Wschr 1904 Nr 1 u 48Munch Med Wschr 1921 365Arch Dermat Syph (Berlin) 138 (1922) 160Grundlagen der unspezifischen Therapie Berlin, Springer, 1936

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WODNIANSKY, P, u H TIRSCHEK Arch klin exp Dermat 211 (1960)WOEBER, K Hautarzt 4 (1953), 212WORINGER, P Bull soc Pediat Paris 31 (1933) 273WYRSCH R u O BRUNS Munch Med Wschr 1934, 1999ZELLER H Strahlenther 88 (1952) 462

Anschrift des Verfassers Privatdozent Dr H FISCHER, 74 Tubingen, Uni-versitafs Hautklinik

Fieber und Entzündungen

Aus der W e s e r b e r g l a n d - K l i n i k , H o x t e r

Von H L a m p e r t

Herr Prof FRITZE hat in seiner ersten Ubersichtstabelle diezwei Hauptreaktionen der Abwehr des Organismus auf-gezeigt

1 Die Entzündung 2 Das Fieber.Darüber gibt es keinen Zweifel Fragen wir uns, was darindie Hauptheilfaktoren sind, so ist es bei der Entzündungsicher die Hyperamie Schon BIER schrieb in seinem Buch„Hyperamie als Heilmittel" über dieses Thema. Daraus folgt|a z B, daß man einen Kniegelenkerguß nicht mit kaltenUmschlagen, sondern mit heißen behandeln soll — mitWarme, nicht mit Kalte

Hinsichtlich des Hauptheilfaktors im Fieber wird Herr FRITZEvielleicht nicht meiner Meinung seil Ich sehe den Haupt-heilfaktor des Fiebers in der Uberwaimung Wir haben dieHeilwirkung von artefizieller Überwärmung und von Fiebervergleichsweise untersucht Es zeigte sich, daß alle Blut- undSerumwerte, wie auch die harnchemischen Befunde gleicheReaktionen bei Fieber und Überwärmung aufwiesen DerUnterschied liegt beim künstlichen Fieber (z B. mit Pynfer)nur dann, daß wir erst einen schädigenden Reiz setzenmüssen, auf den hin dann Fieber als Reaktion auftritt, dasder Abwehr dient Diese nützliche Abwehrreaktion kann man

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mit einfachem heißen Wasser erzielen, ohne die Schädigungdurch reaktionsausiösende Fremdstoffe in Kauf nehmen zumüssen.Auch durch das Überwärmungsbad tritt - wie Herr FRITZEzeigte - immer erst die Zellreaktion ein. Wenn diese nichtgenügt, kommt die humorale Abwehr hinzu.Zu meinen Erlebnissen aus meiner Assistenzzeit gehört einPatient, dem wir wegen Agranulozytose Blutübertragungenmachten, um die Leukozytose zu steigern. Das gelang zwar,aber der Pat. verstarb trotzdem, weil es uns nicht gelang,seine allgemeine Abwehr zu wecken, die erst kommt, wenndie zelluläre Abwehr nicht genügt.So erinnere ich mich auch des Feldwebels, der mir mitPneumonie ins Feldlazarett eingeliefert wurde, die mit derMaximaldosis der damals erhältlichen Sulfonamide behan-delt worden war. Er war zwar nach sieben Tagen entfiebert,aber sein Puls blieb bei 120, er hafte kalten Schweiß aufder Stirne und kollabierte. Wir griffen nicht etwa zur Stro-phantin-Spritze, sondern legten ihn in ein auf 39° aufstei-gendes Überwärmungsbad. Als ich ihn nach 3A Std. heraus-nehmen wollte, bat er mich, ihn noch darin zu lassen: Erhabe sich seit einer Woche nicht mehr so wohl gefühlt.Nach zwei weiteren ansteigenden Bädern war die Pneu-monie überstanden.Ihre großen Triumphe feierte die Überwärmungstherapie beiden schweren Fleckfieberepidemien an der Ostfront. Bei derzweiten dieser Epidemien arbeiteten wir in Konkurrenz zueinem mit gewöhnlichen Mfftefn geführten Nachbarfazaretf.Während die Sterblichkeit in der von mir geführten Einheit6,7% betrug, erreichte sie bei der Nachbareinheit 60% unddarüber. Zieht man die sekundären Todesursachen ab undvergleicht nur die reinen, foudroiant verlaufenden Fleck-

fieberfälie, so stehen vier Todesfällen bei uns 24 in derNachbareinheit gegenüber, die vergleichsweise ähnlich be-legt war.Zwar ahnte man schon damals, daß Sulfonamide nur wirken,wenn die Abwehrkräfte gesteigert werden. Aber wie dieAbwehrkräfte steigern?!In der Überwärmung haben wir endlich etwas Steuerbares.Sie gestattet uns Fieber und Hyperämie zu erzeugen, ohneden Körper mit Fremdstoffen zu belasten und unter Erhal-tung der Möglichkeit, die Behandlung jederzeit abzubrechen.Es gibt amerikanische Statistiken über die vergleichsweiseWirkung von artefiziellem Fieber (Pyrifer usw.) und Hyper-thermie. Aus ihnen geht hervor, daß die Erfolgsrate etwadie gleiche ist. Hinsichtlich der Mortalität war jedoch diephysikalische Fiebererzeugung der Reizkörperbehandlungdeutlich überlegen. Gerade die feine Dosierbarkeif und Un-schädlichkeit macht die physikalische Behandlung auf die-sem Gebiet jeder anderen überlegen.

Unter physikalischer Hyperthermie erreichten wir Basaltem-peraturen bis 43,5°. Das ist mit Reizkörper-Behandlung garnicht darstellbar, ohne daß der Patient geschädigt wird,überdies erlaubt uns die leichte Dosierbarkeit der physika-lischen Hyperthermie die notwendige Anpassung an Krank-heitsverlauf und Konstitution des Patienten. Gerade dieleichte Steuerbarkeit macht aber unsere Methode auch emp-findlich - , zu empfindlich für einen Routinebetrieb mit Hilfs-personal, dem man keine Entscheidung über Konstitutionund Differenffafdiagnose zumuten kann. Für den Arzt ist eszeitraubender, ein solches Bad zu Seiten, als eine Spritze zugeben.

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. med. H. LAMPERT, Höxter, Weserberg-landklinik

Pädiatrischer Beitrag

Von P. Fr ick

ich bin ein einfacher, schlichter Kinderdoktor. Als solchermöchte ich von der ebenso schlichten Tatsache ausgehen,daß Kinder meist „so oder so" gesund werden. Vielleichtist ihre körpereigene Abwehrlage besonders günstig. Wirbekommen oft Kinder zu sehen, deren Behandlung ganzanders begonnen hatte, als wir sie dann fortführten. Eskommt hier auf eine Fehldiagnose gar nicht so sehr an, espassiert so leicht nichts Irreversibeles, nicht Böses. Vielleichtist das Schönste an meinem Fach, daß Kinder nicht sterben,wie alte Leute es ja einmal müssen, sondern daß sie meistgesund werden. Deshalb können wir auch den Eltern leich-ter ihre Sorgen abnehmen. !n der Behandlung von Kindernmöchten wir daher gerne einen optimalen Weg gehen,einen Weg, der möglichst wenig Schädigungsmöglichkeitenin sich schließt. So wird man normalerweise nicht gleich „mitKanonen nach Spatzen schießen" und Sulfonamide oderAntibiotica einsetzen, wo es nicht nötig tut. übrigens habenwir früher die Bedeutung der Antibiotica vielleicht sowohlzur positiven wie zur negativen Seite hin überschätzt. Es hatsich nämlich erwiesen, daß die Verwendung von Penicillinmit einem sehr viel geringeren Risiko verknüpft ist, als dieBehandlung mit anderen Antibioticis.

Das Überwärmungsbad, das Herr Kollege LAMPERT mit gro-ßer Begeisterung empfiehlt, haben wir, etwas modifiziert, inunser Behandlungsrepertoire übernommen. Es ist oft eineBeglückung, sehen zu dürfen, wie ein hochfieberhaffes Krank-heitsbild sich nach einem Überwärmungsbad - und dazuvielleicht einem harmlosen homöopathischen Medikament —kritisch löst. Es ist zwar nicht immer so, aber man kann dochmit dieser segensreichen und nicht eingreifenden Maßnahmemanches erreichen, das sonst mit Chloramphenicol, Tetra-cillin o. ä. angestrebt wird.

Immer aber ist die erste Frage: Was liegt vor? Und dann:Wie komme ich damit am besten zuwege?! Nun möchteich zur Überwärmung doch noch einmal auf die Frage derKonstitution zurückkommen, die bereits anklang.

Das ist wichtig. Es gibt Kinder, die keine Überwärmung ver-tragen, die vielmehr selbst bei vorsichtiger ÜberwärmungKollapsneigung zeigen. Oft machen einen die Mütter schondarauf aufmerksam. Man bekommt langsam einen Blick fürso geartete Kinder, die sich schwer kurz beschreiben lassen.Und noch etwas: Die Steigerung der körpereigenen Abwehrsollte ja eigentlich vo r Eintritt der Krankheit betriebenwerden.

Ich möchte sagen: Die Steigerung der Abwehrkräfte gehörtin die Zeit der Prämorbidität, die beim Kind ja eindeutigsein kann: Empfindlichkeit des Rachenringes, Neigung zuAsthma, zu Blähungsbronchiolitis, die vom Hausarzt leichtals „schwere Pneumonie" diagnostiziert wird. Behandeltman hier mit Penicillin und Husfensäften, so kommt mannie zum Ziel.

Behandelt man im prämorbiden Stadium mit sanfter Reiz-therapie (z. B. Arsenicum homöopathisch), so spart man vielZeil, Mühe und den Elfern bange Sfunden. Diese Art ßron-chiolitis, die auf konventionelle Therapie so schlecht an-spricht, löst sich jetzt schnell und leicht. Diese Art Steigerungder körpereigenen Abwehr ist nicht am Platz bei akuten Er-krankungen. Ihre Domäne liegt vorher, im Stadium der An-fälligkeit. So gewinnen wir am Schluß dann gesundeKinder.

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. med. P. FRICK, 65 Mainz, Auf der Steig 6

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Pharmakologlscher Beifrag

Von H. J. Peter

Ich darf anknüpfen an das, was Kollege FRICK ausführte,daß der große Segen der körpereigenen Abwehr der ist,daß wir eingreifen können zu einer Zeit, wo „noch nichtsgeschehen" ist. In diesem Zusammenhang darf ich mir alsMikrobiologe den Hinweis auf die Schutzimpfung erlauben.Auch dies ist eine Maßnahme, die wir einsetzen können zueiner Zeit, wo „noch nichts geschehen" ist.Da möchte ich auch an Herrn LAMPERT anschließen, meineErlebnisse im 2. Weltkrieg sahen insofern anders aus, alswir bei der Luftwaffe jedenfalls in dem Sektor, in dem icheingesetzt war, rechtzeitig vorgesorgt hatten und fast eineganze Luftflotte mit Fleckfieberimpfstoffen versorgt hatten, sodaß wir praktisch keine Krankheitsfälle erlebten im Ver-gleich zu den Heereseinheiten, die sehr stark erkrankt warenund z. B. zur Bevölkerung in Ungarn, die sehr große Aus-fälle an Fleckfiebertodesfällen hatte.

Der Hinweis auf die Schutzimpfung kann im Rahmen derkörpereigenen Abwehr nicht fehlen. Selbstverständlich sinddie Maßnahmen, die Herr LAMPERT geschildert hat, z. B.das Uberwärmungsbad, hervorragend wie andere physika-lische Maßnahmen, die wir kennengelernt und die uns inder Kindheit sehr genützt haben.

Zum zweiten Male möchte ich an Herrn Professor FRICKanknüpfen: Herr Professor FRICK hat mit Individuen zuarbeiten, die also eine sehr hohe Abwehr haben.Der Chirurg hat das Unglück, manchmal mit Menschen zuarbeiten, die keine Abwehrleistung aufbringen können. Daswar das Thema eines ganzen Vormittags im vorigen Jahrauf dem Chirurgenkongreß in München, als über das ThemaHospitalismus gesprochen wurde.Wenn Patienten in die Klinik mit Carcinomen kommen, dannerliegen sie sehr häufig den im Hospital bereits grassieren-den Infektionen mit bestimmten Keimen, mit Colibakterienusw.Das ist wiederum ein Einsatzgebret der körpereigenen Ab-wehr. Der Arzt muß in diesem Fall die Menschen entspre-chend vorbereiten auf die Operation, evtl. sogar spezifischvorbereiten. Davon wird, glaube ich, beim Hospitalismusviel zu wenig Gebrauch gemacht: mit der Eigenvakzine,mit der Autovakzine, für diese HospHalkeime, um die Men-schen damit zunächst einmal zu immunisieren,überhaupt möchte ich, weil Herr Professor FRITZE bei seinerArbeit von Bakterien sprach, betonen, daß alle diese Maß-nahmen natürlich auch gegen andere Schädlichkeiten wirken.Denn wir wissen, was Professor FRITZE von der Zahnextrak-tion erzählte, daß viel häufiger als wir annehmen septischeZustände durch Bakterien im Körper passieren, die aberohne weiteres erledigt werden.

Ebenso wissen wir, daß beim Carcinom sehr häufig Schübevon Carcinomzellen die Blutbahn passieren, ohne daß Me-tastasen entstehen. Dies geschieht erst, wenn irgendwelcheFaktoren abgenommen haben und dann eine Ansiedelungder einzelnen Carcinomzellen erfolgen kann.Wir dürfen das Thema nicht abschließen, bevor wir nichtauf negative Seiten der körpereigenen Abwehr hingewiesenhaben. Das sind die Prozesse der Allergie, der Autoimmu-nisierung und der Rhesusimmunisierung. Auch das sindSchutzmaßnahmen, die der Körper einführt, und Sie wissen,zu welchen Zuständen die Allergie, die Anaphylaxie führenkann und zu welchen unbeeinflußbaren Erkrankungen dieAutoimmunisierung führt, oder in der Geburtshilfe die Rhe-susunverträglichkeit.

Wir haben heute noch keine befriedigenden Behandlungs-ergebnisse bei der Autoimmunisierung der Mutter gegen ihr

eigenes Kind. Die Versuche mit Cortisonabkömmlingen, dieVersuche von KATER mit Lecithin die Antikörper zu blok-kieren, sind meines Wissens alle fehlgeschlagen, so daß wirhier noch ein weites Gebiet der Forschung vor uns haben.Aus eigenen früheren Arbeiten darf ich vielleicht erwähnen,daß wir früher selber mit bakteriellen Eiweißkörpern, ausBakterien herausgelösten Entotoxinen oder auch mit Bak-terienkörpern gearbeitet haben. Mir ist als Mikrobiologedas Bakterium als ein solcher Reizkörper nicht sehr sympa-thisch. Wir haben mit solchen Reizkörpern gearbeitet, dieselber Bakterienkörper produzierten und wir haben bei Tie-ren diese Dosen vielfach intravenös angewandt. Hohe Anti-körpertiter, hohe Antigentifer das bedeutet, daß, wenn wirden Tieren dann abschließend einmal eine größere Dosisdieses Mittels geben, intravasal Aglutinate entstehen kön-nen. Fremdkörper sind — wie Sie alle wissen — nicht ganzharmlos und ich glaube ein Teil der schweren Zwischenfälle,der Todesfälle, die durch solche bakteriellen Reizkörper pas-siert sind, können auf Grund solcher Antikörperbildungen,die immer die Folge von antigenformenden Reizstoffen sind,entstehen. Wieweit die Verlefzbarkeit bei den Polysaccha-riden geht, die noch antigen wirksam sind, weiß ich nicht.Wir haben mit diesen Körpern nicht gearbeitet, haben aller-dings selbst solche Endotoxinlösungen hergestellt und habenin Selbstversuchen und bei andern Menschen sehr schwereZwischenfälle erlebt, so daß ich Angst davor habe.

Demgegenüber beschäftigen wir uns aber in letzter Zeit mitpflanzlichen Reizkörpern, mit Stoffen, die sicherlich auchPolysaccharidcharakter haben und die nun vor allen Dingenden großen Vorteil haben, daß wir sie nicht nur intravenösund intramuskulär, sondern auch oral verwenden können.Darin ist der große Vorteil zu sehen, daß selbst, wenn nochantigen wirksame Stoffe darin enthalten sein sollten, diesenicht zu einer hohen Antigenkörperbildung, nicht zu aller-gischen oder anaphylaktischen Zeichen führen können. Wirwissen, daß wir uns auch oral mit Bakterien immunisierenkönnen, aber die damit erreichten Immunisierungsgrade lie-gen weitaus niedriger, als sie bei einer subkutanen, intra-venösen oder intramuskulären Injektion erzielt werdenkönnen.

Wir selbst haben uns nun mit der Frage pflanzlicher Reiz-körper hinsichtlich der Messungen weiter beschäftigt, dennSie hörten ja, vor allem aus den Ausführungen von HerrnFRITZE, daß es im wesentlichen auf die Immunisierung an-kommt. Das hat Herr LAMPERT ebenfalls betont, daß alleVersuche immer denselben Mechanismus in Bewegung set-zen, daß die Form aber nur von der Dosis abhängt.

Wir selber haben also versucht, da zu messen und es liegenschon eine ganze Reihe experimenteller Arbeiten vor. Icherinnere an die ersten Untersuchungen von PFANNENSTIEL,der physikalische Reize auf den menschlichen Körper unter-sucht hat. Sein Schüler BÜSING hat mit dem pflanzlichenReizstoff Echinacin von Dr. Madaus Properdinspiegelsteige-rungen, spezifische Antikörperspiegelsteigerungen erreicht.Dasselbe haben wir mit dem Reizkörper der Firma Dr.Schwabe mi-J dem Respiant erzielt, wir haben allerdingsnicht Properdin, sondern das Komplement gemessen, aberdas Komplement und das Properdin stehen eng zusammen.Auch wir haben damit spezifische Antikörpersteigerungenerreichen können. Wir haben ferner pharmakologisch ein-wandfrei große Wirkungskurven des Resplant ermitteln kön-nen. Wir haben auf logarithmischem Papier aufgetragendosisabhängige Reaktionen erhalten, und damit sieht manalso, daß bei vorsichtiger Dosierung und bei größerer Er-

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fahrung es sehr wohl möglich ist, die Reize zu steuern.Unsere Untersuchungen bezogen sich auf den Umschlag derSegmentkernigen und der Lymphozyten, aber das haben wirgewissermaßen nur als Anzeige benutzt. Wir wissen ja vonHOFF, daß nach dem Umschlag der Leukozyten der weitereAbwehrmechanismus in Gang kommt. Wir wissen also sehrwohl, daß nicht die Leukozyten die eigentlichen Immunitäts-erzeuger sind, sondern die Lymphozyten vielmehr, die Plas-mazeflen, die Monozyfen usw.

Sie sehen also auch an diesen Meßergebnissen, daß esheute sehr wohl noch eine Aufgabe des Arztes ist, alle diesephysikalischen Reizmittel, oder chemischen, bakteriologischenoder pflanzlichen Reizmittel In der Hand zu behalten, dennvon seiner Kunst hängt es nun ab, die Ausgangslage deseinzelnen Individuums zu beurteilen und danach die richtigeDosis zu geben.

Anschrift des Verfassers: Prof. H.-J. PETER, 6 Frankfurt (Main), EschersheimerLandstraße 154

Psychosomatisches- Beitrag

Von Graf W i t t g e ns te i n

Zu dem Thema „Körpereigene Abwehr" sollen noch einigepsychoanalytische Bemerkungen gemacht werden. Ich möchtedazu nur von der „eigenen" — nicht speziell der körper-eigenen Abwehr des Menschen sprechen. Es ist kein Zufall,daß die Psychoanalyse damit begann, daß FREUD bei sei-nen frühen Untersuchungen der Neurosen zuerst deren Ab-wehrmechanismus erkannt hat und sie als „Abwehrneurosen"beschrieb. Zwölf Jahre später hat er die Hysterie und dieZwangsneurose als „Übertragungsneurosen" den narzisti-schen Phänomenen gegenüber gestellt. Damit waren die bei-den Grundhaltungen des menschlichen Dialogs: Abwehr undÜbertragung, oder, um mit Martin BUBER zu sprechen: Ur-distanz und Beziehung, erkannt.

Wie es eine körpereigene Abwehr gibt, kann man auch impsychischen Bereich die Abwehr als ein lebensnotwendigesPhänomen erkennen — weil der Mensch nicht allein in derWelt steht. Die klassische Medizin untersucht und behandeltden Kranken nach der Hypothese: Mensch ist gleich Indivi-duum — als ob er aJleine in der Welt stünde. Der Menschals Individuum ist ursprünglich eine theologische Vorstellung.Psychologisch und soziologisch zu Ende gedacht ist derMensch völlig unteilbares Individuum, d. h. völlig bezugs-loses Wesen nur wenn er stirbt — oder wenn er schizophrenist. Der gesunde Mensch dagegen ist ein ständig neu undanders bezogenes Wesen, m. a. W. ist ein in seine diversenBezüge teilbares Wesen, z. B. er ist Sohn, Mann, Ehemann,Vater, Geschäftsmann, Deutscher, Christ usw. Er sehnt sichnach Beziehungen und muß sich gegen gefährliche Be-ziehungen wehren, es sei denn, er er/ebf sich — wie einSchizophrener — in einer Subjekt-Objekt-Einheit.

Wenn wir aus diesen Überlegungen die Konsequenz ziehenwollen, so ergibt sich als nächste Frage: Darf man dasLeiden eines Menschen einfach — als Krankheit — angehen,oder ist das Leiden — als Kranksein - auch eine Antwort desBetreffenden an die Welt, mit der er nicht fertig wird, weilihm die genügende Abwehr fehlt? Im körperlichen Bereichsucht man diese Abwehr z. B. durch eine Behandlung vonEigenvaccinen zu fördern. Von unserer Sicht aus sollte mana u c h dabei fragen, was der Betroffene eigentlich abweh-ren möchte. Als Stichwort sei nur an den Heuschnupfen er-innert. Was muß er psychosomatisch abwehren, wogegenreicht seine Abwehrkraft nicht aus?

Erlauben Sie mir, das an einem psychiatrischen Problemmodellhaft zu erläutern. Die Forschung FREUDs fortfüh-rend, hat SCHULTZ-HENCKE den Versuch einer psycho-analytischen Behandlung der Schizophrenie beschrieben. —Inzwischen wurden eine ganze Reihe erfolgreicher Behand-lungen mitgeteilt. - Von psychiatrisch-kritischer Seife wurdeihm entgegen gehalten, daß es bekanntlich Spontanremis-sionen gebe und es sehr viel wahrscheinlicher sei, daß erder Psychotherapie zuschreibe, was der Patient spontan-remittierend selbst gemacht habe. An dieser Kritik ist ebensoviel richtig wie unrichtig. Es hat sich bei den analytischenUntersuchungen der schizophrenen Abläufe erwiesen, daß

der Kranke weder eine Bezogenheit erleben kann, nochüber genügend Abwehrmechanismen verfügt. Er empfindetsich bestenfalls von der Welt entrückt. Ein Teil des para-noischen Verfolgungswahns z. B. ist letztlich der Wunschnach Beziehungen, die er nicht erleben kann. Die bekann-ten überschwelligen Aggressionen andererseits sind, ausAngst entstandene, ungekonnte Abwehrversuche. Die psy-choanalytische Behandlung versucht nun, den Weg derSpontanremissionen nachzuvollziehen. Als Hypothese dientu. a. das Modell des gesunden Menschen, der adäquat aufdie Forderungen der Welt reagieren kann, und des geistes-kranken, der nicht adäquat reagiert, weil er weder übergenügende Beziehungs- noch Abwehrmechanismen verfügt.Die tiefste und gründlichste Störung des Menschen ist dieSchizophrenie. Die anderen Formen, wie das Manisch-Depressive und die später sich entwickelnden Neurosen,zeigen eigentümliche Akzentsetzungen ihres zwischenmensch-lichen Verhaltens. Am stärksten bezogen erlebt sich derDepressive. Die intensivsten Beziehungen setzt der Hysteri-ker - unter dem seine Umwelt am stärksten bezogen leidenmuß. Die meisten Abwehrmechanismen kennt der Zwangs-neurotiker. Gelingt die analytische Behandlung, dann kannder Schizophrene Abwehrmechanismen - wie ein Zwangs-kranker - aufbauen. Zum anderen wird es ihm möglich sein,nicht nur pathologisch bezogen zu sein, sondern auch selbstzu einem Objekt Beziehungen zu setzen, bei denen er sichselbst als Subjekt erleben kann.

