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Praktikumsbericht
Einleitung
Bereits während meines Bachelorstudiums hatte ich die Möglichkeit für mehrere Monate ins
Ausland zu gehen. Die zahlreichen Erfahrungen, welche ich während dieses Aufenthaltes
gesammelt habe, bestätigten mich in meinem Wunsch auch während meines
Masterstudiums einen Auslandsaufenthalt einzuplanen. Dieses Mal jedoch lag aufgrund
meines persönlichen Werdegangs der Fokus auf einer der wichtigsten Automobilmärkte der
Welt – China. Neben den Produktionsstandorten vieler OEMs in den abgelegeneren Teilen
Chinas, bot sich mir die Möglichkeit, dieses Praktikum in Shanghai bei einem deutschen
Premiumautomobilhersteller zu absolvieren.
Vorbereitung
Im Vorfeld dieses Aufenthaltes musste ich diverse Formalitäten wie Visum, Wohnung,
Arbeitsvertrag, Krankenversicherung, etc. klären. Hierzu muss gesagt werden, dass die
Zeitverschiebung von 6 Stunden die Kommunikation etwas verlangsamt. Ich musste auf eine
Antwort fast immer einen ganzen Tag warten. Da ich genügend Zeit für meine Planung hatte,
war das kein Problem. Hätte ich jedoch Zeitdruck gehabt, wäre alles zeitlich sehr knapp
geworden.
Mein Visum habe ich über die Visumzentrale in München beantragt. Da sich zwischen
Vertragsunterzeichnung und Beantragung des Visums zwischenzeitlich Neuerungen bzgl.
Visa für Praktikanten ergeben haben, konnte ich mein Visum nur in München oder Berlin
beantragen. Dies war eine Sonderregelung für Praktikanten von diesem Unternehmen, da
ich mit Wohnhaft in Baden-Württemberg mein Visum eigentlich in Frankfurt hätte beantragen
müssen. Nachdem ich alle Unterlagen eingereicht hatte, konnte ich nach 1,5 Wochen
meinen Pass inklusive Visum wieder in München abholen. Glücklicherweise bin ich 2013
bereits nach China eingereist. Dadurch habe ich 2 Einreisen bewilligt bekommen.
Andernfalls hätte ich nur eine Einreise bekommen und hätte das Land während meiner
Praktikumszeit nur verlassen können, wenn ich ein neues Visum beantragt hätte.
Wohnung
Mein Arbeitgeber hat seinen Sitz auf dem Tongji Campus, in der Nähe von Anting. Anting
liegt circa 60 min mit der Metro vom Stadtzentrum Shanghais entfernt. Für die
Wohnungssuche stellte sich mir die Frage, ob ich zentral in der Stadt wohnen und jeden Tag
über zwei Stunden mit der Metro unterwegs sein möchte oder ob ich einen kurzen Weg zur
Arbeit haben und in die Stadt den längeren Weg in Kauf nehmen möchte. Ich entschied mich
bewusst für Zweiteres. Für mich persönlich war es sehr wichtig, eine Wohnung in einer
ruhigen Wohngegend mit kurzem Weg zum Arbeitsplatz zu haben. Ich nehme gerne in Kauf,
dass ich am Wochenende etwas länger in das Stadtzentrum fahren muss. Dafür habe ich 5
Tage in der Woche nur sehr kurze Wege und Fahrzeiten.
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Der Vorgängerpraktikant hatte ein Appartement in Anting angemietet und mich bei der
chinesischen Vermieterin weiterempfohlen, sodass die Wohnungssuche sich auf ein
Minimales reduziert hat. Sehr hilfreich war auch, dass der Vormieter aus Deutschland kam
und ich mich mit ihm im Vorfeld in Verbindung setzten konnte. Er hat mir sehr viele Bilder der
Wohnung geschickt, sodass ich mir bereist in Deutschland ein Bild von der Wohnsituation
machen konnte. Gut war auch, dass die Wohnung eine sehr gut funktionierende Klimaanlage
hatte, denn in Shanghai gibt es keine Heizung wie bspw. in Peking.
