Prof. Dr. Oliver Scheytt: Expertengremien in der Kulturförderung

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Kultur und Management A 1.3 Strukturen und Prozesse im Kulturmanagement 1 Expertengremien in der Kulturförderung Die Dreiecksbeziehung zwischen Förderern, Experten und Geförderten Prof. Dr. Oliver Scheytt In Verfahren zur Förderung von Künstlern und Kulturschaffenden setzen die Förderinstitutionen sehr häufig Drittinstanzen zur Beratung oder auch Entscheidung über die jeweilige Förderung ein. Diese Gremien sind je nach Förderzweck und Programmatik mit Experten, Vertretern des geförder- ten Genres, unabhängigen Einzelpersonen etc. besetzt. Dieser Beitrag analysiert die dabei auftre- tenden Konstellationen und Rechtsverhältnisse und gibt praktische Empfehlungen für die Ausge- staltung der Prozesse und Beziehungen zwischen den drei beteiligten Akteuren bzw. Gruppen: För- derern, Geförderten und Entscheidungs- bzw. Beratungsgremien. Gliederung Seite 1. Die Dreierkonstellation: Förderer, Experte, Geförderter 2 2. Förderverfahren und Gremientypen 4 3. Funktion der dritten Instanz 5 4. Kompetenzen der dritten Instanz 7 5. Ausgestaltung der Beziehungen und der Förderverfahren 9 5.1 Rechtsgrundlagen 9 5.2 Verhältnis des Förderers zur Drittinstanz 10 5.3 Verhältnis Förderer/Drittinstanz zum Förderungsempfänger 13 6. Fazit 15

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Kultur und Management A 1.3

Strukturen und Prozesse im Kulturmanagement

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Expertengremien in der Kulturförderung

Die Dreiecksbeziehung zwischen Förderern, Experten und Geförderten

Prof. Dr. Oliver Scheytt

In Verfahren zur Förderung von Künstlern und Kulturschaffenden setzen die Förderinstitutionen sehr häufig Drittinstanzen zur Beratung oder auch Entscheidung über die jeweilige Förderung ein. Diese Gremien sind je nach Förderzweck und Programmatik mit Experten, Vertretern des geförder-ten Genres, unabhängigen Einzelpersonen etc. besetzt. Dieser Beitrag analysiert die dabei auftre-tenden Konstellationen und Rechtsverhältnisse und gibt praktische Empfehlungen für die Ausge-staltung der Prozesse und Beziehungen zwischen den drei beteiligten Akteuren bzw. Gruppen: För-derern, Geförderten und Entscheidungs- bzw. Beratungsgremien.

Gliederung Seite

1. Die Dreierkonstellation: Förderer, Experte, Geförderter 2

2. Förderverfahren und Gremientypen 4

3. Funktion der dritten Instanz 5

4. Kompetenzen der dritten Instanz 7

5. Ausgestaltung der Beziehungen und der Förderverfahren 9 5.1 Rechtsgrundlagen 9 5.2 Verhältnis des Förderers zur Drittinstanz 10 5.3 Verhältnis Förderer/Drittinstanz zum Förderungsempfänger 13 6. Fazit 15

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1. Die Dreierkonstellation: Förderer, Experte, Geförderter

„Verwaltung, die das ihre tun will, muss sich ihrer selbst entäußern. Sie bedarf der geschmähten Figur der Experten. Keine Stadtverwal-tung etwa kann entscheiden, von welchen Malern sie Bilder ankaufen soll, wenn sie nicht auf Menschen sich stützen kann, die ernsthaft, objektiv und fortgeschritten etwas von Malerei verstehen. Indem man die Notwendigkeit des Experten einräumt, setzt man sich jedoch sogleich wieder allen erdenklichen Einwänden aus; etwa dem mittler-weile anrüchigen, dass das Expertenurteil ein Urteil für Experten blei-be und die Gemeinschaft darüber vergesse, von der, nach der gängigen Phrase, die öffentlichen Institutionen ihren Auftrag empfingen; oder dass der Experte, selber notwendig Verwaltungsmann, von oben her entscheide und die Spontaneität abwürge; zuweilen auch, dass seine Zuständigkeit nicht stets gesichert sei; dass es mitunter schwer falle, ihn vom Apparatschik zu scheiden.“ So hat es Theodor W. Adorno in seinem berühmten Aufsatz „Kultur und Verwaltung“ 1961 formuliert1 und damit die Probleme der Dreierkonstellation angesprochen, um die es in diesem Beitrag geht: Eine Institution fördert, bedarf zur Ent-scheidung aber der Fachkunde von Dritten, und der Geförderte hat es dann nicht nur mit dem Förderer, sondern auch mit dem fachkundigen Dritten zu tun. Und jedem ist bewusst, dass Dreiecksgeschichten zu Verwicklungen führen können.