Im Rahmen der Entwicklung ist - das sei zum Schluß nocherwähnt - auch die Vorstellung des Menschen als Indivi-duum eine Durchgangsstufe. Ihr folgt, wie ich glaube, dieVorstellung von dem Menschen als sozialem Wesen, umletztlich den Menschen als dialogisches Wesen erkennen zukönnen, wie es Martin BUBER gezeigt hat.

Ich nehme an, daß diese Entwicklungsreihe historisch ebensodeutlich wird, wie sie ontogenetisch sich abzeichnet. Histo-risch stehen wir heute — in Mitteleuropa - auf der Wendevon der Individualvorstellung zu einer Sozialvorstellung desMenschen. Dieses nicht einsehen zu können, ist auch einAbwehrmechanismus.

Wer sich von der Notwendigkeit der Abwehrmechanismenein Bild machen möchte, den möchte ich auf ein sehr lesens-wertes Buch verweisen. Konrad LORENZ, der bekannte Ver-haltensforscher, hat über „Das sogenannte Böse" geschrie-ben. Zu unserer Beruhigung, daß auch die menschliche Ent-wicklung noch weitergeht, als man es heute schon übersehenkönnte, schreibt er etwa: Seit Darwin suchen wir das missinglink zwischen Affen und Menschen. LORENZ meint, daß wirdas so lange vergeblich suchen werden, bis wir merken, daßwir das sind.

Anschrift des Verfassers: Dr. Graf WITTGENSTEIN, Facharzt für Nerven-leiden (Psychotherapie), München 23, Königinstraße 101, Tel. 361673

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Schlußwort

Von E. F r i t z e

Es war meine Aufgabe, mich mit den biologischen Me-chanismen der körpereigenen Abwehr zu befassen und des-halb habe ich auch ausdrücklich die Krankheit als Erlebnisbetont ausgenommen. Es war auch nicht meine Aufgabe,und ich möchte auch diesen Eindruck nicht erweckt haben,etwa die Fiebertherapie als Therapie dargestellt zu haben.Ich habe dieses Phänomen Fieber als Beispiel der einen Re-aktion und ihrer Auslösbarkeit mit bakteriellen Substanzengeschildert.Ich bin sehr wohl der Meinung, daß die Überwärmung aufphysikalisch behandelndem Wege eine Beeinflussung dervon mir geschilderten biologischen Phänomene bedeutenkann. Was hier durch die Erhöhung der Körpertemperaturzustande kommt, ist die Hyperämie, und zwar eine Hyper-ämie, die - ich möchte einmal sagen, passiver Art ist. Imübrigen wissen wir, daß aktive Erzeugung einer Hyperämie,wie sie meinetwegen in der Muskelarbeit zu sehen ist, im-mer für den Organismus eine Übung seiner Funktionen be-deutet, nicht nur für die Muskulatur, wie ich hier einflechtendarf, sondern z. B. auch für die Funktion eines solchen Zen-tralorgans der Abwehr, wie es die Milz darstellt. Zum Bei-spiel ist die Milz anatomisch bei Menschen als weiße undrote Pulpa gekennzeichnet und es überwiegt beim Menschender weiße Anteil, das ist der Anteil, der dem Abwehrmecha-nismus im Sinne der Antikörperbildung usw. entspricht. Derrote Anteil entspricht mehr dem der Eliminierung abnormerSubstanzen oder Zellen aus dem Blut, z. B. von metastati-schen und Carzinomzellen. Man weiß vom Tier, und zwarnur beim wild lebenden Tier, daß die Milz eine solide ak-tive Muskulatur hat. Man folgert hieraus, daß diese beimMenschen und domestizierten Tier wohl verlorengegangenist und daß der Mangel an körperlicher Belastung offenbardafür verantwortlich ist, daß die Abwehrfunktion der Milzim Sinne der Blutreinigung, der Eliminierung abnormerZellen usw. beim Menschen so leicht versagt,in dem Sinne verstehe ich die Hyperämie gegenüber derÜberwärmung als eine Art übungs- und Trainingstherapie,solange das Herz und der Kreislauf — wie es hier auch nocherwähnt worden ist — vertragen.Im übrigen bin ich sehr wohl der Meinung von Herrn FRICK,daß man bei Kindern, aber auch sonst die Selbstheilungmöglichst ein wenig schüren sollte und ich hoffe, daß das.mit meinem Appell gegen die Anwendung von Sulfonami-den, cortisonähnlichen Mitteln usw. erreicht wird. Reiz-therapie und die Antibiotica, so meine ich, gehören zusam-men beim Aufbau der körpereigenen Abwehr, wenn nichtsogar umgekehrt.Zu den überwärrnungsbädern beim Fleckfteber vermag ichnichts zu sagen. Es ist ja immer schwer, zwei therapeutischeReize zu vergleichen und wir wissen, daß bei echten Placebo-versuchen (Doppeltblindversuch) immerhin auf der Placebo-seite noch 30% positive Erfolge sind. Und vielleicht warenSie nur ein besserer Arzt auf der einen Seite, als der Kol-

lege auf der anderen Seite. Das vermag ich nicht zu ent-scheiden.Beim Asthma ist sicher Verbesserung der Abwehrlage nötigund bei ähnlichen Krankheitsbildern ebenso, besonders beiKindern und Jugendlichen. Bei ihnen ist die Behandlung derErkrankung, die wir betreiben, sicher eine vernünftige Maß-nahme. Ob das medikamentös möglich ist, kann ich nichtsagen, weil mir die Erfahrungen fehlen. Aber sicher ist esmöglich, indem wir die Funktionen der Kinder, der Men-schen üben durch Training, körperliches Training in jederForm und im weitesten Sinne. Gemeint ist die Abhärtung.Genauso messe ich der Möglichkeit, drohende Krankheit zuunterbinden, eine außerordentliche Bedeutung zu und ichglaube, daß wir uns alle hierüber einig sind. Immunisierungklar, und ich hoffe, daß ich genügend darauf hingewiesenhabe, daß das eigentlich angewandte Abwehrmechanismensind. Denn daß diese Mechanismen, die Sie dargestellthaben, nicht auf die bakterielle Infektion begrenzt sind,hoffe ich gezeigt zu haben. — Aber es fehlte der zeitlicheRaum, um auf die Bedeutung der Carcinomentstehung unddergleichen einzugehen, wobei aber zu bemerken ist, allzu-viel weiß man noch nicht, aber z. B. eins: Die Überpflan-zung von Tumoren, es gibt solche heroische Versuche nochnicht bei uns, die Überpflanzung von Tumoren auf Menschengelingt nur auf folche Menschen, die selbst Carcinome haben,bei denen sie, glaube ich, andeuten, daß der Serumproper-dintiter aus irgendeinem Grunde, vielleicht infolge des Carci-noms, sehr überwiegt. Bei gesunden Studenten gelang es nicht,solche Tumoren zum Angehen zu bringen. Auch die Auto-aggressionskrankheiten kennen wir alle, das ist die unerfreu-lich aktivierte Abwehrfunktion, die habe ich nur kurz an einemBeispiel andeuten können. Aber erytropenische Anämien undselbst der Rheumatismus scheint ja nichts anderes als solcheine übersteigerte Abwehrfunktion gegen Enzyme zu sein.

Nun noch ein Wort — ich sagte, ich habe mich mit der Fieber-therapie angelegt, ich meine sogar, daß wir zu wenig überdie vegetativen Vorphasen z. B. um die loseste Zeitabhän-gigkeit, die Westenfaschenpolysaccharide, dieEndotoxine usw.wissen. Es gibt sie chemisch rein und ich bin der Meinung,wenn man schon solche Substanzen anwendet, daß mandann diese Nebenprodukte und nicht die Bakterienteilchen,wie sie in vielen Präparaten vorhanden sind, nennen sollte.Sie sind noch antigen, aber ihre Antigenität ist sehr gering.Ich habe keine anaphylaktischen Erscheinungen hierbei er-lebt, im Gegenteil, es gibt das sogenannte Toleranzphäno-man, das ist etwas anderes als Immuntoleranz. Das Toleranz-phänomen erlaubt eine Gewöhnung an diese Substanzen.Die niedrigste fibrogene Dosis beim Menschen liegt etwabei 0,1 Gamma dieser Substanz, das ist außerordentlichwenig. Je häufiger man sie anwendet, desto größer ist dieerforderliche Dosis.

Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. E. FRITZE, 463 Bochum, Hunscheidtstraße 1

A u s d e r R h e u m a k l i n i k u n d d e m p h y s i k a I i s c h - b a ! n e o I o g i s c h e n

( C h e f a r z t D r . N . F e l l m a n n )

I n s t i t u t L e u k e r b a d / S c h w e i ;

Klinischer und sozialer Aspekt stationärer Kurheilverfahrenbei rheumatischen Erkrankungen in der Schweiz

Von N. F e l l m a n n

Die rheumatischen Erkrankungen sind im Begriff, in Europazur verbreitetsten, teuersten und, wie kürzlich die Weltge-sundheitsorganisation feststellte, auch in die Gruppe der ammeisten vernachlässigten Krankheiten vorzurücken. Wenndie Äußerung der Weltgesundheit etwas übertrieben er-

scheint, so müssen doch die Häufigkeit und vor allem diegroßen sozialen Auswirkungen der rheumatischen Erkran-kungen auch für die Schweiz bestätigt werden. So kamBACHOFNER im Rahmen einer Regionaluntersuchung imWeißtannental mit einer Rheumabelastung von 35% der

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männlichen und 23% der weiblichen Bevölkerung geradezuauf aufsehenerregende Zahlen. Nicht weniger eindrücklichist der Anteil der Rheumamorbidität an der Gesamtmorbi-dität, schwanken doch die entsprechenden Zahlen für schwei-zerische Verhältnisse zwischen 5,5 (BRUCH) und 12,9%(BELART). Diese Zahlen werden in soz i a 1 w i r t s ch a f t-I ich er Hinsicht noch unterstrichen durch eine Mitteilungvon ZASLAWSKI, der den Rheumaanteil an den Pensionie-rungen der kantonalen Invalidenfürsorge Basel mit 16,6%angab, aber auch durch die Tatsache, daß schon im Jahre1930-1935 BRUCH eine Rheumabelastung von Fr. 55,- proKopf der Bevölkerung und Jahr oder eine jährliche Gesamt-summe von 220 Millionen berechnete. BELART schätzt unterBerücksichtigung der Bevölkerungszunahme, der allgemeinenTeuerung und der Zunahme der allgemeinen Erwerbsfähig-keit nach dem 65. Altersjahr die gleichen Ausgaben heuteauf 500 Millionen Schweizerfranken.

Diese Tatsache veranlaßte uns, schon seit Jahren, die Be-kämpfung der rheumatischen Erkrankungen voranzutreibenund einige unserer schweizerischen Kur- und besondersBadekurorte in einem vernünftigen Maß zu spezialisieren.Dies nicht deshalb, weil eine Änderung in der Wirkung derThermen oder des örtlichen Klimas eingetreten wäre, wohlaber weil für eine Idealrheumabehandlung den am Kurortvorhandenen diagnostischen Einrichtungen und den erfor-derlichen, nicht ortsgebundenen Heilmitteln neben denQuellen und dem Klima eine nicht unwichtige Bedeutung zu-kommt, denn nur der Einbau der Bäder- und Klimabehand-lung in einen Behandlungsplan, der alles umfaßt, was derheutige Stand der medizinischen Wissenschaft für die Be-kämpfung der rheumatischen Erkrankungen als nötig er-achtet, kann dem Patienten das geben, was er von einemKurheilverfahren erwartet, nämlich eine schnelle und an-haltende Genesung oder zum mindesten eine langdauerndeErleichterung. Anders ausgedrückt, bedeutet dies, daß einegeeignete Kurbehandlung rheumatischer Zustände nach einerKombinationstherapie verlangt, die sowohl medikamentöse,physikalische, balneologische und klimatische Maßnahmen,aber auch orthopädische Vorkehrungen umfaßt.

Im folgenden möchte ich daher versuchen

1. die kombinierten Kurheilverfahren zu schildern, die ge-genwärtig in der Schweiz bei der Bekämpfung entzünd-licher und degenerativer rheumatischer Erkrankungenüblich sind,

2. kurz die sozialen Aspekte einer Kurheilbehandlung streifen:

I. Therapeutische Maßnahmen bei stationären (Curheil-verfahren

Unter den e n t z ü n d l i c h e n R h e u m a f o r m e n spielenfür eine Kurbehandlung vor allem die p r i mä r - c h r o -n ische Po lya r th r i t is (pcP) und die S p o n d y l i t i sa n ky I o p o e t i ca (Morbus Bechterew) eine wesentlicheRolle während die Febr is r h e u m a t i c a viel seltener amKurort zur Behandlung kommt. Die pcP hat dabei wegenihrer Häufigkeit als Hauptkrankheit zu gelten. Es sollen da-her an ihr die Richtlinien für die Behandlung der ganzenGruppe dargelegt werden und für die übrigen Krankheits-gruppen nur das besonders Spezifische erwähnt werden.Dies ist um so eher gerechtfertigt, da die gleichen physi-kalisch-balneologischen Maßnahmen, die wir für die Be-handlung akuterer Schubsituationen der primär-chronischenPolyarthritis durchführen auch für die Febris rheumatica undfür die skandinavische Form des Morbus Bechterew mit ihrerGelenkbeteiligung gelten.

Die therapeutischen Hauptziele sind dabei eine intensiveSchmerzbekämpfung, Unterdrückung der Entzündung, Auf-rechterhaltung der Funktionsfähigkeit der befallenen Ge-

lenke, Verhinderung und Bekämpfung der Kontrakturen,Fehlstellungen und Ankylosen, Erhaltung der Funktionstüch-tigkeit der Muskulatur und last but not least der Bekämp-fung der Grundkrankheit soweit dies überhaupt möglich ist.

In der a k u t e n S c h u b p h a s e ist alles daran zu setzen,um die Entzündung und die Schmerzzustände soweit zu be-kämpfen, daß möglichst bald eine intensive Durchbewegungaller Gelenke verantwortet werden kann. Dies vor allemdeshalb, weil schon eine achttägige Ruhigstellung zu fibrö-sen Versteifungen führen kann. Entzündungsverminderungund Schmerzbekämpfung ist in der Regel bei der Febrisrheumatica leicht, weniger gut bei der primär-chronischenPolyarthritis und der skandinavischen Bechterewform zu er-reichen. Eine regelrechte L a g e r u n g des Patienten trägtmanchmal schon viel zur Schmerz- und Entzündungsbekämp-fung bei. Sie hat in Gebrauchssteilung mit möglichst ent-spannter Gelenkskapsel zu erfolgen. Große Ergüsse müssendaher abpunktiert werden, um den Bandapparat nicht über-mäßig zu überdehnen. Der Patient liegt möglichst flach. Umeine durch das Liegen hervorgerufene Fehlstellung zu ver-meiden, sei die Matratze nie zu weich. Kniegelenke sindnicht zu unterlegen, um eine Exfensionshemmung im Knie-and Rexrortskonrrakfurerr im Hüftgelenk zu verhindern. Starkbetroffene Schultergelenke werden mit Vorliebe in Abduk-lionsstellung gelagert. Sch ienen nach Maß aus Gips oderPlexiglas, vorwiegend nachts oder tagsüber stundenweiseangelegt, bekämpfen durch die Ruhigstellung die oft hefti-gen Schmerzen und bewahren vor Fehlstellungen. Unter denantiphlogistisch wirkenden physikalischen Maßnahmen habensich bei uns vor allem k a l t e Fa n g o p acku n g e n auf diebefallenen Gelenke besonders bewährt, die wir täglichmehrmals während 20 Minuten applizieren. Wir erwartenvon ihnen eine Herabsetzung des bei Entzündungsprozessengesteigerten Stoffwechsels. Unter dieser Behandlung könnenoft in wenigen Stunden die betroffenen Glieder wieder freibewegt werden. Nach Abklingen der ausgeprägten Schub-situation wird zu milderen hyperämisierenden Maßnahmengegriffen. Das Bindeglied zwischen der kalten Behandlungund der Wärmetherapie bildet der Pr i eß n i t z w i cke I mitseinem initialen Kälte- und dem anschließenden mildenWärmeeffekt. Er wird in der Regei solange belassen, biser sich erwärmt hat und ausgetrocknet ist. Dieses Vorgehenwird täglich mehrmals wiederholt. Führen die erwähntenphysikalischen Maßnahmen nicht zum Ziel, so versuchen wirsie vor allem unter Zuhilfenahme m e d i k a m e n t ö s e r Be-h a n d l u n g s m i t t e l zu ergänzen, sei es, daß wir Anal-getica und Antiphlogistica per os oder intramuskulär ver-abreichen oder Steroide intraartikulär in\izieren.

Nach Überwindung der akuten Phase kann ohne Gefahrmit der B e w e g u n g s t h e r a p i e eingesetzt werden. Auchsie ist nach der Aktivität des Gelenkprozesses zu dosieren,da überstarke Dehnungsreize erneut Gelenksexsudationenbewirken. Die Bewegungen sind langsam und schonend, an-fangs passiv unter Dehnzug, später aktiv durchzuführen. Un-mittelbar vor den Bewegungen durchgeführte milde Wärme-anwendungen führen über eine fefchfe Hyperämie zu er-wünschter zusätzlicher Linderung und Lockerung. Für dieprimär-chronische Polyarthritis und die Bechterewgelenkehaben sich bei uns vor allem Heublumenwickel, bei derFebris rheumatica Solewickel bewährt.Sehr früh sind, weniger bei der Febris rheumatica, daMuskelatrophien hier seltener auftreten als bei der primär-chronischen Polyarthritis und beim Morbus Bechterew iso-metrische Span nungs- und W / d e r s f a n d s ü b u n g e nin das Behandlungsprogramm einzuschalten, um die zurAtrophie neigende Muskulatur zu kräftigen. !n gleicher Rich-tung wirkt oft eine sorgfältig angewandte Fa r a d i s a t i o n .Um die Gehfähigkeit aufrechtzuerhalten, hat der Rheumati-

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ker bald, d. h. sobald die akutere entzündliche Phase ab-geklungen ist und der Herzbefund es bei der Febris rheu-matica erlaubt, sein Bett zu verlassen. Ist schon eine Geh-unfähigkeit aufgetreten, was häufig bei weiter fortgeschrit-tenen Fällen der primär-chronischen PolyarrhriHs und beiBechterewfällen mit Gelenksbefall beobachtet wird, so istalles daran zu setzen, eventuell unter Zuhilfenahme vonStöcken, den Patienten wieder gehfähig zu machen. Ist derGelenkprozeß schon ins fibröse Stadium übergetreten undbestehen Kontrakturen, Fehlstellungen, so wird Massage hel-fen, die fibrös veränderten Bezirke aufzulockern. Gelingt esunter intensiven h e i l g y m n a s t i s c h e n Ü b u n g e n nicht,eine entsprechende Mobilisafion zu erlangen, so schreckenwir nicht vom Anlegen von D e h n z ü g e n oder vor demQ u e n g e l n zurück. Aber auch die M o b i l i s a t i o n inN a r k o s e hat sich vor allem für die Schultergelenke, we-niger auch für die Kniegelenke bewährt, wie Tab. 1 zeigt.

Behcmdlungsergebm'sse mit der Mobilisation in Narkosebei primär-chronischer Polyarihritis

Art desGelenkes

Schultergelenke

Kniegelenke

Anz.derFälle

68

12

Therapieerfolg

sehr guter

41 = 60,2 %

2 = 16,67c

guter

22 = 32,3%

5 = 41,6%

mäßigerund keiner

5 = 7,3%

5 = 41,6%

Die B e s c h ä f t i g u n g s t h e r a p i e erweitert in diesem Sta-dium unsere Behand/ungsmöglichkeifen und führf, besonderswenn sie durch eine intensive Greifschulung unterstützt wird,wobei vor allem die im täglichen Leben vorkommenden Be-wegungen geübt werden (Wasserhahnöffnen und -schließen,Steckdosen und Schalter betätigen, Telefonieren etc.) zu gu-ten Resultaten. In dieser Disziplin gehen dann auch medizi-nische und berufliche Rehabilitation ineinander über. Letz-tere kommt in ihrer einfachsten Form durch die Verabrei-chung von S e l b s t h i l f e g e r ä t e n (Greifgeräfe, Hilfsmittelfür Strümpfeanziehen etc.) im stationären Kurbetrieb zurAnwendung.Mit ba I n eo I o g i s c he n K u r m a ß n a h m e n , die parallelzu obiger Behandlung durchgeführt werden, sind wir imGegensatz zu anderen Autoren nicht zurückhaltend. DiepcP und der Morbus Bechterew tolerieren Schwefel und Gips-wasser ausgezeichnet. Die Balneotherapie dieser beiden Er-krankungen verlangt jedoch eine sorgfältige Dosierung un-ter genauer Kontrolle des Gelenkzustandes. Gute Ergebnissesahen wir in unserem Thermalwasser (hyperthermale Gips-quelle) mit einer Bade- und Schwimmdauer von 15 Minuten.Bei geringsten Zeichen aufflackernder Aktivität therapierenwir zusätzlich mit Antiphlogisticis oder sogar mit örtlich oderallgemein während kurzer Zeit angewandten Steroiden, umso die Behandlung weiter und meistens zu guten Ergebnis-sen zu führen.Was den Wirbelsäulenbefall der Spondylitis ankylopoeticctbetrifft, so haben wir zu versuchen, als N a h z i e l den mo-mentanen Krankheitsprozeß zu unterdrücken, die Abwehr-kräfte anzuregen, den Schmerzzustand zu lindern und diedurch den Krankheitsschub verlorene Beweglichkeit wiederzurückzuerlangen, als F e r n z i e l die wegen der bestehendenOssifikationsvorgänge auftretenden Wirbelsäulenversteifun-gen, Deformierungen und Fehlhaltungen zu bekämpfen, umden Patienten vor Arbeitsunfähigkeit und Invalidität zu be-wahren. In Frühfällen des Wirbelsäulenbefalls, aber auchin weiter fortgeschrittenen Stadien mit akuten Schubsik/afio-nen bilden Tendinosen, Tendomyosen und Verspannungender Nacken- und Lendenmuskulatur den klassischen Befund.

