Prof.Dr.BardoHerzig SilkeGrafe

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EINFÜHRUNG 07 DIGITALE MEDIEN IN DER SCHULE STANDORTBESTIMMUNG UND HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR DIE ZUKUNFT ZUSAMMENFASSUNG EINER STUDIE ZUR NUTZUNG DIGITALER MEDIEN IN ALLGEMEIN BILDENDEN SCHULEN IN DEUTSCHLAND Prof. Dr. Bardo Herzig Silke Grafe

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EINFÜHRUNG 07

DIGITALEMEDIENINDERSCHULESTANDORTBESTIMMUNGUNDHANDLUNGSEMPFEHLUNGENFÜRDIEZUKUNFT

ZUSAMMENFASSUNGEINERSTUDIEZURNUTZUNGDIGITALERMEDIENINALLGEMEINBILDENDENSCHULENINDEUTSCHLAND

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Das Jahr 2006 ist für die Deutsche Telekom mit einem ganz besonderen Jubiläum verbunden: Vor zehn Jahren wurde auf Initiative des Bun-desministeriums für Bildung und Forschung und der Deutschen Telekom der Verein Schulen ans Netz e.V. gegründet. Das Ziel war damals, alle allgemein bildenden Schulen in Deutschland an das Internet anzuschließen, um so das Lernen und Lehren mit digitalen Medien nachhaltig zu fördern.

Seit dieser Zeit hat sich viel getan. Digitale Medien haben längst Einzug gehalten in bun-desdeutsche Klassenzimmer – Computer und Internet sind zu Alltagsinstrumenten im Bil-dungswesen geworden. Schulen ans Netz und das Engagement der Deutschen Telekom für leistungsfähige breitbandige IT-Infrastrukturen haben entscheidend dazu beigetragen, Schüle-rinnen und Schülern unabhängig von ihrer sozialen Herkunft die notwendige multimediale Kompetenz zu vermitteln. Dies ist eine entschei-dende Schlüsselqualifikation in der heutigen Wissens- und Informationsgesellschaft – gerade für junge Menschen.

Zehn Jahre Schulen ans Netz – das sind auch zehn erfolgreiche Jahre Public-Private-Partner-ship. Für die Deutsche Telekom ist diese Initia-tive ein herausragendes Beispiel dafür, wie Staat und Wirtschaft das Land gemeinsam voranbrin-gen. Die Deutsche Telekom schafft seit Jahren mit technologischen Innovationen und der ho-hen Qualität ihrer Produkte und Services profes-sionelle Rahmenbedingungen für eine moderne Lehr- und Lernkultur. Flankiert von der im Jahr 2000 ins Leben gerufenen Initiative T@School gelang es bereits bis Ende 2001 34.000 staatliche und staatlich anerkannte Schulen in Deutsch-land mit einem kostenfreien Internetanschluss zu versorgen. Heute sind dank T@School rund 28.000 davon mit modernen Breitbandanschlüs-sen versorgt.

Anlässlich des zehnjährigen Bestehens von Schulen ans Netz hat die Deutsche Telekom die vorliegende Studie bei Prof. Dr. Bardo Herzig

vom Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Paderborn in Auftrag gegeben. Die Studie beschreibt die Nutzung digitaler Medien an deutschen Schulen und zeigt bildungspoli-tische Handlungsempfehlungen auf. Sie ist eine Standortbestimmung und unterstreicht die Be-deutung der schulischen Nutzung digitaler Me-dien. Gleichzeitig zeigt sie aber auch, dass es künftig vor allem darum geht, bislang ungenutzte Potenziale in der Praxis auszuschöpfen. Diese Studie soll positive Impulse für eine bedarfs-gerechte Optimierung und Vernetzung bestehen-der Aktivitäten im Bildungsbereich geben.

Die Förderung von Bildung ist seit vielen Jahren ein Schwerpunkt des gesellschaftlichen Engage-ments der Deutschen Telekom. Unsere Aktivi-täten sind integraler Bestandteil des Corporate-Responsibility-Programms „Verantwortung für morgen“. Darin manifestiert sich auch unser zentraler Anspruch, durch technologische Inno-vationen und die Bereitstellung leistungsfähiger Breitbandnetze die Menschen in allen Bereichen der Bildung lebenslang zu unterstützen und zu begleiten, denn von der Wettbewerbs- und Leistungsstärke unseres Bildungssystems hängt die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft ab. Für die Deutsche Telekom ist dieses Engagement eine nachhaltige Investition in den sozialen Fortschritt.

René ObermannVorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG

René Obermann

VORWORT

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06 EINFÜHRUNG

06 1 EINFÜHRUNG

08 2 BEDEUTUNGDIGITALERMEDIEN

11 3 EINSTELLUNGENGEGENÜBER DIGITALENMEDIEN

13 4 MEDIENAUSSTATTUNG& MEDIENNUTZUNG

16 5 WIRKUNGENDIGITALERMEDIEN

20 6 DIGITALEMEDIENINDER LEHRERAUSBILDUNG& LEHRERFORTBILDUNG

22 7 DIGITALEMEDIENINDERSCHULE IMINTERNATIONALENVERGLEICH24 8 EMPFEHLUNGEN

INHALT

INHALT 05

SEITE

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06 EINFÜHRUNG EINFÜHRUNG 07

10Jahre„SchulenansNetz“Die Studie steht im Kontext des 10-jährigen Be-stehens von „Schulen ans Netz“, einer Initiative des Bundesministeriums für Bildung und For- schung (BMBF) und der Deutschen Telekom AG (DTAG), mit der das Lehren und Lernen mit neuen Medien im schulischen Umfeld gefördert wird. Neben Beratung und Qualifizierung in den Bereichen Inhalte, Fortbildung und Technik bietet „Schulen ans Netz“ (SaN) Publikationen und Veranstaltungen sowie verschiedene Inter-netdienste für Lehrkräfte und Schulverant-wortliche an.

Neben einer Beschreibung der derzeitigen Situation sollen mit der Studie darüber hinaus – auf der Basis der vorliegenden Erfahrungen – bildungspolitische Empfehlungen für weitere Aktivitäten in diesem Bereich verbunden werden. Die Handlungsempfehlungen sollen dabei sowohl bildungspolitische Institutionen – insbesondere auf Bundesebene – als auch privatwirtschaftliche Akteure ansprechen. Nicht zuletzt geht es auch darum, Zukunftsbot- schaften zu vermitteln und Szenarien zu ent-werfen, die dann in konkrete Maßnahmen von Entscheidungsträgern Eingang finden können.

LebenslangesLernenDie Standortbestimmung basiert auf der Aus-wertung empirischer Befunde ausgewählter Studien im Bereich digitaler Medien an Schulen. Grundsätzlich ist die Bedeutung digitaler Medien aber nicht auf schulisches Lehren und Lernen beschränkt, sondern spielt z.B. auch in den Bereichen der frühkindlichen Erziehung, der Jugendarbeit, der beruflichen Bildung, der

Erwachsenenbildung oder der Weiterbildung im Kontext lebenslangen Lernens eine heraus-ragende Rolle. Diese Bereiche sind im Rahmen dieser Studie – mit dem Fokus Schule – nicht analysiert worden. Daher wurden hierzu ergän-zend Expertenmeinungen aufgenommen, die die jeweilige Situation in diesen Feldern charak-terisieren und bewerten und ebenfalls Hand-lungsnotwendigkeiten aufzeigen.

MethodikDie für den schulischen Bereich ausgewerteten Studien sind insgesamt sehr heterogen. Zum Teil handelt es sich um Erhebungen, zum Teil um Evaluationen, teilweise aber auch um qualitative explorative Studien. Eine Metaanalyse solcher Studien im strengen methodischen Sinne – z.B. mit dem Ziel, Effektstärken miteinander zu vergleichen – ist daher nicht möglich. Hinzu kommt, dass viele Untersuchungen in diesem Bereich auf nicht-repräsentativen Stichproben beruhen, so dass die Generalisierbarkeit von Aussagen nur in wenigen Fällen gegeben ist.

Datenbasis

Entsprechend enthält die vorliegende Studie synoptische Elemente wie in Review-Studien ebenso wie interpretierende und schlussfol-gernde Aussagen sowie Einschätzungen und Empfehlungen zu zukünftigen Entwicklungen bzw. Handlungsfeldern. Die „Daten“-Basis stellen eine nicht repräsentative Auswahl von empi-rischen Studien und Expertengespräche dar, die wiederum mit Ergebnissen der allgemeinen

ZieldervorliegendenStudieistes,einenÜberblicküberdenVerlaufunddenStandderArbeitmitdigitalenMedieninall-gemeinbildendenSchuleninDeutschlandzugewinnenundaufderBasisdervorliegendenErfahrungenHandlungsfelderund-notwendigkeitenfürweitereAktivitätenindiesemBereichzuformulieren.

Prof. Dr. Bardo Herzig

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EINFÜHRUNG medienpädagogischen – insbesondere medien-didaktischen – Forschung verbunden sind. So entsteht insgesamt eine Beschreibung der Situation zur Arbeit mit digitalen Medien in der Schule, die zwar nicht in jeder Hinsicht reprä-sentativ und statistisch abgesichert ist, jedoch eine zusammenfassende Einschätzung der Si-tuation erlaubt. In der hier vorliegenden Kurz-fassung werden die Ergebnisse noch einmal gestrafft und im Sinne qualitativer zusammen-fassender Aussagen dargestellt. Entsprechend werden keine einzelnen Quellen genannt, hier sei auf die Langfassung verwiesen.

TeilaspektedigitalerMedieninderSchuleDie Auseinandersetzung mit digitalen Medien in der Schule erfordert die Berücksichtigung verschiedener Teilaspekte. Die Frage der Bedeu-tung solcher Medien für die Schule ist einer- seits sicherlich davon abhängig, welche Potenzi-ale sie grundsätzlich bergen. Diese Perspektive ist eher theoretisch und rekurriert auf bestimmte mediale oder technische Eigenschaften, die in Lehr- und Lernprozessen ihre Wirkung entfalten können, und auf lerntheoretische Überlegungen. Der persönliche Umgang mit und der Zugang zu digitalen Medien ist zudem davon abhängig, welche Einstellungen solchen Medien gegenüber bei den an der Schule beteiligten Akteuren – Schüler, Lehrer, Eltern – bestehen. Darüber hi-naus sind in einer Überblicksstudie über digitale Medien in der Schule die Ausstattung und die Nutzung wichtige Determinanten. Dies gilt nicht nur für den schulischen Bereich, sondern auch

für das häusliche Umfeld, weil davon ausgegan-gen werden kann, dass beide nicht unabhängig voneinander sind. Eine Schlüsselstellung nehmen im Kontext von Unterricht auch die Lehrpersonen ein, deren Expertise bzw. Kompetenz im Umgang mit digitalen Medien eine wichtige Vorausset-zung für eine erfolgreiche Integration von digi-talen Medien in schulische Lehr- und Lernpro-zesse darstellt. Nicht zuletzt stellt Wirksamkeit digitaler Medien eine wichtige empirische Frage dar. Dies bezieht sich z.B. auf den Lernerfolg von Schülern im fachlichen oder überfachlichen Bereich, ebenso aber auch auf die Wirkung auf die Schule selbst.

InhaltederZusammenfassungVor dem Hintergrund dieser Überlegungen werden in der vorliegenden Zusammenfassung folgende Aspekte angesprochen: – Bedeutung digitaler Medien– Einstellungen gegenüber digitalen Medien– Medienausstattung und Mediennutzung an Schulen– Wirkungen digitaler Medien– Digitale Medien in der Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung– Digitale Medien im internationalen Vergleich

Der Bereich der Lehrerexpertise ist auf die Aus- und Fortbildung eingegrenzt, da zur medien-didaktischen und medienerzieherischen Kom-petenz von Lehrpersonen keine empirischen Befunde vorliegen. Die internationale Perspek-tive soll darüber hinaus zu einzelnen Punkten eine vergleichende Einschätzung erlauben. Die Zusammenfassung schließt mit Empfehlungen im Sinne der Benennung von Handlungsbedarf.

HinweisZum Sprachgebrauch: In der vorliegenden Studie wird bei der Bezeichnung von Personengruppen aus Gründen der Lesbarkeit häufig die masku- line Form verwendet. Damit sind weibliche und männliche Personen in gleichem Maße angespro-chen.

