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Pulsatilla Heft 5/2002 Zeitschrift für Botanik und Naturschutz

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Pulsatilla

Heft 5/2002

Zeitschrift für Botanik und Naturschutz

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Heft 5/2002

Bundesfachausschuss BotanikZeitschrift für Botanik und Naturschutz

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Impressum© 2003 NABU – Naturschutzbund Deutschland e.V.

Herausgeber:NABU-Bundesfachausschuss Botanik

Schriftleiter:Dr. CHRISTIAN BERG

Thomas-Mann-Straße 6aD-18055 RostockE-Mail: [email protected]

Redaktion:Dr. ANDREAS BETTINGER, SaarbrückenProf. Dr. HANS- VELMANN, MünsterDr. SUSANNA KOSMALE, ZwickauDr. UWE WEGENER, WernigerodeDr. WERNER WESTHUS, Jena

Verlag:NABU Postanschrift: NABU, 53223 BonnTelefon: 0228.40 36-0Telefax: 0228.40 36-200E-Mail: [email protected]: www.NABU.de

Informationen zu früheren Heften unter:http://home.t-online.de/home/cberg/pulsatil.htm oder über www.NABU.de

Gesamtherstellung:Satz- und Druckprojekte TEXTART Verlag, ERIK PIECK, Postfach 42 03 11, 42403 Solingen Wolfsfeld 12, 42659 Solingen, Telefon: 0212.43343E-Mail: [email protected]

Pulsatilla erscheint in etwa jährlichen Abständen

Bitte unterstützen Sie unser Engagement für Mensch und Natur. Spendenkonto 100 100, Bank für Sozialwirtschaft Köln (BLZ 370 205 00).

ISSN 1431-9535

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Zum Geleit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5

Positionspapier: Stand und Perspektiven ehrenamtlich tätiger botanischer Verbände und Vereinigungen in Deutschland . . . . . . . . . . .7

CHRISTIAN AHRNS Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutz-relevanter Arealdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11

BJÖRN RUSSOW Pflanzen auf ur- und frühgeschichtlichen Siedlungsplätzen – Ein Diskussionsbeitrag zur Problematik der Kulturreliktpflanzen . . . .37

UWE WEGENER Botanische Kostbarkeiten in Deutschland: Das Kleine Zweiblatt (Listera cordata (L.) R. BR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .51

THOMAS HÖVELMANN Vorkommen und Pflege schutzwürdiger Weg- und Straßenränder in Münster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .59

SUSANNA KOSMALE Artikelserien über „Rote-Liste-Pflanzen“ in der Tagespresse –eine Möglichkeit der Lobbyarbeit für die Pflanzenwelt . . . . . . . . . . . . .67

Buchbesprechungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .50, 58

Pulsatilla, Heft 5, 2002

Inhalt

Auslieferung: Februar 2003

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Redaktionelle Hinweise

Manuskripte für Tagungsberichte, wissenschaftliche Beiträge, Tätigkeitsberichte, Kurzmeldungen usw. sind bitte an dieRedaktion zu richten. Für die Abgabe der Manuskripte gelten folgende Hinweise: Zeilenabstand 1 1/2-zeilig, Rand vonmindestens 3 cm, Nummerierung der Seiten, Art und Gattungsnamen in kursiv, Autorennamen in KAPITÄLCHEN, Her-vorzuhebenes kann fett gedruckt werden. Beispiele für die Abfassung der Literaturzitate sind dem vorliegenden Heft zu ent-nehmen. Der Beitrag sollte sowohl als Papierausdruck, als auch als Textdatei (neue Rechtschreibung, Fließtext, ohne Silbentrennung,keine Formatierungen, ausgenommen fett, kursiv und KAPITÄLCHEN) auf Computerdiskette abgegeben werden. Abbildun-gen wie Strichzeichnungen, Karten etc. sind auf reinweißem Karton oder auf Transparentpapier auf gesondertem Bogenbeizufügen und eindeutig zu beschriften. Die Autoren verantworten den Inhalt ihrer Beiträge selbst.Honorare werden nicht gezahlt.Von jeder Arbeit werden den Autoren 30 Seperatdrucke kostenlos zugestellt. Darüber hinausgehende Heftbestellungen sindgebührenpflichtig.Ein Nachdruck – auch auszugsweise – bedarf der Zustimmung des Herausgebers.

Titelbild

Siegmarswurz (Malva alcea L.) als Beispiel einer Kulturreliktpflanze (zum Beitrag von B. RUSSOW in diesem Heft.) Foto: CHRISTIAN BERG, Rostock

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Verstärkte Öffentlichkeits- und Bildungsar-beit auf dem Gebiet der Botanik forderten Ver-treter ehrenamtlicher botanischer Verbändeund Vereinigungen auf einer Tagung mit demThema „Ziele, Perspektiven und Zusammenar-beit ehrenamtlicher botanischer Vereinigungenin Deutschland“ im Juni in Bayreuth. In diesemSinne versteht sich auch die „Pulsatilla - Zeit-schrift für Botanik und Naturschutz“ desBundesfachausschusses Botanik des NABU.Durch das Veröffentlichen von Orginalarbeitenwollen wir das Wissen auf geobotanischem Ge-biet erweitern. Aufbereitete Informationenmöchten wir an die interessierten Leser weiter-geben. Und durch Beiträge aus der Natur-schutzpraxis wollen wir direkt zum praktischenFlorenschutz anregen. Diese Mischung habenwir in den Heften 2 und 3 versucht, und in die-sem Sinne wollen wir fortfahren.

Seit dem Erscheinen der „Pulsatilla“ erreich-te uns viel Post mit Kritiken und Anregungen,für die wir uns herzlich bedanken möchten.Zwei davon haben wir besonders gerne aufge-griffen: erstens wollen wir ab jetzt in einer klei-nen Serie „Botanische Kostbarkeiten“ seltene,wenig bekannte und gefährdete Gefäßpflanzen-arten unserer Flora näher vorstellen. Beginnenwerden wir in diesem Heft mit einem Beitragzum Kleinen Zweiblatt von Dr. UWE WEGENER.Der zweite Vorschlag betraf unsere Bibliogra-phie „Botanik und Naturschutz“: hier werdenwir in Zukunft neben den Literaturstellen auchbestimmte Angaben zum Inhalt in kurzer Formgeben, was den Gebrauchswert der Bibliogra-phie deutlich erhöhen wird. Leider ist die Bi-

bliographie in diesem Jahr nicht fertig gewor-den, wofür wir um Verständnis bitten.

Das vorliegende Heft 5 bietet aber noch et-was Neues: diesmal soll die Pulsatilla auch alsDiskussionsforum dienen. Wir haben die Ergeb-nisse der oben genannten Tagung, die der BFABotanik des NABU zusammen mit dem Arbeits-kreis Botanik des LBV ins Leben gerufen hat, inForm eines Positionspapieres an den Anfang desHeftes gestellt, um die Diskussion zu diesemwichtigen Thema weiter anzuregen.

Mit dem Artikel von CHRISTIAN AHRNS grei-fen wir nochmal das Thema des Heftes 4 auf, dassich als Tagungsband überwiegend mit Fragender Biogeographie und deren Anwendung imNaturschutz beschäftigte. Auch als Tagungs-band wird die „Pulsatilla“ zukünftig weiter ge-nutzt werden.

Wir freuen uns, dass die „Pulsatilla“ schoneinen stabilen Leserkreis gefunden hat. Auchunser Abrechnungssystem auf Spendenbasisscheint sich zu bewähren, wofür wir uns bei Ih-nen, lieber Leser, herzlich bedanken möchten.Bitte empfehlen Sie die „Pulsatilla“ ruhig weiter.

Und noch eine Bitte: so eine Zeitschriftbraucht nicht nur Leser, sondern genauso drin-gend auch lesenswerte Beiträge! Wenn Sie voninteressanten Untersuchungen oder Aktivitätenzum Thema botanischer Naturschutz hören, re-gen Sie doch ruhig mal eine Veröffentlichung inder „Pulsatilla“ an!

Mit diesen kurzen Einführungsgedankenwünsche ich Ihnen viel Freude mit dem Heft 5.

Dr. CHRISTIAN BERG

Schriftleitung Pulsatilla

Pulsatilla, Heft 5, 2002, Seite 5

Zum Geleit

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6 Pulsatilla, Heft 5, 2002

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Pulsatilla, Heft 5, 2002, Seite 7-10

Positionspapier: Stand und Perspektiven ehrenamtlich tätigerbotanischer Verbände und Vereinigungen in Deutschland

Einleitung

Am 16.6.2002 trafen sich in Bayreuth aufEinladung des Arbeitskreises BOTANIK desLBV und des Bundesfachausschusses BOTA-NIK des NABU Vertreter von sieben botani-schen Vereinigungen aus der Bundesrepublik.Grundthema des Meinungsaustausches war dieBestandsaufnahme der Situation der ehrenamt-lichen Botanik in Deutschland. Es sollten Zieleund Perspektiven besprochen und in eine ge-meinsame Position überführt werden. Die Ver-öffentlichung in der Pulsatilla soll nicht nur denerarbeitenden Stand der Diskussion wiederge-ben, sondern auch Anstoß für die im Juni nichtanwesenden floristisch-vegetationskundlichenGruppierungen sein, die Diskussion aufzugrei-fen und an ihrer Umsetzung aktiv mitzuwirken.

Anfang Dezember 2001 fand in Augsburgeine Tagung mit dem Thema „Analyse der Ar-tenschutzprogramme für Pflanzen in Deutsch-land“ statt. Als Kernerkenntnis blieb am Endedie Tatsache, dass zur erfolgreichen Sicherungder botanischen Biodiversität noch viele Hür-den zu nehmen sind, politische, finanzielle, per-sonelle, vor allem aber informative. Koopera-tion und Koordination scheinen stark verbesse-rungsbedürftig zu sein. Hier klaffen die Lückenzwischen Behörden, Wissenschaft und den eh-renamtlichen Botanikern, zwischen Forschungund Umsetzungspraxis weit auseinander.

Gleichzeitig müssen wir derzeit einen

Schwund an ehrenamtlich tätigen Botanikernund einen Nachwuchsmangel in den Verbän-den und floristischen Arbeitsgemeinschaftenerleben. Die geobotanische Forschung undAusbildung an den Universitäten wird mehrund mehr verdrängt, einhergehend mit einemBedeutungsschwund des Natur- und Arten-schutzes im Bildungswesen und im Bewusstseinder Öffentlichkeit.

Noch nie wurde soviel über die Artenvielfaltgeredet und dennoch zu wenig für ihren Erhaltund ihre Erforschung getan wie im Jahre 10nach Rio und der Verabschiedung der Biodiver-sitätskonvention. Wir - der Bundesfachaus-schuss BOTANIK des NABU und der Arbeits-kreis BOTANIK des LBV - halten daher ein en-geres Zusammenrücken und eine Positions-und Zielbestimmung der ehrenamtlichen bota-nischen Vereinigungen in Verbindung mit Ko-operationsangeboten „nach außen“ für erfor-derlich.

Die Sicherung der Biologischen Vielfalt unddarunter die Erhaltung der Vielfalt an Pflanzenund Pflanzengmeinschaften ist eine gesamtge-sellschaftliche Aufgabe. Der Schutz der Pflan-zenwelt dient in erheblichem Maß der Siche-rung der Lebensqualität und der Erlebnisfähig-keit des Menschen. Sie ist daher eine zentraleZukunftssicherung im Rahmen der AGENDA21. Diese Querschnittsaufgabe wollen die floris-tisch-vegetationskundlichen Verbände undVereinigungen zusammen mit Vertretern aus

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8 Pulsatilla, Heft 5, 2002

Behörden und Wissenschaft erfolgreich meis-tern.

Dazu beziehen die anwesenden Vereinigun-gen folgende Positionen:

Anforderungen steigenInternationale Verpflichtungen wie die Um-

setzung der Konvention zur Sicherung der Bio-logischen Vielfalt, die eben in Johannesburg er-neut als globale Aufgabe bekräftigt wurden, undder Aufbau des europäischen Schutzgebietssys-tems NATURA 2000 mit seiner Festschreibungvon Berichtspflichten und der Beobachtungvon Zustandsveränderungen in den Natura-2000-Gebieten erfordern ebenso wie die Aktua-lisierung der Roten Listen oder die Erarbeitungvon Zielartenkonzepten und bundesweiten Ar-tenschutzprogrammen eine wirkungsvolle Prä-senz der Botanik im staatlichen und ehrenamt-lichen Naturschutz auf hohem qualitativem Ni-veau.

Erkenntnisse nehmen zu Parallel zu den politischen und fachlichen

Vorgaben verdichten sich heute die floristisch-vegetationskundlichen Erkenntnisse, die inte-griert und für die Naturschutzpraxis bis hinabauf die lokale Ebene aufbereitet werden müs-sen. Dazu zählen etwa die Ergebnisse flächende-ckender Kartierungsprojekte. So wurden etwain Thüringen und anderen Regionen aktuelleVerbreitungsatlanten erstellt. Forschungsergeb-nisse über Einzelarten oder Pflanzengesellschaf-ten nehmen laufend zu. Zunehmend spielt dieBearbeitung kritischer Sippen wie etwa Sorbuseine wichtige Rolle. In Bayern basiert darauf eingroßes Artenschutzprojekt. Ergebnisse vonWiederherstellungsprojekten müssen diskutiertund in Planungen integriert werden. Und nichtzuletzt sind es populationsökologische For-schungsarbeiten (z. B. Population ViabilityAnalysis), die Auswirkungen auf die Gestaltungvon Schutzprogrammen haben können.

Fachkräfte nehmen abDie erhöhten Anforderungen aus den inter-

nationalen und nationalen Verpflichtungen, dieerhöhten fachlichen Anforderungen an den Na-turschutz sowie der erweiterte Kenntnisstand

fordern schon heute einen erhöhten Bedarf anstaatlich finanziertem Fachpersonal, der Gefahrläuft, mittelfristig nicht mehr gedeckt werdenzu können. Die Vereine und Verbände sind be-strebt, durch ein hohes fachliches Niveau ihrerArbeit botanisches Wissen auch in Zukunftweiter vorzuhalten.

ForderungDurch die verstärkte Einbindung der bota-

nischen Vereinigungen und einer verbessertenAbstimmung von Schutzprogrammen kann derÜberlastung des Fachpersonals entgegenge-wirkt werden.

Nationale Strategie zum botanischen Arten-schutz

Was schon 2001 in Augsburg bei einer Ar-tenschutztagung als Grundkonsens anklang, istdie Erarbeitung einer nationalen Strategie zumbotanischen Artenschutz auf pflanzensoziologi-scher Grundlage überfällig. Um dabei den fach-lichen, rechtlichen und politischen Anforde-rungen gerecht zu werden, ist eine enge Zu-sammenarbeit aller Akteure aus Wissenschaft,Behörden, Verbänden und Vereinen unabding-bar. Ziel muss es sein, eine Stabilisierung derfloristischen Vielfalt so schnell wie möglich zuerreichen.

ForderungDie botanischen Vereinigungen fordern die

Entwicklung von Kooperationsmodellen. Dazukönnten u. a. Arbeitsgruppen bei der Initiierungvon Artenschutzprogrammen auf Bundes-, Län-der- und regionaler Ebene eingerichtet werden.Der Informationsfluss von Fachdaten ist allsei-tig zu gewährleisten. Für die Arbeitsgruppen,Fachbeiräte und Koordinierungsstellen muss ei-ne finanzielle Grundausstattung gesichert wer-den. Ziel ist der Aufbau eines transparenten, ef-fizienten Naturschutznetzwerkes innerhalb dernächsten 3 Jahre.

Zu dieser Strategie gehört eine Bildungs- undÖffentlichkeitsoffensive

Für eine hohe gesellschaftliche Akzeptanzdieser Naturschutzaufgaben ist eine stärkereVerankerung botanischer Themen in allen Be-reichen der Bildungsarbeit notwendig. Das gilt

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ebenso für eine Verstärkung der Öffentlich-keitsarbeit bei botanischen Themen. Dies istAufgabe einer Politik, welche die Umsetzungder Biodiversitätskonvention ernst nimmt.Derzeit führt die Botanik ein Schattendasein.

Nachwuchsförderung ist das Gebot derStunde. Die Informationszentren der Verbändeund Vereine können hier wirksame Kondensa-tionskerne sein. Von hier aus könnte auch dieverstärkte Integration von Vertretern der bota-nischen Vereinigungen in Schul- und Lehrbe-trieb koordiniert werden. Zentrales Ziel mussdie Ausbildung von Multiplikatoren (Erzieher,Lehrer, etc.) in Schulen, Kindergärten undHochschulen sein.

Viele Botanische Vereinigungen unterhal-ten oft nicht nur regional bedeutsame botani-sche Zeitschriften oder Informationsblätter.Diese stellen einen wichtigen Beitrag zur For-schung und Bildung dar und sind zu fördern.Auch in der Pressearbeit sind längst nicht alleKapazitäten ausgeschöpft. Gespräche mit poli-tischen Mandatsträgern sind verstärkt zu füh-ren und im Vorfeld innerhalb der Akteure zukoordinieren.

Eine zentrale Zukunftsaufgabe der botani-schen Vereinigungen könnte die Einrichtungvon regionalen botanischen Informationskno-ten im Internet sein. Darüber könnte auch de-ren Informationsaustausch gestärkt werden. ImRahmen dieser Informationsknoten bestündenMitwirkungsmöglichkeiten einer interessiertenÖffentlichkeit.

ForderungDie Öffentlichkeitsarbeit im Bereich der

biologischen Vielfalt ist zu verstärken. DerUnterricht in Heimatkunde und Biologie sollsich wieder vermehrt dem Freiland widmen.Durch Geländepraktika, Projekttage, Bestim-mungskurse oder Talentwettbewerbe muss eineaktive Nachwuchsarbeit gewährleistet sein. Diegeobotanischen Lehrstühle an den Universitä-ten sind zu erhalten, statt bei Neubesetzungendie Fachrichtung zu ändern. Zusammen mitden Schulen und Hochschulen ist ein Umwelt-bildungsnetzwerk aufzubauen.

