Präsentismus - die unsichtbaren Fehlzeiten - ICAS · Präsentismus - die unsichtbaren Fehlzeiten...

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Präsentismus - die unsichtbaren Fehlzeiten das wichtigste: Eine Leistung wird er- bracht, auch wenn sie durch Krankheit reduziert ist. Dies sei einer physischen Abwesenheit vorzuziehen. Wieso sollten Unternehmen hier Handlungsbedarf sehen? Drittens darf man nicht vergessen, dass die Arbeit den Menschen Sinn, Zugehö- rigkeit, Anerkennung und Befriedigung schenkt. Sie ist ein wichtiger Faktor für das eigene Wohlbefinden. Bei einigen Krankheiten, meistens chronischer Natur, ist es für die Betroffenen besser, wenn sie einer geregelten Arbeit nachgehen Krank zur Arbeit aus Angst den Job zu verlieren? Häufig wird Präsentismus als das „Arbei- ten trotz Kranksein“ verstanden. Dieses Verhalten wird mit der Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes erklärt. Daher auch die Zunahme von Präsentismus in Krisenzeiten mit zunehmender Arbeits- losigkeit. Diese populistische Umschrei- bung des Präsentismus ist zum Teil falsch und greift ausserdem zu kurz. Erstens ist der Hauptgrund für das „Ar- beiten trotz Kranksein“ das Pflichtbe- wusstsein der Mitarbeitenden und nicht die Angst vor dem Jobverlust. Dies gilt auch in Krisenzeiten (vergleiche AOK Fehlzeiten-Report 2009: 30% weil die Arbeit sonst liegen bleibt, 20% fürchten den Jobverlust, 10% wollen Ärger mit Kollegen vermeiden, 6% Angst vor Pro- blemen mit dem Arbeitgeber). Zweitens kann das «Arbeiten trotz Krank- sein» als ein positives und lobenswertes Verhalten verstanden werden. Vor allem aus der Sicht des Arbeitgebers. Es de- monstriert das Pflichtbewusstsein und die Loyalität der Mitarbeitenden. Und

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Präsentismus - die unsichtbaren Fehlzeiten

das wichtigste: Eine Leistung wird er-bracht, auch wenn sie durch Krankheit reduziert ist. Dies sei einer physischen Abwesenheit vorzuziehen. Wieso sollten Unternehmen hier Handlungsbedarf sehen?

Drittens darf man nicht vergessen, dass die Arbeit den Menschen Sinn, Zugehö-rigkeit, Anerkennung und Befriedigung schenkt. Sie ist ein wichtiger Faktor für das eigene Wohlbefinden. Bei einigen Krankheiten, meistens chronischer Natur, ist es für die Betroffenen besser, wenn sie einer geregelten Arbeit nachgehen

Krank zur Arbeit aus Angst den Job zu verlieren?

Häufig wird Präsentismus als das „Arbei-ten trotz Kranksein“ verstanden. Dieses Verhalten wird mit der Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes erklärt. Daher auch die Zunahme von Präsentismus in Krisenzeiten mit zunehmender Arbeits-losigkeit. Diese populistische Umschrei-bung des Präsentismus ist zum Teil falsch und greift ausserdem zu kurz.

Erstens ist der Hauptgrund für das „Ar-beiten trotz Kranksein“ das Pflichtbe-

wusstsein der Mitarbeitenden und nicht die Angst vor dem Jobverlust. Dies gilt auch in Krisenzeiten (vergleiche AOK Fehlzeiten-Report 2009: 30% weil die Arbeit sonst liegen bleibt, 20% fürchten den Jobverlust, 10% wollen Ärger mit Kollegen vermeiden, 6% Angst vor Pro-blemen mit dem Arbeitgeber).

Zweitens kann das «Arbeiten trotz Krank-sein» als ein positives und lobenswertes Verhalten verstanden werden. Vor allem aus der Sicht des Arbeitgebers. Es de-monstriert das Pflichtbewusstsein und die Loyalität der Mitarbeitenden. Und

stefanboethius
Textfeld
Diesen Artikel aus dem Interview-Magazin April 2012 können Sie auch online abrufen: http://interviewonline.ch/artikel/pr%C3%A4sentismus-die-unsichtbaren-fehlzeiten.html

können. Es wäre für sie viel schlimmer, wenn sie zu Hause bleiben müssten. Dies könnte sie nicht nur noch kranker ma-chen, sondern sie wären auch unglück-licher. In diesem Sinne wäre „Arbeiten trotz Kranksein“ ein positives und kein zu vermeidendes Verhalten.

Und zuletzt, viertens, wird mit „Arbei-ten trotz Kranksein“ in erster Linie das menschlich Unzumutbare angesprochen. Es entlarvt aber nicht das betriebswirt-schaftlich relevante Übel: die Kosten- und Ressourcenverschwendung. Um die gewünschte Veränderung im Unter-nehmen zu erzielen, muss dieser Aspekt hervorgehoben werden.

