Probleme mit dem Grenzwert — Genetische Begriffsbildung und geistige Hindernisse

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Rudolf vom Hofe Probleme mit dem Grenzwert - Genetische Begriffsbildung und geistige Hindernisse Eine Fallstudie aus dem computergestützten Analysisunterricht 1 257 Zusammenfassung: Anhand einer exemplarischen Fallstudie über eine Unterrichtsszene, in der sich drei Schülerinnen in einer computergestützten Lernumgebung mit dem Grenzwertbegriff auseinandersetzen, werden Probleme der Begriffsbildung aufgezeigt, die in geistigen Hindernissen bzw. "epistemological obstacles" begründet sind und von daher den didaktischen Wert einer genetischen Begriffsbildung im Mathematikunterricht unterstreichen. Gleichzeitig wird für eine Verstärkung qualitativer Forschungsmethoden in der Analysisdidaktik plädiert, um unser Wissen über Denkstrategien von Lernenden durch deskriptive Studien zu erweitern zu bereichern. Abstract: By means of a paradigmatically case study of a classroom scene in wh ich three students deal with the limit concept within a computer based learning environment, problems of concept development are investigated which are based on epistemological obstacles. The analysis of these problems stresses the importance of a genetic concept development especially in calculus lessons. At the same time it will be advocated for the need and the importance of descriptive working methods in research of advanced mathematical thinking. 1 Analysisunterricht und Qualitative Unterrichtsforschung Üblicherweise werden unsere Schülerinnen und Schüler mit den Grundbegriffen der Analysis in einem dreistündigen Kurs des ersten Jahrgangs der gymnasialen Oberstufe bekannt gemacht. Das Stoffpensum eines Analysis-Grundkurses, der von den anfängli- chen Begriffsbildungen bis zu Funktionsuntersuchungen, Extremwert- und Parameter- aufgaben kommen soll, drängt sich dabei in dem kurzem Zeitraum eines knappen Schul- jahrs, nicht selten sogar innerhalb eines kurzen Sommerhalbjahrs. Zwischendurch müssen dann noch Kursarbeiten geschrieben werden, deren Termine in der Regel im voraus zentral festgelegt werden; hierrur braucht man geeignetes Übungs- und Aufgabenmate- rial. Wieviel Raum bleibt da rur bewusste, sorgfältige Begriffsbildung, z. B. des Grenz- wert- oder Ableitungsbegriffs? Gibt es Zeit rur entdeckendes Lernen und rur das damit verbundene Aufwerfen und Überwinden begrifflicher Probleme? Oder ist es angesichts der Kürze der Zeit doch besser, gleich die fertigen Begriffe zu präsentieren und sich auf I Die Fallstudie bezieht sich auf eine Unterrichtsszene aus einem mehrrnonatigen Unterrichts- projekt, das in ein Forschungsvorhaben des Lehrstuhls für Didaktik der Mathematik der Universi- tät Augsburg zum computergestützten Mathematikunterricht eingebettet ist. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz besonders für die Unterstützung und die wertvollen Anregungen von Frau Prof. Dr. L. Hefendehl-Hebeker bedanken, die entscheidend zum Zustandekommen dieser Arbeit beigetragen haben. Weiterhin gilt mein Dank für viele wertvolle Ratschläge den Herren Prof. Dr. W. Blum, Dr. R. Hölzl und Prof. Dr. H.-J. Vollrath. Schließlich sei der Siemens-Nixdorf AG gedankt, welche die Hardware-Ausstattung für den Unterrichtsversuch zur Verfügung gesteHt hat. (JMD 19 (98) 4, S. 257-291)

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Rudolf vom Hofe

Probleme mit dem Grenzwert - Genetische Begriffsbildung und geistige Hindernisse

Eine Fallstudie aus dem computergestützten Analysisunterricht1

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Zusammenfassung: Anhand einer exemplarischen Fallstudie über eine Unterrichtsszene, in der sich drei Schülerinnen in einer computergestützten Lernumgebung mit dem Grenzwertbegriff auseinandersetzen, werden Probleme der Begriffsbildung aufgezeigt, die in geistigen Hindernissen bzw. "epistemological obstacles" begründet sind und von daher den didaktischen Wert einer genetischen Begriffsbildung im Mathematikunterricht unterstreichen. Gleichzeitig wird für eine Verstärkung qualitativer Forschungsmethoden in der Analysisdidaktik plädiert, um unser Wissen über Denkstrategien von Lernenden durch deskriptive Studien zu erweitern zu bereichern.

Abstract: By means of a paradigmatically case study of a classroom scene in wh ich three students deal with the limit concept within a computer based learning environment, problems of concept development are investigated which are based on epistemological obstacles. The analysis of these problems stresses the importance of a genetic concept development especially in calculus lessons. At the same time it will be advocated for the need and the importance of descriptive working methods in research of advanced mathematical thinking.

1 Analysisunterricht und Qualitative Unterrichtsforschung

Üblicherweise werden unsere Schülerinnen und Schüler mit den Grundbegriffen der Analysis in einem dreistündigen Kurs des ersten Jahrgangs der gymnasialen Oberstufe bekannt gemacht. Das Stoffpensum eines Analysis-Grundkurses, der von den anfängli­chen Begriffsbildungen bis zu Funktionsuntersuchungen, Extremwert- und Parameter­aufgaben kommen soll, drängt sich dabei in dem kurzem Zeitraum eines knappen Schul­jahrs, nicht selten sogar innerhalb eines kurzen Sommerhalbjahrs. Zwischendurch müssen dann noch Kursarbeiten geschrieben werden, deren Termine in der Regel im voraus zentral festgelegt werden; hierrur braucht man geeignetes Übungs- und Aufgabenmate­rial. Wieviel Raum bleibt da rur bewusste, sorgfältige Begriffsbildung, z. B. des Grenz­wert- oder Ableitungsbegriffs? Gibt es Zeit rur entdeckendes Lernen und rur das damit verbundene Aufwerfen und Überwinden begrifflicher Probleme? Oder ist es angesichts der Kürze der Zeit doch besser, gleich die fertigen Begriffe zu präsentieren und sich auf

I Die Fallstudie bezieht sich auf eine Unterrichtsszene aus einem mehrrnonatigen Unterrichts­projekt, das in ein Forschungsvorhaben des Lehrstuhls für Didaktik der Mathematik der Universi­tät Augsburg zum computergestützten Mathematikunterricht eingebettet ist. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz besonders für die Unterstützung und die wertvollen Anregungen von Frau Prof. Dr. L. Hefendehl-Hebeker bedanken, die entscheidend zum Zustandekommen dieser Arbeit beigetragen haben. Weiterhin gilt mein Dank für viele wertvolle Ratschläge den Herren Prof. Dr. W. Blum, Dr. R. Hölzl und Prof. Dr. H.-J. Vollrath. Schließlich sei der Siemens-Nixdorf AG gedankt, welche die Hardware-Ausstattung für den Unterrichtsversuch zur Verfügung gesteHt hat.

(JMD 19 (98) 4, S. 257-291)

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ihre Anwendung in Standardaufgaben zu konzentrieren, sodass die Schüler am Ende der

11 wenigstens Polynome diskutieren können2?

Man wird in diesen Fragen unterschiedlicher Ansicht sein, wobei insbesondere der Grad der Einbindung in den Unterrichtsalltag eine wichtige Rolle spielen mag. Entsprechend unterschiedlich wird man den Ratschlägen gegenüberstehen, die man in der didaktischen Literatur hierzu finden kann.

Wie wichtig ist etwa eine genetische Begriffsbildung, welche - wie häufig in der Didaktik vorgeschlagen - epistemologische und damit zusammenhängend auch historische Vor­stufen berücksichtigen sollte? Wie weit können solche Entwicklungen abgekürzt werden? Ist es dabei rur Schüler notwendig, die sachlichen Probleme, die mit dem Grenzwertbe­griff zusammenhängen, eigenständig zu durchdenken, oder kann eine geschickte di­daktische Aufbereitung dem Schüler diese Mühe abnehmen?

Die Didaktik des Analysisunterrichts gibt hierzu eine Fülle von Antworten3: Sie arbeitet Fähigkeiten heraus, die ein adäquates Begriffsverständnis beschreiben, formuliert Grund­vorstellungen, die der Lernende ausbilden soll, und zeigt sachliche Schwierigkeiten auf, die rur Schüler und Lehrer auf dem Wege der Begriffsaneignung von Bedeutung sein können (präskriptive Dimension). Auf dieser Basis entwickelt sie unter Berücksich­tigung psychologischer und pädagogischer Aspekte konstruktive Vorschläge, die von grundsätzlichen Strukturierungs- und Stufungsmöglichkeiten bis zu ausgearbeiteten Lehrgängen reichen (konstruktive Dimension). Das bevorzugtes Erkenntnismittel, das wie kein anderes das Bild der Analysisdidaktik im deutschsprachigen Raum geprägt hat, ist die didaktisch orientierte Sachanalyse.

Ich möchte im Folgenden die Dokumentation und Interpretation authentischer Unter­tichtsszenen in den Vordergrund stellen und insofern die oben angesprochenen Fragen vor allem aus einer deskriptiven Sicht betrachten. Dabei möchte ich rur die Einbeziehung von qualitativen Methoden bei der Untersuchung von Grundfragen des Analysisunter­richts eintreten.

Qualitative Forschungsmethoden haben sich in den letzten Jahren zunehmend auch im Bereich der Mathematikdidaktik etabliert und werden inzwischen neben den herkömm­lichen quantitativen Methoden innerhalb der empirischen Unterrichtsforschung weitge­hend akzeptiert. Ihr Einsatzbereich liegt insbesondere dort, wo sich das Erkenntnis­interesse auf ein Gebiet richtet, das sich nicht mit direkt ablesbaren metrischen Daten be­schreiben lässt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es darum geht, individuelle

2 Seit der verbindlichen Einruhrung von Linearer Algebra bzw. Analytischer Geometrie und Sto­chastik hat sich die zur Verrugung stehende Zeit rur den Analysisunterricht in der gymnasialen Oberstufe verkürzt. Weiter eingeschränkt wird diese Zeit durch wiederholende und systematisie­rende Vorkurse, die üblicherweise vor Analysis-Grundkursen angesiedelt werden, um Defizite aus der Mittelstufe auszugleichen bzw. um bei neu zusammengesetzten Lemgruppen einen gemein­samen Kenntnisstand herzustellen.

3 Siehe z. B. Blum & Tömer [1983], Knoche & Wippermann [1986], Hischer & Scheid [1995], Dankwerts & Vogel [1986] bzw. Tietze, Klika & Wolpers [1997].

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Strategien und Vorstellungen bzw. subjektive Wirklichkeiten von Menschen möglichst genau zu erfassen bzw. zu rekonstruieren (vgl. Mayrink [1985]). Ganz besonders bieten si~h solche Forschungsmethoden an, wenn man sich aus deskriptiver Sicht dafilr interes­siert, ob Erklärungsmodelle, mit denen man Lern- bzw. Problemlösungsprozesse be­schreibt, tatsächlich in den Denkprozessen der Schüler die Rolle spielen, die man aus theoretischer Sicht vermutet.

Solche Fragestellungen sind filr das Lehren und Lernen aller Schulstufen von großem Interesse, auch und insbesondere filr die Oberstufenanalysis. Dennoch sind qualitative Methoden bislang nur wenig in diesen Bereich vorgedrungen, ihre Vertreter befassen sich bislang im wesentlichen mit elementaren Fragestellungen aus der Grundschule und

der Sekundarstufe 14. Dies hängt möglicherweise damit zusammen, dass die qualitativen

Forschungsmethoden sozialwissenschaftlich-psychologischen Traditionen5 entstammen, die manchem Grundschuldidaktiker vielleicht näher stehen als den üblicherweise eher mathematisch-naturwissenschaftlich orientierten Vertretern der gymnasialen Mathematik­didaktik.

Ich möchte im Folgenden eine interpretative Fallstudie darstellen, die neben ihrem in­haltlichen Gehalt auch einen Eindruck vom Wert und von der Aussagekraft qualitativer Methoden tur die Analysisdidaktik vermitteln kann. Gleichzeitig möchte ich filr eine Verstärkung deskriptiver Methoden im diesem Bereich eintreten, um das in weiten Teilen präskriptiv geprägte Bild der Analysisdidaktik durch deskriptive Studien zu ergänzen, zu erweitern und durch die Lebendigkeit und Authentizität von Fallstudien zu bereichern.

Ich habe hierzu einen Unterrichtsausschnitt ausgewählt, in dem es um einen der zentralen Begriffe der Analysis geht; er handelt von Problemen im Umgang mit dem Grenz­wertbegriff und thematisiert damit die zu Anfang skizzierten Kernfragen zum Analy­sisunterricht. Ziel der Analyse ist es, das Denken der Lernenden beim Umgang mit infinitesimalen Prozessen zu erfassen und zu untersuchen, inwieweit sich in individuellen Denkprozessen allgemeine Phänomene und Probleme widerspiegeln, die im Sinne einer genetischen Begriffsentwicklung zu interpretieren sind. Die Perspektive der genetischen Begriffsbildung bildet daher die inhaltliche Hauptleitlinie der folgenden Analysen.