Für eine derartige Bildungsoffensive mussdie Politik die finanzielle und personelle Aus-stattung für diese Bildungsinhalte im Interesse

der Zukunftsvorsorge innerhalb der nächsten 5Jahre deutlich erhöhen.

Botanische Vereinigungen und Verbände - Ga-rant und Partner für die Umsetzung

Vor dem Hintergrund, dass die Botanik inheute in vielen Naturschutzbehörden nachMeinung der ehrenamtlichen botanischen Ver-einigungen nicht mehr ausreichend personellvertreten ist, um die aktuellen Aufgaben auchqualitativ ausreichend zu bewältigen, (so ist et-wa in Bayern nur eine einzige Person mit derKoordination und Umsetzung des gesamtenbotanischen Artenschutzprogramms betraut),stellt sich die Frage nach der Leistungsfähigkeitund -bereitschaft des Ehrenamtes. Tradionellliegt dessen Stärke darin, die Datengrundlagenzu verbessern und Schutzmaßnahmen anzure-gen. Nach wie vor wird den Verbänden aberhäufig ein Misstrauen entgegengebracht undangebotene Hilfestellung vielfach abgewiesen.

ForderungDie personellen und fachlichen Kapazitäten

der Vereine müssen verstärkt in die Umsetzungvon staatlichen Arten- und Biotopschutzpro-grammen integriert werden. Künftig könntendie Verbände und Vereinigungen wichtige Auf-gaben etwa bei der Berichtspflicht im Rahmender FFH-Richtlinie, dem Monitoring oder derEffizienzkontrolle übernehmen.

Die Kernaufgaben der Verbände und Vereini-gungen

Die Übernahme von Mitverantwortungzum Erhalt der biologischen Vielfalt durch bo-tanische Feldforschung und die Mitarbeit ankonkreten Artenschutzprojekten ist nach wievor die eigentliche Domäne der Verbände undVereine. LBV und NABU investieren hier all-jährlich bedeutende Summen und stellen vieleehrenamtliche Arbeitsstunden bereit. GrößterSchatz sind die vielfach zusammengetragenenDateien oder Datenbanken. Diese Kenntnissefinden einen unmittelbaren Niederschlag inden Kauf- und Pflegestrategien des jeweiligenVerbandes oder Vereines. Auch Sondermaß-nahmen wie etwa dokumentierte Wiederansie-delungen finden häufig auf vereinseigenen Flä-chen statt.

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10 Pulsatilla, Heft 5, 2002

Doch erscheint es angesichts der oben dar-gelegten Situation heute notwendig, die Zu-sammenarbeit untereinander zu verbessernund das Aufgabenspektrum deutlich zu erwei-tern. Dazu zählt etwa die ständige Kooperationmit Wissenschaft und Behörden oder die Mit-wirkung bei langjährigen Monitoringprojektenz. B. von prioritärer Arten.

ForderungDie Leistung der botanischen Verbände und

Vereinigungen für zentrale gesellschaftlicheAufgaben soll durch die Anhebung von finan-ziellen Förderungen gesichert werden. Dies be-trifft besonders die Übernahme von Pflichtauf-gaben der öffentlichen Hand, wie Bildungsar-beit und Monitoring.

Zusammenarbeit und Informationsaustauschverbessern

In der Bundesrepublik existieren zahlreichebotanische Verbände oder Vereinigungen, dienoch zu wenig voneinander wissen und derenZiele oftmals voneinander abweichen. UnsereTagung war ein erster Versuch, hier Kontakteherzustellen. Eine größere Resonanz hätten wiruns gewünscht, um die hier vorgestellte Posi-tion zu diskutieren. Auch hier sehen wir es alserforderlich an, über das Internet eine ausbau-fähige Informationsplattform aufzubauen.

Wir würden uns jedenfalls freuen, wennsich weitere Vereine an der Ausarbeitung dieserPosition beteiligen und an deren Umsetzungmitwirken.

Dipl-Ing. BERND RAAB, Landesbund für Vogelschutz, AK BotanikEisvogelweg 1, D-91161 Hilpoltstein, [email protected]. CHRISTIAN BERG, NABU Bundesfachausschuss BotanikThomas-Mann-Straße 6a, D-18055 Rostock, [email protected]

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1 Einleitung

Die Verbreitung jeder Pflanzenart unter-liegt einer gewissen Dynamik, wodurch ihr ak-tuell reales Areal maßgeblich mitbestimmtwird. Sieht man von natürlichen Klimaschwan-kungen usw. ab, so ist die Arealdynamik vonOrganismenarten in Zentraleuropa und ande-ren ökonomischen Ballungsgebieten der Weltgegenwärtig folgendermaßen zu charakterisie-ren:

1) Die Änderung des Siedlungsraumes einerSippe ist in der Regel stark vom Menschenüberprägt, zumindest aber anthropogen initi-iert.

2) Im Vergleich zur natürlichen ist diese an-thropogene Arealdynamik zumeist ungleich in-tensiver und effektiver, die Änderungsge-schwindigkeit demzufolge höher.

3) Generell ist Arealdynamik ein schwerfassbares Wirkungsgefüge aus anthropogenenund weiteren biotischen sowie abiotischen Fak-toren; Ausdruck dessen ist ein räumlich wiezeitlich heterogener Wandlungsprozess.

Liegt aus Naturschutzsicht der Nachteilheutiger Organismen-Chorodynamik in ihremnie gekannten Tempo, so gereicht dies der Wis-senschaft auch in bescheidenem Maße zumVorteil: Ein Menschenalter genügt heute, umdie (vom Menschen mitverantwortete) Ände-rung eines Gefäßpflanzenareals erkennen, übereine bestimmte Zeit verfolgen und anschlie-ßend deren weiteren Verlauf prognostizierenzu können.

Sowohl progressive als auch regressive Are-alveränderungen indizieren und bewirken Um-orientierungen in unserer ökosystemaren Um-

welt und berühren daher Fragen des Natur-schutzes.

Hier sollen an wenigen auch in Zentraleu-ropa siedelnden Vertretern zweier im übrigenmit Lücken - (vgl. VESTER 1940; MABBERLEY

1997) - weltweit verbreiteter Pflanzenfamiliendie gegenwärtigen Möglichkeiten und Grenzender Interpretierbarkeit aktueller Gesamtareal-karten im Hinblick auch auf Naturschutzaspek-te demonstriert werden. Die beiden o. g. Fami-lien erscheinen für diese Analyse geeignet, weilsie aus Naturschutzsicht etwa gleichermaßenprädestiniert sind, bezüglich der weltweit ver-fügbaren Datenbasis u. a. Faktoren aber mar-kante Unterschiede erwarten ließen.

2 Laichkrautgewächse und Orchideen(gewächse)

Beide wurden neben der Notwendigkeit ei-ner durchgängigen Aktualisierung ihrer Areal-bilder vor allem deshalb ausgewählt, weil sie inder hiesigen Flora zu den nicht allzu artenar-men Familien mit den höchsten Prozentantei-len gefährdeter an der Gesamtzahl ihrer inDeutschland präsenten Vertreter zählen: Vonden 22 bei KORNECK et al. (1996) verzeichnetenPotamogetonaceae gelten 14 (64 %), von denN 66 dort gelisteten Orchidaceae-Sippen aktuellN 45 (ca. 68 %) als in der BRD gefährdet oderverschollen.

Gemeinsam ist ihnen der krautige Wuchssämtlicher heimischer Arten. Alle bisher inDeutschland nachgewiesenen Sippen beider Fa-milien sind hier, sieht man von lokalen Ansal-bungen einzelner Fanatiker ab, urwüchsig (in-digen) und meiden menschliche Siedlungen

Pulsatilla, Heft 5, 2002, Seite 11-36

CHRISTIAN AHRNS, Halle

Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutzrelevanter Arealdarstellung

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12 Pulsatilla, Heft 5, 2002

(lediglich 5 Sippen gelten als nur mäßig urba-nophob - vgl. FRANK & KLOTZ 1990), womit dieNeophyten-Problematik hier vernachlässigbarist. Betrachtet man Massenbestände der bio-massereichen Laichkräuter nicht als wasser-oder fischwirtschaftliches Hindernis und siehtman von der im Ausland regional noch heuteüblichen Salep-Drogengewinnung aus denKnollen der Knabenkräuter ab, so sind alle die-se Arten wirtschaftlich bedeutungslos.

Unterschiede bestehen in den Lebensfor-men und der Lebensraumbindung, der Kei-mungs- und Bestäubungsökologie, den typi-schen Ausbreitungsmedien, der prozentualenVerteilung der Arealtypen (Tab. 1) und dahernicht zuletzt bei der Mehrheit ihrer familien-spezifischen Gefährdungsursachen.

3 Datenbasis und Methode

Für die exakte Arealdarstellung besteht zwi-

schen Orchideen und Laichkrautgewächsen eindeutlicher Unterschied hinsichtlich der aus-wertbaren Datenmenge (Tab. 2). Die Daten-dichte und ihre topographische Inhomogenitätbegrenzen die Aussagen zum Gesamtareal.

Gliedert man die Darstellung zudem in(mindestens 2) Zeitintervalle, so lassen sichauch Erkenntnisse zur (zumindest regionalen)Arealdynamik ableiten. Das Jahr 1950 hat sichals günstig für eine Zeitschranke erwiesen - sowurde auch hier verfahren (Abb. 1 - 14). Ein“✞ “ für erloschene Vorkommen wurde nur ver-geben, wenn ein vor 1950 bekanntes, publizier-tes Vorkommen später nicht mehr belegt wer-den konnte bzw. die Funde z. B. in einem Ras-terfeld größerflächig erloschen sind und dieswiederum publiziert ist. Ausnahmen sind beiRotbüchern mit Verbreitungskarten oder Ori-ginalarbeiten möglich, in denen das Erlöschenauch nach 1950 (- 1980) noch existent gewese-ner Vorkommen dokumentiert ist. Weitere in

Arealform Potamogetonaceae (in der BRD) Orchidaceae (in der BRD)(Grobklassifikation) absolut % absolut %

europäisch* 5 24 49 68eurasiatisch 2 9 15 21holarktisch 10 48 8 11

(fast) kosmopolitisch 4 19 - -Summe 21 100 72 100

Tab. 1. Arealformenverteilung (nach JÄGER in ROTHMALER 2002, WIEGLEB & KAPLAN 1998 u. a. Quellen).

* Im pflanzengeographischen Sinn, d. h. inkl. (fast) des gesamten Kaukasus und (fast) aller küstennahen Regionen des Schwarzen und des Mittelmeeres.

Art Arealdiagnose Zahl der für die Arealkarte ausgewerteten Quellen

Coeloglossum viride (O) m-sm//mo-arct ° oz1-6 CIRCPOL 257

Potamogeton gramineus (P) m/mo-sm-arct ° oz1-6(-10) CIRCPOL 190

Cypripedium calceolus (O) m/mo-b ° oz2-7 AM + sm/mo-b ° oz2-8 CIRCPOL 217

Potamogeton praelongus (P) (m-sm//mo-)temp-b(-arct) ° oz(1-)2-7(-8) CIRCPOL 153Anacamptis pyramidalis (O) m-temp ° oz1-4(-6) EUR-WAS 112Groenlandia densa (P) m-sm//mo-temp ° oz1-4(-7) EUR(-WAS) 196*

Tab. 2. Paarweise Gegenüberstellung der familiengebunden stark differierenden Literatur-verfügbarkeit für die Erstellung weitgehend äquiformer Areale ausgewählter Orchi-daceae (O) und Potamogetonaceae (P).

* Die Überprüfung (und Tilgung) älterer Angaben über Vorkommen östlich von 60 °ö.L. erfor-derte die Durchsicht einer beträchtlich höheren Anzahl asiatischer Floren.

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CHRISTIAN AHRNS: Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutzrelevanter Arealdarstellung 13

den Arealkarten (Abb. 1-14) verwendete Signa-turen sind:schraffiertes Polygon: mit zahlreichen Fundor-

ten belegtes, kompaktes VerbreitungsgebietPunkt bzw. Dreieck o. ä.: räumlich scharfes,

aber zeitlich unscharfes (Einzel-)Vorkom-men

hohles Polygon: räumlich und zeitlich unschar-fes (Einzel-)Vorkommen

Kreuz im Kreis: SubfossilfundFür die Erstellung von Arealkarten im Welt-

maßstab ist bis heute das manuelle Zusammen-fügen der in Monographien u. a. Originalarbei-ten, in Florenwerken und -atlanten, Datenban-ken usw. enthaltenen Verbreitungsangaben mitder anschließenden Abstraktion zu einem Are-albild unumgänglich. In den Abb. 1 - 14 wurdeder letztgenannte Arbeitsschritt z. T. weggelas-sen, um einzelne Fakten plausibler darzustellen,d. h. hier werden lediglich Arbeitskarten unter-schiedlichen Synthesegrades vorgestellt. Eswurden jeweils alle jeweils verfügbaren effekti-ven Quellen ausgewertet, wobei die rapide

wachsende Informationsfülle künftig wenigs-tens regional zur Beschränkung auf eine Quel-lenauswahl zwingen wird.

4 Diskussion relevanter Einzelfaktoren

Fakten, Konsequenzen und Thesen, die sichaus den stets mit (hier weggelassenen) Annota-tionen versehenen Arealkarten ergeben, sollennachfolgend anhand methodisch wie biologischgeprägter Fallbeispiele vorgestellt werden.

4.1 Arealgröße und GefährdungEin Zusammenhang zwischen Arealgröße

und (potentieller) Gefährdung einer Sippe er-scheint evident: Sowohl Coeloglossum viride alsauch Pseudorchis albida sind in Zentraleuropain primären wie anthropogenen sauren Mager-rasen eingenischt (OBERDORFER 1993) und inRheinland-Pfalz, Bayern, Sachsen u. a. Regio-nen Deutschlands auch gleichermaßen gefähr-det (KORNECK et al. 1996). Coeloglossum besitzthier über die Nardetalia hinaus aber eine weite-

Abb. 1. Areal von Pseudorchis albida (L.) Á. LÖVE & D. LÖVE [inkl. ssp. straminea (FERNALD) LÖVE & LÖVE].

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re soziologische Amplitude (OBERDORFER 2001;ROTHMALER 2002) und im Zusammenhang da-mit ein ungleich größeres Gesamtareal als Pseu-dorchis albida (Abb. 1 und 2).

Obwohl beide auch hinsichtlich vertikalerund Flächenverbreitung innerhalb Deutsch-lands einiges gemeinsam haben, ist angesichtsdieser Gesamtkonstellation Pseudorchis albidain eine höhere Gefährdungskategorie einzustu-fen - so geschehen bei KORNECK et al. (1996).

Im Unterschied zu einigen der hiesigen Po-tamogeton-Arten bleiben sämtliche heimischenOrchideen auf die Holarktis beschränkt (Tab.1): Aus 49 rein europäischen Orchidaceae-gegenüber nur 5 solchen Potamogetonaceae-Arealen resultiert rein mathematisch für unserLand eine relativ größere Verantwortung fürden Orchideenschutz; entsprechende allgemei-nere Quantifizierungsansätze hierzu vermitteltWELK (2001).

4.2 Datendichte und ArealbildNicht nur hierzulande stehen die Orchideen

traditionell im Blickpunkt des Interesses vonprofessionellen wie Laien-Botanikern, zumalunsere holarktischen Orchideen ausnahmslosam Erdboden wachsen und so im Gelände zu-meist gut erreichbar sind. Demgegenüber sinddie wind-, selbst- oder wasserbestäubten Pota-mogetonaceen als überwiegend submers inWassertiefen bis zu mehreren Metern gedei-hende (Sumpf- bis) Wasserpflanzen oft schwe-rer aufzufinden, zu erreichen und teilweiseauch zu determinieren.

Daraus resultieren entsprechende Unter-schiede in der Datenlage: Die jeweils weitge-hend äquiformen Areale von Coeloglossum viri-de und Potamogeton gramineus (Abb. 2 und 3),Cypripedium calceolus und Potamogeton prae-longus (Abb. 4 und 5) oder der monotypischenGattungen Anacamptis und Groenlandia (Abb.6 und 7) ähneln einander zwar mehr oder weni-ger stark in ihren Umrissen, aber die Karten dif-ferieren in der Zahl verarbeiteter Quellen (Tab.2) und erst recht in der Menge dort entnomme-ner Fundpunkte deutlich: Die Orchideen-Area-le erscheinen kompakter.

Allein vom Arealbild Aussagen zur Sied-lungsdichte einer Sippe im Areal oder auch nurTeilen davon ableiten zu wollen, ist stets pro-

blematisch und sollte ohne umfassende Kennt-nis der Geländemerkmale und Ökologie der Artsowie vor allem der methodischen Hintergrün-de beim Erstellen der Arealkarte ausschließlichden Autoren derselben vorbehalten bleiben.

Aus den hier vorgestellten Orchideen-Area-len lassen sich pflanzengeographische Charak-teristika bereits gut erkennen, so z. B. die Ost-seitenbindung von Cypripedium calceolus: VonHULTÉN (1958) noch zu den amphiatlantischenArten gestellt, hat der besonders im mandschu-risch-sibirischen Raum evidente Informations-zuwachs den eurasiatischen Verbreitungs-schwerpunkt zwischenzeitlich ostwärts in Rich-tung Mittelsibirien verschoben: Das heutigeArealbild zeigt eine in Nordamerika deutlichund in Eurasien noch deutlich genug akzentu-ierte Ostseitenart, die aber auch im extremerenOstseitenklima Ost- und Zentralasiens markantzurücktritt bis fehlt (Abb. 4 und Abb. 21 in JÄ-GER 1968); so kongruiert auch die Vorstellungvon Cypripedium calceolus als großblättrigeWaldorchidee der kühlgemäßigten Zone mitder Charakteristik temperater Ostseitenartenvon JÄGER (l. c.: 280).

Bei Potamogeton praelongus scheint es sichindes nach Abb. 5 tatsächlich um eine tenden-ziell amphiatlantische Art zu handeln, auchwenn das Areal noch als zirkumpolar zu be-schreiben ist und nicht exakt der Definitionamphiatlantischer Arten bei HULTÉN (1958: 3)entspricht.

