PROBLEMFELDER UNSERER ZEIT -...

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PROBLEMFELDER UNSERER ZEIT Geschichte-Basics: Scharia Der Begriff Scharia („Weg zur Trän- ke“) bezeichnet im Islam die religiöse Pflichtenlehre, die alle Bereiche des Le- bens regelt und das eigentliche Gesetz darstellt. Die Scharia wurde nie defini- tiv als „Gesetz“ erlassen oder eindeutig schriftlich festgehalten. Daher lässt sie viel Raum für Interpretation. 3. Der Afghanistan-Konflikt Schon 1978 hatten sich in Afghanistan Kommunisten und deren Gegner bekämpft, nachdem die Königsherrschaft gestürzt worden war. Ende 1979 marschierten sowjetische Truppen zur Unterstützung der Kommunisten in Afghanistan ein. Afghanistan auf dem Weg zur politischen Selbstständigkeit Die Sowjetunion unter der Regierung Breschnews sah in einer kommu- nistischen Herrschaft in Afghanistan eine Verbindung nach Vorderindien und den Zugang zum Persischen Golf. In diesem Stellvertreterkrieg konnte das kommunistische Regime (Demokratische Volkspartei Afghanistans, später „Portal des Vaterlandes“) mit Hilfe der Sowjets die verschiedenen Gruppen von islamischen Rebellen (Mudjaheddin) wohl aus dem größten Teil der Städte des Landes vertreiben, sie aber nicht aus ihren Gebirgs- stellungen werfen. Hunderttausende Zivilist/inn/en flohen vor den Gräueln beider Kriegs- parteien nach Pakistan, wo sie viele Jahre in Zeltlagern hausten und von UN-Hilfsorganisationen versorgt wurden. Erst 1989 zogen die sowjetischen Truppen wieder aus Afghanistan ab. 1992 wurde der 1986 mit sowjetischer Unterstützung an die Macht gekommene Präsident Najibullah von der Armee gestürzt. Aus dem Kampf um die Macht gingen die gemäßigten islamischen Rebellen – die schon zuvor von den USA unterstützt worden waren – als Sieger hervor. Die Aufteilung der Machtbereiche scheiterte jedoch an Rivalitäten; die fundamentalistisch-islamisch ausgerichteten Taliban-Milizen kamen 1995 an die Macht und setzten eine radikale Inter- pretation des Islam und insbesondere die Scharia mit aller Härte durch. Das Taliban-Regime, das Mitgliedern von Terrororganisationen Unterschlupf gewährt hatte, stürzte im maßgeblich von den USA geführten „Krieg gegen den Terrorismus“, der Ende 2001 begann. Nach Afghanistan kommt Gott nur zum Weinen – Frauenschicksal in Afghanistan Die Rolle der Frauen ist in Afghanistan traditionell von einer strengen Auslegung des Islam bestimmt, jedoch war zum Beispiel auf dem Land bei der Feldarbeit die Ganzkörperverschleierung für Frauen (Burka) nicht üblich, da sie bei der Feldarbeit hinderlich war und den Arbeitserfolg beein- trächtigte. Die Taliban verschärften die extrem konservativen Vorschriften. Frauen durften nur in Begleitung von Männern das Haus verlassen. Bildung und vor allem der Zugang zur Universität war ihnen verwehrt. 2001 wurde nach dem Sturz des Taliban-Regimes die Verpflichtung zum Tragen der Burka aufgehoben. In der Verfassung von 2004 wurden 68 der 249 Sitze des Parlaments grundsätzlich für Frauen bestimmt, seit 2005 dürfen Frauen wieder an der Universität von Kabul studieren. Überprüfen Sie Ihr Wissen: 1. Wer sind die Mudjaheddin? 2. Warum stürzte das Taliban- Regime? 3. Nennen Sie Gründe für das schwere Schicksal der Frauen in Afghanistan. 1 2 Die iranische Filmemacherin Siba Shakib beschreibt in ihrem Buch „Nach Afghanistan kommt Gott nur noch zum Weinen“ das Schicksal von Shirin-Gol, die sie in einem Flüchtlingslager kennen gelernt hat. Shirin- Gols Leben ist gekennzeichnet von Kriegen und Stammesfehden, in denen die Beteiligten nicht mehr wissen, warum sie diese Kriege führen und vom Hunger nach Bildung, die ihr von der Männergesellschaft verwehrt wird, weil sie erkannt hat, dass nur Bildung zu Freiheit und Selbstbestimmung führen kann. Sie zeigt, wie noch in der Gegenwart Frauen als Ware gesehen werden und als Ehefrauen oder Arbeitskräfte gegen Geld vergeben werden. Das Buch zeigt aber auch den unbändigen Überlebenswillen und den von positiver Überzeugung getragenen Mut einer Frau in einer Umgebung, die alles andere als hoffnungsvoll ist. i

