Present Shock Bodentiefe Fenster Gegenwartsdiagnosen nach ... · 68 Eckhard Schumacher der worden...

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66 Ekkehard Knörer zum and ern. Die Vormerkungen der Buch- handlungen waren gut, aber nicht sensa- tionell. Die Kritiken waren in Ordnung, aber die SZ und die FAZ haben das Buch nie besprochen. Auch darum war das Er- scheinen auf der Langlist sehr wichtig. Ausbruch Etwas anderes, ziemlich Seltenes geschah. Das Buch brach aus dem engeren Kreis der alleinigen Wahrnehmung im Litera- turbetrieb aus. Bodentiefe Fenster wurde zu einem Beispiel in einer »Wohn-Trend«- Kolumne des SZ -Magazins mit dem Un - tertitel »Mehr Offenheit war nie: Über das Leben hinter bodentiefen Fenstern«. Der Titel des Buchs, der anders als im Fall Cor- nelia Nixons von Anfang an feststand, er- wies sich als genau das , wovon Stelling schon nicht mehr hören konnte: als guter Aufhänger abseits literarischer Argumente. In der Berliner Boulevardzeitung BZ kam sie unter der Überschrift »Horror-Kiez! Autorin rechnet mit dem Prenzlauer Berg ab« auf den Titel. Die unreflektierte Vermischung von (schon gar: Ich)Erzähler-Figur und Autor gehört zu den Erfahrungen , die jede Au- torin und jeder Autor macht , sobald er oder sie den engen Zirkel der rein literari- schen Rezeption verlässt. Ein größeres Pu- blikum hört gern wahre Geschichten. Das »belletristische Sachbuch« - Stelling sagt die zwei Wörter mit großer Verachtung - liegt im Trend: eine Mischung, bei der es um Konsumierbarkeit geht, nicht um lite- rarischen Anspruch. Die Verlage, auch die Lektorinnen bei den größeren Verlagen, scheuen sich nicht zu fragen, ob man aus dem Stoff nicht ein »belletristisches Sach- buch« statt eines Romans machen kann. Bei Verbrecher wird ihr das ganz gewiss nicht passieren. Bodentiefe Fenster kam nicht auf die Shortlist, geschweige dass es den während der Frankfurter Buchmesse verliehenen Buchpreis gewann. Das hätte die Verkäufe wohl automatisch in Richtung Hundert - tausend katapultiert. Nüchtern betrach - tet ist Anke Stellings Marktwert dennoch beträchtlich gestiegen. Sie hat unterdes- sen sogar die als unverkäuflich geltende Jnzestgeschichte Fürsorge bei Verbrecher herausgebracht. Die Kritiken waren bes- ser als bei Bodentiefe Fenster, zum Teil wohl zur Wiedergutmachung für das, was beim Vorgänger versäumt worden war. Zum Skandal kam es nicht, die Verkäufe waren so mittel. Was den nächsten, den ersten nach Bo- dentiefe Fenster geschriebenen Roman angeht , gab es bislang keine direkten An - fragen , aber ziemlich sicher könnte ihr Agent den nächsten Roman - er wird aller Voraussicht nach im Herbst dieses Jahres bei Verbrecher erscheinen - bei einem grö- ßeren Verlag unterbringen. Nach ihren Er- fahrungen hat Stelling aber das Vertrau - en verloren, weil sie erlebt hat , wie sehr der vorauseilende Gehorsam gegenüber der Marktlogik dominiert und wie we- nig Durchsetzungskraft der literarischen Qualität noch zugetraut wird. Lieber ein kleiner Verlag, der sie liebt und für ihr nächstes Buch tut, was er kann , auch wenn es weniger ist, als ein » richtiger« Verlag mit mehr Power, Einfluss und Geld tun könnte, wenn er wollte. 5 Ich danke Anke Stelling, Kristine Li stau und Jörg Sundermeier für ihre Auskunftsbereit- schaft. Present Shock Gegenwartsdiagnosen nach der Digital i sierung Von Eckhard Schumacher »Unsere Ge sei lschaft konzentriert sich auf den gegenwärtigen Moment. Wir er- leben alles im Liveticker, in Echtzeit, al - ways-on« , eröffnet Douglas Rushkoff , Schriftsteller, Cyberpunk - Aktivist , Mu - siker und Medientheoretiker, seine 2.013 veröffentlichte Studie Present Shock. When Everything Happens Now.' Wenn alles »jetzt« passiert , so Rushkoffs Aus- gangsthese , sorgen »neue Technologi - en und ein verändert er Lebensstil « nicht nur dafür, »dass wir alles immer schneller tun« , sie forcieren zugleich »den Bedeu- tungsverlust von allem, was nicht gegen- wärtig ist - weil der Ansturm von al - lem , was genau jetzt passiert , so gewaltig ist Rushkoff ist nicht der erste Zeitdiag- nostiker, der die Fixierung auf die Gegen- wart als zentrales Problem der heutigen Gesellschaft beschreibt , und er ist nicht der einzige, der die Medien - und hier insbesondere die weltweite digitale Ver- netzung - für die »Kultur des Präsentis- mus« verantwortlich macht. Seit einigen Jahren erscheinen im Umfeld der Medien - und Kulturwissenschaften auffallend viele Studien, die Veränderungen in der Auffas- sung von Zeit konstatieren und diese Ver- schiebung kausal mit dem Prozess der Di- gitalisierung in Verbindung bringen. Douglas Rushkoff, Presellt Shock. Wenn alles jetzt passiert. Freiburg: orange press 2014. 67 Im Modus einer Zeit - oder eben Ge - genwartsdiagnostik , die sich als hybr i- de Wissensform zwischen fachwissen - schaftlichen und allgemeinen Diskursen bewegt, wi rd dabei Gegenwart als domi - nante Zeitform und dominantes Thema ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. So erweist sich die Konzentration auf den »gegenwärtigen Moment« , die als Pro - blem der Gegenwartskultur in den Bl ick genommen werden soll , auch als Prob - lem des kritischen Diskurses , der Schnitt - stellen zwischen Präsens und Präsenz zu konturieren versucht oder mit dem , wie es im Wörterbuch der Brüder Grimm be- reits 1897 heißt, »vielfach merkwürdigen wart « Gegenwart ringt. Als Dirk Baecker vor knapp zwanzig Jahren dem Kulturbegriff das Potential zuschrieb, »den Blick für eine Gegenwart zu schärfen , d ie wir aus den Augen ver- loren haben , weil wir in der Vergangen- heit jene Absicherung und in der Zukunft jene Möglichkeiten suchen , die uns die Gegenwart vorenthält« , war noch nicht absehbar, dass der Blick auf die Gegen - wart nur wenig später ähnlich stark stra- paziert werden sollte wie vormals der Be- griff der Kultur. 2 Mittlerweile wird die von Baecker herausgestellte Einsicht, dass mit dem Kulturbegriff »die Gegenwart über- haupt erst in das Zentrum der Aufmerk- samkeit« gerückt werden kann, von einer Dauerfokussierung auf die Gegenwart überdeckt , die nicht in jedem Fall von einem geschärften Blick zeugt. Sie scheint sich vielmehr insofern auf den Begriff der Gegenwart ausrnwirken, als dieser in den letzten Jahren derart gedehnt und gewen- Dirk Baecker, Wozu Kultur? Berlin: Kadmos 2000.

