Preistexte Hessus-Schreibwettbewerb 2012

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Alle Rechte liegen bei den Autorinnen und Autoren

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INHALT:

Jury-Hauptpreise:Jakob Zwiebler: SpanienAnna Siebert: Jankovs BudeAnn-Kathrin Roth: Treppengeflüster

Schülerförderpreise:Riccarda Kiel: Tintenklecksendes SäkulumJudith Bernet: Die TänzerinRomina Schmidt: Nur für uns

Sonderpreis der Jury:Josefine Neugebauer: Wolfsherz

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Jakob Zwiebler Spanien

Es ist Spanien und die Diktatur ist schon eine Weile in Gang, vielleicht also ist es 1940; hier aber ist noch nicht viel geschehen, denn jenes Dorf in den Pyrenäen, in dem ich lebe, ist das abge-schiedenste. Ihr kennt es bestimmt nicht; es ist nicht bekannt ge-worden durch meine Anwesenheit und auch später nicht durch meine Abwesenheit. Ich habe nicht viel geschrieben, noch weni-ger veröffentlicht, und was veröffentlicht worden ist, das ist nicht gut. Darum bin ich auch überrascht gewesen über den Anruf des Sicherheitsbeamten, der mir mitteilte, dass meine Schriften, obwohl sie nicht gut seien, mich in Probleme gebracht hätten, denn sie würden einigen Ansichten widersprechen, die zur Zeit in Spanien die richtigen sind. Gut, sagte ich, und was nun? Nur keine Sorge, sagte beruhigend der Sicherheitsbeamte, wir schi-cken jemanden vorbei, der sich um Sie kümmert. Und legte auf. Ich sage, ich war überrascht gewesen, aber doch eigentlich nicht über den Inhalt des Gesprächs, denn sicherlich sind mir meine Schriften wohl bekannt, und auch die Ansichten der Dik-tatur sind mir bekannt und ich weiß, dass da einiges hervor-schaut wenn man sie übereinander legt. Aber dass sie es mir ge-sagt hatten, dass es sich so verhält, das wunderte mich, noch dazu ein Anruf! Ich habe erst seit wenigen Monaten das Telefon, ich glaube es gibt nur zwei andere im Dorf, die eines haben, und ich freue mich jedes Mal wenn es klingelt und ich weiß noch ge-nau, wie oft es geklingelt hatte, als der Sicherheitsbeamte anrief war es erst das zweite Mal gewesen und groß war darum meine

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Freude, und sie blieb es auch noch eine Weile nachdem er aufge-legt hatte, erst danach begann ich, mich zu wundern. Vielleicht hatten sie sich nur vergewissern wollen, dass ich auch zuhause bin? Es ist ja ein weiter Weg hier hinauf, den wollten sie nicht umsonst machen. Dann ist es doch ärgerlich, dass ich abgenom-men hatte, denn wenn nicht hätten sie vielleicht gedacht ich wäre nicht da und wären nicht gekommen; aber ich glaube, ich hätte trotzdem abgenommen, auch wenn ich das alles gewusst hätte, denn wie gesagt, es war erst der zweite Anruf gewesen, der ers-te war außerdem nur ein Klingeln gewesen und nichts weiter, da war niemand am andern Ende gewesen der gesprochen hatte, und jetzt weiß ich wenigstens, dass das Telefon funktioniert. Gewiss ich hatte, wie alle anderen, überlegt das Land zu ver-lassen. Zeit hatte ich genug gehabt, ich war nicht von erster Wichtigkeit gewesen für die Diktatur, es hatte eine ganze Menge anderer gegeben, die vor mir an der Reihe waren. Ein oder zwei-mal hatte ich auch angefangen, meinen Koffer zu packen, aber wohin hätte ich denn gehen sollen? Sagte ich mir und packte alles wieder aus. Es lag vielleicht auch am Geld, ich hätte mir etwas borgen können, aber ich borge nur wenn es sein muss und ob es so war oder nicht, das wusste ich nicht mit Sicherheit, erst als der Anruf kam da wusste ich es. Es gibt keine Polizei im Ort, nur einen sanftmütigen Ord-nungshüter, der nebenbei wenn er entlang der einzigen Straße spazieren geht nach dem Rechten sieht und zögerlich zu schlich-ten sucht, wenn etwa zwei Nachbarn sich wegen eines umgefal-lenen Baumes streiten. Wegen dem muss ich mir keine Sorgen machen, er hat ja nicht einmal eine Pistole oder irgendein andres Instrument derart, das mich, mit sicherer Hand in den Rücken gehalten, zum Mitkommen hätte bewegen können. Wahrschein-

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lich weiß er gar nicht Bescheid, er ist ja kein Amtsträger und was er an richterlicher Autorität besitzt, ist ihm allein durch Zu-verlässigkeit, Redlichkeit und unerschütterliche Objektivität zu-gekommen, nicht durch die richtigen politischen Ansichten. Es ist also, denke ich, bevor sie kämen, sich nach meinem Haus er-kundigten, an die Tür klopften, sie einschlügen, wenn ich nicht antwortete, und mich mit sich nähmen, noch ein wenig Zeit. Da klopft es, ich erschrecke, aber sie können es noch nicht sein und darum gehe ich zur Tür und mache auf. Es ist Miguel der Bäckermeister oder wenigstens glaube ich es, denn da sein Laden am andern Ende des Dorfes liegt und ich nicht jeden Tag den Hang hinauf und hinunter laufen will, um frische Brötchen zu haben, stattdessen lieber einen Jungen bezahle, dass er es für mich tut, kenne ich ihn nicht, den Bäckermeister; aber er trägt einen Korb mit Brötchen im Arm und sagt, ich bin Miguel der Bäckermeister, der kleine Guillermito ist heute krank und darum bringe ich die Brötchen selbst. Ich habe kein Geld in den Ta-schen, aber er hat ohnehin ein freundliches Gesicht und darum bitte ich ihn herein. Wahrhaftig ich weiß nicht woher mir der Gedanke kommt oder die Absicht, ihn auszuführen, jedoch es wird mir mit einem Mal bewusst, dass wir nun zu zweit sind in meinem Haus, die Sicherheit aber sucht nur einen. Da sitzen wir schon beieinander auf meinem Sofa, ich habe wie es scheint mein Geld verlegt und kann es nicht finden, und habe für die Zeit des Wartens eine Fla-sche Wein auf den Tisch gestellt, mein bester Wein ist das, den ich mir für eine besondere Gelegenheit aufgehoben habe, das ist sie vielleicht nicht aber es ist die letzte; und er will gern trinken, aber nicht allein, das Brot, sagt er, muss auch nicht gleich bezahlt sein, und so setze ich mich zu ihm und wir trinken gemeinsam.

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Ein angenehmer Mensch, denke ich, der viel lacht und gern er-zählt, der lang und mühsam arbeitet und wie es scheint wenig hat, aber er ist zufrieden; kurzum, ich mag ihn sehr, sonst würde ich ihn wohl doch hinauswerfen, so aber halte ich ihn bei mir und hole sogar noch eine zweite Flasche Wein, den zweitbesten, und als endlich das Klopfen an der Tür unser Erzählen unter-bricht, sage ich als wüsste ich nichts, ich werde einmal nachse-hen, wer es ist, während ich in Wirklichkeit aus einem Fenster, unbemerkt von ihm und der Sicherheit, das Haus verlasse. Da nun die Sicherheitsbeamten, die zu dritt und ungeduldig vor der Tür stehen, keinen Einlass erhalten, treten zwei zurück und der dritte rennt sie ein, finden den Weg ins Innere und nehmen ihn mit, der hier wohnt. Das höre ich nur aus der Ferne, denn ich bin bereits auf dem Weg zum Haus des Bäckermeisters.

~

Seit einigen Monaten führe ich nun das Leben des Bäckermeisters Miguel und ich habe es gut; ich stehe früh auf und habe ständig Husten wegen dem Mehl, das ich Tag für Tag einatme wenn ich backe, aber ich habe ein sicheres Einkommen, ein kleines Haus, und die Leute achten mich und freuen sich wenn sie zu mir in die Bäckerei kommen, denn ich habe für alle ein freundliches Gesicht und weiß von jedem, ohne dass er es sagen müsste, was er haben will und wie viel. Zu Anfang war es nicht leicht; was wusste ich denn vom Ba-cken? Aber Miguel war zu meinem Glück ein sehr ordentlicher Mensch und hatte von allem, obwohl er selbst es sicher nicht brauchte, ein Rezept, fast sage ich, mir da gelassen. Dennoch musste ich sehr früh aufstehen am nächsten Tag, Miguel stand für gewöhnlich um halb fünf auf, jedenfalls zeigte es so sein We-cker an, der neben dem Bett stand, ich aber stellte ihn auf um drei,

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um auch mit Sicherheit alles fertig zu haben, wenn am nächsten Tag die frühsten Kunden in meine Bäckerei kämen. Und es ge-lang mir und so überstand ich den ersten Tag, und wirklich war das Brötchen backen der schwierigste Teil und das Verkaufen danach sehr leicht, dass ich die Preise nicht wusste fiel nicht auf, denn die Leute kauften alle seit vielen Jahren ihre Brötchen bei Miguel, wie ich ja auch selbst meine Brötchen seit vielen Jahren bei Miguel gekauft hatte, und keiner fragte noch was er zu zah-len hatte. Freilich gab es manche an jenem ersten Tag, denen die Brötchen zu hart waren oder zu weich oder schlecht gesalzen, und die, die sich beklagten und nun nicht mehr kommen wollten, kamen doch alle bald wieder, denn für sich selbst backen, das wollten sie nun auch nicht, und zudem dauerte es nicht lang, da war alles so gut wie es früher gewesen war oder vielleicht noch ein wenig besser, und ich musste auch nicht mehr um drei auf-stehen sondern stellte den Wecker wieder auf halb fünf. Und keiner wunderte sich, dass es nicht Miguel war der im Laden stand und sie bediente; ich trug die Bäckermütze Miguels, seine Schürze und selbst seine Schuhe, obwohl sie mir zu groß waren. Für sie war ich der Bäckermeister, und wenn sie mit mir sprachen, nannten sich mich mit seinem Namen. Dann wand ich mich ab und lachte heimlich darüber, wie einfältig die Leute sind, dass sie ohne Weiteres annehmen und es gar nicht prüfen, ob es jeden Tag der Gleiche ist, der in ihres Bäckermeisters Klei-dern steckt; die meisten sehen nicht einmal hin. Nichtsdestoweniger war es ein großes Glück, dass Miguel in seinem Haus allein wohnte, denn wie wäre eine Ehefrau zu täu-schen gewesen oder vielleicht eine alte Mutter, die wenn sie auch nicht mehr so gut sah, sicherlich doch an allen möglichen Klei-nigkeiten ihren Sohn erkannt hätte oder eben einen, der es nicht

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war; nein das wäre doch unmöglich gewesen, glaube ich, zumal ich zu jener Zeit noch keine Übung darin hatte, Miguel zu sein. Es war aber nicht so, dass es nicht einmal ein Zweifeln gegeben hätte. Nach einigen Tagen kam ein Freund zu mir, vielleicht ein sehr guter Freund, jedenfalls nachdem ich ihn besser kennen ge-lernt hatte fiel es nicht schwer, mir vorzustellen, dass Miguel ihn gern gehabt hatte. Aber wie er mich das erste Mal sah, nachdem er geklopft und ich ihm geöffnet hatte, und ich ihm unbestimmt höflich zunickte, da ich nicht wusste, wer er war und in welchem Verhältnis ich zu ihm stand, ging doch eine kleine Verlegenheit über sein Gesicht und ein Grübeln; aber ich trug die Kleider Miguels, und hatte noch das Mehl im Gesicht von der Arbeit in der Bäckerei. Und ich sagte, weil er schwieg, ich habe einen Wein im Keller, gerade bin ich fertig mit der Arbeit und will trinken, aber nicht allein, so kommst du mir gerade recht. Und da lachte er und war überzeugt und ließ es zu, dass ich den Arm um seine Schulter legte und ihn hinein führte; ich musste ja doch Migu-el sein, denn sicherlich bittet man keine Gäste in eines andern Mannes Haus. Und von da an wurde mir alles sehr leicht. Wenn vielleicht meinem Auftreten in der ersten Zeit noch die Sicherheit gefehlt hatte, so hatte sie sich doch bald eingestellt, denn das Leben im Dorf, ich wusste es ja, vollzog sich mit der äußersten Regelmäßigkeit und auch Miguel hatte sehr regelmä-ßig gelebt, und so wusste ich schon nach einigen Wochen, wer mich mittwochs um fünf am Nachmittag besuchen kam, und wo ich jeden zweiten Sonntag Abend verabredet war zum Kar-ten spielen. Im Übrigen war an dieser Einteilung nichts auszu-setzen, Miguel hatte es gut verstanden, sich die häusliche Ruhe und das lustige Beisammensein in der Waage zu halten, und nur einige kleine Änderungen waren nötig, die ich freilich nach und

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nach nur vornahm. Und so ging alles seinen Gang.

