Pratajev / Medizin und Fetisch

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von H. Makarios Oley Herausgegeben von Frank Bröker Leseprobe Herbst 2014 ISBN 978-3-934896-86-4 www.verlag-reiffer.de

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Freitag, 25. Juli 2014 15:16:06

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H. Makarios Oley

Pratajev

Medizin und FetischHerausgegeben von Frank Bröker

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H. Makarios OleyPratajev – Medizin und FetischHerausgegeben von Frank Bröker

Umschlaggestaltung unter Verwendung eines Fotos von Oliver BaglieriFotos: Archiv der Pratajev-Gesellschaft e.V.

1. Auflage 2014, Originalausgabe© Verlag Andreas Reiffer, 2014

Satz/Layout: Andreas ReifferLektorat: Manjoschka Gnatz

Druck und Weiterverarbeitung: CPI books, Leck

ISBN 978-3-934896-86-4

Verlag Andreas Reiffer, Hauptstr. 16 b, D-38527 Meinewww.verlag-reiffer.dewww.facebook.com/verlagreiffer

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Inhaltsverzeichnis Vorwort und Dank von Igor Pavlowitsch jr. ............................................. 7

I Medizin ........................................................................................................ 9

Einleitung ........................................................................................................ 10Pratajev als Mediziner ................................................................................ 11Ärzteregeln ...................................................................................................... 17Augenoperationen auf hoher See ............................................................... 22Das Phänomen der Schlafstörungen ....................................................... 31Praxis Ohrtorpedo ....................................................................................... 35Seltene Krankheiten, Teil 1 .......................................................................... 42Seltene Krankheiten, Teil 2 .......................................................................... 46Medizinische Gedichte, Teil 1 .................................................................. 49Die Erfindung der Pille .............................................................................. 55Medizinische Gedichte, Teil 2 .................................................................... 62Aus der medizinischen Pratajev-Forschung ............................................ 69

II Und .......................................................................................................... 75

Pratajev – Meine Mutter ............................................................................... 76

III Fetisch ..................................................................................................... 84

Die Anfänge pratajevscher Fetisch-Forschung ....................................... 85Pratajev und die Frauen .............................................................................. 90Wallgolds Datscha ..................................................................................... 104Wallgolds Geburtstag ................................................................................ 106Damenbesuche auf der Datscha .............................................................. 109Ein Fetischverlust ..................................................................................... 117Aus der Fetisch-Pratajev-Forschung ....................................................... 123Prumski übertreibt es wieder .................................................................. 128

IV Anhang ................................................................................................... 134

Erklärungen für die Menschheit – Der Ratgeber Pratajevs ................. 135

Nachwort ....................................................................................................... 146Viten ............................................................................................................... 149

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Ärzteregeln

Pratajev, der sich zu Lebzeiten vergeblich um Aufnahme in die Ärzte-schaft bemühte und sehr unter der Missachtung seiner Medizinischen Schriften litt, rächte sich an den verschiedensten Ärztegruppen durch die bekannten Bauernregeln nachempfundenen Ärzteregeln. Diese legte er in Wartezimmern und Krankenhäusern aus, ja er besuchte sogar kranke Bauern, die sich nach dem Lesen dieser Regeln nicht mehr behandeln ließen. Die Poliklinik von Worochtsche, einem Vor-ort von Miloproschenskoje, musste sogar einige Tage schließen, weil die Patienten ausblieben.

Insgesamt verfasste Pratajev nachweislich 587 Ärzteregeln, die Dun-kelziffer liegt wesentlich höher. Das 1982 veröffentlichte Fachbuch »Wissenswertes über Pratajev – Fragmente, Gedichte, Fachliteratur« enthält bisher die meisten dieser Ärzteregeln. Ebenfalls fanden Ab-schnitte der Fachliteratur »Augenoperationen auf hoher See« hier ei-nen Nachdruck sowie ein Großteil der Gedichte aus dem Teehaus Protnik. Zuletzt sei erwähnt, dass einzig die Gruppe der (von Pratajev stets verehrten) Veterinäre frei von jeder »Ärzteregel« blieb. Wir kön-nen aus Platzgründen und aus Gründen des Jugendschutzes nur eine Auswahl vergleichsweise harmloser Ärzteregeln Pratajevs aufzählen.