Die betriebswirtschaftliche Betrachtung

Wenn Mitarbeitende wiederholt Krank zur Arbeit kommen, hat dies in der Regel auch negative Auswirkungen auf die Erfolgrechnung des Unternehmens.

Abgesehen von der Ansteckungsgefahr und der langsameren Genesung muss mit längerfristigen und schwerwiegen-den Folgeschäden gerechnet werden: schlechtere Abwehrkräfte, Erschöpfung und grössere Stressanfälligkeit, Gefahr von Chronifizierung von Krankheiten, psychische Leiden wie Depression, Burn-out und Ähnlichem. Es entsteht ein Teufelskreis. Präsentismus verursacht noch mehr Präsentismus. Und mit einer gewissen Verzögerung steigert er auch den Absentismus, die vermeidbaren Fehlzeiten. Zunehmender Präsentismus im Sinne von „Arbeiten trotz Kranksein“ wird zu einem späteren Zeitpunkt die Fehlzeitenrate übermässig ansteigen lassen. Absentismus hat fast immer eine Vorgeschichte: Präsentismus.

Das betriebswirtschaftliche Relevante ist nicht die Krankheit an sich, sondern die damit zusammenhängenden vermeidba-ren Produktivitätsverluste bzw. Kosten. Betriebswirtschaftlich gesehen ist jeder „Krank“, dessen Leistungsvermögen

unnötig reduziert ist. Beim „Arbeiten trotz Kranksein“ ist der Grund für die Leistungseinbussen vor allem die vermin-derte Konzentrationsfähigkeit, die eine Krankheit verursacht. Aber Achtung: Die verminderte Konzentrationsfähigkeit entsteht nicht allein durch das Leiden sondern auch durch die Probleme, Sor-gen und Ängste, die mit einer Krankheit verbunden sind. Diese Unterscheidung zwischen den Belastungsarten Leiden, Probleme, Sorgen und Ängste ist be-triebswirtschaftlich wichtig, denn sie bringt eine ganz entscheidende Erwei-terung des Präsentismusbegriffs, die bessere Voraussetzungen schafft, die mit dem verminderten Konzentrationsfähig-keit verursachten Produktivitätsverluste und Kosten zu verringern.

Probleme, Sorgen und Ängste können auch ohne Leiden bzw. Krankheit be-stehen. Zum Beispiel in Zusammenhang mit einem Beziehungskonflikt oder mit finanziellen Schwierigkeiten. Verringerte Konzentrationsfähigkeit wird nicht nur

besser zusammen arbeiten

Präsentismus & Absentismus

Grenze der Arbeitspräsenz

Kurz- und mittelfristige Absenzen

Langfristige Absenzen

Geistige Abwesenheit, verminderte Konzentrationsfähigkeit, Stress, physische und psychische Einschränkung

Absentismus: Die nicht eingebrachte Leistung bei der Arbeit abwesende Mitarbeiter aufgrund von Leiden, Sorgen und Probleme

Präsentismus: Die nicht eingebrachte Leistung bei der Arbeit anwesende Mitarbeiter aufgrund von Leiden, Sorgen und Probleme

¥  Probleme am Arbeitsplatz

„Physische Abwesenheit“ „Sichtbare Fehlzeiten“ ¥  Physisches

Leiden

¥  Psychisches Leiden

¥  Probleme im Privatleben

Sichtbar

Unsichtbar

Ursachen:

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durch Krankheiten verursacht, sondern auch durch nicht krankheitsbedingte Schwierigkeiten, denen jeder Mensch in seinem Leben täglich begegnet. Es gibt gute Gründe auch diese Art von Belas-tungen in Lösungen zur Verringerung des Präsentismus zu berücksichtigen.

Sie vermindern die Konzentrations- fähigkeit.

Es entstehen Produktivitätsverluste und Kosten, die mindestens gleich hoch wie diejenigen sind, die durch Leiden und Krankheiten entstehen. Diese Einschät-zung beruht auf der Tatsache, dass fast alle Menschen täglich mit den nicht krankheitsbedingten Belastungen zu kämpfen haben. Sie sind nicht nur viel mehr verbreitet, sondern in der Anzahl und Vielfalt mehrfach höher.

Sie erzeugen Krankheiten.

Fast jede Krankheit hat eine Vorge-schichte. Häufig ist der Stress ein wich-tiger Faktor für die Entstehung einer Krankheit – physisch wie psychisch. Die nicht krankheitsbedingten Belastungen sind Stressoren. Wenn es zu einer Über-forderung wegen der Schwere bzw. der Anzahl der Belastungen kommt, entsteht der krankmachende Stress, was bereits ein Leiden ist.