~

Eine Weile schon bemerke ich dass etwas vor sich geht. Wenn ich am Morgen meiner Arbeit nachgehe und fleißig bin ist alles gut, sicher ich trage die Müdigkeit in meinem Gesicht, an den kurzen Schlaf gewöhnt man sich nun einmal nie in letzter Konsequenz, wie lange man es auch versucht, aber dann ist es doch schön, mit seinen Dingen eine Weile ganz allein zu sein, mit den Gefäßen und den Blechen und dem großen Ofen, während es draußen still und dunkel ist und alles noch schläft. Aber wenn der Teig fertig ist und ich nur noch warten muss, bis die Brötchen aufge-gangen sind, und auch danach nachdem ich sie herausgezogen habe und zunächst vor dem Ofen zum Abkühlen lasse, bevor dann die ersten Leute in meinen Laden kommen, habe ich eine Weile Zeit um zu sitzen und nachzudenken, und dabei kommen mir Erinnerungen, von denen ich nicht weiß, wem sie gehören. Aber ist es denn verwunderlich, ich bin doch schon seit vielen Jahren Miguel der Bäckermeister und manchmal frage ich mich, ob ich es nicht immer gewesen bin. Ich fühle mich wohl in mei-nem Haus und weiß wo alles seinen Platz hat, auch ohne Licht finde ich mich leicht zurecht, ich bin angesehen und auch beliebt im Dorf, ich habe einige gute Freunde denen ich vertraue und die andern haben wenigstens nichts gegen mich. Und sicherlich habe ich doch auch nichts Schlechteres verdient. Dann aber geschieht es wieder, dass ich aufschrecke wie aus einem Traum und mit einem Mal fällt mir ein, dass ich dies alles nun ich möchte nicht sagen, erschlichen habe, denn das würde sicherlich des vielen Mühens nichts gerecht, das ich gerade in der ersten Zeit auf mich nahm; und tat ich es denn nur für mich? Es war doch nötig für das ganze Dorf, dass immer jemand da

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war, der die Brötchen verkaufte. Das denke ich mir und kom-me wieder zur Ruhe, ohnehin weiß ich ja, wenn ich nur einmal ernsthaft darüber nachdenke, dass es nicht stimmen kann, dass es nicht möglich ist dass niemand etwas gemerkt hätte, dass es niemandem aufgefallen wäre wenn mit einem Male ein anderer sich für Miguel den Bäckermeister ausgegeben hätte. Dann lache ich über mein frühmorgendliches Beklommensein, das auch im-mer seltener wird. Eigentlich, denke ich mir als ich eines Abends die Zeitung aufschlage, kann ich doch sehr zufrieden sein. Ja sicher, ganz jung bin ich nicht mehr, aber auch noch nicht alt, die Arbeit macht mir noch Freude, und die Zeitung lese ich nur um mich zu zerstreuen und nicht weil ich politische Sorgen habe. Da gibt es ja immer noch so viele, denke ich und schüttele den Kopf, hier steht es auch wieder. Diesmal, lese ich, geht es um den Schrift-steller Felipe Eduardo Castro, der vor einiger Zeit nach einer langjährigen Haftstrafe das Land verlassen hatte und nun in Bel-gien ein neues Buch herausgebracht hat, das ohne große Umstän-de mit einem wichtigen belgischen Literaturpreis ausgezeichnet worden ist. Eigentlich ist es schade, denke ich, dass wir so viele hinausgeworfen haben, und manche vielleicht ohne Grund. Bald sind die besten alle weg und keiner ist mehr hier, der gute Bücher schreibt. Aber was kümmert‘s mich, ich habe ja doch zum Lesen keine Zeit. Ich lege die Zeitung auf den Nachttisch, stelle den Wecker und lege mich ins Bett, damit ich am nächsten Morgen ausgeschlafen bin, wenn ich die Brötchen backe.

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Anna SiebertJankovs Bude

Der Tag, an dem wir Jankovs Bude ausräumen, ist ein Dienstag. Obwohl ich Jankov nicht kenne, sind meine Mutter und ich er-staunlicherweise seine einzigen Verwandten. Jankovs Bude ist ein Appartement irgendwo in der Innenstadt, siebenundzwanzig rote Ampeln und achtunddreißig Querstraßen von unserer Woh-nung entfernt. Ich habe Jankov noch nie gesehen. Mit dem Auto ist die Fahrt durch die Stadt eher der eines behäbig schaukelnden Schiffes ähnlich. Grellglänzender Stahl überall in den Gassen reflektiert die wabernde Hitze, die die schmutzigbraunen Häu-serfassaden abstrahlen. Der Verkehr schwimmt in zähen Som-merwogen unter dem Himmel, der, antennenweise in Stücke ge-schnitten, blau und nichtssagend zwischen mürrischen Dächern hängt. Im Fahren denke ich darüber nach, dass der Blick des Städters, mein Blick, nur ungefähr zehn Prozent Himmel erfasst, frage mich, was das bedeutet. Bäume und Rasenflächen haben sich im Laufe der Jahre mit der Präzision eines Kostümbildners an ihre Umgebung angepasst, verstecken außerirdisch fremd an-mutendes Grün unter den staubbraunen Exkrementen der at-menden Stadt. Weil der Himmel nicht einstauben kann, hält er sich bedeckt. Sperlinge, Stare, Amseln, einst Stimme und Herz der Lüfte, geifern auf Gehwegen und Plätzen kreischend und schrill nach den achtlos hingeworfenen Brotkrumen Passierender. Der Wa-gen vor uns lässt eine lärmende Schulklasse die breite Straße überqueren. Der Himmel sagt nichts, er hat die Sprache verloren.

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Meine Mutter und ich reden die ganze Fahrt über nicht mitein-ander. Nicht aus Ärger, sondern weil wir nichts wüssten, über das wir uns unterhalten könnten. Jankov ist tot, denke ich und der Gedanke klingt irgendwie seltsam, als wäre mir das bis jetzt gar nicht bewusst gewesen. Jankov ist tot, das fühlt sich so fremd und unwirklich an. Jemand, den ich niemals kannte, stirbt und fehlt, sollte fehlen – wem? Aus dem Autofenster heraus ist der Himmel mittlerweile gar nicht mehr zu erkennen. Ich öffne das Fenster, um Frischluft herein zu lassen, vor uns schmilzt der Verkehrsstrom zu einem zähfließenden Magmagemisch aus Blech, Stahl und Schweiß zu-sammen. Draußen ist es beinahe so heiß wie im Wagen und einer plötzlichen Regung folgend halte ich den Arm aus dem Fenster, als versuchte ich, nach dem Fahrtwind zu greifen. Vergeblich.

„Jan Jankov“ steht in verblichenen Serifenlettern auf dem Klin-gelschild. Meine Mutter und ich tragen leere Umzugskartons sie-ben Stockwerke nach oben. Ich stoße die angelehnte Haustür mit der flachen Hand auf. Dämmrige Wärme, der Geruch nach abgestandenem Fußbodenbelag und Staub, so viel Staub stülpen sich mir über wie eine zweite Haut. Für einen Moment meine ich, ersticken zu müssen. Die engen Wände der Wohnung drän-gen sich aneinander, drohen mich zu erdrücken. Überall stehen Regale voller Plunder, die Decke so nah, dass ich mir vorstelle, mich aufzurichten, mit dem Kopf durch die Enge der Decken-platten, das Dach zu stoßen, dem Himmel entgegen. „Um Him-mels Willen, hast du das ganze Zeug gesehen?“ fragt meine Mut-ter aus einem, irgendeinem Winkel der Wohnung. In Jankovs Bude zweigen die Zimmer zellenartig vom Flur ab, links Bad, Schlafzimmer, Stube, rechts Küche und Vorratskammer. Meine

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Mutter hat sich ein Tuch um das Haar gebunden und reißt ei-nen ozeanblauen Sack nach dem anderen von der Rolle ab. Zwi-schen ihren Augen hat sich feiner Staub in die Falten der Haut gesetzt. Die Wohnung steht voller Schränke, Kiefern, Eichen, Buchenholz; alles steht durcheinander, nebeneinander, aufeinan-der. Ledergebundene Gedichtbände neben Groschenromanen, eingeweckte Pflaumen, deren Gesichter eingefallen aussehen wie Großväter auf Stapeln alter Zeitschriften aus aller Welt. Ein rostiger Schiffsanker lehnt an der Tür zum Schlafzimmer und träumt dornröschengleich schlafend von der lichtgefluteten Wei-te endloser Ozeane. Zigarrenschachteln, alte Münzen, Tonkrüge, Vasen, getrocknete Veilchen, Silberbesteck, eine Staffelei, längst vergilbte Jahreskalender, U-Bahn-Fahrkarten, Schlüssel, ein dreibeiniges Schaukelpferd- über dem blinden Kommodenspie-gel kokettiert ein Strohhut fransig mit den spärlichen Lichtstrah-len, die wie seltene Gäste zaghaft durch trübe Fensterscheiben lugen. Jankovs Wohnung ist ein riesiges Museum auf dem Kopf einer Stecknadel. Zwischen Bergen von Gartenzeitschriften grabe ich einen verstaubten Globus aus – auf dem gibt es ein russisches und ein osmanisches Reich und einen Staat namens Abessini-en. Meine Mutter knotet einen weiteren Sack zu, stellt ihn zu den vielen anderen in den Flur und ich frage mich, ob Jankov auch manchmal in seiner eigenen Wohnung zu ersticken glaubte. Irgendwo zwischen mit Regalwänden und grauen Fotografien gepflasterten Wänden kommt eine tickende Uhr aus dem Takt. In Jankovs Wohnung gehen die Fenster zur Straße, sie lassen sich nur ankippen und draußen liegt die Hitze eben so grau und schwer über der atemlosen Stadt wie in Jankovs Räumen.

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Meine Mutter ist zum Arbeiten in die Stadt gekommen. Auf-gewachsen in dörflicher Einöde wusste sie, wie eine Kuh zu melken ist, wo man die besten Walderdbeeren findet und hasste das. „Was, das?“ habe ich meine Mutter einmal gefragt. „Alles. Das Dorf, den Hof, das Land. Die Menschen.“ sagte sie. Meine Mutter ist dem Gerede geflohen, dem Vater, der sie verheiraten wollte mit dem Familienbetrieb, sie wollte Sängerin, Kunstmale-rin, Krankenschwester werden, berühmt, raus, irgendetwas und strudelte in den gefräßigen Schlund der Großstadt hinein. Sie steht in Jankovs Küche und trinkt Wasser aus einer großen Kunststoffflasche, sie wirkt erschöpft und müde und auf eine seltsame Weise alt. „Wenigstens liegt es zentral“ sagt sie und deu-tet mit einem Kopfnicken ins Nichts. „Wie ein einziger Mensch nur so viel Zeug ansammeln kann ...“ Meine Mutter seufzt und trägt den letzten Sack nach draußen. Wie lange sind wir schon hier, ich weiß es nicht.

Als ich wieder im Flur stehe – es ist jetzt bedeutend leerer hier – fällt mein Blick auf den einzigen verlorenen Zettel an der im-provisierten Pinnwand. Jemand – Jankov? – hat eine Adresse da-raufgeschrieben, die Schrift malt kleine, gerade, sehr ordentliche Linien und beinahe hätte ich den Schlüssel, der von einer leder-nen Schnur ebenfalls an der Pinnwand hängt, übersehen. „Was ist das?“ frage ich meine Mutter, doch die ist bereits die Treppe runter mit den Säcken, einigen. Ich weiß, dass sie es nicht wissen wird, dass sie es vielleicht, wahrscheinlich, gar nicht wissen will, dass sie genug hat. Genug von all den leblosen Dingen, die ver-lorene Worte aus staubigen Regalfächern und Schubladen wis-pern. Genug von der Botschaft, die Jankovs Bude mantraartig ausstrahlt und die hier so erschreckend realistisch, glaubwürdig

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beinahe scheint. Dass es nämlich innen meist genauso grau ist wie außen. Oder andersherum. Ich weiß es nicht. Weiß nicht, ob das am Ende wirklich einen Unterschied macht.

Am Mittwoch fahre ich allein durch die Stadt. Die Nacht hat keine Kühle, keine Erleichterung gebracht; erbarmungslos tanzt Sonnenstaub über den brennenden Stadtstrudel und ich irre durch flirrende Straßen und Gassen. Jankovs Adresse gehört zu einem hohen Haus mit neunzehn Stockwerken. Wie die Nadel ei-ner Sonnenuhr ragt es aus der Innenstadt heraus, als deute es auf irgendeinen Punkt am blassem Himmel. Der Portier wirft mir einen seltsamen Blick zu, als ich nach Jankov frage, ich zeige den Schlüssel. „Immer hoch“ sagt er und deutet auf dem Treppen-schacht, dessen Dunkel langfingrige Schatten auf die schmutzi-gen Wände zeichnet. Während meine Schritte die Höhenmeter in sich hineinfressen, frage ich mich, was ich eigentlich erwarte, was ich suche. Ich finde keine Antwort. Ganz oben, am Ende der Treppe taucht eine bucklige Holztür aus dem Nichts auf. Meine Finger suchen in der Hosentasche nach dem Schlüssel, der findet ein Vorhängeschlöss, silbrig glänzend, ich weiß nicht warum, aber in diesem Moment bin ich mir sicher, irgendetwas gefunden zu haben. Etwas, was ich unbewusst immer gesucht und doch nie vermisst habe, in diesem Moment, den das Schloss braucht, aufzuspringen, ahne ich das. Drehen, Klacken, Knar-zen- das Hinterdertür zieht mich wie ein Magnet, lässt mich ohne Grund stolpern, taumeln. Ich taumle ins Freie.

Auf kaum fünfzehn Quadratmetern Hochhausdach nicken Grä-ser, Vergissmeinnicht und Gänseblümchen mit den Köpfen, der Sonne entgegen. Drei säuberlich angelegte Gemüsebeete fügen

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sich ordentlich in die Feldsteinovale, aus deren Ritzen für einen kurzen Moment noch der vorwitzige Kopf einer Eidechse her-vorblinzelt. Obstbüsche und buntblühende Bäumchen in großen Blumentöpfen verbergen die filigranen Nestgeflechte dutzender Vögel und eine weißgestrichene Parkbank dirigiert ein Kletterro-sengeflecht um sich herum. Goldschimmernde Sonnenflecken auf dem Rasen, meine Füße gleiten wie von selbst aus den schwarzen Schuhen, alles scheint ungeheuer unwirklich. Schwalben treiben auf zartgliedrigen Luftstößen vorbei - fünfzehn Quadratmeter dauern sechs Schritte – meine Hände greifen das kühle Metall der Dachumzäunung, im Rücken den Zauber. Jankovs Zauber. Ich stehe auf dem Dach des Hochhauses, neunzehn Stockwer-ke, der Zeiger einer Sonnenuhr. Ich stehe und unter mir glüht, brennt so fern der heiße Atem der Stadt.

Manchmal träume ich, dass sich Gassen und Straßen netzartig um mich herum zusammenziehen. Mir träumt, Häuser wüchsen, Pilzen gleich, aus dem Boden, wüchsen in den Himmel, wüch-sen gegeneinander und schlössen sich um mich. Manchmal träu-me ich, wie ich im Strudel versinke, ersticke am toten Atem der Stadt, bewegungslos eingezwängt im steinernen Grab. In die-sem Moment, frisches Gras unter den Füßen, hoch über der in der Ferne verstummten Stadt, vermisse ich Jankov das erste Mal. Jankov ist tot, denke ich, und mir fehlt, was ich nie besaß. Ich fühle mich gefangen, wie meine Mutter, in einem Traum den ich zu träumen vergaß und um mich herum verstummt die Welt. Der Tag, an dem ich Jankovs Garten finde, ist ein Mittwoch und über mir ist nichts als das leuchtende Blau des Himmels.

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Ann-Kathrin RothTreppengeflüster

Ich wusste es war eine Frage der Zeit, sagt der Casting-Star. Eine Wiederauferstehung darf nicht länger als drei Tage dauern.

Komm mal mit. Ich will dir was zeigen.

