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Aufgrund der Differenzen zwischen Ist- und Soll-Zeiten gilt es, die Ursachen zu klären
und ggf. abzustellen. Dazu gibt es verschiedene Verfahren zur Zeitdatenermittlung.
Experimentelle Verfahren dienen zur Ermittlung von Ist-Zeiten. Rechnerische Verfahren
sind die Grundlage zur Ermittlung von Soll-Zeiten.
Die Begriffsbestimmung von Systemen vorbestimmter Zeiten macht deutlich, dass die
Anwendung von Systemen vorbestimmter Zeiten auf vorwiegend manuelle Tätigkeiten
beschränkt ist. Geistige Tätigkeiten, die über einfache Ja-Nein-Entscheidungen
hinausgehen, können nicht mit Systemen vorbestimmter Zeiten modelliert werden.
Darüber hinaus ist eine SvZ-Anwendung nur möglich, wenn der Arbeitende diese
Arbeitsabläufe voll beeinflussen kann. Sogenannte Prozesszeiten sind durch
Zeitmessungen zu bestimmen. Mittels Systemen vorbestimmter Zeiten lassen sich nur die
Tätigkeitszeiten ermitteln. In den Normzeitwerten sind keine Verteil- oder Erholzeiten
enthalten.
Taylor forderte, dass „bei der Zeitstudie die Arbeit des Ausführenden in einfache
„Elementarbewegungen“ zu zerlegen sei; jede Elementarbewegung sei unter Angabe der
Zeitdauer genau zu „beschreiben und so zu klassifizieren, dass sie bei Bedarf jederzeit
schnell wieder aufzufinden ist“. In gleicher Reihenfolge wiederkehrende „Kombinationen
von Elementarbewegungen“ sollten zur schnellen Wiederverwendung klassifiziert
werden. Wenn schließlich genügend Zeiten von Elementarbewegungen und deren
Kombinationen klassifiziert seien, könne die „zur Verrichtung fast jeder Arbeit
erforderliche Zeit“ durch „Hinzufügen der entsprechenden Zuschläge“ synthetisch
ermittelt werden“. Sein Schüler Gilbreth analysierte Bewegungsabläufe u.a. mit Hilfe von
Filmaufnahmen und ging davon aus, dass es Bewegungselemente gibt, die sich nicht
weiter unterteilen lassen. Er definierte 17 solcher Elemente und nannte sie, seinen
Namen rückwärts schreibend, „Therbligs“. Mit diesen Bewegungselementen verband er
die Idee, den Zeitbedarf jeder beliebigen Arbeit synthetisch ermitteln zu können. Das
erste System vorbestimmter Zeiten wurde dann auch von A.B. Segur, einem Mitarbeiter
Gilbreths, im Jahre 1924 vorgestellt.
Die Urheberrechte für das MTM-Verfahren wurden von den Entwicklern der 1951
gegründeten U.S.MTM-Association for Standards and Research übertragen. Diese
arbeitet auf gemeinnütziger Basis.
Aufgrund der schnellen Verbreitung des MTM-Verfahrens gründeten sich in der Folgezeit
eine Reihe weiterer nationaler MTM-Vereinigungen. Die Dachorganisation dieser
nationalen MTM-Vereinigungen bildet das Internationale MTM-Direktorat. Die U.S.MTM-
Association hat den nationalen, im internationalen MTM-Direktorat vertretenden
Vereinigungen die Urheberrechte des MTM-1-Verfahrens für den Geltungsbereich ihrer
Satzung übertragen.
Die Deutsche MTM-Vereinigung e. V. wurde 1962 von bekannten deutschen
Industrieunternehmen gegründet und ist weltweit eine der größten nationalen MTM-
Vereinigungen. Weitere Informationen befinden sich unter: www.dmtm.com
Um die Grundbewegungen gegeneinander abzugrenzen und den Zeitbedarf für
die Grundbewegungen zu ermitteln, wurden eine Vielzahl industrieller
Arbeitsabläufe gefilmt. Durch Auszählen der je Bewegung anfallenden Bilder
wurden die Ist-Zeiten ermittelt. Die aus der interpersonellen Leistungsstreuung
resultierenden Zeitstreuungen wurden mit dem LMS-Verfahren ausgeglichen. Die
MTM-Normleistungszeiten wurden mit Hilfe statistischer Verfahren wie der
Regressionsrechnung verarbeitet, um die Messwertstreuungen auszugleichen
und funktionale Zusammenhänge zwischen den Einflussgrößen und der Zeit
herzustellen. Das Ergebnis dieser Entwicklungen bildet die MTM-
Normzeitwertkarte.