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Page 1: Present Shock Bodentiefe Fenster Gegenwartsdiagnosen nach ... · 68 Eckhard Schumacher der worden isr. dass er auch die Rolle je-nes nsc u ha-·, b rfe1·okers ü1'ernehmen kann.

66 Ekkehard Knörer

zum andern . Die Vormerkungen der Buch-

handlungen waren gut , aber nicht sensa-

tionell. Die Kritiken waren in Ordnung,

aber die SZ und die FAZ haben das Buch

nie besprochen . Auch darum war das Er-

scheinen auf der Langlist sehr wichtig.

Ausbruch

Etwas anderes , ziemlich Seltenes geschah .

Das Buch brach aus dem engeren Kreis

der allein igen Wahrnehmung im Litera -

turbetrieb aus. Bodentiefe Fenster wurde

zu einem Beispiel in einer »Wohn-Trend« -

Kolumne des SZ-Magazins mit dem Un-

tertitel »Mehr Offenheit war nie: Über das

Leben hinter bodentiefen Fenstern«. Der

Titel des Buchs, der anders als im Fall Cor-

nelia Nixons von Anfang an feststand, er-

wies sich als genau das , wovon Stelling

schon nicht mehr hören konnte: als guter

Aufhänger abseits literarischer Argumente.

In der Berliner Boulevardzeitung BZ kam

sie unter der Überschrift »Horror-Kiez!

Autorin rechnet mit dem Prenzlauer Berg

ab« auf den Titel.

Die unreflektierte Vermischung von

(schon gar: Ich)Erzähler-Figur und Autor

gehört zu den Erfahrungen , die jede Au-

torin und jeder Autor macht , sobald er

oder sie den engen Zirkel der rein literari-

schen Rezeption verlässt. Ein größeres Pu-

blikum hört gern wahre Geschichten. Das

»belletristische Sachbuch« - Stelling sagt

die zwei Wörter mit großer Verachtung -

liegt im Trend: eine Mischung, bei der es

um Konsumierbarkeit geht, nicht um lite-

rarischen Anspruch. Die Verlage, auch die

Lektorinnen bei den größeren Verlagen,

scheuen sich nicht zu fragen, ob man aus

dem Stoff nicht ein »belletristisches Sach-

buch« statt eines Romans machen kann.

Bei Verbrecher wird ihr das ganz gewiss

nicht passieren .

Bodentiefe Fenster kam nicht auf die

Shortlist , geschweige dass es den während

der Frankfurter Buchmesse verl iehenen

Buchpreis gewann. Das hätte die Verkäufe

wohl automatisch in Richtung Hundert-

tausend katapultiert. Nüchtern betrach -

tet ist Anke Stellings Marktwert dennoch

beträchtlich gestiegen . Sie hat unterdes-

sen sogar die als unverkäuflich geltende

Jnzestgeschichte Fürsorge bei Verbrecher

herausgebracht. Die Kritiken waren bes-

ser als bei Bodentiefe Fenster, zum Teil

wohl zur Wiedergutmachung für das, was

beim Vorgänger versäumt worden war.

Zum Skandal kam es nicht , die Verkäufe

waren so mittel.

Was den nächsten , den ersten nach Bo-

dentiefe Fenster geschriebenen Roman

angeht , gab es bislang keine direkten An-

fragen , aber ziemlich sicher könnte ihr

Agent den nächsten Roman - er wird aller

Voraussicht nach im Herbst dieses Jahres

bei Verbrecher erscheinen - bei einem grö-

ßeren Verlag unterbringen. Nach ihren Er-

fahrungen hat Stelling aber das Vertrau-

en verloren, weil sie erlebt hat , wie sehr

der vorauseilende Gehorsam gegenüber

der Marktlogik dominiert und wie we-

nig Durchsetzungskraft der literarischen

Qualität noch zugetraut wird. Lieber

ein kleiner Verlag, der sie liebt und für

ihr nächstes Buch tut, was er kann , auch

wenn es weniger ist , als ein » richtiger«

Verlag mit mehr Power, Einfluss und Geld

tun könnte, wenn er wollte. 5

Ich danke Anke Stelling, Kristine Li stau und

Jörg Sundermeier für ihre Auskunftsbereit-schaft.

Present Shock

Gegenwartsdiagnosen nach der

Digitalisierung

Von Eckhard Schumacher

»Unsere Ge sei lschaft konzentriert sich

auf den gegenwärtigen Moment. Wir er-

leben alles im Liveticker, in Echtze it , al-

ways-on« , eröffnet Douglas Rushkoff,

Schriftsteller, Cyberpunk-Aktivist , Mu -

siker und Medientheoretiker, seine 2.013

veröffentlichte Studie Present Shock.

When Everything Happens Now.' Wenn

alles »jetzt « passiert , so Rushkoffs Aus-

gangsthese , sorgen »neue Technologi -

en und ein veränderter Lebensstil « nicht

nur dafür, »dass wir alles immer schneller

tun« , sie forcieren zugleich »den Bedeu-

tungsverlust von all em, was nicht gegen-

wärtig ist - we il der Ansturm von al -

lem , was genau jetzt passiert , so gewaltig

ist .«

Rushkoff ist nicht der erste Zeitdiag-

nostiker, der die Fixierung auf die Gegen-

wart als zentrales Problem der heutigen

Gesellschaft beschreibt , und er ist nicht

der einzige , der die Medien - und hier

insbesondere die weltweite digitale Ver-

netzung - für die »Kultur des Präsentis-

mus« verantwortlich macht. Seit einigen

Jahren erscheinen im Umfeld der Medien-

und Kulturwissenschaften auffallend viele

Studien , die Veränderungen in der Auffas-

sung von Zeit konstatieren und diese Ver-

schiebung kausal mit dem Prozess der Di-

gitalisierung in Verbindung bringen .

Douglas Rushkoff, Presellt Shock. Wenn alles

jetzt passiert. Freiburg: orange press 2014.

67

Im Modus einer Zeit- oder eben Ge-

genwartsdiagnostik , d ie sich als hybr i-

de Wissensform zwischen fachwissen -

schaftlichen und allgemeinen D iskursen

bewegt, w ird dabei Gegenwart als domi -

nante Zeitform und dominantes Thema

ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt.

So erweist sich die Konzentration auf den

»gegenwärtigen Moment« , die als Pro-

blem der Gegenwartskultur in den Bl ick

genommen werden soll , auch als Prob-

lem des kritischen Diskurses, der Schnitt-

stellen zwischen Präsens und Präsenz zu

konturieren versucht oder mit dem , wie

es im Wörterbuch der Brüder Grimm be-

reits 1897 heißt , »vielfach merkwürdigen

wart « Gegenwart ringt .