Komm rein. Sieh dich um. Der Raum ist groß und die geschwun-gene Treppe ist alt. So alt wie die hohe Decke, nach der sie sich streckt und die sie niemals erreichen wird. Halt das Bild fest. Kannst du das? Ich weiß, dein photographisches Gedächtnis ist der Chip im Technikmantel deiner Digitalkamera. You got a one-chip-mind und Drähte in rot und blau connecting your ears. Es wird schon gehen.

Was ich dir zeigen wollte. Du weißt schon. Die Nummern wollte ich dir zeigen. Weil sie schön sind, neurotisch romantisch und verbeult und verbogen und ich dachte, vielleicht gefällt dir das. Vielleicht gefällt es dir genug, dass du mir gehörst, bis der Schlag, der Schlag der Zuschlag der Tür, bis er aussetzt.

Die Nummern stehen Schlange auf der Treppe. Eine Tür als Ziel jenseits der Stufen. Sie hat zwei große Flügel und in den linken ist eine kleinere Tür gesägt, eine Katzenklappe, mansized, die zweimal zuschlägt, wenn eine Nummer den Raum hinter der Tür verlässt und die nächste hineingeht. Nummern halten sich nicht gegenseitig Türen auf. Übergabe des Staffelholzes erst auf

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der ersten Stufe. Ready, Set, Show. Nummer 53 legt eine Hand auf das breite Holzgeländer und wippt von den Fußballen auf die Zehenspitzen wie eine Balleri-na. Sie hofft, dass am Ende 53 die Nummer sein wird, die zählt. Today’s the day hat sie heute Morgen zu ihrer Mutter gesagt (bit-te frag nicht, frag mich nicht, es ist ein Spiel, wenn du fragst, verlieren wir beide) und die Mutter hat die Besteckschublade mit der Hüfte geschlossen und gesagt Ich verstehe dich nicht. Nummer 53 legt ein Bein auf das Treppengeländer und schmiegt eine Wange an die Wade. Alles was du sagst ist Casting, Styling, Photo-Opportunity hat die Mutter gesagt. Ich hab dir so viele schöne Worte beigebracht, als du in deinem Kinderstühlchen gesessen und dir den Brei in die Haare geschmiert hast. Warum benutzt du sie nicht?Sorry, ich muss los. Bye, Mum. Die Treppenstufen sind eng, enger je weiter links man steht, und beim Beinwechsel rutscht Nummer 53 von der Kante. Je-mand fängt sie auf, jemand mit dunklen Haaren an den Unterar-men und einer Brandblase auf der Innenseite des kleinen Fingers. Die Brandblase platzt auf und hinterlässt einen nassen Fleck auf dem Top von Nummer 53. Tut mir Leid. Was denn? Dass ich meine Sekrete auf deinem Oberteil verteilt habe.Nummer 53 leckt ihren Zeigefinger und drückt ihn auf die Stelle, an der sie unter dem dunklen Stoff seines Shirts eine Brustwar-ze vermutet, gleich unter dem Klebeschild mit den Ziffern fünf und vier. Jetzt sind wir quitt.

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Solange du nicht fragst, kann ich dir mehr Geschichten erzählen. Also frag mich bitte nicht, ich bin noch nicht fertig.

Siehst du die Menschen mit den Kameras und den Schaumstoff-knüppelmikrophonen? Ausgebildete Emotionsspürhunde. Erzähl uns eine Geschichte, sagen sie. Über deine Kindheit. Und es ist nicht fair, denkt Nummer 505, dass Großeltern die besten Geschichten erzählen, nur weil sie den Krieg überlebt ha-ben. In unserem Dorf, möchte Nummer 505 sagen, gab es einen Löschwasserteich, in dem wir Kinder badeten, und die Soldaten auf dem Rückzug von der Front warfen ihre Waffen hinein, bis die Gewehrläufe wie Äste aus dem Wasser ragten. Wir fischten die Munition mit Angeln aus dem Teich. In diesem Jahr hat mein Bruder mir sein Fahrrad geschenkt, weil man Beine braucht, um in die Pedale zu treten. Als ich klein war, sagt 505, bin ich sonntagmorgens früh auf-gestanden, wegen der Cartoons. Die Cartoons wurden abgesetzt, da bin ich nicht mehr aufgestanden. Sechs Tage sind genug, er fehlt mir fast gar nicht, der Sonntag fehlt mir nicht, meine ich.Die Reporterin sieht sie an. Das ist schön, sagt sie, sehr niedlich, kannst du singen oder irgendwas interessantes?

I want to be the black space between stars. Ein schlechter Satz für eine Klotür. Zu wenig Innuendo. Langweilig. Nummer 342 hat ihn gelesen, als er, auf dem geschlossenen Klodeckel sitzend, mit einer weiblichen Nummer vor sich auf den Knien, den Kopf in den Nacken lehnte, um ein Stöhnen aus seiner Brust zu lassen. Der Satz stand ganz oben, fast schon auf

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der Kante der Tür. Nummer 342 hat wieder nach unten gesehen, und der Blondine, die ihm mit einer Pinzette die Haare aus der Brust riss, hing der eingestochene Satz I want to be a star von den Schlüsselbeinen wie ein Collier. I want to be a star. I want to be a black space.

Treppengeflüster:

Ich veranstalte heute selbst ein Casting. Ich caste einen Ersatz für meine Putzfrau und dann caste ich den Nachbarsjungen für die Rolle des neuen Liebhabers. Aber ich denke, der Postbote wird es werden. Der Postbote oder die Putzfrau.

Früher war es einfacher. Als man noch eine feste Rolle hatte. Seit das Casting wichtiger ist, als der Film, weiß man nicht mehr, was man sein soll. Casting killed the video star. Wir machen uns da drin zum Affen und am Ende ist es ein Buchhalter, den sie suchen.

Kannst du meine Hände halten? Ich darf mir nicht die Augen reiben. Sie werden so lichtmüde unter den Scheinwerfern. Der Abdeckstift ist nicht tränenfest. Augenringe passen nicht zu Lid-schatten.

Bist du bereit? Mit der nächsten Nummer schleichen wir uns durch die Tür.

Hinter der Tür ist ein Raum und in dem Raum sind alle schein-werferblind. Nur die Kameralinsen nehmen mehr war, als Licht

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und Schmerz. Die Nummern können die Jury nicht sehen, die Jury sieht die Nummern nur auf Monitoren. Hundert Monitore für hundert Kameras. Nur der Schall durchbricht die Lichtmau-er.

Hier, nimm die Sonnenbrille. Ich kann dir nichts zeigen, wenn du nicht siehst. Wie gut, dass du mich hast.

Hinter der Lichtmauer sitzt die Jury an ihrem Tisch. Die Moni-tore sind in die Tischplatte eingelassen. Siehst du den Mann, der da in der Ecke sitzt? Der mit dem langen weißen Bart und dem Notizblock? Das ist ein Wissenschaftler. Er untersucht die Frage, ob Castingshows die Evolution ersetzen. Er schläft.

Den Auftritt der Nummer überspringen wir, man sieht so viele Nummern, die Shakespeare rückwärts rappen und dabei mit vol-len Weingläsern jonglieren. Das war scheiße, sagt der Juror ganz links, mein Katze at home mit drei Beine could have done better. Eigentlich ist er Bayer und hat den Englisch-Deutsch-Kauder-welsch bei der Volkshochschule gelernt, Kurs Castingdeutsch. To cast heißt werfen, und sein Job ist, alles wegzucasten, bis am Ende irgendwas übrig bleibt. Wichtig ist, auf der richtigen Seite der Lichtmauer zu bleiben. Du bist ein Verschwendung von space and oxygen. Get out.Rumms. Schlägt die Tür hinter der Nummer zu. Rumms. Die nächste Nummer imitiert Mariah Carrey und versucht dabei, gut auszusehen. Die zwei männlichen Juroren beugen sich tiefer über den Monitortisch. Bam! Die zwei Türflügel knallen unter Scheinwerferklirren in den Raum. Wanna-be-Mariah quietscht,

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der Evolutionsforscher wird wach, die Jury versteckt sich unterm Tisch. Komm mit, hier in der Ecke passiert dir nichts. Num-mern stürmen den Raum, die Zahlen auf den Klebeschildern auf der Brust geschwärzt. Sie werfen die Scheinwerfer um, reißen die Lichtmauer ein, zerren die Juroren unterm Tisch hervor und kleben ihnen Klebeschilder über die Münder. Frauen tanzen mit Highheels auf dem Monitortisch, bis Glas knirscht. Drei Männer schmieren schwarze Farbe an die Wände, jemand hat sich ein Mikro gekrallt und singt We will rock you. Dann sind sie wieder weg. I want to be a black space steht schwarz an der Wand.

Hör auf zu zittern, es ist vorbei. Gibs zu, es hat dir gefallen. Die Castingrevolution war fällig und du warst dabei und …

Hey, was war das? Revolutionsromantik? Schon gut, du weißt, ich liebe dich. Ich wünsche mir, dass du mich auch liebst.Nur eins musst du wissen:

Ich habe das Drehbuch geschrieben. Und ich habe die Revoluti-on gecastet.

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Riccarda KielTintenklecksendes Säkulum

Schule, Klassenraum, Unterrichtsstunde

R.: „Ich schäme mich für meine Dummheit.“

M.: „Unsinn, du kannst kluge Matheaufgaben lösen.“

R.: „Darauf zähle ich nichts. Ich weiß gar nichts. Wo ich doch jeden Tag Menschen vor mir stehen habe, die mir etwas beibringen wollen.“

M.: „Warum willst du überhaupt was wissen? Um klug zusein? Im Gespräch mit andern? Um deinen Kindern ein-mal etwas beizubringen? Niemand geht in die Schule, weil er etwas wissen will, sondern um die Vorraussetzung für einen Beruf zu erlangen, den sie brauchen, um sich finan-ziell abzusichern.“

R.: „Ja, pass auf. Denk das jetzt mal weiter. Nenne mir einenvon den fünfhundert Schülern, der hier sitzen will. Ich sage dir, jeder wird woanders hinwollen.“

M.: „Und? Du könntest sie genauso gut in einen Bus setzen,der ins Theater fährt, und alle würden am liebsten ausstei-gen. Und weißt du wo sie sich hinwünschen? Nach Hause, lustig Computer spielen.“

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R.: „Sicher. Und ich sag dir jetzt mal was. Ich bin bisher kaumklugen Menschen begegnet und ich habe mich satt gese-hen an den Menschen hier. Momentan steht mir der Sinn mit einem Schwarm Pelikanen nach New York zu reisen und dort auf dreckigen Bars zu tanzen. Und morgen wäre ich gerne eine Schwester im Ursulinenkloster, die kleine Kinder in den Schlaf singt.

Verstehst du was es heißt jung zu sein? Verstehst du, was es heißt Entscheidungen für uns zu treffen, die vorschrei-ben, was wir wie lange zu lernen und zu wissen haben? Pass auf, wie wir hier behandelt werden. Hör zu, wie sie mit uns reden. Sieh dir an, wie wir vor ihnen sitzen. Da stehen acht mal fünfundvierzig Minuten Menschen vor fünfundzwanzig Jugendlichen, die zuhören, jeden Tag, und ihnen fällt nichts Besseres ein, als das da? Ist es über-haupt ein Ziel, aus uns aufrechte und kluge Menschen zu machen? Ist es wirklich dreist laut zu sagen, dass hier un-sere Zeit verschwendet wird?

Es wird hier soweit gebracht, dass wir für eine Woche wissen, dass die Resorption durch die Darmwand ein ak-tiver Stofftransport ist, bei dem Energie verbraucht wird und der durch Carrier- Proteine realisiert wird, aber wo Kapstadt liegt, das zu wissen, wär’ wohl fein. Es ist nicht dreist, weil es nur allzu oft festgestellt wird.

Das einzige was mich mit großer Freude erfüllt, ist dass es nun Monate sind, die ich zählen kann. Ich zähle Monate

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in meinem Leben. Ich teile ein Gefühl mit allen Men-schen dieser Welt, die schon mal Monate gezählt haben.

Und jetzt will ich meinen eigenen Weg finden, und auf was stoße ich, ich R.? Auf eine immer größer werdende Lust mich selbst kennenzulernen. Und wie habe ich das vor? Indem ich die Perlen der Weltliteratur verspeise. Nur habe ich dabei das Gefühl, dass dieser sehnlichste Wunsch nichts mehr als eine Sehnsucht bleiben kann. Als könn-te ich niemals alles nachholen und begreifen. Oh, glaube mir, ich werde alles daran setzten zu lernen. Ich will die großen Menschen vor mir deuten und dabei mich selbst umschreiben. Nun habe ich die letzten zwölf Jahre mit Lernen verbracht, und was sehe ich? Dass es mich, abge-sehen vom Lesen lernen, kein Stück auf diesem Weg vo-rangebracht hat. Es tut mir leid, aber ich kann für all das Unnütze Wissen keinen Respekt aufbringen. Intelligenz hat nun wirklich nichts mit dem Faktenwissen, dem zeit-raubenden Auswendiglernen zu tun, oder? Oder, was? Bin ich doof, seid ihr klug? Geht’s mir schlecht oder gut? Das treibt mich in den Wahnsinn!

Weist du was, in finanzieller Sicherheit zu leben, diesen Luxus habe ich eigentlich längst abgelegt, ich würde nur das Nötigste beschaffen und von der Hand leben.

Ich werde arm wie eine Kirchenmaus, weil mir kein Be-ruf Sinn zu machen scheint. Ja, guck nicht so. Weist du, was ich nicht verstehen kann? Ich kann nicht verstehen, warum man nicht nach seinen eigenen Vorstellungen le-ben kann, solange man nicht stiehlt oder tötet. Arzt, ja

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Arzt scheint mir ein nobler Beruf. Doch wie könnte ich mir so was zutrauen? Er bringt doch allzu viel Schrecken mit sich. Herr Gott, ich muss raus hier. Manchmal glaube ich echt, in diesen Klassenräumen kann man kaum atmen. Als wären Gedanken, die man nicht unter freiem Himmel hat, nicht wahrhaftig.