Uns allen ist bewusst: Die Förderung von Kunst und Kultur kann nicht „beliebig“ geschehen, sondern bedarf einer – mitunter harten – Ent-scheidung, was, wer und wie gefördert werden soll. Sehr häufig wird diese Auswahl in der Praxis durch dritte Instanzen vorgenommen. So werden dafür sehr vielgestaltige Beiräte, Jurys und Vergabekommissi-onen eingerichtet und mit der Förderentscheidung betraut. Mitunter wird auch ein gesamter Förderkomplex einer dritten Instanz ein-schließlich der finanziellen Mittel und der Verfahrenshoheit übertra-gen. Bei all diesen möglichen Varianten geht es meist vor allem dar-um, Sachverstand von (unabhängigen) Experten einzubeziehen. Ein weiterer Gesichtspunkt ist, dass durch eine entsprechende Ausgestal-tung der Organisation und des Verfahrens auch ein Beitrag zur Siche-rung der Kunstfreiheit geleistet werden kann, da unabhängige, mit mehreren Personen besetzte Gremien die künstlerische (Auswahl-) Entscheidung fällen.2 Die Gesamtkonstellation sollte zudem so gestal-tet sein, dass nachvollziehbare Entscheidungen getroffen werden. Die Einbeziehung spezifischen Sachverstands zielt somit ab auf Qualitäts-sicherung, Neutralität, Transparenz und Pluralität.

Das Dreigespann von Förderer, Experte und Gefördertem ist für Kul-turmanagement und Kulturpolitik also von erheblicher Bedeutung und ist in allen möglichen Variationen anzutreffen.

Expertenurteil und Kulturverwaltung

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Sehr weit verbreitet ist – wie von Adorno angesprochen – die Einset-zung von Expertengremien durch die Öffentliche Hand. Bund, Länder und Kommunen beschäftigen eine Vielzahl von Jurys, Beiräten, Kura-torien etc., um Förderentscheidungen vorzubereiten oder auch fällen zu lassen. So werden Beiräte auf kommunaler Ebene eingeschaltet, um Fördermittel der Kommune in die „richtigen Bahnen“ zu lenken. Jurys entscheiden über die Auswahl von Kunstwerken im öffentlichen Raum oder bei der Kunst am Bau. Kompetenzteams geben Empfeh-lungen ab, um Projekte zu qualifizieren. Kuratorien beraten über Pro-grammlinien von Kulturfestivals.

Üblich ist die Einschaltung von Sachverständigen auch im Stiftungs-wesen. Öffentliche und private Stiftungen haben meist schon durch ihre Satzungen konfigurierte Gremien, die über die Vergabe der Mittel entscheiden und als Kuratorien, Stiftungsräte, Beiräte etc. mit externen Experten besetzt sind. Als Beispiel benannt seien Stiftungsbeirat, Stif-tungsrat und die Jury bei der Bundeskulturstiftung.

Kunstvereine, Fördervereine und andere bürgerschaftliche Initiativen setzen mitunter ebenfalls Sachverständigengremien ein, um sich bei Förderentscheidungen beraten zu lassen, wenn Sie nicht bereits ihre eigenen Vorstände und Gremien von vornherein so konstituieren, dass Expertenwissen aktiviert wird. Auch private Unternehmen lassen sich mitunter von Experten und Expertengremien bei der Ausgestaltung ihres Sponsorings beraten, wobei dann die Einschaltung von Experten meist weniger formalisiert und selten transparent ist.