4 Vgl. z. B. Krummheuer [1985], Jungwirth [1990], Maier & Voigt [1991], Wollring [1994], Hölzl [1994]; Ausnahmen bilden hier Steinbring [1990] und Warmuth [1995). 5 Qualitative Methoden stellen sogar eine der frühesten und ursprünglichsten Mittel psychologi­scher Erkenntnisgewinnung dar; so fUhrt bereits Wundt [1907] die "Introspektion", das subjektive Berichten von Gedanken, als Forschungsmethode ein. In Anlehnung an Wundt wird diese Me­thode um die lahrhundertwende angewandt um Denkvorgänge des Rechnens zu ergründen; vgl. hierzu etwa Schanoff [1911] oder Müller [1913).

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2 Genetische Begriffsbildung und geistige Hindernisse

Es besteht im Rahmen dieser Arbeit weder die Notwendigkeit noch der Raum um aus­fiihrlich auf die Thematik des genetischen Unterrichts einzugehen; ich verweise hier auf die bekannte Literatur, insbesondere auf die ausfuhrliche Analyse von Schubring [1978]. An dieser Stelle mögen einige Bemerkungen genügen, die in Zusammenhang mit der folgenden Analyse stehen.

Das genetische Prinzip stellt der Ansicht, Lerninhalte seien im Unterricht als Fertigpro­dukt vom Lehrer zu vermitteln, die Überzeugung gegenüber, dass sich Wissen und Fähig­keiten nur über eigenständige Lernprozesse in aktiver Auseinandersetzung mit den Lern­inhalten entwickeln können. Dieses Prinzip lenkt daher die didaktische Aufmerksamkeit auf Entwicklungsprozesse mathematischer Inhalte, und zwar in doppelter Hinsicht: zum einen auf die historische bzw. epistemologische Genese, zum anderen auf die Ent­wicklung, die ein lernendes Individuum in psychologischer Hinsicht beim Erwerb dieser Inhalte durchschreitet, wobei Art und Ausmaß des Zusammenhangs zwischen diesen beiden Ebenen der Entwicklung im Einzelnen sehr unterschiedlich beurteilt werden.

Eine der wichtigsten Forderungen des genetischen Lernens, die insbesondere von Wa­genschein [1970] und Freudenthai [1991] formuliert wurde, besteht darin, dass im Unter­richt Phänomene erfahrbar bzw. erlebbar werden sollen, aus denen sich die zu lernenden fachlichen Inhalte und Denkweisen entwickeln können. Diese Phänomene bieten dem

Lernenden Wissen in einer ursprünglichen Form an, das - wie Wagenschein sagt6 -"am Ende so ganz anders aussieht als sie selbst". Sie geben damit Anlass, bei ihrer Be­trachtung eine theoretische Sichtweise einzunehmen, die es ermöglicht, dieses ursprüng­liche Wissen neu zu durchdringen, zu organisieren und zu deuten. Auf diese Weise for­dern Phänomene zu geistiger Auseinandersetzung und geistiger Neugestaltung heraus, sie zwingen jedoch nicht dazu, eine vorgefertigte Standarderklärung zu übernehmen, sondern lassen grundsätzlich verschiedene Wege offen.

Mathematische Lernprozesse dieser Art verlaufen ihrem Wesen nach nicht linear, son­dern stoßen vielmehr auf Probleme unterschiedlichster Art, insbesondere aber auf jene Probleme, die mit der Natur der Phänomene zusammenhängen. Mathematisches Ver­ständnis in einem genetischen Sinne setzt voraus, solche Probleme zu entdecken, mit ihnen zu ringen, um diese geistigen Hindernisse dann schließlich überwinden zu können (vgl. Hefendehl-Hebeker [1991]). Solche geistigen Hindernisse zeigen sich oft als Sicht­beschränkungen, die einer grundlegenden Sichterweiterung im Wege stehen, wie sie fur viele mathematische Fortschritte charakteristisch ist, sowohl in historischer bzw. episte­mologischer als auch in individualpsychologischer Hinsicht.

Eine neuere konkrete Ausprägung dieses allgemeinen Gedankens wurde auf der Basis der französischen Didaktik 7 von Sierpinska [1992] entwickelt. Ihre Grundgedanken seien hier kurz beleuchtet, da sie viele Positionen widerspiegeln, die in anderen Ansätzen

6 Wagenschein [1983], S. 83

7 Vgl. etwa Brousseau [1983]

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implizit enthalten sind und die als charakteristisch rur genetisches Lernen angesehen werden dürfen. Verstehen mathematischer Begriffe ist nach Sierpinska untrennbar ver­bunden mit der Überwindung von spezifischen Denkhürden, die sie als epistemological obstacles bezeichnet. Diese Denkhürden sind charakteristisch fUr die sachliche Struktur der jeweiligen Begriffe, sie hängen mit ihrer Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte und somit insbesondere auch mit der Entwicklung ihrer Anwendungsfelder zusammen. Epistemological obstacles haben dabei einen objektiven, allgemeingültigen und fUr den Umgang mit dem Begriff typischen Charakter:

" ... they seem to belong to the meaning of the concepts themselves, they are not just results of particular ways of teaching these, and they are not idiosyncratic, not something that occurs in a person or two. They are common in the frame of some culture, whether present or past and thus seem to be the most objective ob­stacles to a new way ofknowing." (Sierpinska [1993] S. 27)

Nach dieser Charakteristik handelt es sich bei solchen Denkhindernissen nicht etwa um vermeidbare, die Begriffsgenese störende Negativerscheinungen, sondern um wichtige Übergangsprozesse; die Auseinandersetzung mit ihnen - und schließlich ihre Über­windung - sind rur ein fortschreitendes Verständnis von zentraler Bedeutung:

"The very nature of epistmological obstacles is such that they cannot be avoiCled and their role in our thinking is important." (S. 28)

Diese Denkhürden hängen nach Sierpinska nicht in erster Linie mit formalen Begriffsde­finitionen zusammen, sondern mit den Vorstellungen, Ideen und Deutungen, die rur den Umgang mit dem Begriff charakteristisch sind bzw. mit den Bedeutungen ("meanings"), die der Begriff auf diese Weise gewinnt. Bezogen auf den Funktionsbegriff sind nach Sierpinska z. B. die Vorstellung von Kurven, Termen, Gleichungen, die Idee der ein­deutigen Zuordnung oder die Annahme von Gesetzmäßigkeiten solche "meanings", also typische Gedanken, in denen sich die Bedeutungen des Funktionsbegriffs widerspiegeln. Sierpinska benutzt in diesem Zusammenhang bewußt den Plural, um auszudrücken, dass es nicht sinnvoll ist, von der Bedeutung eines Begriffes zu reden, sondern eher von einer Vielzahl von Bedeutungen. Die Charakterisierung eines Begriffs durch "meanings" lässt sich somit mit der Beschreibung eines "Grundvorstellungskomplexes" vergleichen (vgl. vom Hofe [1995]). Tatsächlich lassen sich auch Sierpinskas "meanings" als so etwas wie Übergangs- oder Vermittlungs objekte auffassen, die Beziehungen zwischen Mathematik und der Realität beschreiben.

Eine wichtige didaktische Konsequenz aus diesen Überlegungen besteht darin, dass man Lernprozesse nicht soweit glätten sollte, dass die rur das Verständnis zentralen Probleme und Denkhindernisse ausgeklammert oder umgangen werden. Mathematikunterricht, der auf Verstehen - und nicht nur auf schematische Fertigkeiten - Wert legt, sollte vielmehr genügend Raum geben, um solche Probleme aufzuwerfen, sodass Schüler die Möglichkeit haben, sich mit ihnen auseinanderzusetzten, mit ihnen zu ringen - wobei auch manche gedankliche Sackgasse ein produktiver Schritt zur Problembewältigung sein kann - und sie schließlich zu überwinden. Solche Problemlösungsprozesse sind charakteristischerweise mit Anstrengungen und emotionaler Anspannung verbunden, die

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im günstigen Falle durch die entspannende Freude eines "Aha-Erlebnisses" belohnt werden können. Sierpinska drückt diesen Zusammenhang und die damit zusammenhän­genden didaktischen Konsequenzen in treffender Weise aus:

"Acts of understanding or acts of overcoming an obstacle are very demanding on both intellectual concentration and emotional tension. In fact, the second al­ways accompanies the first. Tension cannot be eliminated from learning, it is the very essence of it" (S. 58)

In diesem Zusammenhang zitiert sie Byers:

" ... the true educational task consists of managing, not eliminating tension" (Byers [1984], zitiert nach Sierpinska [1993] S. 58)

und fugt hinzu:

" ... the only alternative to painful learning seems to be no learning at all." (S.58)

Vieles von diesen Gedanken ist im Kern natürlich nicht neu, es erscheint eher wie eine Selbstverständlichkeit: Es gibt keinen Königsweg zur Erkenntnis - der normale Weg ist

deJ Umweg8. Dennoch sind diese Überlegungen nach wie vor von hoher Aktualität, denn die lange Tradition des genetischen Unterrichts ist - wie vielfach beklagt wird - bis heute eher eine Außenseiterdidaktik geblieben, die in Didaktik-Lehrbüchern und in Modellver­suchen eine größere Rolle spielt als in der alltäglichen Unterrichtspraxis9. Insbesondere im Gymnasium - und hier ganz besonders in der Oberstufe - dominiert nach wie vor vielfach systematisch deduktives Vorgehen.

Betrachten wir nun also eine konkrete Lerngruppe beim Umgang mit dem Grenzwertbe­griff unter dem Blickwinkel des genetischen Lernens und im Hinblick auf damit zusam­menhängende Phänomene und geistige Hindernisse.

3 Lerngruppe und unterrichtlicher Zusammenhang

Die nun folgende Fallstudie stammt aus einem Analysis-Grundkurs des 12. Jahrgangs ei­nes Gymnasiums. Dieser Grundkurs wurde im Winterhalbjahr 1995/96 im Rahmen eines wissenschaftlich begleiteten Unterrichtsversuchs über einen längeren Zeitraum computer­unterstützt unterrichtet. Der Unterricht wurde mit zwei Videokameras dokumentiert und transkribiert. Thematischer Schwerpunkt der Unterrichtssequenz war die Behandlung exponentieller Wachstums- und Zerfallsprozesse.

8 Dies Auffassung taucht in vielen Kontexten auf, wo es um dynamische und verzweigte Systeme geht, die menschliche Entwicklungs- bzw. Veränderungsprozesse beschreiben, welche mit Hinder­nissen, Umwegen usw. verbunden sind. Die Lebendigkeit solches Systeme wird oft durch bildhafte Metaphern ausgedrückt, z. B. mit den Verzweigungen eines Baumes (Kühne! [1916]) oder der Metapher einer Landschaft mit Bergen, Tälern und Flüssen (Haller [1923]), (Dörner [1978]). 9 V gl. Selter [1997]

Probleme mit dem Grenzwert 263

Als nach der ersten Phase der Systemeinfiihrung und nach einer Behandlung der grundle­genden Eigenschaften von Exponentialfunktionen die Begriffe Differenzenquotient und Differentialquotient wiederholt werden sollten, zeigten sich gravierende Defizite. Es war bekannt, wie man Polynome ableitet und dass die Ableitungsfunktion die Steigung der Ausgangsfunktion beschreibt. In Vergessenheit geraten war die Unterscheidung der Begriffe Differenzenquotient und Differentialquotient. Diese Inhalte waren vor einem dreiviertel Jahr bei der Behandlung des Tangentenproblems kurz betrachtet worden, doch dann konzentrierten sich die mathematischen Aktivitäten auf Standard-Aufgaben mit Polynomen 10. Nahezu unbekannt war irgend eine auf Anwendungszusammenhänge ge­richtete Interpretation dieser Begriffe.

Nun war fiir den weiteren Verlauf des Unterrichtsversuchs ein gewisses Verständnis die­ser Grundbegriffe erforderlich, zum einen fiir die Erarbeitung der Ableitung der Expo­nentialfunktionen, zum anderen fiir die Behandlung von Anwendungsaufgaben zu expo­nentiellen Wachstums- und Zerfallsprozessen. Abweichend von der bisherigen Planung wurden daher zwei Doppelstunden eingefiigt, in denen Raum und Gelegenheit geschaffen werden sollte, diese Begriffsdefizite auszugleichen.