Mir kommt es vor, als habe ich die kindliche Leichtigkeit hinter mir gelassen und bin in nächster Zeit nicht fähig, sie mir zurückzuholen. Deshalb schäme ich mich auch ein bisschen. Vielleicht sollte ich deswegen mal bei Gott nachfragen. Überhaupt denke ich, wäre es klug bei Gott anzufangen. Siehst du, ich muss von ganz vorne begin-nen. Obwohl ich zwölf Jahre in einer Institution verbracht habe, die mir eine Hilfestellung hätte sein sollen.“

M.: „Himmel ja, dann fang halt an. Du hast Ohren, die hören. Augen, die sehen. Mir soll’s recht sein, was du mit ihnen anfängst. Im Grunde, gehst du doch weiter zur Schule oder etwa nicht?“

R.: „Was für eine Frage.“

M.: „Ja, was für eine Frage.“

Lehrer: „R. und M.! Jetzt haltet endlich eure Klappe. Beider nächsten Leistungskontrolle ist das Geschrei wieder groß.“

R.: „Finger in die Wunde.“

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Judith BernetDie Tänzerin

Goldenes, verstaubtes Licht,erfüllt die schwarze Bühne.Noch still. Verharrt. Bewegt sich nicht,doch fliegt beim ersten Tone.

Blutrot weht ihr Haar im Wind,gespannt der ganze Körper,sie lächelt, glücklich, wie ein Kind,und spricht auch ohne Wörter.

Die Augen Wasserblau und sanft,voll Wagemut der Blick,sie Tanzt voll stiller, leichter Kraft,und leicht fließt jeder Schritt.

Ihr Kleid sie kühlt, im Takt umspült,der Harfentöne Glanz,das Weiß die warmen Töne kühlt,in fließend heißem Tanz.

Bald wirbelt sie, bald fliegt sie weit,dann wird sie wieder still,sie ist ein Vogel in der Zeit,weil auch die Zeit verharren will.

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Sie ist ein Spiel, wenn man sie sieht,und spielt mit ihren Schauern,denn in Musik sie weiter flieht,Lächeln. Nie Bedauern.

Sie ist nur ein Moment von vielen,der Lächelnd weiterzieht,Momente, die nur mit uns Spielen,wenn ungesehen die Zeit verfliegt.

Momente können niemals stehen,sie können Lächeln geben,so lass uns, wenn sie schließlich gehen,lächelnd weiterleben.

Und ist die Bühne sonst auch Leer,bewundere und freue,denn auf Tänzer folgen mehr,und auf Momente neue.

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Romina SchmidtNur für uns

Ich wünschte, die Polizeiwagen wären Kulissen aus einem Film. Ich wünschte, die vielen Leute, die sich alle um eine Person drängen, wären schlecht bezahlte Komparsen. Ich wünschte, die Person, die sich jetzt durch die Menschen drängelt, wäre eine berühmte Schauspielerin in ihrem nächsten Film. Ich wünsch-te irgendwer wäre es. Nur nicht ich. Hastig quetsche ich mich durch die Menge. Bis ich ihn erreicht habe. Ich springe auf ihn zu und fasse ihn an den Schultern. Meine Blicke finden seine lodernden Augen. Er bereut nichts, das sehe ich sofort. „War-um!“ Ich schreie ihn an. „Warum tust du mir das an?“ Doch der Mund meines Ex-Freundes bleibt verschlossen. Tränen rinnen meine Wangen hinab. Ich zittere am ganzen Körper, als eine junge Polizistin kommt, mich am Arm packt und einige Meter weg zieht. Zu dem Tuch. Dem Körper in dem Tuch. Ich schüttle den Kopf, ich will das nicht jetzt sehen. Ich will es gar nicht se-hen. Doch sie redet auf mich ein, immer und immer wieder, bis ihre Worte mich erreichen. „Du schaffst das.“ Nur widerwillig lasse ich mich führen. Dann stehen wir neben dem weißen Tuch. Langsam lasse ich mich auf die Knie sinken. Die Polizistin stellt sich auf die andere Seite. Sie schlägt einen Teil des Tuches zurück und ich atme scharf die Luft ein. Marcus, mein bester Freund, sieht aus als würde er schlafen. In seinem Gesicht ist nichts von dem zu sehen, was seinen restlichen Körper bedecken muss. Er sieht nicht aus, als wäre 7-mal mit einem Messer auf ihn einge-stochen worden. Zitternd strecke ich eine Hand aus und berühre

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seine Wange. Er ist kalt, aber es erschrickt mich nicht so sehr. Es war nur ein Beweis für das, was ich wusste. Mein bester Freund ist tot. Erstochen von meinem Ex-Freund.

Wenn ich an die letzten Monate zurückdenke, erscheint es mir beinahe logisch, dass etwas passiert. Aber ich hätte mir nie aus-malen können, dass so etwas Scheußliches geschieht. Ich weiß noch genau, wann es begann. An meinem 17. Geburtstag. Vor 4 Monaten. Ich hatte nicht viele Leute eingeladen. Zwei Mäd-chen, meinen Freund Josh natürlich und meinen besten Freund Marcus, den ich schon kenne, seit ich denken kann. Es war eine gute Feier. Wir tranken, alberten herum und hatten viel Spaß. Dann kam irgendwer, ich weiß nicht mehr genau wer, auf die Idee Flaschendrehen zu spielen. Und natürlich stimmten wir bei-geistert zu. Die ersten Runden waren auch gewöhnlich. Die übli-chen peinlichen Fragen und sinnlose Aktionen. „In wen bist du verliebt?“ oder „Tanze auf der Straße“, nichts von Belang, nur Lustiges. Doch dann zeigte die Flasche auf mich. Gedreht hatte ein Mädchen. Mit einem Grinsen im Gesicht funkelte sie mich an. „Küss Marcus, aber richtig.“ Ich lachte. So etwas war nicht schlimm für mich oder Marcus. Wir kannten uns schon so lange, wir hatten uns schon oft geküsst. Ich hatte zwar einen Freund, aber Josh war sehr gut mit Marcus befreundet und wir wussten, es würde ihm nichts ausmachen…Wie wir uns täuschten. Wir standen beide auf, hielten uns an den Händen und küssten uns. Es war ein schöner Kuss. Voller Freundschaft und Vertrautheit. Nach etlichen Sekunden lösten wir uns wieder und umarmten uns noch. Die Mädels klatschten Beifall. Aber Josh starrte Mar-cus so intensiv und voller Wut an, dass mir eine Gänsehaut die Arme hoch kroch. Wir setzten uns wieder und das Spiel ging

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weiter. Aber mir fiel auf, wie angespannt Marcus war. Als die Flasche das nächste Mal auf mich zeigte, er hatte gedreht, ver-langte er, dass ich ihn küssen soll. Als ob etwas dabei wäre. Ich meine, so verliebt wie wir waren. Doch ich dachte mir nichts dabei.

Zwei Monate später das Nächste. Josh und ich waren im Schwimmbad. Ich wusste dass auch Marcus da war, er trainierte immer dort mit seinem Schwimmteam, aber ich sagte es Josh nicht. Ich hielt es für besser, denn ich merkte, wie er in den letzten Monaten immer gereizter gegenüber Marcus wurde. Mit Marcus traf ich mich auch immer weniger, nur um Josh nicht zu verärgern... Auf einer abgetrennten Bahn neben unserer trainier-ten Marcus und sein Team. Nach einer Weile stieg Marcus aus dem Wasser und ich tat es ihm gleich. Ich wollte ihn natürlich begrüßen. Als er mich sah, begann er zu strahlen. Er umarm-te mich kurz. „Hey Mia, wie großartig dich mal wieder zu se-hen. Ich muss sagen, ich habe dich etwas vermisst.“ Sein Gesicht nahm einen traurigen Ausdruck an. Ich lächelte: „Ich dich auch, aber ...“ Gerade wollte ich ihm sagen, dass ich mich wegen Josh von ihm fernhielt, als ich plötzlich zwei feste Hände auf meinem Schultern spürte. „Lass sie in Frieden, Marcus.“ Marcus schaute Josh etwas verwirrt an. „Ich unterhalte mich doch nur mit ihr.“ Josh ließ von meinen Schultern ab und trat vor mich. Er war ein ganzes Stückchen größer als Marcus und so wie er sich vor ihm aufbaute war es bedrohlich. „Ich sagte, lass sie in Frieden.“ „Hey, komm runter.“, meinte Marcus, der zwei Schritte zurück getreten war. Doch Josh kam Marcus nur noch näher. Dann, mit einer plötzlichen Bewegung packte er Marcus und schubste ihn ziemlich gewaltsam ins Wasser. „JOSH!“, schrie ich und pack-

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te ihn an seinen Schultern, doch er schüttelt mich nur ab. Ich rutschte auf den nassen Fliesen aus und schlug mit dem Kopf auf. Kurz wurde mir schwarz vor Augen und als ich wieder aufschau-te, stand Josh nicht mehr am Beckenrand. Langsam rappelte ich mich wieder auf und ging zum Wasser. Dort tobte ein Kampf. Josh versuchte Marcus mit aller Kraft unter Wasser zu halten. Ich suchte mit Blicken die Leute auf den anderen Bahnen ab. Sie alle nahmen kaum Notiz davon, hielten es für ein spaßiges Gerangel zwischen zwei Freunden. Josh sein Gesicht war rot vor Wut und mit viel Kraft hielt er Marcus fest. „Hilfe!“ Mein Schrei war kaum zu hören. Doch ich konnte das nicht länger ansehen. „HILFE!“ Ein Bademeister kam mit langsamen Schritten auf mich zu. „Was ist denn Lady.“ Ich zeigte mit zitternden Fingern auf das Wasser. Der Mann reagierte sofort. Er sprang in das Wasser und zog Josh beiseite. Sofort kam Marcus prustend nach oben getaucht. Sein Blick war wütend auf Josh gerichtet. „Du Idiot!“ Josh wurde von dem Bademeister weiterhin festgehalten. Ich half Marcus aus dem Becken raus. Zusammen verließen wir das Bad. Ich wartete nicht auf Josh. Ich war mir nicht sicher, ob er Marcus wirklich umbringen wollte, aber so sah es aus. Nach diesem Tag war ich kurz davor Schluss zu machen. Doch Josh säuselte sich wieder ein. Entschuldigte sich sogar scheinheilig bei Marcus, doch dieser nahm es natürlich nicht an. Und auch hier wusste ich im Innersten, ich hätte es beenden sollen. Dann würde Marcus vielleicht noch leben.

Während ich hier an Marcus’ Seite sitze, seine kalte Wange streich-le und vor mich hin schluchze, höre ich plötzlich Schritte hinter mir und mit einem mal zwei feste Hände auf meinen Schultern. Wie damals im Schwimmbad. Im meinem Nacken das kalte Ge-

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fühl einer Handschelle. Seine Stimme ist ohne Emotionen, als er spricht. „Ich habe es für uns getan Mia. Nur für uns. Sonst hättest du dich in ihn verliebt.“

Das letzte Ereignis. Letzte Woche. Eine Party von einer ge-meinsamen Freundin. Ich vermied mittlerweile Begegnungen zwischen Josh und Marcus. Doch da war es unvermeidlich. Wir waren alle drei eingeladen. Die Stimmung zwischen ihnen war von Anfang an kritisch. Ich wollte Josh nicht anstacheln, tanzte nur mit ihm und warf Marcus immer wieder entschuldigende Blicke zu. Dann musste Josh auf die Toilette und ein ruhiges Lied wurde gespielt. Ich stand alleine auf der Tanzfläche, während sich die Pärchen an-einander schmiegten. Dann sah ich Marcus vor mir. Lächelnd hielt er mir eine Hand entgegen. Eine stille Aufforderung zum Tanz. Dankend nahm ich seine Hand. Lehnte mich an ihn und gemeinsam tanzten wir dieses eine Lied. Vielleicht hatten wir uns zu lange in die Augen geguckt. Vielleicht standen wir uns zu nah. Aber wir registrierten beide nicht, wie Josh wiederkam und mit gefährlicher Genauigkeit Marcus ins Gesicht schlug. Marcus taumelte und hielt sich seine Wange. Ich sah Blut aus seinem Mund tröpfeln. Dann ging ich auf Josh los. „Du Idiot! Was tust du da!“ Alle hatten aufgehört zu tanzen und beobach-teten stumm das Schauspiel. Wieso unternahm keiner was? Ich versuchte Josh zu schlagen, doch er hielt meine Arme zusam-men. Er war zu kräftig. Mit einem plötzlichen Ruck schubste er mich vor sich auf den Boden. Sein Blick war kalt, aber da war noch etwas anderes … Enttäuschung? Dann verließ er wort-los zwischen geschockten Gesichtern die Party. Die Gastgeberin kam auf mich zu. „Alles in Ordnung?“ Ich sagte nichts. Ging zu

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Marcus, der sich immer noch seine Wange hielt. Er nahm mich bei der Hand und zusammen verließen wir die Party. Ich war Single. Wir redeten viel über diese Party. Und wir wussten beide, wir halten uns von Josh fern. Er meinte, er hätte schon länger diese Eifersucht von ihm gespürt. Nur ich war blind vor Liebe gewesen. Ich erwiderte nichts darauf. Ich wollte meine eigene Dummheit nicht auch noch bekräftigen.

Heute lauerte Josh in der Pause Marcus auf. An dem abgelegenen Ort des Hofes, wo wir uns beide immer trafen. Marcus hatte frü-her Pause, Josh war erst gar nicht zum Unterricht gegangen. Als ich an diesem Ort ankam, lag Marcus bereits blutüberströmt auf dem Boden. Josh schaute mich finster, mit erhobenem Messer, an. Dann lief er weg. Und ich brach zusammen.

Die Polizei fand Josh schnell wieder. Sie verhafteten ihn. Die Schule war geschockt. Und ich sitze hier und gestatte dem Mör-der meines besten Freundes seine Hände auf meine Schulter zu legen und mir seine Gründe anzuhören. Ich zittere am ganzen Körper, doch ich schlage seine Hände nicht weg. Die Kraft habe ich nicht. „Ich habe es nur gut gemeint für uns Mia. Wirklich, nur gut gemeint. Bitte, glaube es mir, vergib mir!“ Das Zittern erstarrt. Ich höre seine abscheulichen Worte, unfähig zu begrei-fen, dass ein Mensch so etwas gut meinen kann. Dass er meinen kann, ich könnte ihm vergeben. Mit einer entschlossenen Bewe-gung stehe ich auf und schlage ihm ins Gesicht. Jetzt hat meine Wut Kraft.

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Josefine NeugebauerWolfsherz

Einst lebten Wolfswesen und Mensch friedlich miteinander. Doch als die zweibeinigen Wesen die Lande zerstörten und Wäl-der holzten, wandte sich das Schicksal. Die Wölfe begehrten auf und eroberten ihre Heimaten zurück. Dies Ereignis wurde bis zum heutigen Tage nicht vergessen und die Menschen zürnen nach Rache für die Opfer der zahlreichen Toten. Wegen ihrer unglaublichen Stärke hatte es seither niemand versucht. Geweis-sagt wurde das eines Tages ein Kind, mit dem Herz eines Wolfes geboren würde, was die Menschen rächen wird. Seither werden in den Landen aller Gebiete Kinder von 15 Jahren verschleppt um sie zu prüfen. Jedoch bekam niemand mehr, einen der soge-nannten Riesenwölfe zu Gesicht.