Paderborn, im September 2006

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LernförderlichePotenzialeIm Rahmen der vorliegenden Studie stehen die pädagogischen Möglichkeiten und Wirkungen im Vordergrund. Digitale – d.h. computerbasierte – Medien treten in der Schule in Form von ver-schiedenen Anwendungen in Erscheinung. Die-se reichen von Lehr- und Übungsprogrammen, Datenbeständen und Werkzeugen über Lern-spiele und offene Lehrumgebungen, Experimen-tier- und Simulationsumgebungen bis hin zu komplexen Kommunikations- und Kooperations-umgebungen. Entsprechend vielfältig sind mög-liche unterrichtliche Verwendungsformen und damit verbundene Lernaktivitäten. Erwartungen an eine lernförderliche Wirkung verbinden sich u.a. mit bestimmten Funktionalitäten und Eigenschaften, die digitalen Medien bzw. ih- ren spezifischen Angeboten eigen sind. Neben der auf unterschiedlichen Codierungsarten beruhenden und verschiedene Sinnesmodalitä-ten ansprechenden Gestaltung von Lernange-boten sind dies beispielsweise der interaktive Umgang mit Lernobjekten, Möglichkeiten der Adaption an bestimmte Lernvoraussetzungen, Rückmeldungen zu einzelnen Lernaktivitäten, explorierende und simulierende Handlungen oder der netzbasierte Aufbau von ortsverteilten Lerngemeinschaften in virtuellen Räumen. In-wieweit solche Potenziale ausgeschöpft werden, welche Nutzungsformen und -szenarien vor-herrschen und ob sich die Erwartungen an die Veränderung von Lernkultur und Lernergebnis-sen auch erfüllen, ist eine empirische Frage, die in den nachfolgenden Kapiteln erhellt werden soll.

Eine umfassendere Würdigung digitaler Medien muss sich aber auch auf andere Erziehungs- und Bildungskontexte über die Lebensspanne beziehen, etwa die frühkindliche Bildung, die Jugendarbeit, die berufliche Bildung und die Erwachsenen- und Weiterbildung. Darüber hinaus lassen sich Potenziale digitaler Medien in ihrer grundsätzlichen kulturellen Bedeutung und ihrem allgemein bildenden Wert reflektie-ren1:

DigitaleMedienundAllgemeinbildungReduziert man die schulische Auseinanderset-zung mit digitalen Medien nicht auf medien-didaktische Fragen – und damit im engeren Sin- ne auf Möglichkeiten der Verbesserung von Lernprozessen –, dann geraten weitergehende Aufgaben in den Blick, die die im Begriff der „digitalen Kultur“ ausgedrückten Veränderungen betreffen. Digitale Medien schaffen neue Be-dingungen des Selbst- und Weltverständnisses und werden von Kindern und Jugendlichen insbesondere in Prozessen informellen Lernens erschlossen. Über diese Form des Wissens-erwerbs und über Möglichkeiten, sie mit institu-tionalisierten Lernprozessen zu verbinden, ist bisher wenig bekannt. Die Auseinandersetzung mit digitalen Medien sollte daher selbst auch Eingang in den schulischen Alltag finden, und ein Basisverständnis für den Zusammenhang zwi-schen Kultur und Technik sollte zugrunde gelegt werden.

DigitaleMedienundUrteilsfähigkeit Bisherige schulische Bildungsprozesse lassen sich durch eine gewisse Geschlossenheit charak-terisieren, die nicht zuletzt auch in entsprechend kodifiziertem zu vermittelndem Wissen in Lehr-büchern ihren Ausdruck findet. Diese Situation ändert sich, wenn der Unterricht sich durch den Einbezug digitaler Medien – insbesondere des Internets – öffnet und damit einen Teil solcher Geschlossenheit verliert. Informationen, die in

MitderVerbreitungvondigitalenMedienalsselbstverständ-licherBestandteilderberuflichenundprivatenLebensweltgingauchverstärktdieForderungnacheinerschulischenNutzungsolcherTechnologieneinher.DieBegründungsmusterrekurrie-renimWesentlichenaufdieallgemeinegesellschaftlicheBedeutung,aufdiezukünftigeberuflicheRelevanzdigitalerMedien,aufdiepädagogischeWirkungimHinblickaufeineVerbesserungdesLernensundderLernergebnisseundaufdasVeränderungspotenzial,dasinInstitutionenwiederSchuledamitausgelöstwerdenkönne.

1 Die nachfolgend genannten Bildungsaspekte und Bildungsbereiche konnten in der Hauptstudie nicht vertiefend auf der Basis von empirischen Daten analysiert werden. Daher wurden sie in einzelnen Expertenstatements zusammenfassend dargestellt und beurteilt. Der Einsatz digitaler Medien in der Hochschule musste ganz aus-geklammert werden.

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BEDEUTUNGDIGITALERMEDIEN

08 BEDEUTUNGDIGITALERMEDIEN

Unterrichtssituationen von Lernenden online erschlossen werden, sind nicht mehr redaktionell bearbeitete und didaktisch reduzierte Informa-tionen und stellen die Lehrenden vor eine be-sondere Herausforderung. Solche Informationen müssen bewertet werden, sie erfordern Stellung-nahme und machen das Spektrum unterschied-licher Standpunkte deutlich. Gleichzeitig wird klar, dass letztlich auch das Ziel darin bestehen muss, Schülerinnen und Schüler dazu zu be- fähigen, Medienangebote in kritischer Weise zu reflektieren, zu bewerten und bedürfnisbezogen zu nutzen.

VisuelleKompetenzalsBasiskompetenzMit der Entwicklung der Massenmedien wurde dem Bild als visuellem Gegenstand erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt und die Entwicklung visueller Kompetenz propagiert, um der Gefahr eines visuellen Analphabetismus zu entgehen und der Macht der Bilder nicht zu erliegen. Mit der Entwicklung digitaler Medien und der Dis-kussion um den pictorial oder iconic turn rückte auch die Bedeutung von Bildern – neben der Kunst – in den Naturwissenschaften und den Geisteswissenschaften stärker ins Bewusstsein. Zur aktiven, kritischen und bewussten Wahr-nehmung von Bildern sowie zur Selektion im Rahmen einer zunehmenden Flut von Bildern ist daher eine besondere Kompetenz erforderlich, die es als Basiskompetenz im Sinne einer ästhe-tischen Erziehung auszubilden gilt.

FrühkindlicheMedienaneignungFragen des Umgangs mit Medien und der Me-dienaneignung sind nicht erst mit dem Eintritt ins Schulalter relevant, sondern insbesondere in der entwicklungs- und ereignisreichen Phase der frühen Kindheit besonders bedeutsam. Von der anfänglichen Wahrnehmung von Medien als auditive oder visuelle Reizquellen über die Entwicklung von medialen Wünschen und Vor-lieben sowie erste Formen der eigenständigen Medienaneignung bis hin zur aktiven Arbeit mit Medien sind verschiedene Phasen der kindlichen Auseinandersetzung mit Medien zu begleiten. Erste Kontakte finden im Elternhaus statt, sind allerdings deutlich abhängig vom Bildungsstand

der Erziehenden. Dies bedeutet, dass Kleinkinder aus bildungsfernen Schichten eher der Gefahr ausgesetzt sind, problematische Mediengewohn-heiten und risikoreiche Medienvorlieben zu entwickeln. Entsprechend kommt den Kinder-tagesstätten eine hohe Verantwortung zu, Kinder bei ihrer Medienaneignung im medienerziehe-rischen Sinne systematisch zu begleiten. Dabei sollten Kinder befähigt werden, Medien als Orte des informellen Lernens, als Mittel der Welt-aneignung und als Gegenstand kritischer Be-urteilung gewinnbringend für die eigene Lebens-gestaltung zu nutzen. In struktureller Hinsicht erfordert dies eine Verbesserung der medien- pädagogischen Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern sowie eine Verzahnung von fami-liärer Medienerziehung und professioneller Medienkompetenzförderung in pädagogischen Einrichtungen.

JugendarbeitKindliche Medienaneignung setzt sich in der Jugendphase fort und führt zu verschiedenen – ebenfalls bildungsabhängigen – Formen der Mediennutzung. Medien stellen für Jugendliche Orte informellen Lernens außerhalb institutio-nalisierter Lernprozesse dar. Sie nutzen Medien zur Orientierung für die Entwicklung ihrer Persönlichkeit, als Informations- und Wissens-quelle und zur Entwicklung von (Medien-) Kompetenz. Diskrepante Fähigkeiten Jugend-licher, Informations- und Wissensangebote zu erschließen oder sich in bestimmte Jugendkul-turen aktiv und gestaltend einzubringen, leisten allerdings einer Ausweitung der Wissenskluft zwischen bildungsbevorzugten und bildungs-benachteiligten Jugendlichen Vorschub. Eine wichtige Aufgabe der außerschulischen Jugend-arbeit ist daher die Bereitstellung von Hand-lungsräumen, in denen Jugendliche medienbe-zogene Erfahrungen machen und mediale Handlungsoptionen erproben können. Als be-sonders erfolgreich hat sich dabei die aktive Medienarbeit erwiesen. Diese Bemühungen gilt es durch die Herstellung geeigneter Rahmen-bedingungen und die Verankerung von medien-pädagogischen Ausbildungsangeboten bei Pädagoginnen und Pädagogen zu verstärken.

BEDEUTUNGDIGITALERMEDIEN 09

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BeruflicheBildung In besonderer Weise wird auch die berufliche Alltagspraxis durch eine „digitale Kultur“ geprägt und stetig verändert. Für die berufliche Bildung stellt sich insbesondere die Aufgabe, die Durch-dringung der Arbeitssysteme durch Informa-tions- und Kommunikationstechnologien und den sich daraus ergebenden Wandel der Auf-gaben zu analysieren und zu reflektieren. Diese Durchdringung lässt zunehmend die Grenzen zwischen Arbeiten und Lernen verschwinden. Der Fokus liegt nicht mehr auf der Beherr-schung eines Arbeitssystems, sondern auf der Entwicklung der Fähigkeit, mit Hilfe digitaler Technologien im Arbeitsprozess bestimmte Prob-leme zu lösen. Entsprechend stellt sich für die berufliche Bildung die Aufgabe, arbeitsprozess-bezogenes Lernen mit Hilfe digitaler Medien durch geeignete Lehr- und Lernarrangements zu unterstützen, die auch einer an den spezi-fischen Belangen der Lebens- und Arbeitswelt orientierten Lernkultur Rechnung tragen, also einen hohen Kontextbezug aufweisen.

Weiterbildung Dass eine Ausbildung im Sinne des Erreichens verschiedener Qualifikationen nicht das Ende von Lernprozessen markiert, darauf deutet die Weiterbildung hin, die von jeher dem lebens-langen Lernen verpflichtet ist. Weiterbildungs-prozesse unterliegen besonderen Rahmen-bedingungen, z.B. in ihrer Organisation als Fern- studium, als berufsbegleitendes Lernen oder als Weiterbildung in der Freizeit. Es ist nahe liegend, die Möglichkeiten digitaler Medien – und hier insbesondere des Internets – für die Unterstützung solcher Lernprozesse zu nutzen. Dies erfordert verschiedene Bemühungen im Bereich Forschung und Entwicklung, Infrastruk-tur und Qualifizierung. Die bisher unzureichend geklärten Fragen reichen von der Entwicklung einer spezifischen Didaktik, die geeignet ist, Kompetenzentwicklung in netzbasierten Lern-prozessen anzuregen und zu fördern, über eine angemessene Aufbereitung von Standardthemen der Weiterbildung bis zu Qualifikationsprofilen entsprechender Weiterbildner.

Erwachsenenbildung Neben der Weiterbildung besteht auch in der Erwachsenenbildung Handlungsbedarf, z.B. in der politischen Bildung, in der kulturellen Bildung, in der Grund- oder Sprachenbildung die Auseinandersetzung mit digitalen Medien – in ihrer Bedeutung als Kulturtechnik und als Voraussetzung zur gesellschaftlichen Teilhabe – verstärkt zu fördern. Insbesondere diejenigen Erwachsenen, die nicht über die berufliche Weiterbildung erfasst werden, müssen in der Breite die Möglichkeit erhalten, Kompeten- zen zu erwerben, die ihnen eine aktive Teil-nahme am gesellschaftlichen Leben und einen eigenständigen Zugang zu Bildungsangeboten ermöglichen.