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Geschichte-Basics: Scharia

Der Begriff Scharia („Weg zur Trän-ke“) bezeichnet im Islam die religiöse Pflichtenlehre, die alle Bereiche des Le-bens regelt und das eigentliche Gesetz darstellt. Die Scharia wurde nie defini-tiv als „Gesetz“ erlassen oder eindeutig schriftlich festgehalten. Daher lässt sie viel Raum für Interpretation.

3. Der Afghanistan-Konflikt

Schon 1978 hatten sich in Afghanistan Kommunisten und deren Gegner bekämpft, nachdem die Königsherrschaft gestürzt worden war. Ende 1979 marschierten sowjetische Truppen zur Unterstützung der Kommunisten in Afghanistan ein.

Afghanistan auf dem Weg zur politischen Selbstständigkeit

Die Sowjetunion unter der Regierung Breschnews sah in einer kommu-nistischen Herrschaft in Afghanistan eine Verbindung nach Vorderindien und den Zugang zum Persischen Golf. In diesem Stellvertreterkrieg konnte das kommunistische Regime (Demokratische Volkspartei Afghanistans, später „Portal des Vaterlandes“) mit Hilfe der Sowjets die verschiedenen Gruppen von islamischen Rebellen (Mudjaheddin) wohl aus dem größten Teil der Städte des Landes vertreiben, sie aber nicht aus ihren Gebirgs-stellungen werfen.

Hunderttausende Zivilist/inn/en flohen vor den Gräueln beider Kriegs-parteien nach Pakistan, wo sie viele Jahre in Zeltlagern hausten und von UN-Hilfsorganisationen versorgt wurden. Erst 1989 zogen die sowjetischen Truppen wieder aus Afghanistan ab. 1992 wurde der 1986 mit sowjetischer Unterstützung an die Macht gekommene Präsident Najibullah von der Armee gestürzt. Aus dem Kampf um die Macht gingen die gemäßigten islamischen Rebellen – die schon zuvor von den USA unterstützt worden waren – als Sieger hervor. Die Aufteilung der Machtbereiche scheiterte jedoch an Rivalitäten; die fundamentalistisch-islamisch ausgerichteten Taliban-Milizen kamen 1995 an die Macht und setzten eine radikale Inter-pretation des Islam und insbesondere die Scharia mit aller Härte durch. Das Taliban-Regime, das Mitgliedern von Terrororganisationen Unterschlupf gewährt hatte, stürzte im maßgeblich von den USA geführten „Krieg gegen den Terrorismus“, der Ende 2001 begann.

Nach Afghanistan kommt Gott nur zum Weinen – Frauenschicksal in Afghanistan

Die Rolle der Frauen ist in Afghanistan traditionell von einer strengen Auslegung des Islam bestimmt, jedoch war zum Beispiel auf dem Land bei der Feldarbeit die Ganzkörperverschleierung für Frauen (Burka) nicht üblich, da sie bei der Feldarbeit hinderlich war und den Arbeitserfolg beein-trächtigte. Die Taliban verschärften die extrem konservativen Vorschriften. Frauen durften nur in Begleitung von Männern das Haus verlassen. Bildung und vor allem der Zugang zur Universität war ihnen verwehrt. 2001 wurde nach dem Sturz des Taliban-Regimes die Verpflichtung zum Tragen der Burka aufgehoben. In der Verfassung von 2004 wurden 68 der 249 Sitze des Parlaments grundsätzlich für Frauen bestimmt, seit 2005 dürfen Frauen wieder an der Universität von Kabul studieren.