Kapitel 1

,,Layla!“ Laut schallte de Name durch den Wald. Ein zweites mal erscholl der Name und aus den Wipfeln der Bäume flogen Vögel auf. Laut krächzend stoben sie gen Himmel. Mike bück-te sich und sah auf den Boden. Er war schlammig und Wasser schwappte um seine Füße. ,,Layla! Wo bist du! Alle warten schon auf dich“ rief er in die Stille hinein. Er war nicht gerne dort. Im Wald. Es wurde ihnen strengstens verboten. Allen. Layla jedoch liebte es hier zu sein. Und Mike wusste das. Langsam bahnte er sich einen Weg durch das dichte Gestüpp. ,,So ein Mist.“ fluchte

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er als die Dornen seinen Lederwams zerkratzten. Langsam be-trat er eine Lichtung. Brombeeren wuchsen unter den Bäumen und ein kleiner Bach ergoss sich plätschernd durch das hoch stehende Gras. Er legte die Hände an den Mund und schrie:,,Ich weiß das du hier bist Layla! Komm raus!“ Nichts passierte. Mike stand nur still da und lauschte auf die Geräusche die der Wald verursachte. Nach fast einer Ewigkeit so schien es ihm tauchte Layla auf. Das lange braune Haar hatte sie zu einem losen Zopf zurück gebunden und mit großen grünen Augen starrte sie ihn von der anderen Lichtung aus an. Ihre Lippen formten Worte. Mike hörte sie nicht. Aber das war auch egal. Er wusste was sie bedeuteten. „Ich will nicht“ sagten sie tonlos. Mike lief langsam auf das Mädchen zu was ihm so am Herzen lag. Und auch Layla kam auf ihn zugestolpert. Sie streckte vorsichtig die Hand aus und Er berührte sie vorsichtig. Das Mädchen mit den kastanien-farbenen Haaren schaute ihn nur traurig an. Sie blickten leer und Mike sah Schmerz in ihnen. Sie wollte nicht fort. Nicht weg von allem was ihr wichtig war. Er verstand das. Aber kein Weg führte daran vorbei auch nicht für ihn. Ein kleines lächeln stahl sich auf die Lippen des Jungen. Er nickte und sagte zärtlich: “ Vielleicht sehen wir uns ja dort”.” Niemand ist je ohne eine schlimme Ver-änderung wiedergekehrt sagte Layla, blickte ihm nach und trot-tete dann hinterher als er sich zum Gehen wante. Alles was sie in den letzten Jahren gewonnen hatte, würde sie heute verlieren. Für immer. Sie hob den Kopf erst wieder, als sie halt machten. Ihr blick schweifte den Rand des Waldes. Vor ihr erstreckte sie lang das Tal ihrer Heimat. Ein kleines Dörfchen mit vielleicht 100 Menschen,ein paar Ziegen und Pferden. „ Nie wieder werde ich diese sanften Hügel sehen. Nie wieder das Wasser plätschern hören was den Wald säumt“ dachte sie. Layla drehte den Kopf

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und schaute Mike an. Behutsam Stich er ihr eine Strähne aus der Stirn und versuchte zu lächeln. Aber auch seine Augen blickten traurig. „Wir müssen uns beeilen. Sie kommen bald“ Hand in Hand setzten sie den Weg ins Tal fort. „sie kommen, sie kommen um uns zu hohlen, und uns alles zu nehmen.“ klangen die Worte in Laylas Kopf nach. „Warte kurz.“ sagte sie. Layla drehte sich um und hielt das Gesicht in den Wind. Für Ende Sommer war es schon sehr kalt und sie zog ihre Weste enger um sich. Mike schaute sie an. Wie sie das stand und in den Wald starrte brach ihm fast das Herz. Er wollte nicht das sie so litt. Seit Kinderta-gen kannten sie sich. Zusammen haben sie reiten und jagen ge-lernt und heute würde ihnen all die schönen Zeiten genommen werden die sich noch haben konnten. Er konnte diesen Anblick nicht mehr ertragen. Mit behutsamen Schritten durchquerte er die letzten Schritte bis zum Dorf und verschwand hinter einer Hausmauer. Layla jedoch blieb. Der Wald war ihr zum Heim geworden. Mit all seinen Klängen und der Musik des Windes der über die Blätter strich. Eine Träne rollte langsam über ihre Wange. Niemals wieder würde sie diese Melodien hören. Layla stand still da und lauschte dem plätschern des Baches. Mit einem mal ertönten Posaunen. Das Mädchen riss den Kopf herum und rannte los. Sie musste zum Marktplatz gelangen bevor sie kamen. Haken schlagend bahnte sie sich einen Weg durch die Engen Gassen. Vor bei am Schuster und dem Hufschmied bei dem sie früher so gerne zugeschaut hatte. Und an Ihrem Haus. Die klei-ne Hütte mit den 4 Zimmern. Dem warmen Kamin und dem Schaffell auf dem Boden. Wie gerne würde sie sich nun darauf legen wie jeden Abend. Doch es ging nicht. Genauso nicht wie einfach wegzugehen. Ihre Eltern müssten dafür haften. Und das wollte sie nicht. Stolpernd kam sie schließlich zum stehen. Fast

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das ganze Dorf befand sich auf dem großen Marktplatz. Ein Bild des Jammers bot sich ihr. Weinend standen die Familien zusammen. Eltern drückten ihre kleinen Kinder und erklärten was geschah. Ein Wagen hatte in der Mitte des Platzes halt ge-macht und aus ihm stiegen nun Männer. Wie Layla sie hasste. Die kalten Augen starrten lieblos auf die Menschenmasse hin-ab. Schwarze und rote Anzüge umhüllten ihre kräftigen Leiber. Mit schallenden metallbesetzten Stiefeln bahnten sie sich einen Weg durch die Menge und traten jedne um der sich ihnen nicht schnell genug entziehen konnte. Einer erhob die Stimme:,, Wie jedes Jahr sind wir gekommen. Und euch und euren Söhnen und Töchtern zu Ruhm und Ehre zu verhelfen. Alle die 15 Jahre zäh-len mögen wie jedes Jahr vortreten!“ Dunkel und bösartig fand Layla diese Stimme und nahm sich vor es nicht zu tun. In die Dorfbewohner jedoch kam Bewegung. 4 Jungen und 3 Mädchen traten vor. Layla kannte sie alle. Und den einen besonders. Es war Mike. Ihr Mike. Der Junge der sie stets getröstet hat, der sie mit lieben braunen Augen ansah. Egal was ist. Doch diese Au-gen blickten nun kalt empor. Die Männer besahen sich die Aus-erwählten. Wie Hunde, fand Layla. „ Das sind alle!?“ Der Mann der dies gesagt hat blickte hämisch auf. „Mehr habt ihr nicht zu bieten?“ spuckte er aus. Nun reichte es Layla endgültig und sie schrie: „Doch, mich. Aber ich habe keine Lust mit euch zu kom-men“ kalt brachte sie diese Worte über die Lippen und trat mit erhobenem Kopf vor. „Sieh an, sieh an! Ein kleiner Wildfang also. Du hast keine Lust mitzukommen?! Nein? Aber du musst meine Kleine.“ Hämisch erwiderte dies einer der Männer.Die grauen Haare hingen ihm fettig über die Schulter und ein Zahn fehlte ihm. Langsam trat er vor Layla und blickte sie an. „ Dir werden wir das Lachen schon noch austreiben. Glaub mir. Wenn

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du erst einmal da bist dann lähmt das deine Zunge schon.“ sag-te er honigsüß. Layla spuckte ihm ins Gesicht. Voller Abscheu sah sie ihn an. Blickte in seine kalten Augen. Auf alles gefasst spannte sie ihre Muskel an, doch der zu erwartende Schlag blieb aus. Der Mann drehte sich nur lachend um und nickte einem der weiteren Männern zu. Layla sah wie er alle anderen Kinder in den Wagen brachte. Wie Tiere wurden sie verstaut. Nur sie blieb stehen, bis der Mann wieder kam. Ein Seil trug er in der Hand. Als er die Hände nach ihr ausstreckte biss sie ihm in die Hand. Das war zu viel. Mit einem schnellen Griff packte er sie mit star-ken Armen und schwang das Tau um ihren Körper. Layla trat und schlug um sich wie eine Furie. Das letzte an was sie sich nur noch erinnern konnte war, das Mike sie mit großen Augen aus dem Wagen anschaute, und die Faust, die auf sie zukam.

Kapitel 2

Layla machte die Augen auf. Alles war schwarz. Sie stemmte sich vorsichtig hoch. Jedoch mit dem Ergebnis das ihr Kopf brannte. Schwach ließ sie sich zurückfallen. Der Ort wo sie war gefiel ihr nicht. Es war feucht, und roch nach Schweiß und Schmerz. Sie sehnte sich nach ihrem zu Hause. Dem Wind der leise um das Haus wehte. Und dem Atem ihrer Schwester neben sich. Nicht-mal ihr konnte sie auf Wiedersehen sagen. Mit diesem Gedanken schlief sie ein und wurde schließlich geweckt. Ein fremdes Ge-sicht beugte sich über sie. „Aufwachen! Du musst los.“ sprach das Mädchen leise. 18 musste sie sein. Layla richtete sich auf und nahm schlaftrunken einen Kleiderstapel entgegen den man ihr reichte. Das Mädchen verschwand. Layla stand auf und trat an ein kleines Fenster. Die Sonne musste eben aufgegangen sein.

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Ihre Strahlen erleuchteten einen Großen Platz auf dem sich Viele Menschen tummelten. Alle hatten ausdruckslose Gesichter und trugen schwarze Sachen. Kinder, sah sie keine. Layla entdeckte in dieser schwarzen Einöde nur etwas was sie erfreute. Am Ran-de des Lagers begann der Wald . Sie drehte sich weg und zog sich rasch an. Die Sachen in die sie schlüpfe sahen gebraucht und braun aus. Hier war sie also. Im Nirgendwo. Dem schrecklichs-ten Ort der Welt wie es hieß aber genaues wusste sie nicht. Und das alles für ein paar Wesen die es nicht gab.

Nach einem kurzen Frühstück wurde Layla nach draußen ge-bracht. Sie erblickte andere Kinder. So alt wie sie, waren alle. Oder ein paar Jahre älter vielleicht. Die ganze Masse drang zu ei-nem Podium. Es wurde still als ein Mann in glänzend schwarzer Uniform hervortrat. Die schwarzen Haare waren glatt gekämmt und tiefe Kratzer zerfurchten sein Gesicht. mit lauter Stimme begann er zu sprechen: „ Seit gegrüßt! Ich heiße euch herzlich willkommen im Lager. Wie euch übermittelt wurde werdet ihr hier geprüft ob ihr derjenige seit, der uns alle retten wird.” Layla entging das hämische Grinsen des Mannes nicht. Ganz klein stahl es sich aus seine dünnen Lippen. “ Ja klar. Der Auserwählte hätte es schon längst gemerkt wenn es helfen könnte.” dachte sie und blickte sich um. Überall sah sie ratlose und verunsicherte Gesichter. Nur einer blickte hochnäsig. Es war ein Junge mit schwarzen Haaren. Alles an ihm war perfekt. Zu perfekt, dachte Layla. Ein kleiner Junge jedoch erweckte ihre Aufmerksamkeit als er rief: “Und wie sollen wir das bitte feststellen ob wir erwählt sind, Sir?” “Nun ja, das geht einfach. Seit ihr Auserwählt, wer-den die Wölfe zu euch kommen.” kam die Antwort. “Oh nein.” vernahm Layla und schaute sich um. Sie konnte jedoch nieman-

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den finder der dies gesagt hatte. “Oh doch”, erwiderte der Mann auf dem Podium aalglatt. “ihr werdet in den Wald gehen und suchen. Deshalb seit ihr hier hergekommen.” Die Kinder ris-sen die Augen auf. Ihnen wurde immer verboten den Wald zu betreten. Warum, wurde ihnen niemals gesagt. Immer wenn sie gefragt hatten, wurde es übergangen.” Das ist verboten!” rief ein kleines Mädchen. “Ja aber auch nur weil SIE darin leben könn-ten! Seit Jahrzehnten hat sie keiner gesehen! Aber das kann sich ja ändern. Nicht wahr meine Kleine?” flüsterte er boshaft. Layla jedoch, war ratlos. “warum haben alle so Angst vor dem Wald? Es ist ein wundervoller Ort! Viele Tage meiner Kindheit habe ich dort verbracht” dachte sie doch ihr Gedankenfluss wurde eingeschränkt als die Menge sich in Gruppen teilte. So vertieft hatte Layla den Rest der Rede verpasst und musste erfragen was los ist. Ein Junge beantwortete es ihr: “ Wir bekommen Grup-pennummern, die aussagen wann wir den Wald betreten müs-sen”.Seine Stimme klang ängstlich und zitterte merklich. Auch wenn er versuchte es zu unterdrücken “Müssen. Wenn ich das schon höre...” erwiderte Layla. Jedoch nur in Gedanken. Ihre Gruppe bekam die Nummer 1. “Prima,! Dachte sie “dann kann ich ja bald wieder nach Hause Wenn wir nur in den Wald gehen müssen. “ Layla und ihre Gruppe begaben sich auf Geheiß hin zum Essen. Der Speisesaal war eine schmutzige Kantine in der sie aßen. Die Teller waren nicht sauber und klebten widerlich, sodass Layla nichts anrührte. Sie würde sich nachher im Wald etwas Essbares suchen. Zum ersten mal sah sich das Mädchen seine Teamkameraden genauer an. Da war ein Mädchen mit blon-den Haaren, eines mit schwarzen und zwei Jungs ebenfalls mit schwarzem Haarschopf. Nichts besonderes. Layla starrte weiter auf ihren Teller. Mit der Zeit wurde es ihr unbehaglich als sie

