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»PRACTISIERENDER ALCHEMIST« (SO GENANNTER »FAUST«) RADIERUNG VON REMBRANDT

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R A D I E R U N G V O N R E M B R A N D T

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A L C H E M I EU R S P R U N G D E R T I E F E N P S Y C H O L O G I E

von

Johannes Fabricius

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Titel der englischen Originalausgabe»Alchemy«, 1976

© Johannes Fabricius

Meiner TanteGERTRUD NIELSEN

Die Realisierung der Erstau!age erfolgte Dank zahlreicher Spender.Besonders gedankt sei:

Heiner AlbertiEckhardt BrockhausWalter Gontermann

Ludwig JanusHans und Inge Krens

Oskar N. SahlbergJuergen Schlosser"eodor Seifert

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vervielfältigt oder verbreitet werden.Bildauswahl & Layout: Kirsten und Johannes Fabricius

Übersetzung: Karl AntzUmschlagabbildung:

S. Trismosin, splendor solis, London, 16. Jh.Umschlaggestaltung: Christoph Röhl

Satz: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlarwww.majuskel.de

Druck: PRINT GROUP Sp. z o.o., Stettin

ISBN 978-3-8379-2369-8

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V O R W O R T

I N H A L T

Vorwort 005

Die Quellen der abendländischen Alchemie 006

Prima Materia: Der Anfang des Werkes 016

Das erste, irdische Wiedergeburtstrauma 064

Erste Coniunctio: Irdische Wiedergeburt 080

Nigredo: »Schwarzer« Tod und Verwesung 098

Albedo: Die »Weißung« oder Abwaschung 110

Das zweite, lunare Wiedergeburtstrauma 124

Zweite Coniunctio: Lunare Wiedergeburt 130

Citrinitas: »Gelber« Tod und Verwesung 140

Das dritte, solare Wiedergeburtstrauma 152

Dritte Coniunctio: Solare Wiedergeburt 162

Rubedo: »Roter« Tod und Verwesung 170

Vierte Coniunctio: Das Todestrauma 182

Die Geburt des Großen Steins 194

Psychedelische Psychologie: die »Neue Alchemie« 212

Die Bildserien des alchemistischen Werkes ab 216

Die alchemistische Tiefenregression 230

Der Individuationsprozess bei J. W. von Goethe 233

Der Individuationsprozess bei Richard Wagner 233

Der Individuationsprozess bei T. S. Eliot 238

Nachwort 242

Literaturverzeichnis 244

Endnoten 245

Es ist das Anliegen dieses Buches, die symbolische Struk-tur des Opus Alchymicum zu beleuchten und auf diesemWege Licht auf die Struktur des Individuationsprozesseszu werfen – jenes Prozesses der Entwicklung, durch densich ein Individuum oder eine Persönlichkeit bildet. C. G.Jung formulierte das Problem in seinem Werke Psycholo-gie und Alchemie wie folgt:

»Ich bin […] der Ansicht, daß die alchemistische Erwar-tung, aus der Materie das philosophische Gold oder diePanazee oder den Wunderstein herstellen zu können,einerseits zwar eine durch Projektion verursachte Illusionsei, aber anderseits psychischen Tatsachen entspricht,denen in der Psychologie des Unbewußten eine großeBedeutung zukommt. Der Alchemist hat nämlich, wie dieTexte und ihre Symbolik beweisen, den sog. Individua-tionsprozeß in die chemischen Verwandlungsvorgängeprojiziert. Der wissenschaftliche Terminus ›Individuation‹will nun keineswegs bedeuten, daß es sich dabei um einenrestlos bekannten und aufgeklärten Tatbestand handle. Erbezeichnet bloß das noch sehr dunkle und erforschungs-bedürftige Gebiet der persönlichkeitsbildenden Zentrie-rungsvorgänge im Unbewußten. Es handelt sich umLebensvorgänge, welche von jeher, ihres numinosenCharakters wegen, den bedeutendsten Anstoß zurSymbolbildung gegeben haben. Und diese Vorgänge sindgeheimnisvoll, sofern sie dem menschlichen VerstandeRätsel aufgeben, um deren Lösung er sich noch lange undvielleicht vergeblich mühen wird.«1

Die in der vorliegenden Studie dargelegte Lösung erläu-tert den Individuationsprozess und seine alchemistischeWiderspiegelung in den Begriffen einer Tiefenregression

in das Unbewusste, während der die Strukturen dergesamten psychologischen und biologischen Entwick-lung des Individuums in symbolischer Form projektiverlebt werden. Der in dieser Weise aufgestellte psycho-biologische Bezugsrahmen für das alchemistische Werkund den Individuationsprozess stimmt mit jener Einheitvon Geist und Materie überein, die die Alchemistenbetonten, wie er auch Freuds Konzept des Unbewusstenals einer innerhalb eines psychobiologischen Rahmens zuverstehenden Wirklichkeit entspricht.