Abb. 120.2: Mutter mit Burka in Afghanistan

Überprüfen Sie Ihr Wissen:

1. Wer sind die Mudjaheddin?

2. Warum stürzte das Taliban-Regime?

3. Nennen Sie Gründe für das schwere Schicksal der Frauen in Afghanistan.

Abb. 120.1: Afghanistan

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Die iranische Filmemacherin Siba Shakib beschreibt in ihrem Buch „Nach Afghanistan kommt Gott nur noch zum Weinen“ das Schicksal von Shirin-Gol, die sie in einem Flüchtlingslager kennen gelernt hat. Shirin-Gols Leben ist gekennzeichnet von Kriegen und Stammesfehden, in denen die Beteiligten nicht mehr wissen, warum sie diese Kriege führen und vom Hunger nach Bildung, die ihr von der Männergesellschaft verwehrt wird, weil sie erkannt hat, dass nur Bildung zu Freiheit und Selbstbestimmung führen kann. Sie zeigt, wie noch in der Gegenwart Frauen als Ware gesehen werden und als Ehefrauen oder Arbeitskräfte gegen Geld vergeben werden. Das Buch zeigt aber auch den unbändigen Überlebenswillen und den von positiver Überzeugung getragenen Mut einer Frau in einer Umgebung, die alles andere als hoffnungsvoll ist.

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Kapitel 11

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4. Das Ende der Sowjetunion und was danach kommt

Während sich die einstigen Satellitenstaaten der Reihe nach aus der sowjetischen Bevormundung lösen konnten, geriet das riesige Sowjetreich selbst in eine Krise, deren Ende noch keineswegs abzusehen ist.

Die Sowjetunion in der Krise

Je mehr Gorbatschow außenpolitisch von Erfolg zu Erfolg eilte und ihm 1990 sogar der Friedensnobelpreis für seine Bemühungen um den Welt-frieden verliehen wurde, umso schwieriger wurde für ihn die Lage in der Sowjetunion selbst.

Einerseits waren es die Nationalitätenkonflikte. Dass die Sowjetrepubliken Litauen, Lettland und Estland, die schon von 1918 bis 1940 unabhängige Staaten waren, nun im Rahmen von Perestroika und Glasnost ihre völlige Unabhängigkeit mit allen Mitteln zu erreichen suchten, war noch tragbar. Auch dass im äußersten Süden des Staates Georgien völlig selbstständig werden wollte, war noch akzeptabel. Dass aber auch die Moldauische Sowjetrepublik und schließlich auch die riesige russische Sowjetrepublik RSFSR, von Boris Jelzin geschickt geführt, einen eigenen Staat bilden wollten, wurde für Gorbatschow zu einer politischen Überlebensfrage. Die Rolle der Militärs in dieser Auseinandersetzung war ebenso unklar wie die Haltung einzelner Politiker der „alten“ wie der „jungen“ Generation.

Zwischen 1990 und 1992 hatten Litauen, Lettland, Estland, aber auch Georgien, Aserbaidschan, Moldau und darüber hinaus die Ukraine, Weiß-russland und die RSFSR (Russland), also die größte der Sowjetrepubliken, die von St. Petersburg bis nach Ostsibirien reicht, ihre Souveränität erklärt. Der einstige riesige Sowjetstaat zerfiel. In der Folge brachen in seinen ein-zelnen Teilen alte nationale und wirtschaftliche Probleme auf. Im August 1991 war es in der Sowjetunion, während sich Gorbatschow zum Urlaub auf der Krim befand, zu einem Putsch gegen seine Regierung gekommen. In Moskau übernahm ein „Notstandskomitee“ die Macht. Es stützte sich vor allem auf hohe Militärs, den sowjetischen Sicherheitsdienst KGB und das alte kommunistische ☞Kaderpersonal.