Auch hier bezeichnen ka l t e r F a n g o , Pri eßn i t z w i eke lund th e rm o the ra p e u t i seh e M a ß n a h m e n die Be-handlungsstufen. Unter den thermotherapeutischen Maßnah-men haben wir vor allem von der F a n g o t e i l - und -ganz -packvng Gutes gesehen, denen sich eine intensive M a s -sage der verspannten Muskulatur anschließt. Äußerst hart-näckige Tendinosen gehen wir mit Ultraschall oder lokalenH i s f a m i n i o n f o p h o r e s e n an. Das Hauptaugenmerk inder Behandlung des Morbus Bechterew ist jedoch auf diesich anbahnende Deformation und Bewegungshemmung derLendenwirbelsäule zu richten, wobei eine L a g e r u n g zurVerhinderung der Kyphose, eine g e z i e l t e W i r b e l s ä u -J e n g y m n a s t i k und ein intensives Schwimmtraining imThermalwasser als die eigentlichen Therapieelemente be-zeichnet werden können. Gymnastik und Schwimmtrainingwerden immer dann durchgeführt, wenn sich der Patientnicht in einer Schubphase befindet. Für die Gymnastik be-vorzugen wir in Übereinstimmung mit KOHLRAUSCHschwunghafte, zügige Übungen mit Nachfedern und Übun-gen aus dem Vierfüßlerstand, wie sie KLAPP ursprünglich zurBehandlung der Skoliose angab. Das S c h w i m m p r o -g r a m m für Anfänger und Fortgeschrittene ist vor allem ausSchwimmarten und Schwimmfiguren oder Schwimmspielenfür das Lordosferert, Kyphosieren und Seifwärtsneigen, fürdie Streckung und die Rotation der Wirbelsäule in der Kör-perlängsachse aber auch auf die Dehnung des Brustkorbesund die Rückenmuskulatur aufgebaut. In unserer Klinik bildetdieses „Bechterewschwimmen", durchgeführt durch eineGymnastik- und Schwimmlehrerin, einen wesentlichen Be-standteil des Behandlungsprogrammes.

Gesamtzahl100%

guter u. sehrguter Erfolg

76,1%

\£ZÄsubjek}/veW/rktfffg WM objektive WirkungAbbildung 1

Therapieergebnisse bei 272 Kurbehandlungenmit physikalischer Therapie und Goldsalzen

Zur Behandlung des Leidens an sich sehen wir für die pri-mär-chronische Polyarthritis in der Goldmedikation, heutevielfach kombiniert mit Malariaderivaten, die Therapie derWcrh/. Abb. 1 gibt einen Überblick über das Behandlungs-ergebnis bei 210 Patienten mit primär-chronischer Poly-arthritis der Zürcher Universitätsrheumaklinik, die wir (FELL-

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MANN und WAGENHÄUSER) mit physikalischer Therapienach den oben dargelegten Gesichtspunkten und 272 Gold-kuren (Fosfocrisolo) behandelten. Für den Morbus Bechterewsehen wir in der Röntgenbestrahlung oder — vor allem beileichten Fällen - in einer gut kontrollierten Butazolidin-behandlung immer noch das Basistherapeutikum

Die kurmäßige Behandlung der d e g e n e r a t i v e n rheuma-t i s chen E r k r a n k u n g e n ist heute fast ausschließlich eineAngelegenheit der physikalischen Medizin und der Balneo-logie. Im allgemeinen sind die Behandlungsresultate derdegenerativen Leiden um so besser, je früher mit der Be-handlung eingesetzt werden kann. Um die Frühfälle zu er-fassen, muß man sich jedoch klar sein, daß schon 30- und40jährige von diesen Leiden betroffen werden und nicht nurhöhere Alterskategorien. Trotz der allgemein guten Ergeb-nisse mit physikalisch-balneologischen Methoden bei derKrankheitsgruppe der degenerativen Leiden, zeigt geradesie dem physikalischen Therapeuten am besten die Grenzenseiner Methode und eine Zusammenarbeit mit einem inter-essierten Orthopäden ist für den Patienten, wie auch die be-teiligten Ärzte, vielversprechend.

Ein Bindeglied in der Behandlung der entzündlichen unddegenerativen Rheumaformen bildet das sogenannte „nasseA r t h r o s e g e l e n k " . Es handelt sich dabei um eine Arthrosein einem entzündlichen Reizzustand. In therapeutischer Hin-sicht gilt hier unserer Ansicht nach das gleiche, was schonüber die Behandlung der akuten Phase der entzündlichenGelenksaffektionen dargelegt wurde. Liegt dagegen ein„trockenes", also nicht entzündlich gereiztes, Arfhrosegelenkvor, wie das meistens bei der Gonarthrose, Coxarthroseoder Omarthrose der Fall ist, so haben wir in einer erstenBehandlungsphase das Hauptaugenmerk auf die Bekämp-fung der „ G e l e n k p e r i a r t h r o s e " , d. h. der das Gelenkumgebenden Muskelverspannungen und Tendinosen zu rich-ten. Dies geschieht vorwiegend durch Entlastung der betrof-fenen Gelenke. Unter den physikalisch-balneologischen Maß-nahmen haben sich unter Zuhilfenahme von lokalen Steroid-und Novocaininiektionen milde wirkende Solewickel ambesten bewährt. Die Behandlung im Spulenfeld der Monodedes Ultrakurzwellenapparates ist nur von Nutzen. IntensivereWärmeapplikationen geben wir erst, wenn die Periarthrosisabgeklungen und die eigentliche Arthrose angegangen wer-den muß. Vor allem Fangopackungen, die während 40 bis60 Minuten appliziert werden, leisten hier vorzügliches. Auchwird durch nachfolgende Massage die Muskulatur gelockert.In gleicher Richtung wird ebenfalls die Gymnastik eingesetzt.Durch massiven Dehnzug in allen Richtungen wird die Deh-nung der verkrampften Muskulatur gefördert. Dabei gilt vorallem den kombinierten Bewegungen unsere Aufmerksam-keit, da diese Bewegungen erfahrungsgemäß früh ausfallen.Zur Lockerung werden diese Dehnzugübungen häufig durchSchüttelungen unterbrochen. Wenn die bisherige Behand-lung gut ertragen wird, wird auf aktive Bewegungen über-gegangen, die in der Folge im Wasser oder außerhalb des-selben durchgeführt werden.

Äußerst hartnäckige Anlaufbeschwerden besonders bei Gon-oder Coxarthrosen gehen wir mit Vorliebe durch intraarti-kuläre Steroidinjektionen an. Von einer Extensionsbehand-lung der Coxarthrose im Wasser, über die in letzter Zeitimmer wieder glänzende Resultate in Umlauf gebracht wur-den, haben wir an unserer Klinik im Rahmen einer kombi-nierten Kurbehandlung nichts Besseres gesehen als von einerintensiv durchgeführten Wassergymnastik (KLUNKER).

Die d e g e n e r a t i v e n W i r be I s ä u le n ve rä n d e r un g e nwerden nach ähnlichen Aufbauprinzipien, wie der MovbusBechterew physikalisch-therapeutisch angegangen. Nach derschon beschriebenen Methode werden zuerst die das Krank-

heitsbild begleitenden T e n d o p e r i o s t o s e n und M y o g e -l o s e n , die für den Hauptschmerz verantwortlich sind, thera-piert. Wichtig erscheint, daß darauf geachtet wird mit einerG y m n a s t i k der Wirbelsäule erst dann einzusetzen, wenndie Tendinosebeschwerden im wesentlichen bekämpft sind,und der Schmerzzustand im Abklingen ist. Hauptziel derBehandlung ist neben der Schmerzbekämpfung und Mobili-sation vor allem die Kräftigung der Rücken-, Bauch- undGesäßmuskulatur, aber auch eine Verbesserung der gestör-ten Statik. Auch hier trägt eine Thermalschwimmkur Wesent-liches unterstützend bei. Eine Extensionsbehandlung führenwir nur durch, wenn Hinweise auf eine radikuläre Reizungnachweisbar sind.

Eine von den übrigen degenerativen Wirbelsäulenverände-rungen abweichende Behandlung, besonders in gymnasti-scher Hinsicht, verlangt die D i s k u s h e r n i e . Dies vor allemwegen der mit ihr vergesellschafteten K o m p r e s s i o n s -e r s c h e i n u n g e n der Nerven und der deshalb durchge-führten Dauerextension. Wir unterscheiden dabei drei Be-handlungsphasen. Die 1. Phase umfaßt die Z e i t der Ex-t e n s i o n s b e h a n d l u n g . Unmittelbar vor und währenddieser Phase wird versucht, die auf reflektorischem Wegehervorgerufene, kontrakte Muskulatur zu lockern und ihrerAtrophie entgegenzuwirken. Besonders feuchte Kontakt-wärme führt am raschesten zur Lösung des bestehendenHypertonus. Wir verwenden dazu vor allem Peloidanwen-dungen, aber auch feuchtwarme Wickel leisten Vorzügliches.Die 2. Phase beginnt nach dem Abbau der Dauerextensionund endet in jenem Zeitpunkt, wo der Patient fähig ist, seineBewegungsübungen in aufrechter Stellung durchzuführen. Sieumfaßt also die erneute Mobilisation der Lendenwirbelsäule.Diese Mobilisation führen wir gerne unter Führung und Kon-trolle einer Therapeutin im Thermalbewegungsbad durch.Nach 10 bis 14 Tagen ist der Patient gewöhnlich so vorbe-reitet, daß bedenkenlos auf die eigentliche Heilgymnastikumgestellt werden kann, womit die 3. Phase der Diskus-hernienbehandlung beginnt. Während dieser Phase ver-suchen wir, die gleichen Ziele zu erreichen, wie wir sie fürdie degenerativen Wirbelsäulenleiden schon beschriebenhaben.

Weitere Leiden, denen wir bei rheumatischen Kurbehandlun-gen immer wieder begegnen, sind die sogenannten krank-haften Haltungen verschiedenster Genese, wie Kyphosen,Lordosen und Skoliosen. Im Gegensatz zu den Haltungsfeh-lern, die prämorbide Zustände darstellen, ist bei diesen Er-krankungen nicht nur der muskuläre und bindegewebigeHalteapparat geschwächt, sondern es sind bereits organi-sche Schädigungen an der Muskulatur und am Bindegewebeund knöchernen Stützapparat aufgetreten. Sind diese Affek-tionen schmerzhaft, behandeln wir sie nach den gleichenPrinzipien wie die degenerativen Wirbelsäulenleiden. Be-stehen keine Beschwerden oder sind solche unter der Be-handlung schon mehrheitlich abgeklungen, so setzen wirneben den Schwimmübungen mit heilgymnastischen Bewe-gungsübungen ein, dies, um in Frühfällen den path. Zu-stand zu bekämpfen, in weiter fortgeschrittenen Fällen dasLeiden zu konsolidieren.

Die Kyphose verlangt nach einer Lockerung und Dehnungder ventralen Schultergürtelmuskulatur. Demgegenüber sinddie dorsalen Muskelpartien zu kräftigen. Als unterstützendund auch in der Praxis durchführbar, hat sich uns vor allemdie täglich mehrmals durchgeführte Dehnlagerung auf har-ter Unterlage erwiesen. Der Patient liegt dabei auf demBauch, die Ellbogen sind aufgestützt. In dieser „Aufbäum-stellung" verbringt der Patient seine Mußestunden, liest seineZeitungen oder Bücher oder erledigt schriftliche Arbeiten.

Die Lo rdose kommt kompensatorisch bei bestehender

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Brustkyphose oder infolge Schwächung der Bauchmuskula-tur, aber auch bei schwachen Hüftstreckern vor. In thera-peutischer Hinsicht hoben wir vor allem die erwähnten Mus-keln zu kräftigen.

Bedeutend schwieriger als die Behandlung von Kyphoseund Lordose ist diejenige der S k o l i o s e , weil jeder Sko-liosefall sein eigenes Muskelproblem hat. Es ist dabei vorallem darauf zu achten, daß man therapeutisch nicht ver-sucht, den einzelnen Bogen der Wirbelsäulenverkrümmungzu behandeln, sondern die Wirbelsäule als Ganzes zu strek-ken (HOHMANN). Grundsätzlich werden auch bei dieserErkrankungsart Verspannungen gelockert und Verkürzungengedehnt, anschließend wird eine Kräftigung der gelocker-ten Muskulatur zu erreichen versucht. Die besten Verfahrendies zu erreichen bilden die schon erwähnten Kriechübungenaus dem Vierfüßlerstand nach KLAPP und die N1EDERHÖF-schen Übungen. Diese Methode beruht auf isometrischenSpartnungsübungen, die besonders die querverlaufendenMuskelzüge konvexseits stärkt, die Muskein der konkavenSeite der Skoliose jedoch zu entspannen versucht.

II. Soziale Aspekte des Kurheilverfahrens

Natürlich verlangt eine dermaßen durchgeführte vielschich-tige Behandlung einerseits nach den entsprechenden Einrich-tungen und Therapiemöglichkeiten, andererseits aber auchnach einer Finanzierung der für die Therapie notwendigenEinrichtungen und der Kurbehandlung selber. Seit dem In-krafttreten des schweizerischen Rheumagesetzes im Januar1963 ist es uns möglich, für den Bau und Betrieb vonRheumaheilstätten, -Kliniken, -Polikliniken, aber auch für dieForschung auf dem Gebiete des Rheumatismus, ferner fürdie Aufklärung, Beratung und Betreuung von Rheumatikern,Bundesbeiträge von 5 bis 50 % zu erreichen, vorausgesetzt,daß die ausführende Institution gleich hohe Leistungen er-bringt. So war es bereits möglich, eine neue Rheumak/infkin Leukerbad mit einem spitaleigenen Hallenschwimmbad(Abb. 2) und ihren modernsten diagnostischen und thera-

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Abbildung 2

Hallenbad der neuerbauten Rheumaklinik und desphysikalisch-balneologischen Instituts Leukerbad

peutischen Installationen zu errichten, aber auch bei mehre-ren Volksheilbädern sind Um- und Ausbaupläne in Vorberei-tung. Das Gesetz wird es neben den größeren staatlichenSpitälern aber auch jedem Landspital ermöglichen, seineBehandlungsräume für Rheumatiker zu erweitern, was denKampf gegen den Rheumatismus in der Schweiz weiter för-

dern dürfte. Das Rheumagesetz gewährt dagegen, um Un-gerechtigkeiten zu vermeiden, keine Beiträge an Einzelper-sonen zur Unterstützung. Der einzelne Patient ist somit wei-terhin auf die Beihilfe seiner Versicherung angewiesen. Beiden bei den großen staatlichen Sozialwerken, wie Eidgenös-sische Mflifärversicherung (EMV), Schweizerische Unfallver-sicherungsanstalt (SUVA) und Schweizerische Invalidenver-sicherung (IV) untergebrachten Patienten bilden sich für ge-wöhnlich keine Schwierigkeiten in der Durchführung vonKurheilverfahren, da diese Versicherungen über Spitalver-träge mit den entsprechenden Therapie-Institutionen verfü-gen, die volle K o s t e n d e c k u n g inklusive Arbeitsausfalls-entschädigung und meist auch Unterkunft gewähren. Wesent-lich schwieriger gestaltet sich die Kostendeckung für Sozial-versicherte der Krankenkassen. Diese Patientengruppe hatwährend einer Kurbehandlung selber für die entsprechendenVerpflegungs- und Beherbergungskosten, ja in vielen Fällenauch für die Behandlungs- und Arztkosten aufzukommen, da-für vergütet ihnen die Kasse nur vier bis sechs Franken proBehandlungstag. Daß der Begriff des „sozialen Kurheilver-fahrens" unter diesen Umständen geradezu fragwürdig er-scheint ist jedem klar, können doch ausgesprochen jene, dieeiner Unterstützung bedürfen, und für die die Kassen ge-schaffen wurden von der vor allem für die degenerativenLeiden so wichtigen Kurheilbehandlung nichf profitieren.Immerhin darf darauf hingewiesen werden, daß trotz diesermehr als unsozialen Regelung selten Härtefälle entstehen,weil einerseits in mehreren Kantonen sogenannte Bäder-fonds für die Behandlung von Rheumatikern zur Verfügungstehen, die die von Patienten nicht zu erbringenden Aufwen-dungen finanzieren, oder we/'J kantonale Rheumaligen ausweiteren Quellen (Kantonen, Gemeinden, privaten Institu-tionen oder vereinseigenen Mitteln) entsprechende Beiträgevermitteln. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, daßin den letzten zwei Jahren einige größere Kassen allmählichdazu übergingen, bei stationären Kurbehandlungen minde-stens ihre vollen Spitalleistungen zu gewähren.

Daß beim Aufbringen solch geringer Leistungen fast alledurch den behandelnden Arzt an die Kasse resp. an derenVertrauensarzt gerichteten Gesuche bewilligt werden, liegtauf der Hand. Aber auch die Gesuche an d',e drei großenstaatlichen Kassen (EMV, SUVA, IV) begegnen bei gut be-gründeter Antragsstellung keinen großen Schwierigkeitenund sind nicht von wissenschaftlich mehr oder weniger be-gründeten Sanierungsfragen abhängig.

überblickend habe ich kurz die schweizerischen Kurheilver-fahren und ihre sozialen Aspekte geschildert. Sicher zeich-nen sich viele erfreuliche Aspekte ab, vieles ist jedoch nochzu verbessern, weiter auszubauen oder zu entwickeln. Im-merhin zeigt das bisher Erreichte, daß beim koordiniertenZusammenspiel von kompetenten Ärzten, fortschrittlichenBehörden und sozialen Instanzen, sich vieles zum Wohle desPatienten verwirklichen läßt.

L i t e r a t u r -

BACHOFNER, M Disserfafion Zürich (1?52\

BRUCH, M.: Bedeutung des Rheumatismus für Volksgesundheit und Wirt-schaft Hans Huber, Verlag, Bern (1938)

BELART, W • Rheumatismus in Forschung und Praxis. Hans Huber, Verlag,Bern (1963)

ZASLAWSKI: Zitiert nach W BELART

KOHLRAUSCH, W . Med Hyg 17,388(1959)

KLAPP, S Das K/appsche /Cnechverfafiren, 4 Aufl , Georg Thieme VerjagStuttgart (1961)

Anschrift des Verfassers: Chefarzt Dr N. FELLMANN, Rheumaklinik uncphysikatisch-balneologisches Institut Leukerbad (Schweiz)

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Stationäre Kurheilverfahren in Dänemark (Skandinavien)Von Hans G r a u d a l

Mit Ausnahme von Island gibt es in den skandinavischenLandern keine reichen Quellen mit heißem, mineralreichemoder radioaktivem Wasser. Badeorte oder Thermen spielendeshalb in der Behandlung des Rheumatismus hier keinebedeutende Rolle. Die Organisation der Behandlung derrheumatischen Krankheiten hat sich etwas anders als in densüdlicheren europäischen Ländern entwickelt. Ich habe meineAufgabe so verstanden, daß ich eine Darstellung der Orga-nisation des Kampfes gegen den Rheumatismus in Skandi-navien und der sozialen Aspekte desselben geben sollte.Am eingehendsten werde ich die Verhältnisse in Dänemarkerwähnen, die ich am besten kenne.D ä n e m a r k hat etwa 4,6 Millionen Einwohner (1961). DieMorbilität der primär-chronischen Polyarthritis wurde vonAMMITZB0LL und SNORRASON zu 0,8 %o berechnet. Dasheißt, daß jedes Jahr 3000-4000 neue Fälle auftreten sollten.Die genaue Häufigkeit der primär-chronischen Polyarthritisist nicht bekannt; wahrscheinlich gibt es 30 000-40 000 Pa-tienten mit wohl definierter Arthritis. Jedes Jahr wird etwa7000 Personen eine Pension des Invalidenversicherungs-gerichts gegeben. 400—500 von diesen bekommen ihre Pen-sion wegen Polyarthritis, und etwa 5000 Personen habeneine Invalidenpension wegen dieser Krankheit. Am Endedes Jahres 1955 gab es in Dänemark 52 400 Invalidenpensio-nisten. 3950 von diesen hatten Polyarthritis und 800 hattenMonarthritis. Das heißt, daß 9 % aller Invalidität in Däne-mark von rheumatischen Gelenkleiden verursacht sind.Darin ist die ältere Gruppe der Bevölkerung, die bereitseine Alterspension bekommt, nicht inbegriffen.Im Jahre 1946 hat K. KALBAK eine Untersuchung über dasVorkommen rheumatischer Erkrankungen in Dänemarkdurchgeführt. Er hat gefunden, daß 40% der erwachsenenBevölkerung gelegentlich an einer rheumatischen Erkran-kung litten. Zu jener Zeit waren 18% von Rheuma angegrif-fen. Das Rheuma verursachte in diesem Jahre etwa 7 Mil-lionen Krankheitstage, so daß 20 000 Menschen das Jahrhindurch arbeitsunfähig wären. Die rheumatischen Erkran-kungen kosteten damals die dänische Gesellschaft 120 Mil-lionen Kronen oder 70 Millionen DM jährlich.In der staüonären Behandlung der rheumatischen Krank-heiten spielen die öffentlichen Krankenhäuser quantitativdie größte Rolle. Beinahe alle dänischen Krankenhäuser ge-hören den Kreis- und Stadtgemeinden. In diesen Kranken-häusern wurden im Jahr 1960-1961 folgende Fälle des rheu-matischen Formenkreises behandelt:

Arthritis 3358Osteoarthrosis 4472Rheumatismus musculorum 3461Morbus disci intervertebralis 4691Knochenkrankheiten 2107Andere Krankheiten der Bewegungsorgane 6689

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Bei weitem der größte Teil der Kosten wird von den Ge-meinden getragen. Einen kleinen Teil, 8—16 Kronen täglich,muß der Patient als Zahlung erlegen. Da aber die meistendänischen Staatsbürger Mitglied einer staatsanerkanntenKrankenkasse sind, und da diese Krankenkassen die volleKrankenhaustaxe zahlen, werden die Patienten im öffent-lichen Krankenhaus tatsächlich unentgeltlich behandelt. DerPatient wird von seinem praktischen Arzt eingewiesen. DerChefarzt des Krankenhauses entscheidet über die Notwen-digkeit und die Dauer einer Kur.Die meisten Rheumatiker werden in den Abteilungen fürinnere Medizin, soweit wie es Platz gibt, doch auch in

Abteilungen für physikalische Medizin behandelt. Zu dieserZeit gibt es in Kopenhagen acht, und bei den Zentralkran-kenhäusern in den Provinzen gleichfalls acht Abteilungenfür physikalische Medizin.Außerhalb der öffentlichen Krankenhäuser gibt es für Rheu-matiker folgende Möglichkeiten für stationäre Behandlung:2 Rheumasanatorien

Rheumasanatorium, Skaelskor, Seeland . . . 134 Betten(gehört den Genossenschaften der Milchwirt-schaften, Schlächtereien und Konsumvereine)Rheumasanatorium, Graasfen, Jütland . . . 52 Betten

2 Behandlungsheime für Rheumatiker . . . . 50 Betten(gehören dem Reichsverein für die Bekämpfungdes Rheumatismus)

2 RehabilitationskrankenhäuserHombaek, Seeland 130 BettenHald, Jütland 110 Betten(gehören „der Gemeinschaft und dem Heimfür Invaliden", einer staatsanerkannten, selbst-besitzenden Institution, der auch beinahe alledänischen orthopädischen Krankenhäuser undKrankenhausabteilungen gehören)

Die beiden sogenannten Rheumasanatorien sind als Spezial-krankenhäuser für Behandlung rheumatischer Krankheitenaufzufassen. Sie werden von Fachärzten für physikalischeMedizin geleitet. Die Patienten werden von den praktischenÄrzten, den Krankenhäusern oder dem Invalidenversiche-rungsgerichf eingewiesen. Die Hauptaufgabe dieser Institu-tionen ist die Behandlung der primär-chronischen Polyarthri-tis, der Spondylitis ankylopoetica und anderer inflammafo-rischer Polyarthritisformen. In kleinerem Umfang werdendoch auch Patienten mit Arthrosen empfangen. In Skselskorwerden etwa 750, in Graasten etwa 350 Patienten jährlichempfangen. In Graasten ist die durchschnittliche Liegezeitetwa 50 Tage. Die Kur eines Patienten mit primär-chronischerPolyarthritis in aktiver Phase dauert doch gewöhnlich dreiMonate, bisweilen längere Zeit. Die kürzere durchschnittlicheLiegezeit ist dadurch bedingt, daß einige der Patienten nurzur Beobachtung eingeliefert werden.