Hierzu wurden ausgedehnte Arbeitsphasen initiiert um die rechnerische, graphische und anwendungs orientierte Interpretation des Differenzenquotienten zu thematisieren, wobei versucht wurde, die Interaktivität des benutzten Computer-Algebra-Systems MathPlus produktiv zu nutzen. Dabei wurde der Differenzenquotient einer Exponentialfunktion in einer allgemeinen Form betrachtet:

m (x,h,b) = bx

+h

- bX

h

Um nun ein Verständnis dafiir zu entwickeln, welche Funktion die einzelnen Parameter innerhalb der Termstruktur des Differenzenquotienten haben, wurden jeweils zwei dieser Variablen als feste Parameterwerte aufgefasst und die dritte variiert. Im ersten Schritt wurde mit b = 2 eine feste Basis und mit x = 0 eine feste Stelle betrachtet; h sollte variiert werden. Der Differenzenquotient bekommt damit die Form:

20+h _2 0

m (h) = h

Um die Bedeutung einer Variation von h sowohl algebraisch als auch graphisch transpa­rent zu machen, wurde zu Beginn der Arbeitsphase folgende interaktive Verknüpfung geschaffen - geleitet durch die Anweisungen eines Arbeitsblattes:

Erzeugen Sie einen Graphen der Funktion: YI = 2x

Wir betrachten den Differenzenqotienten m fiir die Funktion YI = 2x

an der Stelle x = O. Geben Sie den Term ein, und wählen sie eine Anfangszuweisung fiir h, z. B. h = 2.

10 Dieses Bild ergibt sich nach Auskunft der damaligen Fachlehrer.

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Wir betrachten nun die Gerade, die durch den Punkt (0; I) geht und die Stei­gung m hat. Erzeugen Sie einen Graphen dieser Gerade im gleichen Graphik­fenster.

Hierdurch entsteht die folgende MathPlus-Umgebung (Abb. I):

(!)y1

=2 X

~ : I 10

I 8 /

1/ / 6

11 4

\ ;/ 2

Y1 kl--0 - - ---- ---4 x .2/ 0 2 4

(!)y2=mx+l

(!) m = 20+ h _ 20 h

6 m = 1.5 Calculate

(!)h=2

Abbildung 1

I I I I

L

Durch die interaktive Verknüpfung, die das CAS realisiert, wird eine Änderung von h na­hezu ohne Zeitverzug auf die übrigen Terme wie auch auf die graphische Darstellung übertragen. Ändert man also (durch Überschreiben) den Wert von h, so wird m entspre­chend neu berechnet. Die Änderung von m wiederum wirkt sich auf die damit verknüpfte Geradengleichung fiir Y2 aus, und schließlich auf ihre graphische Repräsentation, die Sekante durch die Punkte (0; I) und (h;2

h), die sich dann entsprechend der Änderung von

h um den Fixpunkt (0; I) bewegt. Hierzu wurde folgende Arbeitsanweisung gegeben:

Setzen Sie rur h einige Zahlenwerte ein und beobachten Sie die Auswirkungen.

a) Wie wirkt sich die Änderung von h auf die übrigen Terme bzw. Graphen aus?

b) Welche Gerade entsteht filr h = 2? Wie groß ist dann die Steigung m?

c) Die Funktion Yl = 2x beschreibt das Wachstum einer Bakterienkolonie, bei der sich die vorhandene Fläche (in cm2

) jeden Tag verdoppelt. Was bedeutet in

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diesem Fall h = 2 und welche Bedeutung hat dann der entsprechende Wert fur m?

d) Wie muss h gewählt werden, damit die Gerade durch die Punkte (0; 1) und (-1, 1/2) verläuft? Wie groß ist dann m?

Diese Fragen wurden von allen Schülerinnen und Schülern im Laufe der Arbeitsphase schriftlich beantwortet. Die Auswertung dieser Fragen belegt eine produktive Rolle des Computers, die manchen von ihnen wohl erstmals den Zusammenhang zwischen der Termstruktur des Differenzenquotienten und der entsprechenden graphischen Reprä­sentation verdeutlichte. Sie machten dabei von der interaktiven Variationsmöglichkeit regen Gebrauch, so wurden etwa - was sonst eher unüblich ist - positive und negative, auch vom Betrag her sehr große Zahlenwerte rur h eingesetzt und entsprechend der Fra­gen gedeutet 1 I. Schließlich wurde als letzte Aufgabe des Arbeitsblatts folgende Frage ge­stellt, die den Ausgangspunkt des nun folgenden Transkripts bildet:

e) Berechnen Sie eine möglichst genaue Näherungslösung rur die Tangenten­steigung im Punkt (0; 1). Was bedeutet dieser Wert, wenn man die Funktion

YI = 2x - so wie in Frage c) - als Wachstumsprozess auffasst?

4 Anka, Julia & Melanie - Probleme mit dem Grenzwert

Verfolgen wir nun die Schülerinnen Anka, Julia und Melanie beim Bearbeiten dieser Aufgabe. Die im Folgenden dokumentierte Unterrichtspassage liegt am Ende einer re­gulären Doppelstunde eines Mittwoch Nachmittags im Herbst 1995. Sie hat eine Dauer von ca. 12 Minuten, das dazugehörige Transkript hat eine Länge von 263 Zeilen. Zur besseren Übersichtlichkeit wird das Transkript in drei inhaltlich eng zusammenhängende Episoden gegliedert:

1. Was ist denn eigentlich der Grenzwert? Bei dem Versuch, zwischen Differenzenquotient und Differentialquotient zu unter­scheiden, wirft Julia die Frage auf, was "Grenzwert" eigentlich bedeutet. Anka ver­sucht ihre Frage zu beantworten.

2. Kann die Steigung null werden, wenn h beliebig klein wird? Die Schülerinnen stoßen auf die Frage, was mit der Steigung m passiert, wenn h sich immer mehr der 0 nähert. Wird die Steigung dann auch O? Sie versuchen ihre Frage mit Hilfe des Computers zu klären.

3. Warum kann manfür h nicht null einsetzen? Anka und Julia können ihr Problem nicht klären und suchen Hilfe bei Melanie, einer Mitschülerin. Dabei geht es um die Frage, ob bzw. warum man im Differenzenquo­tienten nicht 0 rur h einsetzten darf.

11 Einzelheiten hierzu finden sich in einer demnächst erscheinenden Projektauswertung.

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Diese Episoden werden nun - gegliedert in einzelne Szenen - ausschnittweise betrachtet. Die Interpretation der einzelnen Szenen beginnt ausgehend von den Schülertranskripten zunächst auf der Beschreibungsebene und geht dann zur Erklärungsebene über. Diesen beiden Ebenen entsprechen die folgenden methodischen Leitfragen:

• Deskriptives Nachzeichnen der subjektiven Schülerlogik. Welche subjektiven Vor­stellungen bzw. Deutungsmodelle werden in den Lösungsversuchen der Schülerinnen deutlich? Inwieweit lassen sich dabei individuelle Denkmuster bzw. Lösungs­strategien nachzeichnen?

• Vergleichende Einbeziehung präskriptiver Kategorien. Inwieweit lassen sich Denk­prozesse der Schülerinnen mit vorhandenen didaktischen Begriffen und Modellen er­fassen und erklären?

Ein besonderes Interesse dieser Fallstudie gilt der Frage, inwieweit sich die Auseinander­setzung mit dem Grenzwertbegriff aus der Perspektive der genetischen Begriffsbildung erfassen lässt. Es wird daher folgende weitere inhaltliche Leitfrage verfolgt:

• Inwieweit spiegeln sich in den Lösungsversuchen der Schülerinnen allgemeine Phä­nomene i. S. des genetischen Prinzips bzw. damit zusammenhängende epistemologi­sche Probleme der Begriffsbildung wider?

Schließlich handelt es sich um eine Unterrichtssituation innerhalb einer computergestütz­ten Lemumgebung, was die Frage motiviert:

• Wie beeinflusst die computergestützte Lemumgebung die Denk- und Lösungsstrate-gien der Schülerinnen?

Auf eine zusammenhängende Sachanalyse des mathematischen Gehalts der folgenden Szenen wird an dieser Stelle verzichtet; statt dessen werden sachliche Überlegungen und Erklärungsmodelle im Zusammenhang mit der Interpretation an den Stellen erörtert, an denen sie vom Transkriptmaterial her Wichtigkeit erlangen. Im übrigen werden die didaIetischen Grundlagen zum Analysisunterricht, insbesondere zur Behandlung des Grenzwert- und Ableitungsbegriff, vorausgesetzt; hier verweise ich auf die Standardlite­ratur I2. Auch zum methodischen und theoretischen Rahmen interpretativer Fallstudien sei hier auf die Literatur verwiesen 13.

12 Siehe etwa Blum & Törner [1983], Knoche & Wippermann [1986], Hischer & Scheid [1995] bzw. Tietze, Klika& Wolpers [1997].

13 Siehe zum allgemeinen methodischen und theoretischen Rahmen Maier & Voigt [1991] bzw. Maier & Voigt [1994]; zur Verbindung von deskriptiver und präskriptiver Analyse zur Beschrei­bung und Erklärung von Schülerstrategien siehe vom Hofe [1992] bzw. [1998].

Probleme mit dem Grenzwert 267

4.1 Erste Episode

Anka und Julia bearbeiten die Aufgabe e) des Arbeitsblatts. Neben dem Computer und dem Arbeitsblatt ziehen sie ihre Aufzeichnungen aus der vorhergehenden Stunde hinzu, in denen es u. a. um eine Wiederholung der Begriffe "Differenzenquotient" und "Diffe­rentialquotient" ging.

4.1.1 Erste Szene

11 Julia: 12 13 Anka: 14 15 Julia: 16 Anka: 17 18 Julia: 19 Anka: 20 Julia: 21 Anka: 22 Julia: 23 Anka: 24 25 Julia: 26 Anka: 21 28 29

Was heißt das denn? Ich weiß überhaupt nicht, was Limes heißt. Limes heißt Grenzwert. Und wenn h gegen null strebt, also wenn h kleiner wird ... So, wie wir jetzt gemacht haben, einmillionstel? Dann kriegt man den Grenzwert raus, wenn man das so einsetzt. Ja, was ist denn der Grenzwert? Das ist der Grenzwert. Deutet auf m. m!? Ja. Der Grenzwert zu was? Der Grenzwert zur Tangente, eigentlich, von Sekante zu Tangente. Was ist denn ein Grenzwert? Es bleibt ja immer 'ne Sekante. Es ist nur 'ne Annäherung an die Tangente. Der Grenzwert ist eine möglichst ... Weißte, das is', das harn wir, genau, das harn wir gehabt. Also ...

Die Szene beginnt mit einem Problem von Julia: Sie stößt in ihren Aufzeichnungen auf die Formulierung "Limes h strebt gegen null" und kann damit wenig anfangen. Sie wen­det sich an Anka: "Was heißt das denn? Ich weiß überhaupt nicht, was Limes heißt" (11-12). Anka übersetzt "Limes" mit "Grenzwert" (13). Gleichzeitig versucht sie zu erklären, wie man zum Grenzwert gelangt: "Wenn h gegen null strebt, also wenn h kleiner wird ... " (13-14). Dabei wird sie von Julia unterbrochen: "So, wie wir jetzt gemacht haben, ein­millionstel?" (15). Julia meint damit das Einsetzen des Bruches "einmillionstel" fiir h. Hierauf bezieht sich offenbar auch Anka, die mit ihrer Erklärung fortfährt: "Dann kriegt man den Grenzwert raus, wenn man das so einsetzt" (16-17). Diese aus sachlicher Sicht nicht unproblematische Formulierung lässt unterschiedliche Interpretationen zu:

a) Anka meint: Wenn man eine sehr kleine Zahl einsetzt (einmillionstel), so bekommt man das exakte numerische Ergebnis tUr den Grenzwerts heraus; dabei ist vermutlich an die Ausgabe des Computers gedacht:

b) Mit "den Grenzwert herausbekommen" meint sie eine Zahl herauszubekommen, die den Grenzwert näherungsweise, fast genau, bestimmt.

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c) Anka meint bei den Worten "wenn man so einsetzt" mit "so" "auf diese Weise" bzw. "immer so weiter", sie denkt in diesem Falle an einen Prozess, durch den man schließlich den Grenzwert "rausbekommt" , in dem man sich diesem immer mehr an­nähert und diesen dadurch beliebig genau bestimmen kann.