Doch schon zwei Tage später stellte sich heraus, dass der Widerstandswille in der Bevölkerung bereits so groß geworden war, dass die Putschisten aufgegeben mussten. Gorbatschow kehrte zurück und versuchte zusammen mit Jelzin, die Umwandlung der Sowjetunion in einen demokratischen Staat weiterzuführen.

Doch Ende 1991 wurde auch er ein Opfer der neuen politi-schen Strömungen. Unter der entscheidenden Mitwirkung Boris Jelzins wurde er aller sei-ner Ämter für verlustig erklärt und musste sich ins Privatle-ben zurückziehen. Die Sowjet-union zerfiel, die „Gemein-schaft Unabhängiger Staaten“ wurde ins Leben gerufen. Jelzin übergab Ende 1999 die Amtge-schäfte an seinen Ministerpräsi-denten Wladimir Putin, der im Jahr 2000 zum neuen russischen Präsidenten gewählt wurde.

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Zu 1:

A 1: Welches Bild von Putin wird in der offiziellen Darstellung entworfen? Welche Qualifikationen stehen im Vordergrund, welche Rolle nimmt seine Geheimdiensttätigkeit ein (FSB steht seit 1991 für den russischen Geheimdienst, der den vormaligen sowjetischen KGB ablöste)?

A 2: Welche derzeitigen Krisengebiete gibt es innerhalb der ehemaligen Sow-jetunion? Wie geht Russland politisch damit um?

A 3: Besuchen Sie folgende Internet-Seite der Universität Hamburg und informieren sie sich dort über den Tschetschenien-Konflikt: www.sozial-wiss.uni-hamburg.de/publish/Ipw/Akuf/kriege/243ak_tschetschenien.htm

Abb. 121.1: Wladimir Putin

Offizielle Darstellung des russischen Präsidenten unter www.aktuell.ru (2007)

Wladimir PutinGeb. 7. Oktober 1952 in Leningrad.

Russischer Präsident.

Zitat: „Ich habe keine Verbindungen zu der Moskauer Elite. Ich bin aus der Provinz.“

Laufbahn:Jurist. KGB-Offizier. Arbeit in der DDR. Unter Petersburger Bürgermeister Sobtschak Vizeregierungschef der Stadt. Dann FSB-Direktor, Vorsitzender des Sicherheitsrates, Vizepremier, Premier. Seit Mai 2000 russischer Präsident.Wiederwahl im März 2004

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4. China

China hat eine 5 000 Jahre lange Tradition und ist somit die älteste kontinuierlich bestehende Zivilisation der Menschheits-geschichte. Seit der Antike bis ins 18. Jahrhundert war China überlegene Exportmacht, aus der unbekannte Monopolprodukte wie Seide, Papier, Lacke, Schießpulver oder Porzellan über die Seidenstraße nach Europa gelangten und mit Goldmünzen bezahlt wurden. Heute ist China ein weltwirtschaftlicher Machtfaktor mit enormen Potenzialen.

Fremdbestimmung vom 19. Jh. bis 1949

Im 19. Jahrhundert waren die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in China sehr schlecht, die Bevölkerung wuchs enorm (zwischen 1750–1800 von 143 auf 360 Mio.), viele Menschen hofften oft vergeblich, durch Ab-wanderung in die Städte der Verelendung zu entkommen. Die Zentralre-gierung versuchte durch Isolierung nach außen den Bestand des Reiches zu sichern. Ab 1840 erzwang das British Empire durch militärische Übermacht die Öffnung der chinesischen Häfen für den profitablen Opiumhandel.

Nach den chinesischen Niederlagen gegen die Großbritannien in den „Opiumkriegen“ teilten die europäischen Kolonialmächte Großbritannien, Frankreich, Russland und Deutschland Abbaumonopole für Rohstoffe, Kon-zessionen für Eisenbahnbau, Industrialisierung, exterritoriale Handelsplätze und Botschaftsviertel (Shanghai: French Concession) auf. Ihre Vertretun-gen hatten die wirkliche Macht im Staate. Mit dem Sturz der Mandschu-Dynastie endete 1912 die Jahrtausende alte Monarchie. Die Republik China wurde ausgerufen.

