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Universit¨ at der Bundeswehr M¨ unchen Fakult¨ at f¨ ur Luft- und Raumfahrttechnik Institut f¨ ur Thermodynamik Prof. Dr. rer. nat. Michael Pfitzner W ¨ arme- und Stofftransport Vorlesungsskriptum Skript f¨ ur das Master-Modul im Studiengang Luft- und Raumfahrt- technik Stand: Juni 2017

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Universitat der Bundeswehr Munchen

Fakultat fur Luft- und RaumfahrttechnikInstitut fur Thermodynamik

Prof. Dr. rer. nat. Michael Pfitzner

Warme- und Stofftransport

Vorlesungsskriptum

Skript fur das Master-Modul im Studiengang Luft- und Raumfahrt-technik

Stand: Juni 2017

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INHALTSVERZEICHNIS i

Inhaltsverzeichnis

1 Warmeleitung 11.1 Grundgesetz der Warmeleitung nach Fourier . . . . . . . . . . . . . 1

1.1.1 Die Nusselt-Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.2 Die Biot-Zahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.3 Stationare eindimensionale Warmeleitung . . . . . . . . . . . . . . . 5

1.3.1 Anfangs- und Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . 81.3.2 Superpositionsprinzip bei linearer instationarer Warmeleit-

gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.3.3 Normierung der Warmeleitungsgleichung . . . . . . . . . . . 121.3.4 Losung der instationaren Warmeleitgleichung . . . . . . . . 141.3.5 Unterschiedliche Randtemperaturen . . . . . . . . . . . . . . 18

1.4 Kirchhoff-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191.4.1 Stationare Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211.4.2 Instationare Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

1.5 Uberlegungen zur Warmeleitfahigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 221.5.1 Warmeleitfahigkeit in Gasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241.5.2 Warmeleitfahigkeit fur Flussigkeiten . . . . . . . . . . . . . 271.5.3 Warmeleitfahigkeit fur Festkorper . . . . . . . . . . . . . . . 28

2 Konvektiver Warmeubergang 292.1 Der Warmedurchgangskoeffizient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292.2 Grenzschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302.3 Laminare und turbulente Grenzschichten . . . . . . . . . . . . . . . 312.4 Spezialfall dunne Grenzschicht (Prandtl-Naherung) . . . . . . . . . 412.5 Vergleich laminare und turbulente Stromung . . . . . . . . . . . . . 482.6 Konvektiver Warmeubergang bei schneller Stromung, Recovery-

Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482.6.1 Aerodynamische Erwarmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482.6.2 Stationare Grenzschichtnaherung . . . . . . . . . . . . . . . 49

2.7 Filmkuhlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

3 Warmedurchgang durch Wande mit vergroßerter Oberflache 573.1 Grundidee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573.2 Differentialgleichung fur die Warmeleitung mit Rippen . . . . . . . 58

3.2.1 Gesamtwarmestrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643.2.2 Rippenwirkungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653.2.3 Rippeneffektivitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 663.2.4 Ringrippen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

4 Spezialfalle der instationaren Warmeleitung 704.1 Instationare Warmeleitung im halbunendlichen Korper . . . . . . . 70

4.1.1 Anfangs- und Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . 70

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ii INHALTSVERZEICHNIS

4.1.2 Selbstahnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 714.1.3 Losung der DGL im halbunendlichen Korper . . . . . . . . . 754.1.4 Periodische Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

4.2 Warmeleitung im unendlichen Korper . . . . . . . . . . . . . . . . . 804.3 Produktansatz fur die instationare Warmeleitung . . . . . . . . . . 834.4 Schmelzen und Erstarren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

5 Stofftransport 885.1 Diffusionsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

5.1.1 Zustandsgroßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 885.1.2 Erhaltungsgleichung fur die einzelnen Komponenten . . . . . 895.1.3 Konstituierende Gleichung fur reine Diffusion . . . . . . . . 915.1.4 Ahnlichkeitsgroßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

5.2 Stofftransport in molarer Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 945.2.1 Herleitung der Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 945.2.2 Beispiel: Diffusion durch Verdunstung in einem Rohr . . . . 96

5.3 Grenzschicht mit Warme- und Stofftransport . . . . . . . . . . . . . 975.3.1 Herleitung der Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 975.3.2 Beispiel 1: Ebene Platte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 985.3.3 Beispiel 2: Filmverdampfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

5.4 Anhang: Dimensionslose Kenngroßen . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS iii

Abbildungsverzeichnis

1 Linearer Warmeverlauf an der ebenen Wand . . . . . . . . . . . . . 12 Warmeleitwiderstand bei verschiedenen Biot-Zahlen . . . . . . . . . 53 Warmeleitung am Differentiellen Element . . . . . . . . . . . . . . . 64 Die Dirichlet–Randbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Die Neumann–Randbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Die adiabate Neumann–Randbedingung . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Die Robin–Randbedinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Temperaturverteilung im Draht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Die normierte Temperaturverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1210 Die stationare Losung der Warmeleitungsgleichung . . . . . . . . . 1511 Die Abbhangigkeit der Warmeleitfahigkeit . . . . . . . . . . . . . . 2012 Die Abbhangigkeit der Warmeleitfahigkeit . . . . . . . . . . . . . . 2113 Diffuser Warmetransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2414 Gradient des Warmetransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2415 Gradient des Warmetransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2616 Grenzschicht bei freier Konvektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3017 Grenzschicht bei erzwungener Konvektion . . . . . . . . . . . . . . 3018 Grenzschicht–Temperaturverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3119 Transition von laminarer zu turbulenter Stromung . . . . . . . . . . 3220 Warmeubergangskoeffizient turbulenter Grenzschichten . . . . . . . 3221 Massenerhalt am differentiellen Volumen . . . . . . . . . . . . . . . 3322 Impulsbilanz im Volumenelement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3423 Nusselt Zahl am quer angestromten Zylinder . . . . . . . . . . . . . 3824 Nusselt Zahl am quer angestromten Zylinder . . . . . . . . . . . . . 4025 Blasius Losung der Temperatur Grenzschicht . . . . . . . . . . . . . 4426 Polenhausen Losung der Temperatur-Grenzschicht . . . . . . . . . . 4627 Nusselt-Zahl as Funktion der Prandtl-Zahl . . . . . . . . . . . . . . 4728 Verlauf der Recovery Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5229 Verlaufe der Recovery Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5430 Beispiele zur Filmkuhlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5431 Filmkuhleffektivitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5532 Filmkuhlung einer Turbinenschaufel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5633 Verschiedene Kuhlrippengeometrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5734 Differentielles Element an der Kuhlrippe . . . . . . . . . . . . . . . 5935 Hyperbolische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6236 Temperaturvelaufe in der Kuhlrippe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6337 Gerade Zylindernadel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6338 Rechteckige Rippe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6339 Gesamtwarmestrom in der Rippe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6440 Rippenwirkungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6641 Wirkungsgrade verschiedener Kuhlrippengeometrien . . . . . . . . . 67

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iv ABBILDUNGSVERZEICHNIS

42 Normierter Warmestrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6743 Rippeneffektivitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6844 Differentielles Element an einer Rippe . . . . . . . . . . . . . . . . . 6845 Anfangsbedinungen der Temperatur im halbunendlichen Korper . . 7046 Temperaturverlauf im halbunendlichen Korper . . . . . . . . . . . . 7247 Vergleich der Randbedingungen im halbunendlichen Korper . . . . 7248 Periodische Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7949 Zeitlich periodische Randbedinungn . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7950 Warmeleitung im unendlichen Korper . . . . . . . . . . . . . . . . . 8051 Veranschaulichung des Produktansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . 8452 Warmeleitung in komplexen Geometrien . . . . . . . . . . . . . . . 8453 Diffusion aufgrund Konzentrationsgradienten . . . . . . . . . . . . . 8854 Filmverdampfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8855 Diffusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9056 Diffusion in einem Rohr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

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TABELLENVERZEICHNIS v

Tabellenverzeichnis

1 Waremleitfahigkeiten verschiedener Materialien . . . . . . . . . . . 32 Impulsfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 Viskositaten verschiedener Stoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 Prandtl-Zahlen verschiedener Stoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 Tabellierte Werte der Gaußschen Fehlerfunktion . . . . . . . . . . . 76

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1

1 Warmeleitung

In der Thermodynamik bezeichnet man Energie, welche die Grenze eines Systemsuberschreitet, dann als Warme, wenn der Energietransport allein durch einenTemperaturunterschied zwischen dem System und seiner Umgebung bewirkt wird.Nach dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik fließt dabei Warme stets in Richtungfallender thermodynamischer Temperatur uber die Systemgrenze.

Die Thermodynamik alleine macht keine Aussage daruber, in welcher Weise derubertragene Warmestrom vom treibenden Temperaturgefalle abhangt und wieschnell oder intensiv der irreversible Prozess der Warmeubertragung ablauft. Die-se Gesetzmaßigkeiten zu klaren ist Aufgabe der Warmeubertragung. Dabei unter-scheidet man drei Arten des Warmetransports:

• Warmeleitung

• konvektiven Warmeubergang

• Warmestrahlung.

1.1 Grundgesetz der Warmeleitung nach Fourier

Warmeleitung ist ein Energietransport zwischen benachbarten Molekulen aufgrundeines im Material vorhandenen Temperaturgradienten. In Metallen ubertragenauch die freien Elektronen Energie. In strahlungsundurchlassigen Festkorpern wirdEnergie allein durch Warmeleitung transportiert, in Gasen und Flussigkeiten uber-lagert sich dem Warmeleitvorgang ein Energietransport durch die stromende Be-wegung (Konvektion) und durch Warmestrahlung (Abb. 1).

Abbildung 1: Linearer Warmeverlauf an der ebenen Wand

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2 1 Warmeleitung

Der Energietransport in einem warmeleitenden Material durch das Vektorfeld derWarmestromdichte beschrieben werden:

~q = ~q (~x, t) (1.1)

Der Vektor der Warmestromdichte erfasst an einem durch den Vektor ~x gekenn-zeichneten Ort Starke und Richtung des Energiestroms, der auch von der Zeit tabhangen kann. Die Warmestromdichte ~q ist so definiert, dass fur den WarmestromdQ durch ein beliebig orientiertes Flachenelement dA gilt:

dQ = ~q(~x, t)>~n dA =∣∣∣~q∣∣∣ cos (β) dA (1.2)

Hierbei ist ~n der Flachennormalenvektor. Er bildet mit ~q den Winkel β.

Der Warmestrom hat die Dimension einer auf die Zeit bezogenen Energie (Warme-leistung). Seine SI Einheit ist daher J/s = W . Die Warmestromdichte hatdie Dimension eines auf die Flache bezogenen Warmestroms. Ihre Einheit ist:J/ (s ·m2) = W/m2.Alle Punkte des Korpers, die zu einer bestimmten Zeit dieselbe Temperatur Tbesitzen, kann man sich durch eine Flache (Isotherme) verbunden denken. Diestarkste Temperaturanderung erfolgt senkrecht zu den Isothermen und ist durchden Temperaturgradienten ∇T :

∇T = gradT =∂T

∂x~ex +

∂T

∂y~ey +

∂T

∂z~ez (1.3)

gegeben. Sieht man nun Temperaturgradienten als Ursache der Warmestrome,so liegt es nahe, eine einfache Proportionalitat zwischen Ursache und Wirkunganzunehmen und fur die Warmestromdichte

~q = −k · ∇T (1.4)

zu setzen. Dies ist das 1822 von Fourier angegebene Grundgesetz der Warmelei-tung. Das in der Gleichung auftretende Minuszeichen berucksichtigt den 2. Haupt-satz der Thermodynamik: Warme stromt in Richtung des Temperaturgefalles.Die Proportionalitatskonstante k ist eine Materialeigenschaft, namlich die Warme-leitfahigkeit. Sie hangt von der Temperatur und dem Druck ab. Wenn das Materialisotrop ist, ist die Warmeleitfahigkeit ein Skalar, sonst ein Tensor 2. Stufe.

Beispiele fur Warmeleitfahigkeiten (1.1):

Fur den Warmestrom dQ durch ein beliebig orientiertes Flachenelement dA erhaltman aus dQ = ~q(~x, t)>~n dA und ~q = −k∇T :

dQ = −(k∇T )>~n dA = −k∂T∂n

dA (1.5)

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1.1 Grundgesetz der Warmeleitung nach Fourier 3

Stoff kSilber 427Kupfer 399Aluminium 209Eisen 81Stahl 13...48Mauerwerk 0,5...1,3Schaumstoff 0,02...0,09

Tabelle 1: Waremleitfahigkeiten verschiedener Materialien

Grundlage der Losung komplizierter Warmeleitprobleme ist die Differentialglei-chung fur das Temperaturfeld in einem ruhenden Medium. Sie wird Warmelei-tungsgleichung genannt.

Ein Warmeleitproblem zu losen bedeutet, das Temperaturfeld:

T = T (~x, t) (1.6)

in seiner raumlichen und zeitlichen Abhangigkeit zu bestimmen. Ist es bekannt, sokann man das zugehorige Feld der Warmestromdichte ~q mit dem Gesetz von Fou-rier berechnen und die durch Leitung transportierten Warmestrome an beliebigenStellen des Korpers bestimmen.

1.1.1 Die Nusselt-Zahl

Die Gute der konvektiven Warmeubertragung lasst sich durch die Nusselt-Zahlangeben. Sie ist eine dimensionslose Kennzahl aus der Ahnlichkeitstheorie, die dieVerbesserung der Warmeubertragung von einer Oberflache misst, wenn man dietatsachlichen Verhaltnisse mit denen vergleicht, wenn nur Warmeleitung durcheine ruhende Fluidschicht auftreten wurde. Damit setzt sie die Intensitat eineskonvektiven Warmeubergangs an einer Festkorperoberflache ins Verhaltnis zu ei-nem bei ruhendem Fluid gedachten, wenn reine Warmeleitung wirkt.Normalerweise verwendet man die Nusselt-Zahl, um die Warmeubertragung anstromende Fluide zu beschreiben. Die Nusselt-Zahl kann aber auch als dimen-sionsloser Gradient der Temperatur an einer Oberflache aufgefasst werden. Siewird formal gleich der Biot-Zahl gebildet. Warmeleitfahigkeit und charakteristi-sche Lange beziehen sich hier nicht auf den festen Korper, sondern auf das Fluid.

Nu =h · LkFluid

(1.7)

Die Nusselt-Zahl hangt von der Geometrie, der Reynolds-Zahl und der Prandtl-

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4 1 Warmeleitung

Zahl ab.

Fouriersches Gesetz:

~q>~n = −kfl∂T

∂xi· ni∣∣∣∣W

= −kfl∂T

∂n

∣∣∣∣W

= h (TW − T∞) (1.8)

Normierung der Temperatur:

Θ =T − T∞TW − T∞

, ΘW = 1, Θ∞ = 0

⇒ T = Θ (TW − T∞) + T∞

Normierung der Ortskoordinate:

ξi =xiL

⇒ xi = ξi · L

⇒ ~q>~n = qW = h (TW − T∞) = −kfl

L· ∂Θ

∂n

∣∣∣∣W

(TW − T∞)

Die Nusselt-Zahl ist nun die Wandableitung der Temperatur in normierten Koor-dinaten:

− ∂Θ

∂n

∣∣∣∣W

=h · Lkfl

= Nu

1.2 Die Biot-Zahl

Die Biot-Zahl bezeichnet beim Warmetransport durch die Oberflache ei-nes Korpers das Verhaltnis des Warme(leit)widerstandes des Korpers zumWarmeubergangswiderstand des umgebenden Mediums. Sie wird formal gleich derNusselt-Zahl gebildet. Anstatt der Warmeleitfahigkeit des Fluids wird jedoch die-jenige des festen Korpers kFk verwendet.

Bi =h · LkFk

(1.9)

Dabei ist h der Warmeubergangskoeffizient an das stromende Fluid, L die charak-teristische Lange und kFk die Warmeleitfahigkeit des Festkorpers. Die Biot-Zahlgibt an, wie gut die Warmeleitung im Festkorper funktioniert.Abbildung 2 illustriert ein Beispiel zur Biot-Zahl.

Eine sehr große Biot-Zahl besagt, dass der innere Warmeleitwiderstand sehr großist, so dass eine Verbesserung des außeren Warmeubergangs an der Oberflache kei-ne Verbesserung der Gesamtwarmeleitung bringt. Wichtig ist dieser Zusammen-hang zum Beispiel beim industriellen Auftauen und Einfrieren von Lebensmitteln.

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1.3 Stationare eindimensionale Warmeleitung 5

Abbildung 2: Warmeleitwiderstand bei verschiedenen Biot-Zahlen

Die Ahnlichkeitstheorie besagt, dass die Verhaltnisse der Warmeleitwiderstandezweier geometrisch ahnlicher Aufbauten gleich sind, wenn ihre Biot-Zahlen gleichsind, unabhangig davon, welche wirkliche Ausdehnung die Aufbauten haben. Diesgilt sowohl fur freie als auch fur erzwungene Konvektion.

1.3 Stationare eindimensionale Warmeleitung

Wir betrachten hier zeitlich unveranderliche Temperaturfelder, die nur von einerOrtskoordinate x abhangen. Dies ist z.B. in einer ebenen Wand der Fall. Nach demGesetz von Fourier erhalt man fur den Warmestrom:

Q (x) = q (x)A (x) = −k (x)dT

dxA (x) (1.10)

In einer ebenen Wand hangt die Flache A nicht von x ab. Ist die Warmeleitfahigkeitkonstant, so wird auch der Temperaturgradient dT/dx konstant. Der stationareTemperaturverlauf in einer ebenen Wand mit konstantem k ist also linear.

Wir erhalten das gesuchte Temperaturfeld als Losung der Warmeleitungsgleichung.Fur die Herleitung dieser Gleichung wenden wir den ersten Hauptsatz der Thermo-dynamik auf ein geschlossenes System an, namlich auf einen zusammenhangendenBereich beliebiger Große, den wir uns aus dem warmeleitenden Korper herausge-schnitten denken (Abb. 3).

Der 1. Hauptsatz der Thermodynamik liefert die Leistungsbilanz:

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6 1 Warmeleitung

Abbildung 3: Warmeleitung am Differentiellen Element

dU

dt=∑i

Qi + W + q∗dV (1.11)

Sie fuhrt die zeitliche Anderung der inneren Energie U des Volumenelements dVauf drei Ursachen zuruck: Die Warmestrome Qi, den Arbeitsstrom (technischeArbeit) W uber die Systemgrenze und im Volumen vorhandene Quellen q∗dV mitdem volumenspezifischen Quellterm q∗. Den Arbeitsstrom wollen wir hier nichtweiter betrachten: W = 0. Quellen konnen von unterschiedlicher Art sein (z.B.elektrisch, chemisch, nuklear oder Strahlung) und sind von den Ortskoordinatenund der Zeit abhangig:

q∗ = q∗ (~x, t) (1.12)

Da die Warmeleitung in einem Festkorper betrachtet wird, vernachlassigen wirdie geringen Dichteanderungen aufgrund von Temperatur- und Druckanderungen.Wir verwenden das Stoffmodell des inkompressiblen Korpers mit ρ = const. Esgilt:

ρ =m

V⇒ m = ρV (1.13)

u =U

m⇒ U = um = uρV (1.14)

Unter dieser Annahme kann

dU

dt=

d

dt

∫V

ρu dV = ρ

∫V

du

dtdV (1.15)

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1.3 Stationare eindimensionale Warmeleitung 7

gesetzt werden, wobei sich das Integral uber das Volumenelement erstreckt.Die hiermit eingefuhrte massenspezifische innere Energie u des inkompressiblenKorpers hangt von seiner Temperatur ab.