Die Behandlungsprinzipien für primär-chronische Polyarthri-tis im Rheumasanatorium zu Graasten sind dieselben, diegewöhnlich in anglo-amerikanischen Handbüchern erwähntwerden: Ruhe, Gipsbandagierung, eine an den Zustand deseinzelnen Patienten angepaßte Übungstherapie, Wärme-applikation, medikamentöse Therapie; außerdem müssenkomplizierende Erkrankungen behandelt werden. In bezugauf chirurgische Eingriffe, Herstellung von Schuhen undBandagen haben wir eine Zusammenarbeit mit der nahe-liegenden orthopädischen Abteilung in Sonderborg.Die folgende Tabelle gibt als Beispiel eine statistische Über-sicht über die Verwendung verschiedener Therapieformenim Rheumasanatorium zu Graasten im Jahre 1962:

Anzahl Patienten. . . . 94. . . . 75. . . . 65

Anzahl BehandlungenHeilgymnastik . . . . . . 16800Arbeits- und Beschäftigungstherapie 3 700Massage 4 650Bäder 3 990Paraffinbehandlung 8 890Kurzwellen 3 930Andere Wärmeapplikationen . . . 2 220Elektrotherapie 1 460

Sanocrysin (Goldsalz]Corticosteroide . .Gipsbandagierung

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Die meisten steroidbehandelten Patienten bekamen dieseBehandlung vor der Einlieferung ins Sanatorium. Wir selbstsind mit dieser Therapie zurückhaltend.

Eine allgemeine Erfolgsstatistik kann nicht gegeben werden,weil die Patienten alle Stadien der Polyarthritis vertretenund eine sehr inhomogene Gruppe ausmachen. — In zweiUntersuchungen habe ich gute Erfolge in 60-65 % gefunden.

Die beiden Rheumasanatorien sind wie erwähnt Privatbesitz,sind aber geldlich von dem Staat unterstützt. Was das Sa-natorium zu Graasten betrifft, wird ein großer Teil derKosten von dem R e i c h s v e r e i n fü r d ie B e k ä m p f u n gdes Rheumat i smus getragen. Etwa ein Drittel der Ko-sten müssen vom Kranken bezahlt werden. Zur Zeit ist dieTaxe 16,50 dänische Kronen, knapp 10 DM, täglich. Die eineHälfte dieser Zahlung wird gewöhnlich von den Kranken-kassen, die andere Hälfte von dem Patienten selbst, oder— bei unbemittelten Patienten — von den Gemeinden erlegt.Infolge des Rehabilitationsgesetzes aus dem Jahre 1960wirddie Bezahlung von dem Invalidenversicherungsgericht, dasheißt vom Staat übernommen, wenn die Kur voraussichtlicheine wesentliche und dauernde Bedeutung für die Erwerbs-fähigkeit haben wird. Die Chefärzte der Rheumasanatoriensind dazu ermächtigt, solche Rehabilitationskuren zu bewil-ligen.

Die beiden Rehabilitationskrankenhäuser in Hornbaek undHald behandeln etwa 1300 Patienten Jährlich. Die Leiter sindFachärzte für physikalische Medizin. Die Patienten werdenbesonders von orthopädischen, allgemeinchirurgischen undneurochirurgischen Krankenhausabteilungen überwiesen. Pa-tienten mit rheumatologischen Krankheiten im engerenSinn bilden nur einen kleineren Teil der Klientel. Die Zah-lungsbedingungen sind dieselben wie in den öffentlichenKrankenhäusern.

In dieser Verbindung wäre es natürlich, kurz einige Aspekteder Rehabilitation zu erwähnen.

Eine wesentliche Aufgabe für unsere Rheumasanatorien istes, solche Arthritispatienten zu behandeln, bei denen derInvalidität vielleicht vorgebeugt oder deren Arbeitsfähigkeitvielleicht wiedergewonnen werden kann. Wenn dieses nicht ge-lingt, wenn die Krankheit trotz der Behandlungsversuche zuschwerer Invalidität progrediert, kann dem Patienten durchAussprache des staatlichen Invalidenversicherungsgerichteseine Invalidenpension gegeben werden. Nicht selten ist jaaber das Ergebnis der Behandlung, daß der Patient teilweisearbeitsfähig ist. Infolge des Rehabilitationsgesetzes aus 1960sind jetzt in Kopenhagen und in den Kreisen administrativeRehabilitationszentren mit einem Verwaltungschef, Arbeits-konsulenten, Sozialratgebern und beratenden Ärzten er-richtet worden. Die Aufgabe dieser Rehabilitationszentrenist es, die Verbindung mit dem Arbeitsmarkt zu vermitteln,eine richtige Plazierung der berufsgehemmten Personen zusichern, darunter Unterbringung in Observationswerkstellen,Trainingswerkstellen oder geschützten Werkstellen. Evtl. kön-nen sie auch eine weitere Ausbildung - wenn nötig undmöglich — bewerkstelligen. Die Kosten dazu trägt der Staat.In Schweden mit 7,4 Millionen Einwohnern gibt es etwa250 000 Rheumakranke, von welchen 90 000 jährlich ärztlicheHilfe suchen. 30 0O0 davon haben eine stationäre Kur nötig.Man braucht für diesen Zweck 1000 Plätze, die noch nichtzur Verfügung stehen. Jährlich wird 200-300 Schwedenwegen rheumatischer Herzkrankheit und 900—1000 wegenchronischer Arthritis Invalidenpension gegeben. Wegensämtlicher Ursachen wird etwa 17000 Personen jährlichPension gegeben.

Die meisten Fälle rheumatischer Erkrankungen werden inden medizinischen Abteilungen der öffentlichen Kranken-häuser behandelt. Dieses gilt für alle skandinavischen Län-der. - Das schwedische „Reichsversicherungswerk" hat dreiKrankenhäuser, die unter anderem Rheumakranke behan-deln, und außerdem drei kleinere Krankenhausabteilungen.— „ D e r Re i chsve re i n gegen den R h e u m a t i s m u s "besitzt das „Spenshult Rheumakrankenhaus" im südwest-lichen Schweden, und „Strängnäs Rheumakrankenhaus" inder Nähe von Stockholm mit 220 Betten im ganzen; außer-dem ist ein Rheumakrankenhaus in Norrland geplant. —Ferner gibt es in Schweden drei Rehabilitationsabteilungen,in Gothenburg, Stockholm und Kreis Stockholm. — Für ambu-lante Therapie gibt es im ganzen sieben sogenannte „Reha-bilitationsdispensären".

Aus F i n n l a n d mit 4,5 Millionen Einwohnern gibt es einegenauere Untersuchung über das Vorkommen der primärchronischen Polyarthritis. In Heinola hat man in der Alters-gruppe von 55 bis 64 Jahren „definite rheumatoid arthritis"bei 2 % und „probable rheumatoid arthritis" bei 5% ge-funden. Arthrose kamen bei 15% und Fibrositisschmerzenbei 50% vor. Die Behandlung der inflammatorischen Ar-ihritis in Finnland ist einigermaßen zentralisiert. Die finn-ländische Rh eu ma s t i f tu n g , den Staat, die Pensionsver-sicherungsanstalt, einige Gemeinden und einige Erwerbs-wirksamkeiten umfassend, betreibt das Rheumakrankenhausin Heinola mit 317 Betten. Man hat hier eine Pionierarbeitauf dem Gebiet der Polyarthritischirurgie ausgeführt. Jähr-lich werden 1300 rheumaorthopädische Operationen ausge-führt. In diesem Krankenhaus werden jährlich 2000 Patientenbehandelt. Die Liegezeit ist gewöhnlich drei Monate, gele-gentlich vier Monate. Besonders werden Rehabilitations-Patienien mit Polyarthritis, von der Pensionsversicherungs-anstalt ausgewählt, ferner doch auch chirurgische Polyarthri-tis-Patienten im invalidierten Stadium behandelt. - Fürambulante Diagnostik und Behandlung gibt es etwa zwanzig„Rheumadispensären", dem f i n n 1 ä n d i sehe n Rheuma-v e r b a n d gehörend. In diesen „Rheumadispensären" wer-den jährlich etwa 7000 Patienten behandelt. In einem Jahrwurden 1500 Patienten Goldkuren und 600 Patienten Ste-roidtherapie gegeben. Ferner besitzt dieser Verband einRehabilitationskrankenhaus für Rheumapatienten mit fünfzigBetten in Kangasala. Jährlich werden hier etwa 600 Patien-ten sowohl mit Arthrosen als auch mit Polyarthritis behan-delt. In Finnland haben 12000 Personen Invalidenpensionwegen Erkrankungen der Bewegungsorgane, 55% davonwegen Polyarthritis, 30% wegen Arthrosis.

In N o r w e g e n mit 3,5 Millionen Einwohnern gibt es schät-zungsweise 11000 Invaüdierte mit Polyarthritis oder Spon-dylitis und außerdem 25 000 Arthritispatienten, die teilweiseinvalidisiert sind.

Der S a n i t ä t s v e r e i n der n o r w e g i s c h e n Frauen be-sitzt zwei Rheumakrankenhäuser, in Oslo mit 150 Betten undin Haugesund auf der westlichen Küste mit 120 Betten.Außerdem gibt es zwei kleinere Rheumakrankenhäuser, inKristiansand und Bergen. In Trondhjem gibt es ein Rheuma-behandlungszentrum, wo die Patienten in einem Hotelwohnen.

Der n o r w e g i s c h e Rh eu ma ve rb a n d hat unter anderemdie Aufgabe angenommen, eine ambulante Therapie für dieBevölkerung in den dünn bevölkerten nördlichen Gebietenvorzusehen. Man hat hier mobile motorisierte Einheiten fürphysikalische Therapie, die die Patienten zu Hause be-handeln.

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Aus dem Gesagten werden Sie verstehen, daß in Skandi-navien bei weitem der größte Teil der Rheumapatientenentweder bei ihren praktischen Ärzten oder in den öffent-lichen Krankenhäusern oder in Institutionen einiger krank-keitsbekämpfenden Vereine behandelt werden. Der Platz,den diese krankheitsbekämpfenden Vereine im Bilde derRheumabekämpfung einnimmt, ist hier typisch, wenn es sichum bedeutende, Spezialbehandlung erfordernde Krankhei-ten, sozusagen Volkskrankheiten, handelt. Zum Beispielwaren es in Dänemark auch solche Vereine, die auf demGebiete der Orthopädie und der Invalidenvorsorge, in der

Tuberkulose-, Krebs- und Poliomyelitisbehandlung ursprüng-lich initiativnehmend waren und in den frühen Phasen dermodernen Therapie dieser Krankheiten eine große Rollespielten.

ich danke den humanitären Rheumaorganisationen in Finn-land und Schweden (Herrn Dr. J. Kirpilä und Herrn E. Engel-lau), die mir mit Auskünften behilflich gewesen sind.

Anschrift des Verfassers: Doz. Dr. med. Hans GRAUDAL, Chefarzt desRheumasanatoriums „König Christian X.", Graasten, Dänemark

Stationäre Kurheilverfahren in Frankreich

Von W a g h e m a k e r

Für den Rheumatischen Formenkreis hat sich in Frankreichein festumrissenes Programm in der stationären Behandlungherausgebildet, das im Folgenden so dargestellt werden soll,wie es in der Rheumaabteilung der Med. Univ.-Klinik Lillegehandhabt wird.

Wir unterscheiden:I. Den entzündlichen Gelenkrheumatismus.

II. Den degenerativen Rheumatismus.III. Den gelenknahen Rheumatismus.

Der Verlauf rheumatischer Leiden kann zwei oder alle dreidieser Stadien in verschiedenen zeitlichen Abständen durch-ziehen.Die Therapie stützt sich im wesentlichen auf das Repertoireder physikalischen Medizin.

I. Der entzündliche Gelenkrheumatismus

Die physikalischen Methoden müssen in ständiger Anpassungan die Entwicklung des Leidens Schritt für Schritt variiertwerden. Ihre Anwendung ist verschieden.1. Im synovialen Stadium;2. im Stadium der fibrösen Organisation.

Ihre Angriffspunkte sind: Die Gelenkstörungen; die gelenk-nahen Störungen.

1. Das synoviale Stadium

Die verantwortliche Grundstörung der rheumatischen Ent-zündung ist biochemischer Natur. Sie besteht in dem Zer-fallen der Mucoprotide, der Grundsubstanz des Bindege-webes, was ein Freiwerden von sauren Monopolysaccharidenzur Folge hat (Wasserstoffionenkonzentration = 2), die danneine lokale Gewebsreizung hervorrufen. Daraufhin folgt alsAntwort eine entzündliche Reaktion. Jedoch reagieren dieverschiedenen Gewebe verschiedenartig, was den Polymor-phismus des Leidens zur Folge hat, trotz einer einheitlichenUrsache:In dem reich vaskularisierten lockeren Bindegewebe kommtes zu einer brutalen vasomotorischen Reaktion vom Oedem-typus, wodurch die Verdünnung der mucopolysaccharitischenErgüsse und deren schnelle Ausscheidung durch die Lymph-oder Blutwege gesichert wird. Es handelt sich also um einenakuten Fluxionsprozeß, dem eine Restitutio ad integrumfolgt.In den derben und gefäßarmen fibro-tendinösen Strukturenkommt es zu einer richtigen Stauung der mucopolysacchari-tischen Ergüsse, was einen Nekroseherd des Kollagens nachsich zieht, also eine FibrinoTdnekrose.Im synovialen Stadium sind die Gelenke also der Sitz einerweichen Schwellung, im allgemeinen ohne Rötung und ohneHitze, und einer schmerzhaften funktionellen Störung.

A. D ie S y n o v i a l i s

charakterisiert sich histologisch von Anfang an durch eineWucherung der Intima, einer Vermehrung der mucoidenGrundsubstanz, und durch das Auftreten von flbrinoidenNekroseherden. Diese Nekroseherde sind manchmal vonSynoviaizellen oder Histiozyten umgeben, aber erst ziemlichspät werden diese Zeilinfiltrationen erheblich.Sie sind oft fokaler Natur und peri-vaskulär, und unterihnen sind die Lymphozyten vorherrschend. Dieses Granu-lationsgewebe entwickelt sich im allgemeinen in der äuße-ren Schicht, wo man auch geringe Hämorrhagien findet. Daserklärt übrigens das Vorkommen von Histiozyten, die Hämo-sidrin enthalten, was RUTISHAUSER gezeigt hat.Die Zottenhyperthrophie und die lymphoiden Knötchen mitgerminativem Zentrum werden selten vor dem 4. Monat derRheuma-Synovitis beobachtet.Vom 5. Monat an erleiden die befallenen Gelenke schwereVeränderungen durch vasculo-fibröse Wucherungen, die fürden chronischen Gelenkrheumatismus typisch sind, und denPannus Fibrosus bilden, sowie durch Degeneration der Ge-lenkknorpel. Dem chronischen Gelenkrheumatismus analogesynoviale Veränderungen findet man auch in dem Symptom-bild von STILL, von FELT, von SJOERGEN in der ArthritisPsoriatica und in der Spondylitis ankylopoetica.Folglich heben wir noch einmal hervor: Wenn die Syno-vialis als Reaktionsmodus eine brutcle Vasomotorenstörungmit Oedembildung zeigt, durch welche sie die Verdünnungder mucopolysaccharitischen Ergüsse bewerkstelligt, so ver-sucht sie sie du rch d ie B lu t - ode r L y m p h w e g e w e g -z u s c h a f f e n .

1. Hier ist Jetzt der therapeutisch entscheidende Augenblickgekommen. Hier heißt es, jetzt sich den entzündlichen Phä-nomen entgegenzusetzen, um die Synovialis ruhig zu stellen:Unterdrückung der Hyperämie;Unterdrückung der synovialen Anschwellung.Daher jetzt die Anwendung der anti-inflammatorischen Me-dikamente, seien es die Corticoide in lokaler Anwendung,sei es eine Allgemeinbehandlung mit Goldsalzen, PhenyJ-butazon, Salicylaten und vor allem mit den synthetischenAnti-Malariamitteln.

Die physikalischen Heilverfahren „ k ö n n e n das Feuern i ch t l ö s c h e n " , aber „ s i e k ö n n e n d ie Asche w e g -s c h a f f e n " , und das durch ein Drainieren der mucopoly-saccharitischen Ergüsse, durch die Lymph- und Blutwege.In diesem Stadium muß das kranke Organ ruhig gestelltwerden bis zur Normalisierung des klinischen und biologi-schen Bildes. Jede Anstrengung, das Gehen, das Stehen usw.hyperämisieren die Gelenke.

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Jedwede Mobilisierung der Gelenke ist strengstens ver-boten, denn die chronische Arthritis reagiert schnell aufmechanische Reize.

2. In diesem Stadium muß man vorbeugende Maßnahmenorganisieren:

zur Verhütung der Gelenkverbildungen.:zur Verhütung der Beugekonfrakturen;zur Verhütung der Fehlstellungen.

In der Tat, der Kranke nimmt gegen den Schmerz einesolche Haltung ein, die die Gelenkkapsel maximal entspanntund den größten antalgischen Effekt hat. Diese Haltung isteine leichte Beugehaltung.Verharrt nun ein Gelenk selbst nur vorübergehend in einersolchen Stellung, so erleiden die kontraktilen Elemente ge-wisse Veränderungen und e ine Beugeko n t ra ktu r orga-nisiert sich, und das manchmal schon in einigen Tagen. Wirwerden später sehen, warum.

Zu dieser Fixierung der Entlastungshaltungen können Feh l -s t e l l u n g e n hinzukommen, die durch ungleich verteilteMuskelatrophien bedingt sind und sogar zu nicht reduzier-baren Subluxationen führen können.

Folglich müssen die Gelenke in f u n k t i o n el I e n S t e l l u n -gen gesichert werden, und das manchmal durch Gipsappa-rate, mittels eines SWAIM-Gipses, der innen mit Schaum-gummi aus Polyurethan ausgelegt ist. Ein solches Verfahrenverhindert die Beugekontraktur;verstärkt das Erkalten des Gelenkes.

Aber eine totale Ruhigstellung eines Gelenkes, die über dieErgußperiode hinaus verlängert wird, kann auf das Gewebeund die Gelenkfunktion einen ganz ungünstigen Einfluß aus-üben.

B. D ie p a r a - a r t i k u l ä r e n und g e l e n k n a h e nE r k r a n k u n g e n

Die intra-artikulären nervösen Endorgane sowie die GOLGI-schen Körperchen in den periartikulären Geweben und inden Sehnen brauchen mechanische Reize. Sonst werdenvasomotorische sowie trophische Störungen ausgelöst.

Dte trophischen Störungen des Muskelapparates sind vorallem die Atrophie einerseits und die Kontraktur anderer-seits.

Schon 1881 hatte CHARCOT auf diese Phänome aufmerksamgemacht.

Während die Atrophien sich vorzugsweise unter den Exten-soren und den Abduktoren finden, begegnet man im Ge-genteil den Kontrakturen im allgemeinen im Gebiete derAntagonisten dieser atrophierten Muskeln.

Die Kontrakturen, die man beim entzündlichen Rheumatis-mus findet, gehen grosso modo durch drei Stadien hindurch:Das 1. Stadium ist das eines einfachen Muskelspasmus, derals Reflex bei einem schmerzhaften und entzündeten Gelenkentsteht. Hierdurch wird eine Beugehaltung ausgelöst mitAtrophie der Streckmuskeln und der Abduktoren, wie esschon CHARCOT beschrieben hat.

Das 2. Stadium ist das des Kristallisierens der Mucopoly-saccharide in dem Gelenk und um es herum, und dieserNiederschlag organisiert sich und löst die Fibrosis aus.

Das 3. Stadium ist das, wo die knöchernen Veränderungenim Vordergrund stehen. Darauf kommen wir später zurück.Das erste Stadium also, das der Kontraktur, charakterisiertsich durch Entzündung, durch Schmerz und durch Muskel-spasmus. Gegen jede Seite dieses Dreibildes kann man ein-schreiten, entweder durch Allgemeinbehandlung oder durchörtliche Methoden.

Wir haben vorher gesehen, wie gegen die Entzündung ein-gegriffen wird. Wir machen darauf aufmerksam, daß manzur Verringerung der Kontrakturen Wärme oder Procai'n-einspritzungen benutzen kann, die eine Beruhigung desMuskels auslösen; und natürlich auch die verschiedenen For-men der Physiotherapie, welche Wärme hervorrufen.Im zweiten Stadium der Konfrakturen werden die Schwierig-keifen größer wegen des Beginnens der Fibrosis und derpathologischen Veränderung der Gleitflächen durch Bildungvon Adhäsionen. In diesem Abschnitt ist es unumgänglich,Verklebungen durch passives Mobilisieren zu verhüten. Einesolche passive Mobilisierung ist wegen der bestehendenSchmerzempfindlichkeit schwierig zu realisieren, und es istdann unerläßlich, in diesem Stadium wärmeauslösende Ver-fahren anzuwenden, um den Schmerz zu lindern.

Zusammenfassend kann man also sagen, daß im synovialenStadium drei physikalische Verfahren in Frage kommen.

1. Vor allen Dingen erst einmal die Ruhigstellung, die Im-mobilisierung der Gelenke, d. h. das, was man auf franzö-sisch die „anacineses" nennt;

2. die Wärme, die eine Lymphweg- und Venendilatation aus-löst, was das Drainieren der mucopolysaccharitischen Er-güsse ermöglicht, ein Drainieren, das man durch ableitendesMassieren unterstützen kann, natürlich unter Ausschluß derGelenke;

3. von einem gegebenen Zeitpunkt ab, wenn die anti-m-flammaiorischen Mittel zu wirken beginnen, muß man dieAdhäsionen verhüten und mit der passiven Mobilisierungbeginnen.

P a r a f f i n :

Zu den Wärme auslösenden Mitteln zählen natürlich alleallbekannten physiotherapeutischen Verfahren, aber ichmöchte ganz besonders auf ein Produkt hinweisen, nämlichdas Paraffin.

Die Paraffintherapie besteht im wesentlichen in einer An-wendung von geschmolzenem Paraffin, direkt auf die Haut,und verschiedene Techniken ermöglichen es, nach dem Fest-werden dieses Stoffes einen 1 bis 3 cm dicken Umschlag zuproduzieren, mehr oder weniger dick, je nach dem beab-sichtigten Effekt. Der Umschlag bleibt ungefähr 3A Stundebis 1 Stunde lang liegen, wird dann abgenommen und bil-det eine richtige Haut, unter der sich eine reichliche Schweiß-flüssigkeit findet.

W e l c h e s s ind d ie chemischen E i g e n s c h a f t e ndes P a r a f f i n s ?

Dos Paraffin )sf ein fester Kohlenwasserstoff aus der Methon-reihe, die von der Distillation des Erdöls herstammt.

Die Paraffine schmelzen zwischen 40 und 63 Grad, das üb-liche Paraffin schmilzt bei 55 Grad, und ein solches wendetman in der Physiotherapie an. Jedoch sind Paraffine miteinem Schmelzpunkt- von 60 Grad vorzuziehen, und manch-mal mischt man sogar Paraffine mit harten (Kunst-)Harzen,um den Schmelzpunkt der manipulierten Massen noch zuerhöhen.