Die zwei großen politischen Bewegungen der neuen Republik die Nationale Volkspartei Guomindang (GMD) und die Kommunistische Partei (KPCh), kämpften um die Macht. Nur durch den legendären „Langen Marsch“ ent-gingen die Kommunist/inn/en, angeführt von Mao Zedong, Tschu En Lai und Deng Xiaoping der Vernichtung. Die verlustreiche Fluchtbewegung wurde jedoch zu einem kommunistischen Propagandaerfolg.

Nach der Kapitulation Japans und dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 folgte ein offener Bürgerkrieg in China. 1949 wurde die kommunistische „Volksrepublik China“ ausgerufen. Der besiegte Tschiang Kai Shek floh mit der GMD-Armee nach Taiwan, wo die „Republik China“ oder „Na-tionalchina“ gegründet wurde. Diese prowestliche GMD-Diktatur wurde von den USA militärisch geschützt und war bis 1971 ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates.

Das kommunistische China

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Im Zeitraffer: Chinas Fremdbestimmung ab dem 19. Jahrhundert

1840–1842: Opiumkriege

1850–64: Taiping-Revolution gegen Oberschicht und Fremdmächte

1894/95: 1. Chinesisch-japanischer Krieg

1898: Pachtverträge für 99 Jahre

1900: Boxeraufstand

1911/12: Revolution, Sturz der Kaiserdynastie

1912: Republik China

1912–1925: Sun Yat Sen Präsident

1925: Tod von Sun Yat Sen, Tschiang Kai Shek neuer Führer der GMD

Ab 1927: nationaldemokratische Re-volution, KPCh vorläufig verdrängt

1931–34: Japanische Besetzung der Mandschurei; als „Mandschukuo“ Kaiserreich bis 1945

1934/35: „Langer Marsch“ Mao wird Parteivorsitzender

1937–1945: 2. Chinesisch-japanischer Krieg, KPCh und GMD gemeinsam gegen japanische Besatzung

1937: Massaker von Nanjing

1945: Japan besiegt

1945–49: Bürgerkrieg zwischen KPCh und GMD

Abb. 128.1:Soldaten der siegreichen kommunistischen Volksbefreiungsarmee marschieren 1949 in Beijing ein.

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Der große Sprung nach vorn

Mao ließ Kampagnen verkünden wie den „Großen Sprung nach vorn“:

„Das Ziel der sozialistischen Revolution ist die Befreiung der Produktivkräfte. Die Verwandlung des individuellen Eigentums [...] in sozialistisches Kollekti-veigentum [...] wird unweigerlich zu einer enormen Freisetzung von Produk-tivkräften führen. So werden die gesellschaftlichen Voraussetzungen für eine gigantische Entwicklung der Industrie und Agrarproduktion geschaffen.“

Rede auf der obersten Staatskonferenz 25. Januar 1956

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Der „Große Vorsitzende“ Mao isolierte durch eine auf Autarkie ausge-richtete Wirtschaftspolitik das Land, daher konnte China zunächst keinen wirtschaftlichen Aufholprozess starten.

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Brigitte Benes

Kapitel 11

China nach Mao – Kapitalismus statt Kommunismus?

Nach Maos Tod übernahm Deng Xiaoping die Macht in Partei und Staat. Die baüerliche Bevölkerung erhielt wieder Eigentumsrechte an ihren Pro-dukten, die sie auf ländlichen Märkten selbst verkaufen durfte. Landbesitz war jedoch weiterhin nicht möglich. Ab Mitte der 1980er-Jahre wurden auch nicht-staatliche Unternehmen in der Industrie zugelassen und die de-fizitären Staatsunternehmen mussten auf den sich entwickelnden Märkten mit Privatunternehmen konkurrieren. Im Zuge der politischen Öffnung wurde ausländischen Unternehmen erlaubt, in China zu investieren. Die Abkehr von starrer Planwirtschaft durch das Zentralkommitee der KPCh 1984 machte China zu einer der am schnellsten wachsenden Volkswirt-schaften der Welt.