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merkte das ein Blick auf ihr ruhte. Sie schaute auf und blickte in die kalten Augen des Jungen den sie vorhin schon gesehen hatte. Mit pechschwarzen Augen musterte er sie feindselig vom ande-ren Ende des Zimmers aus. Layla streckte ihm die Zunge raus und schaute weg. “So was kann ich noch gebrauchen.Was will er nur mir? Er ist komisch. Irgendwas ist nicht richtig an dem Kerl” dachte sie. Nach weiteren 10 Minuten. kam ein großer Mann hereingetampelt. “Aufstehen und abmarschieren.” brüllte er und lief wieder davon. Eilig sprangen alle im Saal auf und rannten ihm hinterher. Layla blickte sich um. Durch die Tür in die sie nun hineingelaufen waren sind sie nicht gekommen, soviel war sicher. Die Wände waren glatt geschliffen und sahen sehr neu aus. Viel Zeit zum umschauen gab es allerdings nicht da sie nach einigen Metern nach Draußen traten. Die Kinder schauten sich um. Blinzelnd standen sie im hellen Sonnenlicht und starrten mit ängstlichen Blicken auf den Wald, der sich lang und düs-ter vor ihnen erstreckte. Nur Layla blickte zuverlässig drein. Sie freute sich darauf endlich wieder das weiche Moos unter ihren Füßen zu spüren und den Geräuschen des Windes zuzuhören. Hinter einem Baum trat nun ein weiterer Mann hervor. Es war der schaurige Typ mit dem Narbengesicht von vorhin. “Seid ge-grüßt Gruppe eins.” sagte er und ein grauenhafter Blitz durch-zuckte seine Augen. “ Ich werde euch nun den Ablauf erklären. Ihr werdet genau zwei Drei und eine zwei Nächte im Wald ver-bringen. Mehr nicht. Alles was ihr tun müsst ist eines der vorbe-reiteten Zelte und Nahrungspakete zu nehmen und so tief in den Wald einzudringen wie möglich. Zurückfinden werdet ihr durch einen Sender der an einer der Taschen des Gepäcks befestigt ist. Tragt es immer bei euch, denn es könnte eure Rettung sein. Darüber erfahren wir auch ob ihr euch den Wolfswesen nähert

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und alles weitere an wichtigen Informationen. Also keine Angst.” “Mehr nicht? Mir wurde erzählt das es schrecklich hier zulaufen würde. Warum sind dann alle so verstört wenn sie wiederkom-men?!” fragte eines der schwarzhaarigen Mädchen. “ Nun. Dies war auch eines der Gründe warum es verboten war den Wald zu betreten. Nicht nur die Wolfsmenschen leben dort. Auch andere Wesen hausen hinter der sogenannten Schönwaldgrenze. Jetzt sieht der Wald noch herrlich aus nicht wahr? Aber nach zwei-hundert Metern beginnt der Dunkelwald. Ein schrecklicher Ort. Deshalb meine Liebe sind viele so schockiert. Aber wenn ihr nichts falsches macht oder der Auserwählte seid um die Wölfe zu finden dann geschieht euch nichts.” kam die Antwort. Der Mann hatte mit einem dunklen Unterton gesprochen der Layla nichts gutes verhießen lies. So weit war selbst sie noch nie in den Wald eingedrungen. Mit leiser Stimme meinte sie: “ Es gibt kei-ne Wolfsmenschen mehr. Und auch keine anderen Wesen. Das alles sind nur noch Sagen! Ihr müsst keine Angst haben. Aber wenn es Wolfsmenschen gibt dann wird uns nichts geschehen. Da sie von reinem Blut sind und sich immer für Schwächere eingesetzt haben. Aber eines interessiert mich doch. Was werden sie mit ihnen machen falls einer sie findet?” Alle Augen hatte sich auf sie gelegt. Als Layla den Kopf hob, blickte der Schwarz-haarige sie finster an. “ Wir werden uns an ihnen Rächen. Für das was sie uns angetan haben Mädchen. Du kennst doch die Geschichten. Nun leider sind sie war. Wölfe sind furchtbare We-sen.” ,spuckte er aus. “ Und nun geht und holt euer Gepäck ab.” Layla sah ihn ebenso finster an und mache sich mit bedächtigen Schritten zu dem Haufen den sie Gepäck nannten. Alte Ruck-säcke befanden sich darauf. Als sie einen hoch hob und schul-terte sah sie das es ihre Teamkameraden nachmachten. Angst

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stand auf fast allen Gesichtern geschrieben. Außer auf einem. Mit einem abschätzenden Blick musterte ein Junge sie. Der glei-che wie vorhin schon. Layla ging an ihm vorbei und entdeckte ein kleines Namensschild unter seiner Jackentasche. Luce, las sie. Als alle wieder unmittelbar vor dem Wald standen fiel Lay-la etwas ein. “ Wolfswesen zu töten ist falsch. Das sagen auch die Märchen.”,meinte sie. “Jetzt reicht es endgültig!“ brüllte der Mann sie an “ Ich habe dein dummes Geschwätz satt! Begebt euch jetzt in den Wald! Wenn nicht, nun dann werden wir sehen was wir mit euch machen müssen. Alle standen da. Den Blick starr auf den Wald gerichtet dachten sie über das nach, was sie erwarten würde. Würden alle wieder lebendig herauskommen? Layla reichte es schließlich.

Kapitel 3

Mit zügigen Schritten lief sie auf den Wald zu und verschwand zwischen den Zweigen der Bäume. So schlimm wird es ja nicht werden. Sie glaubte nicht an die Fantasiegeschichten. Stille um-fing sie. Die Bäume standen nicht allzunahe beieinander und die Sonne beschien träge den moosbewachsenen Boden. Je weiter Layla in die grüne Landschaft eintauchte desso dichter standen die Bäume. Dornenbüsche rankten ihre dünnen Äste um die Zweige der Anderen und kleine Käfer krabbelten lautlos über das Blattwerk. Behutsam strich Layla über die Blätter einer Wild-rosenhecke und sah sich zum ersten Mal genauer um. Nichts machte ihr Angst. Da gab es keinen dunklen Wald mit schauri-gen Kreaturen. Alles erfundene Geschichten, fand sie. Mit ei-nem Mal vernahm sie eine Stimme . Weitweg schien sie jedoch zu sein. Die anderen hatten den Wald betreten und bahnten sich

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auch ihre Wege. Layla ging leise weiter. Langsam schloss sie die Augen und sog die lieblichen Gerüche ihres geliebten Waldes auf. Die Schritte federten auf dem Moos seidig weich ab und sie fühl-te sich wie als wenn sie auf Ferden liefe. Doch schlagartig verän-derte sich alles. Ein kalter Windstoß ließ sie die Augen öffnen. Erschrocken stolperte sie und fiel zu Boden. “Es kann nicht wahr sein! Ich muss träumen. Das alles kann nicht war sein. Es ist unmöglich! Dieser Wald kann nicht einfach enden. Bitte.” flüsterte sie atmelos und blickte auf. Doch was sie sah war die Realität. Der Wald vor ihr war anders als der, den sie sah wenn sie zurückblickte. Die Bäume waren finster und dunkel. Alles hier schien bedrohlich zu wirken. Es gab nichts was annähernd einladend wirkte. “ Hier leben keine Wolfswesen. Sie liebten die Freiheit und die grünen Wälder sagt man sich” dachte sie. Lang-sam zog sie sih auf die Füße. Zurückgehen wollte sie. Doch der Gedanke an das versagen hielt sie ab. Sie wollte um keinen Preis die sein, die zurückkehrte und eine Strafe entgegennahm und zwang sich weiter zu gehen. Wenn sie ein wenig suchte und nichts fand wie sie vermutete, würde sie sich zum Schlafen legen, nahm sie sich vor. Der Weg den sie nahm gefiehl ihr nicht. An-fangs lagen nur ein paar Steine im Weg, doch allmählich stieg er an und wurde geröllig. Mit Händen und Füßen zog sie sich schließlich vorwärts. Ihre glatten Schuhsohlen fanden nicht viel halt an den kahlen Gesteinswänden und Layla rutschte immer öfter ab. Auch die Bäume wurden spärlicher. Nein. Hier konnte sich nicht übernachten dachte sie und begann den Abstieg. Die Sonne versank schon am Himmel als sie endlich den Berg hinter sich hatte. Erschöpft lies sich das Mädchen hinfallen und atmete tief ein. Die Augen geschlossen verharrte sie einige Zeit so bis sich einen Laut vernahm der ihr das Blut in den Adern gefrieren

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ließ. Ein gellender Schrei hallte durch den Wald. Layla sprang auf und rannte los. Die Richtung aus der der Schrei gekommen war konnte sie nur erahnen doch ein ernäuter langgezogender Laut verrieht ihr das sie richtig war. Layla rannte so schnell sie konnte bis sie am Rande eines Abhangs stand. Vorsichtig blickte sie hinunter und entdeckte sie. Das blonde Mädchen ihres Teams presste sich mit vor Angst verzerrtem Gesicht gegen einem Baum. Ihr gegenüber, stand ein riesiges Tier. Vor Schreck fuhr Layla zusammen und drückte sich ebenfalls an einen Baum.“Es ist nur ein Wolfs Layla“ ermunterte sie sich. „Nur ein großer Wolf, kein Ungeheuer. Mach nichts dummes und er greift nicht an.“ Das Mädchen sah sich um. Die Bäume ringsum waren sehr hoch und wenig bezweigt so dass sie sich nicht gut zum hoch-klettern eigneten doch ein Baum fiehl ihr in‘s Auge. Die dicken Äste des Ahornbaumes hingen bis auf den Boden und waren vielzählich. Leise schlich Layla darauf zu und begann vorsichtig daran hochzuklettern. Schwankend setzte sie einen Fuß vor den anderen und zog sich mit den Armen weiter hinauf. Als sie sich sicher fühlte verlagerte sie das Gewicht nach vorne und hielt sich mit der rechten Hand fest um nicht zu stürzen. So konnte sie alles mit ansehen. Der lange Schatten des Wolfes fiehl auf das zitternden Mädchen. Ihre Hände schlossen sich krampfhaft und der Schweiß rann ihr die Stirn hinab. Doch eine Bewegung auf einem Baum gegenüber von ihr lenkte Layla ab. Ein Junge hock-te im Geäst, genau wie sie. Doch sein Blick war nicht auf das schreckliche Schauspiel gerichtet. Nein. Der Junge starte Layla an. Sie erkannte sogar vor so weiter Entfernung aus die schwar-zen Haare und die spitze Nase. Es war Luce. „ Was hat der nur hier zu suchen? Ich wette er wurde nicht nur von den Schreien angelockt“ murmelteLayla leise vor sich hin. Bedrohlich laut

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klang ihre Stimme in der Stille und sie lenkte ihren Blick wieder auf das Mädchen. Die letzten Strahlen der Sonne versanken ge-rade im Boden und die Welt färbte sich rot, als der Wolf zu heu-len begann. Es war ein laut voller Kummer, Sehnsucht und Wut. Layla presste sich die Hände auf die Ohren um das Klagelied nicht mit anhören zu müssen. Der Wolf sang sein Lied voller Mitgefühl. Ein Lied der Schönheit und der grausamkeit. Auch das Mädchen starrte wie gebannt den Wolf an. Mit dem unterge-henden Licht hatte er begonnen sich aufzurichten. „Nein. Es es ist ein gewöhnlicher Wolf. Aber...ich habe noch nie einen auf zwei Pfoten gesehen.“ keuchte Layla. „Alles ist also war. Unter uns gibt es eine längst vergessene Welt voller Gehimnisse und Ungeheuer.“ Mit großen Augen sah sie dem Schauspiel zu das sich nun in der Senke vollführte. Das Untier begann auf das blonde Mädchen zuzulaufen. Der Mund stand ihr offen als woll-te sie schreien, doch es kam kein Ton heraus. Immer wieder um-kreiste das Tier den Baum an dem sich die kleine Gestallt ge-presst hielt. Immer und immer näher schlich das Untier heran. Speichel tropfte von seinen gelben, rasiermesserscharfen Zäh-nen und ein kehliges Knurren drang aus seiner Kehle. Layla be-schloss zu handeln. Noch ehe sie wusste was sie wirklich tat sprang sie den Baum hinab und landete auf beiden Füßen. „ Ich habe meinen Bruder durch einen Wolf verloren. Jetzt will ich nicht noch eine andere Familie so leiden lassen“ knurrte sie wü-tend und hob einen Stock auf. Mit beiden Händen hielt sie ihn vor sich und betrat die Senke. Augenblicklich drehte der Wolf seinen Kopf. Die großen Augen blickten Layla drohend an, doch diese bewegte sich vorsichtig auf ihn zu. Das riesige schwarze Tier ließ sich auf vier Pfoten zurückfallen und begann das Mäd-chen zu umkreisen. „Lauf“ rief Layla, als sie sah das der Wolf

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dem Blonden Mädchen keine Beachtung mehr schenkte. „ Ich habe schon andere Tiere erlegt. Mit dem komme ich auch klar.“ Immernoch geschockt begann das Mädchen zu nicken und ver-schwand im Gebüsch. Ein lautes Jaulen ließ Layla wieder den Wolf anblicken. Das Tier blickte ihr geradewegs in die Augen. Als Layla genau hinsah merkte sie das es Augen von solcher Schönheit waren, dass sie vergaß zu Atmen. Grün waren sie. Ge-nau die selben, wie sie auch hatte. Nicht wie die Augen eines normalen Wolfes. Der Rucksack auf Laylas Schulter rutschte hi-nab als sie benommen den Stock senkte. Auch der Wolf verharr-te und legte sin Fell an. „Was will er nur?Er scheint nicht angrei-fen zu wollen.“ fragte sich Layla. Langsam kam das Tier näher. Nichts drohendes schien mehr von ihm auszugehen. Eher schien der Wolf zu warten. Schließlich hielt er an. „ Wenn er jetzt los-springen würde währe ich erledigt. Mist warum habe ich ihn auch nur so nah herankommen lassen“ murmelte Layla. „Was willst du?“ flüsterte sie. Der Wolf stellte die Ohren auf und kam einen Schritt näher. Sanft strich der Atem über das Gesicht des Kindes ihm gegenüber. Und dann geschah etwas unglaubliches. Der Wolf stieß ein Winseln aus. Genauso wie es einst die Hunde von Layla taten wenn sie Reuhe zeigten. Layla vergaß all ihre Angst. Sie wusste das ihr der Wolf nichts böses wollte. Winselnd legte er sich auf den Boden und schob die lange Schnauze ins Gras. Sie wollte es nicht, aber Layla kniete sich hinunter und streckte die Hand nach ihm aus. Sie fühlte seine Trauer und ...sie merkte das sie selber schuld war. Als ihre Hand sachte das war-me Fell des Tieres berührte hörte das Winseln auf. Ein kribbeln lief durch Laylas Hnd und og sich durch ihren ganzen Körper. Von Nahem wirkte er garnichtmehr bedrohlich. Trotz seiner rie-sigen Größe strahlte er eine liebevolle Art aus. Der Wolf begann

