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PRODUKTION PLATZSPAREND UND EFFIZIENT NEUE VOLLELEKTRISCHE SPRITZGIESSMASCHINE IM TEST BEI EINEM MEDIZINTECHNIK-HERSTELLER Bis zu 60 Prozent höhere Energieeffizienz und 25 Prozent weniger Platzbedarf für eine vollautomatisierte und kom- plett eingehauste Produktionszelle, das verspricht eine neue vollelektrische Spritzgießmaschinen-Baureihe. Die Betriebskosten für Standardanwendungen sollen sich mit den Maschinen deutlich senken lassen. Der Kunst- stoffverarbeiter Heinlein hat seit sieben Monaten eine Maschine als Referenzmodell im Einsatz und in dieser Zeit ausgiebig getestet. „Wir fertigen vor allem für die Pharma- industrie. Etwa 85 Prozent unseres Um- satzes erwirtschaften wir in diesem Be- reich“, erzählt Klaus-Dieter Schell, Pro- kurist und Technischer Leiter bei Hein- lein Plastik-Technik. Das Unternehmen mit rund 110 Mitarbeitern ist seit 1978 im mittelfränkischen Ansbach angesie- delt und liefert von hier aus Primärpack- mittel für Glasflaschen an nahezu alle namhaften Arzneimittel-Hersteller welt- weit. Ob Novartis, Sanofi Aventis, Pfizer oder Bionorica – alle setzen auf Kunst- stoffverschlüsse aus dem Hause des Kunststoffverarbeiters. „Ich komme eigentlich aus dem Auto- mobilbereich. Viele denken, dort würden die Technologieträger aus Kunststoff ent- stehen und ahnen gar nicht, welches Know-how in diesen kleinen Verschlüs- sen steckt“, sagt Schell und greift sich ei- nen Originalitätsverschluss mit vormon- tiertem Tropfer aus einer Vitrine im „Showroom“ des Unternehmens. Liebe- voll in Szene gesetzt werden hier die Schraub-, Originalitäts- und Sicherheits- verschlüsse, Messbecher, Tropfer und Pi- Autor Hans Malinowski, Produkt & Technologie Management elektrische Maschinen, KraussMaffei, München, Tel. 089/88993937 Klaus-Dieter Schell (links) und Klaus Vogel (mitte) von Heinlein sowie Hans Malinowski, KraussMaffei, in der Produktion. pettengarnituren präsentiert. Zwei wei- tere Glasschränke sind mit Getränkever- schlüssen gefüllt – mit 15 Prozent vom Umsatz das zweite Standbein des Unter- nehmens. Komplette Planung und Fertigung der Serienwerkzeuge „Bei Medizin kommt es auf äußerste Ge- nauigkeit bei der Dosierung an. Es muss gewährleistet sein, dass immer nur die vorgegebene Anzahl Tropfen in einer be- stimmten Zeit aus der Flasche kommt – egal, ob diese voll oder fast leer ist. Auch die Größe der Tropfen darf sich nicht un- terscheiden, denn es muss immer die richtige Menge sichergestellt sein“, erläu- 30 Plastverarbeiter · April 2009

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Page 1: PRODUKTION - KraussMaffei · 2011. 2. 9. · steht der jüngste Spross im Maschinen-park von Heinlein: eine vollelektrische AX 100–380. Diese Baureihe hatte der Münchener Her-steller

PRODUKTION

PLATZSPAREND UND EFFIZIENT NEUE VOLLELEKTRISCHE SPRITZGIESSMASCHINE IM TEST BEI EINEM MEDIZINTECHNIK-HERSTELLER Bis zu 60 Prozent höhere Energieeffizienz und 25 Prozent weniger Platzbedarf für eine vollautomatisierte und kom-plett eingehauste Produktionszelle, das verspricht eine neue vollelektrische Spritzgießmaschinen-Baureihe. Die Betriebskosten für Standardanwendungen sollen sich mit den Maschinen deutlich senken lassen. Der Kunst-stoffverarbeiter Heinlein hat seit sieben Monaten eine Maschine als Referenzmodell im Einsatz und in dieser Zeit ausgiebig getestet.