Die hauptsächlichen Quellen für diese Darstellung desalchemistischen Werkes sind folgende: die mittelalterlicheRosarium-Bilderserie des Werkes sowie ihre Kupferstich-variante in der Philosophia reformata-Bilderserie, dieSplendor solis-Bilderserie, Barchusens Bilderserie TheCrowne of Nature, die Donum Dei-Bilderserie, die Mutusliber-Bilderserie sowie die Bilderserie Die Zwölf Schlüsseldes Basilius Valentinus. Die literarischen Quellen des OpusAlchymicum finden sich in folgenden Werken: De alche-mia (1541), Ars chemica (1566), Artis auriferae (1572),Aureum vellus (1598), Theatrum chemicum (1602–1661),Theatrum chemicum britannicum (1652), Musaeumhermeticum (1678) und Bibliotheca chemica curiosa (1702).Ursprung und Geschichte der wichtigsten Quellen desvorliegenden Werkes, seien es nun Bilder oder Schriften,werden im Endnotenapparat und in den Anhängen darge-stellt, wo der Leser auch Beschreibungen der wenigen imText nicht erläuterten Bilder findet. Es handelt sich beidiesem Text um eine Überarbeitung der Originalausgabe,die 1976 im Folioformat beim Verlag Rosenkilde undBagger in Kopenhagen erschien.

Johannes Fabricius

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Um das Jahr 1500 schuf der deutsche Künst-ler Hans Weiditz der Jüngere zwei Darstellun-gen von Alchemisten bei ihrem Werke (oberesund unteres Bild). Bild 1 zeigt zwei Goldma-cher, die sich über einen misslungenen Versucham Herd ärgern, der Wochen mühseliger Ar-beit zunichte machte. Bild 2 zeigt eine Szene ineinem Schacht – zwei Arbeiter sammeln Gold-klumpen aus einer eben gefundenen reichenAder. Buchhalter, Ingenieure und Arbeitersind Teil eines Ganzen, das reich an hermeti-schen Bedeutungen und Anspielungen ist: Inder alchemistischen Höhle empfängt ein ineinem Buch lesender alter Meister aus derHand des Sohnes der Philosophen den Steinder Weisen; das Werk der Goldmacher be-droht der geflügelte Drache, vor dem dieGruppe von Alchemisten in der Mitte durchdas Zeichnen eines magischen Kreises um sichSchutz sucht, während sie in einem her-metischen Traktat Unterweisung suchen. Alsdiese Bilder geschaffen wurden, hatte die

Alchemie in Europa nach einer Wachstumspe-riode von etwa 2000 Jahren ihren Höhepunkterreicht.

Die Kunst der Alchemie ist fast ebenso altwie die Kultur des Altertums. In ihrer Suchenach der Verwandlung von Metallen bautendie europäischen Alchemisten auf eine ehr-würdige Tradition, die bis zu den griechi-schen und ägyptischen Kulturen zurückreicht. Die Alchemisten des Mittelalters lern-ten ihre Kunst von den Arabern in Spanienund Italien; die wiederum hatten sie von denGriechen übernommen, und diese hatten dieAlchemie im vierten vorchristlichen Jahrhun-dert auf ägyptischem Boden entwickelt. DieAlchemie hat also Wurzeln, die bis in dieGräber und Labyrinthe der ägyptischen Reli-gion reichen, und die hellenistische Gestalt desHermes Trismegistus, Modell für den mittelal-terlichen Mercurius Philosophorum, beziehtsich letzten Endes auf den alten ägyptischenGott der Mathematik und Wissenschaft Thot.

Geschichtlich gesehen erweckten die arabi-schen Philosophen nach der Eroberung großerTeile des Römischen Reiches durch den Islamim siebten und achten Jahrhundert unsererZeit die hermetischen Lehrsätze des Altertumswieder zum Leben. Obwohl die arabischenAlchemisten neue Wege rationeller Experi-mentiertechnik entwickelten, bestanden sieauf den hermetischen Lehrsätzen mit ihremdoppelten Wege der Golderschaffung und derErleuchtung der Seele.

