Politik und Staat im Netz Social Media nach dem NSA-Abhörskandal und der Wahl in Deutschland...

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Politik und Staat im Net Politik und Staat im Netz Social Media nach dem NSA-Abhörskandal und der Wahl in Deutschland Ringvorlesung Digital Media Studies in der Praxis Universität Basel, 24.9.2013 Prof. Dr. Christoph Bieber

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Politik und Staat im Netz

Politik und Staat im Netz

Social Media nach dem NSA-Abhörskandalund der Wahl in Deutschland

Ringvorlesung Digital Media Studies in der PraxisUniversität Basel, 24.9.2013

Prof. Dr. Christoph Bieber

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#btw13Facebook

Twitter

Piratenpartei

Online-Video

#prism

Meme

Breitband-Ausbau

Shitstorm

#neuland

Silicon ValleyBig Data

Datenschutz

Digitale Spaltung

Liquid Democracy TV-Duell

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Bieber: Kampagnen(t)räume

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#btw13

Zwei Tage nach der Wahl kommt man nicht an einigen Worten zur Digitalisierung des Wahlkampfs vorbei – im folgenden möchte ich aber auf einige nachhaltigere Entwicklungen zu sprechen zu kommen.

Jenseits der Aufgeregtheiten im unmittelbaren Umfeld von Stimmabgabe, Auszählung und den sich anschließenden Koalitionsverhandlungen gibt es mE einige Konstanten, die auch jenseits der Wahlkampfhektik ihre Relevanz für die politische Kommunikation behalten.

Das sind vor allem persönliche Öffentlichkeiten und die politische Echtzeitkommunikation als Modernisierungseffekte im Wahljahr 2013. In inhaltlicher Perspektive geht es zudem um die Zukunft der Netzpolitik nach der Bundestagswahl.

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1. Persönliche Öffentlichkeiten2. Politische Echtzeitkommunikation3. Netzpolitik

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Soziale Netzwerke

Der Beschreibungsansatz sozialer Netzwerke nach boyd/Ellison gilt mittlerweile als ein Standard der internationalen Forschung zum Thema.Soziale Netzwerke sind Online-Angebote, die es Menschen ermöglichen (1) öffentliche oder halb-öffentliche Profile (…) anzulegen, (2) eine Liste anderer Nutzer zu erstellen, mit denen sie eine Verbindung teilen, sowie (3) sich entlang der eigenen und den von anderen erstellten Verbindungslisten durch das Netzwerk zu bewegen.

► boyd, d. m. / Ellison, N. B. (2007). Social network sites: Definition, history, and scholarship. In: Journal of Computer-Mediated Communication, Jg. 13 (Nr. 1), article 11.

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Aufbauend auf diese Grundlegung entwickelte Jan Schmidt seine abstrakte Dreiteilung als vernetzte Öffentlichkeiten:

► Identitätsmanagement (Darstellung individueller Interessen, Erlebnisse, Meinungen, Kompetenzen)

► Beziehungsmanagement (Pflege von bestehenden, Knüpfen von neuen Beziehungen)

► Informationsmanagement (Selektion und Weiterverbreitung von relevanten Daten, Informationen, Wissen und Kulturgütern)

► Schmidt, Jan (2009, 2011): Das Neue Netz. Merkmale, Praktiken und Folgen des Web 2.0. Konstanz.

Vernetzte Öffentlichkeiten

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Vernetzte, persönliche Öffentlichkeiten

Was bedeutet das für die Kampagnenführung politischer Akteure?

Persönliche Öffentlichkeiten stellen ein grundlegend anderes Umfeld für die Verbreitung politischer Informationen dar – die Kommunikation zwischen Politik und Bürgerschaft unterscheidet sich durch die mediale Rahmenstruktur grundlegend von unpersönlichen, massenmedialen Öffentlichkeiten der Mediendemokratie „alter Prägung“.

Dieser Veränderung müssen sich Wahlkampfführende (aber auch Politiker im „Normalbetrieb“) bewusst sein, wenn sie sich dieser neuen Arena politischer Kommunikation nähern.

Interessant ist hier auch die Verwandschaft zu persönlichen Offline-Öffentlichkeiten, die z.B. im Rahmen des so genannten Haustürwahlkampfs eine Rolle gespielt haben.

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Campaigning in vernetzten Öffentlichkeiten

Die aktuellen Kampagnen in den sozialen Netzwerken können ganz unterschiedliche Formen annehmen, und gerade in den letzten Tagen und Wochen vor der Wahl ist hier einiges passiert – die Folge war eine Verlängerung des Wahlkampfs bis zur Schließung der Wahllokale.

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Politische Echtzeitkommunikation

Vorab ist festzuhalten: am Wahltag, vor allem am Wahlabend dominiert das Fernsehen als „Live-Medium“ die zentralen Momente der Berichterstattung (Prognose/Hochrechnung, Sieger/Verlierer, Analyse).

Aber: es haben sich dennoch Formen einer politischen Echtzeitkommunikation entwickelt, die als neue Formen der Medialisierung verstanden werden können (#tvduell).

Auch wenn Twitter in Deutschland keineswegs ein Massenphänomen ist, so hat es sich im Kommunikations-portfolio von Politik und Medien etabliert.

In den nächsten Tagen dürfte es ganz interessant sein, die neue Begleitkommunikation zu den Sondierungsgesprächen und Koalitionsverhandlungen zu beobachten.