Für den Artenschutz in Mitteleuropa lässtsich folgern, dass Cypripedium-Vorkommenum so höher zu bewerten sind, je weiter(nord)westlich sie liegen. Bei Potamogeton prae-longus gilt aber nicht zwangsläufig das Gegenteil(Abb. 5), da hier die seit den frühpostglazialenVerhältnissen regional unterschiedlich inten-siv(en) sukzessiven wie anthropogen forciertenpH-Verschiebungen und Eutrophierungen derGewässer zu berücksichtigen sind.

4.3 Klimatische InterpretationJedes Gesamtareal beinhaltet die Verbrei-

tungsgrenzen einer Art als Abbild ihrer ökologi-schen Amplitude. Diese areallimitierenden Be-reiche lassen sich in der Regel klimatisch be-gründen, so dass die Quintessenz einer Areal-karte in der interpretierten Verknüpfung von

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CHRISTIAN AHRNS: Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutzrelevanter Arealdarstellung 15

Abb. 2. Areal von Coeloglossum viride (L.) HARTM. s. l.

Abb. 3. Areal von Potamogeton gramineus L.

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16 Pulsatilla, Heft 5, 2002

Abb. 5. Areal von Potamogeton praelongus WULFEN.

Abb. 4. Areal von Cypripedium calceolus L. s. l.

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CHRISTIAN AHRNS: Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutzrelevanter Arealdarstellung 17

mit den jeweils begrenzenden Isothermen u. a.Klimalinien korrelierten Arealgrenz-Abschnit-ten besteht.

Somit hängt bei in genügender Dichte ver-fügbaren Klimadaten die Genauigkeit einerVerbreitungsanalyse von der Exaktheit der Are-algrenzen ab, die wiederum primär durch dieFundpunktdichte bestimmt wird. Diese Punkt-dichte ist an den Arealgrenzen der Orchideenzwar oftmals höher (vgl. Abb. 4 und 5, 6 und 7usw.), aber auch bei den Laichkrautgewächsenzur Festschreibung klimatischer Grenzen stets

ausreichend, sofern nicht noch Einschränkun-gen - vor allem taxonomischer Art (vgl. 4.6) -hinzutreten. Vielfach sind für bestimmte Areal-randbereiche auch Extrapolationen möglichund legitim, zumal sich mediterran-mitteleuro-päische Sippen ähnlicher Verbreitung in dasArealtypen-System von MEUSEL & JÄGER (1992)einordnen und vergleichend analysieren lassen.

Auf dieser Basis wird die Computermodel-lierung von Arealkarten künftig vor allem inden Tropen u. a. wenig inventarisierten Regio-nen der Erde rasant an Bedeutung gewinnen.

Abb. 6. Areal von Anacamptis pyramidalis (L.) RICH.

Abb. 7. Areal von Groenlandia densa (L.) FOURR.

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18 Pulsatilla, Heft 5, 2002

4.4 Räumliche Homogenität der zeitlichen DynamikAus Naturschutzsicht mindestens ebenso

interessant wie die sukzessive räumliche ist dieanthropogen forcierte zeitliche Dynamik inner-halb des Areals. Eine Darstellung dieses Wan-dels setzte aber die Verfügbarkeit zeitlich diffe-renzierter Daten in möglichst gleicher Qualitätfür alle Arealbereiche voraus, was auf absehbareZeit wohl unrealistisch und heute am ehestenbei einigen Lokalendemiten machbar erscheint.

Diesen Ansprüchen genügende Atlanten fürkomplette bzw. wesentlichste Teile der Florenliegen uns bisher für einige Staaten Nordwest-und Zentraleuropas vor (PERRING & WALTERS

1990; VAN ROMPAEY & DELVOSALLE 1979; MEN-NEMA et al. 1980, 1985; VAN DER MEIJDEN et al.1989; HAEUPLER & SCHÖNFELDER 1989; BENKERT

et al. 1996). Nachahmenswert ist das OPTIMA-Projekt zur Kartierung der Orchidaceae desMittelmeergebietes (BAUMANN & KÜNKELE

1980), in dem ebenfalls eine zeitliche Differen-zierung angestrebt wird.

Aus Japan, dem Gebiet um die Großen Seendes östlichen Nordamerika und weiteren High-Tech-Zentren sind uns „lediglich“ mehr oderweniger aktuelle Florenwerke bzw. -atlanten,aber bisher weder Gefährdungs- noch zeitlichdifferenzierte Rasterkartenanalysen bekannt ge-worden.

Für Zentralasien liegen einige gründlicheDokumentationen vor (z. B. GRUBOV & EGORO-VA 1977; YU-CHUAN 1985; GUBANOV 1996), dieaber auf bis über 100 Jahre alten Belegen auf-bauen und mangels entsprechender Daten jeg-lichen dynamischen Aspekt vermissen lassen;daher finden sich u. a. in diesen RegionenPunkte in den Karten, die seit über 100 Jahrenerloschen sein können, während etwa in Zen-traleuropa “✞ “-Signaturen für Fundorte mög-lich sind, die 1945 oder gar 1970 noch existier-ten!

Als Resultat dieser Datenheterogenität er-scheinen in aktuellen Holarktis-ArealkartenNordwest- und Zentraleuropa regelmäßig als„Artensterbezentren“ - ein in dieser Fokussie-

Abb. 8. Areal von Potamogeton friesii RUPR.

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CHRISTIAN AHRNS: Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutzrelevanter Arealdarstellung 19

rung völlig verfehlter Eindruck, der typisch et-wa in den Abb. 2 und 3 oder bei WELK (2001:Abb. 1) vermittelt wird.

Noch eklatanter werden die Erfassungsdefi-zite selbst in den bestkartierten Ländern derWelt bei taxonomisch problematischenund/oder habituell unauffälligen Sippen, wofürschmalblättrige Potamogeton-Arten als Modell-beispiel gelten müssen (z. B. Tab. 3): WährendPotamogeton gramineus zumeist breiteSchwimmblätter sowie als Besonderheit auchLandformen (CHARKEVIČ 1987; OBERDORFER

2001) ausbildet und so vergleichsweise gutkenntlich ist, lässt das Arealbild von Potamoge-ton friesii nicht einmal das „zentraleuropäischeAussterbezentrum“ erkennen, obwohl beideArten in Deutschland als gleichermaßen starkgefährdet gelten (KORNECK et al. 1996): Der

Grund liegt beim obligat submersen und nichtleicht zu determinierenden Potamogeton friesiiin der vor allem betreffs der historischen Fundegeringeren Datendichte, was sich über das ge-samte Areal verfolgen lässt (vgl. Abb. 3 und 8).

Zu resümieren ist erneut, dass die Orchi-deen den positiven Kontrast zu den (schmal-blättrigen) Potamogeton-Arten und vermutlichinsgesamt den positiven Extremfall unter allenholarktischen Gefäßpflanzen darstellen: Zahllo-se Originalarbeiten erhöhen hier nicht nur dieFundortdichte beträchtlich, sondern tragenvielfach auch zu einem topographisch breitergestreuten Überblick zur zeitlichen Dynamikbei.

Es stellt sich die Frage, ob das Einfügen erlo-schener Vorkommen in die Arealkarten ange-sichts solcher Konfliktansatzpunkte überhaupt

Erfasste Vorkommen Änderungvor 1950 ab 1950 absolut [%]

r. Groenlandia densa 120 101 -19 -15,8

t Potamogeton alpinus 142 126 -16 -11,3

t Potamogeton coloratus 4 2 -2 -50

ä Potamogeton crispus 411 894 483 117,5

l Potamogeton gramineus 87 55 -32 -36,8

b Potamogeton lucens 438 493 55 12,6

t Potamogeton natans 809 1032 223 27,6

i Potamogeton nodosus 8 10 2 25

e Potamogeton perfoliatus 460 437 -23 -5

r Potamogeton polygonifolius 272 172 -100 -36,8

b Potamogeton praelongus 24 14 -10 -41,7Mittelwert 51 -1,3

l. Potamogeton acutifolius 38 105 67 176,3

b Potamogeton compressus 131 271 140 106,9

l Potamogeton friesii 75 284 209 278,7

a Potamogeton obtusifolius 110 204 94 85,4

m Potamogeton pectinatus 565 1081 516 91,3

h P. pusillus & berchtoldii 274 629 355 129,6

c Potamogeton trichoides 16 337 321 2006,2

s Mittelwert 243 410,6

Art

Tab. 3. Mutmaßlich durch unterschiedliche Erfassungsintensität suggerierte „Pseudo-Di-vergenz“ der Dynamiktrends breit- und schmalblättriger Potamogetonaceae in denNiederlanden.(Daten nach MENNEMA et al. 1980, 1985; VAN DER MEIJDEN et al. 1989).

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Groenlandia densa + + + + + - : : : : : - - + - : : :

Potamogeton acutifolius + + - - - - - - ? : : - - - - : : :

e Potamogeton alpinus + + + + - - - - ? : : - - ? - - ? -

a Potamogeton berchtoldii - - - - - - - - - - - - - - - - - -

e Potamogeton coloratus + + + - - : : : : : : - - ? : : : :

c Potamogeton compressus + + + - - - - - - - - : - - - : - :

a Potamogeton crispus - - - - - - - - - : - - - - - - - -

n Potamogeton filiformis + + : : - - - - : - - - : : : - - +

o Potamogeton friesii + + + - - - - - - - : - : + - : ? :

t Potamogeton gramineus + + + + - - - - - - - - - - - - - -

e Potamogeton lucens - - - - - - - - - - - - - - - - - :

g Potamogeton natans - + - - - - - - - - - - - - - - - -

o Potamogeton nodosus - + - - - - - ? : : - - - - - - -

m Potamogeton obtusifolius + + - - - - - - - - - + - ? - : - :

a Potamogeton pectinatus - - - - - - - - - - - - - - - - - -

t Potamogeton perfoliatus - - + + - - - - - - - - - - - - - -

o Potamogeton polygonifolius + + ? ? - - - : : : : - - - : : : :

P Potamogeton praelongus + + + ? - - - - ? - - - : + - : : +

Potamogeton pusillus - + - - - - - - - - - - - - - - - -

Potamogeton rutilus + : ? ? - - - - : : : : : : - : : :

Potamogeton trichoides + + + + - ? ? - - : : - - + - - : :

Cephalanthera damasonium - - + + - : : + : : : - - - + : : :

Cephalanthera longifolia - - + + - + ? + ? : ? - - - + : - :

Cephalanthera rubra - - + + - + + + + : : - - - + : : :

Coeloglossum viride + - + + - + + + + - - - - - + : - :

Cypripedium calceolus + + + + - + + + + + + + - + + : - :

e Dactylorhiza fuchsii ? - + + - - - - - + : - : : + : : :

a Dactylorhiza incarnata + + + + - - + - - - - - - - + : - :

e Dactylorhiza majalis + - + + - + + + + : : - : : + : : :

c Dactylorhiza maculata s. str. + - + + - + - - + : : ? : : + : : :

a Dactylorhiza russowii + : + : - + + ? + : : : : : : : : :

d Dactylorhiza sambucina + + + + - - - + : : : - - - + : : :

i Dactylorhiza traunsteineri + + + - - - - - + : : - - - + : : :

h Orchis coriophora + + + + - - - + : : : - - - - : : :

c Orchis mascula - - + + - + + + : : : - - - - : : :

r Orchis militaris + + + + - + + + - + : - + + + : ? :

O Orchis morio + + + + - + + + : : : - - - + : : :

Orchis pallens + + + + + : : : : : : - - - + : : :

Orchis palustris + + + + - : : : : : : + - - + ? : :

Orchis purpurea + + + + + : : ? : : : - - - + : : :

Orchis tridentata + + + + + : : : : : : - - - + : : :

Orchis ustulata + - + + - + - + - : : - - - + : : :

Tab. 4. Präsenz von je 21 in Deutschland indigenen Potamogetonaceae und Orchidaceae in 16 ausgewählten Gefährdungsanalysen.

+ im betreffenden Gebiet vorkommend und als gefährdet eingestuft- im betreffenden Gebiet vorkommend, aber nicht als gefährdet eingestuft: im betreffenden Gebiet aus ökogeographischen Gründen fehlend? Präsenz oder bzw. und Gefährdung unklar

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CHRISTIAN AHRNS: Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutzrelevanter Arealdarstellung 21

sinnvoll ist: Dies soll hier dennoch klar bejahtwerden, weil

1) auf diese Weise weltweit akuter Hand-lungsbedarf in Sachen Inventarforschung undNaturschutzengagement aufgezeigt wird;

2) bei Kenntnis der methodischen Hinter-gründe und naturwissenschaftlichen Zu-sammenhänge sinngebende Extrapolationenzur Dynamik durchaus möglich sind;

3) das Weglassen erloschener Fundorte ei-ner Unterschlagung vorhandener Informatio-nen gleichkäme.

4.5 Repräsentanz in Rotbüchern bzw.GefährdungsanalysenAlle 21 in ROTHMALER (2002) für Deutsch-

land genannten Arten der Laichkrautgewächseund ebenso viele (ausgewählte) der Orchideenwurden daraufhin überprüft, wie oft sie in den16 in Tab. 4 genannten Rotbüchern usw. vertre-ten sind: In der auf soliden Einstufungskriterienund einer überdurchschnittlichen Datenbasisfußenden Roten Liste für die BRD (KORNECK etal. 1996) stehen 13 Potamogetonaceae „nur“ 16Orchidaceae gegenüber: Klammert man die(Fast-)Kosmopoliten Potamogeton crispus, no-dosus, pectinatus und perfoliatus aus, so ergibtsich für beide Familien ein Anteil gefährdeterArten von 76 bzw. 81 %. Als Kontrastbeispielsei das Rotbuch der Ukraine (SYTNIK et al. 1988)zitiert, in dem 0 % bedrohter Potamogetonace-ae immerhin 90 % der 20 in der Ukraine prä-senten von den 21 hier überprüften Orchideengegenüber stehen!

Allgemein wurde in keinem vor 1995 publi-zierten Rotbuch russischsprachiger Gebiete einals gefährdet eingestuftes Laichkraut gefunden(z. B. Tab. 4); erst ABRAMOV (1997) führt neben18 Orchidaceae auch 2 Potamogetonaceae undweitere Wasserpflanzenarten auf. Das Rotbuchvon Bulgarien (VELČEV et al. 1984) ist die einzi-ge in Tab. 4 erfasste Gefährdungsanalyse, diebei den Potamogetonaceae mehr gefährdete Ar-ten nennt als bei den dort wie hier vorkommen-den ausgewählten Orchidaceae.

Welche Folgen eine latente Datenheteroge-nität haben kann, verdeutlicht etwa die Auswei-sung des nach WIEGLEB & KAPLAN (1998) über 3Kontinente verbreiteten und selbst in Zentral-europa teilweise eher unterkartierten (vgl. Tab.

3!) Potamogeton trichoides Cham. et Schltdl. als„Weltweit gefährdete Sippe“ sogar bei KORNECK

et al. (1996: 156). Die „Orchideen-Lastigkeit“ vieler Rotbücher

kommt wiederum den Orchideen-Arealentwür-fen zugute, da den Rotbüchern besonders im(süd)osteuropäisch-sibirischen Raum zumeistVerbreitungskarten beigegeben sind.

Nicht wegzudiskutieren ist andererseits einaus Naturschutzsicht psychologisch unglück-licher Begleiteffekt solcher oft besonders sensi-ble Arealrandlagen darstellenden Detailverbrei-tungskarten an exponierter Stelle!

4.6 Taxonomisch-chorologische ProblemeDie mehr oder weniger weit gefasste Um-

grenzung einer Sippe im taxonomischen Sinnist logisch mit deren Gesamtverbreitung korre-liert und hat daher direkten Bezug zur (poten-tiellen) Gefährdung (vgl. 4.1; JÄGER & HOFF-MANN 1997). Neben dieser weiter unten abzu-handelnden hierarchischen Komponente wirdhier zunächst verdeutlicht, welche Problemeschon bei taxonomisch gleichrangig geführtenSippen entstehen.

Cephalanthera longifolia reicht nach aktuel-lem Stand ostwärts bis Zentralchina, benötigtaber als spät austreibende thermophile Wald-orchidee eine Vegetationsperiode von N 170 Ta-gen und fehlt zumindest unter den gegenwärti-gen Klimabedingungen in Sibirien. Mit Cephal-anthera longibracteata BLUME 1858 existiert einevikariierende oder mit C. longifolia identischeSippe in Ostasien (Abb. 9). Diese fernöstlichenVorkommen weisen weder ökogeographischnoch morphologisch wesentliche Unterschiedezur europäischen C. longifolia auf: Nordwärtswirken weniger als ca. 170 Tage Vegetationszeitund südwärts Julimitteltemperaturen über 24 °C limitierend, nach Zentralasien hin Jahres-niederschläge unter 400 mm. Das in ostasiati-schen Floren strapazierte Trennmerkmal derstets fast laubblattartig vergrößerten unterstenBlütentragblätter ist nichtig, da diese zuweilenauch in europäischen Populationen auftreten(z. B. BUTTLER 1996; BAUMANN & KÜNKELE

1988). Das Problem besteht lediglich in der schar-

fen Disjunktion zwischen beiden (Teil-)Arealenin der nordwest- und nordostchinesischen Flo-

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22 Pulsatilla, Heft 5, 2002

renprovinz (Nei Mongol Zizhiqu; Hebei) sensuMEUSEL & JÄGER (1992), die durch das strengmonsungeprägte dortige Klima mit 50 bis über70 % Jahresniederschlag im Zeitraum Juni -August bedingt ist: C. longifolia ist zwar auch andas asiatische Monsunklima angepasst (vgl. NA-SIR & ALI 1972), meidet aber dessen Kerngebie-te. Die starke Arealfragmentierung im Bereichdes ausgeprägten Ostseitenklimas deutet, wieauch die (heute) isolierten Vorkommen im Sü-dural und in Hyrkanien als exponierten Regio-nen mit „etwa gleichem Anteil von Ost- undWestseitenarten“ und „Vorposten von Ostsei-tenarten in Europa“ (JÄGER 1968: Abb. 21), aufeinen Reliktcharakter all dieser (rand)asiati-schen Populationen hin; damit wäre zugleichdie erstrangige Schutzwürdigkeit der asiati-schen, insbesondere der ostasiatischen Vor-

kommen dieses Formenkreises festgeschrieben- prioritär noch vor Bemühungen um denSchutz der (heute) klar westseitenorientiertenC. longifolia in Europa!