Glücklicherweise konnte ich Küchenutensilien, Bettdecke, Handtücher, Fahrrad u.v.m. von
meinem Vormieter abkaufen. Daher blieb mir der Gang zu IKEA erspart. Alles in allem hat
sich das Thema „Wohnung“ in meinem Fall sehr leicht regeln lassen.
Essen
Nach den zahlreichen Erzählungen von Arbeitskollegen in Deutschland über das chinesische
Essen war ich sehr gespannt, was mich tatsächlich in China erwarten wird. Oftmals berichten
Chinareisende, dass das chinesische Essen ungenießbar sei. Ich habe mich von diesen
Erzählungen nicht abschrecken lassen und war sehr gespannt, auf das, was kommen sollte.
Gleich am ersten Tag in China habe ich in einem chinesischen Restaurant zu Abend
gegessen und ich war extrem positiv überrascht: Reis, Fleisch (nein nicht Hund, sondern
Schwein und Hühnchen) und gegartes Gemüse. Für mich und meine Ansprüche war das
mehr als ausreichend. Gewürzt wird größtenteils mit Chili, an was ich mich zunächst
gewöhnen musste. Salz und Pfeffer werden, wenn überhaupt, nur in sehr geringen Mengen
verwendet.
Erstaunlicherweise habe ich während meines Chinaaufenthaltes an Gewicht zugenommen –
der Großteil der Europäer nimmt ab. Das liegt vermutlich jedoch daran, dass ich sehr häufig
in Fett gebratenes Gemüse gegessen habe. Ansonsten ist die chinesische Küche recht
fettarm. Süßes gibt es meistens nicht.
Sprache
Ich bin ein sehr wissbegieriger und fleißiger Mensch. Daher habe ich mich entschieden,
privaten Chinesischunterricht zu nehmen. Mir war es sehr wichtig, dass ich die Grundlagen
beherrsche, d.h. Begrüßung, Vorstellung und Zahlen. Ich denke, diese Basics sollte man
beherrschen, wenn man nach China kommt. V.a. die Zahlen sind wichtig beim Verhandeln
auf den Märkten und beim Taxifahren. Zudem kommt es einem zu Gute, wenn die Chinesen
merken, dass ein Ausländer ein bisschen die Sprache beherrscht. Leider ist Chinesisch eine,
um es in meinen Worten auszudrücken, undankbare Sprache. Der Lernaufwand steht in
keinem Verhältnis zum Lernerfolg. Die romanischen Sprachen wie Spanisch oder Italienisch
ähneln sich sehr. Chinesisch dagegen kann nicht hergeleitet werden, was das Merken der
einzelnen Wörter extrem schwierig macht – und da spreche ich nur von Pinyin. Während
meines Aufenthaltes von knapp sechs Monaten war es mir nicht möglich, die chinesischen
Schriftzeichen zu lernen. Dies benötigt ein intensiveres Studium und definitiv mehr Zeit.
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Stadtprofil
Shanghai, eine Stadt wie sie nicht gegensätzlicher sein könnte, hat extrem viele Gesichter.
Auf der einen Seite findet man in der Stadt den Jing’an Temple oder den Yu Garden, welche
das alte China repräsentieren, auf der anderen Seite spiegelt Pudong, das Finanzzentrum
Shanghais, eine der modernsten Städte weltweit wider.
Das Stadtbild ist geprägt von so genannten Compounds. Dies sind umzäunte und bewachte
Wohnviertel, die aus mehreren Hochhauskomplexen bestehen. In diesen Compounds
wohnen zumeist besser Verdienende. Der Kontrast von Arm und Reich wird dann sichtbar,
wenn sich neben einem Luxuscompound ein Meer aus Häusern erstreckt, die so aussehen,
als würden sie demnächst ineinander zusammenfallen.