Bei Analyse und Gestaltung der unterschiedlichen Konstellationen geht es sowohl um rechtliche Problemstellungen als auch um Fragen der Kompetenzverteilung (wer entscheidet über was?) und der Pro-grammatik. Diese Themen gehen dabei ineinander über. So lässt sich keine der folgenden Fragen isoliert beantworten:

• Welche inhaltlichen Vorgaben gibt der Fördergeber der Entschei-dungsinstanz auf?

• Wie wird das Entscheidungsgremium besetzt (Mitwirkung von Experten, Vertreter der Förderer ggf. auch Repräsentant des geför-derten Genres)?

• Welche (Teil-)Kompetenzen oder Letztentscheidungsrechte werden auf die Drittinstanz übertragen?

• Welche Rechte ergeben sich in dem jeweiligen Verfahren für die Geförderten gegenüber Förderer und Entscheidungsgremien?

Für eine systematische Analyse der Dreiecksbeziehung sind zunächst die Varianten der Ausgestaltung der sogenannten Drittinstanz und die Gründe für deren Einschaltung zu betrachten.

Expertengremien bei der öffentlichen Hand

.… im Stiftungswesen

und bei privaten Initiativen und Mäzenen

Analyse der Dreierkonstellation

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2. Förderverfahren und Gremientypen

Die dritten Instanzen sind seltener einzelne Sachverständige als viel-mehr Gremien, in denen meist mehrere Sachverständige zusammen-wirken. In Kommunen werden dabei oft auch Vertreter aus Verwaltung und Politik direkt mitbeteiligt. Im Bereich der Architekturwettbewerbe gibt es für die Besetzung von Jurys die von den Architektenkammern ausgearbeiteten Regeln: In diesen Jurys arbeiten Fachvertreter (Exper-ten) und Sachvertreter (Repräsentanten des Auslobers) zusammen. Solche allgemein verbreiteten Usancen gibt es im Kulturbereich nicht, zumal die Aufgabenstellungen in der Kulturförderung sehr unter-schiedlich sind. In einer größeren Kommune sind daher die vielfältigs-ten Drittinstanzen anzutreffen. Folgende Beispiele seien benannt:

• ein mit Vertretern der freien Szene besetzter Kulturrat zur Bera-tung bei der Vergabe von institutionellen und Projektfördermitteln an freie Kulturträger;

• eine Ankaufskommission des Kulturausschusses zur Auswahl von Kunstwerken, die jährlich erworben werden;

• eine Jury zur Aufstellung von Kunstwerken im öffentlichen Raum; • ein Kuratorium, das über die Vergabe von Fördermitteln einer

Kulturstiftung entscheidet; • ein Beirat, der über Anträge auf Vergabe städtischer Ateliers be-

findet, wobei die Letztentscheidung dem Kulturausschuss vorbe-halten bleibt.

Die Analyse der rechtlichen Gestaltung bezieht sich im Folgenden grundsätzlich darauf, dass der Fördergeber die grundlegenden Ent-scheidungen über das Förderverfahren selbst trifft. Mitunter gibt es in der Praxis aber auch Fälle, bei denen Mäzene oder andere Fördergeber etwa einer Stiftung oder Kommune Ressourcen für die Förderung zur Verfügung stellen und die Stiftung oder die Kommune dadurch, ohne Fördergeber zu sein, „Herr des Förderverfahrens“ und seiner Ausge-staltung wird.

Kommunen sind oft auch „Vollzugsorgan“ für die Auszahlung von Stif-tungsgeldern, etwa bei unselbständigen Stiftungen. Sie erbringen die Förderung dann quasi als Dienstleistung, haben aber auf das Verfahren selbst keinen Einfluss, da dieses von der Stiftungssatzung geregelt ist.

Für die Strukturierung von Entscheidungsverfahren in der Kultur-förderung bietet sich ein Viererschritt an mit folgenden Elementen: Auftrag – Programmatik – Partnerschaft – Ausgestaltung:3

• Zunächst sollte der der Förderung zugrundeliegende Auftrag re-flektiert werden: Denn die Frage, welche Zielsetzung mit der För-derung verfolgt wird, ist auch für die Ausgestaltung des Verfahrens beachtlich.

Beispiele aus der Praxis

Auftrag