P h y s i k a l i s c h e E i g e n s c h a f t e n

Das Paraffin ist ein schlechter elektrischer Leiter; vielmehrist es ein fast vollkommener Isolator. Es ist ein sehr schlech-ter Wärmeleiter. D. h.: Wärme in hohen Graden auf dieHaut gebracht, nicht gleich durch die umgebende Luft ent-fernt, sondern bleibt in der Dicke der Paraffinschicht ein-geschlossen, wo sie nur in kleinen Dosen regelmäßig und

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langsam frei wird, um auf die darunterliegende Haut zuwirken. Eine Zeitlang verhindert die Paraffinschicht jedenelektrischen Austausch zwischen Haut und Luft, verhindertjede elektrische Entladung des Organismus in dem einge-wickelten Glied und hindert auch jedweden Wärmeverlustdes Organismus oder der Gliedmaßen durch Verdunstungoder durch einfaches Abstrahlen der Körperwärme an dasumgebende Milieu.Das Paraffin hat noch eine andere besondere und spezi-fische Eigenschaft: nämlich seine Refraktion oder Kontrak-tion. Sein Retraktionskoeffizient ist bedeutend, und ein biszum Rand volles Gefäß mit flüssigem Paraffin verliert einFünftel seines Volumens nach dem Erkalten. Diese Kontrak-tion übt auf die darunter liegende Haut einen unwidersteh-lichen, wenn auch nur sanft zunehmenden Druck aus, derfest und schmerzlos ist und den keinerlei Massage, nochirgendein Gerät nachahmen kann. Diese Druckwirkung istdie Hauptrolle in der therapeutischen Anwendung desParaffins.

B i o l o g i s c h e W i r k u n g :

Die Wärmewirkung des Paraffins unterscheidet sich von dereines Moorbades.In der Tat bei therapeutischen Anwendungen kann heißesWasser von 40° bis 50? beim Kontakt mit der Haut eine Ver-brennung ersten Grades auslösen, selbst noch vorausgesetzt,daß dieser Kontakt kurz ist. Demgegenüber wendet mangeläufig Paraffinpackungen von 50° und 55° an, und dasselbst auf sehr empfindlichen Zonen, wie die Haut desHalses oder die Innenhaut des Ellenbogens, ohne daß es zuVerbrennungen kommt. Im Experiment kann man seinenZeigefinger in ein Bad von geschmolzenem Paraffin von100° eintauchen, was kontrolliert worden ist. Man hat einsehr unangenehmes Gefühl der Verbrennung, aber die Haut,die eine sehr lebhafte Rotfärbung annimmt, welche wenig-stens eine Stunde hindurch anhält, findet ihr normales Aus-sehen ohne Auftreten der geringsten Blasenbildung wieder.Dieses Phänomen ist eine Art Erhitzungsphänomen, das wiefolgt erklärt werden kann:

Das Paraffin mischt sich nicht mit Wasser; auf jeder Hautbefindet sich eine äußerst feine Schicht von Wasserdampf,die durch die Transpiration bedingt ist. Diese Schicht be-wirkt eine Isolierung, schützt die Haut gegen den umgeben-den Stoff, dessen Temperatur sehr hoch liegt; infolgedessenist dieser Stoff nicht in direktem Kontakt mit der Epidermis.

A n d e r e U n t e r s c h i e d e z w i s c h e n P a r a f f i n und,H e i ß w a s s e r b a d

Der banalste Effekt einer Anwendung von heißem Wasserist das Erschlaffen der elastischen Fasern der Haut, woraufeine mehr oder weniger intensive Vasodilation folgt; wenndas Wärmeelement dagegen Paraffin ist, übt die unmittel-bare Zusammenziehung dieses Paraffins auf die Haut einenDrude aus, der die fehlende Aktion der elastischen Pasernersetzt. Es kommt also nicht zu einer Kapillardilatation.Nach heißem Bade sieht man eine plötzliche Konfraktionder glatten Fasern und der Haufmuskeln, die Kapillargefäßeleeren sich, das Blut fließt zu den tief gelegenen Organenzurück, wonach Frostgefühl und eine gewisse Angst folgen.Diese unangenehmen Empfindungen, die manchmal sogarunerträglich sind, werden durch Anwendung des Paraffinsvermieden. In dem Augenblick, wo man den Paraffin-umschlag entfernt, hört die Hautkompression auf, das Bluterfüllt unmittelbar alle Kapillaren und bringt dabei genü-gend Kalorien herbei, um den Vaso-constricforrefiex zu ver-hindern.

Ein heißes Bad mit nachfolgender normaler Reaktion benö-tigt ein Einwickeln in Tüchern, um die Schweißabsonderungzu verlängern, und das zwingt natürlich zu weiterer Ruhe.

Im Gegensatz dazu findet bei einer Paraffinanwendung dasSchwitzen während des Einwickeins statt und hört unmittel-bar nach Abnehmen des Umschlags auf. Dieses Schwitzbadist sehr reichlich und kann bis zu 500 und 600 GrammSchweißabsonderung in einem Paraffinvollbad gehen.

2. Das Stadium der fibrösen Organisation und der Sklerose

Der Übergang der inflammatorischen Phase in das Stadiumder fibrösen Organisation und der Sklerose ist sehr wichtig,und dieser Moment muß ergriffen werden, er ist in thera-peutischer Hinsicht entscheidend.Während die Ruhigstellung in der ersten Phase unbedingterforderlich war, muß in der zweiten Phase eine überlegteMobilisation beginnen.Diese zweite Phase fängt in dem Augenblick an, wo die be-fallenen Gelenke schwere Störungen erleiden, und zwardurch typische fibro-vasculäre Proliferation mit Entstehendes Pannus Fibrosus. Die Synovialis erleidet in diesemAugenblick eine fibröse Veränderung, und eine bedeutendeSchicht von Fibroblasten entsteht in der verdickten Syno-vialis, und im Niveau des Gelenkknorpels organisiert sichder Pannus Fibrosus und legt sich zwischen die Gelenk-flächen, mittels fibrösen Fasern, bedeckt den Gelenkknorpelund hindert ihn, sich durch Osmose vom darunter liegendenKnochen aus und von der Synovialis zu ernähren, worausdann eine nicht mehr reparierbare Zerstörung des Gelenk-knorpels folgt.Was die Gelenkkapsel anbetrifft, so gibt es da fibröseAdhäsionen, die die Refraktionen in der Gelenkkapsel aus-lösen, wonach dann die Fehlstellungen folgen, und in derGelenkflüssigkeit kommt es zu einem Erguß, der reich anfibrösen Niederschlägen ist und devitalisierte Gewebsresteenthält, mit Möglichkeit von Niederschlag von Kalksalzen.In diesem Augenblick beginnt nun für das peri-artikuläreGewebe die dritte Phase der Kontrakturen, d. h. das Sta-dium, wo die knöchernen Verbildungen und die Anklylosenbeginnen.Es ist selbstverständlich dieses Stadium, in dem man gegeneventuelle Fehlstellungen ankämpfen muß und gegen dieSchmerzen; man darf also die Immobilisation nicht mehrverlängern; aber trotzdem muß man es vermeiden, die Ge-lenke durch zu frühe Belastung zu übermüden.In diesem Augenblick nun sind uns die Wärmeverfahrennützlich, und zwar nicht mehr das Paraffin, das einen zugroßen Druck auf die Gelenke ausübt, sondern im Gegen-teil die klassischen Wärmeverfahren der Physiotherapieund der Thermalkunde, wie z, B. das heiße Wasser und dasMoor.Danach fängt man mit den kräftigenden Massagefechnikenan, und schließlich kommt es zur passiven Mobilisation unddanach zur aktiv-passiven, und endlich zur aktiven Mobili-sierung der Gelenke. Sonst sind die Synovialis und der Ge-lenkknorpel in ihrer Funktion überfordert.

II. Degenerafiver Rheumatismus

I. Um den degenerativen Rheumatismus logisch behandelnzu können, ist es wichtig, gewisse Begriffe der Pathogeneseklar vor Augen zu haben und andererseits die anatomisch-pathologischen Verhältnisse der Arthrosis zu kennen, um dasevolufive Stadium der Erkankung, dem man begegnen kann,richtig abschätzen zu können.

Die auslösenden Ursachen der Arthrosis

Der p r i n z i p i e l l e a u s l ö s e n d e F a k t o r derA r t h r o s i s ist m e c h a n i s c h

Im allgemeinen besteht bei den degenerativen Prozessenein Mißverhältnis zwischen der Größe der mechanischenBelastung, der das Gelenk ausgesetzt ist, einerseits, und der

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Widersfandsmöglichkeit des Knorpels und des Knochensandererseits.Die e rs te K o m p o n e n t e , d. h. die Wichtigkeit dermechanischen Beanspruchung, kann für eine große Anzahlvon Gelenken ziemlich genau definiert werden. Diese Kom-ponente kann eventuell durch chirurgische Eingriffe verbes-sert werden, die eine bemerkenswerte Regression der patho-logischen osteo-artikulären Veränderungen herbeiführenkönnen, solange diese noch r ü c k g ä n g i g zu machens ind . Die Möglichkeit einer Regeneration bleibt bis zueinem vorgeschrittenen Alter noch erhalten.Für diese erste Komponente muß man genau abschätzenkönnen:

Gelenkmißbildungen, selbst ganz geringen Grades, wie dieDysplasien der Hüfte z. B., sei es angeboren, sei es durchWachstumseinfluß;Veränderungen in der Statik der Gelenke: als Folgezustandvon Traumen, von Mikrotraumen, von berufsbedingten Hal-tungen usw.;Störungen in der Gelenkdynamik:

a) bezüglich des Gleichgewichts der peri-artikulären Muskel-kräfte, z. B. zwischen Antagonisten und Agonisten;

b) bezüglich des Gleichgewichts der passiven peri-artikulä-ren elastischen Spannungen, die zu einer Labilität desGelenkes führen, wenn das Gleichgewicht gestört ist.

Das beweist, daß der Muskelfaktor eine große Rolle in demZustandekommen der Arthrosen spielt, wie wir es selbstkürzlich für die Hüftgelenksarthrosen gezeigt haben. Neben-bei bemerkt erklärt dies die Wichtigkeit der Trainings-behandlung und der korrektiven Chirurgie.Die z w e i t e K o m p o n e n t e , d. h. die biologische Kom-ponente, kann noch nicht voll abgeschätzt werden, aber seiteinigen Jahren kennen wir schon ziemlich gut die Biologieder Osteoporose, der Osteomalacie, also gewisser Zuständeschlechten physikalischen Widerstandes der Knochen denmechanischen Anforderungen gegenüber. Hierdurch wirddas Kapitel über die endokrinen, metabolischen und vascu-lären Störungen als Ursache der Arthrosis zugänglich. Die-ses sind alles mehr oder weniger auslösende Ursachen, dieaber sekundär bleiben.

Das Stadium der Evolution der Erkrankung muß die Wahlder physikalischen Techniken der Behandlung des chronischendegenerativen Gelenkrheumatismus bestimmen

1. W e l c h e s s i n d nun d i e V e r ä n d e r u n g e n , d i e s icham G e l e n k b e m e r k b a r m a c h e n ?

W a s s p i e l t s i chb e i m K n o r p e l und b e i m K n o c h e n a b ?

a) Die degenerativen Veränderungen des Knorpels fangenan den Druck- und Stützzonen an. Sie lösen dort un-regelmäßig begrenzte Veränderungen aus, die denKnochen freilegen, und im Knochen selbst kommt es zurBildung cystisch aussehender Kavernen, die durch dasgewaltsame Eindringen von Gelenktrümmern zwischendie Knochenbälkchen entstehen.

b) Proliferative Veränderungen, die sich durch ein über-mäßiges Wachstum und Zellenhyperplasie im Niveau desKnorpels kenntlich machen und an der Peripherie derGelenke Degenerationszonen bilden; im Niveau desKnochens existiert eine subchondrale Knochenverdichtungund Osteophytose.

Diese anfänglichen Schäden sind von fibrillärer Entartungdes Knorpels begleitet, es kommt zu einer Depolymerisationder Mucopolysaccharide.

W a s s p i e l t s i c h in d e r S y n o v i a l i s ab?

a) Anfangsstadium: Die Synovialis ist verdickt und ange-schwollen. Die Zotten sind vermehrt und größer gewor-

den, sie strotzen von Blut durch Proliferation von neu-gebildeten Blutgefäßen.

b) Hauptstadium: Die bindegewebige Hyperplasie schreitetweiter fort: entweder bis zur fibrösen Entartung in denGelenken, die unter Spannung und Druck stehen (wiedie Hüfte), oder bis zur fibrös-fettigen Entartung in denlockeren Gelenken (z. B. den Fingern).

c) Endstadium: Das Bindegewebe verknorpelt jetzt und ver-knöchert; hier ist die Möglichkeit von osteo-chondralenWucherungen, von nekrotischen Herden usw. gegeben.

W a s w i r d aus d e r G e l e n k f l ü s s i g k e i t ?Unbedeutende qualitative Veränderungen, aber Verminde-rung und manchmal vollständiges Verschwinden, abgesehenvon den evolutiven Phasen, wo man Hydrops finden kann.Wenn man zugibt, daß das Vorhandensein und die Mengedieser Diffusionsflüssigkeit direkt proportioneil der Beweg-lichkeit des Gelenkes ist, versteht man leicht, daß Läsionenam Knorpel durch Störungen der Ernährung des Knorpelsauftreten, und daß andererseits die Ruhigstellung ein Wi -dersinn sein kann.

W a s z e i g t s i c h an de r G e l e n k k a p s e lund an den B ä n d e r n ?

Außerhalb der evolufiven Phasen hat die Gelenkkapsel eineTendenz zur Verdickung und zur Fibröse und schließlich ver-klebt sie mit den Gelenkoberflächen und den umgebendenMuskeln, Die Fasern können Kalzium aufnehmen. Die intra-articuiären Bänder sind gezerrt, verdünnt und manchmalzerrissen. Wenn die Bänder ernährende Gefäße enthalten,kann dieser Bänderriß ischämische Phänome nach sichziehen und die Nekrose der Gelenkenden bedingen.

2. D ie A r t h r o s e s c h r e i t e t in S c h ü b e n f o r t

Solche Schübe sind z. B. die HEBERDENschen Knötchen, dieschmerzhafte Anschwellung der Gonarthrosen, die Ver-schlimmerung der Coxarthrosen.Diese Schübe sind durch Änderungen in der Knochenstruk-tur und durch die synoviale — capsuläre Kongestion be-dingt.Die Änderungen in der Struktur sind gekennzeichnet durch:Entwicklung von Osteophyten, deren Wachstum oft gleich-zeitig mit der schmerzhaften Anschwellung auftritt;Oesteoporose und Höhlenbildung in den Knochen.Es ist ganz sicher, daß diese Änderungen in der Knochen-substanz und diese Proliferationen der Gefäße, die sie be-gleiten oder sie bedingen, zu Beginn der evolutiven Phaseauftreten.

Die synoviale - capsuläre Kongestion erreicht nicht die Be-deutung wie bei den Fällen von Arthritis und endet nichtmit der fibrinoiden Nekrose, aber sie ist durch eine wich-tige Hyperämie gekennzeichnet.Die Rolle dieser Entzündungsvorgänge in der Gelenkkapselist interessant, wenn man an die reiche Innervation dieserMembran denkt, die mit der Abwesenheit von nervösenFasern im Knorpel kontrastiert.

3. W e l c h e s s i n d d i e p e r i - a r t i c u l ä r e nV e r ä n d e r u n g e n ?

Vor allem die muskuläre Atrophie und die muskuläre Kon-traktur, woraus dann die Fehlstellung des Gelenkes folgt.In den kürzlichen Veröffentlichungen, die wir über denMuskelfaktor bei den Coxarthrosen gemacht haben, habenwir darauf hingewiesen, daß wir seit langem schon be-merkt hatten, daß die erkrankten Gelenke, die an arthro-tischen Veränderungen litten, vor allem schmerzempfindlichwurden:

bei Erhöhung der Leistung,bei falschen Bewegungen,je nach dem Grade der zunehmenden Fehlhaltung.

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Andererseits zeigte das systematische Muskeltesting der peri-articulären Muskeln, daß gewisse Gruppen in ihrer Kraftvermindert waren und nur noch drei oder sogar nur zweinach dem internationaien Schema gewertet werden konnten,sowohl in Fällen von Coxarthrosen als bei Gonarthrosen.Bei den Gonarthrosen ist es immer der Quadriceps, dereinen Kraftverlust aufweist, und vor allem fehlen ihm dieletzten 15° der vollen Streckung, d. h. der Teil, für den derVastus Internus verantwortlich ist. Bei den Coxarfhrosenkonnte die Muskelathrophie sich sowohl in der Adduktoren-als auch in der Abduktorengruppe oder etwas seltener inden Extensoren befinden, woraus die Schlußfolgerung zuziehen war, daß die Hauptursache der Schmerzen in derLabilität der Gelenke zu suchen sei.

Andererseits haben wir bewiesen, daß Muskelkontrakturenbei den Coxarthrosen bestehen. Diese Kontrakturen könnenin anafomisch-pathoJogischer Hinsicht in zwei Rubriken ge-gliedert werden:

Einerseits führt eine große mechanisch bedingte Span-nung in gewissen Muskeln, wie z. B. in den Adduktorender Hüfte, zu Kontrakturen durch das TIEGELsche Phäno-men, wonach es zu Atrophie durch Degenerierung kommt;Andererseits kann bei der Coxarthrose das Heranziehender Adduktoren, die normalerweise in der Statik der Hüftekeine Rolle spielen, myostastische Kontrakturen nach MOLLhervorrufen.

Schließlich kann es noch reflexbedingte Kontorakturen ge-ben, die vom Gelenk ausgelöst werden, sei es, daß derKnorpel durch pathologische Reibung verletzt ist, sei es, daßer durch übermäßigen Druck zerstört ist.Wir haben die elektro-myographischen Characteristica die-ser Muskelkontrakturen studiert, und wir haben zeigen kön-nen, daß dort, wo sie existieren, sie nicht regelmäßig vor-kommen, noch von konstanter Inrensifäf sind, noch sich

gleichmäßig auf die ganze Adduktorengruppe verteilen bzw.auf die Abduktorengruppe in bezug auf die Hüfte, und daßinfolgedessen sie nicht für ein Zustandekommen eines stän-digen Überdruckes in der Hüfte verantwortlich sind. Im Ge-genteil, sie lösen eine Störung des Gleichgewichts der Kräfteaus, die auf die Hüfte wirken, und infolgedessen machen siediese mehr labil.

So kamen wir dazu, die Ansichten von Klaus VOSS zu kri-tisieren, und seit langem schon haben wir spezielle Tech-niken des Muskeltrainings bei Coxarthrosen vorgeschlagen,sowie einen Eingriff, der von dem von VOSS abgeleitet ist,aber der nicht darin besteht, die Abduktoren und die Ad-dukforen radikal zu durchschneiden, sondern im Gegenteilnach unserer persönlichen Variation sich auf selektive Teno-tomien der kontrahierten Muskeln beschränkt.

Die Wahl der therapeutischen Maßnahmen

Die Vorstellungen, die wir nun auseinandergesetzt haben,werden uns dazu helfen, die richtige Wahl in der Iherapeu-tischen Technik zu treffen.Einerseits, wenn die Gelenke, und vor allem das Kniegelenk,Sitz einer Hydarthrose sind, dann ist die Behandlung durchParaffin, so wie wir sie für den progressiven, chronischen,inflammatorischen Gelenkrheumatismus vorgeschlagen ha-ben, angezeigt, sowie auch Röntgenbesfrahlung, die dieseGelenke austrocknen kann. Es ist selbstverständlich, daßwährend der Periode des Hydrops die Gelenke ruhiggelegtwerden müssen, um sie nicht durch nicht angebrachte Bewe-gungen zu schädigen.

Andererseits werden die Schmerzen bei arthrotischen Gelen-ken ganz besonders günstig durch Wärmeverfahren beein-flußt, und hier können wir niemals zu sehr auf die feuchteHr'fze hrnwefsen und die Bedeutung der Mooranwendungen

Nur Adduktoren

Nur Abduktoren

Beide Gruppen

Beide Gruppen

Spontan-aktivität

ia

}o

nein

ia

wird dur

unterbrochen

Training nachDE LORME

der Abduktoren

DE LORMEfür die Addukforen

nichts Besonderes

Versuch mit DE LORMEunter Novocam

intraartikulär

Bei Mißerfolgvollständigen VOSS

ch die Kontraktion des Ant

verstärkt

Tenotomieder Adduktoren

Osteotomie desTrochanter Mafor

DE LORME für denAgoniste.

NovocaTn in die Sehnedes Antagon.

oder Tenotomie desAntagon.

VollständigenVOSS

agonisten

nicht beeinflußt

DehnungsversuchBei Mißerfolg

DE LORME der Addukt.Bei Mißerfolg

Tenotomie der Addukt.

Dehnungsversuch

Bei MißerfolgDE LORME

des Glut. Med.Bei Mißerfolg

Trochanterschnitt

nichts Besonderes

Vollständigen VOSS

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in der Therapie hervorheben, d. h. Anwendung von medizi-nalem Schlamm, über den wir noch später Einzelheiten ge-ben werden, sowie ferner die Anwendung der Hydrothera-pie im allgemeinen.Aber was man unbedingt kennen muß, ist der Wert derperi-artikulären Muskeln in den von der Arthrosis betrof-fenen Gelenken, damit das Wiedereintrainieren so geführtwerden kann, daß die Kraft der atrophierten Muskeln elek-tiv bedeutend gestärkt wird. Die Methode, die wir dazuerwählt haben, um die Muskelkraft zu beeinflussen, ist dieMethode von DE LORME und WATKINS, die jetzt in derganzen Weit bekannt ist und die von den alten gymnasti-schen Methoden abgeleitet ist, die in Lille von DESBON-NETS im letzten Jahrhundert ausgearbeitet worden waren.Es ist klar, daß Ergänzungsmethoden zu diesen beidenGrundmethoden interessant bleiben, und insbesondere dieMassagebehandlung sowie die Dehnung (stretching) derkontraktierten Muskeln, unter der Bedingung, daß man ge-nau die Natur dieser Kontraktur kennt, eine Kontraktur, dieselbstverständlich durch Elektromyographie geklärt wordenist.

Das nachfolgende Schema zeigt, wie man z. B. auf denMuskelfaktor der Coxarthrose einwirken kann.

III. Die Formen des gelenknahen Rheumatismus

In diesem Kapitel betrachten wir drei Beispiele:1. das vertebrale Symtomenbild;2. die Peri-Arthritis scapulo - humeralis;3. die Cellulitis.

A. Das v e r t e b r a l e S y m p t o m e n b i l d

mit begleitenden radikulären und pseudoradikulären For-men.Es ist selbstverständlich vorausgesetzt, daß von dieserStudie alle inftammatorischen Zustände sowie evolutive Tu-moren ausgeschlossen sind.Das vertebrale Symptomenbild ist der Triumph der physika-lischen Therapie, denn bei jedem vertebralen Symptom gibtes immer mehr oder weniger bedeutende Störungen derStatik der Wirbelsäule, eine Verminderung ihrer Gelenkig-keit und eine Abschwächung der Muskelkraft.In den meisten Fällen ist dieses pathologische Dreibild vonmehr oder weniger starken Schmerzen begleitet.Die statischen Störungen können folgende Ursache haben:

strukturelle Anomalien;Wachstumsanomalien;traumatische Läsionen;Altersveränderungen (Arfhrosis; Discusgeneration; tropho-statisches Symptom der Post-menopause; Osteomalazieusw.);Störungen des Gleichgewichts der Muskelkräfte, seien sieneurogen oder myopathisch.

