Physikochemikerinnen vernetzen

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Nachrichten aus der Chemie| 62 | Dezember 2014 | www.gdch.de/nachrichten 1235 W Die Arbeitsgemeinschaft Karrie- reforum der Deutschen Bunsenge- sellschaft (DBG) für Physikalische Chemie hat bei der Bunsentagung dieses Jahr in Hamburg das Ange- bot für den akademischen Nach- wuchs erweitert: um das Women’s Networking Lunch, an dem etwa 30 vorwiegend junge Physikoche- mikerinnen teilnahmen. Vorbild waren die Netzwerktreffen der American Chemical Society, bei de- nen Chemikerinnen aller Karriere- stufen zu kurzen Impulsvorträgen und einem gemeinsamen Essen zu- sammenkommen. Die Diskussion über Karriere und Stellung von Chemikerinnen im Beruf steht da- bei im Vordergrund, dazu kommt die Netzwerkbildung. Das Wo- men’s Networking Lunch haben zwei ehemalige Sprecherinnen der AG Karriereforum organisiert, Yvonne Joseph (TU Freiberg) und Melanie Schnell (Max-Planck-In- stitut für Struktur und Dynamik der Materie Hamburg). Impulsvortrag als Startpunkt W Die Tischdiskussionen entfach- te der Impulsvortrag von Katharina Al-Shamery (Universität Olden- burg), die eine Mehrfachrolle als Lehrstuhlinhaberin, Mutter und kommissarische Universitätspräsi- dentin ausfüllt. Sie berichtete von ihren Erfahrungen in männerdomi- nierten Gremien, von Alpha-Tieren und einer Unterstellung, wie sie zu ihrer Studienzeit gängig war: Frau- en studieren Chemie, um einen gut situierten Ehemann kennen zu ler- nen. Weil solche Äußerungen heu- te nicht mehr zum guten Ton gehö- ren und einiges unternommen wurde, um die Karrieren von Frau- en in den Naturwissenschaften zu fördern, könnte man annehmen, dass eine Netzwerkveranstaltung für Frauen keinen Gewinn mehr bringt. Aber das Gegenteil ist der Fall, wenn weibliche und männli- che Wissenschaftler die gleichen Chancen haben sollen: Bei 50 % weiblichen Promovie- renden sind nur etwa 20 % der Führungspositionen von Frauen besetzt. Frauen sind in wichtigen Entscheidungsgremien von Univer- sitäten und Industrieunternehmen nach wie vor unterrepräsentiert und werden leicht überstimmt, auch dann, wenn es um die Beset- zung von Stellen oder die Verbesse- rung von Familienleistungen des Arbeitgebers geht. Trotzdem redu- ziert die Deutsche Forschungsge- meinschaft – bisher eine wichtige treibende Kraft – ihre Aktivitäten zur Förderung der Gleichstellung. Die jüngeren Teilnehmerinnen tauschten sich über ihre Karriere- wünsche aus, wurden dabei jedoch zurückhaltend, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Be- ruf oder das Vertreten der eigenen Stärken ging. Für sie war es ein Ge- winn, beim Women’s Networking Lunch Vorbilder für erfolgreiche Frauenkarrieren kennen zu lernen und sich inspirieren zu lassen. In der recht traditionellen, män- nerdominierten Bunsengesellschaft gibt es mit dem Neworking Lunch nun eine Plattform der Frauen, die Impulse in die DBG geben kann. Bei der nächsten Bunsentagung in Bo- chum (14. bis 16. Mai 2015) soll die Veranstaltung wieder stattfinden. Karriereforum: Mentoring W Ein bereits etablierter Pro- grammpunkt bei der Bunsentagung ist das Symposium des Karrierefo- rums. Es soll den wissenschaftli- chen Nachwuchs dabei unterstüt- zen, eine Karriere an Universitäten und Forschungsinstituten sowie in der Industrie zu planen und aufzu- bauen, und dient ebenfalls der Ver- netzung. Titel war dieses Jahr „Be- gleiter auf dem Karriereweg: Men- toren, Chefs, Mitarbeiter und Kol- legen in der Geber- und Nehmer- rolle“ und Mentoring ein Schwer- punkt. Zielgruppe waren sowohl junge Wissenschaftler als auch Nachwuchsgruppenleiter, die sich in der Position wiederfinden, Mit- arbeiter fördern zu müssen. Nach einer informellen Mitgliederbefra- gung interessieren sich die Physi- kochemiker zu gleichen Teilen da- für, als Mentor oder als Mentee in der DBG aktiv zu werden. Weitere Aktivitäten der AG Kar- riereforum sind Mitarbeit in Gre- mien der DBG, Vernetzung mit den Nachwuchsförderorganisationen anderer wissenschaftlicher Gesell- schaften sowie Ausarbeitung von Stellungnahmen zu Karrierefragen, etwa in der Broschüre „Das Berufs- bild des Physikochemikers“. Annika Bande, Jahrgang 1979, baut eine von der Volkswagen-Stiftung geförderte Nach- wuchsgruppe am Joint Lab Juliq des Helmholtz- Zetrums und der Freien Universität Berlin auf. [email protected] Annika Bande Bei der Bunsentagung in Hamburg gab es erstmals ein Treffen speziell für Wissenschaftlerinnen. Physikochemikerinnen vernetzen BBildung und KarriereV Leitete dieses Jahr das Karriereforum der Bunsengesell- schaft: Annika Bande.