DigitaleMedienundKnowledgeCommunities Die besondere Bedeutung digitaler Medien für Erziehungs- und Bildungsprozesse in allen Lebensphasen lässt sich auch an spezifischen Funktionalitäten der Medien festmachen. In der so genannten Social Software liegt beispiels-weise ein großes Potenzial digitaler Medien im Hinblick auf die Zusammenführung von Men-schen – sowohl in der Schule als auch in der beruflichen Bildung, der Erwachsenenbildung und Weiterbildung oder in der Jugendarbeit. In informellen, nicht institutionalisierten Kon-texten etablieren sich bereits selbstorganisie-rende Gemeinschaften, in denen die beteiligten Personen unter hoher Identifikation mit der Community netzbasiert gemeinsam Wissen kon-struieren und weitergeben. Solche Prozesse und ihren autopoietischen Charakter auch in institutionellen Kontexten fruchtbar werden zu lassen, stellt eine besondere bildungspolitische Herausforderung dar.

10 BEDEUTUNGDIGITALERMEDIEN

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EINSTELLUNGENGEGENÜBERDIGITALENMEDIEN

SchülerinnenundSchülerVerschiedene Studien zeigen, dass die Schülerin-nen und Schüler in Deutschland eine insgesamt sehr positive Grundeinstellung gegenüber digi-talen Medien haben. Dies gilt auch im internatio-nalen Vergleich, wobei allerdings deutliche Un- terschiede zwischen Jungen und Mädchen zu- gunsten der Jungen bestehen. Unterschiede in den Einstellungen werden in Deutschland in einem international vergleichsweise sehr hohen Prozentsatz durch den Faktor Geschlecht auf-geklärt. Neben der wachsenden gesellschaft-lichen Relevanz von Computern und der damit verbundenen Notwendigkeit, kompetent mit ihnen umzugehen, sind für die Schülerinnen und Schüler die Hoffnung auf eine Verbesserung des Unterrichts bzw. des Lernens und die mög-lichen beruflichen Erfordernisse wichtige As-pekte, die sowohl digitale Medien als bedeutsam erscheinen lassen als auch eine aufgeschlossene Grundhaltung bewirken.

LehrpersonenEin insgesamt sehr positives Klima in Bezug auf den schulischen Einsatz von digitalen Medien herrscht auch bei den Lehrpersonen. Überein-stimmend werden tendenziell in vielen Studien die gesellschaftliche Bedeutsamkeit und die berufliche Relevanz der neuen Medien für die Schüler betont. Der Förderung von Motivation, der Befähigung zu selbstständigem und projekt-orientiertem Arbeiten sowie einer interessan- ten Unterrichtsgestaltung sind digitale Medien

nach Angabe vieler Lehrpersonen zuträglich. Dabei sind Lehrende mit Medienerfahrung in der Regel positiver eingestellt als unerfahrene. Skep- tischer werden von Lehrerinnen und Lehrern Möglichkeiten eingeschätzt, die sich nicht auf Aspekte beziehen, die unmittelbar mit dem Medium verbunden sind – etwa das eigenständi-ge Arbeiten oder individuelle Lernerfahrungen –, sondern auf die Anregung von kooperativem Arbeiten mit Medien, die individuelle Förderung von Schülern oder die Entwicklung sozialer Fähigkeiten mit Hilfe von Medien. Diese Ergeb-nisse deuten darauf hin, dass Lehrerinnen und Lehrern möglicherweise in den Bereichen, in denen die didaktischen Anforderungen relativ hoch sind (z.B. im Umgang mit Heterogenität) entsprechende Erfahrungen und Vorstellungen noch fehlen. Digitale Medien werden auch nicht grundsätzlich als unabdingbare Voraussetzung eines guten Unterrichts gesehen, sondern eher als ein Potenzial, das zur Bereicherung und Verbesserung von Unterricht beiträgt und das auch genutzt werden soll. Der Einsatz von di-gitalen Medien im Unterricht wird von den Lehr- personen auch nicht davon abhängig gemacht, ob der qualitative Nachweis der Nützlichkeit bzw. Wirksamkeit erbracht ist.

SchulleitungenÜber die Einstellung von Schulleitungen liegen insgesamt weniger Daten vor. Sie sind durch- gängig ebenfalls positiv und aufgeschlossen. Allerdings sind Aussagen von Schulleitungen grundsätzlich vor dem Hintergrund zu sehen, dass sie einerseits häufig weniger Erfahrungen in der Verwendung digitaler Medien im Unter-richt haben, zum anderen, dass sie aus ihrer Leitungsfunktion heraus unter Umständen einer gewissen Erwartung im Sinne sozialer Erwünscht-heit unterliegen. Nimmt man allerdings den Befund hinzu, dass auch die Lehrpersonen den Schulleitungen eine aufgeschlossene Haltung attestieren, kann der berichtete positive Trend bestätigt werden.

Einewichtige–wennauchnichthinreichende–VoraussetzungeinererfolgreichenArbeitmitdigitalenMedieninderSchulekannineinerpositivenGrundeinstellunggegenüberneuenMediengesehenwerden.EinesolcheStimmunglässtsichüberIndikatorenerfassen,diez.B.nachdersubjektivempfundenenWichtigkeitderArbeitmitdemComputer,demInteressefürComputer,dergesellschaftlichenBedeutungvonComputernfürdasAlltags-oderBerufslebenodernachvermutetenpositivenodernegativenWirkungenfragen.

EINSTELLUNGENGEGENÜBERDIGITALENMEDIEN 11

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ElternEltern sehen auf breiter Front in digitalen Me-dien Möglichkeiten und Nutzen für den didak-tischen Bereich zur Unterstützung von Lern-prozessen, sind allerdings – insbesondere in Bezug auf das Internet – in medienerzieherischer Hinsicht eher kritisch und besorgt. Insgesamt teilen sie aber – wie verschiedenen Studien zu entnehmen ist – die große Bedeutsamkeit di- gitaler Medien für Alltagsleben und Beruf und sehen auch die Schule in der Verantwortung, den Umgang mit dem PC zu vermitteln. Aller-dings wächst in den letzten Jahren der Anteil der Eltern, die sich mit dieser Aufgabe selbst in die Pflicht nehmen.

StudierendeBetrachtet man – den schulischen Bereich ver- lassend – Studierende in ihren Einstellungen zu digitalen Medien, so schätzen diese die Vermitt-lungsfunktion digitaler Medien – insbesondere von Lernprogrammen – als durchaus nützlich ein, zeigen sich aber deutlich skeptischer im Hinblick auf die Förderung von Motivation und Selbstständigkeit. Allerdings ist – in Überein-stimmung mit den anderen Personengruppen – die Einstellung deutlich abhängig von der eige- nen Erfahrung. Vor diesem Hintergrund kann die teilweise etwas zurückhaltende Einschätzung der Studierenden auch Ausdruck einer an den Hochschulen noch nicht durchgängig überzeu-genden Nutzung digitaler Medien in der Lehre sein.

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die an Schule beteiligten Akteure in Deutsch-land eine durchgängig positive Grundhaltung und Grundstimmung in Bezug auf die gesell-schaftliche Bedeutung digitaler Medien und im Hinblick auf ihren Einsatz im Unterricht zeigen.

12 EINSTELLUNGENGEGENÜBERDIGITALENMEDIEN MEDIENAUSSTATTUNG&MEDIENNUTZUNG 13

AusstattungRein quantitativ gesehen, ist die Ausstattung der Schulen in Deutschland in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Das Verhältnis Schüler zu Computer hat sich von 17:1 im Jahr 2002 auf 11:1 im Jahr 2005 verbessert. Dies gilt für stationäre Rechner. Mobile Technologien spie- len derzeit rein zahlenmäßig noch eine unter-geordnete Rolle, die Zuwachsraten sind jedoch beträchtlich. Differenziert man nach Schularten, so ist die Ausstattung der Grundschulen etwas ungünstiger als die der Sekundarschulen, am bes-ten schneiden die Berufsschulen ab.

ComputerundNetzwerkeWenn auch inzwischen 99% der deutschen Schu-len mit Computern ausgestattet sind, so sind eine Vernetzung und eine Anbindung aller an den Schulen vorhandenen Rechner an das Internet noch keine Selbstverständlichkeit. Der Anteil von Schulen mit einem serverbasierten Netzwerk liegt zwischen 83% bei den Berufsschulen, 86% bei den Sekundarschulen und 54% bei den Grundschulen. Die Prozentsätze der mit einem solchen Netzwerk verbundenen Rechner liegen bei 84%, 75% und 48%.

BreitbandanschlüsseDie Anbindung der Schulen wurde bisher in der Regel über ISDN-Anschlüsse realisiert. Hier setzten sich in den letzten vier bis fünf Jahren kontinuierlich verstärkt Breitband-Anschlüsse durch (xDSL), so dass im Jahr 2005 nahezu ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen beiden

Anbindungsarten besteht. Die Ausstattung an deutschen Schulen mit digitalen Medien konnte in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert werden, so dass inzwischen auch gewisse Min-deststandards der EU von allen Schulformen erreicht sind. Dennoch liegt Deutschland im in-ternationalen Vergleich noch weit zurück, OECD- Studien zufolge im Jahr 2003 auf den hinters- ten Rängen.

HäuslicheAusstattungvonSchülernDeutlich über dem OECD-Durchschnitt liegt die häusliche Verfügbarkeit von Computern. 83% der Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren hatten im Jahr 2005 Zugriff auf einen Computer zu Hause, für Jugendliche liegt der Prozentsatz bei 98% (im Jahr 2003 hatten 96% der Jugendlichen im Alter von 15 Jahren Zugriff auf einen häus-lichen Computer, der OECD-Durchschnitt lag bei 85%). Während durchschnittlich 12% der Kinder im Jahr 2005 bereits eigene Computer besitzen, trifft dies für 57% aller Jugendlichen zu, wobei die Chance auf ein eigenes Gerät vom sozioöko-nomischen Hintergrund beeinflusst wird.

ZufriedenheitderLehrpersonenGemessen am Stand der Technik und an der für eine unterrichtliche Integration wünschens-werten Infrastruktur, stellt sich die Situation an deutschen Schulen nicht überzeugend dar. Dennoch besteht eine vergleichsweise hohe Zufriedenheit der Lehrpersonen mit der Ausstat-tung. Qualitative Ergebnisse deuten darauf hin, dass diese Einschätzungen vermutlich darauf zurückzuführen sind, dass sich viele Lehrperso-nen die Nutzung einer umfangreicheren Aus-stattung aufgrund ihrer mediendidaktischen und medienpädagogischen Kompetenzen (noch) nicht zutrauen. Entsprechend gehen Wünsche weniger in Richtung Ausstattung sondern mehr in Richtung Fortbildung.

DieFrage,inwieweitdiemitderIntegrationdigitalerMedienindenUnterrichtverbundenenErwartungensichaucherfüllenundwelcheLernszenarienrealisiertwerdenkönnenbzw.wieeinesolcheIntegrationnochweiterangeregtundunterstütztwerdenkann,istnichtzuletztauchdamitverbunden,welcheInfra-strukturanSchulenvorzufindenistundwiediesegenutztwird.

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MEDIENAUSSTATTUNG&MEDIENNUTZUNG

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NutzungIn Bezug auf die Nutzung von Computer und Internet im Unterricht kann insgesamt auch noch von keiner selbstverständlichen Integration digitaler Medien in den Unterricht gesprochen werden, wenngleich auch hier die Nutzungsdaten in den letzten Jahren zunehmen. In den Grund-schulen erfolgt ein häufiger Computereinsatz vor allem in den Fächern Deutsch und Mathematik sowie in Arbeitsgemeinschaften, wobei vorrangig Lernsoftware und multimediale Nachschlage-werke zum Einsatz kommen. In den Sekundar-stufen I und II ist ein häufiger Einsatz digitaler Medien vor allem im Fach Informatik und in Arbeitsgemeinschaften zu finden, gefolgt von technischen, naturwissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fächern. An Software werden vor allem Werkzeuge, Präsentationsprogramme und Programmiersprachen verwendet. In den Berufsschulen spielen bei der häufigen Nutzung der kaufmännische Bereich, der gewerblich-technische Bereich und die Informatik eine be-sondere Rolle. Entsprechend kommt auch bran-chenspezifische Software zum Einsatz; insgesamt ist die Nutzung verschiedener Softwareangebote im Vergleich zu den anderen Schultypen höher. Berücksichtigt man auch die gelegentliche Nut-zung, werden die Nutzungsdaten insgesamt höher und weitere Fächer treten hinzu.