Mit cV (T ) als spezifischer Warmekapazitat gilt:

du = cV (T ) dT (1.16)

Einsetzen in Gl. 1.15:dU

dt= ρ

∫V

cV (T )∂T

∂tdV (1.17)

Um den Warmestrom Q =∑i

Qi zu berechnen, der uber die Systemgrenze fließt,

betrachten wir zunachst ein Element dA der Oberflache, dessen Normale ~n nachaußen gerichtet ist. Der durch dA in den Bereich hineinfließende Warmestrom istdQ:

dQ = −~q>~n dA (1.18)

Durch Integration aller Warmestrome erhalten wir mit dem Gaußschen Integral-satz:

Q = −∫A

~q · ~n dA = −∫V

∇ · ~q dV (1.19)

Einsetzen in die Leistungsbilanz:

dU

dt=∑i

Qi + W︸︷︷︸=0

+q∗dV (1.20)

⇒ ρ

∫V

cV (T )∂T

∂tdV = −

∫V

∇ · ~q dV + q∗dV

⇒∫V

(ρcV (T )

∂T

∂t+∇ · ~q − q∗

)dV = 0

Dieses Volumenintegral verschwindet nur dann fur beliebig gewahlte Bilanzberei-che, wenn der Integrand selbst gleich null ist. Damit gilt:

ρcV (T )∂T

∂t= ∇ · ~q + q∗ (1.21)

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8 1 Warmeleitung

Im letzten Schritt ziehen wir das Gesetz von Fourier heran und verknupfen dieWarmestromdichte ~q mit dem Temperaturgradienten. Damit ergibt sich die ge-suchte Differentialgleichung fur das Temperaturfeld:

~q = −k (T )∇T (1.22)

⇒ ρcV (T )∂T

∂t= ∇ · (k (T )∇T ) + q∗ (1.23)

Eine andere Schreibweise fur die Warmeleitgleichung ist:

ρcV ∂tT = ∂i (k∂iT ) + q∗, T = T (xi, t) (1.24)

Es handelt sich um eine DGL 1. Ordnung in der Zeit und 2. Ordnung im Raum.Wenn ρ, cV , k = const gilt, haben wir eine lineare Gleichung.

1.3.1 Anfangs- und Randbedingungen

Anfangsbedingungen legen die Temperaturverteilung im Volumen zum Zeitpunktt = 0 fest:

T (xi, t = 0) = T0 (xi) (1.25)

Randbedingungen legen entweder die (unter Umstanden zeitlich veranderliche)Temperatur an den Grenzen des Volumens fest, oder sie treffen Aussagen uberderen zeitliche Ableitung.

Randbedingung 1. Art (Dirichlet-RB): T (xi, t)|∂Ω = T∂Ω (xi, t)|∂Ω

Abbildung 4: Die Dirichlet–Randbedingung

Randbedingung 2. Art (Neumann-RB): ∂T∂n

∣∣∂Ω

= dT∂Ω (xi, t)|∂Ω

Randbedingung 2. Art, adiabat (homogene Neumann-RB): ∂T∂n

∣∣∂Ω

= 0

Randbedingung 3. Art (Robin-RB): −kFk ∂T∂n∣∣∂Ω

= h (T∂Ω − T∞)

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1.3 Stationare eindimensionale Warmeleitung 9

Abbildung 5: Die Neumann–Randbedingung

Abbildung 6: Die adiabate Neumann–Randbedingung

Abbildung 7: Die Robin–Randbedinung

1.3.2 Superpositionsprinzip bei linearer instationarerWarmeleitgleichung

Unter instationarer Warmeleitung wird die Erwarmung und Kuhlung von festenKorpern verstanden, die Temperatur ist also abhangig von der Zeit. Unterschie-den wird zwischen thermisch dunnen und thermisch dicken Korpern. Bei ersterenkonnen die ortlichen Temperaturdifferenzen im Korper vernachlassigt werden, sodass nur die zeitliche Temperaturanderung betrachtet werden muss. Bei thermischdicken Korpern mussen dagegen zusatzlich auch die Temperaturprofile im Korper

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10 1 Warmeleitung

berucksichtigt werden. Die benotigte lineare Differentialgleichung lautet wie inGl. 1.24 hergeleitet:

ρcV ∂tT = ∂i (k∂iT ) + q∗, ρ, cV , k = const

mit der Temperaturleitfahigkeit α = k/ (ρcV ) erhalten wir daraus:

1

α∂tT = ∂i∂iT +

q∗

k(1.26)

Es gilt fur lineare Gleichungen das Superpositionsprinzip. Das bedeutet hier: FallsT1 (xi, t) die Losung von Gl. 1.26 mit A.B.|1 + R.B.|1 und T2 (xi, t) und q∗ = 0Losung von Gl. 1.26 mit A.B.|2 + R.B.|2 ist, dann ist

T3 (xi, t) = T1 (xi, t) + T2 (xi, t)

Die Losung von Gl. 1.26 mit den kombinierten Bedingungen:

A.B.|3 = A.B.|1 + A.B.|2, R.B.|3 = R.B.|1 + R.B.|2

Um dies nachzuweisen, setzen wir T3 in ein:

1

α∂tT3 − ∂i∂iT3 −

q∗

k=

1

α(∂tT1 + ∂tT2)− ∂i∂i (T1 + T2)− q∗

k

=1

α∂tT1 − ∂i∂iT1=0︸ ︷︷ ︸+

1

α∂tT2 − ∂i∂iT2 −

q∗

k︸ ︷︷ ︸=0

= 0

Beispiel-Problem (eindimensional): Eingespannter Draht mit Rand- und An-fangstemperatur (Abb. 8)

Anfangs- und Randbedingungen:

T (x, t = 0)!

=T0 (x) (A.B.)

T (x = −L, t) = TL (t) , T (x = L, t) = TR (t) (R.B.)

q∗ = const 6= 0

Zur Losung des Warmeleitproblems nutzen wir das Superpositionsprinzip und tei-len die Losungsfunktion in vier Teile auf:

T (x, t) = T1 (x, t) + T2 (x, t) + T3 (x, t)︸ ︷︷ ︸Th(x,t), homogene WL

+ Ti (x, t)︸ ︷︷ ︸inhomogene WL

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1.3 Stationare eindimensionale Warmeleitung 11

Abbildung 8: Temperaturverteilung im Draht

Die Summe dieser vier Funktionen muss die oben angegebenen Anfangs- und Rand-bedingungen erfullen. Wir erreichen dies, indem wir die Bedingungen wie folgt aufdie einzelnen Funktionen aufteilen.

Anfangsbedingung:

T1 (x, t = 0) = T0 (x)

T2/3/i (x, t = 0) ≡ 0

⇒ T (x, t = 0) = T1 (x, t = 0) + T2/3/i (x, t = 0) = T0 (x)

Randbedingungen:

T1 (x = −L, t) = T1 (x = L, t) = 0

T2 (x = −L, t) = TL (t) ; T2 (x = L, t) = 0

T3 (x = −L, t) = 0; T3 (x = L, t) = TR (t)

Ti (x = −L, t) = Ti (x = L, t) = 0

⇒ T (x = −L, t) = T1 (x = −L, t) + T2 (x = −L, t)+T3 (x = −L, t) + Ti (x = −L, t) = TL (t)

⇒ T (x = L, t) = T1 (x = L, t) + T2 (x = L, t)

+T3 (x = L, t) + Ti (x = L, t) = TR (t)

Die Funktionen werden nun so bestimmt, dass Th (x, t) = T1 + T2 + T3 die ho-mogene Warmeleitgleichung (q∗ = 0) mit den gegebenen Anfangs- und Rand-bedingungen erfullt, und Ti (x, t) die inhomogene Warmeleitgleichung (q∗ 6= 0)mit homogenen Anfangs- und Randbedingungen (also Ti (x, t = 0) = 0 undTi (x = −L, t) = Ti (x = L, t) = 0) erfullt.

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12 1 Warmeleitung

1.3.3 Normierung der Warmeleitungsgleichung

Um die instationare Warmeleitgleichung zu losen, werden wir sie zuerst normieren.Das hat den Vorteil, dass die Gleichung dann frei von Material- und geometrischenParametern ist. Der inhomogene Anteil (Quellterm) vereinfacht sich dadurch zueinem Summanden gleich 1.Dafur dividieren wir zuerst die instationare Warmeleitgleichung fur 1D-Problemedurch den Quellterm, um fur den inhomogenen Teil die 1 zu realisieren:

ρcV∂T

∂t= k

∂2T

∂x2+ q∗ ⇒ ρcV

q∗∂T

∂t=

k

q∗∂2T

∂x2+ 1

Zur Normierung des Ortes fuhren wir die Variable ξ ein:

ξ =x

2L+

1

2⇒ x = 2Lξ − L ⇒ ∂x = ∂ξ · 2L

Diese Variable ist so gewahlt, dass sie am linken Ende 0 und am rechten Ende 1ist (Abb. 9):

Abbildung 9: Die normierte Temperaturverteilung

Einsetzen in die DGL:

ρcVq∗

∂T

∂t=

k

q∗4L2

∂2T

∂ξ2+ 1

Zur Normierung der Temperatur wahlen wir eine Variable Θ so, dass der Vorfaktorder zweiten Ortsableitung in der DGL wegfallt:

ρcVq∗

∂T

∂t=

k

q∗4L2

∂2T

∂ξ2+ 1

⇒ k

q∗4L2

∂2T

∂ξ2

!=∂2Θ

∂ξ2⇒ ∂2Θ =

k

q∗4L2∂2T

Das erreichen wir z.B. mit

Θ =T − T0

q∗4L2

k

⇒ T = Θq∗4L2

k+ T0 ⇒ ∂T = ∂Θ

q∗4L2

k

⇒ ρcVq∗

∂Θ q∗4L2

k

∂t=

k

q∗4L2

∂2Θ q∗4L2

k

∂ξ2+ 1

⇒ ρcV 4L2

k

∂Θ

∂t=∂2Θ

∂ξ2+ 1

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1.3 Stationare eindimensionale Warmeleitung 13

Zur Normierung der Zeit fuhren wir zuletzt noch τ so ein, dass sich der Vorfaktorvor der Zeitableitung vereinfacht:

ρcV 4L2

k

∂Θ

∂t

!=∂Θ

∂τ

⇒ ∂τ = ∂tk

ρcV 4L2

⇒ τ =kt

ρcV 4L2

Somit haben wir die gewunschte normierte Warmeleitgleichung:

∂Θ

∂τ=∂2Θ

∂ξ2+ 1 (1.27)

Als weiteres Beispiel normieren wir die Gleichung so, dass die Koordinate ξ imBereich [−1, 1] liegt:

ξ =x

L⇒ x = Lξ ⇒ ∂x = ∂ξ · L

⇒ ρcVq∗

∂T

∂t=

k

q∗L2

∂2T

∂ξ2+ 1

Θ =T − T0

q∗L2

k

⇒ T = Θq∗L2

k+ T0 ⇒ ∂T = ∂Θ

q∗L2

k

⇒ ρcVL2

k

∂Θ

∂t=∂2Θ

∂ξ2+ 1

τ =k

ρcVL2t

⇒ ∂Θ

∂τ=∂2Θ

∂ξ2+ 1

Mit dieser Version greifen wir nun das Beispiel aus 1.2.3 wieder auf. Bevor wirdie DGL losen, mussen wir die Anfangs- und Randbedingungen an die normierteGleichung anpassen. Wir wollen hier ein instationares Problem mit homogenen ABund RB betrachten.

Anfangsbedingung: T (x, t = 0) = 0 ⇒ Θ (ξ, τ = 0) = 0

Randbedingungen:

T (x = −L, t) = 0 = T (x = L, t)

⇒ Θ (ξ = −1, τ) = 0 = Θ (ξ = 1, τ)

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14 1 Warmeleitung

1.3.4 Losung der instationaren Warmeleitgleichung

Nun geht es an die Losung des Beispielproblems. Nach dem Superpositionsprinzipuberlagern wir eine stationare inhomogene und eine instationare homogene Losungzur Gesamtlosung:

Θ (ξ, τ) = Θs (ξ)︸ ︷︷ ︸inhomogen,stationaer

+ Θi (ξ, τ)︸ ︷︷ ︸homogen,

instationaer

mit A.B./R.B. = 0

Wir fangen mit der Losung der stationaren Gleichung an. Hier fallt die Zeitablei-tung weg, da die Temperatur uber die Zeit konstant bleibt. Wir erhalten folgendesProblem:

∂2Θs

∂ξ2= −1, Θs (ξ = −1) = Θs (ξ = 1) = 0

Diese gewohnliche DGL konnen wir durch Integration losen:

⇒ ∂Θs

∂ξ= −ξ + Θ0

⇒ Θs (ξ) = −ξ2

2+ Θ0ξ + Θ1

Die beiden Konstanten berechnen wir mit den Randbedingungen:

Θs (ξ = −1) = 0 ⇒ 0 = −1

2−Θ0 + Θ1 (a)

Θs (ξ = 1) = 0 ⇒ 0 = −1

2+ Θ0 + Θ1 (b)

(a)+(b)⇒ 0 = −1 + 2Θ1 ⇒ Θ1 =1

2(a)−(b)⇒ 0 = −2Θ0 ⇒ Θ0 = 0

Die stationare Losung sieht also wie folgt aus (Abb. 10):

⇒ Θs (ξ) = −ξ2

2+

1

2

Wir kommen nun zur Losung der instationaren Gleichung. Hier hangt die Losungsowohl von der Ortskoordinate als auch von der Zeit ab. Es stellt sich uns folgendesProblem:

∂Θi

∂τ− ∂2Θi

∂ξ2= 0

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1.3 Stationare eindimensionale Warmeleitung 15

Abbildung 10: Die stationare Losung der Warmeleitungsgleichung

Die Anfangsbedingung fur diese Teillosung ergibt sich aus den Anfangsbedingun-gen des Gesamtproblems und der Losung der stationaren Gleichung:

Θ (ξ, τ = 0) = Θs (ξ) + Θi (ξ, τ = 0)!

= 0

⇒ Θi (ξ, τ = 0) = −Θs (ξ)

Randbedingungen:

Θi (ξ = −1, τ) = Θi (ξ = 1, τ) = 0

Wie schon aus der technischen Mechanik bekannt benutzen wir einen Produktan-satz:

Θi (ξ, τ) = f (ξ) · g (τ)

Einsetzen in die DGL:

∂ (f (ξ) g (τ))

∂τ− ∂2 (f (ξ) g (τ))

∂ξ2= 0

Da die beiden Teilfunktionen jeweils nur von einer Variable abhangen, bleiben siebei der Ableitung des Produkts nach der anderen Variablen als konstanter Faktorerhalten.

f (ξ) g (τ)− f ′′ (ξ) g (τ) = 0 ⇒ g (τ)

g (τ)=f ′′ (ξ)

f (ξ)

Wenn die linke und rechte Seite fur jede Zeit und jeden Ort gleich sein sollen, folgtdaraus, dass beide konstant sein mussen. Wir wahlen als Konstante −λ2 (eine

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16 1 Warmeleitung

Erklarung hierzu folgt spater):

g (τ)

g (τ)=f ′′ (ξ)

f (ξ)= −λ2 = const

Hieraus ergeben sich zwei gewohnliche Differentialgleichungen, die wir einzeln losenkonnen. Exponentialansatz fur die erste DGL:

g (τ) + λ2g (τ) = 0

g = Aλ exp χτ , g = Aλχ exp χτ⇒ χ = −λ2

⇒ g (τ) = Aλ exp−λ2τ

Das λ ist zwar konstant, kann aber fur verschiedene Losungen durchaus unter-schiedliche Werte annehmen (diese bestimmen wir spater noch). Die KonstanteAλ muss jeweils an das λ angepasst werden.

Ansatz fur die zweite DGL:

f ′′ (ξ) = −λ2f (ξ)

⇒ f (ξ) = Sλ sin (λξ) + Cλ cos (λξ)

Fur die Gesamtlosung mussen wir uber alle moglichen Losungen, also die Losungenmit unterschiedlichen Werten fur λ, summieren:

Θi (ξ, τ) = f (τ) g (ξ) =∑λ

(Sλ sin (λξ) + Cλ cos (λξ)) · Aλ exp−λ2τ

(1.28)

Einarbeitung der Anfangs- und Randbedingungen

Wir mussen nun noch die drei Konstanten bestimmen. Zuerst reduzieren wir dazudie Anzahl der Konstanten auf zwei, indem wir das Aλ in die Klammer hineinmultiplizieren:

sλ = SλAλ, cλ = CλAλ

⇒ Θi (ξ, τ) =∑λ

(sλ sin (λξ) + cλ cos (λξ)) · exp−λ2τ

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1.3 Stationare eindimensionale Warmeleitung 17

Einsetzen der Randbedingungen:

Θi (ξ = 1, τ) =∑λ

(sλ sin (λ) + cλ cos (λ)) · exp−λ2τ

︸ ︷︷ ︸6=0

!= 0

⇒ sλ sin (λ) + cλ cos (λ) = 0 (a)

Θi (ξ = −1, τ) =∑λ

(sλ sin (−λ) + cλ cos (−λ)) · exp−λ2τ

︸ ︷︷ ︸6=0

!= 0

⇒ sλ sin (−λ) + cλ cos (−λ) = 0

⇒ − sλ sin (λ) + cλ cos (λ) = 0 (b)

(a)+(b)⇒ 2cλ cos (λ) = 0 ⇒ cλ = 0︸ ︷︷ ︸trivial

∨ λ = λn =2n+ 1

(a)−(b)⇒ 2sλ sin (λ) = 2sλ sin

(2n+ 1

)= 2sλ(−1)n = 0

⇒ sλ = 0

Anfangsbedingung:

Θi (ξ, τ = 0) = −Θs (ξ) = −1

2

(1− ξ2

)⇒

∑λn

cλn cos (λnξ) = −1

2

(1− ξ2

)

Wir multiplizieren nun beide Seiten mit cos (λnξ) und integrieren uber das Gebiet:

⇒∑λm

cλm cos (λmξ) cos (λnξ) = −1

2

(1− ξ2

)cos (λnξ)

⇒1∫

−1

∑λm

cλm cos (λmξ) cos (λnξ) dξ = −1∫

−1

1

2

(1− ξ2

)cos (λnξ) dξ

⇒∑λm

cλm

1∫−1

cos (λmξ) cos (λnξ) dξ = −1∫

−1

1

2

(1− ξ2

)cos (λnξ) dξ

Wegen

+1∫−1

cos (λnξ) cos (λmξ) dξ =

0 : n 6= m1 : n = m

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18 1 Warmeleitung

erhalten wir

cλn =− 1

2

1∫−1

(1− ξ2

)cos

(2n+ 1

2πξ

)dξ

cλn =− 16 (π (2n+ 1) sin (πn) + 2 cos (πn))

2(2πn+ π)3 = −16 cos (πn)

(2πn+ π)3 =16 · (−1)n+1

(2πn+ π)3 ∼1

n3

Wichtig ist, zu sehen, dass die Koeffizienten mit steigendem n sehr schnell abfallen.Fur jedes n erhalten wir eine eigene Losung, eine sogenannte Mode. Als Beispieldie 0. Mode (n = 0):

Θ0 (ξ, τ) = −16

π3cos

(πξ

2

)exp

(−π

2

4

)(1.29)

Hier sind wir davon ausgegangen, dass die Randtemperatur uber die Zeit konstantbleibt. Es gibt auch Probleme, bei denen ein Randtemperaturverlauf gegeben ist.In solchen Fallen kann man die Warmeleitgleichung theoretisch uber die Laplace-Transformation losen.Die analytische Rucktransformation ist oft nicht moglich, so dass auf numerischenVerfahren zuruckgegriffen werden muss. Hierfur wird i.d.R. die Finite–ElementeMethode benutzt.