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vorsichtig ihre Pfote zu lecken. Sachte strich die raue Zunge über ihre Handballen. „ Ich habe schon so oft einem Wolfe gesehen. Schon immer haben sie mich beeindruckt. Aber das ich dazu bestimmt sein soll sie alle zu vernichten, habe ich nicht gewusst. Diese armen Tiere sind lieb in ihrer Natur und werden nur böse wenn sie verängstigt werden. Sie wollen wie wir, auch nur leben“ bemerkte Layla. Es war wie eine innere Stimme die es ihr zuflüs-terte. Und das Mädchen mit den Wolfsaugen und dem braunen Haar flüssterte obwohl sie wusste das sie an den früheren Zeiten keine Schuld trug: „ Es tut mir leid. Alles was ihr durchmachen musstet.“ Der Wolf blinzelte sie liebevoll an und richtete sich auf. Mit großen Augen starrte er sie an. Erschrocken fuhr Layla zusammen. „Komm“ hatte er gesagt. Jedoch nicht laut. Nein, die Stimme war in ihremKopf wiedergeklungen, rau und zärt-lich zugleich. Das große Tier ging leicht in die Knie sodass sich Layla auf ihn setzen konnte. Mit den Armen zog sie sich an sei-nem seidig weichem Fell hoch und hielt sich die Arme um seinen Hals geschlungen fest. Ein Gefühl der Geborgenheit und Sicher-heit durchströmte sie plötzlich. Alles fühlte sich richtig an. Ab-wesend schweifte ihr Blick umher und blieb ruckartig an einem Baum hengen. Mit schadenfreude in den Augen und einem bos-haften Lächeln auf den Lippen beobachtete Luce sie. Alles muss-te er mit angesehen habe. „So ein Mist! Er wird alles verraten. Ich will nichts schlimmes“ dachte Layla. Und wieder antwortete ihr die raue Stimme des Wolfes: „Hab keine Angst mein Junges, alles wird gut“ versicherte sie. Luce verschwand und der Wolf setzte sich in Bewegung. Erst trottete er zwischen den Bäumen hindurch, dann jedoch steigerte er das Tempo und sie flogen durch die nun endgültige Nacht und Layla schlief auf dem war-men Rücken ihres Wolfes ein.

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Kapitel 4

Ein Winseln weckte Layla. Sie lag auf einem Bett aus Moos unter einem großen Baum. Benommen rieb sie sich die Augen und mit einem Schlag kehrte alles zurück. Der Wolf, das sie die Auser-wählte war und das bösartige Gesicht von Luce. Benommen lies sie sich zurückfallen und wurde wieder hoch gestoßen. Hinter ihr stand ein Wolf. Das Mädchen wollte vor Schreck schreien, doch sie wusste in ihrem Inneren das alles in Ordnung war. Der Wolf blickte sie mit schrägem Kopf an und stupste sie schließ-lich mit der Pfote. „Is ja gut. Ich steh ja schon auf“ murmel-te Layla noch immer verschlafen. Langsam kroch sie aus dem Mooshaufen heraus in dem sie geschlafen hatte und schaute sich um. Sie befand sich auf einer Lichtung. Überall waren Moos-haufen verteilt und ein Bach plätscherte zwischen zwei Steinen hindurch. Erst dann bemerkte sie die riesigen pelzigen Hau-fen ringsherum. Einige Wölfe schliefen, während andere sich das Fell leckten oder das Lager mit Beute betraten. Mit einem Schwanzwedeln führte der Wolf, der sie geweckt hatte, zu dem kleinen Bach. Er schlabberte ein zweimal und bedeutete Layla es ihm gleich zu tun. Lächelnd beugte sie sich nieder und kippte sich erst etwas klares Wasser ins Gesicht bevor sie etwas trank. Klar und rein schmeckte es, besser als das in ihrem alten Wald. Die kleinen runden Kiesel am Grunde fühlten sich weich und kühl an. Als Layla sich hinsetzte war der Wolf schon zu einem der Haufen mit Beute gelaufen. „Ich muss unbedingt etwas zu Essen finden“ dachte auch Layla. Suchend blickte sie sich um und entdeckte einen Himbeerstrauch. Eilig lief sie darauf zu und pflückte sich ein paar der süßen Früchte. Vorerst müsste sie da-

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mit über die Runden kommen. „ Guten Morgen.“ hörte sie eine Stimme. Rasch drehte sich das Mädchen um und erkannte ihren Wolf der auf sie zu kam. „ Wie gefallt es dir hier“ fragte eine raue Stimme in ihrem Kopf. „Danke sehr gut. Ich wusste nicht das ihr so schön lebt.“ erwiderte sie. Nicht einmal kam ihr komisch vor sich mit einem der riesigen Wölfe zu unterhalten nach allem was sie erlebt hatte. „Mein Name ist übrigens Seth.“ meinte der Wolf. „ Komm bitte mit. Unsere Anführerin möchte gerne mit dir reden.“ Langsam trottete das Tier davon und sie folgte ihm. Die Landschaft war einfach bezaubernd und sie musste lächeln als sie sah wie sich 3 Junge auf der Wiese balgten. Die Mutter der drei kam angesprungen um sie zu trennen und entfernte sie mit einem scharfen Jaulen voneinander. Layla und Seth umrundeten nun langsam einen kleinen Felsen und ließen sich unter 2 Tan-nen nieder. Seth stieß ein Winseln aus und eine alte Wölfin trat gefolgt von zwei weiteren großen Wölfen aus einer Höhle in der Felswand. „ Sei gegrüßt Layla, Wolfskriegerin. Mein Name ist Sina. Lange Zeit haben wir schon auf deine Ankunft gewartet. Doch endlich bist du gekommen um uns zu retten.“ meinte die alte Wölfin andächtig und ließ sich auf den Boden gleiten. Layla sprang auf und sagte: „ Danke für den lieben Empfang, aber ich bin nicht die, die ihr sucht. Ich wurde hergeschickt um euch ausfindig zu machen. Die Menschen wollen euch nichts Gutes. Verjagen und Töten ist ihr Anliegen. Ich wünschte ich hätte euch nie gefunden. „ Verräterin. Ich wusste das sie die Falsche ist“ knurrte einer der Wölfe neben Sina und fletschte bedrohlich die Zähne. „ Halte dich zurück Zamir.“ wies Sina ihn in die Schranken und er beugte beschämt die Schnauze. „Die Zeichen stehen richtig mein Liebes. Nur du bist unsere letzte Rettung. Aber es liegt an dir auf welcher Seite du stehst. Höre auf dein

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Herz.“ meinte sie zu Layla. Diese schloss die Augen. „Wenn ich auf Seiten der Menschen kämpfe werden sie später all den Wald vernichten. Diese wunderbare Welt wird dann nicht mehr sein. Kämpfe ich aber auf Seiten der Wölfe, so werde ich von mei-ner Heimat verstoßen.“Dachte sie. „ Können wir einen Kampf nicht verhindern!“ fragte sie mit letzter Hoffnung. „ Meine Klei-ne. Jahrelang haben wir in Ruhe und Frieden gelebt. Doch nun zürnen die Menschen nach Rache, obwohl sie an allem Schuld sind. Ein Kampf ist also leider nicht ausgeschlossen“ kam die Antwort. Tief in ihrem Herzen wusste Layla das die alte, wei-se Wölfin recht hatte. „Dann werde ich für eure Seite stehen.“ meinte sie mit fester Stimme. „Das leben in den Dörfern hat mir nie recht gefallen. Stets hat es mich zum Wald gezogen. Nun bin ich gekommen, gekommen um euch die Freiheit zu geben.“ „So sei es. Dankesehr.“ flüsterte die Wölfin herzlich. „Jahrelang haben wir Pläne entworfen um alles so angenehm wie möglich zu gestalten.“ ,zu Zamir fügte sie hinzu: „weiht sie ein. In drei Monden geht es los.“ Seth stupste Layla mit der Schnauze an und bedeutete ihr Zamir zu folgen. Zu dritt verschwanden sie im Wald.

Kapitel 5

„Bis bald“ flüsterte Layla und legte Seth die Hand auf die Schnau-ze. „Es wird alles gut gehen“ erwiderte er liebevoll. Mädchen und Wolf standen auf der Lichtung wo sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Seth hatte Layla hier hergebracht nachdem alle Informationen ausgetauscht waren. Bald würden sie sich wieder-sehen. Es schmerzte ihren neu gewonnenen Freund gehen lassen zu müssen. Doch der Rucksack, den sie aus der Lichtung verges-

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sen hatte piepste und zeigte den Rückweg an. Als sie über die Lichtung schritt schaute sie noch einmal zurück und sah Seth, der sie mit großen besorgten Augen musterte. Dann schoben sich Bäume in den Weg und Layla begab sich ins Lager. Einige Male verlief sie sich weil ihr der Sender die falsche Strecke wies. „Dummes Ding“ fluchte Layla leise vor sich hin als sie sich einen Weg durch ein Brombeergestrüpp bahnte. Die Dornen zerkratz-ten ihr die Kleider doch endlich betrat sie das Freie. Es war ge-nau die Stelle an der sie den Wald vor zwei Tagen betreten hatte. Ein Mann kam ihr entgegengelaufen. „Layla?“ fragte er barsch. „Ja“ grummelte Layla. „Mitkommen. Du bist die Letzte die ein-getroffen ist. Ich bringe dich zu deiner Unterkunft. Dort kannst du erstmal ausschlafen. Um Punkt neun befindest du dich auf dem großen Platz um die Rede mit anzuhören. Verstanden?“ Er-klärte er als er sich eilig einen Weg durch die Straßen des Lagers bahnte. Layla hatte Mühe im hinterher zukommen und war froh als sie endlich ankam. Als Layla das Haus betrat kam das Mäd-chen auf sie zu was sie schon einmal gesehen hatte. Mit einem dünnen Lächeln auf den Lippen zog sie Layla in eine Waschkü-che wo sie erst einmal ausladend badete. Danach bekam sie eine Suppe vorgesetzt und viel kurz darauf todmüde in ihr Feldbett. Gemütlich war es nicht gerade, aber sie war schon kurze Zeit später eingeschlafen.

Kapitel 6

Layla wurde auf dem großen Platz hin und hergeschoben. Alle drängten zum Podest in der Mitte wo der schwarzhaarige Mann von der Willkommensrede stand. Als die Menge sich beruhigte begann er zu sprechen.:“ Es gibt ein paar Neuigkeiten meine

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Lieben. Ab sofort müsst ihr nicht mehr in den Wald. Wie haben denjenigen gefunden der uns alle retten wird!“ Layla rutschte das Herz in die Hose. Nein. Sie konnten unmöglich wissen das sie bei den Wolfsmenschen gewesen war. „Herzlichen Glück-wunsch Luce Devillers. Komm bitte herauf Luce“ fuhr der Mann fort. Ruckartig drehte Layla den Kopf. Luce. Dieser Mist-kerl! Er will einfach nur groß rauskommen! Was alles passieren wird weiß er ja gar nicht!“ fluchte sie leise vor sich hin. Luce betrat derweil mit gelangweilten hochnäsigem Blick die Bühne und erhob die Stimme.“ Ich habe schon immer geahnt das ich es bin. Schon weil ich aus einer höheren Familie stamme. Was ist meine Aufgabe?“ „So ein Quatsch.“ dachte sich Layla. „Die Familie hat damit doch überhaupt nichts zu tun. Der schwarz-haarige Mann begann wieder zu reden.:“ Du wirst uns anfüh-ren was sonnst! Mit deiner Hilfe besiegen wir die Wölfe die uns die Wälder nehmen! Nur durch deine Hand werden sie sterben.“ Layla sah wie sich in Luces Gesicht langsam die Furcht regte. Er hatte nicht bedacht das er vor allen zeigen musste das er der Aus-erwählte ist. „ Übermorgen leben die Wolfsmenschen nur noch in unserer Fantasie!“ schrie das schwarzhaarige Narbengesicht siegesgewiss.“Unsere Truppen werden sich rüsten um mit deiner Hilfe Luce die Wölfe zu bezwingen. Ihr anderen bleibt hier, da ihr des Kampfes nicht erprobt seid. Aber keine Angst. Wir wer-den siegen!“ Dann verließ er die Bühne und Luce blieb verdat-tert alleine zurück. Layla setzte sich in Bewegung. Mit gezielten Schritten lief sie in Richtung Wald dich eine bekannte Stimme lies sie umblicken. „Mike?“ fragte sie verwirrt. „ Ich habe nicht gedacht dich hier zu finden“ erwiderte der Junge mit den großen braunen Augen. Layla rannte auf ihn zu und warf sich in seine Arme. Auch er drückte sie fest an sich und steckte die Nase

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in ihre Haare. „Wo wolltest du eben hin?“ murmelte er. Layla antwortete nicht bis Mike sie eine Armeslänge von sich weghielt und musterte. „ Nun sag schon. Etwas stimmt nicht. Das sehe ich dir an.“ Layla schloss die Augen und setzte sich. Seit klein an hatten Sie und Mike keine Geheimnisse voreinander. Sie be-schloss zu reden und begann zu erzählen. Alles sprudelte nur so aus ihr heraus. Der Wald, Luce, der Wolf...und die Pläne. Als sie endete, sagte Mike lange Zeit kein Wort. „Na toll. Also hat Luce gelogen.“, sagte er schließlich. „Und du musst in den Wald um den Wölfen zu helfen uns alle zu vernichten.“ „Nein. Ich werde ihnen helfen, dass sie in Frieden leben können.“ kam die Antwort. Mike sah Layla schief an und drückte sie. „Tut mir leid. Ich hab einfach nur Angst. Ich will nicht das du das machst.“ nuschelte er. Layla sah ihn traurig an und erwiderte: „Aber ich muss. Sie zählen auf mich und bekommen nie wieder so eine Chance. Ich bin dazu bestimmt.“ „Dann komme ich mit. Alleine lasse ich dich das nicht durchstehen. Erklär mir alles. Es ist egal wie gefährlich es wird. Wir haben immer zusammengehalten.“ sagte er geradeaus und stand auf. Mike zog Layla auf die Füße und sie lächelte ein wenig. „Danke Mike.“

Kapitel 7

Lautlos schlichen die zwei Schatten über das Gelände. Ihr Ziel war der Schuppen am Rande des großen Platzes. „Okay. Alles wie abgemacht. Beeil dich und pass auf.“ sagte Layla. Der Junge ihr gegenüber nickte und verschwand hinter einer der Häuser. Das Mädchen ließ sich auf den Boden fallen und kroch langsam weiter. Hinter dem Schuppen richtete sie sich wieder vorsichtig auf und presste ihren Körper gegen die kalte Wand des Steinhau-

