PU I: Balkan und/oder Südosteuropa: Definitionen und...
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KU LHT SoSe 2010
PU I: Balkan und/oder Südosteuropa: Definitionen und Raumbilder im Wandel
der Geschichte
Das Balkan(raum)bild der (west)europäischen Politik
Meinungsunterschiede und Kontroversen in Bezug auf die räumliche Eingrenzung der (beiden) Region(en) in Geschichte und Gegenwart
im Laufe der Geschichte politisch und ideologisch bedingte „Grenzverschiebungen“ bzw. Raumbildkorrekturen
umstritten vor allem die (fließenden) Grenzen zu (Ost)mitteleuropa – im Norden und Westen
drei Konzeptionen (gedankliche Konstruktionen): 1. weitgehende Deckungsgleichheit der beiden
Begriffe 2. teilweise Überlappung – je nach Definition 3. Balkan als eine Teilregion Südosteuropas (ohne
klare Abgrenzung)
Definition Balkan - nach Holm Sundhaussen(Lexikon zur Geschichte Südosteuropas): „…Subregion Südosteuropas…, umfasst zumeist die Gebiete südlich der Donau-Save-Linie bzw. manchmal auch die Gebiete der ehemaligen rumänischen Fürstentümer Moldau und Walachei.“
Definition Südosteuropa (ebd.): „Südosteuropa meint den Balkanraum zuzüglich des Karpatenbeckens und des transkarpatischen Raumes. Manchmal werden auch Teile der Türkei und Zypern dazugezählt“.
… fließende Grenzen: Balkan und Mitteleuropa
Die Linie Triest-Odessa
Die Grenzflüsse Drau (im Norden) Sutla bzw. Kupa/Kolpa (im Westen) : die slowenisch-kroatische Grenze
Die Grenzflüsse Save (im Norden) und Kupa (im Westen)Balkan und Südosteuropa
Die Grenzflüsse Save (im Norden) und Una im Westen:die kroatisch-bosnische Grenze
Begriff Balkan
sprachlich: Balkan (türk.) = Gebirge; Rumelien (türk. Rumili = as Land der Rhomäer) = der osmanische Balkan
geographisch: Balkangebirge (Stara planina, Haemos / Haemus) – Balkanhalbinsel
politisch: ein (überwiegend) pejorativer Begriff - bis heute (Stichworte: „Kleinstaaterei“, „Pulverfass“, politische Unstabilität, „Chaos“, wirtschaftliche und kulturelle Rückständigkeit = „Balkanisierung“)
eingeführt 1808 von Johann Alexander Zeune (1778-1853)
Begriff Südosteuropa
geprägt von Johann Georg von Hahn (1811-69), etabliert in der 2. H. d. 19. Jh. - als Alternativbegriff zum „Balkan“
frühere Bezeichnungen: Illyrische Halbinsel, Hellenische bzw. Griechische Halbinsel, Europäische Türkei
in der NS-Forschung Südosteuropa als „natürlicher Expansionsraum“ Deutschlands „positiv“ konnotiert
„Südostforschung“ im Dienst der „Gewinnung des Lebensraumes“ und der Erforschung der „deutschen Geschichte im Osten“
im angelsächsischen Raum Begriffe: The Balkans, Southeastern Europe, Eastern Europe sowie East-Central Europe (ebenfalls Überschneidung)
Balkanologie (Balkankunde): Geschichte, Sprachwissenschaft, Ethnologie, Anthropologie
Gegensatz zwischen Nationalstaatlichkeit und (Südost)europa der Regionen in Politik und Geschichtsforschung
ob Balkan, oder Südosteuropa, unterschiedliche kulturgeographische Zonen
einzelne Zonen als Bereiche „fremder“ (äußerer) Kultureinflüsse – aus Ost, West, Nord und Süd
Überlagerung bestehender (national)staatlicherGrenzen durch äußere Kultureinflüsse
Ethnische Struktur: die „alten“ Völker: Albaner (Illyrer), Griechen, Reste
der romanisierten Bevölkerung (Vlachen, Aromunen)
die Südslawen: Einwanderung im Frühmittelalter (6.-7. Jh.), enge Verbindung mit Awaren u. Proto-Bulgaren (Reiternomaden)
seit dem Spätmittelalter Türken, Juden, Armenier u.v.a.
ideologisch und politisch bedingte bipolare Raumteilung (Dichotomie): Wurzeln in der Antike?
das Alternativmodell: das Nebeneinander und Ineinandergreifen von unterschiedlichen Kulturlandschaften: balkanisch-byzantinisch, mitteleuropäisch und mediterran(Untergliederung in mehrere „Kulturprovinzen“)
Balkan und Südosteuropa historisch –kulturräumlich-politisch - ethnisch
um 550
7.7.--8. Jh.8. Jh.
9. Jh.9. Jh.
um 1050
um 1250
14.-15. Jh.
um 1570
um 1650
1815
Die Nationalstaaten 1878-1914
1914
Zwischenkriegszeit
1924
Charakteristische Merkmale Südosteuropas und Kriterien der Abgrenzung zu (Ost)mitteleuropa
*eine klare Abgrenzung von Ostmitteleuropa weder möglich noch sinnvoll: fließende Grenzen
ethnische, konfessionelle und kulturelle Heterogenität durch Migrationen, Kriege u. (Besatzungs)politik der Großmächte
Prägung durch Orthodoxie (die griechisch-byzantinische Kultur) und Islam (die 400-500 jährige Osmanenherrschaft)
das Phänomen der autokephalen, de facto Nationalkirchen, enge Bindung der Kirche an die Nation
geringer Einfluss des Humanismus, der Renaissance und der Aufklärung
(stark) verzögerte Modernisierung der Gesellschaft
Territorialer Umfang Südosteuropas: heutige Staaten und (historische) Regionen Bulgarien Serbien Kosova/Kosovo Montenegro (Vardar)-Makedonien Bosnien-Herzegowina Albanien Griechenland Türkei (europäischer Teil) „Altrumänien“(Moldau u. Walachei) Dobrudscha Republik Moldova Budschak (Ukraine)
manchmal auch Zypern und die gesamte Türkei Südosteuropa zugezählt
(traditionell) häufig auch Kroatien – teilweise oder zur Gänze – dazu gezählt (Stichwort „Westbalkan“oder ehemaliges Jugoslawien)
(immer) seltener Slowenien (als Teil der „jugoslawischen Gemeinschaft“)
in der deutschen (Süd)osteuropa-Forschung auch Ungarn und die Slowakei einbezogen -aus „historischen Gründen“
Literatur (Handbücher)
Harald Roth (Hrsg.), Studienbuch Östliches Europa: Bd. 1: Geschichte Ostmittel und Südosteuropas ( Köln – Weimar –Wien, 2. erweiterte Auflage 2009).
Ekatarina Emeliantseva/ Arié Malz /Daniel Ursprung, Einführung in die Osteuropäische Geschichte (Zürich 2008).
Dieter Willoweit und Hans Lemberg (Hrsg.), Reiche und Territorien in Ostmitteleuropa. Historische Beziehungen und politische Herrschaftslegitimationen (München 2006).
Edgar Hösch/ Karl Nehring/Holm Sundhaussen (Hrsg.); Lexikon zur Geschichte Südosteuropas (Wien – Köln – Weimar 2004).
Paul Robert Magocsi, Historical Atlas of Central Europa. Fromthe Fifth Century to the Present (London 2002).