1.3.5 Unterschiedliche Randtemperaturen

In vielen Anwendungen sind die Randtemperaturen nicht uberall gleich. Ist zumBeispiel die Temperatur ΘL am linken Rand kleiner als die Temperatur ΘR amrechten Rand, so erfolgt ein Warmestrom vom rechten zum linken Rand (alsoentlang x).

In solch einem Fall uberlagern wir die oben hergeleitete Losung mit einer linearenstationaren Funktion ΘW (ξ):

ΘW (ξ) = ΘL +1 + ξ

2(ΘR −ΘL) (1.30)

ΘW (ξ) erfullt die homogene Warmeleitungsgleichung, denn es gilt:

∂ΘW

∂τ︸ ︷︷ ︸=0

− ∂2ΘW

∂ξ2︸ ︷︷ ︸=0

= 0 (1.31)

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1.4 Kirchhoff-Transformation 19

Randbedingungen:

ΘW (−1) = ΘL, ΘW (1) = ΘR

Wir mussen nun zwei verschiedene Falle unterscheiden.

Fall 1: Zum Zeitpunkt 0 haben die Rander schon die geforderten Tem-peraturen

In diesem Fall gilt:

Θ (ξ = −1, τ = 0) = ΘL, Θ (ξ = 1, τ = 0) = ΘR,

Wir konnen die Losungen uberlagern zu:

Θ (ξ, τ) = Θs (ξ) + Θi (ξ, τ) + ΘW (ξ)

Θi (ξ, τ) = Θ0 (ξ)−Θs (ξ)

Fall 2: Zum Zeitpunkt 0 sind alle Temperaturen 0

Θ (ξ, τ = 0) ≡ 0

Θ (ξ, τ) = Θs (ξ) + ΘW (ξ) + Θi (ξ, τ)

Θi (ξ, τ) = Θ0 (ξ) = −Θs (ξ)−ΘW (ξ)

1.4 Kirchhoff-Transformation

Oft sind Koeffizienten wie die Warmeleitfahigkeit temperaturabhangig:

k = k (T ) (1.32)

Abbildung 11 zeigt einige Beispiele zur Temperaturabhangigkeit der Warme-leitfahigkeit:

In solchen Fallen wird die Warmeleitgleichung nichtlinear und ist sehr viel schwie-riger zu losen:

ρcV∂T

∂τ=

∂xi

(k (T )

∂T

∂xi

)+ q∗ (1.33)

Die Kirchhoff-Transformation fuhrt diese nichtlineare partielle Differentialglei-chung auf eine aquivalente lineare Gleichung zuruck, die wir dann losen konnen.

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20 1 Warmeleitung

Abbildung 11: Die Abbhangigkeit der Warmeleitfahigkeit

Wir fuhren eine neue Temperaturvariable ϑ ein, die die alte Temperatur an dievariable Warmeleitfahigkeit anpasst:

km =

T1∫T0

k (T ′) dT ′

ϑ = ϑ (T ) =1

km

T∫T0

k (T ′) dT ′

kmdϑ = k (T ) dT (∗)

Aus der Definition von ϑ ergibt sich ϑ (T = T0) = 0 und ϑ (T = T1) = 1. Ab-bildung 12 veranschaulicht die Temperaturabhangigkeit der Warmeleitfahigkeitverschiedener Stoffe.

Die transformierte Temperatur ϑ ist monoton steigend. T (ϑ) ist die Umkehrfunk-tion von ϑ (T ). Nun konnen wir die nichtlineare Differentialgleichung umschreiben.

ρcV∂T

∂τ=

∂xi

(k (T )

∂T

∂xi

)+ q∗

∂xi

(k (T )

∂T

∂xi

)(∗)=

∂xi

(km

∂ϑ

∂xi

)= km

∂2ϑ

∂x2i

⇒ ρcV∂T

∂τ= km

∂2ϑ

∂x2i

+ q∗

Wir haben nun eine lineare Gleichung, sofern q∗ und cv∗ρ nicht von der TemperaturT abhangt. Wenn ρ und cV temperaturabhanging sind, dann ist die linke Seite derGleichung nicht stationar in T

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1.4 Kirchhoff-Transformation 21

Abbildung 12: Die Abbhangigkeit der Warmeleitfahigkeit

1.4.1 Stationare Gleichung

Wenn die Zeitableitung wegfallt, erhalten wir:

0 = km∂2ϑ

∂x2i

+ q∗ (1.34)

Anfangsbedingung:

T (xi, τ = 0)!

=T0 (xi) ⇒ ϑ (xi, τ = 0) = ϑ (T0 (xi))

Randbedingung 1. Art:

T (∂Ω, τ)!

=T∂Ω (τ) ⇒ ϑ (∂Ω, τ) = ϑ (T∂Ω (τ)) (1.35)

Randbedingung 2. Art:

− k (T )∂T

∂n

∣∣∣∣∂Ω

!= q∂Ω ⇒ −km

∂ϑ

∂n

∣∣∣∣∂Ω

= q∂Ω (1.36)

Randbedingung 3. Art:

− k (T )∂T

∂n

∣∣∣∣∂Ω

= h (T∂Ω − T∞) ⇒ −km∂ϑ

∂n

∣∣∣∣∂Ω

= h (T∂Ω (ϑ)− T∞) (1.37)

Bei Randbedingungen 3. Art ist problematisch, dass die Umkehrfunktion T∂Ω (ϑ)nichtlinear ist.

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22 1 Warmeleitung

1.4.2 Instationare Gleichung

Hier haben wir zusatzlich die Zeitableitung in der Gleichung. Es ergibt sich dasProblem, dass auch die spezifische Warmekapazitat cV und die Dichte ρ tempera-turabhangig sein konnen:

ρ (T ) cV (T )∂T

∂τ=

∂xi

(k (T )

∂T

∂xi

)+ q∗ (1.38)

Wir fuhren wieder die transformierte Temperatur ϑ ein:

ϑ = ϑ (T ) =1

km

T∫T0

k (T ′) dT ′ (1.39)

kmdϑ = k (T ) dT ⇒ dT

dϑ=

kmk (T )

(1.40)

Einsetzen liefert:

∂T

∂τ=∂T

∂ϑ

∂ϑ

∂τ=∂ϑ

∂τ

kmk (T )

(1.41)

⇒ ρ (T ) cV (T )

k (T )︸ ︷︷ ︸= 1α(T )

∂ϑ

∂τ=∂2ϑ

∂x2i

+q∗

km

⇒ 1

α (T )=

1

α (T (ϑ))=

1

α (ϑ)

Dies funktioniert allerdings nur, wenn α (T ) konstant ist. Ideales Gas:

p = ρRT ⇒ ρ =p

RT∼ 1

T(1.42)

1.5 Uberlegungen zur Warmeleitfahigkeit

Die Warmeleitfahigkeit, auch Warmeleitzahl eines Festkorpers, einer Flussigkeitoder eines Gases genannt, ist sein Vermogen, thermische Energie mittels Warme-leitung in Form von Warme zu transportieren. Die (spezifische) Warmeleitfahig-keit in Watt je Kelvin und Meter ist eine temperaturabhangige Materialkonstante.Die Warmeleitfahigkeit ist von der Temperaturleitfahigkeit zu unterscheiden, derGeschwindigkeit, mit der sich eine Temperaturveranderung durch den Stoff aus-breitet.

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1.5 Uberlegungen zur Warmeleitfahigkeit 23

Die Kinetische Gastheorie bietet eine Erklarung der mikroskopischen Eigenschaftenvon Temperatur und Warme, wohingegen die Thermodynamik deren makroskopi-schen Eigenschaften untersucht.

Die wichtigsten Aussagen der kinetischen Gastheorie sind:

1. Die Teilchen eines Gases (Atome, Molekule) sind harte Kugeln ohne innereStruktur und standig in ungeordneter, nur statistisch fassbarer Bewegung.

2. Zwischen ihren Zusammenstoßen bewegen sie sich gleichformig und un-abhangig voneinander, ohne Bevorzugung einer Richtung.

3. Die Teilchen uben keine Krafte aufeinander aus, solange sie sich nicht gegen-seitig beruhren.

4. Zusammenstoße der Teilchen mit der Gefaßwand gehorchen dem Gesetz deselastischen Stoßes und verursachen den Gasdruck.

Die Geschwindigkeitsverteilung der Gasmolekule entspricht der Boltzmann-Verteilung. Fur die mittlere Geschwindigkeit gilt:

u =

√8

π

kBT

mi

(1.43)

Kollisionsfrequenz:

z =1

4nu (1.44)

Dabei ist n = NV

die Teilchendichte.

Die mittlere freie Weglange ist die durchschnittliche Weglange, die ein Teilchen oh-ne Wechselwirkung mit anderen Teilchen zurucklegt. Unter einer Wechselwirkungwird dabei jede Art von Energie- bzw. Impulsanderung des Teilchens verstanden.Fur die mittlere freie Weglange gilt:

λ =1√

2πd2n(1.45)

Die Boltzmann-Konstante kB erlaubt die Berechnung der mittleren thermischenEnergie eines Teilchens aus der Temperatur:

ei =mi

2u2 =

3

2kBT (1.46)

Dabei ist mi die Teilchenmasse. Die Warmekapazitat pro Teilchen betragt 32kB fur

kugelformige Teilchen ohne innere Freiheitsgrade.

Mittlerer Kollisionsabstand:

a =2

3λ (1.47)

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24 1 Warmeleitung

1.5.1 Warmeleitfahigkeit in Gasen

Fur ein perfektes Gas gilt:

u =3

2RT (1.48)

cV =

(∂u

∂T

)V

=3

2R =

3

2

Rm

Mi

=3

2

NLkBNLmi

=3

2

kBmi

(1.49)

Wir leiten k nun auf zwei verschiedene Arten her. Zuerst betrachten wir den dif-fusiven Warmetransport, anschließend die Viskositat aus der Gastheorie.

Diffusiver Warmetransport

Wir betrachten Molekule zwischen zwei Platten, wie in Abbildung 13. Die Plattenbesitzen die Temperaturen T1 und T2, wobei T1 > T2 sei.

Abbildung 13: Diffuser Warmetransport

Aus der Definition der thermischen Energie wissen wir, dass die Geschwindigkeitund Energie eines Teilchens von der Temperatur abhangt. Bei der Kollision vonTeilchen findet ein Energieaustausch statt, wobei Energie vom Teilchen mit derhoheren Energie zum Teilchen mit geringerer Energie transportiert wird. Wegendieses Effekts findet bei einem Temperaturgradienten ein Energieaustausch statt,der genau entgegengesetzt zum Gradienten verlauft (Abb. 15).

Abbildung 14: Gradient des Warmetransport

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1.5 Uberlegungen zur Warmeleitfahigkeit 25

Mit diesen Uberlegungen erhalten wir den Warmestrom:

qy = z

(1

2miu

2

∣∣∣∣y0−a− 1

2miu

2

∣∣∣∣y0+a

)= z

3

2kB (Ty0−a − Ty0+a) (1.50)

Nehmen wir an, dass die Temperatur T (y) linear verlauft:

Ty0±a = Ty0 ± a︸︷︷︸23λ

dT

dy

∣∣∣∣y0

Ty0−a − Ty0+a = Ty0 −2

3λdT

dy

∣∣∣∣y0

(Ty0 +

2

3λdT

dy

∣∣∣∣y0

)= −4

3λdT

dy

∣∣∣∣y0

⇒ qy = −1

4nu

3

2kB

4

3λdT

dy= −1

2nkBuλ

dT

dy

Wenn wir dieses Ergebnis mit dem Fourierschen Gesetz vergleichen (Gl. 1.4):

qy = −kdTdy

ergibt sich:

k =1

2nkBuλ

k =1

2nkB

√8

π

kBT

mi

1√2πd2n

=2

√πmikBT

πd2cV

An dieser Gleichung sehen wir, dass die Warmeleitfahigkeit proportional zur Wur-zel der Temperatur ist. Also besteht selbst bei konstantem cV eine Temperatu-rabhangigkeit. Teilchen, die viel Warme speichern konnen haben eine gute Warme-leitung.

Viskositat aus der Gastheorie

Fur große Entfernungen zwischen zwei Teilchen uberwiegen die anziehenden van-der-Waals-Krafte und permanenten Dipol-Dipol-Wechselwirkungen. Nahert mandie Teilchen an, so uberwiegt ab einem bestimmten Abstand der repulsive Anteilund die potentielle Energie steigt schnell an. Die repulsiven Krafte kommen da-durch zustande, dass die Elektronen bei Annaherung der Atomhullen teilweise aufenergetisch hohere Orbitale ausweichen mussen, weil sie nach dem Pauli-Prinzipnicht zu mehreren den gleichen Zustand besetzen konnen. Es gilt das Lennard-Jones Potential:

ϕ (r) = 4ε

[(σr

)12

−(σr

)6]

(1.51)

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26 1 Warmeleitung

Harte Kugeln hingegen haben bei einem beliebigen Abstand uberhaupt kein Po-tential. Sobald der Abstand auf Null sinkt, ist das Potential unendlich, da dieKugeln nicht noch naher aneinander gedruckt werden konnen. Veranschaulichungdieser Vereinfachung:

Abbildung 15: Gradient des Warmetransport

Nach Chapman-Enskog ergibt sich:

k =25

32

√πmikBT

πσ2Ωk

cV (1.52)

Dabei ist Ωk das Kollisionsintegral. Dieser Term ist ein mehrdimensionales Integral.Er gibt den Beitrag zur Gleichung, der durch Kollision der einzelnen Teilchenentsteht. Ware er nicht vorhanden, erlaubte das eine Losung der Gleichung mitMitteln der klassischen Mechanik.

Wenn wir eine Scherstromung annehmen, erhalten wir eine Formel fur k, die vonder Viskositat µ bzw. ν abhangig ist:

k =15

4Rµ =

5

2cV µ =

5

2ρνcV

Monoatomares ideales Gas:

cP = cV +R, cV =3

2R ⇒ cP =

5

2R =

10

4R

15

4R =

5

2cV = cP +

5

4R

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1.5 Uberlegungen zur Warmeleitfahigkeit 27

Es folgt die Eucken-Formel:

k =

(cP +

5

4R

Pr =cPµ

k=cPρν

k=

cPcP + 5

4R< 1 (1.53)

cP ist von der Temperatur abhangig.

1.5.2 Warmeleitfahigkeit fur Flussigkeiten

Wir wollen uns hier uberlegen, wovon die Warmeleitfahigkeit von Flussigkei-ten abhangt. Gesucht ist keine genaue Formel, sondern nur eine ungefahreAbschatzung. Allgemein gilt:

k =1

3ρcV uλ (1.54)

Das Dulong-Petit-Gesetz besagt, dass die molare Warmekapazitat eines aus ein-zelnen Atomen zusammengesetzten Festkorpers einen universalen und konstantenWert habe, namlich das Dreifache der universellen Gaskonstante:

cV ≈ 3kBmi

= 3R (1.55)

Fur den Gitterabstand gilt:

a ≈(V

N

) 13

=2

3λ (1.56)

Fur die Dichte gilt:

ρ =m

V=miN

V⇒ N

V=

ρ

mi

Die mittlere Geschwindigkeit schatzen wir durch die Schallgeschwindigkeit ab: u ≈vS

Es folgt:

k =1

3ρcV uλ =

1

3· NVmi · 3

kBmi

· vS ·3

2

(V

N

) 13

=3

2kBvS

N

V

(N

V

)− 13

=3

2kBvS

(N

V

) 23

(1.57)

Fur eine gute Warmeleitfahigkeit in Flussigkeiten ist also eine hohe Schallgeschwin-digkeit und Dichte von Vorteil.

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28 1 Warmeleitung

1.5.3 Warmeleitfahigkeit fur Festkorper

Wir kommen nun zur Abschatzung der Warmeleitfahigkeit von Festkorpern. Esgilt wieder allgemein:

k =1

3ρcV uλ (1.58)

Die Teilchenstruktur von Festkorpern fuhrt zu Phononen (quantisierte Gitter-schwingungen). Die Teilchen konnen sich im Gitter frei bewegen, es sei denn siestoßen an Gitterstorungen (Korngrenzen). Es ist also λ die Korngroße. Fur diemittlere Geschwindigkeit benutzen wir wieder die Schallgeschwindigkeit.

Speziell fur Metalle gilt nach Wiedemann-Franz:

k = kGitter + kElektron (1.59)

kElektron = L0σT (1.60)

Dabei ist σ die elektrische Leitfahigkeit und L0 = 2, 45 · 10−8 V 2

K2 die Lorentz-Konstante. Da die Warmeleitung an Korngrenzen gehemmt wird, sind Einkristallebesonders gute Warmeleiter. Das Material mit der besten Warmeleitfahigkeit istDiamant. Das liegt daran, dass er durch seine extreme Harte eine hohe Schallge-schwindigkeit hat und zudem ein fast perfektes Gitter besitzt.

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29

2 Konvektiver Warmeubergang

In einem stromenden Fluid wird Energie nicht nur durch Warmeleitung, sondernauch durch die makroskopische Bewegung des Fluids transportiert. Man sprichtvon konvektivem Warmeubergang und meint damit die Uberlagerung von Warme-leitung und Energietransport durch das stromende Fluid. Von besonderem tech-nischem Interesse ist der Warmeubergang zwischen einem stromenden Fluid undeiner festen Wand, z.B. zwischen einer beheizten Rohrwand und dem im Rohrstromenden kalten Gas.

Man unterscheidet zwischen freier und erzwungener Konvektion. Bei der erzwun-genen Konvektion wird das Fluid an der Wand entlang beschleunigt (Ventilator,etc.). Bei der freien Konvektion wirkt ein Kraftfeld wie z.B. die Schwerkraft auf dasFluid. Durch den Temperaturunterschied innerhalb des Fluids entstehen Dichteun-terschiede, wodurch das Fluid im Bereich der geringeren Dichte entlang der Wandaufsteigt. Bei dem Kraftfeld kann es sich nicht nur um die Schwerkraft, sondernauch um andere Krafte wie etwa die Fliehkraft handeln.

2.1 Der Warmedurchgangskoeffizient

Fur die Starke des konvektiven Warmeubergangs ist die Fluidschicht in Wandnahevon Bedeutung. Man nennt sie die Grenzschicht. In der Grenzschicht andert sichdie parallel zur Wand gerichtete Komponente der Stromungsgeschwindigkeit vomWert null an der Wand uber eine kurze Entfernung bis fast zum Maximalwert inder Kernstromung. Auch die Temperatur des Fluids andert sich vor allem in derGrenzschicht von der Wandtemperatur TW zum Wert T∞ in einigem Abstand vonder Wand. Abbildung 16 zeigt eine Grenzschichten bei freier Konvektion, Abbil-dung 17 ein Grenzschichten bei erzwungener Konvektion.

Als Folge des Temperaturunterschieds geht Warme von der Wand in das stromen-de Fluid uber. Die an der Wand auftretende Warmestromdichte ~q hangt in kom-plizierter Weise vom Temperatur- und Geschwindigkeitsfeld im Fluid ab, derenBerechnung auf erhebliche Schwierigkeiten stoßt. Man setzt daher

q = h (TW − T∞) (2.1)

mit dem konvektiven Warmeubergangskoeffizienten h.