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Politische Echtzeitkommunikation

Der Wahltag selbst hat nicht zu einer solch verdichteten Echtzeitkommunikation geführt, das Tweet-Aufkommen ist mit ca. 350.000 markierten Beiträgen (#btw13) bestenfalls als moderat zu bezeichnen.

Aus einer demokratietheoretischen Perspektive wäre hier nun ein Nachdenken über die Folgen für politische Öffentlichkeit als allgemeiner, inklusiver Diskussionsraum der Gesellschaft nötig – und nicht eine billige Polemik, wie sie z.B. heute im Feuilleton der FAZ notiert ist.

Im Rahmen einer „ordentlichen“ Vorlesung müsste an dieser Stelle eine massive Vertiefung zum digitalen Strukturwandel der Öffentlichkeit erfolgen.

Doch seien Sie unbesorgt - das werde ich Ihnen ersparen.

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Netzpolitik, quo vadis?

Jenseits der kommunikativen Dimension der Digitalisierung bildet die Frage nach Netzpolitik als policy eine weitere Linie der politikwissenschaftlichen Debatte – allerdings noch eine eher wenig intensiv geführte.

Selbst die in der Sache selbst als mindestens ungeheuerlich zu bezeichnende PRISM-, Snowden-, Abhör- oder Geheimdienstaffäre hat es nicht geschafft, der Thematik im Wahlkampf größere Sichtbarkeit oder Relevanz zu verleihen.

Das ist mehr als bedenklich.

Wenn der Wahlkampf hierzu irgendetwas gezeigt hat, dann war es die Möglichkeit, einen Gegenstand durch konsequente De-Thematisierung aus der öffentlichen Debatte herauszuhalten und auf diese Weise zu neutralisieren.

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Netzpolitik, quo vadis?

Nicht zuletzt (aber längst nicht nur) daraus erklärt sich auch die Wirkungslosigkeit der Piratenpartei, die auf einen kurzfristig sichtbaren Mobilisierungsschub angewiesen war, um Wähler jenseits ihrer Kernklientel zu erreichen.

(Nebenbei: Gelungen ist genau dies der „europakritischen“ Alternative für Deutschland – was darauf hin deutet, dass ein „klassisches“ Politik-Thema besser von neuen Parteiakteuren aufgegriffen und in Wählerunterstützung umgewandelt werden kann als das „Nischenthema“ Netzpolitik).

Auf wichtigen netzpolitischen Baustellen wie Vorratsdaten-speicherung, Netzneutralität oder Leistungsschutzrecht droht mit einer CDU-Regierung nun Stillstand – nicht nur thematisch Fehlen moderne Konzepte, auch personell sind in der Union nur wenige netzaffine Fachpolitiker in Sicht.

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Netzpolitik, quo vadis?

Aber auch im Falle einer Großen Koalition dürfte sich das nicht gravierend ändern, denn in zentralen Entscheidungsprozessen hat zuletzt auch die SPD ähnliche Wege eingeschlagen wie die Unionsparteien (#lsr, JMStV).

Sollte es zu einer schwarz-grünen Koalition kommen, böte das Feld der digitalen Bürgerrechte immerhin einen Ansatzpunkt zur selbstbewussten Positionierung der Grünen (die hierfür zudem geeignetes Personal sowie Unterstützung in der so genannten Netzgemeinde rekrutieren könnten).

In organisatorisch-institutioneller Hinsicht bleibt abzuwarten, ob es ein Nachfolgegremium zur Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft geben wird. Gefordert war die Einrichtung eines Ausschusses im Bundestag – ob dies geschieht, erscheint jedoch fraglich.

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Netzpolitik, quo vadis?

Von den Forderungen nach einem Internet-Ministerium, die insbesondere im Umfeld des Steinbrück-Kompetenzteams formuliert worden waren, werden wir in den nächsten Wochen vermutlich nicht viel hören.

Insgesamt sieht es auf dem netzpolitischen Parkett – zwei Tage nach der Wahl – also eher finster aus. Die von Kanzleramtsminister Pofalla für beendet erklärte Ausspäh-Affäre wird so schnell nicht wieder Gegenstand einer politischen Debatte werden (ganz sicher nicht während der Koalitionsverhandlungen).

Transparenz und Offene Daten – als Schlagworte häufiger zu hören und auch in den Wahlprogrammen zu finden – dürften nach der Regierungsbildung wohl auch als eher nachrangige Arbeitsfelder verstanden werden.

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Netzpolitik, quo vadis?

Von den Forderungen nach einem Internet-Ministerium, die insbesondere im Umfeld des Steinbrück-Kompetenzteams formuliert worden waren, werden wir in den nächsten Wochen vermutlich nicht viel hören.

Insgesamt sieht es auf dem netzpolitischen Parkett – zwei Tage nach der Wahl – also eher finster aus. Die von Kanzleramtsminister Pofalla für beendet erklärte Ausspäh-Affäre wird so schnell nicht wieder Gegenstand einer politischen Debatte werden (ganz sicher nicht während der Koalitionsverhandlungen).

Zumindest bis zum nächsten Skandal.Und vielleicht es auch genau das, was die deutsche Netzpolitik braucht, um sich angesichts der ganz analogen Ernüchterung nach der Wahl wieder neu zu formieren.

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...vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

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