Icon. Corm. Sinic. V (1976) nennt letzterefür Südwest-, West- sowie Nordchina und er-wähnt C. longibracteata nicht, gibt aber alsnördlichste Provinzen die zentralchinesischenRegionen von Gansu, Shaanxi und Henan an.Auch RENZ (in RECHINGER 1978) nennt C. longi-folia für Zentralasien, Korea und Japan, ohne C.longibracteata auch nur als Synonym zu erwäh-nen. - Die Indizien für eine Identität beider Sip-pen erscheinen ausreichend, doch werden beidebis zu einer definitiven Klärung getrennt darge-stellt (Abb. 9).

Die ostwärtige Arealausweitung um etwa 40Längengrade wäre ein beträchtlicher Zugewinn

Abb. 9. Areale von Cephalanthera longifolia (L.) FRITSCH (eurasiatisch) und „Cephalanthera longibracteata BLUME“ (ostasia-tisch).

Cephalanthera longifolia (L.) FRITSCH

Cephalanthera longibracteata BLUME

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CHRISTIAN AHRNS: Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutzrelevanter Arealdarstellung 23

von N 10 % der bisher einhellig akzeptierten Ge-samtverbreitung von C. longifolia (HULTÉN &FRIES 1986: Karte 540) und dürfte somit nachden bei SCHNITTLER & LUDWIG (1996: 727) fi-xierten Kriterien für mögliche Gefährdungsein-stufungen zumindest in Asien durchaus rele-vant werden.

4.7 Taxonomisch-hierarchische Relevanz und SippenabgrenzungenDie Arealweite einer (Klein-)Art hängt nie

von deren Rangeinstufung ab: Ophrys mammo-sa DESF. 1807 hat dasselbe Areal wie Ophryssphegodes ssp. mammosa (DESF.) SOÓ 1958. DieVerantwortung der Einstufung nach makrosko-pisch-morphologischen, molekularen, chorolo-gischen u. a. Kriterien obliegt allein kundigenTaxonomen - worunter es aber gerade unter

den Orchideenkundlern auch weniger kritischegeben mag.

Die Chorologie ist somit gefordert, Daten-grundlagen beizubringen. Pragmatisch bedeu-tet dies als oberstes Gebot, bei unklaren taxono-mischen Rangstufen offensichtlich eng ver-wandter Sippen zunächst das Areal des gesam-ten Formenkreises sensu lato (= im weitenSinn) darzustellen, wobei sich oft schon Hin-weise auf eher höhere oder niedere Rangstufenergeben.

Am Vergleich von Ophrys sphegodes s. l. undOphrys holoserica s. l. (Abb. 10 und 11) lässt sichdas beispielhaft nachvollziehen: Während dieincubacea-, araneola-, exaltata-, mammosa- undtranshyrcana-Sippen des sphegodes-Aggregatesökogeographisch gut und plausibel gegeneinan-der abgegrenzt sind, zeigt sich beim holoserica-

Abb. 10. Areale von Ophrys sphegodes MILL. s. str. sowie einigen Nächstverwandten.

Ophrys sphegodes MILLER

Ophrys incubacea BIANCA

Ophrys araneola RCHB.

Ophrys exaltata TEN.

Ophrys mammosa DESF.

Ophrys transhyrcana CZERNJAK.

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Aggregat ein Desaster: Allein für Kreta werdeneinschließlich der Nominatform (mindestens)3 (Unter-)Arten angegeben, zudem bildet dieNominatform selbst in fast allen 8 Himmels-richtungen die Arealgrenze! - Als Konsequenzwäre vom holoserica-Aggregat aktuell nur dasGesamtareal im weitesten Sinn darzustellen, bisder Formenkreis sinnvoll geordnet erscheint. In

die Abb. 10 und 11 sind der Übersichtlichkeithalber keineswegs alle z. B. bei BAUMANN &KÜNKELE (1988) auch nur im Artrang präsen-tierten sphegodes- und holoserica-Verwandtenaufgenommen worden.

Im Gegensatz zu den weiter oben umrisse-nen Fällen sieht sich hier der Bearbeiter der Po-tamogetonaceae im Vorteil: Die immense mor-

Abb. 11. Areale von Ophrys holoserica (BURM. fil.) GREUTER s. str. sowie einigen Nächstverwandten.

Ophrys holoserica (BURM. fil.) GREUTER

subsp. elatior GUMPRECHT

subsp. oxyrrhynchos (TOD.) SOÓ

subsp. pollinensis NELSON

subsp. apulica DANESCH

subsp. maxima (FLEISCHM.) GREUTER

subsp. holubyana (ANDRAS.) DOST.

subsp. candica NELSON

subsp. heterochila RENZ & TAUBENHEIM

subsp. orientalis RENZ

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phologische Variabilität von Wasserpflanzen istseit langem bekannt, so dass selbst bei sehr gro-ßen Potamogeton-Arealen vergleichsweise weni-ge infra- oder conspezifische Taxa zu berück-sichtigen waren; selbstverständlich existierenauch hier Entwicklungsreihen u. a. Differenzie-rungen innerhalb der Gattungen und Arten:DAUMANN (1963) verweist auf blütenökologi-sche Progressionsreihen wie die obligate Wind-bestäubung bei P. natans und nodosus, aber fa-kultative Wasserbestäubung bei P. lucens.WIEGLEB & KAPLAN (1998) nennen zahlreicheKleinsippen und Ökomorphosen - wie etwa „P.helveticus“ - von P. pectinatus.

Die nach WIEGLEB & KAPLAN (1998) welt-weit 69 Arten und N 50 Hybriden umfassendeGattung Potamogeton birgt eine in Jahrmillio-nen gereifte genetische Vielfalt, deren perma-nente relative Stabilisierung durch Vogelaus-breitung über Früchte als auch klonal über Tu-rionen selbst an den Arealrändern etwa inMetapopulationen vorstellbar erscheint. - Diestenöken und daher oft stenochoren, insekten-oder selbstbestäubten, ausnahmslos konkur-renzschwachen hiesigen Orchideen stehen hin-gegen auf durchschnittlich geringerer Flächeunter permanentem Selektionsdruck sowohldurch Bestäuber (z. B. WILLEMS & LAHTINEN

1997) als auch die Begleitflora und haben keineden Turionen vergleichbare Möglichkeit derFernausbreitung vegetativer Diasporen.

Da Windausbreitung in der Regel wenigereffektiv ist als Vogelausbreitung und die hoch-spezifische Insektenbestäubung selektierenderwirkt als Wind- oder Wasserbestäubung bzw.klonale Vermehrung, variieren Orchideen anihren Arealrändern u. U. stärker und degenerie-ren dort vermutlich schneller (vgl. z. B. ECCA-RIUS & HEINRICH in ECCARIUS 1997 für Ophrysaraneola) als Laichkräuter , dürften aber auchschneller neue Sippen evolvieren.

Aus den dargelegten systematischen Proble-men lässt sich für die Praxis kritisch ableiten:

1) Auf dem taxonomischen Sektor wirktsich die überdurchschnittlich hohe Zahl derOrchideen-Bearbeiter eher nachteilig aus.

2) Obgleich das Areal einer Sippe von ihrertaxonomischen Rangzuweisung unabhängig ist,liegt eine Tragik der infraspezifischen Rangstu-fen in ihrer mangelnden Präsenz in checklists,

Verbreitungskartendateien usw., was wiederumauf ihre Unterrepräsentanz bei der Geländeda-tenerhebung zurückführbar ist.

3) Korrelationen etwa zwischen Arealkartenund Evolutionsgeschwindigkeiten bis hin zuHeterobathmien sind heute eher noch Visio-nen. Parallelisiert man Abundanzzentren ver-einfacht mit Vitalitäts- und Genzentren, sokönnte eine künftig höhere Datendichte denchorologischen Einfluss bei der Klärung vonSippenabgrenzungen stärken helfen, zumal derAnteil molekularer Expertisen in der Taxono-mie aktuell rapide zunimmt.

4.8 StatusproblemeDas Hauptziel des Naturschutzes besteht im

Erhalten der bodenständigen Vielfalt natür-licher Strukturen, wobei Laichkräutern und Or-chideen in Zentraleuropa dabei Schlüsselfunk-tionen zukommen; letzteres betrifft auch diegrundsätzliche Bedeutung von Statusfestlegun-gen für den Naturschutz. Einzelne dieser unsri-gen „Ur-Floren-Elemente“ können aber ande-renorts durchaus als Plage angesehen werden,wenn sie sich als Neophyten massiv in die Flo-ren einnischen - ähnlich wie z. B. Impatiens par-viflora DC. oder Fallopia japonica (HOUTT.)RONSE DECR. in Deutschland.

Potamogeton crispus ist salztolerant, euryök(ELLENBERG in ELLENBERG et al. 1992; OBERDOR-FER 2001), besiedelt (fast?) alle Florenreiche(Abb. 12) und ist somit ein Kosmopolit sensuSCHROEDER (1998: 101). Die Art dürfte eherüberdurchschnittlich gut erfasst sein (vgl. 4.4),gilt sie doch als morphologisch bestkenntlicheinnerhalb der Gattung (WIEGLEB & KAPLAN

1998). In Amerika, wo P. crispus im Süden seit

N 120 Jahren (z. B. TUR 1982), in Mexiko undim Norden noch wesentlich länger bekannt ist(GONZALEZ GUTIERREZ 1989), wird die Art spä-testens seit FERNALD (1932) und DANDY (1937)als eingeschleppt angesehen (z. B. WIEGLEB &KAPLAN 1998) - nur wenige amerikanische Au-toren stellen dies in Frage (z. B. VOSS 1972; TUR

1982).Für den Neophyten-Status in Amerika sprä-

che, daß P. crispus nordwärts nur bis zur tempe-raten Florenzone holarktisch verbreitet ist(Abb. 12) und andere altweltliche Wasserpflan-

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zen mit vergleichbarer nördlicher Arealgrenzezumindest heute in Amerika fehlen.

Neutralisieren lassen sich Darstellungen et-wa von FERNALD (1932: 122, Fußnote 2), wo-nach die Art ein lokal aggressives Unkraut sei:Massenvermehrungen des P. crispus sind z. B.auch aus Ägypten bekannt (TÄCKHOLM 1974; EL

HADIDI & FAYED 1995); auch für die Niederlan-de ist ein unter den breitblättrigenPotamogeton-Arten überproportionaler Anstiegder Nachweise dokumentiert (Tab. 3). Die nachFRANK & KLOTZ (1990) nur mäßig urbanophobeArt vermag etwa mit steigender Besiedlungs-dichte und/oder Nutzungsintensität einherge-hende anthropogene Gewässerbelastungen biszu einem bestimmten Maß für Expansionen bisGradationen zu nutzen (vgl. z. B. KLEINSTEUBER

& WOLFF in SEBALD et al. 1998). Gegen den Neophyten-Status in Amerika

finden sich mehrere Argumente: 1) Potamogeton-Samen können Jahrzehnte

keimfähig sein (VAN DE WEYER 1997), sind aberfür die Reproduktion am Standort der Mutter-pflanzen zumeist bedeutungslos (BRUX et al.1989). Entscheidend stimuliert wird ihre Kei-mung nach GILLHAM sowie SMITS et al. (zit. inBONN & POSCHLOD 1998) vielfach erst nach Pas-sage von Vogeldärmen; als Maximaldistanzenendoornithochorer Fernausbreitung werdenvon DE VLAMING & PROCTOR (zit. l. c.: 94)immerhin Strecken von über 2500 Meilen dis-kutiert.

2) Diverse Wasservogelarten queren aufverschiedenen Routen die Ozeane zwischenNeuer und Alter Welt (vgl. SCHÜZ et al. 1971):Regulär transatlantisch zieht Puffinus puffinus,regulär transpazifisch Puffinus tenuirostris; fürdie oft variabel ziehende Anas acuta wurde spo-radisch beides beobachtet. Transpazifische Mi-gration ist auch bei Sterna hirundo nachgewie-sen. Sterna paradisaea frequentiert auf jährlichüber 30 000 km Zug regelmäßig alle 6 Floren-reiche - hervorgehoben seien nur die zirkuman-tarktischen, die Südküsten der Südkontinentetangierenden Teilrouten. Pendelzüge oder garinterkontinentale Verdriftungen ganzer Vo-gelschwärme durch Witterungsextreme sindzwar nicht alltäglich, runden aber das Bild vomSpektrum der auch für Vogelausbreitung vonDiasporen so wichtigen Zufallsereignisse ab.

3) Die Nordgrenze von P. crispus folgt heu-te in Asien und Amerika jeweils der 17,5 °C-Ju-li-Isotherme, in Europa wohl wegen des Golf-strom-Einflusses der 12,5 °C- (Britische Inseln)bzw. 15 °C- (Norwegen) und (ca.) 16,5 °C-Juli-Isotherme (Finnland). HULTÉN (1971: Karte92) verzeichnet einen Subfossilfund der Art bei66 °n.B. am Ylikitka-See (Finnland), der heutebeinahe von der 14,5 °C-Juli-Isotherme tan-giert wird (Climatic atlas 1970, 1979 & 1981).Schon geringe Änderungen von Klimaparame-tern bzw. Meeresströmungen genügten, umdiese Arealgrenze von P. crispus deutlich nord-wärts zu verschieben, zumal solche Schwan-kungen stets im ökosystemaren Kontext zu se-hen sind - vgl. z. B. SCHÜZ et al. (1971: 109) zurDynamik der Brutplatzwahl von Puffinus puffi-nus an der Ostküste Nordamerikas seit 1800.Nichts spricht dagegen, dass derartige Konstel-lationen seit dem Postglazial zuweilen gegebenwaren.

Als Gründe für den südwärtigen Rückzugvon P. crispus, Ceratophyllum submersum undweiteren basiphilen Wasserpflanzen kommenneben Abkühlung und Verlandungsprozessenvor allem auch Azidifikationen, d. h. natürlicheund teilweise anthropogen forcierte Versaue-rungen in Betracht (LANG 1994: 198 ff.).

4) Vergleiche mit Arten äquiformer Arealeliefern weitere Indizien: Sowohl die nur einjäh-rige Najas marina als auch der ausdauernde P.crispus leben obligat untergetaucht, sind salzto-lerant und vogelverbreitet. Obwohl N. marinaeinen geringfügig subkontinentaleren Verbrei-tungsschwerpunkt hat, ähneln die Areale beiderArten im globalen Maßstab einander: ImUnterschied zu P. crispus halten HULTÉN & FRIES

(1986) N. marina in der gesamten Holarktis fürindigen! - Es erhebt sich die Frage, inwiefern ei-ne gewisse Salzwasserresistenz vor allem der Di-asporen von eminenter Bedeutung für derartigeAusbreitungsvorgänge bzw. Statusfragen ist.

Als Kontraste dazu seien Nymphoides peltataund Trapa natans zitiert, deren postglazial syn-anthroper Status in (Nord-)Amerika außer Fra-ge stehen dürfte: Beide Arten haben deutlichsubkontinentalere Arealkerne als die beidenvorgenannten und Trapa auch größere, schwe-rere und für Fernausbreitung ungleich wenigergeeignete Früchte, die in prähistorischer Zeit

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vermutlich als menschliche Nahrung dienten(LANG 1994: 209), während Nymphoides alsZierpflanze (MABBERLEY 1997) wohl gleichfallsanthropogen ausgebreitet wurde; beide bedür-fen zudem intensiver Sommerwärme (OBER-DORFER 2001) und sind vor allem reine Süßwas-serarten (ELLENBERG in ELLENBERG et al. 1992).

Geht man davon aus, dass bei unseren Or-chideen tatsächlich ausschließlich Windaus-breitung möglich ist (ROTHMALER 2002), so er-scheint in der erdgeschichtlichen Gegenwart dieDistanz zwischen Eurasien und Nordamerikaspontan kaum überbrückbar - am ehesten nochvon selbst in der arktischen Florenzone fruch-tenden Arten.

Epipactis helleborine ist die einzige in Europaurwüchsige Sippe, die synanthrop nach Nord-amerika gelangt ist und sich dort auch einbür-gern konnte (LUER 1975): Seit 1879 erfolgte vonden ersten Nachweisen im Umfeld großer Städ-te des Ostteils eine westwärtige Ausbreitung bismindestens 111 °w.L. im US-Bundesstaat Mon-tana.

E. helleborine besiedelt in Nordamerika ne-ben schattigen Wäldern, Sphagnum-Mooren,gehölzbestockten Sanddünen u. a. auch Hoch-

wasserschutzdämme und Müllkippen, ver-mehrt sich unter Gehölzen selbst in Gärten(LUER 1975; CASE Jr. 1987). Angesichts der frü-her offizinellen Verwendung (LUER 1975) sowieihrer Attraktivität als Zierstaude verdichtet sichdas nordamerikanische Siedlungsgebiet der E.helleborine zum Areal-Bild eines expandieren-den Neophyten.

Auch hier fragt sich, wie die - vermuteteoder erwiesene - Einschleppung von Arten aufandere Kontinente und ihre dortige Etablierungaus Naturschutzsicht zu bewerten ist: Zumin-dest vorsätzliche „Bereicherungen“ von Wild-floren sollten weltweit verboten werden, umdiese zielgerichteten „Naturverschönerungen“wenigstens bestmöglich einzudämmen. Einmaletablierte Neophyten sollten hingegen so langenicht bekämpft werden, wie sie keine indigenenSippen nachweislich aktiv verdrängen.