Die zur Zeit gültige Ausgabe der Zeitwertkarte des MTM-Grundsystems ist die MTM-
Data-Card 101 A, Ausgabe 1955, der U.S.- und Canada MTM-Association. Auf dieser
Karte basieren die vom internationalen Direktorat anerkannten nationalen Karten.
Dadurch ist auf internationaler Ebene eine Übereinstimmung der Daten gegeben.
Lediglich die Zollmaße sind für verschiedene nationale Vereinigungen in das metrische
System übertragen worden. (Deutsche MTM-Vereinigung e.V., Lehrgangsunterlagen zu
MTM-1).
Die Analyse von manuellen Arbeitsprozessen mit MTM erfolgt heute in der Regel
rechnergestützt, z. B. mit Hilfe von TiCon-Base (www.dmtm.com).
Untersuchungen haben gezeigt, dass die aufgeführten fünf Grundbewegungen in
der Praxis mit Abstand am häufigsten vorkommen. Sie werden auch als
Grundbewegungszyklus bezeichnet, da sie in der Regel in der dargestellten
Reihenfolge auftreten.
Charakteristisch für das Drücken und Trennen ist die ansteigende kontrollierte
muskuläre Kraft, die auf einen Gegenstand wirkt, ohne dass dabei eine
nennenswerte Bewegung auftritt.
Drehen ist die Grundbewegung, die ausgeführt wird, wenn die leere oder
belastete Hand um die Längsachse des Unterarms bewegt wird.
Blickverschieben ist die Bewegung der Augen, die ausgeführt wird, um den Blick
von einer Stelle auf eine andere Stelle zu lenken. Beeinflusst wird das
Blickverschieben vom Abstand zwischen den Blickpunkten und dem Abstand der
Augen von der Verbindungslinie der Blickpunkte. Ein Blickverschieben wird nur
dann analysiert, wenn es als selbstständige Grundbewegung auftritt, d. h. die
Augen müssen ihre Aufgabe erfüllt haben, bevor die nächste Grundbewegung
ausgeführt werden kann.
Prüfen ist die Augentätigkeit, um an einem Gegenstand innerhalb des normalen
Blickfeldes (kreisförmige Fläche mit einem Durchmesser von 10 cm, die sich in
40 cm Entfernung von den Augen befindet) leicht zu unterscheidende Merkmale
festzustellen.
Beim Prüfen kann zwischen Kontroll- und Prüfmerkmalen unterschieden werden.
Kontrollmerkmale sind solche Merkmale, die lediglich auf ihr Vorhandensein zu
prüfen sind (z. B. Bohrung vorhanden?). Prüfmerkmale sind qualitativ zu
beurteilen (z. B. Gießharz sauber vergossen?).
Die Zeit für das Hinlangen wird von der Ausprägung der drei Einflussgrößen
(Bewegungslänge, Bewegungsfall, Typ des Bewegungsverlauf) bestimmt.
Die Bewegungslänge ist der tatsächlich zurückgelegte Weg im Raum.
Der Bewegungsfall ist abhängig vom erforderlichen Kontrollgrad einer
Bewegung. In den Fällen A und E ist der Kontrollgrad gering, im Fall B mäßig,
und in den Fällen C und D hoch.
Beim Hinlangen können drei Typen des Bewegungsverlaufs auftreten. In den
meisten Fällen beginnt und endet die Hand in der Ruhelage. Die normale
Hinlang-Bewegung weist daher eine Beschleunigung- und Verzögerungsphase
auf (Typ I). Typ II liegt vor, wenn die Beschleunigungs- oder Ver-
zögerungsphase fehlt (z. B. Hinlangen zu einem Maschinenhebel, der ohne
Bewegungsverzögerung nach dem Hinlangen bewegt wird). Typ III-Bewegungen
(fehlende Beschleunigungs- und Verzögerungskomponente) kommen in der
Praxis äußerst selten vor.
Die MTM-Normzeitwertkarte macht keine Angaben über die Streuungen des
Zeitverbrauchs sowie die Wahrscheinlichkeit eines menschlichen Fehlers bei der
Bewegungsplanung, -ausführung und –kontrolle.
Modelliert wurde hier das Aufnehmen und Fügen von Bolzen durch einen Mitarbeiter. Die
Bolzen (Abmessungen 8x12 mm, vollsymmetrisch) liegen vermischt in einer Box in 40 cm
Entfernung vom Mitarbeiter. Der Mitarbeiter nimmt jeweils einen Bolzen auf und steckt ihn
in die vor ihm liegende Öffnung. Die passgenaue Öffnung besitzt eine enge Fügetoleranz,
die Handhabung wird als einfach eingestuft. Das Loslassen des Bolzens geschieht durch
Öffnen der Finger.