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30 2 Konvektiver Warmeubergang

Abbildung 16: Grenzschicht bei freier Konvektion

Abbildung 17: Grenzschicht bei erzwungener Konvektion

2.2 Grenzschichten

Nun gehen wir insbesondere auf Grenzschichten ein, die sich an einer von Fluid um-stromten Wand bilden. Besonders wichtig sind die Geschwindigkeitsgrenzschichtund die Temperaturgrenzschicht (Abb. 18):

Die Geschwindigkeit ist direkt an der Wand null (Haftbedingung). Nach außen hinwird sie großer. Die Temperatur geht in der Grenzschicht von der Wandtemperaturin die Fluidtemperatur uber.

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2.3 Laminare und turbulente Grenzschichten 31

Abbildung 18: Grenzschicht–Temperaturverlauf

Die Prandtl-Zahl beschreibt dabei das Verhaltnis zwischen Viskositat und Warme-leitfahigkeit:

Pr =Viskositat

Warmeleitfahigkeit=ν

a(2.2)

Nach Newton gilt:

q =Q

A= h (TW − T∞) (2.3)

Dabei ist h der konvektive Warmeubergangskoeffizient. Wenn die Wandtemperaturgroßer als die Umgebungstemperatur ist, geht der positive Warmestrom von derWand weg. Dies mussen wir bei dem Aufstellen der Differentialgleichung beachten.

2.3 Laminare und turbulente Grenzschichten

Grundsatzlich lasst sich zwischen laminaren und turbulenten Grenzschichten un-terscheiden. Der Rand der Geschwindigkeitsgrenzschicht δ (y) ist so definiert, dassgilt:

v (y = δ)− v∞v∞

= −0.01 (2.4)

Fur die Temperaturgrenzschicht δT (y) gilt analog:

T (y = δT )− T∞TW − T∞

= −0.01 (2.5)

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32 2 Konvektiver Warmeubergang

Wir unterscheiden zwischen laminarer und turbulenter Stromung (Abb. 19):

Abbildung 19: Transition von laminarer zu turbulenter Stromung

Die Grenzschicht ist im Prinzip eine Isolationsschicht. Bei dunnerer Grenzschichtist der Warmestrom großer als bei dickerer Grenzschicht, da der Temperaturgradi-ent mit steigender Dicke sinkt. Im turbulenten Fall findet eine Durchmischung vonwarmem und kalterem Fluid statt, daher wird der Warmeubergangskoeffizient inder turbulenten Grenzschicht großer (Abb. 20).

Abbildung 20: Warmeubergangskoeffizient turbulenter Grenzschichten

Um Grenzschichten mathematisch zu beschreiben mussen wir die Navier-Stokes-Gleichungen verstehen. Im Einzelnen brauchen wir die Gleichungen der

• Massenerhaltung

• Impulserhaltung

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2.3 Laminare und turbulente Grenzschichten 33

• Energieerhaltung

Wir betrachten ein im Raum feststehendes differentielles Volumenelement(Abb. 21), das von dem Fluid durchstromt wird (Massenstrom m):

Abbildung 21: Massenerhalt am differentiellen Volumen

Es gilt:

mx = mx

(x, y +

dy

2, z +

dz

2

)mx+dx = mx

(x+ dx, y +

dy

2, z +

dz

2

)m = ρdV = ρ dx dy dz

dm

dt=∑k

mk = mx − mx+dx + my − my+dy + mz − mz+dz

Wir entwickeln die austretenden Massenstrome als Taylorreihe:

mx = ρvxAx = ρvxdy dz

mx+dx ≈ mx +∂mx

∂xdx, my+dy ≈ my +

∂my

∂ydy, mz+dz ≈ mz +

∂mz

∂zdz

dx dy dz∂ρ

∂t= −dy dz ∂ (ρvx)

∂xdx− dx dz ∂ (ρvy)

∂ydy − dx dy ∂ (ρvz)

∂zdz

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34 2 Konvektiver Warmeubergang

∂ρ

∂t+∂ (ρvi)

∂vi= 0

∂ρ

∂t+∇ · (ρ~v) = 0

∂tρ+ ∂i (ρvi) = 0

(2.6)

Im Fall eines inkompressiblen Fluids gilt ρ = const und damit ∂tρ = 0 und ∂iρ = 0.Die Kontinuitatsgleichung vereinfinityacht sich damit:

∂i (ρvi) = ρ ∂ivi + vi ∂iρi︸︷︷︸=0

⇒ 0 = ∂ivi = ∇ · ~v = div (~v)

Der Impuls ~I = m~v bleibt ohne Einwirkung außerer Krafte erhalten. Nach Newtongilt:

d~I

dt=∑i

~Fi

Abbildung 22: Impulsbilanz im Volumenelement

Durch das Volumenelement fließt das Fluid. Die Stromungsrichtung kann schragzu den Normalenvektoren des Elements liegen. Es gilt:

~I = m~v = ρ dV ~v, Ii = ρvidV

Der Fluss von Impuls i durch die Flache Ax ist (mvi) vxdAx.

Eine Anderung des Impulses erfolgt außerdem durch:

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2.3 Laminare und turbulente Grenzschichten 35

x-Flache y-Flachex-Impuls (mvx)vxdAx (mnx)vydAyy-Impuls (mvy)vxdAx (mvy)vydAy

Tabelle 2: Impulsfluss

• Netto-Impulsfluss: Ii = − ∂∂xj

(ρvivj) dV

• Netto-Druckkraft: − ∂p∂xidV

• Externe Volumenkrafte (z.B. Schwerkraft): GidV

• Scherkrafte (Impulsdiffusion): ∂∂xj

(τij) dV

Insgesamt ergibt sich die Impuls-Gleichung:

∂t (ρvi)︸ ︷︷ ︸Impulsanderung

= − ∂

∂xj(ρvivj)︸ ︷︷ ︸

Netto-Fluss

− ∂p

∂xi︸ ︷︷ ︸Druck

+∂

∂xj(τij)︸ ︷︷ ︸

Scherkraft

+Gi︸︷︷︸Vol.Kraft

(2.7)

⇒ ∂t (ρvi) + ∂j (ρvivj) = −∂ip+ ∂jτij +Gi

Konvektive Ableitung (totale Ableitung im mitbewegten System):

Dt . . . := ∂t . . . + vi∂i . . .

Beispiel Dichte: Dtρ = ∂tρ+ vi∂iρ

Diese Ableitung nach der Zeit wurde ein Dichtemessgerat anzeigen, das sich aufeiner Stromlinie bewegt.

Es gilt:

∂t (ρvi) + ∂j (ρvivj) = ρDtvi = ρ ∂tvi + ρvj∂jvi

Nachweis durch Ausdifferenzieren:

∂t (ρvi) + ∂j (ρvivj) = vi∂tρ+ ρ ∂tvi + vi∂j (ρvj) + ρvi∂jvj

= vi (∂tρ+ ∂j (ρvj))︸ ︷︷ ︸=0, Konti−Gl.

+ρ∂tvi + ρvi∂jvj

= ρ∂tvi + ρvi∂jvj

Eigenschaften des Scherkrafttensors

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36 2 Konvektiver Warmeubergang

Temperatur Viskositat Temperatur ViskositatGase T [C] µ [mPas] Flussigkeiten T [C] µ [mPas]i− C4H10 23 0.0076 (C2H5)2O 0 0.283SF6 23 0.0153 25 0.224CH4 20 0.0109 C6H6 20 0.649H2O 100 0.01211 Br2 25 0.744CO2 20 0.0146 Hg 20 1.552N2 20 0.0175 C2H5OH 0 1.786O2 20 0.0204 25 1.074Hg 380 0.0654 50 0.694

H2SO4 25 25.54Glycerol 25 934.0

Tabelle 3: Viskositaten verschiedener Stoffe

Der Tensor ist symmetrisch:

τij = τji =

τ11 τ12 τ13

τ12 τ22 τ23

τ13 τ23 τ33

(2.8)

τxy = µ

(∂vx∂y

+∂vy∂x

)= τyxτxx = 2µ

∂vx∂x− µ′

(∂vx∂x

+∂vy∂y

+∂vz∂z

)︸ ︷︷ ︸

Volumenviskositat

(2.9)

Die Volumenviskositat wird meistens weggelassen, da laut der Kontinuitatsglei-chung gilt:

ρ = const ⇒ ∂ivi =∂vx∂x

+∂vy∂y

+∂vz∂z

= 0

Wir erhalten damit die Navier-Stokes-Gleichung in der Form:

ρDtvi = ∂ip+ ∂j (µ (∂jvi + ∂ivj)) + ρgi (2.10)

Es sind nun alle Terme bis auf den Druck definiert. Der Druck ist bisher nocheine externe Variable. Die Große µ beschreibt die dynamische Viskositat, sie istdefiniert als [µ] = kg

m·s . Der Zusammenhang zur kinematischen Viskositat kann uber

die Dichte ρ hergestellt werden: ν = µρ. Einheit: [ν] = m2

s.

Die Totalenergie (Energie pro Masse) setzt sich aus innerer und kinetischer Energiezusammen:

e = u+v2

2(2.11)

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2.3 Laminare und turbulente Grenzschichten 37

Um die Energie pro Volumen zu erhalten, multiplizieren wir mit der Dichte: ρe

Anderung der Energie:

dE

dt=∂ (ρe dV )

∂t=∑i

miei +∑i

dQi +∑i

dWi (2.12)

Analyse x-Energiefluss:∑i

mie ⇒ (mxe)x − (mxe)x+dx ≈ −∂

∂x(mxe) dx (2.13)

Durch die wirkenden Krafte wird Arbeit geleistet:

∂W = ~F>d~r = ~Fd~r

d~τ︸︷︷︸~v

dτ = ~F>~v dτ (2.14)

dW =δW

dτ= ~F>~v (2.15)

Die Arbeit entsteht dabei durch:

• Druckkrafte: dWP = − ∂∂x

(pvx) dV

• Scherkrafte: dWS =[∂∂x

(vxτxx) + ∂∂y

(vxτxy) + ∂∂z

(vxτxz)]dV

• Volumenkraft: dWV = GxvxdV

• Warmequelle: dWQ = q∗dV

• zusatzliche Terme, die durch weitere physikalische Phanomene entstehen

Warmestrome durch Warmeleitung:

dQx = −∂Qx

∂xdx = +

∂x

(k∂T

∂x

)dV (2.16)

δe = ρ

(u+

~v2

2

)= ρ

(u+

1

2vjvj

)∂t (ρe) + ∂i (ρevi)︸ ︷︷ ︸konvektiver Transport

= − ∂i (pvi)︸ ︷︷ ︸Druckkrafte

+ ∂j (viτij)︸ ︷︷ ︸Scherkrafte

+ viρgi︸︷︷︸Vol.Kraft

+ ∂i (k∂iT )︸ ︷︷ ︸Warmestrom

(∗)

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38 2 Konvektiver Warmeubergang

(*)-vi·(Impulsgleichung Index i):

δDtu+ p∂ivi = ∂i (k∂iT ) + τij∂jvi︸ ︷︷ ︸φ

+q∗

Gleichung fur die Enthalpie (v hier spez. Volumen):

h = u+ pv = u+p

ρ

⇒ u = h− p

ρ

Ein paar Bemerkungen bevor wir die Ahnlichkeitsanalyse machen:

• 5 partielle DGL fur ρ, vi und e (alternativ u, h oder p)

• τij = µ (∂ivj + ∂jvi)

• p = p (ρ, u) , T = T (ρ, u)

• Transportgroßen: µ bzw. ν = µ(T,p)ρ

= µ(T )ρ

, k (T, p) = k (T ) , q∗ = 0

• p ist externe Variable (wird von außen aufgepragt und kann nicht als Teilder Gleichungen bestimmt werden)

• Kontinuitatsgleichung und Impulsgleichung enthalten e, u bzw. T nicht di-rekt, sondern nur uber ρ, p⇒ naherungsweise Abkopplung der Energiegleichung

Zur Normierung der Navier-Stokes-Gleichungen nehmen wir folgende Umgebungs-situation an:

Abbildung 23: Nusselt Zahl am quer angestromten Zylinder

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2.3 Laminare und turbulente Grenzschichten 39

Großen zur Normierung der Navier-Stokes-Gleichung:Lange: xi = xi

L

Dichte: ρ = ρρ∞

Geschwindigkeit: vi = viv∞

Viskositat: µ = µµ∞

Warmeleitfahigkeit: k = kk∞

Druck: p = pρ∞v2∞

Zeit: τ = τv∞L

Scherspannung: τij =τijL

µ∞v∞

Massenkrafte: gi = giLv2∞

Raumableitung: ∂i = ∂iL

Zeitableitung: ∂τ = ∂τv∞L

Substantielle Ableitung: Dτ = Dτv∞L

Randbedingungen:

ρ = ρ∞ ⇒ ρ = 1

~v = vi~e ⇒ ~v = ~e

∂tρ+ ∂i (ρvi) = 0

⇒ v∞L∞

∂t (ρ∞ρ) +1

L∞∂i (ρ∞ρviv∞) = 0 | : ρ∞v∞

L∞

⇒ ∂tρ+ ∂i (ρvi) = 0

Impulsgleichung:

δDtvi = −∂ip+ ∂jτij + ρgi

ρ∞ρv∞LDtv∞vi = − 1

L∞∂iρ∞v

2∞p+

1

L∂jv∞µ∞L

τji + ρ∞ρv2∞Lgi

ρDtvi = −∂ip+

(µ∞

ρ∞v∞L

)︸ ︷︷ ︸

ν∞v∞L

= 1Re

∂j τji + ρgi | : ρ∞v2∞

L

Re ≡ v∞L

ν∞

Kennzahlen der Bilanzgleichungen: Re, Pr und Ec. Hiermit konnen wir die dreibisher hergeleiteten Gleichungen umschreiben.

Kontinuitatsgleichung:

∂τ ρ+ ∂i (ρvi) = 0 (2.17)

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40 2 Konvektiver Warmeubergang

Navier-Stokes-Gleichung:

∂τ (ρvi) + ∂j (ρvivj) = −∂ip+1

Re∂j τji + ρgi (2.18)

Thermische Energiegleichung:

ρDτ h = Ec Dτ p+1

Re Pr∂i

(k∂iT

)+

Ec

Reφ+ q∗, φ = τji∂j vi (2.19)

Die Eckert-Zahl beschreibt das Verhaltnis der kinetischen Energie zur Enthalpieeiner Stromung.Die Messung der globalen Nusselt-Zahl abhangig von der Reynoldszahl am querangestromten Zylinder (Abb. 24):

Abbildung 24: Nusselt Zahl am quer angestromten Zylinder

Typische Werte der Prandtl-Zahlen verschiedener Stoffe (Tab. 4):

Stoff Pr T [C]Luft 0,72 20Wasser 13,48 0Wasser 7,0 20Wasserdampf 0,999 100Schmierol 47000 0Schmierol 1050 60Quecksilber 0,027 10

Tabelle 4: Prandtl-Zahlen verschiedener Stoffe

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2.4 Spezialfall dunne Grenzschicht (Prandtl-Naherung) 41

T =(T − T∞)

T1

; T1 = T∞ − Tw ; k =k

k∞; h =

h

cpT1

;

q∗ =q∗(

cpT1ρ∞v∞L

)ρDth = Dtp+ ∂i (k∂iT ) + φ+ q∗

ρ0ρv0

L0

Dt

(cpT1h

)= ρ0v

20

v0

L0

Dtp+k0T1

L20

∂i

(k∂iT

)+v2

0µ0

L20

+cpT1ρ0v0

L0

q∗

ρDth = Ec ·Dt · p+1

Re Pr∂i

(k∂iT

)+

Ec

Reφ+ q∗

Im perfekten Gas gilt:

h = cpT ⇒ h =cpT

cpT1

=T

T1

= T

p = ρRT ⇒ p =ρ∞ρRT1T

ρ∞v2∞

;

Ec =v2∞

cpT1

⇒ RT1

v2∞

=R

cp · Ec

cp = cv +R; κ =cpcv

⇒ R

cp=κ− 1

κ

⇒ p =

(R

cp

)ρT

Ec=

(κ− 1

κ

)1

EcρT

Wir haben nun 5 Gleichungen fur ρ, vi und T .

Schallgeschwindigkeit:

c =√κRT ⇒ c∞ =

√κRT∞

Wahle: T1 ≡ T∞

Ec =v2∞

cpT1

=R

cp

v2∞

RT∞= (κ− 1)Ma2

Wir sehen, dass die Eckert-Zahl furMa∞ ⇒ 0 bzw. κ ≈ 1 vernachlassigt werdenkann.

2.4 Spezialfall dunne Grenzschicht (Prandtl-

Naherung)

Fur die Prandtl-Naherung wahlen wir das Koordinatensystem so, dass x entlangder Platte und y in das Fluid zeigt, wie es Abb. 18 verdeutlicht. Wir treffen nunfolgende Annahmen:

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42 2 Konvektiver Warmeubergang

• Die Stromung kann als zweidimensional betrachtet werden, d.h. die z Kom-ponente der Geschwindigkeit ist null (w = 0).

• Die Stromung ist inkompressibel: ρ = const = ρ∞

• Die Stromung ist stationar: ∂∂t

= 0

• Die horizontale Geschwindigkeit groß, u v. Diffusionsvorgange sind des-halb nur in y-Richtung wirksam, wir konnen somit annehmen: ∂2u/∂x2 = 0.

• Anderung der horizontalen Geschwindigkeit in y-Richtung am großten:

∂u

∂y ∂u

∂x,∂v

∂x,∂v

∂y

• Symmetrischer Spannungstensor, τxy = τyx = µ∂u∂y

• Kein Druckgradient in y-Richtung:∂p∂y

= 0 ⇒ p (x, y) ∼ p (x) = p∞ (x)

• Die Geschwindigkeit der außeren Stromung, u∞, wird als konstant angenom-men, somit ist ∂p/∂x = 0 (Gilt nur fur dunne Grenzschichten).