Zu den wichtigsten Autoren der arabischenAlchemie gehört Ar-Razi (865–925) – imWesten als Rhazes bekannt –, dessen Buch DasGeheimnis der Geheimnisse große Verbrei-tung fand, wie übrigens auch das fälschlich ihmzugeschriebene Buch der Alaune und Salze.Ein ebenso berühmter Arzt-Alchemist warIbn Sina (980–1037) – im Westen als Avicennabekannt –, der insbesondere für die Lehre vonder Reduktion der Körper in primam mate-riam steht, einem Hauptdogma der Alchemie.Ein weiterer hervorragender Alchemist warDschabir ibn Hajjan (neuntes bis zehntes Jahr-hundert) – im Westen als Geber bekannt –,dessen Schriften großes Ansehen genossen,insbesondere die fälschlich ihm zugeschriebe-ne Summa perfectionis, die in Wirklichkeit im13. Jahrhundert von einem europäischenAlchemisten verfasst wurde (der lateinischeGeber). Ein andere viel zitierter Autor warMuhammad ibn Umail at-Tamimi (c. 900–960) – im Westen als Senior Zadith bekannt –,dessen Traktat über Das Silberwasser und dieSternenerde ein Beispiel für die allegorisieren-de und fantastische Alchemieliteratur ist. Einbekannterer Vertreter dieser Richtung ist derspätgriechische Alchemist Zosimos von Pano-polis (c. 350–420) – im Westen als Rosinusbekannt –, dessen abenteuerliches Werk Imuthaußer chemischen Apparaten und Tempella-boratorien auch den visionären Aufstieg undAbstieg der Seele durch die sieben Planeten-sphären beschreibt. Letztere erscheinen alsStufen der inneren Erkenntnis, zugleich aberauch als Grade der »Qualen«, wie man dieBehandlung des Ausgangsstoffes, der PrimaMateria, in der Retorte bildhaft nannte, aus derschließlich der Stein der Weisen hervorgeht.1Ein ebenso populäres Werk im Westen war dieanonyme Turba philosophorum (um 900), diedie Ideen und Lehrsätze der vorsokratischenNaturphilosophie verkündet und wie Seniorund Zosimus die mystisch-allegorische Rich-tung der Alchemie vertritt.

Von den Arabern stammen schließlich auchzahlreiche pseudonyme Schriften, die unter denNamen von Demokrit, Plato, Aristoteles undanderen Autoritäten der Antike erschienen.

Die europäische Alchemie

Während des 12. und 13. Jahrhundertsverbreiteten sich die Schriften der griechi-schen und arabischen Alchemisten über Sizi-lien und Spanien in Westeuropa. ChristlicheGelehrte waren an den Universitäten vonPalermo, Toledo, Barcelona, Segovia undPamplona willkommen, und ihren Studienfolgten bald Übersetzungen. Die größtenunter diesen Übersetzern waren Robert vonChester, Adelard von Bath und Gerard von

1.

2. Bergarbeiter in einer Höhle mit Ungeheuern, Goldadern und dem Stein der Weisen

Die Quellen der abendländischen Alchemie

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Cremona, die alle in der ersten Hälfte des 12.Jahrhunderts arbeiteten. Während der näch-sten hundert Jahre fanden sich in Europaallmählich Adepten der Alchemie, die nichtnur die Werke der Araber bearbeiteten,sondern selber Bücher verfassten.

Die großen Namen der mittelalterlichenAlchemie sind Albertus Magnus (1193–1280),Roger Bacon (1215–1292), Arnald von Villa-nova (1240–1311), Johannes von Rupescissa(um 1350) und Raimundus Lullus (1232 –1316), die alle hohe Würdenträger der katho-lischen Kirche waren. Wichtige Beiträgestammen auch von anderen Autoren, die inden Umkreis der mystisch-alchemistischenReligiosität des 13. und 14. Jahrhunderts ge-

hören. Die wichtigsten Repräsentanten sindhier Pseudo-Thomas von Aquin (13. Jahr-hundert) mit seinem Traktat Aurora consur-gens, Petrus Bonus von Ferrara (um 1330) mitseinem Traktat Margarita pretiosa novella,der dem Hermes zugeschriebene Tractatusaureus, die älteste religiöse Allegorie derAlchemie, und schließlich das FlorilegiumRosarium philosophorum sowie das altdeut-sche Bildgedicht Sol und Luna, das seineEntstehung vielleicht dem unbekannten Ro-sarium-Kompilator verdankt.

Die oben genannten Autoren glaubten allean die grundsätzlichen Lehren der Alchemie,nämlich an die Möglichkeit der Verwandlungvon Metallen, an die Schwefel-Quecksilber-

Theorie von der Konstitution der Metalle undan die Elementenlehre des Aristoteles. Aberwas noch wichtiger war – diese Autoren ge-langten durch die Verbindung von chemischenExperimenten mit der Naturphilosophie derAntike und der Theologie der christlichenKirche zu einer tieferen Auffassung der Natur.2

Die Blüte der Alchemie im Abendland

Das 15. und 16. Jahrhundert ist die Blüte-zeit der abendländischen Alchemie. Währenddieser Jahre taucht eine Fülle neuer Namenauf: in Frankreich Nicolas Flamell (1330–1418), in England der Kanoniker George

3. In einer flachgedeckten tiefen Halle kniet ein Alchemist vor seinem »Oratorium« mit Meditationsfiguren und Geheimsprüchen: »Selig der, welcher Gottes Ratfolgt«; »Rede nicht von Gott ohne Erleuchtung«; »Für die, welche diese Dinge tun, wird Gott selbst da sein«. Die Inschrift über der Tür am anderen Ende der Hallebesagt: »Im Schlafe wachet!« Vorne rechts im Bilde sieht man das »Laboratorium« mit Geräten und Musikinstrumenten.