Sie verursachen Absentismus.

Für fast die Hälfte der Fehlzeiten sind nicht Krankheiten die Ursache, sondern die nicht krankheitsbedingten Prob-lemen, Sorgen und Ängsten. Häufig nehmen sie den Mitarbeitenden die Mo-tivation, zur Arbeit zu gehen. Auch wenn Fehlzeiten, die bei ärztlich attestierter Arbeitsunfähigkeit entstehen, zum Teil vermeidbar sind, so sind die Fehlzeiten, die von nicht krankheitsbedingten Be-lastungen verursacht werden, fast immer vermeidbar. Konklusionen: Vor allem die nicht krankheitsbedingten Belastungen verursachen Absentismus. Absentismus entsteht aus den gleichen Gründen wie Präsentismus. Mit dem Unterschied, dass Präsentismus häufig die Vorstufe von Ab-sentismus ist. Lösungen zur Verringerung des Präsentismus, die auch die nicht krankheitsbedingten Belastungen einbe-zieht, werden auch den Absentismus, die vermeidbaren Fehlzeiten, reduzieren.

Mit dem Einbezug der nicht krankheits-bedingten Belastungen ist die Entschei-denden Frage bei Präsentismus nicht, wie kann Gesundheit erhalten bzw. wiederhergestellt werden, sondern, wie können Mitarbeitende entlastet werden, sodass sie sich besser auf ihre Arbeit konzentrieren. Mit dieser Frage wird deutlich, dass bei der Lösungssuche der Arzt überfordert ist. Wenn wir unter Prä-sentismus – so auch die Definition von mir – die nicht eingebrachte Leistung bei der Arbeit anwesender Mitarbeiten-de auf Grund vermeidbarer verringerter Konzentrationsfähigkeit verstehen, wird das Phänomen Präsentismus zu einer be-triebswirtschaftlichen Herausforderung. Es wird endlich klar, dass die Unterneh-mensleitungen, Vorgesetzten und auch die Mitarbeitenden die Fähigkeit aber auch die Verantwortung haben, wirksame Lösungen zur Verringerung des Präsentis-mus zu entwickeln.

Die Externe Mitarbeiterberatung EAP

Viele Unternehmen wissen, dass Prä-sentismus und Absentismus grosse Kos-tenfaktoren im Personalmanagement darstellt. Neu hingegen ist die Erkenntnis, dass Präsentismus einen Leistungs- und Kostenverschwendung verursacht, die ca. zehnmal grösser ist als bei Absentis-mus. Der Vergleich mit dem Eisberg ist sehr zutreffend. Absentismus ist sichtbar (über dem Wasser), Präsentismus ist weit-gehend unsichtbar (unter dem Wasser). Daher kann der Präsentismus mehr oder weniger ungehindert sein Dasein frönen. Jetzt ist die Zeit gekommen, gegen diese Verschwendung von Ressourcen geeigne-te Gegenmassnahmen zu ergreifen. Eins davon ist die Externe Mitarbeiterberatung EAP (Employee Assistance Program).

Die Externe Mitarbeiterberatung EAP wird von der WHO als wirksames Werk-zeug für Organisationen empfohlen. Die-se Empfehlung basiert auf verschiedenen wissenschaftlichen Studien, die zeigen, dass EAP eine signifikante Abnahme von Stress sowie eine signifikante Zunah-me von Gesundheit und Wohlbefinden bewirkt.

Präsentismus und Absentismus kosten ein Unternehmen zwischen 20% und 30% der

direkten Lohnkosten. Mit Einberechnung der zusätzlichen Begleitkosten, wie Pro-duktionsausfälle, Fehlleistungen, Unfälle, verminderte Mitarbeiter- und Kundenzu-friedenheit, Fluktuation, administrativer und infrastruktureller Mehraufwand, können diese Prozentsätze ohne weiteres verdoppelt werden. Ausgehend von der vorsichtigen Annahme, dass die Externe Mitarbeiterberatung diese Kosten nur um 1% reduziert, würde dies einen sofortigen Return-on-Investment von bereits 1:15 bedeuten. Damit gehört die Externe Mit-arbeiterberatung zu einer der lukrativsten Investitionen, die ein Unternehmen täti-gen kann.

Die Einführung einer Externen Mitarbei-terberatung ist ausserdem ein deutliches Zeichen der Wertschätzung gegenüber der Mitarbeiterschaft und der Beweis einer modernen Mitarbeiterpflege. Dass sich dies auch positiv auf das Image der Organisation niederschlägt, ist ein im Per-sonalmarketing und Employer Branding gern gesehener Zusatzeffekt. Aber der sofort spürbare Nutzen ist die Entlastung in der Personalarbeit.