InternetDie Internetnutzung ist im Vergleich zum Com- puter in der Grundschule noch geringer. Häufiger Einsatz erfolgt im Sachunterricht und in Arbeits-gemeinschaften, gefolgt von den Fächern Deutsch und Mathematik. Rund drei Viertel der Sekun-darschulen nutzen das Internet häufig oder gele-gentlich in den Naturwissenschaften, in Informa-tik, in den Gesellschaftswissenschaften und in Arbeitsgemeinschaften. Auch hier überwiegt die Nutzung des Computers gegenüber der Internet-nutzung. In den berufsbildenden Schulen ist die

Rangfolge der Fächer, in denen häufig oder gelegentlich Computer oder Internet eingesetzt werden, jeweils gleich. Relativ ähnlich hohe Anteile von Schulen geben an, in den Fächern Informatik und Deutsch sowie in den Gesell-schaftswissenschaften und in den Fremdsprachen Computer bzw. Internet einzusetzen. Im Zeit-raum von 2003 bis 2005 ist die Computernutzung in den Schulen insgesamt in allen Fächern ge-stiegen, wobei sie in den Naturwissenschaften und in den Fremdsprachen konstant blieb. Die Internetnutzung hat – über alle Schulen gesehen – in allen Fächern zugenommen.

DigitaleMedienimUnterrichtMit Blick auf die Lehrpersonen stellt sich die Verwendung digitaler Medien im Unterricht so dar, dass im Jahr 2003 insgesamt knapp die Hälfte der Lehrpersonen Computer häufig oder gelegentlich im Unterricht einsetzten, das Internet verwendet ein Drittel der Lehrerschaft an allgemein bildenden Schulen häufig oder gelegentlich. Allerdings geben die Lehrpersonen an, in Zukunft Medien verstärkt einsetzen zu wollen. 72% wollen häufiger mit dem Internet arbeiten, 68% öfter mit dem PC. Dennoch be-läuft sich der Anteil der Lehrerinnen und Lehrer, die z.B. digitale Medien im Fachunterricht noch gar nicht eingesetzt haben, auf bis zu 50%. Neben schul- und bundeslandspezifischen Un-terschieden muss allerdings bei solchen Daten beachtet werden, dass es in vielen Fällen keine genauen Festlegungen für eine häufige oder seltene Nutzung gibt. In der Tendenz zeigen die empirischen Daten, dass je nach Schulart eine Kerngruppe im Umfang von 10 bis 30% der Lehrpersonen zu den regelmäßigen Anwendern digitaler Medien im Unterricht gehört. Solche Gruppen stellen auch die hauptsächlichen Nutzer von Online-Angeboten für Lehrer dar. Über 90% von ihnen nutzen den Computer aufgrund der damit verbundenen Vorteile täglich oder mehrmals pro Woche für die Vor- und Nachbe-reitung von Unterricht, und über die Hälfte setzt den Computer auch täglich oder mehrmals pro Woche im Unterricht ein.

14 MEDIENAUSSTATTUNG&MEDIENNUTZUNG MEDIENAUSSTATTUNG&MEDIENNUTZUNG 15

HäuslicheNutzungdigitalerMedienEiner in der Breite insgesamt noch geringen Nutzung digitaler Medien im Unterricht steht eine bei Kindern und Jugendlichen häufige Computernutzung zu Hause gegenüber. In der Altersgruppe zwischen 6 und 13 Jahren nutzten im Jahr 2005 38% den Computer regelmäßig (mindestens einmal pro Woche) in der Schule, 86% arbeiteten mit dem Computer regelmäßig zu Hause. Bei den Jugendlichen nutzten 17% den Computer täglich oder mehrmals pro Woche in der Schule, 76% taten dies mit der gleichen Häufigkeit zu Hause. Allerdings ist die häusliche Nutzung nicht auf außerschulische Belange beschränkt, sondern schließt Lernaktivitäten für den Unterricht mit ein. Die Befunde aus natio-nalen Studien werden durch internationale Untersuchungen mit deutscher Beteiligung ge-stützt. Nimmt man die regelmäßige schulische Nutzung (d.h. meist jeden Tag oder einige Male pro Woche) als Kriterium, dann liegt Deutsch-land bei der Gruppe der 15-Jährigen im OECD-Vergleich auf dem letzten Rang. Mit einer im Vergleich zu den übrigen OECD-Staaten über-durchschnittlich häufigen häuslichen Nutzung weist die Bundesrepublik zudem die OECD- weit größte Differenz zwischen schulischer und häuslicher Nutzung auf.

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WIRKUNGENDIGITALERMEDIEN

ComputereinsatzundFachleistungenIn der jüngeren Vergangenheit wurden fachliche Kompetenzen im Zusammenhang mit dem Ein-satz von digitalen Medien vor allem im Kontext internationaler Schulleistungsstudien diskutiert. Dabei fanden sich positive signifikante Zusam-menhänge zwischen Testleitungen in Mathematik und der Verfügbarkeit von Computern zu Hause, zwischen Testleistungen und der Dauer der Computererfahrung, zwischen Testleitungen und mäßiger schulischer sowie häufiger häuslicher Computernutzung und zwischen Testleistungen in Mathematik und im Lesen und einer insge-samt moderaten Verwendung von Internet und Computerspielen bzw. Standardanwendungen und Lernsoftware.

MethodischeProblemeDiese Daten erfordern einen sensiblen Umgang in zweierlei Hinsicht: Zum einen sagen Korrela-tionen noch nichts über kausale Zusammenhänge, und zum anderen wird forschungsmethodisch problematisiert, dass häufig nur bivariate Zusam-menhänge betrachtet werden, die sich deutlich anders darstellen können, wenn weitere Einfluss-faktoren als Kontrollvariablen berücksichtigt werden. Die Frage, welche Auswertungsmodelle letztlich angemessen sind, wird forschungsme-thodisch zu klären sein. Derzeit jedenfalls lassen sich auf der Basis der genannten Zusammen-hänge allenfalls weitere erkenntnisleitende Hy-pothesen für weitere Untersuchungen formu-lieren.

Medieneigenschaften,Lernvoraussetzungen,didaktischeGestaltungEinen wesentlich detaillierteren Einblick in Lehr- und Lernprozesse mit digitalen Medien erlauben Fallstudien, in denen nicht nur der Outcome, sondern auch die Lernprozesse selbst Gegenstand der Untersuchung sind. Allerdings wird dieser Informationsgewinn zulasten der Repräsentativität erkauft. Solche Einzelfallstu-dien zeigen, dass digitale Medien die fachlichen Leistungen von Schülern nicht verschlechtern, sondern in Teilbereichen verbessern können. Dies gilt zum Beispiel für mathematische Teil-kompetenzen oder für verschiedene Aspekte von Aufsatzleistungen. Insbesondere qualitative Stu-dien machen darauf aufmerksam, dass die Frage des Lernerfolgs nicht zuletzt davon abhängt, inwieweit bestimmte Passungen zwischen den Eigenschaften der eingesetzten Medien, den Lernvoraussetzungen der Schüler und der didak-tischen Gestaltung der Lernsituationen bestehen. Dies wird durch die im Fachunterricht wahr-genommenen Lernerfolge durchaus unterstützt. Gerade Ergebnisse solcher Studien, in denen auch tendenziell negative Auswirkungen auf den Lernerfolg berichtet werden, zeigen bei der Analyse der zugrunde liegenden Lernaktivitäten, dass teilweise Artefakte, z.B. durch die Ver-kürzung der Auseinandersetzung mit fachlichen Inhalten zugunsten einer Beschäftigung mit medienspezifischen Belangen, entstehen kön-nen und zu verzerrenden Eindrücken führen.

ÜberfachlicheKompetenzenIm Hinblick auf die Verbesserung von überfach-lichen Kompetenzen im Zusammenhang der Nutzung digitaler Medien liegen keine repräsen-tativen Daten auf der Basis entsprechender Kompetenzmessungen vor, aber viele qualitative Studien berichten Ergebnisse, die tendenziell in die gleiche Richtung weisen. Die häufigsten positiven Veränderungen liegen im Bereich des selbstständigen und selbstgesteuerten Ar-beitens, der Kooperation und der Medienkom-petenz, allerdings in der Regel eingeschränkt auf den kompetenten Umgang mit dem Compu-ter und die Fähigkeit, z.B. mit dem Internet

HoheErwartungenandielernförderlichenPotenzialedigita-lerMedien,verbundenmitintensivenBemühungenumihreIntegrationindenUnterricht,legenesnahe,auchnachdenWirkungenzufragen.DabeikönnenverschiedeneWirkungs-ebenenindenBlickgenommenwerden:fachlicheLeistungen,überfachlicheKompetenzen,VeränderungenderUnterrichts-kulturundAspektederSchulentwicklung.

16 WIRKUNGENDIGITALERMEDIEN WIRKUNGENDIGITALERMEDIEN 17

zu arbeiten. Die fächerübergreifenden Kom-petenzen in den jeweiligen Bereichen sind z.T. geschlechtsspezifisch zugunsten der Jungen ausgeprägt. Allerdings weisen erste Befunde auch in die Richtung einer Angleichung der Fähigkeiten beider Geschlechter durch den kon-tinuierlichen Einsatz von digitalen Medien im Unterricht.

UnterrichtskulturNeue Medien fordern und fördern die Verän-derung von Unterricht. Insbesondere in Bezug auf die Lehrerrolle zeigen viele Studien eine Verschiebung des Verständnisses als Wissens-vermittler hin zu einer beratenden und mode-rierenden Funktion. Damit verbunden, werden vielfach Veränderungen in den Handlungsmus-tern der Lehrpersonen beschrieben. Im engeren Sinne beziehen sich solche Muster zunächst auf typische Lehraktivitäten mit digitalen Me-dien, z.B. den Einsatz von Lernsoftware zur Übung und Kontrolle, die Nutzung des Internets zur Recherche oder Kooperation usw. In einem weiter gefassten Sinne betreffen die Handlungs-muster aber die grundsätzliche Auffassung der Lehrenden von der Unterrichtsgestaltung und -durchführung. So zeigen Einzelfallstudien – etwa bezüglich des Lernens mit Laptops –, dass die Veränderungen der Unterrichtskultur in engem Zusammenhang mit den routinisierten und praktizierten Handlungsmustern der Lehr-personen stehen. Diejenigen Lehrpersonen, die ohnehin einen stärker schülerzentrierten Unterricht durchführen, nehmen durch den Einsatz von – in diesem Falle – Laptops weniger Änderungen wahr als diejenigen, die einem stärker lehrerzentrierten Vorgehen verhaftet sind. Eine gewinnbringende Integration neuer

Medien gelingt am ehesten den Lehrpersonen, die mit ihrem Unterrichtsstil der Wechselwirkung von Inhalt, Medium, Lernvoraussetzungen und Sozialformen Rechnung tragen. Dies ist allerdings ein längerfristiger Prozess, der in vielen Fällen zunächst einmal an stärker medienbezogenen Aspekten ansetzt und erst später auf die inhalt-liche Unterrichtsarbeit mit digitalen Medien ausgeweitet wird. Die „Trägheit“ solcher Verän-derungsprozesse ist nicht auf den Medienbereich beschränkt, Ergebnisse der Professions- und Expertiseforschung zeigen, dass die Veränderung von Handlungsstrukturen im Unterricht und der damit verbundenen subjektiven Theorien von Unterricht ein schwieriger und langwieriger Prozess sind. An konkreten Veränderungen wahr- genommen werden von Lehrpersonen und Schülern den vorliegenden Studien zufolge am häufigsten mehr – und teilweise qualitativ ver-besserter – Gruppenarbeit, eine höhere Anschau-lichkeit des Unterrichts, ein höherer Grad an Schülerzentrierung, z.B. durch eigenständige Be-arbeitung von Aufgaben, eine verbesserte Auf-merksamkeit und deutlich mehr Motivation und Freude am Unterricht.

LernkulturInsgesamt wird erkennbar, dass im Hinblick auf die Unterrichts- und Lernkultur Veränderungen mit dem Einsatz digitaler Medien einhergehen; ob dies allerdings zu diesem Zeitpunkt bereits als eine neue Lernkultur bezeichnet werden kann, ist fraglich. Vielfach sind Veränderungen auf den Einbezug der Medien fokussiert, legen aller-dings auch dort bereits ein modifiziertes Rollen-verständnis nahe. Eine Änderung der grund-legenden didaktischen Muster zur Integration digitaler Medien in den Unterricht, die auch in neuen Formen der fachlichen Auseinander-setzung mit Inhalten die Potenziale digitaler Medien zur Entfaltung bringt, erfordert jedoch noch deutlich weiter gehende Anstrengungen.