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Nachrichten aus der Chemie| 62 | Dezember 2014 | www.gdch.de/nachrichten

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W Die Arbeitsgemeinschaft Karrie-reforum der Deutschen Bunsenge-sellschaft (DBG) für Physikalische Chemie hat bei der Bunsentagung dieses Jahr in Hamburg das Ange-bot für den akademischen Nach-wuchs erweitert: um das Women’s Networking Lunch, an dem etwa 30 vorwiegend junge Physikoche-mikerinnen teilnahmen. Vorbild waren die Netzwerktreffen der American Chemical Society, bei de-nen Chemikerinnen aller Karriere-stufen zu kurzen Impulsvorträgen und einem gemeinsamen Essen zu-sammenkommen. Die Diskussion über Karriere und Stellung von Chemikerinnen im Beruf steht da-bei im Vordergrund, dazu kommt die Netzwerkbildung. Das Wo-men’s Networking Lunch haben zwei ehemalige Sprecherinnen der AG Karriereforum organisiert, Yvonne Joseph (TU Freiberg) und Melanie Schnell (Max-Planck-In-stitut für Struktur und Dynamik der Materie Hamburg).

Impulsvortrag als Startpunkt

W Die Tischdiskussionen entfach-te der Impulsvortrag von Katharina Al-Shamery (Universität Olden-burg), die eine Mehrfachrolle als Lehrstuhlinhaberin, Mutter und kommissarische Universitätspräsi-dentin ausfüllt. Sie berichtete von ihren Erfahrungen in männerdomi-nierten Gremien, von Alpha-Tieren und einer Unterstellung, wie sie zu ihrer Studienzeit gängig war: Frau-en studieren Chemie, um einen gut situierten Ehemann kennen zu ler-nen. Weil solche Äußerungen heu-

te nicht mehr zum guten Ton gehö-ren und einiges unternommen wurde, um die Karrieren von Frau-en in den Naturwissenschaften zu fördern, könnte man annehmen, dass eine Netzwerkveranstaltung für Frauen keinen Gewinn mehr bringt. Aber das Gegenteil ist der Fall, wenn weibliche und männli-che Wissenschaftler die gleichen Chancen haben sollen:

Bei 50 % weiblichen Promovie-renden sind nur etwa 20 % der Führungspositionen von Frauen besetzt. Frauen sind in wichtigen Entscheidungsgremien von Univer-sitäten und Industrieunternehmen nach wie vor unterrepräsentiert und werden leicht überstimmt, auch dann, wenn es um die Beset-zung von Stellen oder die Verbesse-rung von Familienleistungen des Arbeitgebers geht. Trotzdem redu-ziert die Deutsche Forschungsge-meinschaft – bisher eine wichtige treibende Kraft – ihre Aktivitäten zur Förderung der Gleichstellung.

Die jüngeren Teilnehmerinnen tauschten sich über ihre Karriere-wünsche aus, wurden dabei jedoch zurückhaltend, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Be-ruf oder das Vertreten der eigenen Stärken ging. Für sie war es ein Ge-winn, beim Women’s Networking Lunch Vorbilder für erfolgreiche Frauenkarrieren kennen zu lernen und sich inspirieren zu lassen.

In der recht traditionellen, män-nerdominierten Bunsengesellschaft gibt es mit dem Neworking Lunch nun eine Plattform der Frauen, die Impulse in die DBG geben kann. Bei der nächsten Bunsentagung in Bo-

chum (14. bis 16. Mai 2015) soll die Veranstaltung wieder stattfinden.

Karriereforum: Mentoring

W Ein bereits etablierter Pro-grammpunkt bei der Bunsentagung ist das Symposium des Karrierefo-rums. Es soll den wissenschaftli-chen Nachwuchs dabei unterstüt-zen, eine Karriere an Universitäten und Forschungsinstituten sowie in der Industrie zu planen und aufzu-bauen, und dient ebenfalls der Ver-netzung. Titel war dieses Jahr „Be-gleiter auf dem Karriereweg: Men-toren, Chefs, Mitarbeiter und Kol-legen in der Geber- und Nehmer-rolle“ und Mentoring ein Schwer-punkt. Zielgruppe waren sowohl junge Wissenschaftler als auch Nachwuchsgruppenleiter, die sich in der Position wiederfinden, Mit-arbeiter fördern zu müssen. Nach einer informellen Mitgliederbefra-gung interessieren sich die Physi-kochemiker zu gleichen Teilen da-für, als Mentor oder als Mentee in der DBG aktiv zu werden.

Weitere Aktivitäten der AG Kar-riereforum sind Mitarbeit in Gre-mien der DBG, Vernetzung mit den Nachwuchsförderorganisationen anderer wissenschaftlicher Gesell-schaften sowie Ausarbeitung von Stellungnahmen zu Karrierefragen, etwa in der Broschüre „Das Berufs-bild des Physikochemikers“.

Annika Bande, Jahrgang 1979, baut eine von

der Volkswagen-Stiftung geförderte Nach-

wuchsgruppe am Joint Lab Juliq des Helmholtz-

Zetrums und der Freien Universität Berlin auf.

[email protected]

Annika Bande

Bei der Bunsentagung in Hamburg gab es erstmals ein Treffen speziell für Wissenschaftlerinnen.

Physikochemikerinnen vernetzen

BBildung und KarriereV

Leitete dieses Jahr

das Karriereforum

der Bunsengesell-

schaft: Annika

Bande.