Chirurgen

Wird ein Bauch aufgeschnittenLässt der Chirurg sich nicht zweimal bitten

Operiert der Chirurg den großen ZehTut‘s noch sieben Wochen weh*

Sägt ein Chirurg nicht gern am ArmIst es im Krankenhaus zu warm

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*Diesen Satz widmete Pratajev dem Oberarzt der Chirurgie des Kran-kenhauses von Molybdanov, Ivan Wanapastadze, der unter der Bevölke-rung nur als Messer-Ivan bekannt war. Wanapastadze soll, nachdem er zu Übungszwecken die großen Zehen seiner beiden Töchter amputiert hatte, an einem Selbstversuch gestorben sein. Auch den folgenden Zwei-zeiler widmete Pratajev ihm höchstselbst:

Hat ein Chefarzt am Bauch einen PickelStammt er von der Nachtschwester ihrem Zwickel

Orthopäden

Ob krummer Rücken, schiefes BeinDer Orthopäde renkt es einUnd tut er‘s nicht, das dumme SchweinKann‘s kein Orthopäde sein

Gehst du zum Orthopäden am 16.3.Brauchst du meistens einen Schlitten

Orthopäde im SchwesternzimmerBedeutet Gewimmer immer

Spricht der Orthopäde besonders leiseKlebt am Schuh noch Hundescheiße

Orthopäden ohne AugenNicht mehr viel als Ärzte taugen*

*Diese Regel schickte Pratajev in jedem seiner Briefe an die Universität in Petersburg (Leningrad) mit. Nicht einmal darauf reagierten die Ärzte.

Internisten

Die allermeisten InternistenGreifen gern nach beiden Brüsten

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In den Krankenzimmern herrschte andächtige Stille, wenn Ivan Wana-pastadze, stets im Beisein einer sehr jungen Schwesternschülerin, Chef-arztvisite hielt.

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Und tun sie‘s nicht, so sind es sicherNicht Internisten, sondern Fischer

Beißt der Internist ins PausenbrotWird jede Krankenschwester rotUnd wird sie‘s nicht, so kannst du glaubenTrägt sie im Schienbein noch zwei Schrauben

Psychologen

Liest der Psychologe KriminalliteraturTrinkt seine Tochter Wodka pur

Ein Psychologe, der an der Ecke stehtMeist nicht gern zur Arbeit geht

Psychologen ohne BrilleTaugen meist nicht sonders ville

Fehlt dem Psychologen das rechte BeinWird es eine Täuschung seinFehlt ihm dagegen der rechte ArmHat er meistens sehr viel Charme

Ein Psychologe, der nicht weiter weißIst ein Scharlatan zumeist

Reitet der Psychologe auf dem PferdeDann bete, dass es Sommer werde

Kardiologen

Kardiologen trinken immerSchnaps im dunklen HinterzimmerMacht dann einer mal nicht mitKriegt er in den Arsch nen Tritt

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Augenärzte

Augenärzte ohne AugenGenau so viel wie Orthopäden taugen

Augenärzte mit Horn am FingerWerden älter und nicht jinger

Hat ein Augenarzt keinen MundSchlägt meistens deine letzte Stund

Dentisten

Stehen Dentisten am BügelbrettWerden ihre Hintern fett

Gehen Dentisten mal aufs KloStinkt‘s danach grad wie im Zoo

Hat ein Dentist nen Hammer in der HandDann spritzt das Blut bis an die WandUnd spritzt es manchmal bis auf den FlurDann guckt der Ochse auf die Uhr

Diese Ärzteregel verteilte Pratajev praktisch in jedem Wartezimmer. Mehrere Zahnärzte, denen die Patienten weg blieben sollen sich 1960 auf einem geheimen Kongress getroffen und danach kollektiven Selbst-mord begangen haben. Nur so ist das rätselhafte Zahnärztesterben dieses Jahres zu erklären. Die verwaisten Praxen wurden kurzzeitig als Selbstbedienungszahnarzt weitergeführt, jedoch schon 1962 stellte man diese Methode wieder ein, da sich Unfälle und Komplikationen zu sehr häuften.