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SchulentwicklungDie Integration digitaler Medien ist aus einer systemischen Perspektive neben dem Unterricht mit Auswirkungen auf verschiedene weitere Be-reiche des Systems Schule verbunden, etwa die Technik, die Infrastruktur und das Personal. Dies bedeutet, dass digitale Medien auch unter dem Blickwinkel ihrer Bedeutung für Prozesse der Schulentwicklung gesehen werden müssen. Wertet man hierzu entsprechende Studien aus – in der Regel handelt es sich wieder um Fallstu-dien – , so zeigt sich, dass an vielen Schulen Ver-änderungen durch eine Kerngruppe von Lehr- personen angestoßen werden. Sie übernehmen Promotoren-Funktionen in technischer und pädagogischer Hinsicht. Dazu zählen Aufgaben wie Motivation und Unterstützung von Kol-leginnen und Kollegen, Herstellung von Arbeits-strukturen und Sicherung der Finanzierung, Sicherstellung des Informationsflusses in der Schule und nach außen sowie die Entwicklung von Medienkonzepten. Als wichtige Rahmen-bedingung hat sich in vielen Fällen eine starke Unterstützung durch die Schulleitung erwiesen.

Ebenso wichtig erscheinen der Austausch über Ziele und Inhalte der Arbeit mit digitalen Me-dien und die Herstellung eines Grundkonsenses. Auch wenn – wie berichtet – eine insgesamt sehr positive Grundstimmung unter den Lehr-kräften vorherrscht, kann nicht verschwiegen werden, dass Kollegien neben aktiven auch duldende und – allerdings in sehr geringer Zahl – opponierende Mitglieder haben. Implementati-onsprozesse sind mit Rückschlägen verbunden, die nicht immer auf die Sache an sich, sondern häufig auf ungünstige Rahmenbedingungen zurückzuführen sind. Auch hier – so zeigen die Ergebnisse – ist die Kommunikation entspre-chender Probleme wichtig, um Akzeptanzschwie-rigkeiten vorzubeugen. Eine aktive Beteiligung von Lehrpersonen an der Integration neuer Medien in den Unterricht stellt sich als nicht zuletzt abhängig von den jeweiligen Kompe-tenzen der Lehrkräfte dar. In diesem Kontext äußern die Betroffenen erhöhten Fortbildungs-bedarf in pädagogisch-inhaltlichen, didakti-schen und technischen Fragen.

ForschungsmethodikStudien zur Frage der Wirkungen digitaler Medien in den Bereichen der Fachleistungen, der Schlüsselqualifikationen, der Unterrichts- und der Schulentwicklung sind forschungs-methodisch sehr unterschiedlich angelegt. Grundsätzlich lassen sich

– Untersuchungen zu allgemeinen Medien- effekten, z.B. als Vergleichsuntersuchung zwischen medienunterstütztem und her- kömmlichem Unterricht,– Untersuchungen zu Effekten spezieller Medienmerkmale, etwa Codierungsarten oder Sinnesmodalitäten, und– Evaluationsstudien, z.B. zur Zielerreichung von medienbezogenen Maßnahmen,

unterscheiden. Dabei hat sich die Frage nach einer generellen Überlegenheit des Lernens mit Medien gegenüber dem Lernen ohne Medien als nicht sinnvoll herausgestellt, zu vielfältig sind die unkontrollierbaren Einflüsse. Experimentelle und quasiexperimentelle Studien haben wert-volle Erkenntnisse geliefert, wie computerbasier-te Medienangebote – z.B. hinsichtlich des Ver-hältnisses von Text, Bild und Ton – gestaltet werden sollten, um möglichst hohe Lernerfolge im Wissensbereich oder im Bereich des Prob-lemlösens zu erzielen. Problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang, dass experimentelle Situationen relativ weit entfernt von schulischen Unterrichtssituationen sind. Daher sind Evalu-ationsstudien, die eher entscheidungsorientiert ausgerichtet sind, für die Unterrichtsforschung gewinnbringender, weil sie Antwort auf die Fra-ge geben, ob eine bestimmte Maßnahme unter bestimmten Bedingungen zielführend ist und welche Nebenwirkungen gegebenenfalls auftre-ten. Diese Art von Forschung ist zwar in der Regel nicht repräsentativ, kann aber dennoch aufgrund der kontextbezogenen Anlage wert-volle Hinweise auf Erfolge schulischer Maßnah-men geben.

18 WIRKUNGENDIGITALERMEDIEN EINFÜHRUNG 19

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StudienangeboteIn den Hochschulen ist das Angebot von medien- erzieherischen und mediendidaktischen Veran-staltungen im Bereich der Erziehungswissen-schaft und der Fachdidaktiken in den Lehramts- studiengängen allerdings relativ gering. Nur in wenigen Fällen bestehen zudem verpflichtende Angebote, über die sich Mindeststandards sichern ließen. So kann insgesamt keine Rede von einer hinreichenden Berücksichtigung medienpädagogischer Inhalte in der Ausbildung angehender Lehrerinnen und Lehrer sein. Einzelne Hochschulstandorte haben – entgegen diesem Trend – aber spezifische Profile im Medienbereich entwickelt, so dass Studierende nicht nur ein breites einschlägiges Angebot vorfinden, sondern darüber hinaus auch ver-schiedene Formen der Qualifizierung – von Zertifikaten bis hin zu Zusatzqualifikationen im Rahmen von Staatsprüfungen – damit ver-binden können.

LernvoraussetzungenStudierenderDie medienbezogenen Kompetenzen, über die Studierende zu Beginn des Studiums verfügen, sind insgesamt eher gering und beziehen sich vor allem auf den Umgang mit Standardprogram-men, also auf Bedienungsfertigkeiten, bei de- nen Studentinnen in der Regel über weniger Er-fahrungen verfügen als ihre männlichen Kom- militonen. In Bezug auf Kompetenzen und im

Hinblick auf Einstellungen gegenüber digitalen Medien schneiden Lehramtsstudierende bezeich-nenderweise gegenüber Studierenden anderer Fächer besonders schlecht ab. Da gerade diese Studierenden zukünftig die Auseinandersetzung von Kindern und Jugendlichen mit digitalen Medien in didaktischer und erzieherischer Hin-sicht anregen und unterstützen sollen, ist es besonders wichtig, diese Gruppe mit entspre-chenden Angeboten im Studium zu erreichen.

MedienpädagogischeKompetenzWenn auch noch keine umfassenden empirischen Befunde zur Wirksamkeit der Lehrerausbildung im Hinblick auf die Entwicklung von medien-pädagogischer Kompetenz vorliegen, so deuten doch erste Ergebnisse darauf hin, dass die zu Beginn der Ausbildung vorhandenen Defizite und die für eine professionelle Lehrtätigkeit erforderlichen Kompetenzen in der ersten und zweiten Phase der Ausbildung nicht vollständig kompensiert bzw. neu entwickelt werden kön-nen. Viele Bemühungen scheinen sich zunächst noch auf die Entwicklung von Basiskompeten-zen zu beziehen, so dass mediendidaktische und medienerzieherische Fragen nur vereinzelt in den Blick geraten.

FortbildungsbedarfEntsprechend besteht bei Lehrerinnen und Leh-rern ein hoher Fortbildungsbedarf – je nach Voraussetzung häufig zunächst im technischen Bereich, dann im methodisch-didaktischen Bereich. Sowohl für unerfahrene als auch für Lehrpersonen mit Erfahrung in der Arbeit mit digitalen Medien ist die Unterstützung in Form methodisch-didaktischer Anregungen und Hilfen wichtig. Mit zunehmendem Medien-einsatz steigt zudem der Bedarf an weiterer technischer und softwarebezogener Unterstüt-zung, was erkennen lässt, dass mit der Dauer der Medienarbeit weitere Potenziale von digita-len Medien erschlossen und komplexere Sze- narien umgesetzt werden, für die zusätzliche Hilfe in Anspruch genommen wird.

Esistnaheliegend,dassschulischeInnovationenimBereichderdigitalenMedien,nebeneinerentsprechendenAusstattung,insbesonderevondenFähigkeitenderLehrpersonenabhängen,Lehr-undLernprozessemitundüberdigitaleMedieninlern-förderlicherWeiseanzuregenundzuunterstützen.Entsprechen-deKompetenzengiltes,zumeinenderAusbildung–indiesemFallederuniversitärenErstausbildungundderAusbildungindenStudienseminaren–undzumandernderFort-undWeiter-bildungzugrundezulegenundweiterzuentwickeln.

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DIGITALEMEDIENINDERLEHRER-AUSBILDUNG&LEHRERFORTBILDUNG

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Die Arbeit mit digitalen Medien ist für viele Lehrpersonen vorerst auf technische oder softwarespezifische Fragen ausgerichtet, dann zunehmend auch auf didaktisch-methodische Aspekte, wie sich Unterricht mit digitalen Me-dien bereichern lässt bzw. wie sich bestimmte fachliche Inhalte im Unterricht besser vermitteln lassen. Die Ausgangsfrage scheint häufig vom Medium auszugehen, nicht vom Unterricht bzw. von den Lernaktivitäten der Schülerinnen und Schüler. Dies entspricht einer – auch in der Didaktik immer noch häufig verbreiteten – An- nahme, dass zunächst bestimmte Grundlagen gelegt werden müssen, bevor dann eine bestimm-te Problemlösung angegangen werden kann.

MedienerziehungDie Frage, wie sich ein verantwortungsbewusster und kritischer Umgang mit Medien anregen und entwickeln lässt, spielt nur eine geringe Rolle. Entsprechend ist der Bedarf an medienerziehe-rischer Fortbildung vergleichsweise gering.

FortbildungsartenIm Hinblick auf die Art der Fortbildung bevor-zugen Lehrpersonen solche Angebote, die schul-intern durchgeführt werden, die praxisnah und bedarfsorientiert sind und deren Inhalte in di-rekte unterrichtliche Umsetzungen einfließen können.

Ähnlich wie im Bereich der Lehrerausbildung ist auch im Bereich der Lehrerfortbildung bis- her keine systematische Wirkungsforschung durchgeführt worden. Allerdings lassen Evalua-tionen von einzelnen Maßnahmen erste Ein-blicke zu. Demnach haben die genannten schul-internen Fortbildungen hohe Akzeptanzwerte, darüber hinaus wird bei Fortbildungsprogram-men, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, von Kompetenzgewinnen bei den beteiligten Lehrpersonen berichtet und über eine zunehmende Bereitschaft, auf der Basis der gewonnenen Kompetenzen auch die eigenen didaktischen Konzepte zu ändern.

„Fortbildungskultur“Ergebnisse jüngerer Fortbildungsmaßnahmen, die auch das Internet einbeziehen, dokumentie-ren auch Auswirkungen auf den Unterricht, z.B. in Form höherer Motivation oder eines ge-stiegenen Interesses der Schüler an digitalen Medien. Zudem sind sie Ausdruck eines gewissen Wandels in der Fortbildungskultur. Während lange Zeit der eigene Unterricht als geschlosse-nes System galt, sind Lehrerinnen und Lehrer zunehmend bereit, ihren eigenen Unterricht zur Diskussion zu stellen, sich selbst zu evaluieren und ihr unterrichtliches Handeln zu reflektieren. Derartige Fortbildungen setzen auf Kommunika-tion und Kooperation und werden von den betei-ligten Lehrpersonen als gewinnbringend emp-funden. Didaktisch setzen solche Maßnahmen an konkreten unterrichtlichen Fragen an und zielen auf eine Verbesserung der Unterrichts-qualität. Damit tragen sie auch einem insgesamt stärker handlungsorientierten didaktischen Verständnis Rechnung.

WebbasierteFortbildungGroße Bedeutung für die Fortbildung von Lehr-personen haben auch zentrale, überregionale Portale gewonnen, die insbesondere zur Recher-che nach Unterrichtsmaterialien genutzt wer-den. Ein enorm hoher Anteil der Lehrpersonen, die an Fortbildungen teilnehmen, ist zudem der Ansicht, dass das Internet in Zukunft zur Kooperation mit Kollegen oder in Blended-Learning-Konzepten im Rahmen von Fortbil-dungen eingesetzt werden sollte.