Als Dirk Baecker vor knapp zwanzig

Jahren dem Kulturbegriff das Potential

zuschrieb, »den Blick für eine Gegenwart

zu schärfen , d ie wir aus den Augen ver-

loren haben , weil wir in der Vergangen -

heit jene Absicherung und in der Zukunft

jene Möglichkeiten suchen , die uns die

Gegenwart vorenthält« , war noch nicht

absehbar, dass der Blick auf die Gegen -

wart nur wenig später ähnlich stark stra-

paziert werden sollte wie vormals der Be-

griff der Kultur. 2 Mittlerweile wird die von

Baecker herausgestellte Einsicht, dass mit

dem Kulturbegriff »die Gegenwart über-

haupt erst in das Zentrum der Aufmerk-

samkeit« gerückt werden kann, von einer

Dauerfokussierung auf die Gegenwart

überdeckt , die nicht in jedem Fall von

einem geschärften Blick zeugt. Sie scheint

sich vielmehr insofern auf den Begriff der

Gegenwart ausrnwirken, als dieser in den

letzten Jahren derart gedehnt und gewen-

Dirk Baecker, Wozu Kultur? Berlin: Kadmos

2000.

Page 2: Present Shock Bodentiefe Fenster Gegenwartsdiagnosen nach ... · 68 Eckhard Schumacher der worden isr. dass er auch die Rolle je-nes nsc u ha-·, b rfe1·okers ü1'ernehmen kann.

68 Eckhard Schumacher

der worden isr. dass er auch die Rolle je-

u ha-·rfe1·okers ü1'ernehmen kann . nes nsc , b für die zurnr !!,elegenclich der Kultur e-

griff herhalten musstt' . V Der Aufwand. mir dem ,,Gegenwart« als

Zeitbe!!,riff. Denkfigur und Platzhalterfor

Eigenheiten der Jetztzeit problemat1s1ert

wird . ist überraschend groß. Die Suche

nach neuen Konzepten und Ansätzen , wie

sie etwa in den spekulati,·en Reflexionen

zum •Post-Zeitgenössischen « zu beobach-

ten ist.' wird allerdings häufig überstrahlt

rnn dem gleichermaßen attraktiven Prin-

zip. eingefahrene Argumentationsmuster

zu reanimieren. Den produktiven Irritati-

onen, die akruell anfallende Komplikatio-

nen im Gefüge ,·on Vergangenheit, Gegen-

wart und Zukunft auslösen können , steht

nicht nur ein Zögern, der Wunsch nach di-

stanzierter Reflexion, nach einem bewuss-

ten Innehalten entgegen, sondern immer

wieder auch die Weigerung, sich näher auf

das einzulassen, was die Gegenwart kenn-

zeichnet.

Dies gilt auch und gerade für viele der

Zeitdiagnosen, die die Gegenwartsfixie-

rung als Folge der Digitalisierung begrei -

fen. Man erfasst die Komplexität der Pro-

blematik jedenfalls kaum, wenn man sich

darauf beschränkt, die Innovationsver-

sprechen und Fortschrittsvisionen, die

die Kommunikationsindustrie propagiert,

über einen Vorzeichenwechsel als Sympto-

me für Verlust und Verfall zu deuten: das

Unminelbarkeitspathos der Echtzeitkom-

munikation, den smartphonegestützten

Zustand des always-on , die instantane

Verfügbarkeit und permanente Akruali-

3 Vgl . etwa Armen Avanessian/Suhail Malik

(Hrsg.), Der Zeitknmplex. l'ost.contempora-

ry. Berlin: Merve u,,6.

sierb:u·kcit von allem und jedem, an jedern

Ort, rn jeder Zeit.

Die Möglichkeit, d ie Fokussierung auf

die Gegenwart als kritisches Korrektiv ge-

genüber einem Verständnis von Kultur

zu nutzen , bei dem , wie Baecker schreibt ,

»die Erinnerungen zur Mythologie und

die Versprechen zur Ideologie degenerie-

ren «, wird , wenn sie denn überhaupt gese-

hen wird , immer häufiger verworfen . Sie

tritt hinter eine grundlegende Skepsis zu-

rück , die sich im kulturkritischen Kons -

tatieren eines allgemeinen Bedeutungs-

verlusts äußert, manchmal aber auch nur

das Empfinden übermittelt, dass die Ge-

genwart nicht mehr das ist, was sie einmal

war. So fungiert das Stichwort »Gegen-

wart« in den letzten Jahren zunehmend

als Marker für eine Krise , für eine Kri-

senzeit, die sich - bei Rushkoff detailge-

nau zu sehen, aber spätestens seit Beginn

der Modeme als Modus der Kulturge-

schichtsschreibung geläufig - als Zeitkri -

se präsentiert.

Die Krisenrhetorik kann ganz unter-

schiedliche Ansätze verbinden und sie

zugleich in die bereits gut ausgebauten

Bahnen moderner Zeitdiagnostik ein-

schreiben. Dabei zeigt sich, wie Hartmut

Rosa hervorgehoben hat, dass im Zuge von

digitaler Revolution und globaler Vernet-

zung neben der ohnehin für die Moderne

kennzeichnenden Beschleunigungserfah-

rung ein »neuerlicher Beschleunigungs-

diskurs « einsetzt.• Dies können die aktu-

ell zirkulierenden Gegenwartsdiagnosen

ebenso bestätigen wie Rosas Beobach-

tung, dass die für die Moderne charak-

4 Hartmut Rosa , Beschleunigung. Die Verän-

derung der Zeitstrukturen in der Moderne.

Frankfurt: Suhrkamp 2.oos.

teristische »Grunderfahrung, ,alles wer-

de immer schneller ,, all es se i beständ ig

im Fluss «, nur eine Seite der »kr itischen

Zeit-Diagnosen « ausmache . Daneben

tr itt die auf den ersten Bl ick entgegenge-

setzte , aber, wie Rosa betont, als komple-

mentär Zll begreifende Zeiterfahrung der

»Erstarrung«, des »Zuendegehens aller

Bewegung«, die mit Paul Virilio im Bild

des »rasenden Stillstands« erfasst worden

ist. 5

Die in diesem Zusammenhang hochfre-

quent in Umlauf gebrachten zeitd iagnos-

tischen Schlagworte lassen unterschied-

liche Ansätze erkennbar werden , rücken

im überschaubaren Spannungsfeld von

Beschleunigung und Stillstand jedoch w -

nehmend aneinander. Der Abstand, der

die Formel von der » Tyrannei des Augen-

blicks« , mit der Thomas H. Eriksen be-

reits im Jahr 2000 vor der im »Zeitalter

der Computer, des Internets , der Kom-

munikationssatelliten« vermeintlich aku-

ten Bedrohung von Vergangenheit und

Zukunft gewarnt hat , von Hans Ulrich

Gumbrechts zehn Jahre später vorgeleg-

ten Überlegungen wm neuen »Chrono-

top « einer »breiten Gegenwart« trennt, re-

lativiert sich, wenn man Marcus Quents

Thesen zur »absoluten Gegenwart« , den

Themenschwerpunkt »Endlose Gegen-

wart« der Zeitschriftspringerin , William

Gibsons Reflexionen zum »unendlichen

digitalen Jetzt« oder eben Rushkoffs in

Paul Virilio, Rasender Stillstand . München:

Hanser 1992.; Klaus M . Kodalle/Hartmut

Rosa (Hrsg.), Rasender Stillstand . Beschleu-

nigung des Wirklichkeitswandels: Konse-

quenzen und Grenzen . Würzburg: Königs-

hausen & Neumann 2008.