Während der ersten Möglichkeit eine Fehlvorstellung zugrunde liegen würde, kann man in den beiden anderen Ansätze rur adäquate Deutungen erblicken. Was auch immer Anka gemeint haben mag - es wird sich im Laufe des Weiteren klären - Julia geht nicht darauf ein. Offensichtlich möchte sie nicht in erster Linie wissen, wie man den Grenzwert rausbekommt, sondern was der Grenzwert ist. (18)

Anka beantwortet Julias erneute Frage "Ja, was ist denn der Grenzwert?" mit "m", wobei sie auf den entsprechenden Term auf dem Bildschirm deutet (19-20). Dort ist der Zah­lenwert von m fiir h = 1/1 000 000 zu sehen: m = 0.69315. Diese Antwort scheint fiir die Variante a) oder b) der obengenannten Deutungsmöglichkeiten zu sprechen. Bei Julia löst sie Unverständnis aus. Sie konkretisiert daraufhin ihre Frage: "Der Grenzwert zu was?" (22)

Anka antwortet mit einer neuen zweideutigen Erklärung: "Der Grenzwert zur Tangente, eigentlich, von Sekante zu Tangente". Und auf Julias erneute Frage, was der Grenzwert "ist", konkretisiert sie sich: "Es bleibt ja immer 'ne Sekante. Es ist nur 'ne Annäherung an die Tangente". (23-29)

Bereits in dieser kleinen Passage lassen sich zwei unterschiedliche Grundhaltungen er­kennen, die das Denken der Schülerinnen bestimmen und auch im weiteren Verlauf eine Rolle spielen werden:

• Julia, in der Rolle der Fragenden, möchte wissen, was der Grenzwert ist.

• Anka hingegen erklärt in ihren Ausruhrungen vor allem, wie man zum Grenzwert kommt, sie versucht also Julias Frage nach dem Grenzwert zu beantworten, indem sie den Grenzprozess beschreibt. Dabei sind ihre Erklärungen nicht immer konsistent und zum Teil mehrdeutig.

Begriffliche Unklarheiten deuten sich in der Beziehung zwischen Grenzwert und Grenz­prozess an, und zwar auf der rechnerischen Ebene:

"Wenn h gegen null strebt, also wenn h kleiner wird ... dann kriegt man den Grenzwert raus, wenn man das so einsetzt" (13-17);

und auch auf der geometrischen Ebene:

"Der Grenzwert zur Tangente, eigentlich, von Sekante zu Tangente ... " (23-24)

In den Gedanken der Schülerinnen werden somit zwei grundlegende Problemfelder ma­thematischer Begriffsbildung deutlich:

Probleme mit dem Grenzwert 269

Der Gegensatz bzw. die Beziehungen

(I) zwischen geometrischer und rechnerisch-algebraischer Darstellungsform;

(2) zwischen Objekt- und Prozesscharakter bzw. zwischen statischer und dynamischer Betrachtungsweise.

Das erste Problem konkretisiert sich hier in den Darstellungsformen der Funktionen, welche die Sekanten beschreiben, den Termen bzw. Gleichungen und den entsprechen­den geometrischen Objekten. Das zweite Problem drückt sich im Verhältnis zwischen Grenzwert und Grenzprozess aus; es erinnert dabei an bekannte Fragen aus der Analysis­didaktik14, z. B. der, ob der Grenzwertprozess zum Grenzwert fuhrt, und wenn ja, in wel­chem Sinne.

Hinter dieser Objekt-Prozess-Unterscheidung lässt sich ein tieferes Problem erblicken, das mit dem Verständnis des Verhältnisses zwischen den Gliedern einer konvergenten Folge und dem Folgengrenzwert zusammenhängt und damit das Verhältnis zwischen in­tuitiver Verstehensbasis und mathematisch-formaler Präzisierung berührt. Die sachliche Grundlage dieses Spannungsverhältnisses lässt sich etwa durch die folgende tabellarische Gegenüberstellung aufzeigen:

r········································Thi~iti~e··ve~stehe~·~b~·~·i~····················T~~th:~"f~~~ie·p~ä~i~ie~i········l

["F~·ige····························T~e·~~~~de~eih~g·~~~ß"je~e~~····T~~·~~·;~~~~·:···N·==;·9l··············l ! ! ten, 10 der Regel nach emer Ge- ! ! : : setzmäßigkeit : : i ........................................... ~ ....... ·· ................................................................. i ................................................................... i : Folgenkonvergenz : einem Ziel zustreben, sich belie- i Konvergenzkriterien i ! ! big verdichten! !

t·F~ig~~g~~;;:~~rt······-t-däs·ii~i""d·es:p~öi~~~~s~··(i"äs·~:·ü······h)~fi~itio~··des·G~~~~ert~s·· .. ·····1 ! ! nie erreicht, aber als ideelle Ver- ! ! ! ! vollständigung gedacht wird; es ! ! : i verkörpert die Stelle der größten 1 :

i : Verdichtung 1 i ~ ........................................... i ......................................................................... J ................................................................... 1

Eine schwierige gedankliche Herausforderung fur Lernende liegt dabei in folgendem Sachverhalt: Der Grenzwert ist in der Regel kein Bestandteil der Folge, er ist vielmehr die ideale Ergänzung (deren Existenz durch die Vollständigkeit der reellen Zahlen gesi­chert ist). Als "ideal" erweist sich dieses neue Element in doppelten Sinne: Zum einen genügt es in optimaler Weise den oben genannten intuitiven Forderungen, zum anderen lässt es sich auf formaler Ebene als theoretisch wohlbestimmtes Objekt beschreiben.

14 Vgl. Blum & Tömer [1983], Bender [1991]

270 R. vom Hofe

Die hinzugefiigten idealen Objekte haben häufig andere mathematische Eigenschaften als die Folgenglieder: So kann etwa der Grenzwert einer Folge rationaler Zahlen eine irra­tionale Zahl sein - und charakteristisch fiir eine Tangente, die sich als Grenzlage einer Sekantenfolge darstellt, ist gerade der Verlust der Sekanteneigenschaft.

Hinsichtlich des Folgengrenzwertes gibt es verschiedene mathematische Aktivitäten, die den Schülerinnen mehr oder weniger bekannt sind:

• Nachweis der Existenz. Wie in Grundkursen allgemein üblich wurden auch im vor­hergehenden Unterricht der beiden Mädchen Existenzüberlegungen wenig thema­tisiert.

• Bestimmung des Grenzwerts. Hier sind Erfahrungen sowohl aus der Differentialrech­nung als auch aus der Integralrechnung in fiir Grundkurse üblicher Art vorhanden.

• Näherungsweise Bestimmung von Grenzwerten. Auch hier sind entsprechende Erfah­rungen vorhanden, die im Zusammenhang mit der Einfiihrung der Ableitung bzw. des Integrals gemacht wurden, sowohl in arithmetischer als auch in geometrischer Hin­sicht.

Aus sachlicher Sicht beruht das Verfahren der näherungsweisen Bestimmung von Grenzwerten - etwa durch die Berechnung von Folgengliedem, mit genügend großer Platzziffer - auf der optimalen Angepasstheit des Grenzwertes an den Entwicklungspro­zess der Folge. ,Es kann zu dem .Irrtum verleiteten, man könne den Grenzwert auf diese Weise endgültig "rauskriegen". Eine theoretisch exakte Ermittlung ist dagegen nur möglich, indem man sich von der Betrachtung einzelner Folgenglieder löst; dies bedarf eines gestaltenden Blicks oder zumindest einer verständigen Anwendung formaler Kriterien.

In Ankas Argumentation werden einige dieser Aspekte und Probleme deutlich: Sie hat die Entwicklung der Folge im Blick (13) und die Möglichkeit, den Grenzwert näherungs­weise zu bestimmen (16). Sie weiß weiterhin, dass der im vorliegenden Falle zu berech­nende Grenzwert "zur Tangente gehört" und damit "eigentlich" den Übergang "von Se­kante zur Tangente" betrifft (23-24). Schließlich scheint sie auch zu wissen, dass der Nä­herungsprozess "eigentlich" nicht die Tangente liefert, denn "es bleibt ja immer 'ne Se­kante" (26). Unklar bleibt dabei zunächst, ob bzw. inwieweit Anka der Unterschied zwi­schen der näherungsweisen und exakten Bestimmung klar ist. Wir werden diese Zu­sammenhänge an späterer Stelle genauer betrachten.

Welche Rolle spielt bislang der Computer? Er wird als "Operator" benutzt: Die Schüle­rinnen geben numerische Einsetzungen ein (z.B. h = 1/ 1 000 000) und betrachten die unmittelbar daraufhin auftauchenden Ausgaben. Durch die Parametervariation werden die Elemente der betrachteten Funktionenklasse variiert, was sich insbesondere an der Veränderung der Graphen zeigt; man variiert also ganze Funktionenl5 . Wir werden im

15 In diesem Sinne kann man vom Umgang mit Funktionen auf der Objektebene sprechen; vgl. hierzu im Einzelnen Vollrath [1989] bzw. vom Hofe [1996]

Probleme mit dem Grenzwert 271

Folgenden sehen, in welcher Weise die damit zusammenhängenden Möglichkeiten von den bei den Schülerinnen genutzt werden.

Julia versucht weiterhin, sich Klarheit über Ankas AusfUhrungen über Tangenten und Se­kanten zu verschaffen (vgl. 23-29). Betrachten wir hierzu die nächste Szene:

4.1.2 Zweite Szene

32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59

Julia:

Anka: Julia:

Anka:

Warte mal. Deutet auf den Bildschirmgraphen. Hier ist die Sekante. Ne Sekante ist die Verbin­dung zwischen zwei Punkten hab' ich gedacht, oder? Ja. Wo ist denn da der zweite Punkt von dem Teil? Ist bei der Ska1ierung nicht zu sehen. Also hier sind jetzt die zwei Punkte, neo Deutet auf eine schematische Zeichnung des Differenzenquotienten in ihrem Heft. Und dann hängt so die Sekante, neo Und wenn h kleiner wird, also das hier ist ja h, das da irgendwie, der Abstand da halt, genau der Abstand hier ist h dann, neo Und wenn das hier kleiner wird, wenn h nach da läuft, dann rutschen die Punkte ja immer weiter aneinander, neo Und dann liegen die irgendwann so dicht beieinander, dass Du die gar nicht mehr unterscheiden kannst. Macht im Heft einen Kreis um einen kleinen Ausschnitt des Graphen. Also kannst Du hier, sagen wir mal in dem Bereich hier, kannst Du nicht mehr genau sagen, wo die zwei sich aufhalten, weil die Zahlen werden ja als unendlicher. (Im Nordhessi­sehen wird "als" synonym zu "immerfort" gebraucht.) Je kleiner Du h wählst, desto mehr Zahlen kommen dahinten dran. Zeigt auf m = 0.69315. Und Du kommst nie direkt auf die Null. Weil die Null ist ja dann die Tangente.

Julia versucht sich an ihrem Vorwissen über Sekanten zu orientieren: Eine Sekante ist "die Verbindung zwischen zwei Punkten" (33-34), aber "wo ist denn da der zweite Punkt ... ?" (37) Der zweite Punkt ist bei dem gewählten Wert rur h und bei der einge­stellten Skalierung nicht sichtbar (siehe Abb. 2):

272

(!)Yl=2X

~ : / 10

I , ,

g

/ 6 ,

/ , ,

4

!L /' 2

--7 Yl 0 -- - - ,/--- ---- - -- -

-~2 0 2 4 -

(!)y =mx+1 2

(!) m = 20+ h_ 20

h 6 m =0.69315

(!)h=_I-1000000

Calculate

Abbildung 2

R. vom Hofe

I I I I

L L

- -

I

Die aus sachlicher Sicht wünschenswerte Vorstellung, dass jeder numerischen Zuweisung fiir h der Punkt (h; 2h

) bzw. die dazugehörige Sekante entspricht, könnte den Zusammen­hang zwischen Differenzenquotient und Sekante auch dann transparent machen, wenn sich - wie hier - der entsprechende Sachverhalt nicht mehr visuell nachvollziehen lässt. Julia scheint hier anders zu denken: Sie orientiert sich daran, was sie sieht. Das, worum es aus sachlicher Sicht geht, spielt sich jedoch jenseits des Sichtbaren ab, nämlich im Bereich der Vorstellung. Anka versucht nun in einer längeren Passage Julias Fragen zu klären. HierfUr bezieht sie sich auf eine schematische Zeichnung des Differenzen­quotienten in ihrem Heft, bei der h deutlich als Strecke erkennbar ist und bei der beide Punkte der entsprechenden Sekante gut sichtbar sind. An diesen beiden Punkten "hängt" (42) - so Anka - die Sekante. Sie erklärt Julia, dass es sich bei h um den Abstand handelt; es ist anzunehmen, dass sie richtigerweise den Abstand zwischen den beiden entsprechenden x-Koordinaten meint. Danach beschreibt sie, ausfUhrlicher als in der er­sten Szene, den Grenzprozess: " ... wenn h kleiner wird, ... wenn h nach da läuft, dann rut­schen die Punkte ja immer weiter aneinander ... " (42-47). Und um Julias Frage zu klären, fUgt sie hinzu, dass diese "irgendwann so dicht beieinander" liegen, "dass du die gar nicht mehr unterscheiden kannst". Dabei deutet Anka mit ihrem Bleistift im Heft einen Kreis um einen kleinen Ausschnitt des Graphen an, der offenbar eine kleine Umgebung um dem Punkt (0;1) bezeichnen soll.