4.9 Fossile Nachweise und ArealentstehungFür die Aufklärung von Sippendifferenzie-

rung und präholozäner Arealdynamik birgt Po-tamogeton ein größeres Potential als die Orchi-deen, da von letzteren wegen der geringen Sedi-mentationsrate ihrer Standorte, ihrer zumeist

Abb. 12. Areal von Potamogeton crispus L.

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aggregierten Pollenstruktur und aus weiterenGründen ungleich weniger auswertbare Fossi-lien belegt sind (vgl. MEHL 1986).

Sowohl Potamogetonaceae als auch Orchi-daceae sind für Europa stichhaltig seit dem Ter-tiär nachgewiesen: Im Eozän gab es allein in Eu-ropa über 80 nach Endokarpmerkmalen unter-schiedene Potamogeton-Arten, erste rezenteVertreter seit dem Obermiozän (MAI 1995:219). Umstritten ist die systematische Zuord-nung gleichfalls eozäner Fossilien zu den Orchi-deen, so dass Eoorchis miocaenica MEHL derzeitals ältester glaubwürdiger Orchideenfund gilt.

Gelingt trotz ihrer oft weiten Verbreitungund zuweilen taxonomisch problematischenMerkmalsarmut bei rezenten Potamogeton-Ar-ten die Rekonstruktion ihrer Areale vor allemfür deren frühe Phasen eher als für die phyloge-netisch eventuell viel jüngeren rezenten Orchi-deen, so kehrt die „rückwärts voranschreiten-de“ historische Arealaufklärung auch dieseVerhältnisse um: Der Rückschluss von der heu-tigen Verbreitung auf die Arealgenese konkre-ter Sippen ist für die Potamogetonaceen ausmehreren Gründen komplizierter als für vieleOrchideen:

1) Die Areale in Deutschland heimischerPotamogetonaceae sind im Mittel deutlich grö-ßer als diejenigen der entsprechenden Orchida-ceae (Tab. 1). Gerade von den südlich der Ho-larktis gelegenen Florenreichen fehlen aber viel-fach Fossilbelege sowie vor allem einigermaßenhomogen kleinräumig erfasste Vorkommen ausden jüngsten Jahrzehnten.

2) Wie oben dargelegt, ist die Dichte aktuel-lerer Daten bei den Orchideen in der Regel hö-her, d. h. die bei den Potamogetonaceen weni-ger scharfen Arealgrenzen inkl. Vorposten sindanalog evolutionstheoretisch wie ökogeogra-phisch weniger optimal begründbar.

3) Beträchtlich erschwert wird die Arealab-grenzung durch zahlreiche Hybriden zwischenden Arten beider Familien: Sind bei den hiesi-gen Orchideen Hybridpflanzen zumeist ma-kroskopisch sicher zu determinieren und amFundort die Eltern oft in nächster Nähe, so istdies bei den milieubedingt ohnehin polymor-phen Potamogetonaceen oft nicht gegeben undeine sichere Identifikation von Hybriden viel-fach nur nach anatomischen Untersuchungen

möglich: HAGSTRÖM (1916) behandelt 62 Pota-mogeton-Hybriden, WIEGLEB & KAPLAN (1998)listen immerhin noch 50!

4) Verallgemeinernde Aussagen zu be-sonders effektiven Ausbreitungstypen sind bis-lang schon deshalb kaum möglich, weil Mehr-fachausbreitungen als Kombination mindestenszweier Ausbreitungstypen bisher (nach BONN &POSCHLOD) kaum untersucht sind. Evident er-scheint aber, dass die Bedeutung des Zufalls fürden Ausbreitungsprozess mit zunehmenderEntfernung und abnehmender Vorkommens-häufigkeit anwächst (BERG u. a. m. zit. in BONN

& POSCHLOD 1998: 26).Bei Potamogeton-Arten oft weit außerhalb

der klimatischen Grenzen des Hauptareals er-mittelte Vorposten-Vorkommen deuten gegen-über den kompakteren Orchideen-Arealen an(z. B. Abb. 2 und 3 sowie 4 und 5), dass Vögelein hinsichtlich der überbrückbaren Distanzendeutlich größeres Ausbreitungspotential habenals Wind. Zielgerichtet etwa bestimmte Binnen-gewässer anfliegende Wasservögel stellen geeig-nete Hydrophytenstandorte präferierende Vek-toren dar, wodurch der so „begünstigte Zufall“letztlich disjunktere Areale gegenüber dem rei-nen Zufall bei der Windausbreitung wahr-scheinlicher werden lässt.

5) Bestäubungsökologisch hängen die Pota-mogetonaceae lediglich von Wind bzw. Wasserund somit ausschließlich von abiotischen Fak-toren ab. Bei den insektenbestäubten der heimi-schen Orchidaceae hat indes eine Koevolutionzwischen Blüten und Bestäubern stattgefunden,so dass sich hier das Indizienspektrum der ret-rospektiven Arealdiagnostik um die (Areal-)Merkmale der fossilen wie rezenten Bestäubereinmal mehr zugunsten der Orchideen er-weitert (vgl. MEHL 1986).

Im Ergebnis dieser Gesamtkonstellationexistieren schon seit längerem Vorstellungenüber die Entstehung der Artenvielfalt diverserOrchideengattungen (z. B. MEUSEL 1969 für Or-chis und nächstverwandte Gattungen; CRIBB

1997 für Cypripedium), die uns bei Potamogetonbislang fehlen. Die von MEUSEL (1969) fixiertenGrundprinzipien mutmaßlich in Trockengebie-ten am Südrand der Holarktis vonstattengegan-gener Sippendifferenzierungen lassen sich heu-

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te zumindest ansatzweise selbst auf Wasser-pflanzen übertragen, etwa auf solche der Pota-mogeton-Subsektion Lucentes Graebn. (Tab. 5):Potamogeton lucens hat einen eurosibirischenArealkern und könnte die sowohl morpholo-gisch ursprünglichste als auch ökologisch ste-nopotenteste der 4 in Tab. 5 verglichenen Sip-pen sein: Stets fehlende Landformen undSchwimmblätter sowie subsessile, oft sehr gro-ße Unterwasserblätter schränken das Anpas-sungsvermögen an wechselnde Wasserständeund die Strömungsresistenz ein; die relativ gro-ßen, ungeschnäbelten Früchte scheinen für or-nithochore Fernausbreitung weniger geeignetals etwa die von P. crispus (vgl. MARKGRAF inHEGI 1981; WIEGLEB & KAPLAN 1998).

Potamogeton schweinfurthii ist die P. lucensnahestehendste der 3 auch südhemisphärischverbreiteten Arten: Die signifikant schmälerenBlätter dieser von den Azoren über fast ganzAfrika bis Madagaskar verbreiteten Sippe er-möglichen einen reduzierten Stoffwechsel alsAnpassung an ein warmtrockeneres Klima mithäufig knappen Ressourcen (Wasserstand, tem-peraturabhängig gelöste Gase etc.).

Potamogeton wrightii ist als typische Ostsei-tenart sensu JÄGER (1968) in das südostasiati-sche Monsunklima eingenischt, meidet aber ex-treme Monsun-Regionen mit über 70 % Jahres-niederschlag im Sommerquartal.

Die Art toleriert nach WIEGLEB (1990) Strö-mungsgeschwindigkeiten bis zu 1 m . s-1, istdurch gegenüber P. lucens deutlich schmälereund länger gestielte Tauchblätter gut an jahres-zeitlich beständig wechselnde Strömungsver-hältnisse angepasst und kann Landformen wieSchwimmblätter bilden; die kleinen Früchte er-scheinen für die Ornithochorie gerade im Are-

alkern, den malaiisch-japanischen Archipelen,evolutionär optimiert.

Potamogeton illinoensis besiedelt außerhalbder Arktis, Feuerlands und des Amazonasgebie-tes fast ganz Amerika und besitzt als einzige die-ser 4 Arten 2 n = 104 Chromosomen (OGDEN

zit. in GONZALEZ GUTIERREZ 1989; Tab. 5). Dieweite Verbreitung lässt auf eine weite ökologi-sche Amplitude als Resultat entsprechender,möglicherweise ploidiestufenbedingter Fitnessschließen.

Als phylogenetisch basale dieser 4 Sippen istP. lucens oder P. schweinfurthii wahrscheinlich.Folgt man der „Vorstellung eines holarktischenGürtelareals als der Ursprungszone...“ (BÄSSLER

zit. in MEUSEL 1969: 556), so dürften sich min-destens 2 der 3 beidhemisphärisch verbreitetenArten jeweils am Südrand der Holarktis durchden Erwerb von Schwimmblättern usw. von P. lucens abgeleitet haben: P. wrightii im mand-schurischen oder himalajisch-jünnanischen, P. schweinfurthii im nordsaharisch-nubischenoder makaronesisch-westmediterranen und P. illinoensis durch Genommutation im kalifor-nisch-texanischen Raum; letzteres setzte eineursprüngliche Präsenz von P. lucens in der ge-samten südlichen Holarktis mit nachfolgenderVerdrängung desselben aus Nordamerika vor-aus.

Diskussionen um Ort und Richtung vonSippendifferenzierungen sind nach wie vorschwierig: „Obviously the trend to reduce floa-ting leaves has occured independently at severaltimes in different groups ...“ schreibt WIEGLEB

(1988: 258), während hier der Erwerb der Fä-higkeit zur fakultativen Schwimmblattbildungals ökomorphologische Progression gedeutetwird.

Potamogeton illinoensis Potamogeton lucens Potamogeton schweinfurthii Potamogeton wrightiiChromosomenzahl (2n) 104 52 52? 52

Sprossdurchmesser [mm] 1,0 - 3,5 2,0 - 4,0 1,0 - 3,0 0,8 - 2,0Subepidermalbündel vorhanden vorhanden ? fehlend

Schwimmblätter möglich ja nein ja jaBlattrand gezähnelt gezähnelt ungezähnt wenigstens apikal gezähnt

Fruchtlänge [mm] 3,0 - 3,5 3,5 - 4,5 3,0 - 4,0 2,0 - 3,0

Tab. 5. Vergleich ausgewählter Merkmale von 4 Arten der Subsektion Lucentes der GattungPotamogeton L. (nach diversen Literaturangaben).

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4.10 Landschaftswandel und ArealdynamikKernfrage ist hier, ob aus den uns heute ver-

fügbaren Daten erstellte Arealkarten natur-schutzrelevante Aussagen zu Arealauflockerun-gen, -regressionen oder -expansionen gefährde-ter Sippen erlauben, die mit überregionalen sig-nifikanten Landschaftsveränderungen korre-lierbar sind:

Für taxonomisch klare (auch) zentraleuro-päische Sippen lassen sich gewisse Trendprog-nosen zur Arealdynamik ableiten, sofern dieDatenbasis als interpretierte Arealkarte vorliegt;zudem ermöglicht das Arealtypen-System vonMEUSEL & JÄGER (1992) durch Vergleich jeweilseinem Typ zuzuordnender Areale generalisier-bare Aussagen zur Arealentwicklung unter ge-gebenen Voraussetzungen. Neue Wege eröffnetferner die hier nicht abzuhandelnde, klimada-tenkorrelierte Computermodellierung von Ver-breitungsbildern, die besonders für die überrei-chen Floren der feuchten Tropen Fortschritteerwarten lässt: Neben rechentechnischen Fra-gen steht die Klimaforschung hinsichtlich einerhistorisch bis prognostisch weltweit homoge-nen Datenbasis jedoch vor ähnlichen Proble-

men wie die Pflanzengeographie; überdies ver-läuft die klimaabhängige Arealdynamik heuteungleich langsamer als die anthropogene nichtprimär vom Makroklima abhängige.

Diese anthropogene Dynamik lässt sich füreine konkrete Art nach entsprechendem Re-cherchieraufwand in einem Fixpunktraster dar-stellen, dessen Aussagekraft analog zur Daten-basis vor allem von den betrachteten Sippenund / oder den biogeographischen Regionenbzw. dem jeweiligen Ausmaß der objektiv gege-benen Datenheterogenität abhängt (vgl. 4.4 und4.5).

Auch für derart zeitabhängige, mit überre-gionalen Landschaftsveränderungen verknüpfteFeindiagnosen liefern unsere beiden FamilienBeispiele zu beiden Extremen: Bei den schmal-blättrigen Potamogetonaceae ist selbst nachgründlicher Recherche aktuell kaum eine Aus-sage zur Arealdynamik zu vertreten, die alleinaus deren Arealkarten ableitbar wäre und überallgemein bekannte Fakten (Rückgang oligotra-phenter Arten in dicht besiedelter Landschaftusw.) hinausginge - gerade das wäre aber vonexponierter Naturschutzrelevanz! Mit den Or-

Abb. 13. Areal von Aceras anthropophorum (L.) W. T. AITON.

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chidaceae als der Familie mit dem traditionellwie aktuell höchsten Datenniveau kommt manin der zentraleuropäischen Flora dem Ziel, sta-tische wie dynamische Aspekte gleichermaßenaus Arealkarten ablesen und mit einem Land-schaftswandel kausal in Beziehung bringen zukönnen, vergleichsweise nahe.

Mit der anthropozoogenen Ausdehnung derMesobromion- und lichten Wald-Zönosen et-wa in Mittel- und Süddeutschland konnten ei-nige Orchideenarten von ihren (sub)mediterra-nen Arealkernen ausgehend ihre Areale „auffül-len“ oder nord- bzw. nordostwärts bis hierherausweiten. Die blütenreichen Mesobrometa be-standen hier teilweise nur weniger als 200 Jahre(WITSCHEL zit. in WILMANNS 1993), dennspätestens seit der Mitte des 20. Jahrhundertssetzte mit deren rasantem Nutzungswandel(Auflassung, Aufforstung, Intensivierung etc.)ein rapider Schwund diverser Orchideen ein:Ansätze zu süd(west)wärts gerichteten Arealre-gressionen lassen z. B. die Arealbilder von Ace-ras anthropophorum (Abb. 13), Ophrys holoseri-ca (Abb. 11) und Ophrys sphegodes (Abb. 10) er-kennen. Trotz des gerade in Abb. 10 evidenten,von England bis Rumänien reichenden „Ex-tinktions-Streifens“ sei vor überschnellen Ver-allgemeinerungen gewarnt: Von für die Beur-teilung der Gesamtareal-Dynamik so wichtigenLändern wie Spanien, Algerien, Serbien, Israeloder Iran fehlen uns zumeist jegliche zeitlichdifferenzierten Daten! Zudem sei nur exempla-risch auf Neufunde oder landschaftspflegebe-dingt lokale Ausbreitungen indigener Popula-tionen (KÜMPEL in ECCARIUS 1997) von Acerasanthropophorum an ihrer nordöstlichen Areal-grenze verwiesen.

Cephalanthera longifolia ist die lichtbedürf-tigste der 3 zentraleuropäischen Arten dieserGattung und zeichnet daher in hiesigen Orchi-deen-Buchen-Wäldern im 20. Jahrhundertgroßflächig abgelaufene Strukturumbildungenam besten nach (Abb. 9): Nach HOUGHTON etal. (zit. in SCHÖNWIESE 1994) hat Kohlendioxid(CO2) 22 % Anteil am natürlichen, aber 61 %„Verursacherrolle“ beim anthropogenen Treib-hauseffekt: Die atmosphärische CO2-Konzen-tration ist von 280 ppm (um 1800) auf 355 ppm(1991) gestiegen und wird laut hypothetischerTrendfortschreibung weiter anthropogen stei-

gen. Aus der daran gekoppelten Temperaturer-höhung ergibt sich ein weiterer der Photosyn-these förderlicher Trend: Von 1891 - 1990nahm z. B. über den Britischen Inseln und demdeutsch-polnischen Grenzgebiet das Frühlings-wie das Gesamtjahres-Lufttemperaturmittel um0,5 °C zu (SCHÖNWIESE et al. 1993). Solche an-thropogen beeinflussten, zumindest anfangsallgemein pflanzenwachtumsfördernden Um-weltfaktoren dürften etwa von 1870 - 1970 zueiner Anhebung der Bestandesmittelhöhe vonBuchenwäldern um 2 - 4 m geführt haben; dieswurde u. a. von einer anfangs rein natürlichen,seit ca. 20 Jahren aber ebenfalls zunehmend an-thropogenen Tendenz zur Bodenversauerungbzw. dem Verlust basischer Kationen begleitet(HOFMANN et al. 1992).

Neben dem forstwirtschaftlichen Nutzungs-wandel des Übergangs vom Mittelwaldbetriebu. a. Nutzungstypen zum flächendeckendenHochwaldbetrieb dürfte es nicht zuletzt dieservitalitätskonform stetig gewachsene Kronen-schluss der Waldbäume gewesen sein, der zumSchwinden von Cephalanthera longifolia ausganzen Regionen führte (Abb. 9; KORNECK etal.). Trotz „neuartiger Waldschäden“ setzt sichdieser Trend des Rückganges lichtbedürftigerWaldbodenstauden zumindest in den Buchen-wald-Optimumsgebieten bis heute fort (z. B.AHRNS & HOFMANN 1998).

4.11 Arealtypen und SchutzstrategienGenerell liefern aktuelle Arealkarten bereits

Richtung weisende Ansatzpunkte für Bemü-hungen zur Erhaltung gefährdeter Sippen, dochwird die Kenntnis der für jede Sippe spezifi-schen biologischen Gegebenheiten stets aus-schlaggebend für Einzelfall-Entscheidungenbleiben müssen.

Hauptgefährdungsfaktor für zentraleuropä-ische Potamogetonaceae ist die natürliche, an-thropogen nur flächendeckend forcierte undzumeist auch langfristig kaum reversible Verän-derung der chemischen Parameter der Gewäs-ser. Die per Übergang zur industriemäßigenLandnutzung lawinenartig ausgelöste Eutro-phierung lässt sich zuweilen durch andere an-thropogene Immissionen noch in eine Oligo-trophierung umkehren, doch stellt selbst dieseauch nur einen Randeffekt der wiederum an-

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thropogen beschleunigten, seit dem Spätglazialohnehin gleichfalls natürlichen Azidifikationdar (s. LANG 1994). Letzteres Phänomen ist zu-mindest im größeren Maßstab bis heute nichtbeherrschbar: So kann der „Extinktions-Strei-fen“ an der Südwestgrenze des Areals von Pota-mogeton rutilus (Abb. 14) vorsichtig nur so ge-deutet werden, dass hier offenbar die Verfüg-barkeit zeitlich differenzierter Daten mit derdeutschlandweit ausgeprägten Gewässerbelas-tung am Arealrand räumlich zusammen fällt,obschon etwa in Skandinavien die Situation derbasensteten Wasserpflanzen nicht minder ernstist (z. B. LANG 1994).