„Wir fertigen vor allem für die Pharma-industrie. Etwa 85 Prozent unseres Um-satzes erwirtschaften wir in diesem Be-reich“, erzählt Klaus-Dieter Schell, Pro-kurist und Technischer Leiter bei Hein-lein Plastik-Technik. Das Unternehmen mit rund 110 Mitarbeitern ist seit 1978 im mittelfränkischen Ansbach angesie-delt und liefert von hier aus Primärpack-mittel für Glasflaschen an nahezu alle

namhaften Arzneimittel-Hersteller welt-weit. Ob Novartis, Sanofi Aventis, Pfizer oder Bionorica – alle setzen auf Kunst-stoffverschlüsse aus dem Hause des Kunststoffverarbeiters.

„Ich komme eigentlich aus dem Auto-mobilbereich. Viele denken, dort würden die Technologieträger aus Kunststoff ent-stehen und ahnen gar nicht, welches Know-how in diesen kleinen Verschlüs-sen steckt“, sagt Schell und greift sich ei-nen Originalitätsverschluss mit vormon-tiertem Tropfer aus einer Vitrine im „Showroom“ des Unternehmens. Liebe-voll in Szene gesetzt werden hier die Schraub-, Originalitäts- und Sicherheits-verschlüsse, Messbecher, Tropfer und Pi-

Autor Hans Malinowski, Produkt & Technologie Management elektrische Maschinen, KraussMaffei, München, Tel. 089/88993937

Klaus-Dieter Schell (links) und Klaus Vogel (mitte) von Heinlein sowie Hans Malinowski, KraussMaffei, in der Produktion.

pettengarnituren präsentiert. Zwei wei-tere Glasschränke sind mit Getränkever-schlüssen gefüllt – mit 15 Prozent vom Umsatz das zweite Standbein des Unter-nehmens.

Komplette Planung und Fertigung der Serienwerkzeuge „Bei Medizin kommt es auf äußerste Ge-nauigkeit bei der Dosierung an. Es muss gewährleistet sein, dass immer nur die vorgegebene Anzahl Tropfen in einer be-stimmten Zeit aus der Flasche kommt – egal, ob diese voll oder fast leer ist. Auch die Größe der Tropfen darf sich nicht un-terscheiden, denn es muss immer die richtige Menge sichergestellt sein“, erläu-

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tert der Technische Leiter und zeigt auf die winzigen Bohrungen für Luftein- und Flüssigkeitsaustritt. Bei Originalitätsver-schlüssen müssen zudem noch die winzi-gen Anbindungen des Originalitätsrings gratfrei, sauber und funktional realisiert werden.

Um dies sicherzustellen, müssen auch Maschinentechnik, Produktionsorgani-sation und Materialeinsatz besonderen Ansprüchen gerecht werden. Heinlein setzt dabei vor allem auf Kompetenz im eigenen Hause. So steht ein eigener For-menbau mit Entwicklungs- und Kon-struktionsbüro zur Verfügung. In der Konstruktions-abteilung erfolgt die komplette Pla-nung und Fer-tigung der Serien-werkzeuge. „Von der Konzeption bis hin zur Program-mierung und Ka-meratechnik wer-den darüber hi-naus auch all unsere Montagemaschinen in Eigenregie realisiert“, erklärt der Tech-nische Leiter.

Vollelektrische Maschine als Referenzmodell Die nächste Tür führt in die Spritzerei – das Herzstück der Produktion. Auch hier setzt das fränkische Unternehmen auf Qualität. „Wir legen Wert darauf, dass unser Maschinenpark ständig auf dem neuesten Stand gehalten wird. Derzeit sind bei uns 30 Spritzgießmaschinen im Schließkraftbereich zwischen 50 und 250 Tonnen im Einsatz“, erklärt Produktions-leiter Klaus Vogel beim Anlegen der Schutzkleidung. Die Spritzerei darf nur

Schraub-, Originali-täts- und Sicher-heitsverschlüsse, Messbecher, Tropfer und Pipettengarni-turen für die Phar-maindustrie werden produziert.

mit Haube, Kittel und Füßlingen betre-ten werden, denn die Fertigung erfolgt unter keimarmen Bedingungen.