• keine starke Temperaturanderung entlang der Platte: ∂T∂x ∂T

∂y

∂u

∂x+∂v

∂y= 0

u∂u

∂x+ v

∂u

∂y= ν

∂2u

∂y2

Die Normierung erfolgt mit:

ξ =x

L, η =

y

L

u =u

u∞, v =

v

u∞

Πξ =1

ρ∞u2∞

dp∞dx

ReL =u∞L

ν, Pr =

ν

α, Ec =

u2∞

cpT1

Θ =T − TWT1

T1 = T∞ − TW ∨ T∞ ∨ u2∞

2cp

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2.4 Spezialfall dunne Grenzschicht (Prandtl-Naherung) 43

In normierter Schreibweise lauten die Navier-Stokes-Gleichungen dann:

∂u

∂ξ+∂v

∂η= 0

u∂u

∂ξ+ v

∂u

∂η=

1

ReL

∂2u

∂η2

Aufgrund des parabolischen Charakters des Gleichungssystems fuhren wir als er-sten Trick eine Ahnlichkeitsvariable η ∼ y/

√x ein, zunachst als Funktion von x

und y:

γ (x, y) : =y

x

√u∞x

ν=y

x

√ReL (2.20)

γ (ξ, η) : =η

ξ

√u∞ξL

ν=η

ξ

√ReL

√ξ (2.21)

Nun fuhren wir die Stromfunktion Ψ(x, y) ein mit der Definition:

u =∂Ψ

∂y; v = −∂Ψ

∂x(2.22)

Die Kontinuitatsgleichung lasst sich uber die Stromfunktion schreiben als:

ΨyΨyx −ΨxΨyy = νΨyyy (2.23)

Ψ(x, y) =

∫ y

0

udy = u∞

∫ y

0

f ′(γ)dy = u∞

√νx

u∞

∫ γ

0

f ′(γ)dγ (2.24)

Der Ausdruck f(γ) =∫ γ

0f ′(γ)dγ wird als dimensionslose Stromfunktion bezeich-

net. Daraus folgt:Ψ(x, y) =

√u∞νxf(γ) (2.25)

Anstelle von Ψ wird nun f(γ) in die Impulserhaltung (Gl. 2.23) eingesetzt. Hierzubilden wir:

u = Ψy = u∞f′(γ) (2.26)

v = −Ψx = − [f(γ)√u∞νx] = −

[f ′∂γ

∂x

√u∞νx+

f

2

√u∞νx

](2.27)

Wir mussen nun die Losungen fur u und v in die Kontinuuitatsgleichung (Gl. 2.23)einsetzen und auflosen:

Ψyx = −1

2u∞

√u∞νx

y

xf ′′ = −1

2

u∞xγf ′′

Ψyy = u∞

√u∞νx

f ′′ ; Ψyyy = u∞u∞νx

f ′′′

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44 2 Konvektiver Warmeubergang

Schließlich erhalten wir eine gewohnliche, nichtlineare Differentialgleichung 3.Ordnung fur die dimensionslose Stromfunktion f(γ), die sog. Blasius-Gleichung(Gl. 2.28):

2f ′′′ + f (γ) f ′′ (γ) = 0 (2.28)

Mit den drei Randbedingung kann die Blasius-Gleichung gelost werden:

f (0) = 0

f ′ (0) = 0 ⇒u (y = 0) = 0v (y = 0) = 0

f ′ (γ →∞) = 0 ⇒u (y →∞) = u∞v (y →∞) = 0

Abbildung 25 zeigt die Blasius Losung fur die Grenzschicht an einer ebenen Platte(ohne axialen Druckgradienten):

Abbildung 25: Blasius Losung der Temperatur Grenzschicht

Die normierte u-Geschwindigkeit steigt bei etwa η = 5 auf einen Wert von 99%.Daraus konnen wir sehen, dass die Dicke der Grenzschicht proportional zur Wurzel

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2.4 Spezialfall dunne Grenzschicht (Prandtl-Naherung) 45

der Lauflange x ist. Mit Gl. 2.4 folgt:

u

u∞= 0, 99

⇒ y = δ = 5

√νx

u∞=

5x√Rex

= 5

√ν

u∞

√x

LL = 5

√x

L

L√ReL

Die Ableitung der Geschwindigkeit an der Wand sagt uns, wie groß die Wandrei-bung ist. τW ist die Schubspannung an der Wand, cf ist der lokale Reibungsbeiwert:

cf (x) :=τw(x)

12ρ∞u2

∞=

0, 664√Rex

(2.29)

Fur die ortliche Wandschubspannung gilt:

τw(x) = µ

(∂u

∂y

)w

= µu∞

√u∞νx

f ′′(γ = 0) (2.30)

Nach der Losung von Blasius ist die dimensionslose Wandtangente des Geschwin-digkeitsprofils f ′′(γ = 0) = 0, 332. Der ortliche Reibungsbeiwert (Gl. 2.29) kanndadurch vereinfacht werden zu:

cf (x) =0.664√Rex

∼ 1√x

(2.31)

Auch der Reibungskoeffizient ist also proportional zum dynamischen Druck der An-stromung. Der Warmeubergangskoeffizient ist proportional zur reziproken Wurzelder Lauflange.

Fur die Energiegleichung (aus den Navier-Stokes-Gleichungen) gilt:

u∂T

∂x+ v

∂T

∂y= α

∂2T

∂y2(2.32)

Normiert man Gl. 2.32 mit:

Θ =T − TWT∞ − TW

,

Θ = Θ (γ)

Damit erhalten wir zusammen mit der Stromfunktion Ψ die dimensionslose Ener-giegleichung:

∂Ψ

∂y

∂Θ

∂γ

∂γ

∂x− ∂Ψ

∂x

∂Θ

∂γ

∂γ

∂y= α

∂2Θ

∂γ2

(∂γ

∂y

)2

(2.33)

Gl. 2.33 kann dann in eine gewohnliche DGL umgeformt werden:

Θ′′ +Pr

2fΘ′ = 0 (2.34)

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46 2 Konvektiver Warmeubergang

Θ (y = 0) = 0

Θ (y →∞) = 1

Diese DGL konnen wir nur numerisch losen!

Abbildung 26 zeigt den Einfluß der Prandtl-Zahl auf das Temperaturprofil fur dieebene Platte mit konstanter Wandtemperatur. Dies ist die Losung fur Gl. 2.34nach Polenhausen. Man sieht sehr deutlich den starken Einfluß der Prandtl-Zahlauf die Dicke der Temperaturgrenzschicht. Fur Pr = 1 sind das Temperatur- unddas Geschwindigkeitsprofil identisch.

Abbildung 26: Polenhausen Losung der Temperatur-Grenzschicht

Abbildung 27 zeigt die Nusselt-Zahl an ebener isothermer Platte als Funktion derPrandtl-Zahl. Uber die Reynoldssche Analogie sind Warmeubergangskoeffizient

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2.4 Spezialfall dunne Grenzschicht (Prandtl-Naherung) 47

Abbildung 27: Nusselt-Zahl as Funktion der Prandtl-Zahl

und Reibungsbeiwert miteinander verknupft:

NuxRex

=cf2

(2.35)

In Abhangigkeit der Prandtl-Zahl existieren fur die Nusselt-Zahl folgende empiri-sche Korrelationen:

Nux = 0, 5√

Rex Pr, Pr ≤ 0, 5 (2.36)

Nux = 0, 332√

Rex

13

Pr, Pr > 0, 5 (2.37)

Fur Gasstromungen ist die zweite Naherung ziemlich gut. Luft z.B. hat einePrandtlzahl von 0,7.

Die lokale Nusselt-Zahl ist:

Nu =∂Θ

∂η

∣∣∣∣η→0

=hL

k

St :=h

ρ∞u∞cp=

hL

k︸︷︷︸Nu

k

ρ∞cp︸ ︷︷ ︸α

1

ν

︸ ︷︷ ︸1/Pr

ν

u∞L︸ ︷︷ ︸1/ReL

=Nu

ReL Pr(2.38)

Reibungskoeffizient:

cf =τW

ρ∞u2∞2

Es folgen unterschiedliche Ergebnisse fur Prandtl-Zahlen gleich und ungleich 1.

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48 2 Konvektiver Warmeubergang

Fur Pr = 1:

cf =0, 664√

Rex, Pr = 1,

cf2

= St =Nu

ReL(2.39)

NuPr=1 =ReL

2cf = 0, 332

√L

x

√ReL (2.40)

Fur Pr 6= 1:

cf2

= St Pr2/3 =Nu

ReLPr1/3 (2.41)

2.5 Vergleich laminare und turbulente Stromung

Laminar:

cf,x =0, 664√

Rex∼ x−

12

δx =5x√Rex

=5L√

xL√

ReL∼ x

12

Nux = 0, 332√

Rex

13

Pr

Turbulent:

cf,x = 0, 059 Re−1/5x ∼ x−1/5

δx = 0, 37xRe−1/5x ∼ x4/5

Nux = 0, 0296 Re4/5x

1/3

Pr ∼ x1/5

⇒ NuL ∼ x−1/5

2.6 Konvektiver Warmeubergang bei schneller

Stromung, Recovery-Temperatur

2.6.1 Aerodynamische Erwarmung

Aerodynamische Erwarmung ist die Erwarmung eines Festkorpers durch Um-stromung mit Fluid (z.B. ein Flugzeug, das von Luft umstromt wird). Sie ist eineForm von erzwungener Konvektion, das Kraftfeld wird hierbei durch den bewegtenKorper verursacht.

An der Oberflache des Korpers ist die Stromungsgeschwindigkeit gleich Null. Wenndas umgebende Fluid langsamer wird, verwandelt sich seine kinetische Energie in

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2.6 Konvektiver Warmeubergang bei schneller Stromung, Recovery-Temperatur49

Warme. Wahrend die Stromung fast auf Null abgebremst ist, steigt ihre Tempe-ratur. Der Geschwindigkeitsgradient normal zur Oberflache erlaubt einen geringenStofftransport, wodurch die Hitze nach außen abgeleitet wird und die tatsachlicheTemperatur an der Oberflache nicht der Staupunkttemperatur entspricht. Diesetatsachliche Temperatur wird Recovery-Temperatur genannt.

2.6.2 Stationare Grenzschichtnaherung

Wir betrachten laminare Stromungen. Die Energiegleichung lautet:

∂t (ρe) + ∂i (ρevi) = −∂i (vip) + ∂j (viτji) + ∂i (k∂iT ) + q∗ + ρvigi

ρ∂te+ e∂tρ+ e∂i (ρvi)︸ ︷︷ ︸e(∂tρ+∂i(ρvi))

+ρvi∂ie = ρDte

Wir fuhren die Totalenthalpie ein:

h0 = h+~v2

2

Da wir explizite Volumenkrafte haben, durfen wir hier keine potentielle Energiebenutzen.

h0 = u+p

ρ+~v2

2

ρDth0 = ∂t (ρh0) + ∂i (ρvih0)

ρDth0 − ∂tp = ∂i (k∂iT ) + ∂j (viτji) + q∗ + ρvigi

Wir haben keine Quelle, also q∗ = 0. Es gilt ρvigi → 0

ρ (u∂xh0v∂yh0) = ∂y (k∂yT ) + ∂y (uµ∂yu)

Der Term ∂y (uµ∂yu) ist hier verglichen mit den bisherigen Betrachtungen neu, erdarf bei hohen Geschwindigkeiten nicht vernachlassigt werden, denn er bezieht dieDissipation mechanischer Energie mit ein.

Ideales Gas:

∂h

∂p

∣∣∣∣T

= 0 (2.42)

Perfektes Gas:

h = cpT (2.43)

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50 2 Konvektiver Warmeubergang

Totaltemperatur:

T∞ : =h∞cp

= T +u2

2cp

Pr =ν

α=ρcpν

k= cp

µ

k⇒ k =

cpµ

Pr

k∂2i T = k∂2

i T∞ −k

cp∂2i

(u2

2

)ρcp (u∂xT∞ + v∂yT∞) = k∂2

yT0 +

(1− 1

Pr

)µ∂2

y

(u2

2

)Wenn Pr = 1 ist, fallt der hintere Term weg, es ergibt sich die normale Gleichungder laminaren Grenzschichttheorie. Fur Pr 6= 1 bekommen wir den hinteren Termdazu (Dissipation).

Wir fuhren wieder die Ahnlichkeits-Koordinate ein:

γ = y

√u∞2νx

Stromfunktion in Abhangigkeit dieser Koordinate: f (γ)

Totaltemperatur:

T0 = T0 (γ)

T ′′0 (γ) + Pr f (γ)T ′0 (γ) +u2∞

2cp(Pr−1)

d2

dγ2

(f ′2)

= 0

T0 =

0 γ = 01 γ →∞

Fur Pr = 1: T0-Losung entspricht der T -Losung der laminaren Grenzschicht.Wir betrachten ein perfektes Gas:

h0 = u+u2

2+p

ρ= h+

v2

2= ρ+

p

ρ

h = cpT, h0 = cpT +u2

2ρ (u∂xh0 + v∂yh0) = ∂yk∂yT + ∂y (uµ∂yu)

T0 =1

cph0 = T +

u2

2cp

Pr =ν

α= cp

µ

k, k =

cpµ

Pr

k∂2i T = k∂iT0 −

k

cp∂2i

(u2

2

)ρcp (u∂xT0 + v∂yT0) = k∂2

yT0 +

(1− 1

Pr

)µ∂2

y

(u2

2

)

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2.6 Konvektiver Warmeubergang bei schneller Stromung, Recovery-Temperatur51

Randbedingung:

T0 (y = 0) = TW

T0 (y →∞) = T0,∞

γ = y

√u∞2νx

T ′′0 + Pr f (γ)T ′0︸ ︷︷ ︸homogen

+u2∞

2cp(Pr−1)

d2

dγ2

(f ′2)

︸ ︷︷ ︸inhomogen

= 0

Pr = 1 : Wie T-Gl.

Pr = 1 : T0 ≡ T-Losung mit T (γ →∞)→ T0 (γ →∞)

Spezielle Losung fur die inhomogene Gleichung mit adiabaten Bedingungen:

qW = 0, γ → 0 ⇔ η = 0 ⇔ y = 0

dT

dy

∣∣∣∣y=0

= 0 ⇒ dT

∣∣∣∣η=0

= 0 ⇒ dT0

∣∣∣∣η=0

= 0 ⇒ dT0

∣∣∣∣γ=0

= 0

Dimensionslos:

Θa,0 = Ta,0 − T∞,0

Ta,0 =u2∞

2cpΘa,0 + T∞,0

Θ′′a,0 + Pr f (γ) Θ′a,0 + (Pr−1)(f ′2)′′

= 0

Adiabate Bedingung:

Θ′a,0 (γ = 0) = 0

Θa,0 (γ →∞) = 0

Dies ist eine DGL zweiter Ordnung, die nichtlinear in γ ist. Sie lasst sich numerischlosen. Wir erhalten so die Verlaufe der Recovery-Temperatur:

Fur eine Prandtl-Zahl kleiner als 1 ist also die Temperatur an der Wand kleinerals die Totaltemperatur im Unendlichen. An der Wand muss die statische Tempe-ratur der Totaltemperatur entsprechen. Aus der Losung sieht man auch, dass dieAbleitung der statischen und totalen Temperatur an der Wand gleich null ist.Man muss berucksichtigen, dass die Warmeleitung in der ursprunglichen Form

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52 2 Konvektiver Warmeubergang

Abbildung 28: Verlauf der Recovery Temperatur

(∂yk∂yT ) sensitiver auf die Totaltemperatur ist. Wenn die Warme besser abgeleitetwird, als der Impulstransport funktioniert, dann wird Energie nach außen geleitet.Es wird thermische Energie vom Inneren der Grenzschicht ins Außere verlagert.Wenn die Warmeleitung schlecht ist, gibt es an der Wand einen Warmestau.

Temperaturfeld fur qW 6= 0 fur die homogene Gleichung (Pr = 1):

Θ =T − T∞TW − T∞

⇒ T = Θ (TW − T∞) + T∞

Losung der kompletten Gleichung fur q (y = 0) = qW 6= 0 als Superposition einerhomogenen Losung und einer inhomogenen Losung:

T0 = C1Θ (TW − T∞)︸ ︷︷ ︸homogen, qW 6=0

+C2 +u2∞

2cpΘa,0︸ ︷︷ ︸

inhomogen, qW=0

(2.44)

Der inhomogene Teil stellt dabei sicher, dass auch die inhomogene Gleichung erfulltwird. Die Recovery-Temperatur ist also die Wand-Temperatur unter der Annahme,dass die Wand adiabat ist. Fur Pr = 1 ist dies die Totaltemperatur im Unendlichen.Fur Pr < 1 ist sie kleiner, fur Pr > 1 ist sie großer als die Totaltemperatur imUnendlichen.

Tr = TW,a = TW,0,a −u2W

2cp︸︷︷︸=0

=u2∞

2cpΘa,0|γ=0 + T∞,0 −

u2W

2cp︸︷︷︸=0

(2.45)

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2.7 Filmkuhlung 53

Recovery-Faktor:

r :=Tr − T∞

u2∞2cp

=Tr − T∞T∞,0 − T∞

0, 6 ≤ Pr ≤ 15

⇒ r ∼√

Pr

(2.46)

Bestimmung der Konstanten C1 und C2:

T0 (η = 0)!

=TW = C1Θ (η = 0) (TW − T∞) + C2 +u2∞

2cpΘa,0 (η = 0)︸ ︷︷ ︸Tr−T∞,0

T0 (η →∞) = T∞,0 = C1 Θ (η →∞)︸ ︷︷ ︸=0

(TW − T∞) + C2 +u2∞

2cpΘa,0 (η = 0)

⇒ C2 = T∞,0

⇒ C1 =TW − TrTW − T∞

⇒ T0 = Θ (TW − Tr) +u2∞

2cpΘa,0 + T∞,0

qW = −k ∂T∂y

∣∣∣∣y=0

= −k ∂T0

∂y

∣∣∣∣y=0

= −k (TW − Tr)dΘ

√u∞2νx

Dabei ist Θ die Losung der Temperaturgleichung fur Pr = 1. Wir konnen sehen,dass sich der Warmestrom fur schnelle Stromungen genauso verhalt wie fur langsa-me Stromungen. Die Recovery-Temperatur mussen wir an der Stelle einsetzen, wovorher die Temperatur im Unendlichen stand. Wir bekommen folgende Aussage:

qW = h (TW − Tr)

Auswertung fur laminare Stromung:

qW = 0, 322Pr1/3 (TW − Tr) k√u∞νx

Fur langsame Stromungen gilt:

Ma→ 0 ⇒ Nu = 0, 332√<xPr1/3

Verlaufe der Recovery-Temperatur fur Pr > 1:

2.7 Filmkuhlung

In den letzten 50 Jahren wurde die im Rahmen der Forschung an Gasturbinen dieBrennkammer-Austrittstemperatur bzw. die Eintrittstemperatur der Hochdruck-turbine immer weiter erhoht, um den Wirkungsgrad des Triebwerks zu verbes-sern und so den moglichen Schub zu erhohen. Die nun auftretenden sehr hohen

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54 2 Konvektiver Warmeubergang

Abbildung 29: Verlaufe der Recovery Temperatur

Temperaturen gefahrden allerdings die strukturelle Integritat der Turbine, ins-besondere der Schaufeln. Die Turbineneintrittstemperaturen moderner Triebwer-ke uberschreiten den Schmelzpunkt des Materials der Turbinenschaufeln. Um einSchmelzen der Schaufeln zu verhindern, wurden Systeme zur Filmkuhlung inte-griert. Bei der Filmkuhlung wird kalte Luft aus der Kompressorstufe in die In-nenraume der Turbinenschaufeln geleitet, die dann durch kleine Locher in denWanden der Schaufeln austritt. Diese Luft bildet eine dunne, isolierende Schichtentlang der Oberflache der Schaufeln.

Abbildung 30: Beispiele zur Filmkuhlung

Wir fuhren eine dimensionslose Temperatur ein, namlich die adiabate Filmkuhlef-

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2.7 Filmkuhlung 55

fektivitat:

η :=Tad − TeTc − Te

(2.47)

Tad ist die adiabate Wandtemperatur. Solange der Kuhlfilm funktioniert (d.h. aus-reichend dick ist), entspricht die Wandtemperatur der Kaltgastemperatur:

Tad = Tc ⇒ η = 1

Nachdem sich der Kuhlfilm aufgelost hat, entspricht die Wandtemperatur der Heiß-gastemperatur:

Tad = Te ⇒ η = 0

Wenn wir keine adiabate Wand annehmen, lasst sich der Warmestrom schreibenals:

qW = h (TW − Tad) (2.48)

Fur schnelle Stromungen mussten wir Tad durch Tr ersetzen. Dies ist beiFilmkuhlung aber meist nicht der Fall. h ist ahnlich wie die Korrelation ohneFilm.

Abbildung 31: Filmkuhleffektivitat

Je hoher die Filmgeschwindigkeit im Vergleich zur Heißgasgeschwindigkeit ist, de-sto langer wirkt sich der Kuhlfilm auf die Wandtemperatur aus. Der Bereich, indem die Heißgasstromung noch nicht an die Wand kommt, nennen wir Potential-kern.

Der Verlauf der Filmkuhleffektivitat hangt unter anderem von der Geometrie ab.Fur die Korrelation fur η verwenden wir die Verhaltnisse ρc/ρe und uc/ue.Die Ausblasrate ist deffiniert als:

m =ρcvcρeve

(2.49)

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56 2 Konvektiver Warmeubergang

Bei der Effusion (den austretenden Kaltgasstrahlen) muss das Heißgas die Kalt-gasstrahlen umbiegen.