Probleme mit dem Grenzwert 273

Nun kommt aber nicht - wie man vielleicht gerade angesichts der Möglichkeiten des Computers erwarten könnte - die Erklärung, dass man durch eine geeignete Vergröße­rung bei jeder noch so kleinen Umgebung die beiden Punkte und somit den Sekanten­Charakter wieder sichtbar machen könne. Statt dessen gibt Anka eine fiir Außenstehende etwas merkwürdige Erklärung dafiir, dass man in einer sehr kleinen Umgebung keine zwei Punkte sieht: Man kann "nicht mehr genau sagen, wo die zwei sich aufhalten, weil die Zahlen werden ja als unendlicher" (52-54).

Ankas Erklärung, die zunächst eine gewisse begriffliche Klärung bringt, gleitet hier in mysteriöse Bahnen. Das Eigenartige ihrer Argumentation wird klarer, wenn man sich überlegt, welche Sichtweise fiir eine adäquate Sachdeutung hier angemessen wäre. Für den Umgang mit dem Grenzprozess lassen sich zwei charakteristische Gedanken unter­

scheidenl6:

• Zum einen ist es der Gedanke, die Folge der kleiner werdenden Abstände und der aufeinander zulaufenden Punkte als einen nicht endenden Prozess zu verstehen, der sich dennoch einem stabilen Zustand nähert.

• Zum anderen ist es die Idee, diesen Prozess in Gedanken anhalten zu können, das heißt Momentaufnahmen, Ausschnitte, einzelne Folgenglieder statisch zu betrachten. Dieser Gedanke erlaubt es, das mysteriöse "Unendlichkleine" wieder der rationalen Argumentation zugänglich zu machen.

Der letzte Gedanke liegt insbesondere dann zugrunde, wenn man sich klar macht, dass man sich jeden noch so kleinen Ausschnitt eines Graphen in Gedanken - oder mit dem Computer - vergrößern kann, und dass daher im Bereich des "Nichtsichtbaren" nichts Unkontrollierbares passieren kann.

Bei Anka ist der erste Gedanke, der Prozessaspekt, offensichtlich stark ausgeprägt. Die Erkenntnis, dass man sich auch bei noch so kleinen Umgebungen die prinzipiellen Eigen­schaften klarmachen kann, scheint bei ihr nicht vorhanden zu sein. Es fehlt der statisch­analytische Blick fiir das "Unendlichkleine", statt dessen werden die Dinge in Ankas Augen beim fortschreitenden Grenzprozess irgendwann schwammig und unkon­trollierbar: Die Punkte sind nicht mehr fassbar, denn man kann "nicht mehr genau sagen, wo die zwei sich aufhalten ... " (52-53).

Diese Ausmhrungen ergänzt sie mit einer merkwürdigen Erklärung: "Je kleiner du h wählst, desto mehr Zahlen kommen dahinten dran" (56-57). Hierbei deutet sie am Bild­schirm auf m = 0.69315. Mit diesen Zahlen meint Anka vermutlich die Nachkommastel­Ien des Differenzenquotienten m. Bei h = 2 hatte dieser mit dem Wert m = 1.5 nur eine Nachkommastelle - nun, bei h = 1 000000 sind es mit m = 0.69315 bereits mnf. Es sind also in Ankas Augen zwei Prozesse, die "immer unendlicher" werden: Einerseits, die Werte mr h, die unendlich klein werden, andererseits die NachkommastelIen von m, die unendlich viele werden. Erstaunlich ist ihr merkwürdiger Schlusssatz: "Und du kommst

16 Vgl. Fischbein [1979], Blum & Törner [1983], Bender [1991]

274 R. vom Hofe

nie direkt auf die Null. Weil die Null ist ja dann die Tangente" (58-59). Was meint Anka damit? Auch hier gibt es verschiedene Interpretationen:

• Möglicherweise meint sie, dass in der Entwicklung der NachkommastelIen von m ständig neue von null verschiedene Ziffern produziert werden. Der Kontext der Zei­len 56-57 ließe sich so deuten.

• Vielleicht meint Anka, dass m niemals "direkt auf die Null kommt" (58-59), dass also die Steigung niemals 0 wird. Diese Deutungsvariante wird in der folgenden Episode zum Thema.

• Vieles spricht jedoch auch dafiir, dass sie meint, dass h niemals 0 werden kann. Eine Erklärung hierfiir kann in dem vermeintlich sinnlosen Satz "Weil die Null ist ja dann die Tangente" erblickt werden, wenn man davon ausgeht, dass hier statt einer Identi­fizierung eine Zuordnung ausgedrückt werden sollte, und der Satz also so zu verste­hen ist: "Weil die Null gehört ja zur Tangente".

Falls die letzte Deutung zutrifft, so gibt es aus Ankas Sicht im Zusammenhang mit dem Grenzprozess drei verschiedene Phasen:

• Zu positiven Werten filr h - auch zu recht kleinen - gibt es entsprechende Sekanten.

• Dem Wert h = 0 entspricht - auf eine zunächst noch nicht näher beschriebene Weise -die Tangente.

• Dazwischen, filr unendlich kleine h, gibt es so etwas wie eine Grauzone, wo nicht feststellbar ist, wo sich die einzelnen Punkte aufhalten.

Inwieweit Julia Ankas Argumentation folgt und wie sie dazu steht, wird in dieser Szene zunächst nicht deutlich. Betrachten wir hierzu die dritte Szene dieser Episode:

4.1.3 Dritte Szene

62 Julia: 63 64 65 Anka: 66 67 68 Julia: 69 Anka: 70 Julia: 71 72 Anka: 73 74 75 76 77

Zeigt auf m = 0.69315 Also, wenn wir jetzt h noch kleiner machen würden, würd's dann zum Beispiel zu null zwei oder so was kommen? Ja! Dann machen wir das doch mal oder? Geht mit der Maus auf h = 1/1 000 000. Wieviel Nullen wollen wir denn dranballern? Viele. Also, eins durch 1,2,3,4,5,6,7,8,9 ... Haste schon gedrückt? Nimm mal noch mehr. Kommt nichts. Doch hab' ich schon. Gibt immer mehr Nullen ein. Das rechnet der sich von alleine aus. Guck mal aber, guck Dir doch mal die Zahl an. Zeigt auf m = 0.692 ... Siehste zwei. Jetzt kommt's da auf 'ne zwei und eben war's noch 'ne drei. Meint die dritte Nachkommastelle. Gibt Nullen ein, bis der

Probleme mit dem Grenzwert

78 79 80 Julia:

Rechner den Wert für h nicht mehr verarbeiten kann. Scheiße ... Jetzt calculatets uns nicht mehr?

275

Den beiden Schülerinnen ist weiterhin nicht klar, was in der "Grauzone für unendlich kleine h" mit m passiert. Aus Julias Frage lassen sich nur vage Vermutungen ablesen: "Also, wenn wir jetzt h noch kleiner machen würden, würd's dann zum Beispiel zu null zwei oder so was kommen?" (62-64). Meint sie, dass in der Dezimalbruch-Entwicklung irgendwo im Sinne einer "Stabilisierung der Nachkommastellen" z. B. die Ziffernfolge 0, 2, ... auftauchen könnte? Oder meint sie, dass der Differenzenquotient irgendwann in die­sem Prozess den Wert m = 0,2 ... annehmen kann? Oder meint sie etwa, dass die Werte der Folge immer kleiner werden und sich schließlich dem Wert 0 annähern und dass der Wert 0,2 ... eine Zwischenstation auf diesem Wege sei?

Wie auch immer, die Schülerinnen versuchen ihre Frage mit dem Computer zu klären. An den Nenner von h = 1/1 000 000 werden "viele Nullen drangeballert" (66-68). Sie beobachten die Entwicklung der Zahlenwerte; bei der entsprechenden Graphik ist in die­sem Bereich keine sichtbare Änderung mehr zu erkennen. Beide Schülerinnen betreiben dieses Spiel mit Interesse und Spannung.

Natürlich scheitert dieser Klärungsversuch. Die Schülerinnen müssen feststellen, dass auch der Rechner ab einer gewissen Grenze seine Dienste einstellt: " ... jetzt calculatets uns nicht mehr?" (80). Zusätzlich führen die letzten Ausgaben des Rechners, die er kurz vor seinem Zusammenbruch produziert, zu falschen Fährten: Die Änderung der dritten Nachkommastelle von 2 auf 3 ist nicht etwa eine mit zunehmender Verkleinerung von h auftretende Vergrößerung der Genauigkeit des Ergebnisses, sondern auf interne Run­dungsfehler zurückzuführen. Dieses erkennen die Schülerinnen nicht. Sie merken jedoch, dass der Rechner ihre Eingaben ab einer gewissen Größe des Nenners nicht mehr verarbeiten kann, und stellen die alte Zuweisung h = 1/ 1 000 000 wieder herl7 .

Betrachten wir an dieser Stelle noch einmal die letzten Szenen im Zusammenhang: Aus­gehend von der Frage, was der Grenzwert sei bzw. wie man den Grenzwert bekommt, versuchen die beiden Schülerinnen eine Vorstellung davon zu gewinnen, was es bedeutet, wenn h "immer kleiner" wird, und geraten in erhebliche Schwierigkeiten. Bei der Idee, Momentaufnahmen des Grenzwertprozesses statisch zu betrachten, hätte der Computer ein geeignetes Mittel zur Verfügung gehabt, einer Lösung ihrer Probleme näher zu kommen, nämlich das "Funktionenmikroskop" 18. Die Schülerinnen sehen oder gehen diesen Weg jedoch an dieser Stelle nicht. Sie benutzten den Computer auf eine naive

17 Möglicherweise werden die Schülerinnen hier auch von der Vorstellung der Möglichkeit eines "Durchlaufens des Grenzprozesses bis zu seinem Ende" geleitet, wobei denkbar ist, dass sie diese Fähigkeit dem Computer zutrauen, der ja auch sonst durch seine rechnerischen Möglichkeiten verblüfft (vgl. Bender [1991]). Dieser Aspekt tritt im weiteren Verlauf der Fallstudie deutlicher zutage und wird an späterer Stelle erörtert.

18 Vgl. Kirsch [1979]

276 R. vom Hofe

Weise und versuchen, mit seinen rechnerischen Möglichkeiten etwas mehr in die unbe­kannte Grauzone des Unendlichkleinen vorzustoßen - und scheitern, da es an dieser Stelle eben nichts nützt, die Folge der Sekantensteigungen um ein weiteres endliches Stück weiterzufiihren.

Hierbei wird klar, dass der Schlüssel zum Verständnis in einer tragfiihigen Vorstellung liegt, die vielleicht durch sinnvolle Visualisierung gefördert, nicht jedoch durch irgend einen Prozess des Real-Sichtbaren oder Real-Durchführbaren ersetzt werden kann l9. Die Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen dem, was real-durchfiihrbar, und dem, was rationaler Vorstellung zugänglich ist, ist ein uraltes didaktisches Thema. Bereits Euler [1766] betont sie in seiner "Vollständigen Anleitung zur Algebra", wo er im Zusammenhang mit einer Erörterung der "Natur der Brüche", die Frage untersucht,

"ob der Nenner nicht so groß angenommen werden könne, dass der Bruch gänzlich verschwinde und zu Nichts werde?" (Euler [1766] S. 39)

Zur Erläuterung, dass dieses unmöglich sei, benutzt er die Metapher eines Vergröße­rungsglases, das jeden noch so kleinen Bruch wieder sichtbar machen könne, wobei er unterscheidet zwischen dem, was "wirklich verrichtet werden kann" und einem Vorgang, der "an und für sich möglich ist" und nur in Gedanken vollzogen werden kann. Letzteren erklärt er als maßgeblich für die Vorstellung des über alle Grenzen gehenden Ver­größerns bzw. Verkleinerns20.

Auch der Computer mit seinem endlich-diskreten Charakter kann trotz seiner gewaltigen Möglichkeiten in diesem entscheidenden Punkt die Kraft der Vorstellung nicht ersetzen; man kommt nicht umhin, das Geschehen in Gedanken fortzusetzen. Der Versuch, mit dem Computer mittels naiv manipulierten diskreten Schritten die Unendlichkeit zu be­greifen, kann dagegen genauso in die Irre führen, wie der Versuch, Eulers Vorstellung einer beliebigen Verkleinerung mit einem realen Vergrößerungsglas auf die Spur zu kommen.