Present Shock 69

Present Shock entfaltetes Panorama einer

»totalen Gegenwart« hinwzieht .6

Gegenwartsschock

Die Gegenwartsdiagnostiker lassen wenig

Zweifel daran , dass die Digital isierung für

den konstatierten Gegenwartsschock ver-

antwortlich w machen ist. Dabei kommt,

das zeigt nicht allein Rushkoffs Buch , der

flächendeckenden Verwendung des Ad-

jektivs »digital « eine wenigstens doppel -

te Funktion zu . Es kann als Symptom

für das verhandelte Problem, aber zu-

dem auch als Ausweis für die Aktualität

der vorgelegten Analyse fungieren - und

zugleich davon ablenken , dass das Prob-

lem nicht in jeder Hinsicht neu ist. Wenn

Rushkoff seine Beobachtungen wm »di -

gital optimierten Tagesablauf«, zum »ri-

giden digitalen Zeitregime «, zum »digi -

talen Leben « in der »digitalen Welt« im

»digitalen Universum « in das Krankheits-

bild der »Digiphrenie« überführt, weist er

selbst darauf hin , dies sei »nur die neues-

te Stufe einer langen, leidvollen Entwick-

lung« . Umso expliziter begreift er die von

ihm beschworenen Pathologien der Di-

gitalisierung aber als Symptom für eine

grundlegende Veränderung in unserem

» Verhältnis zur Zeit« und die durch sie

6 Thomas H. Eriksen, Die Tyrannei des

Augenblicks. Die Balance finden zwischen

Schnelligkeit und Langsamkeit . Freiburg:

Herder 2.002.; Hans Ulrich Gumbrecht , Unse-

re breite Gegenwart. Berlin: Suhrkamp 2010;

Marcus Quent (Hrsg.), Absolute Gegenwart .

Berlin : Merve 2016; Schwerpunkt »Endlose

Gegenwart « in : springerin 3, 2016; William

Gibson, Misstrauen Sie dem 1mverwechsel-

baren Geschmack. Gedanken iiber die Zu-

kimft als Gegenwart. Stuttgart: Klett-Cotta

2.013 .

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70 Eckhard Schumacher

. k 1 ' l'II ·lllf l(IISl'r cingl'kill'lt:11 "Ausw ir 111 g ·

Mrnschc11bild «. Ein Problem der krisc11h ;1ftc11 Ko1~s-

1dl;1tio11 , die er i11 A11kh111111g ;111 Al\'111

Ti.iftkrs Ko111.cpt dl's „ fut111'l' shock" ab

•prrsrnt shock " ho.cich11c1 , - liegt fiir

Rushkoff darin. J;1ss sir bei :1llcr Gegc11 -

w:1rtsfixicru11g lrt1.rl ich \\'Cll ig mit ••lill -

mittclb:1rkeit und Gcgc11w:irtiµkc it« zu

rn11 hat. Dc1111 cntgcgc11 der sich mögl i-

chaweisc aufdriingcndl'll \lcr11111111nµ füh -

ren die Echtzcincd1nolngicn der S111arr-

phones, Jcr Zust:111d des ,,lll'il,VS-011 und

dil' knrrespond icn:11Jcn Konsumkn.:isl:iu -

fc.:, wil' Ru shkoff im Modus dl's Sclbstl'l'-

fahrn11gsbcri chts explizicrr, nicht w cim.:r

intrnsiH-rt·n Fokussil'rung auf die Gegen-

wart. Dil' pcrm:111t·ntc Fixieru11g :rnf die

Gl·p.cnw:m tl·nd im Rushkoff wfolgc viel -

mehr daw, dass 111:111 diese gar nicht mehr

wahrn immt : •Der Versuch , de11 lliichti-

gl'll Moml'nt l'inzuf:rnge11, 111:1cln aus 1111 -

sncr Kultur ci11 eim.i1?,cs l'ntmpisches, sra -

tischl'S Rauschen. Er1.:ihlstrukturt·n und

Zidc lösen sich auf. und was übrig bleibt,

sind \'t:rzt'frte Aufnahmen vom Echte11

und Unmittelbaren in Form von Twects

und Status-Updates.•

Neben der • Digiphrenie « und eini -

gen weiteren anspirlungsrcich benannten

Symptomkomplexcn lenkt Rushkoff die

Aufml'rks:imkeit auf den von ihm kons-

tatintcn •narrativen Kollaps •, den er im

ersten Kapitel seines Buchs als grav ieren-

de Folge der Gegenwartsfix ierung aus-

führlich Jusbreitct Untcrstu" tzt d h . . · urc eme 111 der Addition eindrucksvolle.:, abc.:r auch

7 Das 197o crschicncnc l.luch i>1 im i;lcichrn

~hr in , Deutsche übcrsc11.1 worden: Al\'in oHlcr, Der Zulwn(t sschock. München:

Hanscr 1970.

ein wen ig crn1ii,lcmk i\11fre ihu11g v011 lk isp iclcn , d ie Filme, h .: rnsehscr il'n , Rl' -

:il itr -TV. r:ernschwnh1111p; 1111d C01111111 _

rasp ielc wie auch die Occupy -lkwcp;ung

1111d- priisl'ntil'rt :1ls »crsrc p;l'11ui11 pr:isl'l1-

tist ischl' Bcwcp;1111p;« - die Tca l':trty 11 111 _

Lissen , !:isst l'r wc11 ip; Z weifel dar:111 , d:tss

»die Mcd irn « und i11sbl'so11dcre dcrc 11 d i-

gitale Vcrneu.unp; fiir dc11 Kollaps vo 11 ko-

h:irentcn Err.:ihlstrukn1rc11 vcranrwon-

lich sind . D:1 die lkispielkctrc11 jedoch

nicht mit einer :ih11lich eindrucksvollen

Aq,:u111rntatio11 1111tnlcgr wndcn , wrlinr

sid1 der Ti.:xr w11eh111c11d i11 sei11e11 reidi -

h:dt ip.en Redu11d:1nze11. Z11dc111 p;cw i11m

die Redr vom »Kollaps des Frz:ihlc11s ,,

nicht :111 Üherzcug1111gskr:1h, wenn ihr :ds

pos itives Gegenb ild eine »narrarivc Wclr-

ord111111g « mit ,,rrad it·io11ellc11 N:1rrarivc11 «

cntgcgr11gch:1ltL'l1 wird .

Auch wrnn einiges d:1fiir sprcehl'll soll -

te, dass die Nuti.er das Fernschc11 durch

drn Einsatz dcr Fcrnbedic11u11g »dcko11-

stru icrt« hahcn , fiihrt das nichr 1mtWL'l1 -

dig w dem Schluss, das Fcrnsche11 habe

dadurch , wir Rushkoff 11ahclcgt, die Fii -

higkcit verloren , »koh iircnre Geschich -

ten zu c:rziihlcn «. Sichtbar wird hier nichr

die gcgenw:irtige Komplexit iir von Me-

dicngcbrauch und Mcdicnrcalit:it, son -

dern vicl111ehr ein Wunsch der Kritik

nach iibcrschaubaren Erziihlstrukturen ,

nach »linearen Geschichten mit Anfang,

Mitte und Schluss «, nach »großen Ge-schichten «.