Insgesamt muss in Bezug auf die Lehrerfortbil-dung allerdings festgehalten werden, dass noch immer zu wenige Lehrkräfte erfasst werden und die Angebote zahlenmäßig noch zu gering sind.

DIGITALEMEDIENINDERLEHRERAUSBILDUNG&LEHRERFORTBILDUNG 21

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EinstellungenDeutsche Schülerinnen und Schüler haben im internationalen Vergleich eine insgesamt sehr positive Grundeinstellung gegenüber digitalen Medien. Jedoch treten international Unterschie-de in den Einstellungen zwischen Jungen und Mädchen auf, die in Deutschland besonders stark ausgeprägt sind. Die Unterschiede in den Ein-stellungen werden in Deutschland in einem in-ternational vergleichsweise sehr hohen Pro-zentsatz durch den Faktor Geschlecht aufgeklärt. Die insgesamt sehr positiven Einstellungen von Eltern und Lehrpersonen ebenso wie die von Schülern sind vergleichbar mit derzeit erhobenen Einstellungen in skandinavischen Ländern, in denen die Integration digitaler Medien vergleichs- weise weiter vorangeschritten ist. Eltern in Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen haben eine sehr positive Einstellung gegen- über diesen Medien. Der Anteil an Lehrpersonen, die eine positive Wirkung auf die Lernleistung der Schüler empfinden, ist deutlich größer als der Anteil der Schüler. Es zeigt sich jedoch auch, dass Lehrpersonen und Schüler in den jeweiligen Ländern von der Tendenz her eine ähnliche Einschätzung der Wirkungen aufweisen. Da- mit erscheinen durch Selbsteinschätzungen gemessene Wirkungen zumindest in Ansätzen belastbare Ergebnisse zu liefern, die Verglei- che zwischen verschiedenen Ländern zulassen.

AusstattungTrotz beträchtlicher Zuwachsraten liegt Deutsch-land in Bezug auf die Ausstattung mit Compu-tern mit einem Verhältnis von Schülern zu Com-putern von 11:1 im internationalen Vergleich auf den hinteren Rängen. Ein Verhältnis von 6:1 wird als Grenze identifiziert, bei der in inter-nationalen Regionen mit weit fortgeschrittener IT-Integration ein Qualitätssprung erreicht wurde. Darüber hinaus sind Zugänglichkeiten an jedem Ort und zu jeder Zeit, die Integration der Rechner in die Klassenräume sowie Support und regelmäßige Aktualisierungen bzw. Er-neuerungen bedeutsame Faktoren. In Bezug auf die häusliche Ausstattung liegt Deutschland deutlich über dem OECD-Durchschnitt, wobei Jugendliche aus Haushalten mit einem gerin-geren sozioökonomischen Status wesentlich sel-tener zu Hause Zugriff auf einen Computer haben.

NutzungIn Bezug auf eine regelmäßige schulische Nut- zung digitaler Medien liegt Deutschland bei der Gruppe der 15-Jährigen im OECD-Vergleich auf dem letzten Rang. Jedoch liegt die häusliche Nutzung deutlich über dem OECD-Durchschnitt, was dazu führt, dass Deutschland international die größte Differenz zwischen schulischer und häuslicher Nutzung aufweist.

PublicPrivatePartnershipInternational gesehen, scheinen Public-Private- Partnership-Programme auf schulischer, regio-naler oder überregionaler bzw. Bundesebene eine gute Möglichkeit, Infrastruktur in Schulen zu verbessern, wie Beispiele in den USA, England und der Schweiz zeigen. Dabei wird in aktuellen Evaluationen die Bedeutsamkeit der Koordinie-rung und Unterstützung solcher Maßnahmen auf Bundesebene hervorgehoben. Auch Nachhaltig-keit spielt eine bedeutsame Rolle, ebenso wie die gleichmäßige Berücksichtigung von Content-Entwicklung und Lehrerfortbildung im Rahmen solcher Programme.

EineBestandsaufnahmezurSituationdigitalerMedienanSchuleninDeutschlandmussauchindenKontextinternatio-nalerEntwicklungeneingeordnetwerden.ZwarmüssenbeieinemVergleichdiejeweiligen,z.T.sehrunterschiedlichenRah-menbedingungendereinzelnenLänderberücksichtigtwer-den.DennochkönnenauseinerAnalyseinternationalerStudien,Metaanalysen,EmpfehlungenundDelphi-StudienhilfreicheErkenntnissezurWeiterentwicklungderSituationinderBun-desrepublikDeutschlandabgeleitetwerden.

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DIGITALEMEDIENINDERSCHULEIMINTERNATIONALENVERGLEICH

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WirkungenNeben dem Versuch, Wirkungen über Verbes-serungen des Outcome zu messen, gehen derzeit einige Länder den Weg, qualitative Verände-rungen des Lernprozesses durch Selbsteinschät-zungen zu erheben. Auch in Ländern, deren Integration seit längerer Zeit weit fortgeschritten ist, zeigen sich sowohl aus Schüler- als auch aus Lehrersicht nachhaltig empfundene Wirkungen in Bezug auf Engagement, Individualität, Kreati-vität und Effektivität der Lernzeit. Weiterhin werden nicht nur von den Lehrpersonen emp-fundene Wirkungen in Bezug auf die Vermitt-lung von Fachinhalten festgestellt, sondern auch empfundene Veränderungen der Unterrichts-kultur, z.B. in Form von verstärkter Berücksich-tigung heterogener Voraussetzungen durch Binnendifferenzierung, wenngleich diese Ver-änderungen noch umfassende Verbreitung finden müssen.

SchulentwicklungIm Hinblick auf die Wirkung auf die Schulent-wicklung lassen sich international ein an den Bedürfnissen aller Beteiligten orientiertes, effizi-entes und effektives Management von Schul-leitungen sowie eine damit verbundene Personal-entwicklung und ein hoher Grad an schulischer Autonomie als Erfolgsfaktoren identifizieren.

LehrerbildungSchlüsselstrategien im Rahmen der Lehrerbil-dung sind die Durchführung einzelner Kurse und Workshops, die Verwendung multimedialer Ele-mente, die Einrichtung von Partnerschaften mit Schulen unter Einbezug von Mentoren, die Be-arbeitung von Beispielen und deren Umsetzung in der Praxis, hochschuldidaktische Fortbildungen und Verbesserungen der Infrastruktur sowie Versuche der flächendeckenden Integration in Seminare. Dabei stellt sich eine Kombination möglichst vieler Strategien als erfolgversprechend dar. Auch für die Lehrerfortbildung wird eine systematische und auf verschiedenen Ebenen

ansetzende Vorgehensweise empfohlen. Zuneh-mende Bedeutung gewinnen hier schulinterne Fortbildungen, die sich an den Bedürfnissen der Beteiligten und den Rahmenbedingungen vor Ort orientieren, und individuelle Beratungen oder Co-Teaching sowie spezifische Reflexionsinstru-mente wie z.B. digitale Portfolios.

ForschungEs wird international konstatiert, dass weiterer Forschungsbedarf in allen bisher genannten Bereichen besteht, wobei der Erforschung von Lernprozessen – weniger des Outputs –, und der Entwicklung wirksamer Möglichkeiten der Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung sowie instruktionaler Maßnahmen besondere Bedeu-tung zugeordnet wird. Auch Diagnoseverfahren, Schul- und Unterrichtskultur sowie soziale Fragen werden als wichtige Bereiche identifi-ziert. Dabei wird insgesamt neben quantitativen Messungen die Bedeutung qualitativer Vorge-hensweisen sowie eine Kombination beider Verfahren betont. Methodisch wird die Notwen-digkeit hervorgehoben, Longitudinalstudien im Rahmen der Unterrichtsforschung durchzu-führen und verschiedene Disziplinen zusam- menzuführen, um die komplexen Einflussfakto-ren möglichst umfassend identifizieren zu können.

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RAHMENBEDINGUNGENBedeutungdigitalerMedienDigitale Medien haben in allen Lebensberei- chen inzwischen eine enorm hohe Bedeutung gewonnen und führen fortwährend zu Weiter-entwicklungen und Veränderungen in unter-schiedlichen Kontexten. Dazu zählen beispiels-weise die Herausbildung neuer kultureller Praxen, etwa in der Kommunikation, die Ver-änderung von Lehr- und Lernprozessen, neue Möglichkeiten der Erkenntnisgewinnung, der Wandel von Arbeits- und Produktionsprozessen oder die Entstehung neuer Märkte und Berufs-bilder. Dabei handelt es sich nicht um einen kurzfristigen Hype, sondern um eine grundle-gende, tief greifende und nachhaltige Verän-derung, die letztlich auch Einfluss nimmt auf das Verhältnis des Menschen zu seiner ding-lichen und sozialen Umwelt sowie zu sich selbst.

Einer solchen grundlegenden Bedeutung ist in Bildungsprozessen entsprechend Rechnung zu tragen. Nicht nur im schulischen, sondern auch im vorschulischen Bereich, in der beruflichen Ausbildung sowie in der Fort- und Weiterbildung sind digitale Medien als Mittel und Instrumente des Lehrens und Lernens oder als Gegenstand der Analyse und Reflexion im didaktischen und im erzieherischen Sinne nicht mehr wegzuden-ken. Hinzu kommt, dass digitale Medien außer-halb institutionalisierter Kontexte auf breiter Ebene Bestandteil informeller Lernprozesse und damit ein selbstverständlicher Teil der Erfah-rungswelt geworden sind.

Bildungs-undErziehungszieleIm Rahmen schulischer und außerschulischer Bildungsbemühungen gilt es, Kinder und Jugendliche zu einem sachgerechten, selbstbe- stimmten, kreativen und sozial verantwortli-chen Handeln zu befähigen. Dies bedeutet, dass sie in der Lage sind, sich die Welt durch und mit Medien zu erschließen und anzueignen und dabei gleichzeitig Einblick in die durch digitale Medien bzw. durch die zugrunde liegenden tech-nologischen Entwicklungen bedingten Verände-rungen zu gewinnen. Diese Aufgabe stellt sich nicht nur für einzelne Bildungsbereiche, sondern sowohl bildungsgangübergreifend als auch fächerübergreifend.

TechnologischerWandelDie IT-Branche ist eine vergleichsweise junge Disziplin, die allerdings durch besonders kurze Innovationszyklen geprägt ist. Entsprechend kann in diesem Bereich nicht von „abgeschlos-senen Entwicklungsständen“ gesprochen wer-den, die dann Eingang in die schulische Arbeit mit Medien finden. Vielmehr handelt es sich um einen permanenten Prozess der Innovation, der auch in kontinuierlicher Weise mit Bildungs-prozessen rückgekoppelt werden muss. Ein Land mit hohem technologischem Know-how kann es sich nicht leisten, Bildungsprozesse von diesen Entwicklungen zu entkoppeln. In nicht schulischen Bereichen findet eine solche enge Kopplung bereits statt. So sind beispiels-weise im Bereich der Kommunikation Mobil-telefone in kurzer Zeit Bestandteil veränderter kultureller Praxen geworden und werden ge-nutzt, um Bedürfnisse im Kontext von Kommu-nikation und informellem Lernen zu befriedigen.

LebenslangesLernenDiese Entwicklungen deuten darauf hin, dass bestimmte Institutionen – insbesondere die Schule – kein Monopol mehr im Hinblick auf Lernprozesse besitzen, sondern dass Lernen an verschiedenen Orten und in individueller, bedarfs- und bedürfnisentsprechender Weise stattfindet. Zudem ist Lernen nicht mehr

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EMPFEHLUNGEN

24 EMPFEHLUNGEN

allein auf einen bestimmten Qualifikations-zustand ausgerichtet, sondern ein lebenslanger Prozess. Dieser Auffassung liegt ein Bild vom Menschen als eigenaktivem Wesen zugrunde, das stetig bemüht ist, seine Umwelt in Wahr-nehmungs-, Konstruktions- und Kommunika-tionsprozessen zu erschließen und an deren Gestaltung mitzuwirken. Dieser Prozess des lebenslangen Lernens wird einerseits durch digitale Medien herausgefordert, andernseits kann er durch sie in geeigneter Weise unter-stützt und begleitet werden.