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Prumski übertreibt es wiederEin Interview mit Anatoli Prumski

Die Studentin Svetlana Kamtchatkowa hatte im Herbst 1959 den Auftrag, für die Zeitung der Hochschule in Irkutsk ein Künstlerport-rät von Pratajev anzufertigen. Da Pratajev in der Kamtchatkowa eine Lehrerin vermutete, wies er ihr Ansinnen nach einem Interview brüsk ab. Anatoli Prumski, der zufällig das Telefongespräch mitverfolgte, nahm hinter dem Rücken Pratajevs Kontakt zu der Kamtchatkowa auf und gewährte ihr ein schamloses Interview, welches zu einem völlig verzerrten Bild Pratajevs führte. Der Artikel »Pratajev – Ein Dichter am Abgrund« erschien allerdings erst 1962, so dass Pratajev ihn nicht mehr verhindern konnte. Das kurze Interview mit Anatoli Prumski liegt als Tonbandmitschnitt im Archiv der Hochschule.

S.K.: Guten Tag Herr Prumski. Ich freue mich sehr, dass Sie mir ein paar Fragen über Pratajev beantworten wollen.

Prumski: Ja, guten Tag, das mach ich gerne und ich glaube, ich weiß über ihn besser Bescheid, als er selbst. (lacht leise)

S.K.: Oh, dann hab ich mit Ihnen ja einen Volltreffer gelandet. Viel-leicht sagen sie mir erst einmal etwas zu den Ängsten Pratajevs. Wie ich weiß, hat er Fischphobie, Fellphobie und er mag Lehrerinnen nicht sonderlich.

Prumski: Also die Fischphobie ist bei ihm besonders stark ausge-prägt. Früher hat er mal gerne einen Fisch geangelt, er hat sogar Anglergedichte geschrieben. Heute muss ich ihn davon abhalten, die Angler zu verprügeln. Irgendwann, Mitte der fünfziger Jahre, muss man ihn so sehr mit Fisch vollgestopft haben, dass er einen regelrech-ten Hass entwickelt hat. Er hat auch schon eine Fischverkäuferin auf dem Wochenmarkt von Roftlovensk bespuckt und sie »alte Fischsau« beschimpft. Genauso ist es mit dem Fell. Als ich ihn kennenlernte, war ihm die Behaarung der Mädchen egal. Jetzt schickt er sie weg, wenn nur ein Fitzelchen Schamhaar zu sehen ist. Er hat auf Tournee

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ja immer einen Friseur im Tross*, der ist ihm wichtiger als der kultur-politische Leiter**.Und Lehrerinnen, wie soll ich's sagen, da ist er äußerst kritisch. Solan-ge sie noch in der Ausbildung sind, geht das ja, und wir treten ja oft in solchen Instituten auf. Pratajev versucht die armen Mädchen immer-zu vom Studium abzubringen. Er hat sogar ein Gedicht geschrieben, welches »Mach das nicht« heißt.

S.K.: Sehr interessant, können Sie das Gedicht wiedergeben, Herr Prumski?

Prumski: Selbstverständlich, das hab ich mir gemerkt.