Diese Störungen der Statik lösen auf verschiedenem WegeSchmerzen aus:Vorhandensein von Blockierungen der Bewegungssegmente,woraus dann radikuläre Affektionen folgen, die zu einerVerminderung der Beweglichkeit führen und die Möglichkeitmuskulärer Atrophie enthalten, oder wenigstens zu einerStörung des muskulären Gleichgewichts führen, sei es durchKontrakturen, sei es durch Muskelatrophie.Die Tendomyositis, die eine funktionelle schmerzhafte Mus-kelstörung darstellt. Sie wird folgenderweise bedingt:a) Störungen in der physiologischen Muskelarbeit einer oder

mehrerer Muskeln durch Überanstrengung oder schlechteHaltung;

b) Störung der physiologischen Muskelarbeit in einem gege-benen Muskel als Folgeerscheinung der Projektion vonSchmerzen.

c) Reflexbedingte Tendomyositis, die durch eine Gelenk-erkrankung ausgelöst wird (Harfspann).

d) Lokales Trauma.Die therapeutischen Richtlinien der physikalischen Behand-lung sind dann:1. antalgisch,2. wieder gelenkig machen,3. die Muskelkraft stärken,4. die Störungen der Statik beseitigen.

"I. D ie p h y s i k a l i s c h e B e h a n d l u n g des SchmerzesRuhigstellung der Wirbelsäule, Relaxation.Wärmemethoden:

Zentimeterwellen;Diathermie mit Kurzwellen;Infrarot;Moorpackungen, warme Wickel usw.

Mobilisierung durch chirotherapeutische Handgriffe, die derwirkliche Triumph der Bekämpfung der Schmerzen bei denvertebralen Symptomen sind.Diese chirotherapeutischen Manipulationen sind zwei Regelnunterworfen, die in dem Buche von MAIGNE gut auseinan-der gesetzt worden sind, ein Buch, das jetzt in Deutschlandgut bekannt ist:

erste Regel = Schmerzlosigkeit;zweite Regel = die Gegenbewegung.

2. D ie B e h a n d l u n g zum G e s c h m e i d i g m a c h e n :Außer den Manipulationen enthält sie gelenkigmachendeÜbungen, die vor allem weit ausholende Schwungbewegun-gen sind (z. B. nach KLAPP).

3. Das KLAPPsche K r i e c h s y s t e m ,das es ermöglicht, elektiv auf jedes Wirbelsegment zu wir-ken, ist nun in Frankreich mehr und mehr Mode geworden,seif wir es dort vor zehn Jahren nach einem Studienaufent-halt in Marburg eingeführt haben.Es handelt sich um eine ausgezeichnete Methode, die ge-lenkig macht, die die Muskelkraft verstärkt und die wirk-sam gegen die Störungen der Statik der Wirbelsäule an-kämpft.Wie ziehen sie bei weitem der Methode nach VON NIEDER-HOEFFER vor.

B. Di e P e r i - A r t h r i t is S ca pu I o-H u m e ra I isNoch vor wenigen Jahren gab man als Deflnation derP. S. H. ein schmerzhaftes, im allgemeinen gutartiges Sym-ptomenbild an, das akut, subakut oder chronisch auftritt undmit einer mehr oder weniger großen funktionellen Impo-tenz verbunden ist.Heute kann man nach den Fortschritten der Arthrographiedie P. S. H. in verschiedene anatomisch-klinische Einheitenaufteilen:

Bour*se sousdeltoi'dienne '

DeltoTde—/;

Gouttiepe dulang biceps

Coiffe des/ ratateups

Baunsesous-scapulaire

Anatomisches Schema

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Normale Arthrographie

1. Der Riß de r R o t a r o r e n k a p p eTraumatischen oder degenerativen Ursprungs, sind dieseZerreißungen entweder vollständig oder unvollständig.

Wenn sie Schmerzen nach sich ziehen und eine funktionelleImpotenz auslösen, müssen die Kappenrisse chirurgisch be-handelt werden.Wenn sie ohne Symptome verlaufen oder erfragbar sind,können sie gymnastisch behandelt werden, vor allem mittelsder Trickbewegungen nach WYNN PARRY.

2. D ie V e r l e t z u n g e n der G e l e n k k a p s e l

a) Das S c h l o f f e r g e l e n k findef man in den rezidivie-renden Luxafionen, von denen es ein Folgezustand ist.Aber es kann auch Läsionen der Rotatorenkappe oderdes langen Bizepskopfes begleiten.

fa) Kapse / sch r ü m p f ung. Hier sind die Kapselfalten

verödet, vor allem die Bursa Axillaris; die Bursa Bici-pitalis ist nicht mehr durchgängig, und die Bursa Sub-scapularis platzt, sobald man ein Kontrastmittel in sieinjiziert, weil ihre Wand keinerlei elastische Widerstands-kraft mehr hat.

Diese Fibrosklerose der Gelenkkapsel ist der Reaktions-modus des Bindegewebes, das auf Agressionen reagierte,sei es, daß diese Agression ein lokales Trauma oderMikro-trauma der Schulter darstellt, sei es, daß sie regional ist:wie bei Cervico-brachialneuralgien, bei Koronarstörungen,bei Lobectomien usw., sei es, daß sie mehr aligemeinerUrsache ist, wie bei Hemiplegien, bei manisch-depressivenZuständen, bei Hemispherectomien usw. Diese zur Schrump-fung führende Capsulitis kann auch eine Art lokale Formeiner Reflex-Algodystrophie oder des Symptomenbildes vonSTBNBROCKER sein.

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ßourse sausacromio-äeltoid/enne

Riß der Rotatorenkappe (von vorn)

Riß der Rotatorenkappe (von der Seite)

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Kapselschrumpfung

i •' Degenerative Risse

Traumatische Sehnenrisse des langenBizeps

Die Tendovagmifis

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3. Die P a t h o l o g i e des l a n g e n B i z e p s k o p f e s

Es gibt zwei Typen von Läsionen:traumatisch,degenerativ.

Der Riß der Bizepssehne ist hoch oder tief gelegen, d. h.am Eingang oder am Ausgang des Sulcus Bicipitalis. Aberer kommt fast immer nur bei schon pathologisch veränder-ter Sehne zustande. Der abgerissene Muskelkopf kann sichzusammenziehen, und der Sulcus Bicipitaiis ist dann leer.Andererseits aber kann er auch, falls die Zerreißung pro-gressiv vor sich geht, in dem Sulcus Bicipitalis verklebenund Adhäsionen bilden, woraus dann eine spontane Neu-insertion des Muskels erfolgt, was sich durch eine teilweisefunktioneile Wiederherstellung des Muskels nach wahrenSehnenrissen bemerkbar macht.

a) Die traumatischen Sehnenrisse mit Leerstehen der VaginaMucosa Intertubercularis. In diesem Falle nimmt imRöntgenbild die ganze Sehnenscheide einen dichtenSchatten an. Es befindet sich kein Sehnenstück mehrdarin.

b) Degenerative Risse: Hier ist die Sehnenscheide verstopft.Das ist das charakteristische Röntgenbild des Sehnen-risses mit spontaner Heilung.

c) Die Tendo-voginitis. In den Suscus Bicipitalis sieht manden Schatten der Sehnenscheide, unterbrochen durchkurze Adhäsionen und Strangbildungen.

C. D i e C e l l u i i t i s

Es handelt sich natürlich nicht darum, hier das Diagnosenbildder CeSlulitis zu diskutieren. Wir wollen nur daran erinnern,daß die Cellulitis unter vielseitiger pathologischer Form auf-treten kann, weshalb eine vollständige klinische Unter-suchung des Kranken unbedingt notwendig ist.

W e l c h e s ist d i e o r g a n i s c h e G r u n d l a g eder C e l l u l i t i s ?

Histologische Dokumente sind selten und gehen immer wie-der auf die Studien von STOKMAN (1920), RENTON (1923)und auf die Dissertation von LAGEZE (1929) (Lyon) zurück.LAGEZE unterscheidet drei evolufive Phasen:

1. die Phase des Ödems, wo das Zellgewebe von Flüssig-keit überschwemmt wird und die kollagenen Fasern sichvoneinander trennen;

2. die Phase der fibrösen, nicht entzündlichen Organisation;3. die Phase der Sklerose.

Diese Bilder sind vollkommen banal und charakteristischfür jedwedes Gewebsödem.Das lokale ödem ist die Folge einer plötzlichen Vasodila-tation und einer lokalen Erhöhung des Blutdrucks in demarteriellen und venösen Segment, woraus dann eine Ver-mehrung der kapillaren Fibrillation erfolgt, unter übertrie-bener Produktion von Gewebsflüssigkeit. Die Dauer dieserErscheinung hängt von der mehr oder weniger großenUberdehnung der Maschen des Bindegewebes und von dermehr oder wenger schnellen Dränierung der ausgeschie-denen Zellflüssigkeit durch die Lymphgefäße ab.Die Arbeiten von LUCCHER1NI und PISANI erlauben es, dar-auf zu schließen, daß es unter der verdünnten Epidermiskeine echte vaskuläre Entzündungserscheinungen gibt, son-dern eine beträchtliche überdehnung des Unterhautbinde-gewebes. An gewissen Stellen sind Spaltbildungen vorhan-den, die von Endothelialzellen umgeben sind und die er-weiterten Lymphgefäße darstellen; andere Stellen zeigenFibroblasten, wo bereits die fibröse Organisation und dieSklerose vorbereitet wird.

Die überdehnung der Maschen des Unterhautzellgewebesist leicht sichtbar zu machen mittels subkutaner Einspritzungvon Röntgenkontrastmitteln. Das so erhaltene Röntgenbildzeigt das, was schon MAC MASTER 1942 am Vorderdarmdes Menschen nach intradermaler Einspritzung von Farb-flüssigkeiten gesehen hatte.Im n o r m a l e n Z u s t a n d werden die Lymphwege nachlokalem Massieren oder einer Anspannung der Muskelnsichtbar, indem sie von der Farbpapel aus lange blaueLinien bilden, die den Venen entlang ziehen und nach derWurzel der Gliedmaßen hin ansteigen.Im Fa l l e e ines Ödems du rch l y m p h o - v e n ö s e rS t a g n a t i o n fehlen diese Farbspuren. Das Farbmittel ver-breitet sich an Ort und Stelle und füllt die erweiterten Ma-schen des Unterhautzellgewebes, aber nicht die der Lymph-wege aus, die farbigen Züge erscheinen erst wieder nachlokaler Massage, was ein Beweis für MAC MASTER dafürist, daß der lymphatische Abtransport unzureichend ist.Die elektrophoretische Analyse der Gewebsflüssigkeit hatteden Beweis einer übertriebenen kapillaren Infiltration undder durch die Cellulitis ausgelösten lymphatischen Stagnationgebracht.Dank den Arbeiten von Professor BIZERTE aus Lille kannman jetzt sagen, daß wegen der minderen Konzentrationan Protiden der Bindegewebsflüssigkeit im Vergleich mit derdes Blutes, der Beweis erbracht ist, daß es sich nicht umeine Ze 11 ge we bsen tzü n d un g , sondern um eineL y m p h s t a g n a t i o n handelt. Das ist eine Bestätigung derchemischen Befunde von FISHBERG, 1942.Die Cellulitis gehört also zu dem Bilde der Lymphödeme.Der Gewebsdruck ist erhöht, und die Elastizität der Hautist vermindert.

Der p a t h o g e n e M e c h a n i s m u s der C e l l u l i f i s

MAC MASTER hat 1947 gezeigt, daß im normalen Zustandund in der Ruhe der Druck der Lymphe dem Druck der inter-stitieüen Gewebsflüssigkeit gleich ist, und daß es infolge-dessen keine oder nur geringe Lymphzirkulafion gibt. Hin-gegen kommt es nach einer Massage zur erhöhten Abson-derung von Lymphe, und zwar direkt proportional zur Er-höhung des Gewebsdruckes.

Die Cellulitis ist vor allem das Ausdrucksbild einer hydro-dynamischen lokalen Störung. Das ist durch die Messung desGewebsdruckes bewiesen. Dieser ist stark erhöht und er-reicht 300 bis 500 Millimeter. Wir wissen nun aber, daßdieser Druck den visco-elastischen Zustand der fundamen-talen Bindegewebssubstanz charakterisiert.

Die Cellulitis kann also als eine Hydratation des Unterhaut-zellgewebes angesehen werden, was eine Erklärung fürdie schmerzhafte Spannung gibt, die in Fällen von genera-lisierter Cellulitis durch spongiöse Fettsucht besteht, oderauch in Fällen von oberflächlich lokalisierten Cellulitisher-den. Das zirkulatorische chromothermische Binom der Hautnach COMEL bleibt normal. Es handelt sich also nicht umeine Vasodilatation der Arteriolen, sondern um eine Unbe-ständigkeit und Reizbarkeit des Gefäßsystems. Dies alleslegt das Interesse an der Massage klar, die die Haupt-behandlung der Cellulitis darstellt.

Techn i k

Die verschiedenen technischen Methoden sind zahlreich, undich habe nicht die Absicht, sie alle zu beschreiben, sei esdas Gewebsrollen nach WETTERWALD, sei es die MassageMillimeter um Millimeter nach MORICE. Dieses Problem hatschon viel von sich reden gemacht.

Was wichtig ist, ist zu wissen, ob oberflächliches Streichenwas die interstitielle Zirkulation anregt, ausreichend ist.

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Einige Messungen des Gewebsdruckes sind an der Außen-fläche des Oberschenkels über der Faszie gemacht worden.Von der Massage Druck = 550 mm; nach der MassageDruck = 400 mm.Es handelte sich um eine Massage/ die vor allem den Muskelin der Tiefe beeinflussen wollte und weniger das Unter-hautzellgewebe. Es handelte sich also um eine tief gelegeneVasodilatation auf Kosten der subkutanen, außerhalb derSchenkelfaszie gelegenen Zone.Diese Beobachtung beweist auf negativem Wege die Not-wendigkeit eines lokalen Massierens der subkutanen Re-gionen.Um andererseits diesen anormal großen Gewebsdruck zuresorbieren, hat man Interesse, eine aktive arterioläre Vaso-dilatation zu schaffen und die metharteriolen sowie diearteriovenösen Kurzverbindungen durch Wärmemethoden zuerweitern.

Wie werden diese Behandlungsmethoden in Frankreichangewandt?

Es sei zuerst darauf aufmerksam gemacht, daß in Frank-reich die Rheumabehandlung eine Spezialität ist, die durchSonderstudien nach der Approbation an allen medizinischenFakultäten erworben werden kann, da sie alle einen Lehr-stuhl für Rheumakunde besitzen.Alle diese Unversitätskliniken besitzen eine besondere Ab-teilung für physikalische Behandlung. Im Ausland sind ammeisten bekannt

die Klinik von Professor COSTES am Höpital COCHINin Paris;die Klinik von Professor DE SEZE am Hopitel LARIBO1-SIERE in Paris.

Andererseits nehmen die meisten Spezialzentren für Heil-gymnastik chronisch schwerkranke Rheumatiker auf.Gewisse Zentren bilden sogar die chronischen Rheumatikerberuflich aus, wie z. B. das Nationalinstitut für Genesendeim Vesinet; die Berufsschule in St. MAURICE (Seine), „Dasneue Buch" in Paris, wo Rheumakranke in der Buchbindereiausgebildet werden.Ferner werden eine große Anzahl von Rheumaleidendenambulant durch Spezialärzte behandelt, die die Rehabili-tation leiten und die physikalische Behandlung überwachen.Es gibt in Frankreich zahlreiche Spezialisten.Und zum Schluß kommen noch die Thermalkuren in Betracht,die in den für Rheumabehandlung spezialisierten Kurortenstattfinden und die in Frankreich wegen der Vielseitigkeitseiner Quellwasser sehr zahlreich sind.

W e l c h e s s ind d ieH a u p t g r u p p e n der f r a n z ö s i s c h e n H e i l q u e l l e n ?

I. H e i ß e e l e m e n t a r m e und e l e m e n t r e i c h eQ u e l l e n

Diese erste Gruppe der Heilquellen mit bedeutenden, vorallem physikalischen Eigenschaften, verdient, die alte Be-zeichnung von „Thermalquellen" beizubehalten, denn ihreWärme ist ihre wichtigste physikalische Eigenschaft. DieseQuellen entsprechen den tiefgelegenen Vulkanwassern, manfindet sie z. B. in Chaudes-Aigues in der Auvergne (81°), inPlombieres in den Vogesen (72°), in Neris (52,8°), in Bour-bonne (66°), in Bains les Bains (51°), in Aix les Bains (47°).Die Wasser dieser Gruppe gehören zu den radioaktivstenund an Edelgasen reichsten Quellen. Die meisten enthaltennur Emanationen von Radon oder Thoron, die schnell un-wirksam werden: ihre Wirksamkeit läßt also bald nach.Infolgedessen kann man sie nur an der Quelle selbst aus-nutzen.

Diese Wasser werden vor allem -ah Bäder und zu Inhala-tionen gebraucht und dienen praktisch nicht zu Trinkkuren.Ihr Salzgehalt ist gering, und diese heißen radioaktivenelementarmen oder elementreichen Quellen ähneln sich inihren therapeutischen Eigenschaften: Es sind vor allem seda-tive, auf Schmerz und Spasmus beruhigend einwirkendeQuellen.Jede französische Thermalstation dieser Gruppe hat sichfür eine besondere Krankheit spezialisiert. Für die Rheuma-behandlung kann man Aix les Bains, Barbotan, Dax, Evaux,Bourbon-Lancy, Bourbonne les Bains, Plombieres zitieren.Neuralgische Schmerzen und nervöse Störungen werden inNeris les Bains bekämpft.

II. E l e m e n t a r m e k a l t e Q u e l l e n

Es handelt sich um Quellen, die sehr wenig mineralisiertsind und die nicht dieselben physikalischen Eigenschaftenwie die vorhergehenden besitzen. Es sind oberflächlicheQuellen; aber gerade wegen den Fehlens von Wärme undvon Mineralisation haben sie eine besondere therapeutischeIndikation, die alle Tage reicher wird. Sie dienen zu Spül-kuren und leisten zur Reinigung des Organismus von ange-häuften toxischen Schlacken große Dienste. Es sind diureti-sche Wasser, die vor allem durch vermehrte Ausscheidungdem Körper helfen; sie sind besonders in Fällen von(Auto-)Jntoxitationen, bei großen Vielessern angezeigt, undich erwähne unter ihnen die Quelle Les Deux Reines, diein Aix les Bains die Antirheumakur vervollständigt, sowiedie Quellen, die am Strande des Genfer Sees liegen, Evianund Thonon.

III. Ka I kha I t i ge Schwe f e l q u e l len

Es handelt sich hier um Kalk und Magnesium enthaltendekalte Schwefelquellen, die auch als diuretische Wasser die-nen, um lösliche und unlösliche Schlacken (Konkremente,Mikroorganismen) des Organismus auszuspülen. Es sind alsoauch Reinigungsquellen. Man bedient sich ihrer in Fällenvon Niereninfektionen und zur Behandlung der Gicht. In denVogesen sind es Vittel und Contrexeville, die diesem Typusentsprechen.Gewisse kalkhaltige Schwefelquellen sind warm, weil siezum Teil aus großer Tiefe heraufsteigen, zum Teil oberfläch-liche Quellen sind, mit sedativer Wirkung, wie In ßagneresde Bigorre, in Dax und in Prechacq. Man bedient sich ihrervor allem zu Bädern und zu lokalen Anwendungen in derRheuma behandlung.

IV. M a g n e s i u m s u l f a t - und n a t r i u m s u l f a t h a l t i g eQ u e l l e n (Bitterwasser)

Diese Wasser sind vor allem Abführmittel, die in der Rheu-matologie keine besondere Indikation haben.

V. K o h l e n s a u r e Q u e l l e n

Sie finden sich in einem wichtigen Kranz von Badestationenrund um die Auvergne. Es sind alkalische Quellen, die dieAlkalireserve der Gewebe beeinflussen und erstaunlicheWirkung auf das Säure-Base-Gleichgewicht des Körpers be-sitzen. Hier sind vor allem die Quellen von Vichy zu er-wähnen, deren Indikationen vor allem die Verdauungsstö-rungen sind. Sie werden infolgedessen in der Rheumatofo-gie wenig angewandt.

VI. S u l f u r q u e l l e n

Die Sulfurquellen enthalten zwei völlig verschiedene Grup-pen; erstens die Natron enthaltenden Schwefelquellen, diegewöhnlich warme Quellen sind, sehr aktiv wirken und zuden aus der Tiefe kommenden Quellwassern gehören. Siesind oft sogar heiß, enthalten sehr wenig Metallionen. Dieandere Gruppe sind kalkhaltige Schwefelquellen. Sie sindkalt, enthalten Schwefelwasserstoff und stammen aus derReduktion der Sulfatwasser in oberflächlichen Schichten.

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Natürlich ist es die erste Gruppe dieser Quellen, die unsin therapeutischer Hinsicht interessiert, und zwar wegen desSchwefelgehaltes. Diese Quellen findet man in den Pyre-näen, in Luchon, in Bareges, wo sie eine interessante Ge-schichte haben. Sie ermöglichen es dort, eine aus der Pri-märzeit stammende Alge zu kultivieren, die man Bareginenennt. Deren Schlamm ist als Moorbad in der Rheuma-behandlung sehr verbreitet. Andere Badeorte sind Caute-rets, Eaux Bonnes, Eaux Chaudes usw. in den Pyrenäen.Solche Quellen sind bei Erkrankungen der Atmungswege an-gezeigt, aber auch bei rheumatischen Erkrankungen undwerden vor allem in Ax, Les Thermes, Amelie des Bains undVernet angewandt.

VII. S o l b ä d e r

In Frankreich bedient man sich nicht der Solquellen zur Be-handlung der rheumatischen Affektionen, obwohl sie einengewissen Platz einnehmen könnten, vor allem die heißenSalzquellen in Bourbon L'Archambault und Bourbonne lesBains.

VIII. A r s e n i k - , E i s e n - u n d K u p f e r q u e l l e n

Solche Quellen werden in Frankreich für die Rheumabehand-lung nicht verwandt.

Die Technik der KurbehandlungDie d i u r e t i s c h e n Kuren

werden in verschiedenen Kurorten durchgeführt, z. B. Cap-vern, Vittel, Contrexeville, Evian, Thonon.Die drei ersten sind kalkhaltige Sulfatquellen, die vor allemeine reinigende Wirkung haben und die Harnsäure, dieOxalsäure und Phosphorsäure eliminieren. Sie wirken auchauf den Stickstoffspiegel des Blutes.Die zwei letzteren sind reinigende Wasser, die durch Aus-scheidung der Chloride und des Harnstoffs wirken.Diese diuretische Kur kann auch mit gewissen alkalischenkalten Quellen durchgeführt werden. Solche Quellen findensich in anderen, spezialisierten, schwefelhaltigen Stationenund eignen sich für ambulante Behandlung. Das ist der Fallvon Aix les Bains (Quelle Saint Simon), von Bagneres deBigorre, von Bourbonne les Bains.

Die a m b u l a n t e B e h a n d l u n g

findet in allen Kurstationen statt, die warme und heißeQuellen besitzen. Die einen sind schwefelhaltig, und zwarentweder alkalische Quellen: Amelie les Bains 53 (35-65°),Ax les Thermes (18-78°), Barbotan (40°), Bareges. Die anderensind kalkhaltige Schwefelquellen wie Aix les Bains (45°). Esgibt auch noch gemischte Quellen (Digne, Eaux Chaudes).Andere kalkhaltige Sulfatquellen sind Dax (57-64°), Prechacq(63°); gemischte Sulfatquellen sind in Bagneres de Bigorre(30-51°) und in Saint Amand (28°). Schließlich sind einigeQuellwasser noch kochsalzhaltig wie Bourbon l'Archambault(53°), Bourbon Lancy (46-58°), Bourbonne les Bains {66°).Gewisse Stationen mit heißen Quellen haben auch natür-liche Moore oder Schlamme: Balaruc, Barbotan, Dax, Pre-chacq, Saint Amand. In Aix les Bains stellt man die Moor-bäder künstlich zusammen.