Für alle noch von stenöken Makrophytenbesiedelten basenreichen Klarwasserseen istdeshalb die bestmögliche Konservierung desStatus quo anzustreben. Die Arealkerne dieserArten sind in den glazial überformten Gebietender heutigen nördlich-submeridionalen, tem-peraten und borealen Florenzone zu suchen(vgl. z. B. Abb. 4.2-1 in LANG 1994 mit den Abb.5 und 14).

Demgegenüber werden die pseudohemero-phoben, hierzulande vorzugsweise Halbkultur-Biotope wie Halbtrockenrasen oder Streuwie-

sen besiedelnden Orchideen-Arten wie auchdie heliophilen Waldorchideen in Mitteleuropaam ehesten durch gestaltenden Naturschutz zufördern sein (vgl. Abb. 10, 11, 13 und 9), da sieihre regional früher gleichmäßigere Verbrei-tung oder gar Vorposten ihrer nordöstlichenArealgrenze dem wirtschaftenden Menschenvorangegangener Generationen verdanken. DieArealkerne dieser Sippen liegen in der(sub)meridionalen bis südlich-temperatenFlorenzone.

4.12 Arealtypen im europäischen MaßstabPflanzengeographisch hat Europa Anteil an

5 Florenzonen, die alle zum holarktischen Flo-renreich gehören. Selbst in der arktischen Flo-renzone ist noch ein florendifferenzierendesKontinentalitätsgefälle in west-östlicher Rich-tung nachweisbar (MEUSEL & JÄGER 1992). Inboreal-arktischen Breiten haben eurasische undzirkumpolare Gürtelareale dennoch einen weitgrößeren Anteil im Arealtypenspektrum als inden südlichen Florenzonen der Holarktis, wonach JÄGER (1968) die kontinentalitätsindiffe-renten unter den Arten mit großen Gürtelarea-len etwa in der submeridionalen Florenzone

Abb. 14. Areal von Potamogeton rutilus WOLFG.

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CHRISTIAN AHRNS: Laichkrautgewächse und Orchideen als Extreme naturschutzrelevanter Arealdarstellung 33

fast immer (Hygro-,) Helo- und Hydrophytensind. Da in Europa nach Süden hin die Humi-dität zunehmend limitierend und damit diffe-renzierend auf die Flora wirkt, finden sich dieArten mit holarktischen Breitgürtelarealen inder (sub)meridionalen Florenzone weit über-wiegend in (Hoch-)Gebirgen. Das betrifft diearktisch-alpinen, also noch in der temperatenFlorenzone vorherrschend alpin verbreitetenArten (in Deutschland z. B. Oxyria digyna oderBistorta vivipara) ebenso wie diejenigen, welchehier bereits die planare Stufe besiedeln. Zurletzteren Gruppe gehören Coeloglossum virideals die heimische Orchidee mit dem wohl wei-testen Areal und auch Potamogeton gramineusals fakultativ amphibische Wasserpflanze (Abb.2 und 3).

Aus Naturschutzsicht vorrangiger gegenü-ber diesen große Areale besiedelnden Arten sindaber die, welche im Mittelmeergebiet entlang ei-nes West-Ost-Gradienten in „subhumide bis se-miaride Varianten des Etesienklimas“ (MEUSEL

& JÄGER 1992: 12) eingenischt sind und daherentsprechend kleine Areale haben. Solch typischwest-, zentral- und ostmediterrane Areale wei-sen viele Orchideen auf: Ophrys incubacea, exal-tata und mammosa wurden bereits als Mustergenannt (Abb. 10); hier fand die Sippendifferen-zierung mit der schwerpunktmäßig orientali-schen Ophrys transhyrcana sogar noch eine ost-wärtige Fortsetzung. Alle 4 Sippen sind typischmediterrane Florenelemente und haben in dersubmeridionalen Florenzone Anschluss an dasAreal von Ophrys sphegodes s. str., deren Arealsomit den Formenkreis verbindet. Analog sinddie westsubmediterrane Dactylorhiza caramu-lensis und die zentral- bis ost(sub)mediterraneDactylorhiza saccifera wiederum in der submeri-dionalen Zone mit dem schwerpunktmäßigkühlgemäßigt - bis Zentralsibirien und Jakutien- verbreiteten Dactylorhiza fuchsii-/maculata-Komplex verbunden usw.

Für die azonale Vegetation aufbauenden Po-tamogeton-Arten Europas lassen sich keine soplausiblen phytogeographischen Korrelationenherstellen, was neben dem Lebensraum Wasserin der Bestäubungs- wie in der Ausbreitungs-ökologie begründet sein mag, aber für den Ar-tenschutz eher als Vorteil anzusehen ist.

Diese Zusammenhänge und Fakten nähren

den Verdacht, dass die genannten Orchideen-sippen phylogenetisch wesentlich jünger seindürften als z. B. diverse Potamogeton-Arten(vgl. 4.7).

Verallgemeinernd lässt sich folgern, dass inEuropa das Augenmerk von Biodiversitäts- undNaturschutz nicht nur wegen der imSüd(ost)en ungleich größeren Artenzahlen(BARTHLOTT et al. 1996) zunehmend mehr aufdiesen Teil des Kontinents gerichtet werdensollte, sondern vor allem auch deshalb, weil un-gezählte der dort lebenden Arten nur wesent-lich kleinere Areale besitzen als das Gros der Ar-ten etwa der Flora von Deutschland.

5 Zusammenfassung

Aus den Eigenheiten zur Biologie, Ökologie,mittleren Arealgröße und Taxonomie ergebensich für die Gesamtareale der heimischen Artenbeider Pflanzenfamilien unterschiedliche mitt-lere Funddatendichten, woraus eine räumlich-zeitlich fluktuierende Datenheterogenität resul-tiert. Insbesondere die schmalblättrigen Pota-mogeton-Arten und die attraktivsten hiesigenOrchideen können als Extreme der heute mög-lichen Bearbeitungsqualität von Arealkartengelten. Die Spitzenposition der terrestrischenOrchidaceae bei der Datenverfügbarkeit schlägtsich international auch in einer gleichfalls starkdivergierenden Repräsentanz beider Familienin Rotbüchern oder anderen Gefährdungsana-lysen nieder.

Weniger gravierend sind die Unterschiedebei den Interpretationsmöglichkeiten aus areal-kundlicher wie naturschutzfachlicher Sicht: DieStandardliteratur und die Vielzahl von Areal-karten eröffnen über die Arealtypisierung Wegesowohl zur vergleichenden Arealanalyse alsauch zur Extrapolation von Details bei der Are-alkarten-Erstellung bis hin zur Prognose derArealdynamik jeweils vor dem Hintergrund derBiologie, Ökologie und Taxonomie einer kon-kreten Sippe.

Gefährdete Arten beider Familien werdenvorrangig durch konservierenden Schutz zu er-halten sein, sofern ihre Arealkerne in glazigenenGebieten liegen. Gestaltende Maßnahmen wer-den vor allem für Sippen (sub)meridionalerHerkunft angezeigt sein, deren Ausbreitung

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nach bzw. in Zentraleuropa erst vom Menschenbefördert wurde.

Generell ist eine stärkere Orientierung derNaturschutzbemühungen auf die südosteuro-päisch-kaukasisch-orientalischen und mediter-ranen bis alpischen Regionen als den Phanero-gamen-Diversitätszentren Europas undVorderasiens zu fordern, zumal dort prozentualauch ungleich mehr Arten mit nur sehr kleinenGesamtarealen vorkommen - wofür die Orchi-deen erneut als privilegiertes Beispiel stehen.

6 Summary

Orchidaceae and Potamogetonaceae as ex-treme examples of the presentation of distribu-tion maps from the nature protection ap-proach.

Caused by the family-characterizing fea-tures of the Central European Potamoget-onaceae and Orchidaceae regarding their biolo-gy, ecology, average sizes of total ranges andtaxonomy there are varying average field-datadensities. Therefrom results a both spatially andtemporally fluctuating heterogeneity of data inthe cosmopolitan scale. Especially the obligato-rily submerged narrow-leaved pondweeds andthe most attractive varicoloured-flowering aswell as taxonomically unproblematic terrestrialorchids are allowed to be considered to be ex-tremes of the actually possible compilationquality of our distribution maps at least in theEuropean scale.

The top position of the terrestrial orchidsconcerning the availability of data is interna-tionally reflected also in the strongly differingrepresentation of both families in numerousRed Data Books.

Nevertheless, the possibilities of interpreta-tion from both chorological and nature protec-tion points of view are less differing: Thechorologic standard literature including thou-sands of maps and a classification of distribu-tion types provides in connection with know-ledge of the biology, ecology and taxonomy ofthe taxa opportunities to carry out comparinganalyses of total ranges, extrapolations of de-tails concerning the drafts, or to derive prog-noses of the distribution dynamics from theannotated maps.

Endangered species of both families will beable to survive primarily by preserving mea-sures if their areas are mainly situated in land-scapes reshaped by glaciers; landscape-manag-ing measures will be indispensable to keep theorchids alive being pseudohemerophobous inCentral Europe and other species of(sub)meridional origin.

In principle, it is necessary to concentratenature protection activities more and more up-on the Southeast European, Caucasian, MiddleEast, Mediterranean and Alps regions: Thereare not only the phytodiversity centres of Eu-rope and the Middle East, but there are alsoproportionally more species with only small to-tal ranges - e. g. many orchids.

Key words: distribution maps of mono-cotyledons, information content, Red DataBooks, biogeographical aspects, landscapechange, nature protection strategies.

7 Dank

Wertvolle Diskussionen und Hinweise ver-danke ich den Herren Professoren E. J. Jäger(Halle/Bennstedt) und G. Wiegleb (Cottbus),Frau H. Zech (Halle) und Herrn T. Engler(Merseburg) das Umzeichnen bzw. Digitalisie-ren der Arealkartenvorlagen.

Die Arbeit wurde gefördert vom Bundesamtfür Naturschutz (Bonn-Bad Godesberg) unterFkz. 808 05 060.

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1 Einleitung

Seit Sesshaftwerden des Menschen hat er dieVegetation Mitteleuropas nachhaltig verändert.Zunächst wurden nur Siedlungsflächen gero-det, die schnell wieder aufgegeben wurden. Die„neolithische Revolution“ brachte dann aucheine langfristige Besiedlung von Flächen (POTT

1997). Eng mit der menschlichen Tätigkeit istder Transport und die Nutzung von Pflanzenverbunden. Im Laufe der Zeit wurden inDeutschland etwa 12.000 Pflanzenarten be-wusst oder unbewusst eingeführt (LOHMEYER

UND SUKOPP 1992). Von diesen werden gegen-wärtig 374 in Deutschland als eingebürgert be-trachtet (KUNICK 1991). Ein besonderes Phäno-men aus der Gruppe der Eingebürgerten (Erga-siophygophyten i.S.v. ZISKA 1985) sind Arten,die bewusst im Zeitraum der Ur- und Frühge-schichte eingeführt oder angepflanzt wurden,und später an den Punkten ihrer Einführungauch bis heute einen Verbreitungsschwerpunktbehielten. Allgemein werden diese Arten in derLiteratur als „Kulturreliktpflanzen“ zusammen-gefasst. Im vorliegenden Beitrag werden die„Kulturreliktpflanzen“ der ur- und frühge-schichtlichen Siedlungsplätze und die Proble-matik ihrer Erkennung und Erforschung be-handelt. Aufgrund der sehr regionalen Quellen-lage kann kein Anspruch auf Vollständigkeit er-hoben werden.

1.1 Geschichte der Erforschung von Kulturre-liktpflanzenIn einem kleinen Artikel beschreibt WILLEB-

RAND (1842) das Vorkommen von verdächtigenPflanzenarten auf slawischen Burgwällen inMecklenburg und leitet daraus ab, dass dieseArten von den Slawen angebaut wurden. Die-sem Gedanken folgend wurden am Ende des 19.Jh./ Anfang des 20. Jh. verschiedene Aufsätzeunter Erwähnung solcher Pflanzen veröffent-licht (LISCH 1860, KRAUSE 1884, GEINITZ 1907).Ebenfalls in dieser Zeit erschienen in Frank-reich einige Aufsätze zur Besonderheit der Bur-genflora (z.B. KIRSCHLEGER 1862; zusammenfas-sende Darstellung bei BRANDES 1996). 1932wurde von MÜLLER über die Möglichkeit desAuffindens von menschlichen Siedlungen, auchwenn sie über tausend Jahre verlassen sind, mitder Verbreitung der Harmelstaude (Peganumharmala) in Anatolien berichtet. Davon inspi-riert führte Bauch Untersuchungen zur Florader slawischen Burgwälle in Mecklenburg undVorpommern durch und veröffentlichte ab1934 mehrere Aufsätze zur Thematik (BAUCH

1934, 1936, 1937a, 1937b, 1938, 1953). Heraus-ragend ist seine Publikation von 1937 (BAUCH

1937b) in der er Pflanzenarten mit einer signifi-kanten Bindung an ur- und frühgeschichtlicheStätten in Mecklenburg und angrenzenden Ge-bieten als „Kulturreliktpflanzen“ benennt. Be-sonderes Augenmerk wird dabei auf Pflanzen-

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BJÖRN RUSSOW, Rostock

Pflanzen auf ur- und frühgeschichtlichen Siedlungsplätzen – Ein Diskussionsbeitrag zur Problematik der Kulturreliktpflanzen

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arten der slawischen Burgwälle gerichtet. EineReihe von Arbeiten befasste sich seitdem mitder Verbreitung von Kulturreliktpflanzen (fol-gend KRP) der slawischen Periode in einzelnenTeilgebieten Mecklenburgs (HOLLNAGEL 1953a,1953b, DAHNKE 1956, KINTZEL 1971, BEHM

1993, RUSSOW UND SCHULZ 2001). Als deutsch-mittelalterliche Kulturreliktpflanze aus Meck-lenburg wurde von BALASKE (1962) und LÜDERS

(1970) die Gemeine Pestwurz (Petasites hybri-dus) herausgearbeitet.

Auch aus anderen Regionen Deutschlandsund Europas wurden im Laufe der Zeit Pflan-zenarten mit einer Bindung an ur- und frühge-schichtliche Siedlungsplätze bzw. -gründungenbekannt. So beispielsweise aus Unterfrankendie Stinkende Nieswurz (Helleborus foetidus)auf keltischen Kultstätten (ADE in BAUCH

1937b), die Grüne Nieswurz (Helleborus viridis)auf mittelalterlichen Burgplätzen in Nieder-sachsen und Hessen (LAMPE 1960, WINTERHOFF

1977), aus dem Rheinland das Kleine Immer-grün (Vinca minor) auf römischen Siedlungs-plätzen (PRANGE 1996) und aus Böhmen derWermut (Artemisia absinthium) von mittelal-terlichen Dorfgründungen (TOMAN 1989). Fürdie Niederlanden wurden die sogenannten„Stinzenplanten“ benannt, die zumindest teil-weise zu den KRP gehören dürften (BAKKER

1985, BAKKER und BOEVE 1985). Erste methodische Ansätze zur Erforschung

des Problems der Kulturreliktpflanzen lieferteVOIGTLÄNDER (1973). Eine systematische Unter-suchung eines großen Gebietes zur Prüfung derBauch´schen These zu den KRP stellte CELKA

(1998) für Westpolen vor. Forschungen ausGroßbritannien konnten in den letzten Jahrenmittels statistischer Verfahren eine Reihe vonPflanzenarten (etwa 95) ausweisen, die deutlichzu ur- und frühgeschichtlichen Stätten assozi-iert sind (SPEARS mündl.1998).

Die Ursache des Vorkommens solcherPflanzen auf ur- und frühgeschichtlichen Sied-lungsplätzen wurde bei allen bisherigen Unter-suchungen auf die Nutzung durch den Men-schen zurückgeführt. Andere Möglichkeiten,wie die Besonderheit des Standortes, sind bishernicht hinterfragt worden. Wichtige Ansätze zurAnalyse frühgeschichtlicher und frühneuzeit-licher Stätten als Standort einer besonderen

Flora geben JANSSEN (1990) und SIGL (1998a,1998b) anhand von mittelalterlichen Burgrui-nen, ohne auf das Phänomen der Kulturrelikt-pflanzen näher einzugehen. Die angewandteMethodik ist aber auch für die Erforschung derKRP nutzbar. Modellhafte Ansätze, die aus denkulturhistorischen Gegebenheiten einer Zeit-stufe und den damit in Zusammenhang stehen-den Relikten das Vorkommen von bestimmtenKRP vorhersagen, fehlen bisher vollständig.