Werde keine LehrerinDas ist der falsche WegMach das nicht, mein FräuleinEs wär sonst der BelegDass Du nicht richtig denken kannstUnd Defizite hastIn Moral und AnstandDer Anzug Dir nicht passtMach das nicht, oh mach das nichtIch fleh Dich höflich anLehrerin zu werdenHat niemals gut getan

S.K.: Das ist ja unglaublich, was Sie da erzählen …

Prumski: Naja, gebumst haben wir sie dann trotzdem.

S.K.: Wie bitte?

Prumski: Oh, ich bitte um Verzeihung, ich dachte nur, dass Sie das interessiert. Da könnt‘ ich Ihnen so manche Geschichte erzählen …

S.K.: Bleiben Sie mal sachlich, Herr Prumski. Aus solchen Informa-tionen kann ich kein Künstlerporträt erstellen. Wechseln wir besser

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Anatoli Prumski im Bild mit der trinkfreudigen Melkerin Elena Nikolajewna. Aufgenommen 1953 im Kolchos »Sozialistischer Traktor«, nahe Igurno.

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das Thema. Pratajev ist ja für seine Mildtätigkeit bekannt, hat diese Auswirkungen auf seine Arbeit?

Prumski: Mildtätigkeit, naja, er bezahlt den Trinkern die Zeche und gibt so mancher Dorfschönheit was zu essen oder ein paar Rubel. Meistens hat er ja gar kein Geld, weil er damit nicht umgehen kann und so musste er ständig auf Lesereisen gehen und Bücher schrei-ben. Zudem versäuft er alles im Winter im Teehaus Protnik oder im Brenner. Manchmal ist er auch in sehr zwielichtigen Bars und hält die Mädchen frei. Er borgt sich das Geld oft von uns Künstlern. Seit kur-zem zählt ja auch der Radfahrer Tutukin wieder zu seinen Freunden, der unterstützt Pratajev nach Kräften.

S.K.: Tutukin? Der Schlagersänger?

Prumski: Ja, aber der ist jetzt wieder Radfahrer, weil es mit seiner Sängerkarriere nicht geklappt hat. Na, da haben sich zwei gefunden, sage ich Ihnen***.

S.K.: Mich interessiert vor allem die menschliche Seite Pratajevs. Kön-nen Sie mir etwas dazu sagen? Woher kommt seine Beliebtheit?

Prumski: Nach außen ist Pratajev ja immer der galante und trotzdem volksverbundene Problemversteher. In Wirklichkeit ist das aber alles Fassade. Ihm ging es doch nur darum, gut dazustehen und Weiber abzuschleppen. Wir können ja nichts dafür, dass er da nicht so erfolg-reich ist, wie zum Beispiel Fanfarow oder ich. Er ist sehr wählerisch. Aber irgendwie sehen alle in ihm eine Art Dichterkönig, dem alles verziehen wird. Selbst in Wallgolds Datscha steht er in besonderem Licht, während wir Musiker und Künstler die Prügel beziehen. Sehen Sie, Pratajev ist ja Fetischist und wir sind es auch. Aber er kommt damit durch und ich muss Strafe zahlen …

S.K.: Wenn ich jetzt etwas ungebildet wirke, aber was ist ein Feti-schist? Das Wort hab ich noch nie gehört.

Prumski: Hmm. Was soll ich da sagen. Das gibt es noch nicht so lan-ge. Das hat wieder was mit Bumsen zu tun ...

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S.K.: Herr Prumski!

Prumski: … naja, es ist doch so. Man muss das selber erleben und machen, dann weiß man, was das ist. Darüber erzählen geht nicht so gut. Es ist eben noch nicht so verbreitet und wir sind da vielleicht Vorreiter einer neuen Kultur. Aber die Bevölkerung sieht das nicht so gerne, auch wenn sie gar nichts zu sehen kriegt.

S.K.: Ich merke, ich komme nicht wirklich voran. Vielleicht sagen Sie mir etwas zu Pratajevs »Medizinischen Schriften«. Er hat ja auch Krankheiten entdeckt und geheilt.