Die M o o r b ä d e r

stellen ein natürliches Produkt dar und sind ein Gemischvon Mineralwasser mit organischer oder nichtorganischerMaterie. Sie stammen aus biologischen oder aus geologi-schen Vorgängen oder aus den beiden zusammen. Man be-nutzt sie zur therapeutischen Anwendung in Form von Wik-keln oder von Bädern. So sagt es die internationale Definiondes I.S.M.H.In Frankreich versteht man aber unter dem medizinalenSchlamm organische und nicht organische Materie, die durchvollkommene Transformation unter dem Einfluß von Mine-ralwassern gewonnen worden ist. Diese Veränderungen

sind vornehmlich ein Anreichern der Grundsubstanz anorganischer Substanz, was durch Zersetzung von Algendurch Bakterien erreicht wird. Zuerst werden diese Bakterienin einem Vorverfahren angereichert. Die Fabrikation einessolchen Schlammes benötigt deshalb eine Reifungsperiode,die mehr oder weniger lang ist, und erst wenn das orga-nische Material sich genügend mit der Grundsubstanz ge-mischt hat, um eine homogene Masse zu bilden, sieht mandiesen Reifeprozeß als beendet an und der Schlamm ist zumGebrauch fertig.

Dank ihrer salbenartigen Konsistenz können diese Mooresehr viel Wärme speichern; ihr Kontakt mit der Haut ist sehrinnig, was es ermöglicht, dem Organismus Temperaturenvon mehr als 50° zukommen zu lassen. Da diese Schlammeschlechte Wärmeleiter sind, geben sie ihre Wärme nur lang-sam an die Haut ab und bewirken auf diese Weise eineaktive, kräftige, kapillare Vasodelatation.Unter den Kureinrichtungen erscheinen in Frankreich außerden klassischen Behandlungsmethoden mit Badebehandlungund Duschen seit zehn Jahren mehr und mehr Schwimm-hallen zum Muskeltraining, Spezialwannen vom deutschenTypus U.K.S. Daraus kann man die Sorge erkennen, aus denKurorten die veralterte Auffassung der rein passiven Be-handlung mit Bädern, Brausen, Packungen usw. fortzuschaf-fen. Sie sollen durch ein aktives Element ersetzt werden,welches in Bewegung ist, und das im Sinne des Trainings.Das Konzept, im Sommer eine Kur zu machen, um den Win-ter ohne große Schmerzen zu überstehen, ist jetzt veraltet.Die Kurbehandlung ist ein Trainingsmittel geworden und dieNebeneinrichtungen der Kurzentren, wie die Gymnastik-räume, kommen mehr und mehr in den dynamischen Sta-tionen an den Tag, wie z. B. in Aix les Bains.

Die Kurbehandlung der Sozialversicherten in Frankreich

Eins der Ziele der französischen staatlichen Krankenver-sicherung ist es, den Sozialversicherten die Möglichkeit zugeben, die besten therapeutischen Verfahren für ihre Ge-sundheit anzuwenden.Eine Thermalkur bedingt folgende Ausgaben:

die Kosten der eigentlichen Heilbehandlung;die Kosten der ärztlichen Überwachung;Transportkosten;Aufenthaltskosten im Kurort.

1. Die Behandlungskosten im Thermalbad und die Kostender ärztlichen Leitung einer Kur werden in all den Fällen,die als behandlungsbedürftig anerkannt worden sind, vonder Krankenversicherung getragen.

2. Die allgemeinen Krankenkassen steuern zu den Aufent-halts- und den Transportkosten der Versicherten bei, undgegebenenfalls werden sogar Spesen für Begleitpersonenersetzt. Aber das hängt von den finanziellen Mitteln desKranken selbst ab. Dieses Budget wird von der sanitärenund sozialen Sektion der Kassen getragen. So ist es seit derVerordnung von 1960.

Kostenlose Thermalkuren

Fast alle französischen Staatsbürger, die zur Kur kommen,gehören der Sozialversicherung an. Abgesehen davon gibtes noch Sonderbestimmungen für andere Kategorien.

Für unbemittelte Kranke.

Sie können eine Kurbehandlung bekommen, dank der kosten-freien ärztlichen Hilfe, deren Bedingungen in dem Dekretvom 26. September 1954 festgelegt sind.

Für Kranke des Mittelstandes,

wenn deren wirtschaftliche Mitte! so gering sind oder derenFamilienverpflichfungen zu groß sind, um die Kosten für

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einer» Kuraufenthalt und eine Kurbehandlung zu bestreiten,können durch Entscheidung des Ministers für Volksgesund-heit Gratiskuren bewilligt werden.

Für Militärpersonen:In gewissen Stationen (wie in Aix les Bains z. B.) habenMilitärpersonen bis zum Hauptmannsgrade, im aktiven Dienstoder im Ruhestand, sowie deren nicht verheiratete Witwenund deren Kinder Anrecht auf Gratiskuren. Das Wehrmini-sterium bezahlt die Reisespesen. Das Gesundheitsministeriumbezahlt die Kurspesen.

Schlußfolgerungen

In Frankreich fahren ungefähr 300000 Staatsangehörige alleJahre in die Kurorte.1962 waren 188958 Kurverfahren von der Sozialversicherungbezahlt worden. Die Verteilung unter 97 zugelassenen Kur-orten gab z. B. in

Aix ies Bains .Barbotan . . .Ax les ThermesDax

16106 Kurbehandlungen2766 Kurbehandlungen2321 Kurbehandlungen9691 Kurbehandlungen

Aber obwohl Frankreich eines der Länder der Welt ist, dasam reichsten mit Heilwasserkurorten versehen ist, und ob-wohl es durch die Verschiedenheit se'mer Mineralwasseraußerordentliche therapeutische Möglichkeiten bietet, mußman doch zugeben, daß trotz der Beihilfe durch die Kran-kenkassen nur 1 % unserer Bevölkerung jährlich unsere Sta-tionen frequentieren, wohingegen in der Tschechoslowakeiz. B., die nur 13 Millionen Einwohner hat, ungefähr 600000Kurgäste alle Jahre zur Kur fahren. In der Deutschen Bun-desrepublik beträgt die Zahl der jährlichen Kurgäste1 300000.

Anschrift des Verfassers: Dr. msd. WAGHEMAKER, 11 Rue Jeanne d'Arc,Lille, Frankreich

Prof. Dr. med. Erwin Schliephake zum 70. Geburtstag

Von W. Koh l rausc r t

Wer die 70 vollendet, hat längst Bilanz gezogen, die Um-welt tut es zu diesem Zeitpunkt. Bei Erwin SCHLIEPHAKE lohntes sich. Am 18. 8 1894 geboren, im humanistischen Gymna-sjum zu vielseitigem, großzügigem und weiträumigem Den-hen erzogen, lockte ihn die Weite des medizinischen Den-kens und Handelns, die er im Hause des Arztvaters erlebte.Weitgespannt sind auch seine medizinischen Erfahrungengeworden. Nach der Promotion bei dem Gießener PsychiaterSOMMER über taktil-motorische Reaktionen und einergründlichen pathologischen Ausbildung beschäftigten ihnphysiologische und physiologisch-chemische Fragen deskranken Herzens, die bei dem RUBNER-Schüler THOMAS,Leipzig, experimentell verfolgt wurden. Auch in der medizi-nischen Poliklinik in Rostock, die damals von GRAFE geführtwurde, werden diese Untersuchungen und die Fragen überden Nachweis der Assimilitation von anorganischen Stick-stoffverbindungen im Tierkörper fortgesetzt. Aber nun hatteihn die Innere Medizin gepackt. Er ging 1924 zu STEPP nachJena und habilitierte sich bei dessen Nachfolger VEIL 1929.Hier in Jena entdeckte er zusammen mit Esau die biologi-schen Wirkungen der Kurzwelle, ihre therapeutische Anwen-dung bei Entzündungen und vor allem auf das Endokrinium.Dieses nun wiederum veranlaßte Arbeiten über das vegeta-tive System, besonders dessen Beeinflussung durch Cholin

und Adrenalin. Aus diesen Arbeiten erwuchsen seine Stodienüber die inkretorischen Wirkungen der Milz, die zur Isolie-rung des Wirkstoffes Prosplen führten.Inzwischen war die Bedeutung des Röntgens so gestiegen,daß SCHLIEPHAKE sich entschloß, bei BUCKY am Virchow-Krankenhaus, Berlin, eine Fachausbildung in der Röntgeno-logie zu erwerben. Dann übernahm er das von seinem Vor-fahr Prof. Dr. med. BALSER gegründete und im Familienbesitzgebliebene Baiserische Stift, Gießen, habilitierte sich dort-hin um und blieb dort bis zu seiner Berufung nach Erlangen(1942) und später Würzburg, wo er die medizinische Poli-klinik - wohl auf Betreiben seines alten Lehrers GRAFE -übernahm.Daß bei so weitgespannten Interessen sein medizinischesHandeln und Denken großzügig war und blieb, ist leicht be-greiflich. Seine besondere Liebe galt immer der physika-lischen Medizin. Die ursprünglichen Arbeiten über die Kurz-welle haben ihn immer wieder beschäftigt. Seine erregend-sten Mitteilungen betreffen die Hypophysendurchflutung beihoffnungslosen Carcinomen. Unter Berücksichtigung, daß erbisher fast nur solche vom Chirurgen als inoperabel be-

zeichneten Fälle behandelte, sind die numerisch mit 15%Erfolgen bezeichneten als ein Resultat anzusehen, das zudenken Anlaß gibt Die wissenschaftliche Welt steht diesenErgebnissen sehr skeptisch gegenüber. Das ist zwar nachvielen Fehlschlagen in der Krebstherapie verständlich, aberSCHLIEPHAKE berichtet zunächst mit der ihm eigenen klarenund unbestechlichen Objektivität nur über die von ihm ge-fundenen Ergebnisse mit deutlicher Betonung, daß er damitsich nicht einbilde, den Krebs heilen zu können. Er wartetselbst das Weitere ab.Diese „unbestechliche Objektivität", die uns bei allen seinenArbeiten begegnet, entspringt seinem geraden und lauterenCharakter, der ein Wesensmerkmal seiner Lebenshaltung ist.Wenn ich kürzlich die innere Ehrlichkeit als Grundbedingungfür die Sauberkeit wissenschaftlicher Arbeit und die guteEhe, das Ruhen in ihr, als einen der stärksten Motoren fürdie Arbeit bezeichnet hatte, so hätte Erwin SCHLIEPHAKEdafür Modell gestanden haben können.Der inneren Ehrlichkeit entspricht auch, daß er in einemBrief an mich sagen konnte: „Von meinen wissenschaftlichenThesen habe ich noch nie etwas zurücknehmen müssen. DenNachprüfungen hat alles standgehalten." Seine Arbeitensind in über 300 Einzelpublikationen, zu denen noch überT00 Dissertationen seiner Schüler kommen, festgelegt. Vonseinen Büchern sind die Kurzwellentherapie (6 Auflagen),die Physikalische Therapie mit SMETS, PFLEIDERER undLAMPERT und die Einführung in die Elektromedizin die be-kanntesten.Auch an Ehrungen hat es nicht gefehH So ist er korrespon-dierendes Mitglied der Royal Soc. London, des Congress ofPhysical Med. USA und der Ges. d. Ärzte Wien, sowie Ehren-mitglied der Soc. Ital. di Med. fisica und der Soc. for Phy-sical Med. of Connecticut. Auch die ehrenvolle Berufung aufeine Gastprofessur der Univ. Alexandria ist zu erwähnen. Errichtete dort einen Lehrstuhl für physikalische Medizin ein.Unsere deutsche physikalische Medizin verdankt ihm viel. Erist seit Bestehen der Ges. f. Physikalische Medizin (Baln.Biokl. u. physikal. Med.) ihr Mitglied, lange Zeit auch inderen Vorstand tätig, auch als Präsident. Immer war er fürderen wissenschaftliche Durchdringung besorgt und auch anden Fragen der Naturheilkunde interessiert, die mit der phy-sikalischen Medizin so viele Berührungspunkte hat. Als erst-mals die Frage eines Facharztbereiches für die physikalischeMedizin auftauchte, war er es, der sie als Präsident der Ge-sellschaft voranzutreiben suchte.

Er wird auch in Zukunft für diese Fragen aufgeschlossenbleiben. Wir erwarten von ihm aus dem reichen Schatz sei-ner Erfahrungen noch viel für die weitere Entwicklung diesesFaches, das sich in einer stürmischen Phase befindet.

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Anfragen aus dem Leserkreis

Anfrage 24/64

Seit etwa 4 Wochen beobachte ich in meinem Privatbezirk,besonders in den Dörfern Heimbach (Nahe) und Hopp-städten (Neh), ein seltsames Krankheitsbild, das ich bishernicht gesehen, erlebt und gelesen hatte. Es handelt sich umein Exanthem, welches vorwiegend bei Jugendlichen von 3bis 20 Jahren, meist zwischen 10 bis 16 Jahren auftritt. DiePatienten klagen zuerst über Kopfschmerzen, Schläfendruck,übelkeif, Schwinde), leichte Temperaturen, 37 bis 38°, sehenbis 40°. Sie legen sich wegen Gliederschmerzen und Mattig-keit zu Bett, wenn sie morgens aufwachen, haben sie einenjuckenden Ausschlag am Kopf, der wie Masern-, Scharlach-,Urticaria-Exanthem aussieht. Conjunctiven meist frei, nurAugenbrennen, Mund- und Rachenschleimhaut, besondersaber Tonsülen befallen, leichter Husten, keine ausgespro-chene Bronchitis, etwas Herzklopfen, Magendruck, Glieder-schmerzen, zuweilen auch geringe Schwellung der Gelenke,ausgesprochene Lymphdrüsenschwellung, besonders Hals-Kiefer-Nadcenbereich, geringer Achselhöhlen und Leisfen-gegend. Der Ausschlag breitet sich vom Kopf über den gan-zen Körper aus, juckt stark, verschwindet meist nach 7 bis10 Tagen, selten über 14 Tage, zuweilen auch nur flüchtig3 Tage. Die Symptome verschwinden erst später. Ich nahmein Dermatotropes Virus als Ursache an, kann auch eine be-sondere Allergieform sein. Die Eltern deuteten die Erkran-kung als Polio-Schluckimpfungsfolge. Ich glaube nicht daran,weil auch Nichtgeimpfte erkranken. Es erkranken ganzeFamilien,, aber nicht gleichzeitig, meist 2 bis 3 Wochen Inter-vall. Therapie bisher symptomatisch, da Causa unbekannt.Wer hat ähnliche oder gleiche Beobachtungen gemacht?Wer weiß Rat und Hilfe? Dr med G .R z aüS H

Antwort

Die Einordnung des geschilderten Krankheitsbildes in eineder üblichen Infektionskrankheiten ist angesichts der be-schriebenen Symptomatik sicher nicht möglich. Es scheintsich zudem um eine relativ eng begrenzte Epidemie zu han-deln, da wir an der Mainzer Klinik trotz räumlicher Nach-barschaft keine entsprechenden Fälle gesehen haben, wasmir auf mündliche Anfrage auch von dem Direktor derUniversitäts-Hautklinik, Herrn Professor Dr. KÖRTING, be-stätigt wurde. Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit zu ver-muten, daß es sich um eine Viruserkrankung, ausgelöst durcheines der zahlreichen Echo- oder Adeno-Viren handelt, wiesie in den letzten Jahren in verschiedenen Bereichen be-schrieben worden sind. Das Vorliegen einer allergischen Ur-sache erscheint mir unwahrscheinlich. Die Erkrankung dürftewohl sicher auch nicht als direkte Folge der PoJio-Scbluck-impfung zu erblicken sein, zumal dann ähnliche Berichteaus anderen Landesteilen gemeldet worden wären. Inwieweitdieser Erkrankung durch die allgemeine Zurückdrängungbakterieller bzw. viraler Infektionen ein Weg gebahnt wurde,steht dahin, doch muß mit einer solchen Möglichkeit ange-sichts ähnlicher Beobachtungen gerechnet werden. Natur-gemäß wäre eine genauere klinische Durchuntersuchungsolcher Patienten von großem Interesse.

Prof. Dr. med. KOTTGEN, Mainz, Universitäts-Kinderklinilc

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Indikationen: Leichte und mittlere Insuffizienzen, vor allenrdann, wenn eine kumulierende Wirkung nicht er-wünscht ist. Man beginnt in der ambulanten Praxisbei dekompensierten Herzen zunächst mit Adonis-gaben, um die Diurese in Gang zu bringen, und gehtspäter auf Digitalis über, ohne daß man eine Pauseeinschalten muß. Vor allem bei den Insuffizienzen, wobei Sinken des arteriellen Blutdruckes das Herzschwächer wird, hat sich das Mittel bewährf. WeitereIndikationen: kardialer Hydrops sowie Aszites.Spezifisch scheint es oft bei den rheumatischen Herz-erkrankungen zu wirken, insbesondere bei der Peri-karditis und Endokarditis rheumatika, da es unterVerminderung der Pulsfrequenz eine genügend schnelleintretende Beruhigung und Kräftigung des Herzenshervorruft, Günstige Beeinflussung der Tachykardie,vor allem bei der Thyreotoxikose ist festzustellen. Diesist auch die Hauptindikation in der Homöopathie.Ebenso sprechen Extrasystolen, vor allem bei derSinustachykardie, infolge gesteigertem Sympathi-kotonus an.Für die tägliche Praxis wichtig ist seine Wirkung aufdie Stauungszustände im kleineren Kreislauf. Bron-chialasthma, das Emphysem und die chronische Bron-chitis, die ja meist mit einer Schädigung des Herzenseinhergehen, sprechen gut an.

W E S T D E U T S C H E A R Z N E I B Ä D E R F A B R I K

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W I L L Y S C H L Ü T E R K . G . B I N G E N A M R H E I N

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Der Unterschied gegenüber der Digitaliswirkung be-steht in einem rascheren Eintritt und rascheren Ab-klingen der Herzwirkung. Es tritt eine stärkere dia-stolische Füllung, eine Verstärkung der Systole undeine Regulierung des Pulses ein. Das Mittel kumuliertnicht. Die genaue Dosierung ist bei jedem Präparatverschieden. Anfangs kann es bei zu starken, manch-mal auch bei mittleren Dosen zu Arrhythmien kommen,die durch intermittierenden Bigeminus und distolischePause charakterisiert sind.In der h o m ö o p a t h i s c h e n Anwendung in einerVerdünnung von D1-D2, bei Hyperthyreose, nervösenHerzstörungen, bei Pneumonie, wenn eine Kreislauf-stützung erforderlich ist.

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Venöse StaungenVenenentzündungen

Ulcus crurlsEntzündl. Infiltrate

EXHIRUD^ ^ sBlutegelsalbestandardisiertee

.PLANTORGAN WERK- BAD ZWISCHENAHN

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Combicor

Siegfried GmbH, Fabrik für chemisch-pharmazeutische Pro-dukte, Säckingen/Hochrhein, Mumpfer-Fähr-StraßeZusammensetzung: 1 Dragee = 10 Tropfen enthalten: iso-

liert Gesamtglykoside aus Adonis (225 MSE) und ausConvallaria (275 MSE), ß-Hydroxypropyl-theophyllin0,05 g.

Dosierung: Im allgemeinen 3mal täglich 1—2 Dragees oder10—20 Tropfen in etwas Flüssigkeit. In schwereren Fäl-len Erhöhung der Dosis bis zu 3mal 3 Dragees oder3mal 30 Tropfen täglich. Erhaltungsdosis 1 Drageesoder 10 Tropfen täglich.

Preis; Packung mit 20 Dragees 1,80 DM, Packung mit 50 Dra-gees 3,80 DM, Tropfflasche mit 10 ccm 2,20 DM,Tropfflasche mit 30 ccm 4,80 DM, Anstaltspackungenmit 250 Dragees und 125 ccm.

Cordi-sanolDr. Schwarz, Arzneimittelfabrik GmbH, Monheim b. Düssel-dorf, FrohnkampZusammensetzung: 1 ccm (1 Dragee) entsprechen: Herba

Spartii scoparii 50 mg, Fruct. Crataegi 50 mg, RadixValerianae 50 mg, Bulb. Scillae 10 mg, Herba Adoni-dis 10 mg, Herba Convallariae 10 mg, 1 ccm(= 20 Tr.) bzw. 1 Dragee enthalten 0,4 mg Spartein.

Dosierung: 3mal täglich 10-30 Tropfen bzw. 3mal 1—2 Dra-gees.

Preis: Tropfflasche mit 50 ccm 2,40 DM, Packung mit 50 Dra-gees 2,40 DM, Anstaltspackungen mit 1000 ccm bzw.1000 Dragees.

Cordi-Sanol-Kapseln

Dr. Schwarz, Arzneimittelfabrik GmbH, Monheim b. Düssel-dorf, FrohnkampZusammensetzung: Eine Kapsel enthält: Oxyaethyltheophyl-

lin 25 mg, Extr. Herb. Convallariae 5 mg, Extr. Herb.Adonidis 5 mg, Extr. Bulbus Scillae 5 mg, Extr. Fruct.Crataegi 10 mg, Extr. Rad. Valerinae 10 mg, Spartein-sulfat 1,55 mg (= 0,8 mg Spartein).

Dosierung: 3mal täglich 1 Kapsel.Preis: 30 Kapseln 3,05 DM.

CorguttinBIKA GmbH, Arzneimitfelfabrik, Stuttgart-, Talstraße 47Zusammensetzung: Extrakte aus Crataegus, Convallaria,

Adonis, Valeriana, Primula, Camphora 0,5 %>, Rutin0,1 %.

Dosierung: 2-3mal täglich 10—20 Tropfen vor den Mahlzei-ten auf Zucker oder in Flüssigkeit.

Preis: Tropfflasche mit 15 ccm 1,90 DM, Flasche mit 30 ccm3,40 DM, Anstaltspackungen mit 1000 ccm.

Cor-myocraf liquidum und Dragees(früher ANF)Dr. Willmar Schwabe GmbH, Karlsruhe-Durladi, Am Dur-lacher Bahnhof 4Zusammensetzung: Auszug aus Fol. Convallariae 50%,

Herb. Adonidis 25%, Fruct. Crataegi 25%. 1 ccm =1000 MSE, 1 Dragee = 250 MSE.

Dosierung: 3mal täglich 10-20 Tropfen bzw. 1-2 Dragees.Preis: Flasche mit ca. 20 ccm 1,75 DM, Packung mit ca.

60 Dragees zu 0,4 g 1,75 DM, Anstaltspackungen mit250 und 1000 ccm bzw. 300 und 1200 Dragees.

Enzycord-DrageesDr. Wider & Co., Leonberg/Württ., Brennerstraße 48Zusammensetzung: 1 Dragee: Herba Tanaceti 0,02 g, Visc.

alb. 0,02 g, Adonis vern. (Di) 0,001 g, Strophanth.(DA) 0,001 g, Beilad. (DA) 0,001 g, Cannab. sat. (DA)0,001 g.

Dosierung: 3mal täglich 1-2 Dragees.Preis: Schachtel mit 20 Dragees 1,15 DM, Anstaltspackungen

mit 250 und 500 Dragees.