Gerade weil Lernen immer stärker auch im so genannten informellen oder nonformalen Bereich stattfindet, ist es wichtig, Angebote für diejeni-gen zur Verfügung zu stellen, die nicht in institu-tionalisierten Kontexten verankert sind oder aufgrund anderer Einschränkungen solche nicht wahrnehmen können. Eine entsprechende Brei-tenwirkung kann über netzbasierte Angebote erreicht werden. Gleichzeitig stellt das Internet einen „sichtbaren“ Ort dar, an dem die Ausei-nandersetzung mit digitalen Medien im Bildungs-bereich geführt wird. Dies bedeutet zum einen, fachliche Angebote für Lehrende und Lernende zur Verfügung zu stellen, zum anderen aber auch, das Netz selbst zur Vermittlung von Innovation zu nutzen.

SchulenansNetz–BildungimNetzDigitale Medien sind kein Selbstzweck und würden im Bildungskontext auch keine solche Aufmerksamkeit erfahren, wären sie nicht in so grundlegender Weise an privaten und beruf-lichen Prozessen der Lebensführung und -gestaltung beteiligt. Es ist naheliegend und plausibel, dass Implementationsprozesse zu- nächst den Fokus auf die Ausstattung und die Auseinandersetzung mit technischen As- pekten digitaler Medien richteten. Dies wird – mit Bezug auf die technologischen Weiter-entwicklungen – auch weiterhin erforderlich bleiben, wenngleich zunehmende Anwen-derfreundlichkeit und Interoperabilität sowie

sinkende Preise von Endgeräten hier deutliche Entlastung erwarten lassen. Vor dem Hinter-grund der oben genannten Entwicklungen ist es aber notwendig, einen Blickwechsel vorzuneh-men und wesentlich stärker die mit den Medien verbundenen Bildungsprozesse in den Vorder-grund zu rücken. Es muss vorrangig darum gehen, Bildungsprozesse im Netz und mit digi-talen Medien zu initiieren und zu unterstützen – und zwar für und mit unterschiedliche(n) Ziel-gruppen. Dazu gilt es auch, in breiter Fläche Infrastruktur – insbesondere in Form leistungs-fähiger breitbandiger Netze – weiterzuentwi-ckeln bzw. sicherzustellen.

PublicPrivatePartnershipNicht nur von staatlicher Seite muss ein großes Interesse daran bestehen, Menschen zu einem kompetenten Umgang mit neuen Technologien zu befähigen, sowohl im Hinblick auf eine sachgerechte, zielführende Nutzung als auch in Bezug auf eine kritische Betrachtung und Mit-gestaltung von Technik. Ebenso sind Industrie und Wirtschaft gefordert, sich in Bildungspro-zessen zu engagieren und die heranwachsende Generation in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Dies ist nicht nur eine Frage von wirtschaftli-chen Erwägungen im Hinblick auf spätere Kon-sumgruppen, sondern auch eine Frage der ge-sellschaftlichen Verantwortung. Darüber hinaus kann die Entwicklung von Medien von der Einbindung auch der Lernenden letztlich pro-fitieren. In dieser Kooperation von privater und staatlicher Hand sind auch die Stiftungen wichtige Partner.

Die momentane Situation im Bereich digitaler Medien in der Schule ist allerdings nicht zufrie-den stellend. Von einer Integration digitaler Medien in schulische Lehr- und Lernprozesse kann noch nicht durchgängig die Rede sein, die Potenziale digitaler Medien werden noch nicht ausgeschöpft. Zwar sind in den letzten Jahren kontinuierlich Verbesserungen erreicht worden, aber der gegenwärtige Zustand ist weder im Hinblick auf die Ausstattung noch auf die Verwendung in Bildungsprozessen ausreichend.

EMPFEHLUNGEN 25

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Digitale Medien werden in Deutschland derzeitig im Wesentlichen im häuslichen Umfeld genutzt, die Schule stellt einen nachrangigen Lernort dar. Zu Hause hat ein großer Teil der Kinder und Jugendlichen Zugang zu einem Computer, wenn dies auch immer noch deutlich vom sozioöko-nomischen Status abhängig ist. Die international gesehen größte Differenz zwischen der Häufig-keit der schulischen und der häuslichen Nutzung deutet darauf hin, wie notwendig es ist, insti-tutionalisierte und informelle Prozesse der Nut-zung von und des Lernens mit Medien zusam-menzuführen.

MedienklimaDeutlich positiver ist das allgemeine Klima in Bezug auf digitale Medien. Alle an Schule betei-ligten Akteure – Schüler, Lehrer und Eltern – weisen digitalen Medien einen hohen Stellenwert zu und stehen ihnen aufgeschlossen gegenüber. Diese Grundstimmung und die im Kontext der Arbeit mit digitalen Medien zu verzeichnenden Erfolge gilt es aufzunehmen und in konstruk-tiver Weise konsequent weiterzuführen.

Erschwert wird die Integration digitaler Medien in Bildungsprozesse durch die Diskrepanz zwi-schen der Trägheit von Innovationsprozessen in Bildungsinstitutionen und der Geschwindigkeit technologischer Innovationsprozesse. Diese Dis-krepanz hat z.B. für die Schule weitreichende Folgen, da sich die Medienwelten, in denen sich Schülerinnen und Schüler bewegen, von den schulischen Medien- und Erfahrungswelten zu-nehmend zu entfernen drohen.

KonkurrenzfähigkeitIn internationaler Hinsicht ist Deutschland ins-gesamt noch nicht auf vergleichbarem Niveau. In verschiedenen Bereichen, z.B. in der Entwick-lung von Lernsoftware oder in der beruflichen Bildung, sind zwar – auch mit Förderung des Bundes – gute Erfolge erzielt worden. Es fehlt aber nach wie vor an einer breiten und nach-haltigen Verankerung. Die in Deutschland in

vielen Fallstudien dokumentierten positiven Effekte im Rahmen der Nutzung von digitalen Medien in Lehr- und Lernprozessen entspre-chen tendenziell den internationalen Befunden. Will die Bundesrepublik ihr Bildungssystem konkurrenz- und anschlussfähig halten, ist ein verstärktes Engagement weiterhin erforderlich.

HANDLUNGSBEREICHEUNDHANDLUNGSBEDARFEDigitale Medien sind integraler Bestandteil un-serer Lebenswelt und spielen in verschiedenen Entwicklungs- und Bildungsphasen eine jeweils spezifische Rolle. Entlang dieser Entwicklung über die Lebensspanne lassen sich – mit Bezug auf die Ergebnisse der vorliegenden Studie und auf die Einschätzungen der hinzugezogenen Expertinnen und Experten – verschiedene Be-reiche ausmachen, in denen Forschungs- und Handlungsbedarf besteht. Im Folgenden werden solche Bereiche skizziert. Dabei geht es nicht um die Darstellung von konkreten Lösungsstra-tegien oder Handlungsprogrammen, sondern um den Aufweis von Fragestellungen und Hand-lungsnotwendigkeiten, die sich an verschiedene Akteure – Bund, Länder, Kommunen, Wirtschaft und Stiftungen – richten. In einem zweiten Schritt müssen auf der Basis von Zuständigkei-ten Maßnahmen entwickelt werden, die zur Bewältigung der beschriebenen Anforderungen und Herausforderungen zielführend sein können.

SchulischeundaußerschulischeBereicheDie folgenden Empfehlungen orientieren sich an einzelnen Bildungsphasen sowie an übergrei-fenden Aufgaben, konzentrieren sich schwer-punktmäßig aber auf den Bereich der Schule, der im Fokus der vorliegenden Studie steht. Die außerschulischen Bereiche sind allerdings in ebenso dringlicher Weise auf eine Verstärkung der Aktivitäten im Bereich digitaler Medien angewiesen, auch wenn dies im Folgenden nicht so ausführlich dargestellt werden kann. Vor dem Hintergrund lebenslangen Lernens sind letztlich alle Bildungsbereiche integriert zu sehen.

26 EMPFEHLUNGEN

FRÜHKINDLICHEERZIEHUNG

InterdisziplinäreForschungIn der frühkindlichen Phase der Entwicklung spielen mediale Erfahrungen eine besondere Rolle. Die Form der Medienaneignung und der Medienwirkungen in dieser Phase bedarf wei-terer Forschungen, die insbesondere auch als disziplinübergreifende Forschung, z.B. zwischen der Erziehungswissenschaft, der Psychologie und der Neurowissenschaft, ausgelegt sind. Eine sol-che interdisziplinäre Forschung würde auch dazu beitragen, den Dialog zwischen den verschie-denen Fächern und ihren zum Teil – auch in die öffentliche Diskussion getragenen – differen- ten Auffassungen und den daraus abgeleiteten Erziehungsempfehlungen anzuregen.

MedienerziehunginFamilieundEinrichtungenfrühkindlicherErziehungHandlungsbedarf besteht in der breiten Ver-ortung der Medienerziehung in der Familie und in Einrichtungen der frühkindlichen Erziehung und Bildung sowie den ersten Schuljahren. Hier gilt es, bereits in diesem Stadium Benachteili-gungen durch die sozioökonomische Situation der Familie aufzufangen und gleiche Erfahrungs- und Entwicklungschancen zu ermöglichen. Gleichzeitig ist die Ausbildung z.B. von Erziehe-rinnen und Erziehern auf diese Erfordernisse hin abzustimmen. Eine fundierte medienpädago-gische Ausbildung ist die notwendige Voraus-setzung für die Wahrnehmung entsprechender Aufgaben in Bildungsinstitutionen.

SCHULE

Im Bereich der allgemein bildenden Schule lassen sich die anstehenden Herausforderungen auf die Bereiche Lehr- und Lernprozesse, Schulent-wicklung und Ausstattung fokussieren.

Fokus:LernprozesseÜber das Lehren und Lernen mit digitalen Medien ist inzwischen eine Vielzahl von Erkenntnissen zusammengetragen worden. Dennoch besteht erheblicher weiterer grund-legender Forschungsbedarf. Dabei sollte

Forschung zum Lernen mit Medien nicht nur auf den Outcome von Lernprozessen fokussiert sein, sondern stärker die Lernprozesse selbst berücksichtigen. Ausgangspunkt von Forschung sollte die Frage sein, inwieweit digitale Medien angemessene Mittel darstellen, pädagogisch gerechtfertigte Ziele zu erreichen, und welche Nebenwirkungen zu beobachten sind.

FachlicherundüberfachlicherKompetenzerwerbIm Kontext derzeitiger Forschungsschwerpunkte empfiehlt es sich, Lernen mit digitalen Medien vor dem Hintergrund des fachlichen und über-fachlichen Kompetenzerwerbs zu verstehen und mit Bezug auf entsprechende Kompetenzmo-delle zu erforschen. Im Sinne eines Monitoring sind darüber hinaus auch Längsschnittstudien wichtig, um medienbezogene Bildungsverläufe beobachten und die Wirkung von Bildungsmaß-nahmen über längere Entwicklungszeiträume einschätzen und beurteilen zu können.

VerbindungvonschulischemundhäuslichemLernenEine Schere klafft derzeit zwischen der häus-lichen und der schulischen Nutzung von digita-len Medien. Die häusliche Nutzung ist nicht auf unterhaltende Funktionen begrenzt, sondern umfasst auch Lernprozesse mit direktem oder indirektem Bezug zur Schule. Hier besteht Er-kenntnisbedarf im Hinblick auf Möglichkeiten der Verbindung von informellem und institutio-nalisiertem Lernen. Schülerinnen und Schüler nutzen in ihrer Freizeit netzbasierte Angebote zur Kommunikation und zum Austausch. Die Routinen und die Praxen, die sie z.B. in der on-linebasierten Auseinandersetzung mit Gleich-gesinnten entwickeln und pflegen, sind ebenfalls noch unzureichend untersucht im Hinblick auf die Möglichkeiten, diese Fähigkeiten für schu-lische Lernprozesse zu nutzen. Dies betrifft auch die Nutzung von Social Software zur Initiierung und Gestaltung von Lerngemeinschaften oder zur Reflexion und Dokumentation von Lernpro-zessen im Netz. Diese Form des Lernens weist Potenziale auf, die für schulische Prozesse bis heute weitgehend ungenutzt bleiben.

EMPFEHLUNGEN 27

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InternetalsBrückezwischenLernortenEine wichtige Brücke zwischen schulischen und häuslichen Lernprozessen stellt das Internet dar. Hier gilt es auszuloten und Modelle zu ent-wickeln, wie diese Bereiche in gewinnbringen-der Weise zu integrierten Erfahrungs-, Lern- und Arbeitswelten zusammenwachsen können. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist eine leistungs-fähige Netzinfrastruktur mit breitbandigen Anschlüssen bzw. Zugängen.