Prumski: Ich glaube, das hat auch alles was mit Fetisch zu tun, das ist immer streng geheim. Pratajevs Verleger Wallgold ist ja auch so einer, der da mitmischt und nie zur Verantwortung gezogen wird. Man sagt sich hinter vorgehaltener Hand, dass der‘s sogar mit Verstorbenen treibt …

S.K.: Sollte das alles wahr sein, was Sie mir erzählen, müsste ich das weiter melden, Herr Prumski. Das ist Ihnen doch hoffentlich klar?

Prumski: Was weiter melden? Dass wir manchmal bumsen? Da la-chen ja die Hühner im Stall.

S.K.: Nein, die Nekrophilie Ihres Verlegers und vor allem, dass der kulturpolitische Leiter offenbar die Lesereisen nicht im Griff hat.

Prumski: Nekrophilie? Jetzt bin ich der Unwissende …

S.K.: Sexuelle Handlungen mit Verstorbenen nennt man Nekrophilie und das ist verboten.

Prumski: Das wusste ich nicht. Na dann streichen Sie das, das ist ja auch nur ein Gerücht.

S.K.: Gesagt ist gesagt, aber ich will Sie ja nicht in Verlegenheit brin-gen, nur weil Sie sehr offenherzig sind. Über Pratajev hab ich trotz-

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dem nur Schwammiges erfahren, also da sind sie dann doch keine große Hilfe gewesen. Ich danke ihnen trotzdem.

An dieser Stelle bricht das Interview ab. Offenbar hatte die Kamt-chatkowa genug von Prumski, der immer wieder das Wort »Bumsen« verwendete und ihrer Meinung nach maßlos übertrieb. Seine Aussa-gen flossen dennoch in das Künstlerporträt ein und Wallgolds Nekro-philie flog auf, so dass dieser sogar das Land verlassen musste.

*Eine Lüge Prumskis, denn Pratajev mochte Friseure genauso wenig wie Lehrerinnen.

**Der »kulturpolitische Leiter« wäre heute das, was wir Tourmanager nennen.

***Offensichtlich stand das Interview im Zeichen tiefer Eifersucht, denn Prumski mochte Tutukin nicht und er befürchtete, dass dieser ihm sei-nen Rang als »bester Freund« Pratajevs ablaufen könnte.

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Sergeij WaSchoWitSch Pratalinko, genannt Pratajev, wurde 1902 in Kurtschinsk-Robersk in ein-fachste Familienverhältnisse hinein geboren. Sein Vater sammelte Heilkräuter, seine Mutter pflegte die Tiere, früher nannte man diesen Beruf der Ein-fachheit halber Kuhbürsterin. Schnell begriff der talentierte junge Pratajev, dass das ärmliche Leben seiner Familie nicht den eigenen Idealen entsprach. Er wollte hoch hinaus, zumindest weg aus der vom Permafrost bedrohten Gegend im Mittleren Ural. So wurde er Mineralwasserquellenbesitzer, Ver-koster für kommunistische Parteigrößen, Holzka-russellführer, Biberbeobachter, Hilfszahnarzt und Hobbyorthopäde.

Mitte der 30er Jahre verlegte er sein Hauptaugenmerk mehr und mehr auf die Schriftstellerei. Er schrieb ungezählte Gedichte, verfasste Kurzgeschichten und erlangte seinen größten Ruhm mit einem Roman um die »Kriminalfälle des Igor Pavlowitsch«. Entdeckt und gefördert von seinem Verleger Wallgold, lernte Pratajev immer mehr interessante Leute kennen, die vom Erfolg des Dichters angezogen wurden und bald einen unüberschaubaren Tross auf seinen Leserei-sen bildeten. Herauszuheben ist hierbei der Erlenholzgitarrist Anatoli Prumski, Pratajevs treuester Freund und Begleiter. Diese Freundschaft und natürlich sein Charisma, öffnete ihm das Tor zur Damenwelt und wie wir heute wissen, mach-te er reichlich Gebrauch davon.