GombanMerz & Co., Frankfurt a. M., Eppenheimer Landstraße 100bis 104Zusammensetzung: 1 Gelantini-Kapsel enthält: Extr. Cra-

taeg. sicc. 50 mg, Extr. Convallar. sicc. 5 mg, Extr.Adonidis sicc. 20 mg, Extr. Oleae europ. sicc. 50 mg,Extr. Aescul. Hippocast. sicc. 20 mg, Vit. A 2500 E,Vit. Bi 1 mg, Vit. B2 1 mg, Vit. B« 2 mg, Vit. B12 m.lrtterinsic-Faktor 1 Y, Nikotinsäureamid 5 mg, Orot-säure 20 mg, Vit. E 5 mg, Rutin 10 mg, Colin bitart.25 mg, Eisen 2,79 mg, Kupfer 0,3 mg, Mangan 0,18 mg,Zink 0,32 mg, Kobalt 0,029 mg, Jod 0,006 mg.

Dosierung: Nach Anweisung.Preis: 20 Kapseln 3,10 DM, 40 Kapseln 5,65 DM.

Herbacard (Herbacard liquid)Galmeda GmbH, Düsseldorf 1, Uhlandstraße 9Zusammensetzung: Frischpflanzenauszüge aus Adonis vern.

Ammi visnag. Cactus grandifl. Convallaria maj., Cra-taegus oxyac. Lupulin., Lycopus eur. Ruta grav. ää.

Dosierung: 2-3mal täglich V2 Stunde vor oder nach denMahlzeiten 6 Tropfen in etwas Wasser, nach einigenTagen steigert man bis 10-12 Tropfen.

Preis: Packung mit ca. 10 ccm 1,85 DM, Packung mit ca.10 ccm 1,85 DM, Packung mit ca. 20 ccm 2,!J5 DM.

MirotonChemische Werke Minden GmbH, Minden/Westf., Karlstr. 25Zusammensetzung: Auszüge aus Herb. Adonidis 25%, Con-

vallariae 12,5%, Fol. Oleandri 12,5%, Bulbus Scillaevar. alba 12,5%, 20 Tr. •= 1 Dragee.

Dosierung: 5-10-30 Tropfen ein- oder mehrmals täglich,möglichst perlingual, oder 1-3mal 1 Dragee.

Preis: Packung mit 30 g bzw. 30 Dragee 1,75 DM, Packungmit 100 g bzw. 100 Dragees 4,70 DM.

Recorsan-LiquidRecorsan-GmbH, Dr. Benecke & Co., Lüneburg, OvelgönnerWeg 13Zusammensetzung: Extr. (n. S. V.) Crataegi., -Adonis ver-

nal., -Valerianae, -Visci alb., -Auricul. mur., -Apiigrav., -Colae, Rutin solub.

Dosierung: 3mal täglich 10—30 Tropfen.Preis: Tropfflasche mit ca. 30 ccm 2,10 DM, Anstaltspackung

mit ca. 250 ccm.

LLEMOLAN bei Gallen-und LeberleidenTropfen, Dragees

JULIUS REDEL CESRA-ARZNE I MITTELFABRIK HAUENEBERSTEIN B/ BADEN-BADEN

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Bewährt bei rheumatischen Beschwerdenals Einreibung - ebenso wie innerlich auf Zucker oderin Wasser genommen bei alltäglichen Unpäßlich-keiten und Unwohlsein - das altbekannte Hausmittel.AMOL-WERK 2 Hamburg 40 - Muster auf Wunsch.

AMOLKarmelitergeist

RobokardinBIKA GmbH, Arzneimittelfabrik:, Stuttgart, Talstraße 47Zusammensetzung: Tinct. Adonidis, -Scillae, -Convallariae,

-Crataegi, -Salviae ää 0,3%, Khellin 0,025%, Cam-phora 0,07 %, Kalium pbos. Ot, Aurum chlor. Ds, Vi-num aromatic.

Dosierung: 2-3mal täglich ein Eßlöffel.Preis: Flasche mit ca. 200 ccm 4,20 DM.

SzillosanEmi} Henk, Heidelberg, Gegenbaur Straße 9Zusammensetzung: Extr. Scillae 42%, -Convallariae 33%,

-Adonidis 15%, -Crataegi 10%, 1 ccm = 40 Tropfenoder 2 Dragees = 1300 F. D. - Szillosan Tee: Bulb.Scillae 35%, Herb. Conallariae 35%, Herb. Adonidis10%, Flor. Crataegi 10%, Fol. Betulae 10%.

Dosierung: 3mal täglich 15—40 Tropfen bzw. 3mal 1—2 Dra-gees oder 3mal Aufguß von 2-6 Teelöffeln Tee.

Preis: Packung mit 30 ccm Tropfen oder 40 Dragees oder70 g Tee 1,90 DM, Packung mit 50 ccm Tropfen2,70 DM, Packung mit 125 ccm Tropfen 5,80 DM,Packung mit 100 Dragees 3,95 DM, Anstaltspackungen.

Szillosan-„forte"Emil Henk, Heidelberg, Gegenbaur Straße 9Zusammensetzung: Extr. Scillae 42%, -Convallariae 33%,

-Adonis 15%, -Crataegus 10%; dazu Helleborin undHeileborein ää 0,25 mg pro ccm. - 1 ccm (30 Tropfen)= 3000 FD.

Dosierung: 3mal täglich 5—30 Tropfen.Preis: Tropfflasche mit 50 ccm 4,70 DM.

Referate

Bewegungstherapie

H i p p , E.r P r i v . -Dozen t de r O r t h o p ä d i s c h e n U n i v e r s i t ä t s k l i n i k

M ü n c h e n : „ M ö g l i c h k e i t e n d e r o p e r a t i v e n B e h a n d -

l u n g b e i d e r A r t h r o s i s d e f o r m a n s d e s H ü f t -

g e l e n k s u n t e r besonderer Berücksichtigung derH ä n g e h ü f t e " . Krankengymnastik 16 (1964), 4:82.In der reich bebilderten Arbeit geht Verfasser zunächst aufdie Allgemeinbehandlung der Arthrosis deformans desHüftgelenks ein.Neben Wärmebehandlung (Wdrmeflaschen, Einreibungen, Be-strahlungen und Bäder) haben sich medikamentös Py razo l -d e r i v a t e in Verbindung mit Cortison bewährt. Auch die intra-artikuläre Behandlung mit Cortikosteroiden wird empfohlen, dasie oft schnell für eine längere Zeit anhaltende Linderung der

Beschwerden bringt. Nachteilig bleibt am Hüftgelenk die Schwie-rigkeit der Applikation, da der Gelenkspalt sehr eng und dieVerdickung der Kapsel die intraartikuläre Injektion erschwert.Auch Novocaininjektionen in den Bereich des Austrittes der NN.obturatorius und femoralis werden empfohlen. Die Röntgen-bestrahlung wird nur noch im nicht mehr fortpflanzungsfähigenAlter bei nichtoperablen Patienten angewandt.Kurz besprochen werden die zahlreichen operativen Methoden,wie die Hüftarthrodese, die Arthroplastik, die varisierende Ad-duktionssosfeotomie nach PAUWELS, die Verschiebeosteotomienach McMURRAY, die valgisierende Abduktionsosteotomie, undvor allem die VOSSsche Hangehüfte. Im Anschluß an eine Ent-spannung der kleinen Glutaealmuskulatur durch Schrägosteotomiedes Trochanter mafor und einer Addukforenfenotomie erreichtVOSS einen Rückgang der Beschwerden, eine Besserung der Ge-lenkfunktion und die Verbreiterung des Gelenkspaltes sowie eineBesserung der degenerativen Veränderungen. Entscheidend istaber eine über mehr als 6 Monate vorzunehmende Entlastung desHüftgelenks.Diese Behandlung wird in München insofern geändert, als derMuskulus glutaeus medius und minus subperiostal am Trochantermajor durchtrennt wird, wodurch sich Blutungen vermeiden las-sen, die regelmäßig beim Abmeißeln des Trochanter eintreten.Die Rectus-Sehne wird am Becken durchtrennt, ebenso die Sehnedes lliopsoas oder aber der Muskulus iliopsoas etwa 3-4 Quer-finger vor dem Ansatz am Trochanter minor partiell durchtrennt.In Symphysenhöhe werden danach noch die Adduktoren in An-satznähe durchtrennt.Am Tage nach der Operation wird mit Atemgymnastik begonnen,weiter mit Bewegungsübungen der Fuß- und Unterschenkel-muskulatur sowie Aufrichteübungen. Am operierten Bein mußeine gutsitzende Gamaschenextension als Dauerextension liegen.Die aktive BeÜbung des operierten Hüftgelenks beginnt nach derWundheilung (10-14 Tage nach der Operation). Vor allem mußdie Streckung, die Abduktion und die Beugung geübt werden. VonVorteil erweisen sich auch Unterwassermassagen oder Übungs-behandlung im Bewegungsbad oder Schwimmbad. Durch Schwim-men kann sehr viel erreicht werden. Auch nach der Entlassungsoll der Patient regelmäßig schwimmen. Ebenso kann oft schonnach 6 Wochen Fahren auf dem Rad durchgeführt werden. DerKranke soll so lange wie möglich nicht das Bein belasten, umeine Erholung des Gelenkknorpels und der subchondralen Ge-lenkzonen zu ermöglichen. Frühestens nach 3-4 Monaten, wennmöglich erst 6 Monate nach der Operation soll eine intensiveBelastung stattfinden.Die Hängehüfte ist allerdings kein Allheilmittel jeglicherCoxarthrose. Nur wenn eine entsprechende Nachbehandlungerfolgt, die mit den noch erhaltenen Muskeln eine optimaleBeweglichkeit erzielt, kann die Hängehüffeoperation Gutesleisten und selbst im hohen Alter noch vorgenommenwerden.

H. HAFERKAMP, Mainz

Manuelle Therapie

der Mus-Kohlrausch, W.: „ R e f l e x z o n e n m a s s a g e ink u l o t u r " . Hippokrates (Stuttg.) 35 (1964), 394.Die Aufgabe der Muskulatur, einen Schmerz durch Hypertonus abzuwehren, ist seit langem bekannt, z. B. als „de-

Gastr i t is • Anorex ie ,Dysfermentie

30 ml 2- DM o. U.

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fense musculcire" in der Chirurgie Zu beachten ist dabei

aber, daß ein Reflexweg gebahnt wird, der gegenläufig ist

Die hyperton gewordene Muskulatur kann ihre Reizstellung

auf das ursprunglich den Reiz aussendende Gewebe reflek-

tieren, selbst wenn dieses inzwischen gesundet ist, und das

vom Reflexgeschehen getroffene Gewebe beginnt zu schmer-

zen, ohne daß ein Krankheitsbefund nachzuweisen wäre

Diese hypertonischen Muskelstreifen von z T. 5 cm Lange

und 0,5 cm Breite verschwinden normalerweise mit Abklin

gen der Krankheit (wie es von den Reflexzonen bekannt ist),

können aber bei Bestehenbleiben den oben beschriebenen

muskulo visceralen Reflex auslosen Unterschieden muß diese

Art des Hypertonus von der — humoral bedingten — Myoge-

lose, die sich bei der Betastung als „Tonklumpen" anfühlt,

wahrend der Hypertonus mit feinen Gewebsspangen ant-

wortet Therapie der Wahl ist beim Hypertonus die manuelle

VibrationsmassageG HAFERKAMP Hannover

Rehabilitation

Mau, H.: „ B e h a n d l u n g s p r i n z i p i e n d e r O r t h o p ä -

d i e " Med Wel t 1964,897

In seiner Antrittsvorlesung in Tubingen versucht H MAU, das

etwas verschwommene Bild von den Aufgaben und dem

Wirken der Orthopädie zu klaren Mit vielen Beispielen

wird ein Bild vom Wesen, Denken und den Anforderungen

der modernen Orthopädie entworfen, deren therapeutische

Ziele zwischen Prävention und Rehabilitation Körperbehin-

derter liegt Das Prinzip der funktionellen Anpassung w i rd

heute mehr in den Mittelpunkt der Therapie gestellt als die

Wiederherstellung der Form Im ganzen zeichnet sich über-

haupt die Tendenz zu einer aktiveren schonenderen Thera-

pie i. S einer funktionelien Behandlung ab Am Einzelbei-

spiel werden viele Grundsatze der modernen Orthopädie

behandelt G HAFERKAMP, Hannover

Ingber, E.: „ Ü b e r d e n W e r d e g a n g k 11 n i s c h - r o n t -

g e n o l o g i s c h e r U n t e r s u c h u n g s m e t h o d e n " Fortschr

d Med 80(1962), 821

Der Verfasser weis!" in seiner Arbei t darauf h in, daß man

den Verdauungsvorgang nur als Ganzes betrachten dürfe,

die Diagnostik an Hand einzelner Organe bezeichnet er als

unvollkommen Dies beweist er am Beispiel der Cholezysto-

graphie und beruft sich dabei auf eine Arbeit von D'AMATO

über eine Kombination der Gallenblasenuntersuchung mit

einer gleichzeitigen Untersuchung des Magens und des Dar-

mes Neben einer Zeitersparnis für Arzt und Patient erfaßt

man mit dieser Methode vor allem die Physiologie der Ver-

dauungsvorgange Sie ermöglicht die Zusammenhange zwi-

schen den Organen, wie z B Adhäsionen, zu erkennen Na-

türlich erhalt man auch die Diagnostikergebnisse der kon-

servativen Methode. Obwohl schon vor ca 30 Jahren

ausgearbeitet, konnte sich |edoch die Untersuchungsart

D'AMATOs nicht weitgehend durchsetzen, und der Verfasser

fuhrt dann durch Auszuge der entsprechenden Arbeiten die

Für und Widerstimmen an G HAFERKAMP Hannover

Titelliste

La Vie Medicalo, Medecin et Thciapeutique45, MT4 (April 1964)La Traumatologie SporhveRupture du tencion d'Achille S 519Fractures de jambes du skieur S 527Lestons iva\jmo^\q\je des Ugamerrts du genouet des memsques S 551Entorses de la cheville S 563Fractures et luxations de la clavicule S 567Traumatologie du Parachutiste S 579Fractures des metacarpiens et des doigfsS 587Aspects medicaux de I enforse S 607Prof Robert et Jean JUDET, OrtopedistesHopitaux de Paris et Ieurs elevesTravaux origmaux

J R MctMef, Antihisfamrmques et hypohistamipemmants de Synthese Role therapeutiqued'un inhibiteur de I histidme decarboxylaseen pathologie allergohque , S 623

F Leperchey M Gaultier interet du cyclarbamate par voie rectale en practique courantechez l adulte , S 635

j Grassef A Gauthier, Serv de gynecol L'Hopital de la Pitie, Paris, La benzthiazideen gynecolog e et obstetrique (Saldiuretique)S 641

J Coulombier, L Anne Dimefhylaminoethanol dans les froubles du compotement et lesretards scolaires

La Vie Medieole, 45 (Mai 1964), V„Les cephalees"R Pluvmage, Hopital-Hospice de Bicetre, Ser

vice de Neuroiogie Les limites de la vraiem grame , S 72?

J C Renier, Prof agrege a i Gcole de Mede-cine d'Angres (Interne) Les cephalees rhumatologiques , S 737

R Roge, Arielen Chef de Climque Neurologiquea la Faculte Med , Paris, Donnees practiques concernant les cephalees d origine neurochirurgique', S 749

J J Aron Hopital des enfants malades —Necker Paris Les cephalees de cause ocu

laires', S 761H Laccourreye, Ancien Chef de Climque a la

faculte, Paris (Interne) Les relations reci-proques des cephalees et des affectionsO R L ' , S 767

J Nick et A Grasset, Prof agr a Facult deParis Hopital Tenon, Paris Les aspectspyjichiairiques des cephalees , S 773

J -J Aron Hopital des enfants malades Nek-ker, Paris, L'examen oculaires d uncephalal-gique , S 781

R Pluvmage, Hopital Hospice de Bicetre, Ser-v ce de Neurologique, Paris, Considerationsgenerales dans le traitement ae la migraine ,S 789

P Simon Assistant a la Faculte Med de Paris,Chaire de Pharmacologie, , Les aralgesiques ,S 795

A Morel Maroger Chef de cliniqje neurologi-que de Paris, ,Conduite a temr devant uneagitation psychomofnque', S 805

J Lagrange, Chirurgien Attache a l'HopitalRaymond-Poincare, Garches (S et O ) ,Existe-t-il un traitement preventif de la

coxarthrose3 , S 815B Pepin et R Barraine, Prof Agrege, Hopital

Sainf-Antoine Paris, Les proges recents dansle traitement de la maladie de Wilson",S 825

Y Perol et Vic Dupont (Vic Dupond), Prof Agr.Hopifal Claude Bemard Paris ,Les medica-ments antiviraux , S 835

R Weissenbach, Climque de rhumafologie,Hopifal Cochm, Paris, Problemes diagnosti-ques des svndromes epaulemain', S 847

M Leski Interne des Hopitaux de Paris, ,Dia-gnostic des pentonites tuberculeuses', S 859

A Delaunay Chef de Service Patholg expenm ,Institut Pasteur, Garches (S et O ), La Bio-logie des ses ongines a au|ourd'hui , S 865

J Badoual, Interne des Hopitaux Paris, Lesyndrome de Lyell S 889

H Basfide, Charge de Mission a I Institut Na-tional d £tudes Demographiques a Paris,„Ecologie des Etudiants en medeane", S 895

IDEEKAFFEE

Für viele Patienten eine wichtige Diäterleichterung!

schont Magen Leber Galleund stützt vielfaehHerz und Kreislauf

Idee-Kaffee besitzt sein wertvolles Coffein, ist aber weitestgehend von Reizstoffen befreit

Literatur und Auskünfte von J J Darboven, Arztedienst, Hamburg 1 • (vergl. »Grüne Listen 1963)

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Ankündigung

14. ärztlicher Fortbildungskurs für physikalische Medizin inder Weserberglandklinik 347 Höxter (Weser) vom 4. bis7. November 1964.

Auskunft und Anmeldung: Sekretariat Professor LAMPERT,347 Höxter, Weserberglandklinik. Tel. 05271/435.

Unkosten: Vier Tage 40 DM (10 DM pro Tag).

Anmeldeschluß: 25. Oktober 1964. Begrenzte Teilnehmerzahl.Themen: Reaktionstypen lehre, Balneotherapie, Heliofherapfe,Bewegungstherapie, Elektrotherapie, UKW-Therapie, Throm-boembolieverhütung, Recanalisation. Klinische Demonstra-tionen.

Mitwirkende: Prof. LAMPERT, Prof. SCHLIEPHAKE, Dres.DOBNER, GRÜNER, EIGEL, KIHN, WATERSTRADT, THURM.

Blindenkurheim in Bad MeinbergDas erste Blindenkurheim in Nordrhein-Westfalen, das vonden drei Blindenvereinen von Rheinland, Westfalen undLippe gebaut wird, soll am 3. Juli in Bad Meinberg ein-geweiht werden. Schon am 4. Juli treffen die ersten Gästeein.

DBV

Aus der W H O

Der wissenschaftl iche Beirat (Advisory committee) der W H Oregte ein W e l t g e s u n d h e i t s - F o r s c h u n g s z e n t r u m anund unterbreitete entsprechende Pläne der WHO-Vollver-sammlung und dem Exekutiv-Komitee. Diese Gremien befür-worteten den Plan. Als ersier Schritt zu dessen Verwirk-lichung werden internationale Arbeitsgruppen aufgestellt,die sich mit Detailproblemen befassen sollen. Die WHO be-faßt sich also zunächst nicht mit Eigenforschung. Von derBundesrepublik gehört Prof. HAMPERL, Pathologisches Uni-versitätsinstitut Bonn, diesem Gremium an.

Aus deutschen Heilbädern

Hallenschwimmbad in Braunlage

In den Kurhotels „Weidmannsheil" und „Weldmannsruh" inBraunlage wurde ein Hal lenschwimmbad mi t einer Becken-größe von 6 mal 12,5 m in Betrieb genommen. Es ist daserste seiner Ar t , das in einem Hotel des Oberharzes ein-gebaut worden ist.

DBV

Leihfahrräder auf Nordseeinseln

Die Kurverwaltungen der Inseln Borkurrt, Juist, Langeoogund Norderney stellen ihren Kurgästen auf Wunsch Leih-fahr räder für Ausflüge zur Ver fügung.

DBV

ProstamedProstataleiden — ProstatahypertrophieDr. Gustav Klein, Zell-Harmersbach

Stellenangebote

Arzt für ein neugegründetes Sanatorium mit Diätheim inbekannten westdeutschen Badeort gesucht. Bedingung:Gründliche Ausbildung in Naturheilverfahren, Massage undDiätetik. Interessante Tätigkeit mit Nebeneinnahmen.Chiff. 392

Ärztegesellschaften im Zentral verband

Forschungsgemeinschaft für Arthrologie und Chirotherapie (FAC) e. V.7. Vorsitzender: Dr. F. Gutmann, Bad HammAVestf.

Internationale Gesellschaft für Elektroakupunktur.Leiter: Dr. med. R. Vol l , Plochingen.Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsvorsorge und Frühheilbehandlung.Leiter: OMR Dr. med. W. Groh, Bad Dürrheim, Sanatorium Hirschhalde.

Gesellschaft für Homotoxikologie und antihomotoxische Therapie e. V.,Baden-Baden.Korrespondenz an den Schriftführer: Apotheker Fuhry, Baden-Baden,Bertholdstraße 7.Arbeitsgemeinschaft für Mikrobiologische Therapie.Leiter: Prof. Dr. med. Mommsen, Frankfurt, Baseler Straße 21.Internationale Gesellschaft für Neuralfherapie nach Huneke.Leiter: Dr. med. H. F. Voß, Heidenheim a. d. Brenz, Friedrichstraße 10Arbeitsgemeinschaft Psychotherapie-Seminare.Leiier: Dr. med. Graf Wittgenstein, München 23, Königinstraße 101.Medizinisch-Biologische Arbeits- und Fortbildungsgemeinschaft DeutscherZahnärzte e. V., Leiter: Dr. Paul Neuhäusser, Gräfelfing bei München,Akilindastraße 52a.

Herausgeber:

Zentralverband der Ärzte für Naturheilverfahren e. V.Schriftleitung:Dr. med. A. Cramer (Schriftführer), 2000 Hamburg-Nienstedten, Ohnhorst-straße 64, Tel. 820276.Dr. med. H. Haferkamp ( ] . Vorsitzender), 5500 Mainz, Adam-Karrillon-Straße 13, Tel. 06131/24363.Dr. med. F. Oelze (2. Vorsitzender), 2000 Hamburg-Langenhorn, Allgem.Krankenhaus Ochsenzoll, Langenhorner Chaussee 560, Tel. 5270181.Zuschriften mit Originalien (wissenschaftlichen Beiträgen) werden an Dr.Haferkamp erbeten.Referate an Dr. Oelze, redaktionelle Nachrichten und Verbandsangelegen-heiten an Dr. Cramer.Verlag: Medizinisch-Literarischer Verlag Dr. Blume & Co., 2000 Hamburg 13,Isestraße 115, Postfach 8049, Tel. 474434.Erscheinungsweise: monatlich.Bezugspreis für Nichimitglieder: Ab 1.1.1964 36,- DM für 12 Hefte.Bestellungen beim Verlag erbeten.Einzahlungen auf Postscheckkonto Hamburg 239216, Vereinsbank Hamburg,Dresdner Bank Hamburg, Zweigstelle Eppendorf, Konto Nr. 371 01.Druck: C. Beckers Buchdruckerei, 3110 Uelzen.Zur Zeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 4 (gültig ab 1. September 1963).Anzeigen-Generalvertretung: Fritz Täuber, 3140 Lüneburg, Am Springingut2,Tel. 04131/5034.

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