An die Stelle von d ifferenzierten Analy-

sen , die angesichts der vielcn bemerkens-

werten Beispiele wünschenswert wiiren ,

rückt ein rcAexhafter, nicht i111111er ressen -

timc.:ntfrc icr Impuls , der nach de111 post-

modc.:rnc.:n »Ende der großen Erziihlun -

gen" deren Rückkehr herbeizuwünschen

schr i111· - 1111d auf d icsrn1 \Xiq.: wglc ich

jl'nr Vorsrcll1111gc11 vom ,, h :hrcn und lJn -

111 itrclh:11't·11 « zu rcs1 it11icrcn vcrs11eh1 , dc-

rl'lt \lerlusr Rushkoff ehr11so wor1 re ich he-

kl:igi-. F111sprrcheml schw:1ch hlc ihr :111ch

d ie w lkgi1111 drs lluchs :111sgcgchc11e For-

dern11g 11:1ch ci11t:r lmervrm ion : ,, Wt·nn

sic h allrs 1111kontroll icrh:1r heschleun igr ,

ist: 111 :111ch111 :d Ceduld d:is Fim.igc , was

hilfi-. Driickr auf l':111sr.« i\111 Ende, nach

knapp dre ihundert Sritrn , isr Rushkoff

k:111111 we iter: 1\tl:t n k:11111 widcrsrcl1c11 , cr-

1111111terr er d ie Lcscr i1111c11 1111d Leser, d ie

bis zu d iesem 1'1111kt vorgcdrnngen sind ,

we il wir »i 1111ch :1ltcn - 1111d wieder losle-

gen kii111tl'll «.

Das isr in der Sache sicher nicht falsch .

i\nges ichrs der p:111se11losc11 Vcrkcn1111g

von llc ispielcn, d ie Rushkoffs lluch s1r11k-

111ricrt und es somit chn als wc itcrcs Sy111 -

pro111 dc1111 als Analysc der d iskut icrtcn

Prohlc111:11ik crschrincn !:isst, ist es :1bcr

letztlich wcnig iihcn.cugcnd - es sei dc1111,

man gibt sich d:1111 it zufriedcn , der :1llp;e-

gc11wiirtigc11 ßcschlcunigung R11hczo11c11

der E11tschlcu11igu11g cntgegenzuscrzcn ,

11111 dort d:is Echte und U11111ittclbare zu

suchrn. »Exklusiv fiir Rushkoff-Lcser «

bietct die deutschc Ausgabc vo11 Prese11t

Sho ck dafür den Zugang zur »(Offtime) -

App «, dic ahcr auch fiir die rng:inglich

ist , die das Buch nicht gcbuft haben :

»Mit (Offtime) bcstimmsr Du , mir wcm

Du wann verbunden bist. So kannst Du

lcichter das tun , was jctzr geradc wichtig

ist. Schaltc ab und sei ganz bei Dcincr Ar-

beit , hci den Menschen, die Dir wichtig

sind , oder gcnicls cinfach cinen Momcnt

der Ruhe. «"

s hllp://offl irne .co/rushkoff

Pmsunt Slwck 71

C, ·g1·11 111i1 rls,,, ·r,v., ·ssn1h,·it

1-:inc St:irkc von Rushkoffs l\uch liq .:1 d:1 -

ri11 , anhand akrncllcr kulrmcllcr l'h iino-

111c111.: cingefiihne ll ildcr u11d heka1111 -

rc Argl1111c11t :Hio11smusrcr anschaulich

w akrual isicrrn . Das zc igt sid1 vor allc111

da1111 , wenn 111:111 in Betracht· zicltt , dass

sich d ie Med ie11w issc11schaft schon ct w:1s

liingcr dem l'roble111 dcr Gcgenwanslix ic-

rung wid111c1 und dabe i auf andcrcu Wc-

grn w vergle ichharcn Einsichten gcko111 -

111c11 ist.

In po intiertcr und zuglc ich historisd1

:1usgrc ifc11dcr \Xlcisc h:H dies Wolfgang

1-l :1gc11 in sci11c111 lh1ch C c,v.e11rvarlsvcr-

,1!.,'Sse11h1•i1 geze igt .'' l\ci H:1p;rn wird deut-

lich , dass viclcs von dcm , w:1s Rushkoff

zehn Jahrc spiitcr dcr Digir:1lisiern11g an -

l:1stcn wird , auch schon cinigc Jahrzehn -

te wvor dc11 Diskurs iihcr die »Ncuen

Mcdicn ", insbcsondcrc dic Masscnmedi -

cn hesti111111t hat. \Xlcnn Hagcn mit ßlick

auf das Fernschcn feststellt , »dass vor

l:rntcr Gcgcnwart nichts als Gegcnwart

und nur dic Gegcnwart z:1hlt, dcr gegen-

über alles Andere verrauscht und ver-

klingt« , findct man nicht nur Rushkoffs

spiitcre Beobachtungen priifigurierr, son-

dern auch - komplexer angelegt und aus -

geführt - seinc Interpretation der Lage.

»Diese Gegenwart ist die Gegenwart der

elektronischen Massenmedien« , von de-

nen alle »modernen Industrienationen« ,

so schreibt Hagen das hier einschlägige

Kollektivsymbol aus , »überflutet« sind .

Mit der Feststellung, dass »aus der Flut

nur cine einzigc Gegenwart « hervortritt ,

9 Wolfgang Hagen, Gcge111t•artsl'c:ri(esse11/niit .

Lawrs(eld - Adomo - l1111is - L11/u11<11m .

l.lcrl in: Mcrw 2003 .

Page 4: Present Shock Bodentiefe Fenster Gegenwartsdiagnosen nach ... · 68 Eckhard Schumacher der worden isr. dass er auch die Rolle je-nes nsc u ha-·, b rfe1·okers ü1'ernehmen kann.

72 Eckhard Schumacher

.. 1· 1 d. , die von den Massenmcd i-nam ic i » lt. .. . hauch die

elbst erzeugt wird«, lasst s1c , en s . . d Gegenwart , These der Toralts1erung er . . -

. R hk ff mit einigen wetteren Zeit die us o . . k ·1 deutlich vordatteren. diagnostt ern te1 t,

Z d der Gegenwarrsverges-Der ustan ~ . senheit tritt , folgt man Hagen, dann ein ,

. '1odus von permanenter Aktu-wenn 1m" alisierung der Gegenwart diese selbst aus

dem Blick gerät: »In der Nomenklatur der

Massenmedien trägt diese Zeitstruktur

den Namen Aktualität. Alles, was gezeigt,

bebildert oder berichtet wird , schnurrt

darin auf eine Gegenwart zusammen, die

ein selbstähnliches Muster zeigt. «10 Ge-

genwartsvergessenheit heißt in diesem

Sinn für Hagen »nicht nur, dass vor lau-

ter Fixierung auf die Aktualität von ite-

rativ erzeugten Gegenwarten diese selbst

überlagert, vergessen und verborgen blei -

ben•, sie erzeugt zugleich eine » Gier nach

mehr«.