1.2 Definition der „Kulturreliktpflanzen“Von den verschiedenen Autoren liegen

unterschiedliche Umschreibungen und Defini-tionen für die Begriffe „Kulturreliktpflanzen“,„pflanzliche Kulturrelikte“, oder „Reliktpflan-zen“ vor. Zum besseren Verständnis werden siean dieser Stelle dokumentarisch zusammenge-stellt:

„So neigt man dazu, die Gesamtheit der an-thropochoren Ruderalpflanzen als Kulturrelikteder Vorzeit anzusprechen, die vermutlich zu ei-nem nicht geringen Teil bei der Einwanderungdes ackerbautreibenden Neolithikers oder Me-solithikers in das nacheiszeitlich leere Europaaktiv oder passiv mitgekommen sind ...“(BAUCH 1937b, S. 77)

„Zu den Kulturpflanzen müssen wir in dermecklenburgischen Flora auch einige Pflanzen-arten rechnen, die vom Menschen ursprünglichangebaut wurden, späterhin aber von diesenAnbauzentren ausstrahlend sich ihren Platz inden heimischen Pflanzengesellschaften eroberthaben.“ (BAUCH 1953, S. 213)

„...nicht nur die Kulturpflanzen selbst, son-dern auch die mit ihnen gekommenen Begleit-pflanzen (Unkräuter) zum Teil als Kulturrelikteherausgestellt werden.“. Der Autor teilt die„pflanzlichen Kulturrelikte“ in Kulturrelikte imengeren Sinne und Kulturrelikte im weiterenSinne (wie Dorfstrassenpflanzen). (DAHNKE

1956, S. 2)„Als Kulturrelikte sollen Pflanzen verstan-

den werden, die ursprünglich wohl von den Sla-wen in unserem Gebiet angebaut worden wa-ren“ (KINTZEL 1971, S. 25)

„Ehemals wildlebende Pflanzen, die für diemenschliche Ernährung oder als Rohstoffe sowichtig waren, daß der Mensch sie anbaute undzum Teil weiterzüchtete. Eine Reihe von ihnen

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BJÖRN RUSSOW: Pflanzen auf ur- und frühgeschichtlichen Siedlungsplätzen 39

(vor allem solche, die ihren Wildcharakter bei-behalten haben) konnten sich auch nach Aufga-be der Siedlung oder ihrer Nutzung im Bereichder ehemaligen Anbauflächen halten und derKonkurrenz der übrigen Pflanzen widerste-hen.“ (VOIGTLÄNDER 1973, S. 35)

Als Kulturreliktpflanzen „sind solche Pflan-zen zu verstehen, von denen wir annehmen,daß sie zu Heilzwecken oder anderen Dingen inder Vergangenheit angebaut wurden. Sie kön-nen daher auch als Siedlungszeiger dienen.“(RIDDER 1979, S. 42)

„´Stinzenplanten´ sind Pflanzen, die inner-halb eines bestimmten Gebietes in ihrer Ver-breitung beschränkt sind auf Wasserburgen,Schloßparke, Landsitze (Gutsparke), alte Bau-ernhöfe, Gärten und verwandte Standorte wieFriedhöfe, Bastionen und Stadtwälle. Es sindArten und Varietäten mit auffälligen Blüten, dievorher als Zierpflanzen in Parken und Gärtenausgepflanzt wurden und anschließend verwil-dert und eingebürgert sind. Bestimmte Artenkönnen sich aber auch spontan aus der Umge-bung angesiedelt haben.“ (BAKKER 1985, S. 107)

„Es handelt sich hierbei um Pflanzengesell-schaften, die untrennbar mit historischen Er-eignissen, Bauwerken oder Siedlungen in Ver-bindung stehen. Diese Pflanzenarten wurdenvon den ehemaligen Bewohnern angebaut odereingeführt und sind u.a. in der Umgebung alterBurganlagen, als Reste ehemaliger Gärten oderauch im Umfeld von Wüstungen aufzufinden.“(BEHM 1997, S. 90)

Die angeführten Zitate zeigen, dass keineeinheitliche Meinung über den Charakter vonKRP besteht. Das Spektrum reicht von den an-thropochoren Arten bis zu speziellen Nut-zungsgruppen bzw. Zeitstufen der Nutzung.Auch bei neueren Analysen solcher Arten wur-den unterschiedliche Definitionen zugrundegelegt, was zur Ausweisung bzw. Vermischungvon Pflanzenarten verschiedenartigster Merk-malsgruppen als KRP führte. Für die weitereBearbeitung der Thematik ist eine einheitlicheBegriffsbestimmung unerläßlich. Deshalb wirdhier eine zusammenfassende Definition vorge-stellt. Damit wird keine neue floristische Kate-gorie eingeführt, sondern vielmehr für eine kul-turhistorisch bedeutsame Gruppe von Pflanzendie Möglichkeit der exakten Bearbeitung im

Grenzbereich zwischen Botanik und Vorge-schichtsforschung ermöglicht. Dies ist in sofernwichtig, da die unterschiedlich ausgerichtetenArbeitsweisen von Natur- und Geisteswissen-schaften kaum eine Vermischung der anzuwen-denden Methoden zulassen.

Als Kulturreliktpflanzen werden Arten undVarietäten verstanden, deren aktuelle Verbrei-tung innerhalb eines bestimmten Gebietes eineauffällige Bindung an menschliche Siedlungs-plätze einer oder mehrerer Kulturstufen auf-weist. Sie wurden dort vom Menschen alsNutz- oder Zierpflanzen kultiviert und konn-ten nach Nutzungsaufgabe der Siedlungsplätzeverwildern bzw. sich einbürgern. Eine eindeu-tige Trennung gegenüber Kulturfolgern mitgleichen Standortansprüchen ist meist nichtmöglich.

Es muss darauf hingewiesen werden, dassdie vorgestellte Definition nicht nur für KRPaus ur- und frühgeschichtlicher Zeit Gültigkeitbesitzt. Diese sind jedoch aufgrund ihrer beson-deren Situation als „lebendes Kulturgut“, dasdie meist nur aus archäologischen Befundennachvollziehbare Lebensweise der Menschenvergangener Zeiten dokumentiert, von heraus-ragendem Interesse.

2 Analyse von Kulturreliktpflanzen

Beispielgebend für die Erkennung von KRPkann ein Zitat von WILLEBRAND (1852, S. 132)angeführt werden: „Es finden sich aber auchPflanzenarten auf ihnen [slawische Burgwälle],die der Umgebung ganz fremd zu sein scheinenund bei deren Betrachtung man leicht zu derAnnahme verleitet wird, daß sie durch Men-schenhand dorthin gebracht wurden.“ Bereitsin dieser frühen Quelle sind alle wesentlichenFaktoren zur Erkennung und Beschreibung vonKRP enthalten, so die raumscharfe Lokalisationund die zeitscharfe Feststellbarkeit ihrer Kulti-vierung.

Der erste Faktor resultiert aus der Tatsache,dass bestimmte Arten gehäuft oder ausschließ-lich auf Bodendenkmalen einer oder mehrererKulturstufen auftreten. Teilweise kann sogar ei-ne Konzentration auf einen bestimmten Be-reich des Objektes festgestellt werden (räumli-che Schärfe), wie dies von BAUCH (1937a) für

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40 Pulsatilla, Heft 5, 2002

den slawischen Burgwall von Teterow (Meck-lenburg-Vorpommern) belegt ist. Diese Berei-che, wie die gesamte Siedlungsstruktur, könnenmit Hilfe archäologischer oder naturwissen-schaftlicher Methoden datiert und einer be-stimmten Nutzung durch Interpretation derBefunde zugewiesen werden.

Neben dem aktuellen Vorkommen der KRPsteht die Frage nach der Herkunft der Vorkom-men dieser Arten. Hier können zwei Ursachenangeführt werden: Zum Einen kann es sich umSpezies handeln, die zur Ausbreitung über grö-ßere Strecken befähigt sind, aber nur dort ge-eignete Wuchsbedingungen finden, wo derMensch den Standort auf ganz spezielle Weiseverändert hat. Zum anderen können Artenzwar befähigt sein, auf menschlichen Siedlungs-plätzen in unseren Breiten zu leben, aber nichtselbständig dort hin gelangen. Sie sind auf dieaktive (Nutzung) oder passive (Verschleppung)Ausbreitung durch den Menschen angewiesen.

Hier liegt das Hauptproblem der Erken-nung von KRP. Es sind keine vollständigen Ver-gleichsmöglichkeiten mit der Nutzungszeit derSiedlungsplätze vorhanden. Auch durch Pol-len- und Makrorestanalysen gewonnene Spek-tren sind oft nicht bis zum Artniveau bestimm-bar (MOORE et al. 1991). Darüber hinaus ist dieEntwicklung des Standortes nach Aufgabe derentstehungszeitlichen Nutzung kaum über dengesamten Zeitraum bis heute nachvollziehbar.Hinzu kommt, dass „die anthropogene Nut-zung der Pflanzen“ im archäologischen Befundnur in Ausnahmefällen nachweisbar ist. Trotz-dem muss – soweit dies möglich ist - eine ein-heitliche Methodik für die sichere Erkennungder KRP angewandt werden. Erste methodischeAnsätze zur Klärung des Problems liegen wieeingangs erwähnt von VOIGTLÄNDER (1973) vor.Weitere Beiträge zur Erkennung von Relikt-pflanzen wurden unter Auswertung möglicherNutzungen, der natürlichen Standortansprücheund der aktuellen Verbreitung von BEHM & PI-VARCI (1998) und PIVARCI & BEHM (2000) gelie-fert.

Momentan besteht die Gefahr, dass die Pro-blematik in verschiedene Teilgebiete aufgespal-ten wird, noch bevor ein Konsens über denCharakter dieser Arten vorliegt. Dabei stehenzwei Fragen im Vordergrund. Erstens: Warum

sind die Arten auf den ur- und frühgeschicht-lichen Siedlungsplätzen aktuell vorhanden?Und zweitens: Welche Arten sind als KRP zubenennen? Zur Lösung dieser Fragen sind fol-gende Punkte zu bearbeiten:– Die derzeitige bzw. nachvollziehbare Ver-breitung und Vergesellschaftung von Arten mitauffälliger Bindung an ur- und frühgeschichtli-che Siedlungsplätze.– Die ehemalige Verbreitung und Vergesell-schaftung der Arten zur Zeit der Nutzung derur- und frühgeschichtlichen Siedlungsplätzemittels archäobotanischer Methoden.– Der Nachweis einer möglichen Verwendungbzw. des Anbaus zur Zeit der Nutzung der ur-und frühgeschichtlichen Siedlungsplätzemittels Auswertung schriftlicher und archäobo-tanischer Quellen (verändert nach VOIGTLÄN-DER 1973). – Die Analyse des Standortes „Ur- und frühge-schichtlicher Siedlungsplatz“ (Archäotop nachRINGLER 1993, BEHM 1998) mit archäologi-schen, standort- und bodenkundlichen Metho-den.

Eine Einbeziehung der gesamten Flora vonbestimmten Typen ur- und frühgeschichtlicherStätten unterblieb im Zusammenhang mit derErforschung der KRP weitgehend. Hier sind diefloristischen und vegetationskundlichen Unter-suchungen an mittelalterlichen Burgen bei-spielgebend (VOLLRATH 1958/60, LOHMEYER

1975, BRANDES 1987, JANSSEN 1990, BRANDES

1996, SIGL 1998a, 1998b, DEHNEN-SCHMUTZ

2000). Die von den genannten Autoren ange-wandten Vorgehensweisen zur Erkundung derFlora bestimmter Objekte oder Gebiete er-scheint auch für die Thematik der KRP modifi-ziert anwendbar. Ein weiterer Ansatz zur Suchevon Arten, die zu Bodendenkmalen assoziiertsind, stellt SPEARS et al. (2000) vor. Hier wirddurch Verschneidung der Quadranten des Vor-kommens von Pflanzenarten (Raster 2*2km)im Zusammenhang mit dem Vorhandenseinvon Bodendenkmalen (angepasst auf das Ver-breitungsraster der Pflanzen) gearbeitet.

Eine Möglichkeit, die den konkreten Nach-weis der Nutzung einer Art in einer Zeitstufe er-setzen kann, wurde von CELKA (1998) für Malvaalcea als Vergleich zwischen Westpolen undNordostdeutschland (Bezugsebene war BAUCH

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BJÖRN RUSSOW: Pflanzen auf ur- und frühgeschichtlichen Siedlungsplätzen 41

LUNG (1915) gibt Hinweise auf die unvollständi-ge Ausbreitung von Arten. Möglichkeiten fürVerbreitungslücken sind:x Unabgeschlossene Ausbreitung spät einge-

wanderter oder eingebürgerter Arten,x Langsame Besiedlung neuer potentieller

Wuchsorte nach jüngeren natürlichen oderanthropogenen Standortveränderungen,

x Mangelnde Besiedlung isolierter Wuchsor-te, die neu entstanden oder durch vorüber-gegangene Ereignisse floristisch verarmtsind,

x Unvollkommene Verdrängung einer Artdurch eine unvollständig verbreitete andere(alle WINTERHOFF 1977),

x Zerstörung von bestimmten Biotoptypenund damit Zurückdrängung von Arten aufvorhandene Rest- oder Sekundärbiotope(VOIGTLÄNDER 1973, KUNICK 1991).Lediglich die unter Erstens und Zweitens

benannten Faktoren lassen einen direktenNachweis von KRP zu. Alle weiteren Punktesind sekundäre Veränderungen des Verbrei-tungsgebietes von Arten durch äußere Fakto-ren, die eine Feststellung von KRP kaum zulas-sen. Schwierig ist die Ermittlung des Verbrei-tungsfaktors einer Art in einem bestimmtenGebiet. Dies kann oft nicht lokal oder regionalgeklärt werden. Daraus ist abzuleiten, dass zurErkennung von KRP immer das Gesamtarealder Art betrachtet werden muss (BAKKER 1985,SUKOPP 1972).

Indigene Arten, die zeitweilig genutzt odersogar angebaut wurden, nehmen nach der Ver-wilderung wieder ihren Platz in den natürlichenPflanzenformationen ein und sind nur in be-sonderen Fällen, wie in Großstädten (KUNICK

1991), nachweisbar. Eine Auswertung der Na-turalisation von 520 in Deutschland heimi-schen/ eingebürgerten Heilpflanzen zeigt, dasses keine Pflanzengesellschaft gibt, in der ein be-sonderer Verbreitungsschwerpunkt dieser imVergleich zu zufällig ausgewählten Pflanzenar-ten gleicher Anzahl besteht (RUTHSATZ 1983).

2.2 Nutzung Ein zentraler Faktor für die Problematik der

KRP ist die Nutzung und die damit verbundeneAnpflanzung der Arten. Eine Vielzahl von Mög-lichkeiten kann diesbezüglich festgestellt wer-

1937b) entwickelt. Er konnte in einem westpol-nischen Gebiet eine kontinuierliche Nutzungder Rosenmalve (Malva alcea) anhand vonNachweisen auf Burgwällen und Siedlungsplät-zen bis zum Ende des Mittelalters aufzeigen. InNordostdeutschland ist diese Art als KRP nurauf slawischen Siedlungsplätzen bis zum begin-nenden Spätmittelalter nachzuweisen; auf denBurgen der deutschen Kolonisationszeit fehltsie. Da in den untersuchten polnischen Gebie-ten das slawische Ethnikum nicht durch deut-sche Siedler im 12./ 13. Jh. abgelöst wurde, kanndieser räumlich und zeitlich eingrenzbareUnterschied in den Vorkommen als Beweis fürden Reliktcharakter der Art gedeutet werden.

Abstrahiert stellt sich dieser Sachverhalt fol-gendermaßen dar:

Dort, wo die sozio-ökonomische Basis derAusprägung von historischen Objekten ähn-licher Typik als Träger einer besonderen Floraräumlich oder zeitlich wechselt, ändert sichauch die Zusammensetzung der genutztenPflanzenarten oder –varietäten.

Eine allgemeine Überprüfung dieser Thesesteht noch aus.

2.1 VerbreitungWie bereits erwähnt, sind Verbreitungs-

schwerpunkte bzw. –lücken ein wichtiger Hin-weis auf das Vorhandensein von KRP. Je nachHerkunft können die KRP in folgende Gruppeneingeteilt werden (verändert nach BAKKER 1985,FISCHER 1997):

Allgemeine KRP (AKRP): Das natürlicheVerbreitungsgebiet der Art liegt sehr weit vomuntersuchten Gebiet entfernt oder die Art/ Va-rietät hat kein eigenes Verbreitungsgebiet.

Regionale KRP (RKRP): Das natürlicheVerbreitungsgebiet der Art grenzt an das Gebietan, in dem die Art Kulturreliktcharakter besitzt,so dass eine sekundäre Arealerweiterung derArt vorliegt.

Lokale KRP (LKRP): Die Art wächst auchaußerhalb ehemaliger Siedlungsplätze in natür-lichen oder naturnahen Pflanzengesellschaftenund gehört zur Wildflora des untersuchten Ge-bietes.

Verbreitungsschwerpunkte bzw. - lückensind nicht in jedem Fall als sicheres Zeichen füreine Ausweisung als KRP nutzbar. Schon THEL-

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42 Pulsatilla, Heft 5, 2002

den. Besonderes Interesse liegt im Zusammen-hang mit den KRP auf Nutz- und Zierpflanzen(i.e.S.). SCHLOSSER et al. (1991) verzeichnenüber 900 in Mitteleuropa heimische Arten alsNutzpflanzen (i.w.S.), immerhin etwa 1/3 derheimischen Flora.

Die Nutzungen können nach verschiedenenKriterien klassifiziert werden. Für die relevanteFlora sind in Tab. 1 drei Auswertungen von Ar-tenspektren bzw. Nutzungsgruppen angeführt.Je differenzierter die Nutzung benannt wird,desto problematischer ist der Umgang mit Viel-fachnutzungen einer Art. Eine genauere Unter-teilung der Nutzungsarten bietet sich für die

Anwendung auf ganz spezielle Artenspektrenan, wie sie PIVARCI UND BEHM (2000) für die sla-wisch-wikingische Periode verwenden. Einewesentlich vereinfachte und damit leichterhandhabbare Zusammenstellung, die auch fürdas späte Mittelalter und die frühe Neuzeit an-wendbar ist, gibt DEHNEN-SCHMUTZ (2000) fürnichteinheimische Arten von Burgen in Süd-deutschland. Eine sehr allgemein gehalteneGruppierung kann bei FRANZ (1984) gefundenwerden. Hier fehlen die Nutzpflanzen i.e.S., al-so technische Verwendungen.