4.2 Zweite Episode

Anka und Julia geben nicht auf. Wie man auf dem diesem Transkript zugrunde liegenden Videoband sehen kann, lächeln sie nach ihrem gescheiterten Versuch, ein Lächeln, in dem sich etwas Verlegenheit ausdrückt, als wollten sie sagen, dass sie eigentlich wissen hätten können, dass der Computer seine numerischen Grenzen hat. Die Dynamik und die Lebhaftigkeit ihres Gesprächs bleiben aber ungebrochen, und sie versuchen weiter zu klären, was es mit dem Grenzwert auf sich hat. Während in der ersten Episode Julia durchgängig die Rolle der Fragenden und Anka die der Erklärenden hatte, ändert sich diese Rollenverteilung in den folgenden Szenen. Anka wird nach dem Klärungsversuch

19 Vgl. Fischbein [1989] bzw. Hering [1989]

20 V gl. hierzu vom Hofe [1995] S. 19ff

Probleme mit dem Grenzwert 277

mit dem Computer, dessen Scheitern auch sie nicht vorausgesehen hat, etwas vorsichtiger und zurückhaltender. Entsprechend verstärken sich die aktiven Anteile Julias. Das Ge­spräch der beiden Schülerinnen handelt weiterhin von der Frage, was in der "Grauzone" passiert, wenn h "immer kleiner" wird. Nach dem gescheiterten numerischen Versuch wenden sie sich nun der Bildschirm-Graphik zu. Bereits in der ersten Episode gab es ei­nige Passagen, in denen die subjektive Sichtweise zum Ausdruck kommt, dass bei ver­schwindendem h schließlich auch die Steigung m null werde, bzw. dass die Grenzlage der Sekante möglicherweise eine Waagerechte sei. Julia äußert nun konkret die Vermu­tung eines solchen Zusammenhangs, Anka argumentiert dagegen:

4.2.1 Erste Szene

94 Anka: 95 96 Julia: 97 98 99

100 Anka: 101 Julia: 102 103 Anka: 104 105 106 107 108 109 110 111 112 Julia: 113 Anka: 114 115 116 Julia: 117 Anka: 118

Ja, wir harn ja immer noch die zwei Punkte, die aufeinander zulaufen. Aber wenn wir dann null machen, dann ist doch da eigentlich gar kein Punkt mehr, oder? Verstehste, da ist doch gar keine Differenz mehr. Die Steigung, wir reden ja nur von ... Nee, wir reden ja von h. Aber m ist die Steigung. h ist nicht die Steigung. Ja, aber wir machen das ja so klein, dass der Abstand so klein wird, aber das kann doch ... Zeigt mit dem Stift auf dem Bildschirm, wie eine Gerade mit der Steigung null durch den betrachteten Punkt verlaufen würde. Du siehst doch, das kann doch nie null werden. Die Steigung kann ja nie null werden, weil's ja sonst voll da durchschneidet. Das muss ja immer so'n bisschen schräg da dranliegen. Warum denn? Ich versteh's echt nicht. Zeigt mit der Maus auf die Sekante. Das Ding hier, das Ding hier, das kann niemals grade liegen. Warum? Weil das ja immer noch den äußeren Kontakt mit dem einen Minipunkt da haben muss.

Bereits in der ersten Szene der ersten Episode zeigten sich unterschiedliche charakteri­stische Grundhaltungen in der Interpretation dessen, was "Limes h gegen 0" bedeutet. Sie fmden sich zu Beginn dieser Szene wieder. Anka denkt weiterhin an einen Prozess: "wir harn ja immer noch die zwei Punkte, die aufeinander zulaufen" (94-95). Julia denkt of­fenbar anders: "Aber wenn wir dann null machen, dann ist doch da eigentlich gar kein Punkt mehr, oder? Verstehste, da ist doch gar keine Differenz mehr" (96-99). Im Gegen­satz zu Anka beschreibt Julia mit den Worten "null machen" keinen Prozess, sondern eher einen statischen Zustand, bei dem h den Wert 0 annimmt. Bei diesem Zustand gibt

278 R. vom Hofe

es keinen zweiten Punkt mehr, der auf den ersten zuläuft, genauso wenig gibt es dann eine Differenz der x-Koordinaten.

Das eigentliche gedankliche Problem, mit dem die Schülerinnen hier ringen, liegt jedoch tiefer, als es das duale Beschreibungsmuster Objekt-Prozess zunächst erscheinen lässt: Ihre Gedanken kreisen um eine Grundeinsicht, um deren Präzisierung man in der Geschichte der Analysis wohl sehr lange gerungen hat und die sich etwa so artikuliert:

• Geometrisch: Zwei aufeinander zu laufende Punkte können eine wohl bestimmte Grenzrichtung bzw. eine entsprechende Grenzgerade festlegen.

• Arithmetisch: Eine Quotientenfolge mit gegen Null konvergierenden Nennern kann gegen einen wohlbestimmten endlichen Wert konvergieren.

Anka deutet mit einem Stift, den sie vor die Bildschirmgraphik hält, an, wie eine Gerade mit der Steigung null durch den betrachteten Punkt verlaufen würde, und erklärt: "Du siehst doch, das kann doch nie null werden" (105-108). Ihre Vorstellung von den zu­sammenlaufenden Punkten bestimmt dabei ihre Intuition: "Das muss ja immer so'n biss­chen schräg da dranliegen" (110-111). Null kann die Steigung dabei nie werden, "weil's

ja sonst voll da durchschneidet". Das "Ding21 " - gemeint ist die Sekante - kann niemals gerade liegen, "weil das ja immer noch den äußeren Kontakt mit dem einen Minipunkt da haben muss" (1l3-118).

Was ist für Anka ein Minipunkt? Folgt man der in Zusammenhang mit der zweiten Szene der ersten Episode aufgestellten Hypothese, so ist es ein Punkt aus der Grauzone des "Unendlichkleinen" - ein Punkt aus einer anderen Welt. Während man üblicherweise Punkte markieren kann, ist der Minipunkt nicht zu fassen. Dennoch hat er eine wichtige Funktion: Er stabilisiert die Sekante im Sinne eines äußeren Kontakts und macht somit die Grenzlage der Sekanten, also die Tangente, berechenbar. Gleichzeitig verhindert die Anbindung an den Minipunkt, dass die Tangente entartet, dass sie z. B. als Waagerechte "voll da durch schneidet".

Die Idee des Minipunktes und die gedankliche Schöpfung einer Zwischen- bzw. Über­gangswelt des Unendlichkleinen finden sich in vielen epistemologisch bzw. historisch nachweisbaren Vorstellungen wieder: in den frühen Schriftwechseln aus der Anfangs­phase der Differentialrechnung, im intuitiven Umgang mit Differentialen bei physikali­schen Überlegungen und begrifflich systematisiert im Gedankensystem der Nonstandard­Analysis. Es scheint sich hierbei in besonderer Weise um ein epistemologisches Grundphänomen zu handeln, das zutiefst mit der Sach- und Bedeutungsstruktur der Grenzwertbegriffs zusammenhängt22.

21 Hier wird deutlich, dass der Umgang mit dem Computer eine Tendenz erkennen lässt, den Ob­jektcharakter von Funktionen zu verstärken.

22 Vgl. hierzu H. N. Jahnke [1995] S. 44f; hier wird beschrieben, wie diese Idee in einer mathe­matikhistorischen Unterrichtsreihe von Schülern reflektiert wird.

Probleme mit dem Grenzwert 279

Zurück zu unseren beiden Schülerinnen. Ankas Minipunkt-Argumentation ist fiir Julia nicht nachvollziehbar. Ihr Verständnis setzt die Vorstellungen eines Prozesses zweier zu­sammenlaufender Punkte voraus. Julia hingegen denkt weiterhin an einen Punkt:

4.2.2 Zweite Szene

136 Julia: 137 138 Anka: 139 140 Julia: 141 Anka: 142 143 Julia: 144 145 146 Julia: 147 148 149 150

Deutet mit dem Finger eine horizontale Gerade an. Warum kann's denn nich' so durchgehen? Weil das nich' geht. Weil's doch nur einen einzigen Punkt macht. Wenn ich aber h zu null mache ... Ja, wenn ich h zu null mache isses ganz was anderes. Ja, das geht ja dann nicht. Du darfst ja h nicht zu null machen.

Du darfst doch nicht h zu null machen, weil man kann doch da unten ... zeigt auf den Differenzenquotienten . .. also ich kann's mir dadurch denken, dass ich nicht durch null teilen darf.

Die Vermutung aus den vorigen Szenen, dass Julia annimmt, bei verschwindendem h müsse schließlich auch die Steigung der Tangente null werden, bestätigt sich in den Zei­len 136-137: Sie deutet eine waagerechte Linie an und fragt: "Warum kann's denn nich' so durchgehen?" Anka bleibt bei ihrem Argumentationsmuster: Eine waagerechte Linie hätte nur einen Schnittpunkt, das widerspräche ihrer Minipunkt-Erklärung aus der ersten Szene dieser Episode. Julia kontert nun mit einem neuen Vorschlag, der eine gewisse Wende in den Fluss der Gedanken und Handlungen bringt: "Wenn ich aber h zu null ma­che ... " (140). Und Anka greift - erstaunlicherweise - den Gedanken auf: "Ja, wenn ich h zu null mache isses ganz was anderes" (141-142).

Bei Anka scheint sich hier ein Wechsel des dominanten Erklärungsmodells zu vollzie­hen: Während bisher ihre Argumentation über weite Strecken dafiir sprach, dass sie die Tangente als Grenzlage der Sekante auffasse, vermutet sie nun, dass die Tangente mögli­cherweise eine Existenz jenseits dieses Grenzprozesses haben könnte, eben dann, wenn h nicht gegen null strebt, sondern wenn h gleich null ist. Und dann passiert möglicherweise etwas "ganz was anderes" (141-142), aber was?

Betrachtet man die Interaktion der beiden Mädchen, so fällt auf, dass sich zugleich mit der inhaltlichen Wende auch die Rollen innerhalb der Kommunikation ändern, zum er­sten mal ergreift Julia die Initiative. Sie ist es auch, die sogleich Probleme sieht, lOh zu null zu machen", und Bedenken anmeldet: "Ja, das geht ja dann nicht. Du darfst ja h nicht zu null machen" (143-144), weil man durch null nicht teilen darf (146-150). Anka widerspricht ihr nicht und nickt zustimmend. Um so erstaunlicher ist der weitere Verlauf der Ereignisse:

280 R. vom Hofe

4.2.3 Dritte Szene

151 Anka: 152 153 154 Anka: 155 156 157 158 Julia: 159 Anka: 160 Julia: 161 Anka: 162 Julia: 163 164 Anka: 165 166 167 168 169 170 171

Skaliert den Graphen um. Also ich mach' ... wir jetzt erstmal h zu null.

Geht auf die Declarations. So, und jetzt machen wir das zu. So, und jetzt lass uns mal h zu null machen ... Gibt für h null ein und die Sekante verschwindet. Was passiert jetzt? Ja, die ist gar nicht mehr existent! Warum? Weil ... Du hast gesagt, sie würde gerade, wenn h null wär! Hab' ich gar nich' gesagt! Ich wusste's ja selber nich'. Stimmt, und da jetzt diese ... klar, das ist ja jetzt gar nicht mehr da. Jetzt harn wir ja noch nicht mal mehr 'n Abstand zwischen den zwei Punkten. Da hatten wir immer noch'n Miniabstand, also konnte's dadurch wandern, ne, bei diesen zwei Punkten. Und da jetzt h null ist, gibt's also nur x.

Zum zweiten mal wird der Computer eingesetzt um den Geheimnissen des Grenzwerts näherzukommen, und zum zweiten mal scheitert der Versuch. Anka gibt fiir h die Zu­weisung 0 ein, und mit Spannung erwarten die Schülerinnen das Ergebnis. Enttäuscht stellen sie fest, dass der Computer rur die Einsetzung h = 0 keinen Graphen produziert, auf dem Bildschirm verschwindet die zuvor dargestellte Sekante. "Was passiert jetzt?" (158) fragt Julia, und Anka bemerkt: "Ja, die ist gar nicht mehr existent!" (159). Offen­sichtlich hat Julia tatsächlich erwartet, dass bei der Einsetzung h = 0 eine Waagerechte produziert wird, ihr Vorwurf an Anka, sich geirrt zu haben, lässt dies vermuten (162-163). Anka gibt zu, dass sie selbst nicht wusste, was passieren wird. Es gelingt ihr jedoch rasch, ihre vorübergehende Ratlosigkeit zu überwinden: ~ie greift ihr vorheriges Gedankenmodell wieder auf. "Jetzt harn wir ja noch nicht mal mehr 'n Abstand zwischen den zwei Punkten. Da hatten wir immer noch 'n Miniabstand, also konnte's dadurch wandern, ne, bei diesen zwei Punkten. Und da jetzt h null ist, gibt's also nur x" (166-171).

Anka hat sich wieder auf gedankliches Gelände gerettet, das ihr Sicherheit gibt: Ihre Prozess-Vorstellung kann die Reaktion des Computers erklären. Interessant ist vielleicht, dass hier die Vorstellung des Miniabstands - der wohl ähnlich wie der Minipunkt ein etwas undurchsichtiges Element aus der Zwischenwelt des Unendlichkleinen ist - eine stützende Funktion beinhaltet: Man kann ihn nicht direkt sehen bzw. wahrnehmen; seine Existenz zeigt sich dennoch deutlich in der Sekante, die eben nur dann existieren kann,

Probleme mit dem Grenzwert 281

wenn es zumindest einen Miniabstand gibt. Wird der Abstand null, bricht die ganze Konstruktion zusammen.