„MobilesLernen“Lernen an bestimmten Orten und zu bestimm-ten Zeiten wird zunehmend ergänzt durch freie Lernorte. In diesem Kontext kommt mobilen Technologien eine besondere Bedeutung zu. Die ersten Erkenntnisse zum Lernen mit Laptops zei-gen viele positive Effekte, erfordern aber weiter-gehende Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Beispielsweise stellen der Einsatz im Fachunter-richt oder die Nutzung als Think-Tool und für das persönliche Wissensmanagement noch offene Fragen dar.

LernförderlicheInfrastrukturenInsgesamt ist davon auszugehen, dass mit geringeren Preisen mobile Endgeräte in ihrer Verbreitung zunehmen werden. Dies ist auch wünschenswert, da letztlich die eigene Ver-fügung über einen Computer das individuelle Arbeiten unabhängig von sozialen oder orga- nisatorischen Randbedingungen erst durch-gängig ermöglicht. Damit Schüler mit ihren Geräten auf schulische Lernumgebungen zu-greifen können, ist aber in der Schule eine entsprechende Server- und Netzinfrastruktur notwendig. Gerade die mobilen Technologien bieten große Potenziale, schulische und häus-liche Lern- und Arbeitswelten zusammenzu-führen (siehe oben). Die Herausforderung in technischer Hinsicht besteht darin, eine Infra- struktur so lernförderlich zu gestalten, dass sie keine Brüche beinhaltet, die den Zugang oder die Arbeit erschweren oder behindern. Die pädagogische Herausforderung besteht in

der Entwicklung didaktischer Szenarien, die das Lernen mit mobilen Technologien, die ziel- und fachbezogene Auseinandersetzung mit bestimmten Inhalten und die individuellen Voraussetzungen der Lernenden in Einklang zu bringen.

SchulentwicklungIm Bereich der Schulentwicklung besteht Hand-lungsbedarf in der Etablierung von Organisa-tionsmodellen. Dies bedeutet in erster Linie die Entlastung von Lehrpersonen von technischen Aufgaben und die breitere Verankerung der Me-dienarbeit im Fachunterricht. Eine erfolgreiche Medienintegration ist letztlich nur zu erwarten, wenn Schulen entsprechende infrastrukturelle und didaktische sowie personalentwicklungs-bezogene Überlegungen und Aktivitäten zusam-menführen. Eine besondere Aufgabe kommt dabei den Schulleitungen zu, deren Kompetenzen in diesem Bereich es laufend zu stärken gilt.

FlexibleNutzungskonzepteIn Bezug auf die Ausstattung ist weiterhin ein kontinuierliches Engagement dringend erforder-lich. Die Ausstattungsrelation (Schüler zu Com-puter) ist noch deutlich zu hoch, noch immer sind nicht alle Rechner in Schulen auch vernetzt oder besitzen einen Internetzugang. Eine Ver-besserung der Situation im Bereich mobiler Ge-räte zur flexiblen Nutzung und eine veränderte Ausstattungs-“Philosophie“ von Rechnerkabi-netten hin zu einer Integration in die Klassen-räume, die Sicherung einer Aktualisierung von Beständen und die Entwicklung alltagstauglicher Systemlösungen stellen wesentliche Handlungs-bedarfe dar. Mit Bezug auf die oben genannten Entwicklungen darf insbesondere der Ausbau der Netze bzw. der Zugänge zum Internet als Aufgabe gesehen werden, um die zukünftigen Herausforderungen zu bewältigen.

Da die Ausstattungsfragen und die Entwicklung von Infrastruktur eng mit Industrie und Wirt-schaft verbunden sind, empfiehlt sich in diesem Bereich die Stärkung von Public-Private-Partner-ship-Ansätzen.

28 EMPFEHLUNGEN

Die Forschung und Entwicklung im Bereich der schulbezogenen Nutzung von digitalen Medien sollte grundsätzlich von der Frage ausgehen, wie Lehr- und Lernprozesse in geeigneter Weise mit und durch Medien angeregt, unterstützt, reflek-tiert und bewertet werden können. Im Mittel-punkt der Überlegungen steht ein Subjekt, das die Herausforderungen und Anforderungen einer mediengeprägten Welt in kompetenter Weise handelnd bewältigen können soll. Dies gilt für den allgemein bildenden Bereich ebenso wie für den berufsbildenden Sektor.

HOCHSCHULEN

VerstärkungmedienpädagogischerAusbildungDie Hochschulen stehen vor der Aufgabe, medienpädagogische Ausbildungsinhalte in die erziehungswissenschaftliche und die fachdidak-tische Ausbildung durchgängig zu integrieren. Auf Dauer kann nicht erwartet werden, dass die-jenigen, die später Lehr- und Lernprozesse mit digitalen Medien in der Schule anregen und unterstützen sollen, dies auch erfolgreich und kompetent tun, wenn sie in ihrer eigenen Aus-bildung nicht eine entsprechende Sozialisation und Lernkultur erfahren haben und wenn me-diendidaktischer und medienerzieherischer Kompetenzerwerb nicht oder nur in geringem Umfang ermöglicht wird. Hier empfiehlt sich die Intitiierung eines Dialogs über die Vorstellung von Mindeststandards einer medienpädago-gischen Kompetenz. Diese umfasst sowohl didak-tische als auch erzieherische und schulent-wicklungsbezogene Kompetenzaspekte. Neben der universitären ersten Ausbildungsphase ist der Einbezug der zweiten Phase in den Studien-seminaren nicht nur wichtig, sondern bietet auch zusätzliche Möglichkeiten des Kompetenz-erwerbs.

DigitaleMedieninderHochschullehreDie Hochschulen müssen – unabhängig von den oben genannten Aspekten im Rahmen der Leh-rerausbildung – generell in ihren Bemühungen, IT- und eLearning-Strukturen zu integrieren, nachhaltig unterstützt werden. Hinzu kommt die

Entwicklung von Kompetenzen bei Hochschul-lehrenden, die ebenfalls noch nicht als selbst-verständlich vorausgesetzt werden können, aber zum Aufbau von neuen Lernkulturen an Uni-versitäten oder Fachhochschulen dringend er-forderlich sind.

LEHRERFORTBILDUNGUNDLEHRERWEITERBILDUNG

NeueFormennetzbasierterKooperationDa die erste Phase der Ausbildung inhaltlich nicht als zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschlossen gelten kann, ist eine permanente Fort- und Weiterbildung notwendig. Handlungs-bedarf besteht hier vor allem in der flächen-deckenden Reichweite von Fortbildung. Da ein gewisses Dilemma zwischen hoher Reichweite einerseits und bedarfs- und lokalspezifischer Orientierung andererseits besteht, existiert auch hier grundlegender Forschungsbedarf. Dieser sollte sich z.B. auf die Nutzung des Internets zur Bildung von Lerngemeinschaften und deren kooperative Entwicklung sowie die Erprobung und Reflexion von didaktischen Szenarien und den darin verwendeten Materialien beziehen. Die in der kollegialen Beratung und Reflexion sowie der gemeinsamen Entwicklung von Unter-richtsbeispielen liegenden Potenziale werden erst ansatzweise genutzt.

VomEinzelkämpferzumTeamplayerDie sich ebenfalls erst langsam anbahnende „mentale“ Umorientierung der Einzelkämpfer zu Teamplayern sollte nachhaltig gefördert und gestärkt werden. Auch hier bietet das Netz die Möglichkeit des Brückenschlags. Eine solche Form netzbasierter Fortbildung – sei es als Ele-ment von Blended-Learning-Konzepten oder zur unmittelbaren Kooperation – wird auch von der Mehrheit der Lehrpersonen positiv einge-schätzt. Zudem ist es wichtig, eine noch größere Zahl von Lehrpersonen mit der Fortbildung zu erreichen und damit auch den unterrichtlichen Einsatz digitaler Medien auszuweiten. Lehre-rinnen und Lehrer, die digitale Medien mit längerer Erfahrung im Unterricht einsetzen, entwickeln auch positivere Einstellungen und sind vom Lernerfolg überzeugter.

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MedienerzieherischeFortbildungIns Hintertreffen ist in den letzten Jahren ins-besondere die medienerzieherische Fortbildung geraten. Hier gilt es, die Erziehung in Bezug auf einen reflektierten und sozial verantwort-lichen Umgang mit Medien als Erziehungs-aufgabe deutlich zu stärken.

ERWACHSENENBILDUNGUNDWEITERBILDUNG

eLearning-DidaktikDie Erwachsenenbildung und die Weiterbildung sind ebenfalls in genuiner Weise vom techno-logischen Wandel und von der Mediatisierung der Lebenswelt betroffen. So besteht beispiels- weise in der Entwicklung didaktischer Konzepti-onen deutlicher Handlungsbedarf, ebenso wie im Hinblick auf die Frage, wie ein zunehmender Anteil von älteren und weiterbildungsfernen Erwachsenen in ihren Bildungsbedürfnissen und -ansprüchen und in ihrer Medienkompetenz – als Voraussetzung zur weiterhin erfolgreichen Lebensbewältigung – unterstützt werden kann.

CHANCENGERECHTIGKEIT

Eine zu den verschiedenen Entwicklungsphasen über die Lebensspanne querliegende zentrale Aufgabe besteht in der Sicherung von medien-bezogener Chancengleichheit. Die Verfügung über und die Nutzung von Medien sind von Fak-toren abhängig, die z.B. Schülerinnen und Schüler aus bildungsfernen Schichten oder mit Migrationshintergrund benachteiligen. Zudem sind die Formen der Aneignung von Kompeten-zen im Umgang mit digitalen Medien bei Jun- gen und Mädchen verschieden. Für die Mädchen ist diesbezüglich die Schule als Lernort wichtiger als für die Jungen. Hier ist es notwendig, die Bemühungen um eine Förderung entsprechender Gruppen zu verstärken, Benachteiligungen ab-zubauen und gleiche Chancen zu ermöglichen. Allerdings trifft dies auch für spezifische Maß-nahmen im Bereich der Begabtenförderung zu. Möglichkeiten bieten hier z.B. auch Institutionen der außerschulischen Jugendarbeit.

INNOVATIONSFORSCHUNG

Eine ebenfalls außerhalb einzelner Bildungs-institutionen liegende Aufgabe besteht in der Erforschung der Begegnung insbesondere junger Menschen mit Zukunftstechnologien. Diese Art der Forschung ist Grundlagenforschung und kann wichtige Impulse für die Auseinanderset-zung mit digitalen Medien in der Schule und in der Freizeit sowie für die Entwicklung von digitalen Medien selbst liefern. Wenn Kinder und Jugendliche in die Entwicklung von in-novativen Medien einbezogen werden, können diese Ergebnisse unmittelbar in den Entwick-lungsprozess rückgekoppelt werden. Eine solche Verbindung von technischer Entwicklung und pädagogischer Grundlagenforschung empfiehlt sich in der Verbindung von Industrie, Hoch-schule und Schule.

Die Auseinandersetzung mit digitalen Medien sowie mit medienunterstützten Bildungs- und Erziehungsprozessen benötigt einen zentralen Ort der Beratung und Vermittlung, der Anregung und Unterstützung, der Bewusstseinsbildung und des Austausches. Dieser „Ort“ muss als Ent-wicklungsagentur „sichtbar“ sein und eine bundesweit orientierende Funktion in zentralen, grundlegenden Fragen des Lehrens und Ler- nens – unabhängig von landesspezifischen Um-setzungen – wahrnehmen, so, wie es derzeit im Verein „Schulen ans Netz“ geschieht. Nicht zuletzt wird dadurch auch dokumentiert, dass die technologischen und gesellschaftlichen Veränderungen in ihren Auswirkungen auf Bil-dungsprozesse über die Lebensspanne als prioritäre Herausforderung ernst genommen und angenommen werden.

30 EMPFEHLUNGEN

HERAUSGEBERDeutsche Telekom AGZentralbereich UnternehmenskommunikationFriedrich-Ebert-Allee 14053113 Bonn

AUTORProf. Dr. Bardo HerzigUniversität Paderborn

KONZEPTION&GESTALTUNGInterbrand Zintzmeyer & Lux AG

DRUCKFries Printmedien GmbH & Co. KGRobert-Perthel-Straße 67–6950739 Köln

IMPRESSUM

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06 EINFÜHRUNG

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