Impulsverhaltnis:

I =ρcv

2c

ρev2e

(2.50)

Abbildung 32 zeigt die Kuhlkanale einer modernen Turbinenschaufel:

Abbildung 32: Filmkuhlung einer Turbinenschaufel

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57

3 Warmedurchgang durch Wande mitvergroßerter Oberflache

3.1 Grundidee

Der Warmedurchgangswiderstand 1hA

setzt sich additiv aus den Einzelwi-derstanden des Warmeubergangs und der Warmeleitung zusammen. Dabei be-stimmt stets der großte Einzelwiderstand den Wert, vor allem wenn die anderenviel kleiner sind. So kann man die Isolierwirkung einer Wand durch Anbringeneiner Schicht mit deutlich hoherem Warmeleitwiderstand erheblich steigern.

Soll dagegen, z.B. in einem Warmeubertrager, der Warmedurchgang moglichst gutsein, so verhindert dies oft ein großer Warmeubergangswiderstand. Dieser hat seineUrsache in einem kleinen Warmeubergangskoeffizienten h, der sich durch Erhohender Stromungsgeschwindigkeit nur schwer oder gar nicht vergroßern lasst. Hier liegtes nun nahe, 1

hAdurch Vergroßern der Flache A zu verringern und so den Warme-

durchgang zu verbessern. Eine solche Flachenvergroßerung um das 10- oder sogar100-fache lasst sich durch das Anbringen von Rippen, Nadeln oder stabartigenGebilden erreichen. Abbildung 33 zeigt ein Beispiel zur Kuhlrippengeometrie.

Abbildung 33: Verschiedene Kuhlrippengeometrien

Der Warmeubergangswiderstand lasst sich allerdings nicht beliebig verklei-nern, denn die vergroßerte Warmeubergangsflache wird durch einen zusatzlichenWarmeleitwiderstand erkauft. Die Warme, welche beispielsweise von der Spitze derRippe an das Fluid abgegeben werden soll, muss zuerst durch Warmeleitung vomFuß der Rippe zur Spitze transportiert werden. Hierzu ist ein Temperaturgefallezwischen Rippenfuß und Rippenspitze erforderlich, so dass die Rippe im Mittel eineniedrigere Temperatur aufweist als das von den Rippen freie Grundmaterial. Dieaufgesetzten Rippen sind also nicht voll wirksam, denn sie bieten dem Warmeuber-gang an das Fluid eine kleinere Temperaturdifferenz als das Grundmaterial. Umdie Wirksamkeit berippter Flachen zu berechnen, betrachten wir eine OberflacheAG, von der der Warmestrom

QG = hGAG (TG − T∞)

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58 3 Warmedurchgang durch Wande mit vergroßerter Oberflache

abgeht. Nun denken wir uns Rippen mit der Oberflache AR auf die Grundflache.In der Rippe fallt die Temperatur vom Wert TG am Rippenfuß bis zum Wert THan der Rippenspitze ab.

Mit TR als Mittelwert gilt fur den Warmestrom von der Rippe zum Fluid:

QR = hRAR (TR − T∞)

Dabei ist hR der (mittlere) Warmeubergangskoeffizient zwischen Rippe und Fluid.Hatte die Rippe uberall die großere Temperatur TG der Grundflache, so konnte sieden großeren Warmestrom

QR0 = hRAR (TG − T∞)

abgeben. Man kennzeichnet nun die Wirksamkeit der Rippe durch den Rippenwir-kungsgrad:

η =QR

QR0

=TR − T∞TG − T∞

(3.1)

Der Rippenwirkungsgrad ist stets kleiner als 1. Er hangt vom Warmeleitvorgang inder Rippe und vom Warmeubergang ab, denn beide Transportvorgange beeinflus-sen sich gegenseitig. Neben der Rippengeometrie spielen daher auch die Warme-leitfahigkeit kR des Rippenmaterials und der Warmeubergangskoeffizient hR eineRolle.

3.2 Differentialgleichung fur die Warmeleitung

mit Rippen

Fur die Herleitung der DGL treffen wir folgende Annahmen:

• Konstante Stoffwerte: k, ρ, cV , stationares Problem

• 1D-Problem T (x), x entlang Rippe oder Nadel

• h, h1 an Rippenoberflache und Rippenspitze vorgegeben, konstant

• T∞ konstant, T (x = 0) = TS

Wir schneiden ein differentielles Element der Rippe frei und betrachten dieWarmeubergange (Abb. 34):

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3.2 Differentialgleichung fur die Warmeleitung mit Rippen 59

Abbildung 34: Differentielles Element an der Kuhlrippe

Mit dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik erhalten wir:

dU

dτ=0 =

∑i

Qi +∑j

Wj︸ ︷︷ ︸=0

(3.2)

⇒ 0 = Qx + dQconv + Qx+dx (3.3)

Fouriersches Gesetz:

Qx = −kA (x)dT (x)

dx(3.4)

Taylorreihe:

Qx+dx = −

(Qx +

dQx

dxdx+ . . .

)

Newtonsches Kuhlgesetz:

dQconv = − (h dAn (x) (T (x)− T∞)) = − (hU (x) dx (T (x)− T∞)) (3.5)

U(x) bezeichnet hier den Umfang der Kuhlrippe.

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60 3 Warmedurchgang durch Wande mit vergroßerter Oberflache

Einsetzen ergibt die stationare Rippengleichung:

Qx + Qx+dx + dQconv!

= 0

⇒ Qx + Qx +d

dxQxdx+ hU (x) dx (T (x) + T∞) = 0

⇒ +d

dxQx + hU (x) (T (x) + T∞) = 0

⇒ kd

dx

(A (x)

dT

dx

)+ hU (x) (T (x) + T∞)

!= 0

(3.6)

Normierung der Ortskoordinate:

ξ =x

L, 0 ≤ ξ ≤ 1 ⇒ x = ξL ⇒ dx = Ldξ

Dabei ist L z.B. die Rippenlange. Normierung der Temperatur:

Θ =T − T∞TS − T∞

⇒ Θ (ξ = 0) = 1

⇒ T = Θ (TS − T∞) + T∞ ⇒ dT = dΘ (TS − T∞)

⇒ dT

dx=dΘ

TS − T∞L

Einsetzen in die DGL aus Gl. 3.6:

k

L2

d

(A (ξ)

dΘ (ξ)

)(TS − T∞)− hU (ξ) Θ (ξ) (TS − T∞) = 0

Wir erhalten die normierte Rippengleichung:

d

(A (ξ)

dΘ (ξ)

)− hU (ξ)L2

kΘ (ξ) = 0 (3.7)

Die Biot-Zahl ist wie schon zuvor beschrieben das Verhaltnis zwischen konvektivemWarmeubergang und Leitungswarmeubergang und hat die Formel:

Bi =hL

kFk

Mit der Produktregel konnen wir umschreiben:

0 = A (ξ)d2Θ (ξ)

dξ2+dA (ξ)

dΘ (ξ)

dξ− hL2U (ξ)

kΘ (ξ) | · 1

A (ξ)

⇒ 0 =d2Θ (ξ)

dξ2+

dA(ξ)dξ

A (ξ)

dΘ (ξ)

dξ− hL

k

LU (ξ)

A (ξ)Θ (ξ)

⇒ 0 =d2Θ

dξ2+A′

A

dξ−BiLU

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3.2 Differentialgleichung fur die Warmeleitung mit Rippen 61

Randbedingungen

Am Fuß der Rippe gilt:

Θ (ξ = 0) = 1

An der Spitze der Rippe unterscheiden wir zwischen der adiabaten Randbedingung

Qx (x = L) = 0 ⇒ −k dTdx

∣∣∣∣x=L

A (L) = 0 ⇒ dΘ

∣∣∣∣ξ=1

= 0

und dem konvektiven Warmeubergang bei x = L:

∣∣∣∣ξ=1

= −h1L

kΘ (ξ = 1) = Bi1Θ1

Spezialfall: Gerade Rippe oder Nadel mit adiabatem Ende

Annahmen: A (x) = const ⇒ A′ (x) = 0

Wir mussen also jetzt die vereinfachte Gleichung losen:

d2Θ

dξ2− hL

k︸︷︷︸Bi

UL

A︸︷︷︸g

Θ = 0 (3.8)

Hier ist g ein Geometrieparameter. Wir definieren die Abkurzung

m2 = Bi g =hUL2

kA⇒ m = L

√hU

kA.

Damit lautet die Differentialgleichung:

Θ′′ −m2Θ = 0 (3.9)

Unter Verwendung des Exponentialansatzes erhalt man:

Θ (ξ) = c1emξ + c2e

−mξ

Randbedingung (adiabat):

Θ (0) = 1 ⇒ c1 + c2 = 1

Θ′ (ξ = 1) = 0 ⇒ c1mem − c2me

m = 0

Es ergibt sich aus diesen beiden Gleichungen:

Θ (ξ) =cosh (m (1− ξ))

cosh (m)

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62 3 Warmedurchgang durch Wande mit vergroßerter Oberflache

Abbildung 35: Hyperbolische Funktionen

Zur Veranschaulichung zeigt Abbildung 35 ein Diagramm der Funktionencosh (x) = ex+e−x

2und sinh (x) = ex−e−x

2:

Konvektives Ende

Hier gilt:

Θ (ξ) = c1emξ + c2e

−mξ

Θ (ξ = 0) = 1 ⇒ c1 + c2 = 1

− kA dTdx

∣∣∣∣x=L

= h1A (T (L)− T∞)

⇒ dΘ

∣∣∣∣ξ=1

= −h1L

kΘ (ξ = 1) = −Bi1Θ (ξ = 1)

⇒ Θ (ξ) =cosh (m (1− ξ)) + a1 sinh (m (1− ξ))

cosh (m) + a1 sinh (m (1− ξ)), a1 =

Bi1m

Adiabat:

h1 = 0 ⇒ Bi1 = 0 ⇒ a1 = 0

Abbildung 36 zeigt typische Temperaturverlaufe in der Kuhlrippe. Im rechten Fallist die Rippe langer. Hier sieht man, dass sich die Endtemperatur der Rippe gutan die einer adiabaten Rippe annahert. Statt einer langeren Rippe kann auch einanderes Material verwendet werden.

Es gibt eine optimale Lange, nach der das Material der Rippe die Umgebungstem-peratur annimmt, so dass kein Warmeubergang mehr stattfindet. Bei Materialienwie Glas machen nur kurze Rippen Sinn, alles Weitere ist dann Materialverschwen-dung. Rippen aus Aluminium oder Kupfer konnen auch langer gebaut werden.

Beispiel: Gerade Zylindernadel

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3.2 Differentialgleichung fur die Warmeleitung mit Rippen 63

Abbildung 36: Temperaturvelaufe in der Kuhlrippe

Abbildung 37: Gerade Zylindernadel

Fur die Geometrie gilt hier:

A =πd2

4, U = πd

g =UL

A= 4

πdL

πd2=

4L

d

Beispiel: Rechteckige Rippe

Abbildung 38: Rechteckige Rippe

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64 3 Warmedurchgang durch Wande mit vergroßerter Oberflache

Geometrie:

A = cb, U = 2 (b+ c)

g =2 (b+ c)L

cb= 2L

(1

c+

1

b

)Fur b c ergibt sich g → 2L

c

Beispiel: Quadratische Nadel

Die Geometrie entspricht der beim Rechteck, es gilt aber:

c = b ⇒ g =4L

c=

4L

b

Dies entspricht der zylindrischen Nadel.

3.2.1 Gesamtwarmestrom

Bisher haben wir nur die Temperatur der Rippe an jeder Stelle berechnet. Es stelltsich noch die Frage, zu was fur einem Warmestrom diese Temperaturverteilungfuhrt. Um diesen Gesamtwarmestrom zu bestimmen, betrachten wir Abbildung39:

Abbildung 39: Gesamtwarmestrom in der Rippe

Wir konnen uber die Rippenlange integrieren, um den konvektiven Warmestromzu bestimmen:

Qges =

L∫0

dQconvdx+ Qconv (x = L)

=

L∫0

hU (x) (T (x)− T∞) dx+ h1A (L) (T (L)− T∞)

(3.10)

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3.2 Differentialgleichung fur die Warmeleitung mit Rippen 65

Alternativ konnen wir auch die Formel von Newton benutzen, um den Warmelei-tungsstrom zu berechnen, da dieser bei stationaren Problemen genauso groß seinmuss wie der konvektive:

Qges = −kA (0)dT

dx

∣∣∣∣x=0

(3.11)

Qges = −kA (0)

L

∣∣∣∣ξ=0

(TS − T∞) (3.12)

Adiabates Ende

Bei einer geraden Rippe mit adiabatem Ende gilt:

Θ (ξ) =cosh (m (1− ξ))

cosh (m)(3.13)

⇒ Qges =kA

L(TS − T∞)m tanh (m) (3.14)

Warmestrom ohne Rippe (d.h. an der ebenen Platte):

Qges,ohne = hA (TS − T∞) (3.15)

Wir definieren:

Qnorm =Qges

Qges,ohne

=k

hL︸︷︷︸1/Bi

m tanh (m) (3.16)

Die Rippe funktioniert bei Qnorm > 1.

3.2.2 Rippenwirkungsgrad

Wie oben beschrieben ist der Rippenwirkungsgrad das Verhaltnis aus tatsachli-chem Warmestrom und maximal moglichem Warmestrom:

η =Qges

Qmax

=Qges

Qges(T=TS)

(3.17)

Der maximal mogliche Warmestrom erfolgt genau dann, wenn die gesamte Ober-flache der Rippe die Temperatur des zu kuhlenden Korpers hat.

Qmax = (ULh+ Ah1) (TS − T∞) (3.18)

Konvektives Ende: η = 1m+a1

tanh(m)+a11+a1 tanh(m)

, a1 = Bi1m

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66 3 Warmedurchgang durch Wande mit vergroßerter Oberflache

Adiabates Ende: η = tanh(m)m

Der Wirkungsgrad verbessert sich mit sinkendem m. Es gilt:

m = L

√hU

kA(3.19)

Abbildung 40: Rippenwirkungsgrad

Es sollte also entweder die Rippe kurzer gebaut oder ein Material mit bessererWarmeleitfahigkeit gewahlt werden.

Abbildung 41 illustriert die Vorteile im Wirkungsgrad aufgrund der Geometrie derKuhlrippen.

Keilformige Rippen funktionieren also besser. Das liegt daran, dass bei keilformigenRippen mehr Platz zwischen den einzelnen Rippen ist, so dass der Luftstrom besserfließt und daher mehr Konvektion stattfindet.

3.2.3 Rippeneffektivitat

Die Rippeneffektivitat ist definiert als der Warmestrom mit Rippe geteilt durchden Warmestrom ohne Rippe:

ε =Qges

Qconv,ohne

= Qnorm (3.20)

Qconv,ohne = hA (0) (TS − T∞) (3.21)

ε =1

a

tanh (m) + a1

1 + a1 tanh (m), a =

Bi

m, a1 =

Bi1m

(3.22)

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3.2 Differentialgleichung fur die Warmeleitung mit Rippen 67

Abbildung 41: Wirkungsgrade verschiedener Kuhlrippengeometrien

Abbildung 42 veranschaulicht den normierten Warmestrom:

Abbildung 42: Normierter Warmestrom

Ab a = 1 ist der Warmestrom mit Rippe kleiner als der Warmestrom ohne Rippe.Das ist dann der Fall, wenn die Biot-Zahl groß ist, also wenn eine gute Konvek-tivitat auf einen schlechten Warmeubergang trifft. Die Rippen wirken dann als

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68 3 Warmedurchgang durch Wande mit vergroßerter Oberflache

thermischer Widerstand, wie Abbildung 43 verdeutlicht.

Abbildung 43: Rippeneffektivitat

3.2.4 Ringrippen

Wir betrachten ein differentielles Element einer Ringrippe (Abb. 44):

Abbildung 44: Differentielles Element an einer Rippe

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3.2 Differentialgleichung fur die Warmeleitung mit Rippen 69

Die Warmeleitungsgleichung in Zylinderkoordinaten lautet:

d2T

dr2+A′ (r)

A (r)

dT

dr− h

k

U (r)

A (r)(T (r)− T∞) = 0 (3.23)

Die grune Flache mussen wir zwei Mal zahlen, da auf der Ober- und Unterseiteein konvektiver Warmestrom stattfindet.

U (r) = (2πr) · 2 (3.24)

A (r) = 2πr · w, A′ (r) = 2πw (3.25)

Differentialgleichung fur die gerade Ringrippe:

d2T

dr2+

1

r

dT

dr− h

k

2

w(T − T∞) = 0 (3.26)

Normierung:

ξ =r

rb, 1 ≤ ξ ≤ re

rb

Θ =T − T∞Tw − T∞

⇒ d2Θ

dξ2+

1

ξ

dξ− hrb

k

2rbw︸ ︷︷ ︸

m2

Θ = 0

Dabei gilt:

hrbk

= Bi,2rbw

= g

Der Geometrieparameter sagt aus, wie dick die Rippe ist im Vergleich zu demDurchmesser, auf dem sie angebracht ist. Eingesetzt:

Θ′′ +1

ξΘ′ −m2Θ = 0

Randbedingungen:

T (b) = TW ⇒ Θ (ξ = 1) = 1

Konvektiver Warmeubergang bei ξ = rerb

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70 4 Spezialfalle der instationaren Warmeleitung

4 Spezialfalle der instationaren Warme-leitung

4.1 Instationare Warmeleitung im halbunendli-

chen Korper

Bei vielen Problemen betrachten wir Korper, die in eine Richtung sehr dick sind, sodass wir diese Dicke als unendlich annehmen konnen. Hierbei gibt es nicht wie beiden letzten Naherungslosungen einen Richtwert, sondern es muss problemabhangigentschieden werden.