Der Straßenverkehr in Shanghai ist, gemessen an deutschen Verhältnissen, extrem
chaotisch und unübersichtlich. Eine grüne Fußgängerampel weist zwar darauf hin, dass man
nun die Straße überqueren darf, aber trotzdem sollte man sich nochmals vergewissern, ob
die Straße tatsächlich frei ist. Die Ampel gibt eher eine Art „Richtwert“. Ich persönlich habe
mich an diesen Zustand sehr schnell gewöhnt. Im Straßenverkehr muss man eher zweimal
schauen, als einmal zu wenig. Wer dies beherzigt, ist auf der etwas sicheren Seite.
Eine nützliche Information ist noch, dass in China derjenige, der einen Fußgänger anfährt,
die Kosten für Krankenhaus und dergleichen übernehmen muss. Da es kein
Versicherungssystem gibt, wie in Deutschland, kann dies für einen Unfallverursacher sehr
teuer werden. Daher bremst ein Fahrzeug eher, wenn es einen Passanten sieht, als dass es
diesen umfährt.
Praktikumsstelle
Während meines Praktikums gehörte u.a. zu meinem Aufgabenbereich die komplette
Organisation einer Studentenexkursion nach Beijing. Die Planung hat extrem viel Zeit in
Anspruch genommen, sodass ich bei Termindruck auch am Wochenende gearbeitet habe.
Ich fand diese Erfahrung, dass man dann arbeitet, wenn es notwendig ist, sehr interessant.
Eine weitere Erfahrung, die ich während der Planung der Exkursion für chinesische
Studenten, machen konnte, war die Art und Weise, wie sich Studenten einer der
renommiertesten Universitäten Chinas gegenüber einem potentiellen Arbeitgeber verhalten.
Ich habe dieses Verhalten mit dem deutscher Studenten verglichen und musste jedes Mal
feststellen, dass in Deutschland die Studenten viel zurückhaltender im Umgang mit großen
Unternehmen sind. Ein Schlüsselerlebnis war, als mich einer der Teilnehmer bat, dass ich
ihm ein Hotelzimmer buchen sollte. Man bemerke, dass dies nicht zum offiziellen Teil der
Exkursion zählte. Im ersten Moment musste ich schmunzeln, wobei ich mich kurz danach
gefragt habe, wie es sein kann, dass ein Teilnehmer so etwas fragen kann.
Da ich in einer Außenstelle mein Praktikum absolviert habe, waren nur mein Chef und ich vor
Ort. Eine Abteilung mit mehreren Mitarbeitern gab es nicht. Dies brachte jedoch den Vorteil
mit sich, dass Themen schneller besprochen werden konnten, ohne auf eine
Unternehmenshierarchie Rücksicht nehmen zu müssen. Die Arbeitsatmosphäre war deshalb
auch sehr entspannt und offen.
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Reisen in China
Während meines Chinaaufenthaltes wollte ich mehr vom Land der aufgehenden Sonne
sehen. Die Lage Shanghais an der Ostküste stellte sich als sehr guter Ausgangspunkt für
Kurztrips über das Wochenende heraus. Die Anbindung Shanghais an das Schnellzugnetz
ermöglicht es, in kurzer Zeit zu Städten wie bspw. Nanjing und Hangzhou zu fahren. Wer die
Zeit und das nötige Kleingeld hat, sollte auf jeden Fall nach Beijing und zur Großen Mauer
fahren. Beijing mit seinen alten Hutongs gibt einen Einblick in das ursprüngliche China. Von
den Sehenswürdigkeiten hat Beijing deutlich mehr zu bieten als Shanghai, was auch ein
Grund dafür ist, dass mir Beijing so gut gefallen hat, dass ich ein zweites Mal dorthin reiste.
Ich war von der alten Architektur und den Ausmaßen, v.a. der Verbotenen Stadt und des
Platz des Himmlischen Friedens sehr beeindruckt.
Hygiene
Ob man das so sagen kann, weiß ich nicht. Aber eine der eindrücklichsten Erfahrungen hier
in China war der Umgang mit Hygiene.