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sen. Sie wartete. Mit einem mal ertönte ein knallen und Rauch stieg auf. Dicht verteilte er sich am Himmel und Flammen lo-derten auf. Zwei Männer am Eingang des Hauses liefen los und schlugen Alarm. Weitere kamen hinzu und gemeinsam liefen sie zu der Stelle an der der Qualm empor drang. Layla nutzte ihre Chance. Mike hatte seine Arbeit außerordentlich gut verrichtet und müsste jetzt schon wieder auf dem Weg in sein Zimmer sein. Schnell und lautlos sprang Layla vor die Tür. Verschlossen war sie. „So ein Mist. Aber das hätte ich mir denken können.“ fluchte sie leise. Aus ihrer Tasche zog das Mädchen einen kleinen Draht. Vorsichtig steckte sie ihn in das Schloss und stocherte herum. Mit einem leisen Klicken öffnete sich die Tür. Layla schlüpfte in das Haus und zog die Tür zu. Stockdunkle Finsternis umfing sie. Vorsichtig zündete Layla eine kleine Fackel an. Der Strahl erhell-te den Raum nur notdürftig aber es genügte um das Wesentliche zu erblicken. In dem Kleinen Raum standen Regale. Layla hatte sich durchgefragt um zu erfahren wo sie die Waffen lagerten. Ge-wehre und Schwerter lagerten hier in Massen. Sicherheitshalber überprüfte Layla die Gewehre. Alle waren schon mit Schwarz-pulver gefüllt falls ein kurzfristiger Kampf beginnen sollte. Das Mädchen griff in ihre Tasche, die sie um die Taille gewickelt hatte und beförderte ein Tintenfässchen zu Tage, was sie dem Schreiber des Dorfes entwendet hatte. Mit den Fingern tauch-te sie in die klebrige, schwarzblaue Masse ein und begann zu zeichnen. Als sie fertig war zierten Unmengen von Wolfspfoten die Wände. Alles lief nach Plan. Mit einem zufriedenen Seufzer blickte sie sich noch einmal um und ging dann rückwärts aus der Tür. Das Feuer brannte immer noch. Der Rauch bedeckte mit-tlerweile das ganze Lager. Layla rannte rasch 5 Meter weg und blieb dann stehen. Die offene Tür ihr gegenüber, nahm sie die

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Fackel, warf sie in den Raum hinein und ergriff die Flucht. Mit einem ohrenbetäubenden Knallen flog das Haus in die Luft. Au-genblicklich breiteten sich die Flammen auf den Nebenhäusern aus. Layla sah nur noch wie Rettungsmannschaften anrückten und verwirrt umher eilten, denn dann war sie schon in ihrer Un-terkunft. Leise zog sie die Tür hinter sich zu und legte sich in ihr Bett. „Hoffentlich ist Mike nichts zugestoßen:“ dachte sie und viel erschöpft in einen unruhigen Schlaf.

Am nächsten Morgen wurde eine Versammlung einberufen. Als Alle sich auf dem großen Platz befanden betrat ein vor Wut schnaubender Mann auf das Podest. „Wie ihr sicherlich mit-bekommen habt wurde gestern ein Anschlag auf unser Lager verübt. Es ist auszuschließen das es einer von euch war, da wir Wolfsspuren auf einigen der Trümmern entdeckt haben. Ich warne euch jedoch! Sollte einer etwas wissen dann möge er spre-chen, da es sonst schlimm um ihn steht.“ begann er die Rede. Die Menge blickte ratlos. Keiner wusste etwas. Jeder einzelne hatte ja geschlafen. „Sämtliche Waffen wurden zerstört, was uns aber nicht hindern wird. Wir werden wie geplant morgen bei Sonnenaufgang angreifen. Guten Tag“ meinte er und rauschte von der Bühne. Die Menschenmassen verteilten sich. Alle be-gannen ihren Handwerken nachzugehen oder begaben sich in ihre Häuser. Nur Layla nicht. Sie schlenderte an Häusern vorbei und huschte schließlich in Richtung Wald davon. Als sie an dem großen Zaun gelangte der das Gelände umgab sah sie Mike. Vor-sichtig winkte er ihr zu. „Hat doch gestern alles prima geklappt. Jetzt ist es bald alles geschafft.“ flüsterte er und band sich die Haare mit einem Lederband nach hinten. Er zog sie schließlich hinter einen Busch und beide duckten sich hin. Ein kleines Loch

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War in den Zaun geschnitten worden. Gerade so groß um hin-durch zu kriechen. „Gute Arbeit Mike.“ sagte Layla. Mike nickte nur. Mit ernster Mine sah er sie an. „Komm wir müssen.“ meinte er. Layla kroch durch den Zaun und wartete auf Mike. Als er drüben war, verschlossen sie es wieder. Mit gebückter Haltung machten sie sich auf den Weg zu den Wölfen.

Kapitel 8

„Leise jetzt, ich habe etwas gehört.“ sagte Layla. Sie und Mike waren am Rande der Lichtung angekommen wo Layla und Seth sich zum ersten Mal getroffen hatten. „Seth? Bist du hier?“ rief sie in den Wald hinein. Ein kurzes Winseln war Jaulen war die Antwort, dann schoss der Wolf auf sie zu. Mit großen Sprüngen setzte er heran und warf sie um. Freudig schleckte ihr das große Tier die Hände ab. „Gut nun Seth. Ja, ich habe dich auch ver-misst.“ lachte Layla und schob ihn liebevoll von sich runter. Seth sprang auf und lief zu Mike der stocksteif dastand. Vorsichtig begann das Tier ihn zu beschnüffeln und stupste ihn mit der Schnauze an. „Du darfst ihn streicheln Mike. Keine Angst! Er macht nichts.“ erklärte Layla. Zögernd streckte Mike die Hand aus und strich über das Fell des Wolfes. Seth knurrte zufrieden. Dann blickte er auf und lief zu Layla zurück. „Kommt schon. Die Anderen warten „ äußerte er. Layla winkte Mike heran und sprang auf den breiten und muskulösen Rücken des Wolfes. Der Junge blickte ungläubig als Layla ihm hoch half. „Mir ist das nicht geheuer...“ murrte Mike leise. Seth setzte Pfote vor Pfote und drang tiefer in den Wald ein. Schließlich steigerte er das Tempo und nach geschätzten fünfzehn Minuten durchbrachen sie die Bäume die das Lagen säumten. Sina, Zamir und die ande-

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ren Wölfe warteten schon. Als Layla, Mike und Seth sich zu ih-nen setzten fragte Sina:“Wer ist dein Begleiter?“ „Mike ist mein bester Freund. Seit unserer Kindheit kennen wir uns. Er hat mir geholfen.“ antwortete Layla. „Gut gemacht. Was gibt es neues Layla?“ brummte die alte Wölfin. „ Morgen bei Sonnenaufgang wollen sie angreifen. Wir haben einen Teil ihrer Waffen zerstört. Es wird sie trotzdem nicht sehr aufhalten.“ erklärte das Mäd-chen. „Danke. Wir müssen uns nun vorbereiten. Es muss noch vieles geklärt werden. Wie steht es bei euch mit dem Kämpfen? Ich nehme an das ihr es nicht gut könnt. „äußerte Sina. „Ich bin immer im Wald gewesen um zu jagen. Mit Pfeil und Bo-gen komme ich bestens zurecht. Mike kann gut mit dem Beil umgehen.“informierte Layla sie. „Gut. Wir haben noch einiges von Kämpfen übrig. Die Sachen befinden sich aber nicht in ei-nem guten Zustand. Trotzdem könnt ihr euch gerne etwas aus-suchen, da es für uns keinen Wert hat. Seth, bring die Beiden bit-te zum Lagerplatz und geh den Ablauf mit ihnen durch.“ sagte Sina. Seth erhob sich und Layla zog Mike auf die Füße. Während sie hinter Seth herliefen klärte sie ihn über alles auf was sie bere-det hatten, da er selbst nichts verstehen konnte. Seth führte sie in einen Erdbau. Wurzeln ragten aus den Seitenwänden heraus und es roch alt und muffig. „Hier bitte“ sagte der Wolf schließ-lich. Er hatte vor einem kleinen Hügel aus Metall haltgemacht und Layla und Mike begutachteten die Sachen. „Wird schon rei-chen“ meinte der Junge und zog Axt und Schutzweste aus dem Haufen. Layla suchte sich einen Bogen und Pfeile aus die noch recht brauchbar waren. „Wir haben alles.“ erklärte sie Seth, der sich umdrehte und aus dem Bau kletterte. „Ich mag diesen Ge-ruch nicht. Er riecht falsch.“ knurrte er. Kommt mit. Ich wer-de euch alles erklären.“ Ein paar Meter entfernt ließ er sich in

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einem Moosnest nieder und begann ihnen zu erzählen wie der morgige Tag verlaufen würde. Anschließend brachte ein anderer Wolf einen Hasen für Layla und Mike. Beide suchten sich einen Schlafplatz und entfachten ein Feuer um das Fleisch zu braten. Schweigsam aßen sie zusammen. Schließlich durchbrach Mikes Stimme die Stille. „Ich will das alles nicht. Am liebsten würde ich jetzt aufwachen und feststellen das alles nur ein Traum war.“ „Aber es ist kein Traum.“ War die Antwort. Mike drückte Lay-la an sich und murmelte: „Schlaf jetzt. Morgen wird ein harter Tag.“

Kapitel 9

Lautlos glitten die Wölfe durch den Wald. Leise knackte das Holz unter ihren Pfoten. Anspannung lag in der Luft und jeder schien zu warten. Seth stand auf einem Hügel und blickte hoch zu Layla die auf seinen Rücken saß. „Wir schaffen das Kleines.“ meinte er. Als Antwort fuhr das Mädchen liebevoll mit ihrer Hand durch sein dichtes Fell und kraulte ihm die Ohren. Seth starrte angestrengt nach unten. Er konnte sehen wie sich sei-ne Gefährten einen Weg durch den Wald bahnten und wie die Menschen von der anderen Richtung aus angestürt kamen. Viele waren es. Sehr viele. „Es geht los.“ knurrte er. „Pass auf das du nicht hinunterfällst.“ Ein schauriger Klang zerriss die Luft als Seth zu Jaulen begann. Der Kampf hatte begonnen. Mit lan-gen Sätzen sprang der Wolf den Felsen hinab und setzte dem Kampftrupp nach. Von weitem schon hörte man die Schüsse und das Schreien. Überall stieg Qualm auf und es stank nach Pulver. Seth hielt sich am Rand des Kampfes und sprang Flücht-lingen in den Weg. Layla wollte niemanden umbringen. Deshalb

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schoss sie nur auf Beine und Arme. Zu schrecklich war ihr der Gedanke am Tot eines Anderen schuld zu sein. Sie entdeckte Mike. Er stand hinter einem Baum und sprang jeden an der sich ihm in den Weg stellte. Die Wölfe kämpften so gut sie konnten. Aber auch die Truppen der Menschen waren stark. Layla konnte schon nach ein paar Minuten nicht mehr hinsehen! Das alles war falsch. Von beiden Seiten! Während sie nachdachte bekam sie nicht mit wie Seth ruckartig um einen Baum rannte. Layla verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden. Hart schlug sie auf und blieb erst einmal benommen liegen. Langsam setzte sie sich auf und tastete vorsichtig ihren Kopf ab. „Zum Glück nichts ernstes“ keuchte sie. Behutsam rappelte sie sich auf. Als sie den Kopf hob sah sie einen Mann ihr gegenüber. Aus kalten Augen starrte er sie an. Sein schwarzes Haar hing fettig herunter und er kam langsam auf sie zu. Sofort nahm Layla ihn mit Pfeil und Bogen ins Vesier. Auf den zweiten Blick erkannte sie, dass es der Mann war, der immer die Reden gehalten hatte. „Das ist jetzt meine Letzte Chance.“ bemerkte Layla. „Ich muss es ver-suchen...“ Mit fester Stimme begann sie zu Reden. : So kann es nicht weitergehen. Auf beiden Seiten gibt es Verluste. So machen wir uns nur immermehr kaputt.Das bringt doch alles nichts. Wir können verhandeln! Währe das nicht besser!?“ „Ihr sein stark.“ knurrte er.“Stärker als wir dachten. Ich verhandele nicht gerne. Aber die Chancen stehen gering das es ein gutes Ende nimmt. Also fein. Was schlägst du vor?“ „Es bleib alles wie es ist. Mei-netwegen könnt ihr alles behalten bis zur Dunkelwaldgrenze. Dann beginnt das Land der Wölfe. Es wird keine Kollisionen mehr geben.“ forderte Layla. „Das klingt gut. Aber ihr müsst versprechen keinen Schritt auf unser Land zu setzen. Anders mache ich nicht mit.“ konterte der Mann. „Keine einzige Pfote.

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Abgemacht“ fuhr Layla fort. Der Mann spuckte sich in die Hand und streckte sie aus. Layla tat es ihm nach. „Und nun ruf deine Hunde zurück. Meine Männer sind schon am Boden“ brummte er. „Es sind Wölfe und ihr ruft eure Truppen zurück und ver-schwindet augenblicklich.“ konterte Layla und drehte sich um. Sie rannt zum Zentralpunkt des Kampfes und hob die Stimme an. Alle Wölfe kehren augenblicklich zurück!“ schrie sie. Die großen Tiere blickten verwirrt auf, folgten aber. Layla sah Seth. Besorg kam er angesprungen. „Es tut mir so leid Layla! Ich habe nicht aufgepasst!“ jaulte er. „ Alles ist gut Seth. Keine Angst“ sagte Layla und schwang sich auf seinen Rücken. „Ins Lager zu-rückkehren!“ rief sie allen zu und Seth jagte los. Als alle im La-ger angekommen waren sprang Layla ab. Sie erklärte ihen was sie ausgehandelt hatte und keiner schien ihr böse zu sein. „ Du hast eine gute und weie Wahl getroffen meine Kleine.“ sprach Sina.

„Du hast erkannt das Gewalt nicht die richtige Lösung ist.“ Auch Mike sah sie glücklich an und nickte leicht. „Außerdem habe ich noch einen Entschluss gefasst.“ sagte Layla. „Ich werde nicht in mein Dorf zurückkehren. Wenn ich darf, werde ich hier leben.“ Sina und Seth gaben die Antwort.: Du darfst, Mädchen mit dem Herz eines Wolfes.“