4.3 Dritte Episode

Julia versteht auch in der letzten Erklärung nicht, was Anka gemeint hat. Sie resigniert je­doch nicht, sondern möchte weiterhin eine Klärung herbeiführen. Hierzu ergreift sie nun die Initiative und versucht, Anka ihre Sichtweise begreiflich zu machen:

4.3.1 Erste Szene

182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194

Julia:

Anka: Julia:

Anka: Julia:

Ja. Aber wenn h null ist, dann hab' ich ... ich hab' ja zwei Punkte, und wenn der Abstand zwi­schen zwei Punkten null beträgt, dann heißt das ja, dass eigentlich nur einen Punkt ... dass wir nur noch einen Punkt haben, oder? Ja. Das heißt also, dass es genau wie bei dem Dif­ferenzialquotient ist, dass ich dann nur noch einen Punkt habe. Ja. Nur noch den Punkt und keine ... Ja, dann kann's doch aber trotzdem 'ne Steigung geben, aber er rechnet mir hier keine Steigung aus!

Julias Argumentation liegen im Wesentlichen folgende Gedanken zugrunde:

• Wenn h gleich null ist, so ist auch der Abstand zwischen den beiden Punkten (auf die sich der Differenzenquotient bezieht) null. Die beiden Punkte fallen damit zusammen, man hat also nur noch einen Punkt. (182-186).

• Dies entspricht der Situation des Differentialquotienten, bei dem man auch "nur einen Punkt betrachtet". Hierbei hat Julia vermutlich das Bild einer Tangente an einen Punkt vor Augen (188-190).

• In diesem Punkt gibt es eine Steigung, nämlich die der (offensichtlich existierenden) Tangente. Warum rechnet der Computer diese aber nicht aus? (192-194)

In Julias Denkansatz werden zwei wichtige Problemfelder deutlich, die hier zur inhaltli­chen Konfusion beitragen:

• Zum einen zeigen sich Zuordnungsprobleme zwischen der arithmetisch-algebraischen und der geometrischen Repräsentationsebene, die sich im Kern bereits in früheren Passagen andeuteten.

• Zum anderen zeigen sich Schwierigkeiten im Verständnis der Begriffe "Sekante" und "Tangente".

282 R. vom Hofe

Betrachten wir, bevor wir diese Punkte näher erörtern, eine weitere und gleichzeitig letzte Szene, in der Julias Gedanken noch etwas transparenter werden. Nachdem ihre Diskussionen mit Anka, mit der sie innerhalb der gesamten Arbeitsphase am gleichen PC gearbeitet hat, keine Klärung bringen, wendet sie sich nun an Melanie, ihre Mitschülerin am Nebentisch. Melanie hat während der bisherigen Arbeitsphase mit einer anderen Schülerin am benachbarten PC-Arbeitsplatz die gleichen Aufgaben bearbeitet. Nun wird sie von Julia angesprochen, auch Anka wendet sich Melanie zu:

4.3.2 Zweite Szene

219 Julia: Wenn hier h null ist, warum rechnet'n er mir 220 nicht aus? Warum geht'n das nicht, dass h null

ist? 221 222 223

Melanie:Äm, weil Du ... pass auf ... Du darfst nicht

224 225 Julia:

durch h ... his' ja ... wenn h hier unten null ist, ne, dann darfste nicht durch null teilen. Ja, das kapier ich, aber warum geht das hier nicht mit dem Graphen? 226

227 Melanie:Weil Du nicht durch null teilen darfst. Dann 228 kann der Dir nichts ausrechnen. 229 Julia: Ach Leute! 230 Melanie:Wir hatten das auch. Das kann nur angenähert 231 null sein. 232 Julia: Warum denn? 233 Melanie:Weil das mathematisch nicht auszurechnen ist. 234 Julia: 235 236

Aber guck mal, wenn ich jetzt hier, sagen wir mal, zwischen dem einen Punkt und dem anderen ist äh ... die Differenz heißt doch die Diffe-

237 renz zwischen den beiden x-Werten. 238 Melanie: Ja. D9 Julia: Dann hab' ich also nur noch einen Punkt, wenn h MO null ist. 241 Melanie: Das ist immer 'ne Sekante, deshalb steht das ja 242 auch ... äm ... Näherungslösung für die Tangen-243 tensteigung. Näherungslösung ... also es kann 244 nie null sein. 245 Julia: Gibt's nie 'ne Tangente, oder was? 246 Melanie: Nee .

Julia beginnt mit der gleichen Frage, die sie bereits Anka gestellt hat: Warum rechnet der Computer bei h = 0 keinen Wert fiir maus? (219-221) Melanie antwortet mit einem be­kannten Argument: Man darf nicht durch 0 teilen. (222-224) Dies wusste Julia bereits, sie hat es selbst formuliert (143-150). Erstaunlich und aufschlussreich ist nun die fol­gende Frage: "Ja, das kapier ich, aber warum geht das hier nicht mit dem Graphen?" (225-226) Hier wird deutlich, dass Julia den Zusammenhang zwischen dem Term des Differenzenquotienten und der entsprechenden graphischen Darstellung nicht so be­trachtet, wie man dies im Sinne eines adäquaten Begriffsverständnisses erwarten würde.

Probleme mit dem Grenzwert 283

Sie akzeptiert, dass der Computer fiir h = 0 nichts ausrechnet (225-226), denn mit dieser Einsetzung verletzt man eine "Rechenregel", an die auch der Computer gebunden zu sein scheint. Aber warum wird nicht wenigstens ein Graph gezeichnet? Die geometrische und die arithmetisch-algebraische Welt scheinen fiir Julia hier zwei getrennte, unabhängige Bereiche zu sein, und offensichtlich überträgt sie diese Haltung auch auf den Computer. Demnach wäre es tUr sie nicht erstaunlich und auch kein Widerspruch, wenn der Com­puter bei der Einsetzung h = 0 zwar kein numerisches Ergebnis berechnen, aber einen Graphen erzeugen würde, ja sie erwartet dies sogar.

Wie kommt sie zu dieser Erwartung? Nachdem sie gerade in einer ausgedehnten Phase zu speziellen Differenzenquotienten entsprechende Sekanten erzeugt und die entspre­chenden Zuordnungen auf ihrem Arbeitsblatt weitgehend richtig kommentiert hat? (vgl. Kapitel 3) Wir werden diese Frage gleich etwas besser beantworten können.

Betrachten wir aber zunächst Melanies Erklärung. Sie beantwortet die Frage, warum bei h = 0 kein Graph produziert wird, damit, dass der Computer in diesem Fall nichts aus­rechnen kann (227-228). Möglicherweise meint sie damit - ohne es zu sagen - auch: "Und dass er in Folge dessen selbstverständlich auch keinen Graphen produzieren kann". Für ein solches Verständnis des Zusammenhangs zwischen Term und Gerade sprechen ihre weiteren Erläuterungen: "Wir hatten das auch. Das kann nur angenähert null sein," und sie tUgt hinzu: "Weil das mathematisch nicht auszurechnen ist" (230-233).

Julia kann dem offensichtlich nicht folgen. Sie versucht nun, Melanie ihre Argumentation darzulegen, die sie in ähnlicher Form in der vorigen Szene auch schon Anka vorgetragen hat (182-194). Doch schon bei dem ersten Schritt dieser Gedankenfolge, "wenn h null ist, habe ich nur noch einen Punkt" (239-240), wird sie von einem Einwand Melanies unterbrochen, der eine entscheidende inhaltlich Wendung bringt: "Das ist immer 'ne Sekante, deshalb steht das ja auch ... äm ... Näherungslösung tUr die Tangentensteigung. Näherungslösung ... also es kann nie null sein" (241-244). Erstaunt fragt Julia: "Gibt's nie 'ne Tangente, oder was?" (245)

Mit "deshalb steht das ja auch ... " meint Melanie vermutlich den Text der Aufgabe e) des

Arbeitsblatts, die den Ausgangspunkt der dargestellten Dialoge bildete23 . Melanie hat of­fensichtlich verstanden, dass der Fall h = 0 sich nicht sinnvoll auf den Differenzenquoti­enten anwenden lässt, dessen Reichweite eben nur tUr von null verschiedene Werte tUr h gilt und insofern grundsätzlich nur tUr Näherungslösungen tUr die Tangentensteigung, aber niemals tUr die Tangentensteigung selbst.

Wieso hat aber Julia gerade das erwartet? Die Erklärung durch fehlende Beziehungen zwischen "graphischer" und "rechnerischer Welt" i. S. getrennter subjektiver Erfah­rungsbereiche überzeugt nicht vollständig. Vieles aus dem unterrichtlichen Kontext spricht datUr, dass ihr Verbindungen aus diesem Gebiet bis zu einem gewissen Maße durchaus bewusst sind. Gibt es noch andere Gründe?

23 V gl. Kapitel 3

284 R. vom Hofe

Bereits in der ersten Szene der ersten Episode zeigten sich zwei grundlegende Problem­bereiche, die sich in unterschiedlicher Form nahezu im gesamten Verlauf der Dialoge nachweisen lassen: Neben dem Gegensatz zwischen rechnerischer und geometrischer Repräsentationsebene ist es der Gegensatz zwischen Objekt- und Prozessperspektive24.

Betrachten wir die Objekte, von denen hier die Rede ist, und die damit zusammenhän­genden Prozesse in Zusammenhang mit den unterschiedlichen Repräsentationsebenen, so ergibt sich folgende Zuordnung, die einen Einblick in die Aufmerksamkeits-Fokussie­rungen der Schülerinnen geben kann:

r·······················································TR~~·h·~~~i~~h·~·w~it····························-TG~~~~t·~i~~·h~"\V~·it·····i

:-Obj"~kt·(d~g~~~t~~·d············TDiii~~~;~~;q·~~·ti·~~t~;·························TS~k~~t~~················· ............ : ! des Prozesses)! !! . . " ~ ..................................................... ·····i················································ ............................................................................. . j Prozess j Folge der j Folge der Sekanten

I ........................................................ ..I.~~.~~~~:~~:~.~~.~~.~~~~: ......................... .l.. ............................................. . ! Objekt (Ergebnis des ! Grenzwert der Differenzenquoti- ! Tangente 1 Prozesses) ! enten 1 ~ .......................................................... ~ ...................................................................................................................... -........ .

Abbildung 3

Die oben beschriebenen Objekte "Grenzwert" und "Tangente" sind Ergebnisse des Grenzprozesses in dem Sinne, dass man zum einen über den Prozess fur das jeweilige Objekt zunehmend genauere Näherungen bestimmen kann und zum anderen mithilfe des Prozesses die qualitativ neuen Objekte schließlich begrifflich fassen kann. Natürlich sind sie nicht Ergebnisse des Prozesses in dem Sinne, dass sie als ein Glied der entspre­chenden Folge erreicht werden25, etwa als "letztes Glied der Folge" - in dieser Richtung gibt es weit verbreitete Fehlvorstellungen26.

Gerade diese sachlich problematische Auffassung scheint auch bei Julia eine Rolle zu spielen. Unter dieser Annahme lässt sich ihre subjektive Schlussweise nun deutlicher be­schreiben: Julia orientiert sich an den Objekten "Differenzenquotienten" und "Sekanten", die Gegenstand des Prozesses sind, den sie im Rahmen der Arbeitsphase mehrfach ausfuhrt: Die systematische Änderung von h fuhrt - geleitet durch das Arbeitsblatt - zu unterschiedlichen Sekanten, die direkt nach der jeweiligen Eingabe von h auf dem Bild-

24 Muster von Prozess-Objekt-Beziehungen - hier am Kontext des Grenzwertbegriffs erörtert _ werden seit langem als Analyse- und Beschreibungsmittel fiir Probleme mathematischer Begriffs­bildung angewandt; zur neueren Diskussion damit zusammenhängender Problemfelder siehe etwa Thompson [1985], Doerfler [1988], Malle [1988], Sfard [1991, 1992], Dubinsky & Harel [1992] oder Goldenberg, Lewis & O'Keefe [1992]. 25 Das gilt auch fiir Grenzwerte im allgemeinen, wenn man von den konstruierten Fällen absieht, bei denen der Grenzwert auch Folgenglied ist. 26 V gl. etwa Bender [1991]

Probleme mit dem Grenzwert 285

schinn sichtbar werden. In Aufgabe e) nimmt nun dieser Ablauf eine spezielle Fonn an: Es werden immer kleinere Werte fur h eingesetzt, und die Sekante nähert sich der Lage der Tangente an, ja sie sieht fur kleine h sogar so aus wie eine Tangente. Warum be­kommt man fur h = 0 also nicht die Tangente selbst? Warum ist die Tangente dem Wert h = 0 nicht auf die gleiche Weise zugeordnet, wie die Sekanten den (dem Betrage nach) positiven Werten fur h?