Hagen baut seine Überlegungen unter

anderem auf Harold A. lnnis ' medien-

geschichrlichen Thesen auf, denen zufol-

ge sich die »raumgreifenden Monopole«

Presse und Radio von früheren Kommu-

nikationstechnologien insofern unter-

scheiden, als diese noch ȟber ein Wissen

von Dauer, Vergangenheit und Zukunft«

verfügten. ;, Presse, Radio und Fernsehen

hingegen sind Medien«, resümiert Ha-

gen, »die technologisch und ökonomisch

auf ein , Jetzt,, d. h. auf ihre instantane

Ersetzung, und nicht auf die Dauerhaf-

tigkeit einer Speicherung Bezug nehmen«.

Hagen begrenzt diese Charakterisierung

mehr auf die zunächst in den Blick ge-

IO Vgl. dazu auch Wolfgang Hagen, Das E d

der Aktualität . Von Meister Eckhart bi/ e

Google. In: Merkur Nr 767 A ·1 ' · , pn ro13 .

rückten Bereiche Nachrichten und Wer-

bung, sondern bezieht sie insgesamt auf

die Massenmed ien. So kann er schon für

die 195oer Jahre einen Gegenwartsschock

verzeichnen , wenn er mit Innis folgere ,

dass die modernen Massenmedien einen

Wissensraum monopolisieren , »in wel -

chem auf die Frage, was morgen kommt

keine Antworten mehr möglich sind, au~

ßer, dass es ein System sein wird, das wie-

derum auf Gegenwartsfixierung setzt«.

Mitte der 198oer Jahre hat Neil Post-

man Überlegungen von Irrnis öffentlich-

keitswirksam aufgenommen , indem er

in seinem Bestseller Wir amüsieren uns

zu Tode den »Diskursmodus des ,Und

jetzt ... «< sowie die darauf aufbauende

>»Und jetzt . . . ,-Kultur« als Verfallssymp-

tome einer durch die Unterhaltungsindus-

trie bestimmten Gesellschaft identifiziert:

»Der Ausdruck ,Und jetzt . .. , umfaßt das

Eingeständnis , daß die von den blitz-

schnellen elektronischen Medien entwor-

fene Welt keine Ordnung und keine Be-

deutung hat und nicht ernst genommen

zu werden braucht. «11

Postman aktualisiert eine in kulturkri -

tischen Kreisen auch schon vor der Erfin-

dung des Fernsehens vorgebrachte Klage

über eine » Welt der Bruchstücke, in der

jedes Ereignis, bar jeder Verbindung zur

Vergangenheit, zur Zukunft oder zu an-

deren Ereignissen , für sich steht«. Rush-

koffs dreißig Jahre später vorgelegte The-

sen sind hier detailgenau prä figuriert und

auch auf der Ebene der Rhetorik ergeben

sich vielfältige Wiedererkennungseffekte -

etwa wenn man sieht, wie Postman seine

11 Neil Posrman , Wir amüsieren uns zu Tode.

Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhal-

tungsindustrie. Frankfurt: Fischer 1.98 5.

kritische Bestandsaufnahme der Gegen -

wart in den Diskurs der Pathologie über-

führt: »In der Ästhetik bezeichnet man

diese Erscheinung zumeist als Dadaismus,

in der Philosophie als Nih ilismus, in der

Psychiatr ie als Schizophrenie. «

Der Gegenwartsschock , den Rushkoff

konstatiert , erscheint auch aus dieser Per-

spektive nicht als ein substantiell neues

Problem . Es zeigt sich vielmehr, dass die

im Modus der permanenten Aktualisie-

rung auf Dauer gestellte Gegenwartsfixie-

rung offensichtlich nicht nur ein Problem

von Massenmedien und Digital isierung

ist, sondern auch - und mögl icherweise in

erster Linie - die Ebene des kritischen Dis-

kurses betrifft. Der warnende, alarmierte

Ton , die Krisenrhetorik und d ie Sugges-

tivkraft der Geste der Pathologisierung

können den historischen Abstand jeden-

falls problemlos überbrücken und ermög-

1 ichen die kaum veränderte Wiederauf-

nahme einer Argumentation , bei der die

Funktionsstelle, die für die fünfziger wie

für die achtziger Jahre vom Fernsehen

ausgefüllt wird , nunmehr von Vernetzung

und Digitalisierung besetzt werden kann.

Nowness

»Noch nie zuvor standen wir an einem so

aufregenden und gefährlichen Punkt der

technologischen Entwicklung wie heute« ,

schreibt David Gelernter 2010 in einem

von der FAS in Auftrag gegebenen Mani-

fest, das unter dem Titel Die Zukunft des

Internet eine weitere Gegenwartsdiagnose

unter den Vorzeichen der Digitalisierung

entwirft. 12 Auch Gelernter, der als Infor-

12 David Gelernter, Die Zukunft des Internet .

In: PAS vorn 28. Februar 2010.

Present Shock 73

matiker und Computerwissenschaftler

wie als techn ikskeptischer Publizist aufge-

fallen ist , entfaltet kein prinzipiell neues

Problem , wenn er das Konzept der »Now-

ness « als maßgeblichen Faktor der Gegen-

wartskultur bestimmt und entsprechend

feststellt , dass die Netzkultur eine »Kul -

tur der Jetzigkeit« ist.

Zur Erläuterung der Lage akt iviert

auch Gelernter eine Reihe von Topoi , die

aus den zurückliegenden Mediendiskur-

sen bekannt sind . » Jetzigkeit blendet alle

anderen Momente als diesen einen aus «,

entwirft Gelernter sein Bild einer »idea-

len Internetkultur«, die er »von Jetzigkeit

überflutet« sieht »wie eine Strandprome-

nade vom Meerwasser«. Auch bei ihm

wird über die Bildfelder der Überflutung

und der Verzerrung ein Krisenszenario

entwickelt, das schnell katastrophische

Züge annimmt.

Mit dem Modus des »Lifestream« , der

in Form von Timelines die Darstellung

von »Information-im-Fluss « ermögliche,

setzt Gelernter dem Bild der Überflutung

aber zugleich das einer beruhigenden Ka -

nalisierung entgegen. Veranschaulicht als

»Strom mit einer Vergangenheit, einer Ge-

genwart und einer Zukunft« , bei dem »die

Zukunft . .. durch die Gegenwart und in

die Vergangenheit« fließt , ermöglicht der

»Lifestream«, so will es das von Gelern-

ter selbst in den 199oer Jahren in Umlauf

gebrachte Konzept, eine vergleichsweise

unaufwändige Koordination von Gegen-

wart und Zukunft: »Fließen Dokumente

oder Nachrichten vorbei , die wichtig aus-

sehen, für die man aber gerade keine Zeit

hat, so kopiert man sie einfach in die Zu-

kunft, zum Beispiel auf ,hellte Abend um

zehn,, und dann kommen sie wieder vor-

bei .« Auf diese Weise kann aber nicht nur

Page 5: Present Shock Bodentiefe Fenster Gegenwartsdiagnosen nach ... · 68 Eckhard Schumacher der worden isr. dass er auch die Rolle je-nes nsc u ha-·, b rfe1·okers ü1'ernehmen kann.