Im Beispiel sind nacheinander folgende Bewegungen dargestellt. Ziel der Arbeits-
gestaltung sind allerdings Bewegungsabläufe, bei denen z. B. beide Hände gleichzeitig
Bewegungen ausführen.
Eine kombinierte Bewegung wird ausgeführt, wenn eine Bewegung bzw. mehrere
Bewegungen während einer Hauptbewegung ausgeführt werden und der
Bewegungsablauf nicht gehemmt wird.
Bewegungen lassen sich dann gleichzeitig ausführen, wenn der Kontrollaufwand gering
bis mäßig ist. Hoher Kontrollaufwand stellt dagegen so hohe Anforderungen an das
Konzentrationsvermögen des Menschen, dass diese Bewegungen in der Regel nicht
gleichzeitig ausgeführt werden können.
Auf der Vorderseite der MTM-Normzeitwertkarte ist eine Tabelle abgebildet, mit deren
Hilfe entschieden werden kann, ob Grundbewegungen gleichzeitig oder nacheinander
ausgeführt werden können. Dabei werden drei Schwierigkeitsgrade zur Ausführung
gleichzeitiger Bewegungen unterschieden: (1) leicht, (2) mit Übung, (3) schwierig. Man
kann bei simultanen Hinlangbewegungen bspw. ablesen, dass die Möglichkeit der
gleichzeitigen Ausführung zwar gegeben ist, hierzu jedoch Übung notwendig ist.
Dem MTM-Grundverfahren, auch als MTM-1 und MTM-Grundsystem bezeichnet, liegt
das Methodenniveau der Massenfertigung zugrunde. Da die Massenfertigung aufgrund
veränderter Kundenanforderungen heute nur noch in wenigen Branchen zur Anwendung
kommt, wurden in der Vergangenheit verdichtete MTM-Analysiersysteme entwickelt.
Diese weisen eine deutlich höhere Analysiergeschwindigkeit auf und sind für die Serien-
und Einzelteilfertigung geeignet.
Im deutschsprachigen Raum wurden unter Federführung der Deutschen MTM-
Vereinigung e. V. die folgenden MTM-Analysiersysteme entwickelt:
- MTM-Standard-Daten-Basiswerte
- MTM-UAS (Universelles Analysiersystem)
- MTM-MEK (MTM für die Einzel- und Kleinserienfertigung).
Das Analysiersystem MTM-UAS ist das Analysiersystem, welches in Deutschland den
höchsten Verbreitungsgrad aufweist. Es wird unter anderem in manuellen Montagen der
Automobil- und Automobilzulieferindustrie angewendet. Typische Anwendungsfelder von
MTM-MEK sind die Montage in der Luftfahrtindustrie oder die Erstellung von Stanz- und
Umformwerkzeugen in der Automobilindustrie. Das MTM-Grundverfahren kommt in
Deutschland nur noch in sehr wenigen Unternehmen zur Anwendung.
Die Entwicklung verdichteter Analysiersysteme erfolgt ausgehend vom MTM-
Grundsystem über eine Höher- oder Querverdichtung der Daten. Bei der Höher-
verdichtung werden Daten nach dem Prinzip der Strukturstückliste modular
zusammengefasst. Die Datenzusammenfassung erfolgt entweder additiv oder statistisch.
Bei der Querverdichtung werden Einflussgrößen bzw. deren Ausprägungen jeweils auf
einer bestimmten Datenebene reduziert. Die Grundbewegung Loslassen wird der
Bewegungsfolge Aufnehmen zugeordnet, um ein mehrfaches Platzieren – bspw. das
Stempeln von Karten mit Drücken der Matrize auf das Stempelkissen nach jedem
Stempelvorgang – zu ermöglichen. Ein Loslassen des Stempels erfolgt genau ein Mal,
nämlich nachdem sämtliche Stempelvorgänge ausgeführt wurden.
Die beiden Abbildungen stellen die Montage zweier Bolzen dar. Auf der oberen Abbildung ist zu
sehen, wie die Bolzen nacheinander mit einer Hand in die Vorrichtung gesteckt werden. Die untere
Abbildung hingegen zeigt, wie beide Bolzen gleichzeitig - also mit zwei Händen - ebenfalls in die
Vorrichtung gesteckt werden. Das Montagebeispiel zeigt, dass die Beidhandarbeit in diesem Fall
einen erhebliche Zeitersparnis zur Folge hat.