4.1.1 Anfangs- und Randbedingungen

Abbildung 45: Anfangsbedinungen der Temperatur im halbunendlichen Korper

Wir betrachten einen Korper, der sich in x-Richtung unendlich ausdehnt. Die An-fangstemperaturverteilung ist in Abbildung 45 dargestellt. Der gesamte halbunend-liche Korper hat eine konstante Temperatur, nur an der Oberflache gibt es einenSprung auf eine andere Temperatur. Mit der Zeit passt sich die Temperatur imKorper an die Oberflachentemperatur an, mit zunehmender Tiefe herrscht aberimmer noch die konstante Starttemperatur (Abb. 46). Die Temperatur hangt hiervom Ort und von der Zeit ab: T = T (x, t)

Die Warmeleitungs-Differentialgleichung lautet:

∂2T

∂x2− 1

α

∂T

∂t= 0

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4.1 Instationare Warmeleitung im halbunendlichen Korper 71

Anfangsbedingung:

T (x > 0, t = 0) = T0

Fur die Randbedingung gibt es verschiedene Moglichkeiten. Bei der Dirichlet-RB(1. Art) ist die Randtemperatur vorgeschrieben:

T (x = 0, t) = TS

Bei der Neumann-RB (2. Art) ist der Warmestrom uber den Rand vorgegeben:

q (x = 0, t) = qS

Die Robin-RB (3. Art) ist eine gemischte Randbedingung:

−k ∂T∂x

∣∣∣∣s

= h (T∞ − T (x = 0, t))

Veranschaulichung der verschiedenen Randbedingungen (Abb. 47):

4.1.2 Selbstahnlichkeit

Ein Warmeleitungsproblem hat meist zwischen 5 und 10 zu variierende Parameter.Um den Einfluss einer bestimmten Große zu quantifizieren, wird man Experimen-te mit mindestens n (z.B. n = 5) verschiedenen Werten dieser Große ausfuhrenmussen, wobei alle anderen Einflussgroßen konstant gehalten werden. Will maninsgesamt m Einflussgroßen auf diese Weise berucksichtigen, so sind nm Einzelver-suche erforderlich. Dies verlangt einen erheblichen Zeit- und Kostenaufwand.Eine wirksame Verringerung des Versuchsaufwands erreicht man durch Anwendender Ahnlichkeits- oder Modelltheorie. Hierbei geht man von dem Grundsatz aus,dass sich die Geschwindigkeits- und Temperaturfelder durch dimensionslose Kenn-großen beschreiben lassen. Dieser Sachverhalt ist Ausdruck des allgemeinen Prin-zips, dass die Losung eines physikalischen Problems unabhangig von dem zufalliggewahlten Maßsystem sein und sich daher durch dimensionslose Variablen darstel-len lassen muss. Temperatur- und Geschwindigkeitsfelder, die in dimensionslosenKoordinaten ubereinstimmen, bezeichnet man als ahnliche Felder. Sie lassen sichallein durch Maßstabsanderung, namlich durch Andern der Bezugsgroßen ineinan-der uberfuhren.Geschwindigkeits- und Temperaturfelder sind jedoch nur dann ahnlich, wenn auchdie dimensionslosen Kennzahlen, von denen die Felder abhangen, ubereinstimmen.Diese Kennzahlen enthalten geometrische Großen, maßgebende Geschwindigkeitenund Temperaturdifferenzen sowie Materialeigenschaften des warmeubertragenden

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72 4 Spezialfalle der instationaren Warmeleitung

Abbildung 46: Temperaturverlauf im halbunendlichen Korper

Abbildung 47: Vergleich der Randbedingungen im halbunendlichen Korper

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4.1 Instationare Warmeleitung im halbunendlichen Korper 73

Fluids. Die Zahl der dimensionslosen Kenngroßen ist merklich geringer als dieZahl der insgesamt vorhandenen Einflussgroßen. Der experimentelle Aufwand wirderheblich verringert, denn man braucht nur noch den fur das Warmeubergangs-problem maßgebenden funktionalen Zusammenhang zwischen den dimensionslosenKennzahlen durch gezielte Experimente zu ermitteln.Fur die Warmeleitung im halbunendlichen Korper erhalt man mit folgender Ahn-lichkeitsvariable, welche Ort und Zeit enthalt, eine selbstahnliche Losung, die durcheine einzige gewohnliche Differentialgleichung bestimmt ist:

η =x√4ατ

T (x, τ) = T (η (x, τ)) = T (η)

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74 4 Spezialfalle der instationaren Warmeleitung

Einsetzen in die instationare Warmeleitung und die Randbedingungen ergibt diegewohnliche DGL fur T(η):

∂T

∂x=∂T

∂η

∂η

∂x=∂T

∂η

1√4ατ

=T ′√4ατ

∂2T

∂x2=

∂x

∂T

∂x=

1√4ατ

∂x

(∂T

∂η

)=

1√4ατ

∂ ∂T∂η

∂η

∂η

∂x

⇒ ∂2T

∂x2=

1

4ατ

∂2T

∂η2=

T ′′

4ατ

∂T

∂τ=∂T

∂η

∂η

∂τ=∂T

∂η

(− αx

4(ατ)3/2

)= −∂T

∂η

x

2(√ατ)

3

α

2= −T ′ x√

4ατ︸ ︷︷ ︸η

1

⇒ ∂T

∂τ= −T ′ η

(4.1)

Einsetzen in

∂2T

∂x2− 1

α

∂T

∂τ= 0

ergibt:

T ′′

4ατ− 1

α

(−T ′ η

)= 0 | · 4ατ (4.2)

Es folgt die DGL fur den Temperaturverlauf im halbunendlichen Korper:

T ′′ + T ′ · 2η = 0 (4.3)

Wir wahlen nun die Randbedingung 1. Art:

x = 0 ⇔ η = 0, T (x = 0, τ)!

=TS ⇒ T (η = 0) = TS

Auch die Anfangsbedingung bezieht sich nun auf die Ahnlichkeitsvariable:

τ → 0 ⇔ η →∞ (x→∞)

T (x, τ → 0)!

=T0 ⇒ T (η →∞) = T0

Im Unendlichen wird der Temperatursprung niemals ankommen. Dort herrschtimmer die konstante Anfangstemperatur.

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4.1 Instationare Warmeleitung im halbunendlichen Korper 75

4.1.3 Losung der DGL im halbunendlichen Korper

Da die Temperatur nun nicht mehr ohne Ableitung vorkommt, konnen wir durchSubstitution aus der Differentialgleichung zweiter Ordnung eine Gleichung ersterOrdnung machen:

y (η) =∂T

∂η= T ′

⇒ dy

dη+ 2ηy = 0

(4.4)

Diese einfache Gleichung konnen wir mit der Methode Trennung der Veranderli-chenlosen.

⇒ 1

ydy = −2ηdη

∣∣∣∣∫⇒ ln y = −η2 + c

⇒ y = exp c · exp−η2

= c1 · exp

−η2

Rucksubstitution:

⇒ dT

dη= c1 · exp

−η2

⇒ dT = c1 · exp

−η2

∣∣∣∣∫⇒ T = c1 ·

η∫0

exp−ζ2

dζ + c2

Mit Hilfe der Randbedingung und Anfangsbedingung bestimmen wir die Konstan-ten c1 und c2:

η = 0 :T!

=TS ⇒ c2 = Ts

η →∞ :T!

=T0 ⇒ T0 = TS + c1 ·∞∫

0

exp−ζ2

Das Integral kann gelost werden als (z.B. mithilfe einer Formelsammlung):

∞∫0

exp−x2

dx =

√π

2

Damit folgt:

T0 = TS +

√π

2c1 ⇒ c1 =

2 (T0 − TS)√π

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76 4 Spezialfalle der instationaren Warmeleitung

Einsetzen:

T (η) = c1 ·η∫

0

exp−ζ2

dζ + c2 =

2 (T0 − TS)√π

η∫0

exp−ζ2

dζ + TS

T

(η =

x√4ατ

)= TS + (T0 − TS)

2√π

x√4ατ∫

0

exp−ζ2

= TS + (T0 − TS) · erf

(x√4ατ

)

’erf’ ist dabei die Error-Function, auch bekannt als Gaußsche Fehlerfunktion:

erf(x) =2√π

x∫0

exp(−τ 2)dτ (4.5)

Fur Ubungsaufgaben liegen die Werte der Fehlerfunktion auch tabelliert vor:

η erf (η) η erf (η) η erf (η)0,00 0 0,65 0,642029 1,6 0,9763480,05 0,056372 0,70 0,677801 1,7 0,9837900,10 0,112463 0,75 0,711156 1,8 0,9890910,15 0,167996 0,80 0,742101 1,9 0,9927900,20 0,222703 0,85 0,770668 2,0 0,9953220,25 0,276326 0,90 0,796908 2,2 0,9981370,30 0,328627 0,95 0,820891 2,4 0,9993110,35 0,379382 1,00 0,842701 2,6 0,9997640,40 0,428392 1,10 0,880205 2,8 0,9999250,45 0,475482 1,20 0,910314 3,0 0,9999780,50 0,520500 1,30 0,934008 3,5 0,9999990,55 0,563323 1,40 0,952285 4,0 1,0000000,60 0,603856 1,50 0,966105 5,0 1,000000

Tabelle 5: Tabellierte Werte der Gaußschen Fehlerfunktion

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4.1 Instationare Warmeleitung im halbunendlichen Korper 77

Entdimensionalisierung der Variablen:

ξ =x

L⇒ x = ξ · L ⇒ η =

ξ√4ατL2

, Fo =ατ

L2= τ

⇒ η =ξ√4τ

2√τ

Θ =T (η)− TST0 − TS

⇒ Θ = erf

2√τ

)Damit ein halbunendlicher Korper angenommen werden darf, muss gelten:Platte: τ < 0, 3Zylinder: τ < 0, 13Kugel: τ < 0, 09

Das Modell vom halbunendlichen Korper wird auch haufig genutzt, um denWarmeubergangskoeffizienten zu bestimmen. (RB 3. Art mit x = 0)Der Vollstandigkeit halber hier die Losungen fur Randbedingungen 1., 2. und 3.Art:

1. Art: konstante Wandtemperatur T (x = 0, t) = TS:

T (x, t)− TST0 − TS

= erf

(x

2√αt

)(4.6)

2. Art: konstanter Wandwarmestrom q (x = 0, t) = qS:

T (x, t)− T0 =qSk

(√4αt

πexp

− x2

4αt

− x erf

(x

2√αt

))(4.7)

3. Art: gemischte Randbedingung −k dTdx

∣∣x=0

= h (TF − TS):

T (x, t)− T0

TF − T0

= erf

(x

2√αt

)− exp

hx

k+h2αt

k2

erf

(x

2√αt

+h√αt

k

)(4.8)

4.1.4 Periodische Randbedingungen

Wir betrachten nun die Warmeleitung im halbunendlichen Korper mit periodi-schen Randbedingungen (Abb. 48).

Fluidtemperatur:

TF = Tm + ∆T cos (ωt) (4.9)

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78 4 Spezialfalle der instationaren Warmeleitung

Diese Temperatur wird von der Oberflache angenommen. Zum Korperinneren hinsinkt die Amplitude. Zu beachten ist außerdem die Phasenverschiebung (Abb. 49).

Wir betrachten eine Randbedingung 3. Art:

−k ∂T∂x

∣∣∣∣x=0

= h (TF (t)− T (x = 0, t))

Ansatz:

T (x, t) = Tm + ∆Tηe−mx cos (ωt−mx− ε)

Auch beim halbunendlichen Korper muss immer die Warmeleitgleichung erfulltsein:

∂T

∂t= α

∂2T

∂x2

Ableitung der Ansatzfunktion:

∂T

∂t= −∆Tηe−mxω sin (ωt−mx− ε)

∂T

∂x= −∆Tηme−mx [cos (ωt−mx− ε)− sin (ωt−mx− ε)]

∂2T

∂x2= −2∆Tηm2e−mx sin (ωt−mx− ε)

Einsetzen:

−∆Tηe−mxω sin (ωt−mx− ε) = −2α∆Tηm2e−mx sin (ωt−mx− ε)⇒ ω = 2αm2

⇒ m =

√ω

2α, ω =

t0

Randbedingung:

− k ∂T∂x

∣∣∣∣x=0

= h (TF (t)− T (x = 0, t))

⇒ − k∆Tηm [cos (ωt− ε)− sin (ωt− ε)]!

=h (Tm + ∆T cos (ωt)− (Tm + ∆Tη cos (ωt− ε)))

Wir erhalten damit:

1

η=√

1 + 2R + 2R2, R =mk

h

ε = arctan

(R

1 +R

)

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4.1 Instationare Warmeleitung im halbunendlichen Korper 79

Abbildung 48: Periodische Randbedingungen

Abbildung 49: Zeitlich periodische Randbedinungn

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80 4 Spezialfalle der instationaren Warmeleitung

Es ergibt sich, dass beim Ansatz

T (x, t) = Tm + ∆Tηe−mx cos (ωt−mx− ε)

das η eine Dampfung von ∆T darstellt und immer kleiner als 1 sein muss. e−mx istdie Dampfung der Eindringtiefe. Man sieht, dass die Frequenz der Schwingung imMaterial sich nicht andert. Der Term −mx−ε beschreibt eine Phasenverschiebung.

Es gibt zum Thema halbunendlicher Korper mit periodischen Randbedingungenzwei wichtige Formeln.

Wellenlange: Λ = 2√παt0

Eindringtiefe (Abfall auf den B-ten Teil): 1B

= exp−2πxn

Λ

4.2 Warmeleitung im unendlichen Korper

In diesem Kapitel wollen wir untersuchen, wie sich eine Deltafunktion als Tempe-raturverteilung instationar im Korper verteilt. Dies konnen wir dann auf beliebigeAnfangstemperaturverteilungen verallgemeinern, die wir aus vielen Deltafunktio-nen zusammensetzen. Dabei beschranken wir uns auf den eindimensionalen Fall(Abb. 50).

Abbildung 50: Warmeleitung im unendlichen Korper

Die Warmeleitungsgleichung lautet, wie gehabt:

∂T

∂t= α

∂2T

∂x2

Anfangsbedingung:

T (x, t = 0)!

=T0 (x)

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4.2 Warmeleitung im unendlichen Korper 81

Da sich das Gebiet im unendlichen Korper von −∞ bis ∞ erstreckt, gibt es keineRandbedingungen.

Normierung:

ξ =x

L, τ =

αt

L2, Θ =

T − T1

T1

Θ (ξ, τ = 0)!

= Θ0 (ξ)

Die Lange L ist dabei willkurlich gewahlt. Zur Losung der inhomogenen DGLfuhren wir die Greensche Funktion ein:

G (ξ, τ) =1

2√πτ

exp

− ξ

2

(4.10)

Die Funktion ergibt uber das Gebiet integriert immer 1:

∞∫−∞

G (ξ, τ) dξ = 1 ∀τ (4.11)

Das ist wichtig, weil bei τ = 0 das Integral der Dirac-Funktion uber das Gebietauch 1 sein muss. Die Funktion erfullt außerdem die Warmeleitungsgleichung:

∂G (ξ, τ)

∂τ

!=∂2G (ξ, τ)

∂ξ2

∂G

∂τ=

1

2√π

[−1

2

1

τ32

+1√τ

(−ξ

2

4

)(− 1

τ 2

)]exp

− ξ

2

=G (ξ, τ)

(− 1

2τ+

ξ2

4τ 2

)∂G

∂ξ=

1

2√πτ

(− ξ

)exp

− ξ

2

= − ξ

2τG (ξ, τ)

∂2G

∂ξ2=G (ξ, τ)

(− 1

2τ+ξ2

τ 2

)

Da G (ξ, τ) die Warmeleitungsgleichung erfullt, erfullen auch beliebige ortlicheSuperpositionen G (ξ − ξ′, τ) die Gleichung:

Θ (ξ, τ) =

∞∫−∞

G (ξ − ξ′, τ) Θ0 (ξ′) dξ′

∂Θ

∂τ− ∂2Θ

∂ξ2=

∞∫−∞

[∂G (ξ − ξ′, τ)

∂τ− ∂2G (ξ − ξ′, τ)

∂ξ2

]Θ0 (ξ′) dξ′ = 0

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82 4 Spezialfalle der instationaren Warmeleitung

Wir prufen nun die Anfangsbedingung. Es muss gelten:

Θ (ξ, τ → 0)!

= 0

Nun konnen wir mit der Greenschen Funktion die normierte Warmeleitungslei-chung formulieren als:

Θ (ξ, τ) =1

2√πτ

∞∫−∞

exp

−(ξ − ξ′)2

Θ0 (ξ′) dξ′ (4.12)

Dies sieht so aus, als wurde der Vorfaktor fur τ → 0 divergieren. Wir fuhren eineneue Variable β ein:

β =ξ′ − ξ√

⇒ ξ′ = ξ +√

4τβ

⇒ dξ′ =√

4τdβ

Einsetzen:

Θ (ξ, τ) =1√π

∞∫−∞

Θ0

ξ +√

4τβ︸ ︷︷ ︸0 fuer τ→0

exp−β2

Das β im Integral ist nun die Integrationsvariable und unabhangig von τ , derSummand

√4τβ geht daher fur τ → 0 gegen 0.

Θ (ξ, τ → 0) = Θ0 (ξ)1√π

∞∫−∞

exp−β2

︸ ︷︷ ︸1

= Θ0 (ξ)

Erweiterung auf den dreidimensionalen Raum

∂Θ

∂τ=∂2Θ

∂ξ2+∂2Θ

∂η2+∂2Θ

∂ζ2(4.13)

Greensche Funktion in drei Dimensionen:

G (ξ, η, ζ, τ) = G (ξ, τ)G (η, τ)G (ζ, τ) (4.14)

=1(√

4πτ)3 exp

−ξ

2 + η2 + ζ2

(4.15)

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4.3 Produktansatz fur die instationare Warmeleitung 83

4.3 Produktansatz fur die instationare Warme-

leitung

Wir betrachten nun einen unendlich langen Stab mit rechteckigem Querschnitt.Um das resultierende Warmeleitungsproblem zu losen, benutzen wir einen Pro-duktansatz.

Warmeleitungsgleichung fur zwei Dimensionen:

1

α∂tT = ∂2

xT + ∂2yT (4.16)

Ansatz:

T (x, y, t) = Tx (x, t)Ty (y, t)

∂tT = Ty∂tTx + Tx∂tTy

∂2xT = Ty∂

2xTx

∂2yT = Tx∂

2yTy

Einsetzen:

1

α∂tT − ∂2

xT − ∂2yT =

1

αTy∂tTx − Ty∂2

xTx︸ ︷︷ ︸Ty( 1

α∂tTx−∂2xTx)

+1

αTx∂tTy − Tx∂2

yTy

Wenn Tx (x, t) die 1D-Warmeleitungsgleichung in x-Richtung erfullt und Ty (y, t)die 1D-Warmeleitungsgleichung in y-Richtung, so ist T (x, y, t) die Losung der2D-Warmeleitungsgleichung.

Anfangsbedingung:

T (x, y, t = 0)!

=T0 (x, y)

Randbedingung 1. Art:

T (x, y, t)|∂Ω = T∂Ω (x, y, t)

Randbedingung 3. Art:

∂nΘ|∂Ω = ±hk

Θ,

Θ = ΘxΘy ⇒

Θy∂xΘx = ±hkΘyΘx

Θx∂yΘy = ±hkΘyΘx

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84 4 Spezialfalle der instationaren Warmeleitung

Abbildung 51: Veranschaulichung des Produktansatzes

T (x, y, t) = Tx (x, t)Ty (y, t) erfullt die Randbedingung 3. Art.

Anschaulich konnen wir uns den Produktansatz wie in Abbildung 51 vorstellen:

Wir rechnen mit zwei halbunendlichen Korpern, wie oben beschrieben, und kombi-nieren die beiden Losungen. Dies funktioniert auch in drei Dimensionen (Abb. 52):

Abbildung 52: Warmeleitung in komplexen Geometrien

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4.4 Schmelzen und Erstarren 85

4.4 Schmelzen und Erstarren

Reine Stoffe und eutektische Gemische erstarren und schmelzen bei bestimmtenTemperaturen TE, die von Stoff zu Stoff verschieden sind und geringfugig vomDruck abhangen. Das bekannteste Beispiel ist Wasser, das unter Atmospharen-druck bei TE = 0C erstarrt. Dabei wird die Erstarrungsenthalpie hE = 333 kJ/kgfrei. Beim Schmelzen eines Festkorpers ist seine Schmelzenthalpie (entspricht hE)als Warme zuzufuhren.Bei Problemen dieser Art interessiert besonders die Geschwindigkeit, mit der sichdie Grenze zwischen den Phasen bewegt. Daraus lassen sich die Zeiten berechnen,die zum Erstarren von Materialschichten gegebener Dicke erforderlich sind. DieModellierung dieser Prozesse gehort in das Gebiet der instationaren Warmelei-tung, da die an der Phasengrenze frei werdende Erstarrungsenthalpie durch denfesten Korper geleitet werden muss.Wir betrachten ein Material, das von einer Temperatur uber der Schmelzgrenzeauf eine Temperatur unter der Schmelzgrenze abkuhlt. Die Temperatur der flussi-gen Phase sei konstant. Die Phasengrenze verschiebt sich ortlich mit der Zeit, dasich immer mehr festes Material bildet:

Randbedingung:

T (x = 0, t) = T0

Annahmen:

ρ, cV , k = const

T (x > s, t) = TE

Warmeleitungsgleichung fur 0 ≤ x ≤ s:

1

α

∂T

∂t=∂2T

∂x2

Randbedingung fur den rechten Rand (Phasengrenze):

T (x = s (t) , t) = TE

Anfangsbedingungen:

s (t = 0) = 0

T (x, t = 0) = TE

Warmestrom an der Phasengrenze:

dq = qxdt = k∂T

∂x

∣∣∣∣x=s

dt = hEρ ds

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86 4 Spezialfalle der instationaren Warmeleitung

Dabei ist hE die Schmelzenthalpie. Wir konnen diese Gleichung zunachst in eineDifferentialgleichung fur den Fortschritt der Phasengrenze auflosen:

ds

dt=

1

ρhEk∂T

∂x

∣∣∣∣x=s

Ansatz: Wir benutzen die Losung fur den halbunendlichen Korper mit einemTemperatursprung im Korper selbst:

T (x, t) = T0 + c0 erf

(x

2√αt

)Die Funktion erfullt die Warmeleitungsgleichung, die Anfangsbedingungen unddie Randbedingungen bei x = 0. Wir mussen nun noch die andere Randbedingungeinbauen:

T (x = s, t)!