„Unsere Firma hat sich vor Jahren da-zu entschlossen, nur noch auf zwei Ma-schinenanbieter zu setzen“, so Vogel wei-ter. Einer davon ist KraussMaffei. 1987 lieferten die Münchener die erste Ma-schine nach Ansbach. Inzwischen sind einige hinzu gekommen. Direkt im Ein-gangsbereich zur großen Fertigungshalle steht der jüngste Spross im Maschinen-park von Heinlein: eine vollelektrische AX 100–380. Diese Baureihe hatte der

Münchener Her-steller zur Fakuma 2008 erstmals vor-gestellt. Die Ma-schine läuft als Re-ferenzmodell bei Heinlein – bislang zur vollen Zufrie-denheit, wie Tech-nischer Leiter und Produktionsleiter einhellig bestäti-gen. „Seit der In-

betriebnahme am siebten Oktober 2008 läuft die Maschine jetzt. Und zwar ohne Probleme. Bislang sind 866 000 Schüsse drauf“, so Schell.

Derzeit werden mit einem 8-fach-Werkzeug Messbecher produziert. Im-mer nach rund sechs Sekunden fallen acht transparente Kunststoffbehälter aus den Kavitäten. „Wir testen natürlich die verschiedensten Werkzeuge und ver-suchen möglichst viele Artikel zu fahren. Dann schauen wir uns die Parameter ge-nau an und stellen sie denen vergleich-barer hydraulischer CX-Maschinen ge-genüber. Dank der MC5-Mikroprozes-sorsteuerung ist dies problemlos mög-lich“, freut sich Produktionsleiter Vogel.

„Wir legen Wert darauf, dass um die Maschinen Platz ist, um die Zugäng-lichkeit und Sauberkeit zu gewährleisten.“ Klaus-Dieter Schell, Technischer Leiter von Heinlein Plastik-Technik

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KOSTENEFFIZIENZ Robuster Doppelkniehebel Bei der AX-Baureihe kommt ein bewährter 5-Punkt-Doppelkniehebel zum Einsatz. Die-ses im Bereich der vollelektrischen Spritz-gießmaschinen etablierte, wiederhol- und positionsgenaue Schließprinzip hat der Her-steller in seiner Kinematik verbessert. Opti-mal ausgelegte Gelenkpunkte und eine kraftvolle Kugelumlaufspindel sorgen für va-riable Kraftübertragung mit hohen Ge-schwindigkeiten beim Öffnen und Schlie-ßen. Ein Zahnriemen treibt die Spindel an und bereits geringe Motorleistungen erzie-len hohe Geschwindigkeiten und Kräfte. Die automatische Zentralschmierung stellt die extreme Leichtgängigkeit des Kniehebels si-cher. Der Anwender profitiert von dem gerin-gen Energiebedarf, der hohen Präzision und der langen Betriebssicherheit des robusten Prinzips.

erinnert sich Vogel. Wie die EX- setzen auch die AX-Maschinen auf elektrische Antriebstechnik mit optimierten Ser-vomotoren, die Bremsenergie in Strom umwandeln. Diese Lösung reduziert den Energieverbrauch zusätzlich um bis zu zehn Prozent.