Es war absehbar, dass das rasche Bevölkerungswachstum die wirtschaft-lichen Erfolge zunichte machen würde. So setzte die KPCh ab 1980 die Ein-Kind-Politik mit Belohnungen, aber auch Zwangsabtreibungen durch. Seither hat sich die Zunahme der Bevölkerung von über 3 Prozent auf unter 1 Prozent gesenkt. Nach Berechnungen der Vereinten Nationen werden im Jahr 2040 28 Prozent der Chines/inn/en über 60 Jahre alt sein. Dadurch entstehen neue soziale Probleme. Es gibt zu wenig Kinder, um die Alten zu pflegen, ein soziales Netz mit Altersheimen und Pensionsanspruch gibt es erst in Ansätzen. Die Lebenserwartung liegt mittlerweile bei 70 Jahren, 1949 waren es nur 35 Jahre gewesen.

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Auch die von Mao ausgerufene „Kulturrevolution“ warf das Land um viele Jahre zurück, denn sie lähmte das Leben in China für ein ganzes Jahrzehnt (1966–1976): Schulen und Universitäten wurden geschlossen. 1976 nach dem Tod Maos wurde das Ende der Kulturrevolution verkündet und ihre Anführer, die „Viererbande“ um die Witwe Maos Chiang Ching 1981 verurteilt.Insgesamt sollen während der Herrschaft Maos allein 70 Millionen Menschen durch die wahrscheinlich größte Hungersnot der Geschichte als Folge politischer Kampagnen wie „Kulturrevolution“ und „Großer Sprung nach vorn“ vorzeitig gestorben sein.

China heute – Das Land schwelgt in Mao-Nostalgie

Die KPCh hat Mao und die Orte seines Wirkens zum Programm „Roter Tou-rismus“ zusammengefasst, um den Chines/inn/en „Stätten der patriotischen Erziehung“ zu bieten. Der Geburtsort des großen Steuermannes, 12 ehemalige Stützpunkte der Revolutionäre, 30 Revolutionsrouten und 100 Gedenkstätten für Aufstände und Märtyrer/innen sind touristenfreundlich erschlossen worden. Damit erhält der eben in Mode gekommene Massenurlaub der Städter/in seine revolutionären Ziele. Die armen, ländlichen Zielorte sollen endlich zu Geld kommen – und die reichen Städter daran erinnern, wem sie ihren Wohlstand verdanken. 150 Millionen patriotische Tourist/inn/en jährlich erwarten die Zentralplaner des Staatsrates.

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Abb. 129.1: Verbotene Stadt mit Mao-Personenkult;ein Kinderlied lautet: „Vater ist mir nahe, Mutter ist mir nahe, aber keiner ist so nahe wie der Vorsitzende Mao.“Während das Regime Sparsamkeit predigte, flog Maos Frau zum Einkaufen nach Paris. Sein Lieblingsfisch wurde aus 1 000 km Entfernung geliefert.

Zu 2:

A 1: Welche Folgen hat es für die Volkswirtschaft, wenn durch die Kulturrevolution 10 Jahre lang keine geordnete Schulbildung möglich ist und Leistung angeprangert wird?

Zu 3:

A 1: Beschreiben Sie diese Wunsch-vorstellung der chinesischen Führung, wie die Bevölkerung ihre Entwurze-lung zu sehen hat: welche enormen Probleme werden die Betroffenen in der Realität haben?

Im Zeitraffer: Das kommunistische China

ab 1949: Volksrepublik China auf dem Festland, Nationalchina auf Taiwan

1958–61: Großer Sprung nach vorn

1964 erste chinesische Atombombe

1966–76: Kulturrevolution

Abb. 129.2: Die Umsiedlerfamilien brechen frohgemut in eine unbekannte Zukunft auf, ein älterer Mann nimmt etwas Heimaterde mit. Im Museum in Chongquing wird mit solchen Darstellungen für den Drei-Schluchten-Damms geworben, der auch die Zwangumsiedlung von 1,5 Mio. Menschen aus 13 000 Dörfern zur Folge hat.

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