=TE = T0 + c0 erf

(s (t)

2√αt

)⇒ TE − T0

c0

= erf

(s (t)

2√αt

)

Dies funktioniert nur, wenn s (t) ∼√t gilt, da auf der linken Seite eine Konstante

steht. Wir definieren also:

s (t) = 2γ√αt ⇒ erf

(s (t)

2√αt

)= erf (γ)

⇒ TE − T0 = c0 erf (γ)

Θ (x, t) =T − T0

TE − T0

=c0 erf

(x

2√αt

)TE − T0

=erf(

x2√αt

)erf (γ)

T (x, t) = T0 +TE − T0

erf (γ)erf

(x

2√αt

)⇒ ∂T

∂x=TE − T0

erf (γ)

exp −γ2√π√αt

s (t) = 2γ√αt

⇒ ds

dt= γ

√α

t

Einsetzen in die DGL fur die Phasengrenze:

γ

√α

t=

1

ρhEk

(TE − T0

erf (γ)

)(exp −γ2√π√αt

), α =

k

ρcV

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4.4 Schmelzen und Erstarren 87

Wir bekommen die folgende Bestimmungsgleichung fur das γ:

√πγ exp

+γ2

erf (γ) =

cV (TE − T0)

hE= St =

1

Ph

St ist die Stefan-Zahl, ihr Kehrwert ist die Phasenubergangszahl. Sie ist definiertals das Verhaltnis von fuhlbarer zu latenter Warme.

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88 5 Stofftransport

5 Stofftransport

Wir betrachten binare Diffusion von Stoffen A und B aufgrund von Konzentrati-onsgradienten in Abbildung 53:

Abbildung 53: Diffusion aufgrund Konzentrationsgradienten

Kombination von Warmeubergang und Stoffubergang: Filmverdampfung(Abb. 54)

Abbildung 54: Filmverdampfung

5.1 Diffusionsgleichung

5.1.1 Zustandsgroßen

Extensive Zustandsgroßen

Masse: m

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5.1 Diffusionsgleichung 89

Volumen: V

Molzahl: N

Intensive Zustandsgroßen

Dichte: ρ = mV

Moldichte: n = NV

Partialgroßen

Partial-Masse: mi ⇒∑i

mi = m

Partial-Dichten: ρi = miV

⇒∑i

ρi =

∑imi

V= m

V= ρ

Partial-Molzahl: Ni ⇒∑i

Ni = N

Partial-Moldichte: ni = NiV,∑i

ni = n

Massenbruche: yi = ρiρ

=miVmV

= mim

Molbruche: xi = nin

=NiVNV

= NiN

Ideales Gasgesetz: p = ρRT, R = RmM

Partialdrucke: pi = ρiRiT, Ri = RmMi

Es gilt fur jedes Gas gilt:

p =∑i

pi

M =∑i

xiMi

R =∑i

yiRi

Die Gasgleichung kann man auch molar schreiben als:

p = nRmT

pi = niRmT∑i

pi =∑i

niRmT = nRmT

5.1.2 Erhaltungsgleichung fur die einzelnen Komponenten

Wir betrachten die binare Diffusion von Stoff 1 und 2:

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90 5 Stofftransport

Abbildung 55: Diffusion

Mittlere Geschwindigkeit:

ρ~v =∑m

ρm~vm

~v =∑m

ρmρ~vm =

∑m

ym~vm

vi =∑m

ymvm,i ; i = 1, 2, 3 ; x, y, z

Dabei ist ~v die massenbezogene Geschwindigkeit Komponenten-Mischung. Der In-dex m steht fur die Komponente.

(Massen-) Stoffstrom relativ zur mittleren Bewegung:

~jm = ρm (~vm − ~v)

jm,i = ρm (vm,i − vi)∑m

~jm =∑m

(ρm~vm)−∑m

ρm~v = ρ~v − ρ~v = 0

Erhaltungsgleichung fur die Masse der Komponente m (analog zur Impulserhal-tung):

∂ρm∂t

+∂

∂xi(ρmvm,i) = ωm (∗)

In Kurzschreibweise:

∂tρm + ∂i (ρmvm,i) = ωm

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5.1 Diffusionsgleichung 91

Reaktionsquell bzw. -senken Term fur Komponente m: ωm 6= 0 Ohne chemischeReaktion: ωm = 0 Jetzt muss sichergestellt werden, dass die Massenerhaltungauch bei chemischen Reaktionen nicht verletzt wird. Wir wollen also die Konti-nuitatsgleichung nicht verlieren. Wir konnen zunachst in (*) uber alle Spezies msummieren:

∑m

(∗) :

∂∑m

ρm

∂t+

∂xi

(∑m

ρmvm,i

)︸ ︷︷ ︸

ρvi

=∑m

ωm (5.1)

∂tρ+ ∂i (ρvi) = 0 =∑m

ωm

Umschreiben in eine Gleichung fur die Massenbruche:

ρmvm,i = jm,i + ρmvi

∂tρm + ∂ijm,i + ∂i (ρmvi) = ωm

ym =ρmρ

⇔ ρm = ρym

⇒ ∂t (ρym) + ∂i (ρymvi) + ∂ijm,i = ωm

Damit folgt dann die Bewegungsgleichung fur den Massenbruch ym:

ρDtym + ∂ijm,i = ωm (5.2)

jm,i: Strom ym im mit ~v bewegten System

5.1.3 Konstituierende Gleichung fur reine Diffusion

Wir nehmen an:

~v = 0, vi = 0

binares System:

ρ = ρ1 + ρ2, 1 = y1 + y2

Fick’sches Gesetz (Massendiffusion):

j1,i = −ρD12∂y1

∂xi, ~j1 = −ρD12

~∇y1

j2,i = −ρD21∂y2

∂xi, ~j2 = −ρD21

~∇y2

(5.3)

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92 5 Stofftransport

Der binare Diffusionskoeffizient D hat zwei Indizes, weil die Diffusion von Stoff 1in Stoff 2 nicht unbedingt genau so gut ablauft wie die Diffusion von Stoff 2 inStoff 1.

Es gilt: ∑m

~jm = 0 ; ~j1 +~j2 = −ρ(D12

~∇y1 +D21~∇y2

)1 = y1 + y2 ;

∂y1

∂xi+∂y2

∂xi= 0 ;

~∇y1 + ~∇y2 = 0

0 = D12~∇y1 +D21

~∇y2

⇒ D12 = D21 ≡ D

Fur ein binares Gemisch gilt:

ρD1ym = −∂ijm,i + ωm = −∂i (−ρD∂iym) + ωm

Fur vi = 0 gilt Dt → ∂t. Unter der Annahme ρ = const erhalten wir:

∂tym = ∂i (D∂iym) +ωmρ

Dies ist die Diffusionsgleichung fur ein ruhendes binares Gemisch.

Analogie zur Warmeleitung:

ρcp∂T = ∂i (k∂iT ) + q∗, ρcp = const

α =k

ρcp, Θ =

T − T0

T1

∂tΘ = ∂i (α∂iΘ) + q+, q+ =q∗

ρcpT1

Analogie normalisiert:

Θ ↔ ym

α ↔ D

q∗

cpT1

↔ ωm

Anfangsbedingung:

ym (xi, t = 0) = y0m (xi)

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5.1 Diffusionsgleichung 93

Wie auch bei der Warmeleitung gibt es drei Arten von Randbedingungen.

Randbedingung 1. Art: ym (∂Ω, t)!

= ym,∂Ω (∂Ω, t)

Randbedingung 2. Art: −ρD(~∇ym · ~n

)∂Ω

!=~jm,∂Ω · ~n bzw. ∂ym

∂~n

∣∣∂Ω

!= dym,∂Ω

Randbedingung 3. Art: jm,∂Ω = ρhm (ym,∂Ω − ym,∞) = hm (ρm,∂Ω − ρm,∞)

hm: Konvektiver Stoffubergangs-Koeffizient fur die Komponente m

Fur eine impermeable Oberflache gilt:

∂ym∂~n

!= 0

5.1.4 Ahnlichkeitsgroßen

α = kρcp

: Thermische Leitfahigkeit[m2

s

]ν = µ

ρ: Kinematische Viskositat

[m2

s

]D: Diffusionskonstante

[m2

s

]Pr = ν

α: Prandtl-Zahl

Sc = νD

: Schmidt-Zahl

Le = αD

: Lewis-Zahl (Wie gut Funktioniert die Warmeleitfahigkeit im Vergleichzur Diffusion)

Analog zur kinetischen Gastheorie konnen wir auch bei der Diffusion wieder harte

Kugeln annehmen. u =√

8kBTπm

z = 14nu

λ = 1√2πd2n

; a ∼ 23λ

D ∼ 13uλ

Genauer:

D ∼ 1, 3 ν

⇒ Sc = νD∼ 1

1,3

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94 5 Stofftransport

5.2 Stofftransport in molarer Form

5.2.1 Herleitung der Gleichungen

Wir konnen eine mittlere molare Geschwindigkeit definieren:

~v∗ ≡∑m

xm~vm ; v∗i =∑m

xmvm,i

(Nun nicht auf den Massenstrom, sondern auf den Teilchen- bzw. Molstrom bezo-gen)

Molarer Stoffstrom:

~j∗m = nm (~vm − ~v∗) (5.4)

Wir konnen eine Transportgleichung ableiten:

nDtxm + ∂ij∗m,i = ω∗m (5.5)

Ruhendes Medium (reine Diffusion):

j∗m,i = −nD∂ixm (5.6)

Fur n = const, ~v∗ = 0:

∂txm = ∂i (D∂ixm) +ω∗

n(5.7)

Dies ist die Diffusionsgleichung mit molaren Großen.

Erhaltung Einzelkomponente:

∂tρm + ∂i (ρmvm,i) = ωm, i = 1, 2, 3

ym =ρmρ

xm =nmn∑

m

ρm = ρ,∑m

nm = n

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5.2 Stofftransport in molarer Form 95

Ideale Gasgemische:

pi = ρiRiT, Ri =Rm

Mi

p =∑i

pi

pi = niRmT

~jm = ρm (~vm − ~v)

ρ~v =∑m

ρmvm

~v =∑m

ym~vm∑m

~jm = 0ρDtym + ∂ijm,i = ωm

(5.8)

Binares Gemisch:

jm,i = −ρD∂iym~v = 0

∂tym = ∂i (D∂iym) +ωmρ

∂tΘ = ∂i (α∂iΘ) +q∗

ρcpT1

Zusammenhange:

α↔ D

ωm ↔q∗

cpT1

ym ↔ Θ

Pr =ν

α, Sc =

ν

D, Le =

α

DSc = Pr ·Le

Beim Stofftransport nimmt Sc die Stelle der Prandtl-Zahl ein, der Massenbruchnimmt die Stelle der Temperatur ein.

Erhaltungsgleichung (Spezieserhaltung):

∂tnm + ∂i (nmvm,i) = ω∗m (5.9)

Der Quellterm ist bezogen auf das Mol und nicht auf die Masse.

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96 5 Stofftransport

Stoffstrom bezogen auf das Mol:

~j∗m = nm (~vm − ~v∗)

n~v∗ =∑m

nm~vm

~v∗ =∑m

xm~vm

Wenn wir verschiedene Spezies haben (etwa verschiedene Teilchengroßen), dannhaben wir einen Netto-Molstrom von Null, aber einen Massenstrom ungleich Null.

Analog zu den Massendichten konnen wir die Transportgleichung fur die Moldich-ten aufstellen:

nDtxm + ∂ij∗m,i = ω∗m

j∗m,i = −nD∂ixm

5.2.2 Beispiel: Diffusion durch Verdunstung in einem Rohr

Abbildung 56 veranschaulicht die Diffusion am Beispiel eines Rohrs.

Abbildung 56: Diffusion in einem Rohr

Es gilt p = nRmT , falls p, T = const.

⇒ n = const =∑m

nm = nA + nB

⇒ 1 = xA + xB ⇒ xB = 1− xA

Stationar, keine chemische Reaktion:

ω∗m = 0 ⇒ ∂i (nmvm,i) = 0

d

dz(nAvA,z) = 0, nAvA = const

nBvB = const

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5.3 Grenzschicht mit Warme- und Stofftransport 97

Komponente B unloslich in Flussigkeit:

vB (z = 0) = 0 ⇒ nBvB = 0 ⇒ xBvB = 0

~j∗A = nA (~vA − ~v∗)⇒ nAvA = nAv∗ + j∗A = nA

xAvA + xBvB︸ ︷︷ ︸=0

− nDdxAdz

nAvA = nAvAxA − nDdxAdz

, nAvA = − 1

1− xAnD

dxAdz

= const

n,D = const⇒ 1

1− xAdxAdz

= const,dxA

1− xA= const ·dz

⇒ ln (1− xA) = c1 + c2z

Randbedingung:

xA (z = 0) = xsatA = xA,0, xA (z = L) = xA,L = xA,L ≤ xA,0

ln (1− xA) = ln (1− xA,0) + [ln (1− xA,L)− ln (1− xA,0)]z

L

⇒ 1− xA (z)

1− xA,0=

(1− xA,L1− xA,0

) zL

Verdampfungsstrom (Stefan-Strom):

nAvA =1

1− xAnD

dxAdz

=nD

Lln

(1− xA,L1− xA,0

)xA =

pAp, p = const : xA,0 =

pA,0p

=psat (T )

p, xA,L =

pA,Lp

5.3 Grenzschicht mit Warme- und Stofftrans-

port

5.3.1 Herleitung der Gleichungen

Wir betrachten Geschwindigkeits- und Temperaturgrenzschichten.

Ohne Reaktion:

ω∗m = 0, q∗ = 0

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98 5 Stofftransport

Es gilt:

∂tΘ + u∂xΘ + v∂yΘ = α∂2yΘ

∂tym + u∂xym + v∂yym = D∂2yym

ϕm =ym − y0

m

y∞m − y0m

y = 0, x < 0 ⇒ ϕm = 0

y →∞ ⇒ ϕm = 1

Analogie Warme-/Stoffubertragung:

Θ = f (Geometrie, x,Re,Pr)

ϕm = f (Geometrie, x,Re, Sc)

Sc =ν

DQ

A= q = h (TW − T∞) = −k ∂T

∂y

∣∣∣∣y=0

Nu =hL

k= f (Geometrie, ξ,Re,Pr)

jm|y=0 = hm (ρm,W − ρm,∞) = −ρD ∂ym∂y

∣∣∣∣y=0

Wir fuhren nun eine dimensionslose Kennzahl ein, die beim Stofftransport derNusselt-Zahl des Warmetransports entspricht.

Sherwood-Zahl:

Sh =hmL

DNu = f (ξ,Re,Pr)

Sh = f (ξ,Re, Sc)

5.3.2 Beispiel 1: Ebene Platte

Es gilt:

Nux =hx

k= 0, 332

√Rex Pr1/3

Rex =u∞x

ν

Shx =hmx

D= 0, 332

√Rex Sc1/3

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5.3 Grenzschicht mit Warme- und Stofftransport 99

Reynolds–Analogie:

cf2

= St Pr2/3 = Stm Sc2/3

St =Nu

ReL Pr, Stm =

Sh

ReL Sc

Stm: Mass transfer Stanton number

5.3.3 Beispiel 2: Filmverdampfung

Stoffubergang:

jw = ρWhm(y0W − y∞W

)= hm

(ρ0W − ρ∞W

)Wir nehmen an, dass es sich um Luft und Wasserdampf handelt und dass dieWasserdampfkonzentration in der Luft sehr klein ist.

p = pL + pW ≈ p∞

pi = ρiRiT = niRmT

Randbedingungen: gesattigter Dampf bei y = 0:

p0W = pS (TW ) = ρ0

W

Rm

MW

TW

Dampfgehalt bei y →∞:

p∞W = ρ∞WRWT∞

Warmeubertragung: (Q

A

)V erdunstung

= hfgjW

Warmeubergang aus der Luft:(Q

A

)= h (TW − T∞)

Stationar:

qVerdunstung = qWU

hfghm(ρ0W − ρ∞W

)= h (TW − T∞)

TW − T∞ = hfghmh

M

Rm

(pS (TW )

TW− p∞WT∞

)

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100 5 Stofftransport

Dies ist die Bestimmungsgleichung fur die Filmtemperatur TW .

Nusselt-Korrelation fur Ebene:

h =Nuxk

x= 0, 332 Re

12x Pr

13k

x

hm =ShxD

x= 0, 332 Re

12x Sc

13D

x

hmh

=D

k

(Sc

Pr

) 13

Lek

ρcpD⇒ D

k=

1

ρcp Le

Sc

Pr=

ν

D

k

ν=

k

Dhmh

=D

kLe

13 =

1

ρcpLe23

5.4 Anhang: Dimensionslose Kenngroßen

Biot-Zahl: Verhaltnis vom außeren Warmeubergang, also dem Warmetransportvon der Oberflache zum umgebenden Medium, zum inneren Warmeubergang, derWarmeleitung durch den Korper.

Bi =h · LkFk

Fourier-Zahl: Entdimensionierte Zeit, Verhaltnis der geleiteten zur gespeichertenWarme.

Fo =αt

L2

Lewis-Zahl: Verhaltnis aus Warmeleitung zu Diffusion.

Le =k

Dρcp

Nusselt-Zahl: Verhaltnis aus konvektivem Warmeubergang zu reiner Warmelei-tung im Fluid.

Nu =h · LkFluid

Prandtl-Zahl: Verhaltnis zwischen kinematischer Viskositat und Temperatur-leitfahigkeit

Pr =ν

α

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5.4 Anhang: Dimensionslose Kenngroßen 101

Reynolds-Zahl: Verhaltnis von Tragheits- zu viskosen Kraften

Re =vL

ν

Schmidt-Zahl: Verhaltnis von viskosem Impulstransport zu diffusivem Stofftrans-port

Sc =ν

D

Stanton-Zahl: Normierter Warmeubergangskoeffizient, Verhaltnis der gesamtenubergehenden Warme zur konvektiv transportierten Warme. Grundsatzlich gilt:Je großer die Stanton-Zahl desto schneller verlauft der Prozess.

St =Nu

ReL Pr

Stefan-Zahl: Verhaltnis von fuhlbarer Warme zu latenter Warme. Nutzlich beiPhasenubergangen.

St =cV (TE − T0)

hE