Sauberkeit spielt die entscheidende Rolle Die Sauberkeit sei besser als erwartet, so Vogel. „Die Schmierung des Kniehebels ist sehr gut. Nirgends tropft Öl runter“, berichtet der Produktionsleiter. „Bei je-dem Audit führen wir die Kunden aus der Pharma-branche durch un-ser Haus, um ih-nen die Produkti-onsbedingungen vorzuführen“, er-gänzt Schell, „Sauberkeit spielt dabei die entschei-dende Rolle.“

Ein weiteres Merkmal der vollelektri-schen Maschine fällt zunächst gar nicht auf und wird erst deutlich, als der Pro-duktionsleiter darauf hinweist. „Die AX hat einen sehr geringen Lärmpegel. Man hört sie fast nicht.“ Tatsächlich übertönen die Geräusche der benachbarten Anlagen in der Halle die Maschine nahezu kom-plett. „Auch die geringe Aufstellfläche überzeugt uns“, so Schell. „Wir legen viel Wert darauf, dass um die Maschinen ge-

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Die gute Zugänglichkeit der Maschinen ist für den Kunststoffverarbeiter ein wichtiges Entscheidungskriterium.

nügend Platz ist, um auch die entspre-chende Zugänglichkeit und somit die Sauberkeit zu gewährleisten.“ Wichtig seien auch die sichere Entnahme der Tei-le und deren Abtransport, damit keine Vermischung der Produkte entsteht.

Die Maschine lässt sich relativ einfach um einen LRX-Roboter des Maschinen-herstellers erweitern. Dabei wird die Schutzeinhausung um die Breite des För-derbands erweitert und dient gleichzeitig als Roboterschutzbereich. So kann auf ei-ne zusätzliche Sicherung der Automation mit Schutzzaun und Schutztür verzichtet

werden. Dieses inte-grierte, kompakte Konzept spart ge-genüber vergleich-baren Systemen et-wa 25 Prozent Pro-duktionsfläche. Die Formteile werden zur Bediengegensei-te an der Stirnseite der Maschine ab-transportiert.

„Elektrische Maschinen sind für unse-re Produktionsanforderungen natürlich sehr interessant“, sagt Schell beim Rück-weg von der Produktionshalle in sein Bü-ro. „Wir haben uns schon lange mit dem Thema beschäftigt und auch extern Ver-suche gefahren. Bisher waren sie nur viel zu teuer für eine effiziente Fertigung. Die Baureihe wäre aber schon eine, die für die nächste Erweiterung des Maschinen-parks in Frage kommt.“

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Die Steuerung tastet Bewegungen 500 mal pro Sekunde bei einer Auflösung von 0,001 Millimeter ab. Dadurch lassen sich alle Teilschritte wiederholgenau abbilden und tragen so zu einem konstanten Spritzgießprozess in engen Toleranzgren-zen bei.

Am selbsterklärenden 19-Zoll-Touchscreen, der zur Standardausrüs-tung gehört, ruft Vogel inzwischen die aktuellen Leistungsdaten ab. Die Steue-rung sorgt hier mit leicht verständlichen, in Farbe abgebildeten Prozess-Darstel-lungen in Vollgrafik für Bedienkomfort und erleichterte Fehlerdiagnose. Variable Sensor-Schaltflächen blenden immer nur die gerade sinnvollen Tasten ein. „Der Messbecher wird jetzt seit vier Tagen pro-duziert, inzwischen sind wir bei 460 000 Stück“, liest der Produktionsleiter vor und verrät einen weiteren Vorteil des Steuerungskonzepts: „Die MC5-Steue-rungen sind bekannt und bewährt. Das spart eine Menge Schulungsaufwand beim Bedienpersonal.“

Nach fast fünf Monaten im Dauer-betrieb haben die Verantwortlichen in-zwischen wichtige Erkenntnisse über die Maschine sammeln können. Demnach spielt das Einstiegsmodell in die Welt der vollelektrischen Spritzgießmaschinen vor allem bei der Produktion von Stan-dardteilen seine Stärken aus. „Trotz Kernzug und Angusspicker haben wir bei einigen Teilen Energieeinsparungen von 40 bis 45 Prozent gegenüber vergleichba-ren hydraulischen Maschinen realisiert“,

„Trotz Kernzug und Anguss-picker haben wir bei einigen Teilen Energieeinsparungen von 40 bis 45 Prozent reali-sieren können.“ Klaus Vogel, Produktionsleiter von Heinlein Plastik-Technik