74 Eckharrf Schumacher

. d' z kunfr »kopiert •· die Gegenwart in ie u . ;· -

d Ch das yermcinrl1ch ycrdrang wer en . au ' . d te , Damals• bnn auf neue Weise in cn

Blick kommen. . Eher implizit ,·erweist Gelernter n11t

dieser schlichten Illustr3tion komplexer

Zein-erhäl tnisse auf einen Aspekt , der

in den Überlegungen zu »Jerzigkcit• und

. Gegenwarrsschock • häufig aus dem Blick

gerät: Digitalisierung und Vernetzung ar-

beiten nicht nur den Paradigmen von Ge-

genwartsfixierung, Beschleunigung und

Akrualirär zu, sondern machen (und hal -

ten) aufgrund immenser Speichcrungska-

pazirären und komplexer Algorithmen

auch ,·ermeinrlich vergangene Dokumen-

te, Daten und Dateien auf neue Weise ver-

fügbar. In dieser Hinsicht wäre es grob verkür-

zend, die Möglichkeiten , die etwa das In -

ternet eröffnet, auf die Weiterführung je-

ner Gegenwartsfixierung zu beschränken,

die lnnis mir Blick auf die Massenmedi -

en Radio und Fernsehen problematisiert

hat. Die jeweils früh verfügbar gewesenen

Techniken der Speicherung, die Phono-

graphie und später Videotechnik zur Ver-

fügung srellrcn, lassen es schon fraglich

erscheinen, ob die Geltung von Nachrich-

ten in diesen Medien allein im •Jetzt ihrer

Übermittlung• liegt. Den •Present Shock«

der di gital vernetzten Kommunikation

kann man aber nicht einmal im Ansatz er-

fassen, wenn man den hier konstitutiven

Modus und die weitreichenden Möglich-

keiten der Speicherung und der Verknüp-

fung durch Algorithmen ausblendet. Was

als Gegenwart erscheint , den Eindruck

der Gegenwartsfixierung vermittelt, baut

immer schon auf der Verfügbarkeit und

Verfügbarmachung dessen auf, was nicht

mehr einfach im Sinne eines D 1 • ama s•

abgelegt werden kann , aber gerade des-

halb auch den Blick für die Dimensionen

, .0 11 Vergangenheit und Geschichte öffn en

kann .

Breite Gegenwart

An diesem Punkt se tze n H ans Ulr ich

Gumbrechts Überlegungen zur » breiten

Gegenwart« an , die sich , a uch wenn sie

andere Theor iereferenzen bemühen , in

vielen Punkten mit denen von Rushkoff,

Hagen und auch Gelernter treffen . Gum-

brecht ve rlagert in Unsere breite Gegen-

wart allerdings zunächst di e Perspektive,

wenn er die Fokussierung auf di e Ge-

genwart mit dem von ihm gleicherma -

ßen konstatierten Ende der »historischen

Zeit« verknüpft.

In einem »neuen Chronotop «, den

Gumbrecht in der Ablösung von der »Zeit-

Konfiguration des ,historischen Denkens«<

ausmacht, erscheint Zukunft nicht mehr

als Möglichkeitsraum , sondern als Bedro-

hung. Zudem, so ruft auch Gumbrecht das

offenbar unausweichliche Bild auf, ȟber-

schwemmen Vergangenheiten unsere Ge-

genwart«. Nicht die Überflutung durch

»Jetzigkeit« erscheint hier als Problem ,

Gumbrecht sieht die Gegenwart vielmehr

durch » Vergangenheiten « überschwemmt

und kann so auch argumentativ an Nietz-

sches Metaphorik in Vom Nutzen und

Nachtheil der Historie für das Leben an-

schließen, wo dieser im Blick auf die Grie-

chen wie auf seine eigene Gegenwart in

der »Ueberschwemmung« durch das » Ver-

gangne« die Gefahr sieht, »an der ,Histo-

rie, zu Grunde zu gehen«.

Gegenwart ist für Gumbrecht im neuen

Chronotop, für den »die Perfektion elekt-

ronischer Gedächtnisleistungen eine zen-

trale Rolle spielt «, zu ei ner »si ch verbrei -

ternden Dimension der Simultaneitäten «

und mithin als »breite Gegenwart« kon -

turlos geworden: »Alle jüngeren Vergan-

genhei ten sind Teil dieser sich ve rbre i-

ternden Gegenwart , es fällt uns schwer,

irgendeinen Stil oder irgendeine Mus ik

der vergangenen Jahrzehnte aus der Ge-

genwart a uszuschl ießen. « Um das aus

seiner Sic ht »wirklich Neue « der gegen-

wärtigen »Hyperko mmun ikat ion « her-

auszustellen , ihre »Allgegenwart «, betont

Gumbrecht das Verschwinden der Dimen-

sionen von Vergangenheit wie Zukunft in

der allgemeinen Verfügbarkeit und nähert

sich so wieder den eingangs angeführten

Positionen an : »In der heutigen elektro-

nischen Gegenwart ist weder Platz für et-

was , Vergangenes,, das wir zurücklassen

müßten , noch für etwas ,Zukünftiges ,,

das nicht durch simulierte Vorwegnahme

ins Hier und Jetzt geholt werden könnte.

Alles ist immer ,verfügbar,.«

Ob diese Verfügbarkeit tatsächlich die

Dimensionen von Vergangenheit und Zu-

kunft verdrängt und verschwinden lässt,

wäre zu diskutieren . 13 Gumbrecht verla-

gert aber den Schauplatz, wenn er der di -

gitalisierten Hyperkommunikation die

Suche nach Präsenz, die »Insistenz« auf

Präsenz-Bedürfnissen entgegensetzt. So

nachvollziehbar dieser Ansatz ist, bleibt er

angesichts der komplexen Gegenwartsver-

hältnisse doch etwas unbefriedigend . Zu-

mal wenn sich d ie »Präsenz-Perspektive«,

13 Dies gilt auch für die Überlegungen der

Po p-Theo retiker Simon Rcynolds und Mark

Fishcr, die sich in dieser H insicht mit Gum-

brcchts Ansatz treffen ; vgl. dazu meine Pop-

kolumne Vergangene Z11kunft . Repetition,

Rekonstruktion , Retrospektion. In: Merkur ,

Nr. 788, Januar 2015 .

Present Shock 75

darauf hat Aleida Assmann hingewiesen,

letztl ich vor allem als eine Reaktiv ie rung

von Nietzsches Lebens-Begriff präsentiert,

demzufolge ,echte< Kultur »nur aus dem

Leben hervorwachsen und herausblühen «

könne. 14

Bitte oszillieren Sie

Gumbrechts Vorschlag, die »Form der Os-

zillation « als »konstitutiv für die Gegen-

wart« zu sehen , erscheint für den Modus

des kritischen Diskurses hingegen wei-

terführend . Die Polarität von allgegen-

wärtiger Hyperkommunikation und sin -

gulären Präsenzmomenten lässt sich vor

allem dann als ein Zusammenhang erfas-

sen , wenn man weder eine Seite präferiert

oder verabsolutiert noch auf eine vermit-

telnde Synthese abzielt. Auch die Kraft-

felder, die in den diversen Gegenwartsdi-

agnosen zwischen Fragmentierung und

Totalisierung, zwischen Beschleunigung

und Stillstand, zwischen Akzelerations-

emphase und Entschleunigungspachos

sichtbar gemacht werden , kommen deut-

licher in den Blick, wenn man sich in die

Lage versetzt, die Seiten zu wechseln , Os-

zillationen wahrzunehmen und dies auch

in der eigenen Darstellung, für die eigene

Zeitdiagnose, das eigene Zeitbild nicht zu

vergessen.