Pratajev, als großer Trinker bekannt, bezahlte sein ausschweifendes Leben schon 1961 mit einem viel zu frühen Tod. Wenige Jahre nach seinem Ableben gerieten seine Person und sein Werk in fast völlige Vergessenheit. So blieb es dem Die Art-Sänger H. Makarios Oley vorbehalten, Pratajev Ende der 80er Jahre in einer Leipziger Druckerei wiederzuentdecken.

Im Jahr 2007 gründete sich die derzeit einzige Pratajev-Gesellschaft um sämtli-che Lebensphasen des »Puschkins von Miloproschenskoje« aufzuarbeiten, sein Werk zu erforschen und zu bewahren. Immer wieder tauchen glücklicherweise Nachlass-Exponate in Worten und Bildern auf, die im Almanach »Haus aus Stein« von führenden Forschern kommentiert und veröffentlicht werden. Ver-anstaltet werden Gedenkfeiern, Kongresse und Feste zu Ehren des nunmehr wohl »bekanntesten aller unbekannten russischen Landdichter«. Mitglied der Gesellschaft kann jeder werden, der sich dem Gedankengut Pratajevs verpflich-tet fühlt.

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MakarioS, eigentl. Holger Oley, geb. Zürner, spä-ter Möbius, wurde am 29.11.1959 in Leipzig geboren. Schulbildung bis zur 11. Klasse, nach Rauswurf aus dem Thomas-Gymnasium (damals EOS Thomas) er-lernte Makarios den Beruf eines Offsetdruckers in der Offizin Andersen Nexö.

1984 Mitbegründer der Punk-Band Die Zucht, aus welcher sich 1986 die Underground-Legende Die Art entwickelte. Als sog. »Andere Band« prägte Die Art, deren Sänger und Texter Makarios ist, den Sound der Wendezeit entscheidend mit. Songs wie »Das Schiff«,

»Wide Wide World« oder »Sie Sagte« erreichten Kultstatus und sind aus dem Programm der Band nicht mehr wegzudenken. Bislang erschienen offiziell 13 Studio-Alben. Neben seinem musikalischen Schaffen, zu dem auch das Projekt Samtmarie um die Band Goldeck zählt, beschäftigt sich Makarios vor allem literarisch, veröf-fentlichte mehrere Lyrik-Bände und »entdeckte« den russischen Dichter Prata-jev. 1997 erschien das erste Heft zum Thema, heute eine gesuchte Rarität. 2003 gründete Makarios mit seinem Freund Frank »Pichelstein« Bröker die Band The Russian Doctors, um die Texte Pratajevs auch musikalisch umzusetzen. Bislang veröffentlichten The Russian Doctors sieben Alben.

Frank Bröker, »Doktor Pichelstein«, geboren 1969 in Meppen, seit 2002 in Leip-zig beheimatet. Vorsitzender der Pratajev-Gesellschaft e.V. Autor, Redakteur und He-rausgeber (u.a. »verschwIndien«, »Eishockey in Deutschland«, Bibliothek der Pratajev-Gesell-schaft). Komponist, Musiker (u.a. Goldeck) und natürlich schnellster Erlenholzgitarrist der Welt bei The Russian Doctors.

Danksagungen

Besonderer Dank geht an die verehrte Manjoschka Gnatz fürs Lektorat, an Frank und Tatjana Förster sowie an Aljona Korschova für Fotorecherchen (Ar-chiv der Pratajev-Sektion Grodno in Weißrussland). Vielen Dank auch an Mar-cel Pollex für die Typografie-Beratung beim Buchumschlag. Ebenfalls möchten wir allen aktiven Mitgliedern der Pratajev-Gesellschaft e.V. sowie Verleger Wall-gold II jun. für den unermüdlichen Ausbau der Pratajev-Bibliothek von ganzem Herzen danken.

Foto: Frank Förster

Foto: Claudia Weingart

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