Für Julia gehören Sekanten und Tangenten zu der gleichen Art von geometrischen Ob­jekten: Beide sind Geraden, also recht vertraute, aus vielen mathematischen Tätigkeiten seit Jahren bekannte Gegenstände, mit denen man rechnen und die man zeichnen kann, Objekte aus dem gleichen Erfahrungsbereich. Die naive Annahme der Existenz und der zeichnerische Umgang mit Tangenten fördern natürlich eine solche Sichtweise.

Hiennit hängt die Problematik der Existenz der Tangente zusammen, ein Verständnispro­blem, dass sich bei Julia bereits in der ersten Szene der ersten Episode zeigt (11-25). Didaktisch wird dieses Problem üblicherweise27 damit zu lösen versucht, dass man zunächst die Existenz des Grenzwerts bzw. der Tangente naiv annimmt, sich mit Hilfe dieser Vorstellung die entsprechenden Prozesse klannacht und schließlich über diese Prozesse die zunächst naiv als existent angenommenen Objekte definiert. Dass dies kein Zirkelschluss ist, ist demjenigen klar, der die Begriffsbildung auf der fonnalen Ebene durchschaut und weiss, dass in die Definition nicht die Annahme einer naiven Prä-Exi­stenz der zu defmierenden Objekte mit einfließt.

Der Bewusstseinsstand der drei Mädchen, insbesondere der von Julia, bewegt sich in die­ser Frage noch nicht auf dem Niveau einer reflektierten fonnalen Durchdringung des Stoffes. Die Schülerinnen befmden sich jedoch auf dem Wege dazu; ihre Dialoge bele­gen eindrucksvoll, dass sie viele der sachlichen Schwierigkeiten, die mit dem Grenzwert­begriff zusammenhängen, bereits verstanden haben. Ihr Umgang mit dem Grenzwert stellt sich nicht als ein schematisches Manipulieren mit Begriffshülsen dar, wie es häufig in der Schule beklagt wird, sondern als geistige Auseinandersetzung zwischen intuitivem Verständnis und mathematischer Präzisierung, die den epistemolgischen Kern des Be­griffes berührt. Dass es in diesen Szenen auch zu begrifflichen Problemen kommt, liegt im Wesen des komplexen Gegenstands und in der Natur des Lernens. In diesem Sinne spiegeln die dargestellten Szenen keine unnützen Irrwege, sondern eine produktive Aus­einandersetzung mit Mathematik wieder, wie es sie im alltäglichen Grundkurs-Unterricht vielleicht eher zu wenige gibt.

5 Zusammenfassende Betrachtungen und Ausblick

Wir verlassen an dieser Stelle das Gespräch der Schülerinnen, um uns noch einigen allge­meinen Gesichtspunkten zuzuwenden. Es sei noch darauf hingewiesen, dass das Ge­spräch nach dem letzten Transkriptausschnitt nicht endet. Die Suche nach Klärung geht vielmehr weiter, wobei die Fragen der Schülerinnen - zusammen mit ähnlichen Proble-

27 Dieser Weg wurde nach Auskunft des Fachlehrers auch in Julias Klasse beschritten.

286 R. vom Hofe

men ihrer Mitschüler - in den weiteren Unterricht mit einfließen. Bei der konstruktiven Klärung in den nachfolgenden Unterrichtsstunden spielten insbesondere zwei gedankli­che Schritte eine hilfreiche Rolle: der Wechsel zu einer statischen Sichtweise des Grenz­prozesses, bei der auch der Computer als Funktionenmikroskop eingesetzt wurde28, und eine Thematisierung des Verhältnisses zwischen Sekante und Tangente. Ich möchte an dieser Stelle die Fragen der konstruktiven Klärung solcher Probleme nicht weiter ver­folgen, hierzu gibt es reichhaltige Vorschläge in der bereits erwähnten didaktischen Literatur. Die vorliegende Arbeit verfolgt ein anderes Anliegen, sie möchte vor allem den Wert von deskriptiven interpretativen Fallstudien für Theorie und Praxis des Analysis­unterrichts aufzeigen. Blicken wir also noch einmal auf die transkribierten Dialoge zurück. Was bringen solche Transkripte, und welchen Erkenntnisgewinn bringt ihre In­terpretation nach den hier verfolgten Leitfragen?

Zunächst ist es erstaunlich, welche Fülle an übergeordneten Problemen und allgemeinen Phänomenen, die in der Sachstruktur und der Epistemologie der behandelten Begrifflich­keiten begründet sind, in diesen kurzen Transkriptausschnitten Gestalt annehmen; sie kreisen um die Intuition des Unendlichen und ihre mathematische Präzisierung.

Wesentliche Problemfelder zeigen sich dabei im Gegensatz bzw. in den Beziehungen zwischen

• graphischer und rechnerischer Repräsentation mathematischer Inhalte,

• Prozess und Objekt,

• statischer und dynamischer Auffassung,

• intuitiver Vorstellung und begrifflicher Präzisierung.

All dies sind klassische Themen, deren Bedeutsamkeit fur mathematische Lernprozesse in zahlreichen stoff didaktischen Arbeiten und in vielen Sachanalysen seit langem betont werden29, insofern bestätigt diese Fallstudie die entsprechenden Befunde der präskripti­ven Analysis-Didaktik.

In der unterrichtlichen Umsetzung wird der aktiven Auseinandersetzung mit diesen Themen aus den Anfangs erwähnten unterrichtspragmatischen Gründen jedoch oft viel zu wenig Raum gegeben, ja man findet nicht selten die Ansicht, ein reflektierender Umgang mit Problemen dieser Art habe vielleicht höchstens in Leistungskursen etwas zu suchen und spiele in den Gedanken von Grundkurs-Schülern keine Rolle.

Demgegenüber zeichnen die Dialoge dieser Fallstudie ein gegenteiliges Bild. Einige Gedanken der Schülerinnen erinnern dabei an frühe Kommentare großer Mathematiker

28 Ohne in Details zu gehen möchte ich hier der Sichtweise Benders [1991] zustimmen, der die Gefahren einer überbetont dynamischen Sichtweise heraushebt, sowie die Möglichkeit, dass die damit zusammenhängenden Probleme durch den Einsatz des Computers sogar noch verstärkt werden können.

29 Auch hier möchte ich auf die bereits erwähnte Standardliteratur verweisen.

Probleme mit dem Grenzwert 287

aus der Zeit der Entstehung der Infinitesimalrechnung, so zum Beispiel die Charakterisie­rung des Differentialquotienten durch Leibniz:

"LI x nähert sich nicht der Null. Vielmehr ist der 'letzte Wert' von LI x nicht 0, sondern eine 'unendlich kleine Größe', ein 'Differential', d x genannt, und ebenso hat LI y einen 'letzten' unendlich kleinen Wert d y. Der Quotient dieser unendliche kleinen Differentiale ist wieder eine gewöhnliche Zahl,

f' (x) = d y / d x." (zitiert nach Courant & Robbins30 [1973] S.330).

Der "Minipunkt" und der "Miniabstand" in Ankas Überlegungen könnten diesen "letz­ten" unendlichkleinen Größen entsprechen. So unvermittelt, wie in dem Leibnitz-Zitat die "letzten unendlichkleinen Werte" dann doch einen endlichen Quotienten erzeugen, so sperrig scheint fiir die Schülerin die Beobachtung zu sein, dass die Punkte aufeinander zulaufen, ihre Abstände also beliebig klein werden, und dennoch die Steigung nicht null werden kann, weil "es irgendwie schräg dran liegen muss" (110-111). In diesem Beispiel wird besonders gut deutlich, dass die Begegnung mit dem Infinitesimalen neuartige Erfahrungen im Umgang mit Mathematik vermittelt, die von Lernenden eine intensive geistige Auseinandersetzung abverlangen.

Weiterhin ist es beeindruckend, mit welcher Intensität und Energie die drei Grundkurs­Schülerinnen sich im Spannungsfeld dieser Probleme bewegen, wie sie trotz Fehlschlä­gen und gedanklicher Sackgassen nicht aufgeben, sondern nach neuen Lösungs- und Er­klärungsmöglichkeiten suchen - ein Beispiel fiir eine Lernhaltung wie sie Sierpinska in allgemeiner Form als charakteristisch rur produktives Lernen beschreibt (vgl. Kapitel 2), zum einen getragen von Entdeckungsfreude, zum anderen geprägt von intellektueller und emotionaler Spannung. Man spürt dabei ein echtes Erkenntnisinteresse. Dabei haben die drei Mädchen bereits einen langen Schultag hinter sich: sieben Stunden am Vormittag, eine kurze Mittagspause von einer halben Stunde, und dann noch eine Doppelstunde Ma­thematik im Computerraum; bei der dargestellten Unterrichtspassage ist es kurz vor drei, kurz vor dem Ende ihres Schultages.

Das Erkenntnisinteresse der Mädchen richtet sich hier auf einen rein innermathemati­sehen Gegenstand, der aus der Sicht des Augenblicks weder mit Anwendungszusam­menhängen noch mit schülernaher Sekundär-Motivation zu tun hat. Von ihm geht offen­sichtlich eine erheblicher Reiz aus, die Schülerinnen wollen das Geheimnis des Grenz­werts verstehen. Das Transkript - und in noch höherem Maße der zugrundeliegende Filmausschnitt - vermittelt einen Eindruck von der inneren Spannung und der Mühe, die sie darur auf sich nehmen, offensichtlich fasziniert vom Zauber der Sache.

Eine wesentliche Rolle spielt dabei die eomputergestützte Lernumgebung: Sie hat ent­scheidenden Anteil beim Zustandekommen dieser Szenen, ja durch sie wird dieser er­neute Versuch zur begrifflichen Klärung des Grenzwertbegriff wohl erst möglich. Der Computer kann zwar die inhaltlichen Probleme nicht lösen; gerade dadurch hilft er je-

30 Hierbei handelt es sich nicht um ein historisches Originalzitat, sondern um eine der Argumenta­tion von Leibniz nachempfundene Formulierung von Courant & Robbins.

288 R. vom Hofe

doch, ihre wahre Natur aufzudecken. Für die Entwicklung der Kommunikation ist der Computer von zentraler Bedeutung: Er schafft ein gemeinsames Erfahrungsfeld, in dem die Schülerinnen den Umgang mit Mathematik auf eine neue Weise erleben können. Die computergestützte Lemumgebung dieser Szenen kann als Beispiel dafiir betrachtet werden, wie der Computer dazu eingesetzt werden kann, eigenständige Arbeitsphasen zu fördern und somit zur Umsetzung klassischer Bildungsziele wie des genetischen Prinzips

beizutragen3l .

Ich möchte mit drei kurzen Thesen schließen; sie betreffen die Bereiche (I) Grundfragen mathematischer Begriffsbildung, (2) Computereinsatz im Mathematikunterricht und (3) Fallstudien als didaktische Forschungsmethode und spiegeln somit drei unterschiedliche Ebenen dieser Arbeit wieder:

(1) Genetische Begriffsbildung und geistige Hindernisse. Lernen im Sinne des geneti­schen Prinzips setzt das Aufwerfen, Durchdenken und Überwinden von geistigen Hindernissen voraus. Es ist nach wie vor eine wichtige Aufgabe der Mathematikdi­daktik, Lern- und Übungsformen hierfiir zu entwickeln und zu erproben.

(2) Interaktive Analysis-Software. Interaktive Analysis-Software kann - neben vielen An­wendungszusammenhängen - auch fiir die innermathematische Begriffsbildung sinnvoll eingesetzt werden. Ihre Verwendung eröffnet neue Möglichkeiten zur Reprä­sentation funktionaler Abhängigkeiten, die damit zusammenhängenden Visualisie­rungs-Möglichkeiten können aber nicht die Kraft produktiver Vorstellungen ersetzen.

(3) Interpretative Fallstudien und Analysisunterricht. Interpretative Fallstudien sind auch fiir den Analysisunterricht ein lohnendes Erkenntnismittel. Sie können dazu beitragen, unser Wissen über Denkstrategien von Schülern zu verbessern und das präskriptiv geprägte Bild der Analysisdidaktik durch deskriptive Studien zu ergänzen, zu er­weitern und durch ihre Lebendigkeit und Authentizität zu bereichern.

3l Mit der hier angedeuteten Rolle der Unterrichts- bzw. Sozialform im Zusammenhang mit com­putergestützten Arbeitsphasen befasst sich eine in Kürze erscheinende gesonderte Arbeit.

Probleme mit dem Grenzwert 289

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Anschrift des Verfassers

Dr. Rudolf vom Hofe Universität Augsburg Mathematisch- Naturwissenschaftliche Fakultät Didaktik der Mathematik D-86135 Augsburg