» Von der eigenen Zeit zu sprechen oder

zu schreiben, scheint immer auch zu be-

deuten , an einem Bild zu arbeiten , ein Bild

der Gegenwart zu entwerfen, indem man

der Zeit Elemente entnimmt und ihnen

eine Form gibt« , reflektiert Marcus Quent

14 Aleida Assmann, Ist die Zeit a11s den F11gen?

Aufstieg und Fall des Zeitregimes der Mo-

derne. München; Hanser 2013 .

Page 6: Present Shock Bodentiefe Fenster Gegenwartsdiagnosen nach ... · 68 Eckhard Schumacher der worden isr. dass er auch die Rolle je-nes nsc u ha-·, b rfe1·okers ü1'ernehmen kann.

76 EcAhard SchU171acher

,, , ,dienen ß;1 nd . d ·01 ron ih111 l,cr;1us„t!! 1 d ,n t , rt seinen Vcrsuc i , as Al1sof11te Gegc1111 .1 _ . der Zeit« in s·1d der • Vereinhe1rhchung . 1 . • zu konrune-dcr .ahsoluren Gegen11 arr ren. Die kleine Form eines Mcrvc-Readers,

h. dl . ·h, zugange, versch1 e-

Jer unrersc ,e ,c t ' ' . dene Perspekriren, offene ReAex1onen vor

Augen srellr. erscheint dabei als eine rnog-

liche Gegensrraregie zu der im Band selbst

benannr:n Gefahr, im »Bild der ,absolu-

ren Gegenwart« die für die Gegenwa rt

konsrarierre »Beschneidung des Mannig-

fal rigen, die Vereinhei tlichung des Gegen-

wärrigen• zu wiederholen. So baur der Band durchaus auf der von

rermci ntli ch eigentli chen Kern der G

genwart vernachl äss igt , sondern c-, Weil sie - gleichsam anachroni stisch - a, K ' l Üll -

zcptcn von Gegenwart und Aktu::1lität fest-

hält, über die nicht reali siert werden k ann

dass im Zeitalter von Finanzspekulat · ' ' 1011

Big Data und Steuerung durch Algo · I ' nt1-

men die Gegenwart längst deaktual· · ISlert

ist, da die Zeit »aus der Zukunft« ko mmt

und die Zukunft die Gegenwart »als • pri -

mären strukturierenden Aspekt der Zeit

ersetzt« . Man muss di e Konsequenzen .. aus dieser Uberlegung nicht tei len, um sehen

zu können , wie das, was Avanessian in Der

Zeitkomplex im Gespräch mit Suhail Ma-

lik entwickelt , ei n Zusammendenken von

Digitali sierung und Veränderungen in der

Auffassung von Zeit ermöglicht, das weder

Gegenwart konstanter Infragestellung die einschlägi gen Verfallsgeschichten fort-

bedarf«. Zugleich unterläuft das Buch schreibt noch dem eigenen akzelerations-

Marcus Steinweg in se inem Beitrag Ge-

spenstische Gege11wart festgehaltenen

Überzeugung auf, dass »der Begriff der

aber seine Prämissen, wenn die »lernen- geschulten Technikoptimismus verfällt. n e111em espräch mit Hartmut Rosa

rierung der Gegenwart« , der » Totalismus I · G

des Heure•, das » Verschwinden der Ge- ff 1 ' verö enr icht im Rahmen des Schwer-

punktthemas »Augenblick , verweile« im

Philosophie Magazin, kommen noch

brauchbare polemische Spitzen gegen die

Sehnsucht nach Entschleunigungsoasen

genwart« in immer wieder neuen Wen-

dungen konstatiert und derart eindring-

lich festgeschrieben werden , dass das

enrworfene Bild letztlich kaum mehr zu

unterscheiden ist von den K . d. k " nsen 1s ur-

sen und Verfallsgeschichten« , die im Buch

ganz schlüssig als • Tei l der absol G uten e-genwarr• begriffen werden.

Auf andere w · .1 d. . eise g1 t ,es auch für d msbcsondere von Ar . en faltig in Um! fm ben Avaness1an viel-

au gc rachren V hl spekulatives Denke I M orsc ag,

.. n a s odus u d M vens fur eine N b . n o-eu est1mmun · h des Begriffs d G g ntc t nur

er egenwan d haupr für die A 1 'son ern über-

na yse von V, ·· d der Zeirvcrhält . cran erungen

n1sse produkt" Gegenwartsf· . ,v zu machen 1x1erun, . · scr Perspektiven· h g d erscheint aus die-

. ,c t ah weil sie Vergan h . er problematisch

gen c1t, Zukunft od. d ' er cn

anz-1m- 1er-oder die »Ideologie des G . H.

und-Jetzt« hinzu d. · ·· b . , re lll u erraschend

vielen Gegen d. . warts ragnosen 1m Hinter-

grund aktiv bleiben ,s Zug! . h . d . · e1c wir 1m

Austausch der in manchen H. . h

1

lllSIC teil ge-

gen äufigen Po · · d . sitwnen eutl1ch, wie eng

es werden k . ann, wenn elll solcher Wech-

sel der Perspektiven ausbleibt.

Für die Einsicht d · , ass wir »keine line-

are Zeit mehr i s· . m lllne elller Vergangen-

15 Wie viel Zukun't .. . E S . 1' vertragt d,e Gegenwart? 111 tre,tgespräch · undA wmchen Hartmut Rosa

rmen Av . Mag . aness,an. In : Philosophie

azm, Nr. 5, 2016.

hcit« h:1ben, »a uf die die Gegenwa rt und

die Zukunft folgen «, benötigt man weder

ei ne Einführung in das spekulative Den-

ken noch genaue re Kenntni sse auf dem

Feld der Finanzmärkte. Die neue Zeit ist,

wieder ei nmal, ni cht nur neu. Es hilft abe r

gleichwohl , das , was neu erscheint, in den

Blick zu nehm en und hinsichtlich sei ner

eigenen Logik wie :1 uch hi storisch - was

hier immer auch heißt: medienhi stori sch-

zu perspektivieren.

Present Shock 77

Dabei is t vo r all em dann ei ni ges ge-

wonnen , we nn die der Gegenwa rt ge-

rade angesichts der Konsequenzen der

Digitalisierung ve rschi edentli ch zuge-

schri ebenen Simultaneitäten , wenn ihre

Asynchronie und ihre Multiplizität nicht

nur konstatie rt , sondern auch in der Form

der Gegenwartsdiagnose, auf der Ebe-

ne des kriti schen Diskurses und im Be-

griff der Gegenwart ratsächlich reflektiert

werden.