Auf der einen Seite Husten und Niesen die Menschen ohne sich die Hand vor den Mund zu
halten, es wird in der Nase und den Ohren gebohrt und Urinieren in der Öffentlichkeit ist
ebenfalls kein seltener Anblick. Auf die Toiletten gehe ich nicht extra ein. Aber eins sei
gesagt: Toilettenpapier und Seife sind in diesem Kontext Fremdwörter. Auf der anderen
Seite haben die Verkäufer frischer Lebensmittel eine Art Plastikmundschutz. Dieser soll
verhindern, dass beim Sprechen des Verkäufers etwas auf die Waren fällt. Essen wird vom
Verkäufer nie mit der bloßen Hand angefasst, sondern immer mit einem Plastikhandschuh
oder einer Plastiktüte.
Ich kann nach diesem Auslandsaufenthalt sehr gut nachvollziehen, dass Krankheiten, wie
die Vogelgrippe unter solchen Bedingungen ausbrechen. Der Hygienestandard v.a. auf den
Märkten ist für einen Europäer unvorstellbar niedrig. Fleisch wird offen ohne Kühlung
verkauft und jeder Käufer fasst mit seinen Fingern die Waren an. Ich war wahrscheinlich zu
kurz in China, um zu verstehen, warum das so ist, wie es ist. Eine schlüssige Erklärung fehlt
mir diesbezüglich, wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass es eine geben kann.
Tipps für künftige Stipendiaten
Wer nach Shanghai kommt und schon aus Deutschland eine Wohnung suchen möchte,
macht dies am besten über http://www.smartshanghai.com/housing/.
Ein wichtiger Hinweis: In China werden Wohnungen sehr spontan vermietet. Drei Monate
vorher weiß der Vermieter oftmals nicht, ob die Wohnung frei sein wird. Daher macht die
Suche frühestens einen Monat vorher Sinn. Teilweise reicht es, wenn man eine Woche
vorher sich mit dem Vermieter in Verbindung setzt.
Bei der Wohnungssuche mit Makler immer nach besseren Wohnungen fragen. Der Makler
bietet grundsätzlich schlechte Wohnungen an. Bei wiederholtem Nachfragen, nach einer
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besseren Wohnung für das gleiche Geld, bekommt man schließlich deutlich bessere
Wohnungsangebote.
Auf http://www.smartshanghai.com und http://www.timeoutshanghai.com/ sind Informationen
zu Restaurants, Events, Shopping, Kunst, Kino, Reisen, etc. zufinden. Auf diesen Seiten
werden oftmals Promotions wie „All you can eat“-Offers gepostet. Und wer nach ein paar
Monaten auch einmal etwas Westliches essen möchte, wird hier ebenfalls fündig. Die
Restaurants sind kategorisiert und der Preisrahmen ist ebenfalls angegeben.
Fazit
Wer sich über die Bedeutung des chinesischen Marktes für die deutsche Wirtschaft – im
Besonderen der Automobilwirtschaft – bewusst ist, wird früher oder später einen Aufenthalt
in China planen. Meiner Meinung nach ist es umso besser, umso früher man die Kultur und
Denkweisen der Chinesen kennen und verstehen lernt. Ich war in Shanghai, von dem viele
sagen, dass es nicht das richtige China sei. Die kulturellen Hindernisse, die ich hier nehmen
musste, waren alle für mich persönlich nicht sehr schwer. Ich bin sehr froh, diese
Erfahrungen gemacht zu haben. Der oft benannte Kulturschock hat sich dennoch auf ein
Minimum reduziert.
Ich würde diesen Auslandsaufenthalt jederzeit wieder machen und rate jedem dazu, der mit
diesem Gedanken spielt. Ich habe für mich herausfinden müssen, dass die negativen
Erfahrungen von anderen mich niemals davon abhalten sollten, meine eigenen Erfahrungen
zu machen.
China ist groß.
China ist anders.
Aber China hat definitiv mehr zu bieten als Vorurteile gegenüber dem Essen.