Eine Klassifizierung der Nutzungen ist inso-fern wichtig, da für die gleiche Zeitstellung

PIVARCI UND BEHM(2000)

DEHNEN-SCHMUTZ (2000) FRANZ (1984)

Heilpflanzen Verwendung (MV)

Wirkstoffpflanzen

Gewürz- und Gemüsepflanzen

Gewürzpflanzen (GP) Wirkstoffpflanzen

Färbepflanzen Technische Verwendung (TV)

Keine Entsprechung

Futterpflanzen Nährstoffpflanzen

Wildformen heutiger Kulturbaumarten

Ernährung (E) Nährstoffpflanzen

Giftpflanzen Medizinische Verwendung

Wirkstoffpflanzen

Pflanzen im Volksbrauchtum

Zauberpflanzen (ZP) Wirkstoffpflanzen/ Emotionspflanzen

Keine Entsprechung Zierpflanzen (ZPL) Emotionspflanzen

Begleiter in den Acker- und Gartenbaukulturen

Keine Entsprechung Keine Entsprechung

Arten der anthropogen beeinflusstenRuderalvegetation

Keine Entsprechung Keine Entsprechung

Medizinische

Technische Verwendung (TV)

Tab. 1: Vergleich der Nutzungsarten von Kulturpflanzen (PIVARCI UND BEHM 2000, DEH-NEN-SCHMUTZ 2000 und FRANZ 1984)

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BJÖRN RUSSOW: Pflanzen auf ur- und frühgeschichtlichen Siedlungsplätzen 43

mehrere Nutzungen real vorkommen können.Darüber hinaus kommt eine scheinbare Viel-fachnutzung hinzu, die durch verschiedeneNutzungen in unterschiedlichen Zeitebenenhervorgerufen wird. Man kann heute meist nurzurückblickend – zeitlich aggregiert – die Ge-samtheit der Nutzungen feststellen. Aber selbstdabei muss davon ausgegangen werden, dass ei-ne Anzahl von nebensächlichen Nutzungen inkleinen Bereichen – räumlich und zeitlich – imWissen verloren gegangen sind. Zur zeitschar-fen Erkennung des Reliktcharakters einer Art,ist die Nutzung durch eine Volksschicht (sozia-le Gruppe) während einer Kulturstufe (zeitlicheSchärfe) Voraussetzung. Abweichungen davonverwischen den Aussagewert der KRP.

Es müssen auch Nutzungen bedacht wer-den, die wohl auf Kultivierung zurückgehen,aber keiner ur- und frühgeschichtlichen Stättezuzuordnen sind. So werden geheime Kräuter-gärtlein von Heilern genannt, in deren Bereichsich Pflanzenarten einbürgern konnten. Ein Fallist mit Gentiana lutea für Franken benanntworden (ADE 1954).

2.3 Standort„Pflanzen sind ökologische und soziologi-

sche Zeiger, die ihren gegebenen Standort cha-rakterisieren. Andererseits können aus der Un-zahl der möglichen Standorte nur jene über ei-nen längeren Zeitraum von einer Pflanzenartbesiedelt werden, in welchen diese ihren Le-benszyklus ... durchlaufen kann.“ (TREMP 1996,S.8). Diese simpel erscheinende Feststellung istals die Ursache des Vorkommens von KRP aufur- und frühgeschichtlichen Siedlungsplätzenanzusprechen.

Nicht jede ur- und frühgeschichtliche Stätteweist die gleichen Standorteigenschaften auf.Handelt es sich nur um morphologische Verän-derungen ohne größere Stoffzufuhr, ist eine we-sentlich geringere Veränderung als bei Sied-lungsböden mit langer Nutzung zu erwarten.Eng damit verbunden ist die Möglichkeit desVorhandenseins von KRP. Entscheidende Fak-toren für das langfristige Vorhandensein vonKRP sind die Tiefenlage und die Mächtigkeitder eigentlichen „Kulturschicht“ – also des an-thropogen veränderten Bodenhorizontes.

Allgemein spielen die folgenden Faktoren

eine herausragende Rolle für das Vorhanden-sein einer Kulturreliktart an einem ur- oderfrühgeschichtlichen Standort (verändert nachSUKOPP 1969, RUSSOW 1999, BEHM UND RUSSOW

2001):x Vergangener Zeitraum seit der Nutzungs-

aufgabex Nutzungsdauer x Intensität der Nutzungx Räumliche Ausdehnung der Nutzung

Die Standorte von KRP weisen oft hohe an-thropogene Veränderungen des Wuchspotenti-als (SIGL 1998b) auf. Dabei handelt es sich ummorphologische und physiko-chemische Fak-toren in Boden und Relief. Dies stellte bereitsPRUEGEL (1941) an mittelalterlichen Burgenfest. BUCHWALD (1942) lehnte demgegenübereinen Zusammenhang mit prähistorischen Fak-toren ab und führte geomorphologische Ursa-chen für die Ausprägung der Waldgesellschaf-ten an. Wie erheblich jedoch anthropogeneVeränderungen des Bodens sein können, stellteTÜXEN (1954) anhand der Veränderung vonWaldgesellschaften in der Umgebung von Bur-gen im Harz dar. Hier sind die Bodeneigen-schaften auch bei langfristiger Aufgabe derSiedlungsstruktur so stark verändert, dass einevollständig andere Folgeentwicklung der Vege-tation (Potentiell Natürliche Vegetation) als inBereichen mit natürlich anstehendem Aus-gangsmaterial stattgefunden hat. Als den Stand-ort prägende Faktoren anthropogenen Ur-sprungs können formuliert werden: x Umgestaltung des Reliefs z.B. mit der Schaf-

fung von Böschungen und Gräbenx Veränderung bodenchemischer Eigenschaf-

ten z.B. Anreicherung des Nährstoffgehaltesund verschiedener Metalle (verändert nachJANSSEN 1990)

x Veränderung bodenphysikalischer Eigen-schaften z.B. Verdichtung und Materialein-trägeProblematisch stellt sich die bodensystema-

tische Beurteilung von „archäologischen Bö-den“ mit den bekannten Methoden der Feldan-sprache dar (RUSSOW 1999). Hierfür sindgrundlegende Kennzeichnungen des Standortsfür die verschiedenen Formen von ur- undfrühgeschichtlichen Siedlungsplätzen notwen-dig (BEHM UND RUSSOW 2001).

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44 Pulsatilla, Heft 5, 2002

Wissenschaftlicher

Name

Zeitstufe1)

Ort/ Region Nutzung 2)

Verbrei-

tung3)

Quelle

Agrimonia eupatoria Slawen Mecklenburg MV LKRP BEHM UND PIVARCI

1998, PIVARCI UND

BEHM 2000 Allium oleraceum Slawen Mecklenburg GP LKRP BEHM 1993, BEHM

UND PIVARCI 1998,PIVARCI UND BEHM

2000Allium scorodoprasum Slawen Mecklenburg MV LKRP 4) Allium ursinum Mittelalter/

DK, Slawen Gelbensande(Rostock)

MV/ GP RKRP BAUCH 1936, 1937b, BEHM UND PIVARCI

1998, PIVARCI UND

BEHM 2000 Anthemis tinctoria Slawen Mecklenburg TV LKRP BEHM UND PIVARCI

1998, PIVARCI UND

BEHM 2000, PETER

1993, PETER 1994 Antirrhinum majus Mittelalter Süd-

Deutschland ZPL AKRP BRANDES 1992,

DEHNEN-SCHMUTZ

2000Artemisia absinthium Mittelalter/

CZ Böhmen, Oberpfalz, Querfurt

MV AKRP TOMAN 1989,HOHENBERGER

1996, KRAUSE 1922Artemisia maritima Mittelalter Burg Arnstein

(Harkerode) MV AKRP SCHULZ 1914

Atropa bella-donna Mittelalter Süd-deutschland

MV LKRP KÜSTER 1996

Cannabis sativa Mittelalter Homburg (Karlstadt)

MV AKRP HOHENBERGER 1996

Cheiranthus cheiri Mittelalter Deutschland ZPL AKRP BRANDES 1992, HOHENBERGER

1996, DEHNEN-SCHMUTZ 2000

Chelidonium majus Slawen Mecklenburg MV LKRP BEHM und PIVARCI

1998, PIVARCI undBEHM 2000

Conium maculatum Mittelalter Rheinland MV AKRP SCHUMACHER 1993Dianthus gratianopolitanus flore pleno

Mittelater Fränkische Alb ZPL AKRP VOLLRATH 1958/60

Gentiana lutea Mittelalter, Neuzeit

Franken MV RKRP ADE 1954

Hedera helix Mittelalter Süd-deutschland

MV LKRP KÜSTER 1996

Helleborus foetidus Kelten,Mittelalter

Unterfranken, Elsaß

MV/ ZP RKRP ADE in BAUCH 1937, KRAUSE 1896

Helleborus viridis Mittelalter Mittel-deutschland

MV RKRP WINTERHOFF 1977,LAMPE 1960

Hyoscyamus niger Mittelalter Rheinland MV AKRP SCHUMACHER 1993Hypericum perforatum Slawen Mecklenburg MV LKRP BEHM und PIVARCI

1998, PIVARCI und BEHM 2000

Tab. 2: Charakterisierung bisher benannter Kulturreliktpflanzen.

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BJÖRN RUSSOW: Pflanzen auf ur- und frühgeschichtlichen Siedlungsplätzen 45

Wissenschaftlicher

Name

Zeitstufe1)

Ort/ Region Nutzung 2)

Verbrei-

tung3)

Quelle

Hyssopus officinalis Mittelalter Querfurt MV AKRP KRAUSE 1922 Lilium martagon Mittelalter Süd-

deutschland MV/ ZPL

LKRP KÜSTER 1996

Lithospermum officinale Unbestimmt, Mittelalter

Bautzen MV LKRP MILITZER 1927, FRENZEL 1932

Malva alcea Slawen Mecklenburg MV AKRP 4) Marrubium creticum Mittelalter Mansfelder

Seekreis MV AKRP SCHULZ 1913

Marrubium vulgare Mittelalter Querfurt MV AKRP KRAUSE 1922 Melissa officinalis Mittelalter Querfurt MV AKRP KRAUSE 1922 Nepeta cataria Mittelalter Oberpfalz MV AKRP HOHENBERGER 1996 Origanum vulgare Slawen Mecklenburg MV RKRP 4)

Petasites hybridus Mittelalter Mecklenburg MV RKRP BALASKE 1962, LÜDERS 1970

Primula veris Slawen Lapitz, Rostock MV LKRP LISCH 1860 Rosa majalis flore pleno Mittelalter Fränkische Alb ZPL AKRP VOLLRATH 1958/60,

HOHENBERGER 1996 Rumex scutatus var.hortensis

Mittelalter Bayern, Rheinland

E AKRP HACKEL 1992, WALTER 1993, SCHUMACHER 1993

Ruta graveolens Mittelalter Süd-deutschland,Ober- undMittelrhein

MV AKRP DEHNEN-SCHMUTZ

2000, MARZELL

1937

Serratula tinctoria Slawen Mecklenburg TV LKRP BEHM und PIVARCI

1998, PIVARCI undBEHM 2000, PETER

1993, PETER 1994 “Stinzenplanten” 5) Mittelalter,

Frühe Neu-zeit, Neuzeit

Niederlande ZPL (GP/ MV)

AKRP,RKRP, LKRP

BAKKER 1985,BAKKER und BOEVE

1985

Verbascum nigrum Slawen Mecklenburg MV/ TV AKRP BEHM und PIVARCI

1998, PIVARCI undBEHM 2000

Vinca minor Römer Rheinland ZP AKRP PRANGE 1996 Viola odorata Slawen,

Mittelalter Fresendorf (Rostock)

MV AKRP BAUCH 1937

1) Die genannten Zeitstufen werden wie folgt definiert: Römer 1. Jh. v. u. Z. – 3. Jh. u. Z.; Kelten: 6. Jh. v. u. Z. - 1. Jh. v.u. Z.; Slawen: 7.Jh. u. Z. – 12. Jh. u. Z.; Mittelalter: 9. Jh. u. Z.- 1500; Frühe Neuzeit: 1500-1618; Neuzeit: 1500-Heute;nach dem „/“ werden spezielle Nationalitäten genannt

2) MV – Medizinische Verwendung; GP – Gewürzpflanze; TV – Technische Verwendung; E – Ernährung; ZP – Zauber-pflanzen (auch Anwendung in religiösen Handlungen); ZPL – Zierpflanzen; alle Nutzungsarten nach DEHNEN-SCHMUTZ (2000), siehe Tab. 1.

3) AKRP – Allgemeine KRP; RKRP – Regionale KRP; LKRP – Lokale KRP.4) Bezieht sich auf Nennungen bei BAUCH 1934, 1936, 1937a, 1937b, 1938, 1953; DAHNKE 1956; HOLLNAGEL 1953a, 1953b;

KINTZEL 1971; HUNDT 19685) Unter ´Stinzenplanten´ wird eine konstante Artenkombination auf Burgen, Burgruinen, Schloss- und Herrengärten

verstanden, die wohl dort angebaut wurden und später verwilderten. Die dazugehörigen Arten sind der Literatur zuentnehmen.

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46 Pulsatilla, Heft 5, 2002

3 Charakteristik der Arten

Da die KRP keine einheitliche Klasse vonPflanzen darstellen, sind für die Charakterisie-rung der Arten Parameter notwendig, die aufdie spezielle Thematik anwendbar sind. In Tab.2 werden die, nach der Definition zur Auswei-sung von KRP notwendigen Parameter wieder-gegeben. Genutzt werden hier die als KRP be-nannten Arten mit den Gebieten, in denen sieReliktcharakter besitzen, die Zeitstufe ihrerNutzung, die Nutzungsart, der Verbreitungstypund die Quellen ihrer Nennung (Tab. 2). Diebisher als KRP benannten Arten wurden ausder Literatur ohne eine kritische Prüfung desEinzelfalls übernommen.

Ergänzend bieten sich die Ellenberg-Zahlen(ELLENBERG et al. 1992), der N-F-T-Status(SCHRÖDER 1969) oder die soziologische Zuge-hörigkeit der Arten (z.B. BRAUN-BLANQUET

1964, ELLENBERG 1996, POTT 1995 etc.) an.Wichtige Parameter, wie die Überlebensdauerder Diasporen, die für eine Wiederbesiedlungverwaister Standorte wichtig ist, liegen nur fürwenige Arten vor (POSCHOLD 1991). Dass dieseerheblich sein kann, zeigen die Untersuchun-gen von OEDUM (1964, 1965). Er konnte bei-spielsweise für die Eselsdiesel (Onopordumacanthium) eine Überlebensdauer der Diaspo-ren von mindestens 450 Jahren nachweisen. Beider Anwendung der genannten Faktoren istdarauf aufmerksam zu machen, dass diese Para-meter unter floristischen oder vegetationskund-lichen Gesichtspunkten erhoben wurden undgrößtenteils die Bedingungen in der freien Na-tur widerspiegeln; das reale ökologische Verhal-ten der KRP kann stark davon abweichen. DieseFaktoren wurden bisher nicht auf ihre Anwend-barkeit für die vorgestellte Thematik unter-sucht.

4 Bedeutung und Schutz

Neben der ideellen Bedeutung der KRP alsTeil der ur- und frühgeschichtlichen Siedlungs-plätze bestehen noch weitere Qualitäten der Ar-ten, die bisher kaum wahrgenommen wurden:

Sie können x durch die Datierbarkeit ihrer Standorte

Aufschluss über die Einwanderungs- und

Ausbreitungsgeschichte geben. Für Vincaminor wurde z.B. der Einwanderungszeit-punkt ins Rheinland zur Römerzeit durchdiese Methode festgestellt (PRANGE 1996).

x wichtige Hinweise auf die Kultur der jewei-ligen Zeitstufe, in Ergänzung zu archäologi-schen Funden/ Befunden, geben. Eng damitverbunden ist die Erforschung der Entwick-lung von Heilkunde und Gartenbau.

x zur Deutung unklarer Namengebungen vonPflanzen in schriftlichen Quellen des Mittel-alters genutzt werden.

x durch die hohe Standorttreue der Arten beiweiterer Erforschung ihres typischen Auf-tretens als Indikatoren für ur- und frühge-schichtliche Siedlungsplätze genutzt wer-den.

x als Genrecourcen angesehen werden, diemöglicherweise auch für eine zukünftigeWieder-Nutzung potentiell zur Verfügungstehen. Trotzdem wurde diesen Arten bisher weder

von Seiten des Naturschutzes/ Artenschutzesnoch von Seiten der Bodendenkmalpflege/Denkmalpflege hinreichende Aufmerksamkeitgeschenkt. Die Schutzproblematik besteht imWesentlichen darin, dass diese Arten oft einezerstreute Verbreitung in der Landschaft auf-weisen, wodurch sie keinen Eingang in die Ro-ten Listen finden. Darüber hinaus handelt essich oft um Ruderalarten und verwilderte Gar-tengewächse, die meist von Schutzbestrebun-gen ausgenommen sind (SCHUMACHER 1993,BEHM 1997, BEHM 1998, PIVARCI und BEHM

2000). Wie notwendig der Schutz für einigeVorkommen ist, wurde von RUSSOW undSCHULZ (2001) anhand der drastischen Be-standsrückgänge slawischer KRP auf Inselsied-lungen im Altkreis Neustrelitz (M-V) aufge-zeigt. Eine Bedrohung anderer Art sind die Res-taurierungsmaßnahmen an mittelalterlichenBurgen (SCHULTE 1988, SCHUMACHER 1993).Allgemeine Ansätze zur Berücksichtigung derKRP, wie die Einbeziehung der Arten in dieLandschaftsanalyse und –planung wurden vonBEHM (1993), BEHM (1997), BEHM UND PIVARCI

(1998), BEHM (1998), BEHM UND RUSSOW

(2001), PIVARCI UND BEHM (2000), RUSSOW

(1999), RUSSOW (2000) benannt. Gegenwärtigfehlt es aber an praktischen Ansätzen zum

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BJÖRN RUSSOW: Pflanzen auf ur- und frühgeschichtlichen Siedlungsplätzen 47

Schutz dieser speziellen Vorkommen der Arten.Möglichkeiten werden von BAKKER (1985) undSCHUMACHER (1993) bspw. mit der Berücksich-tigung in Freilichtmuseen und einer gezieltenVorstellung dieser Arten im Rahmen von Ver-anstaltungen und Schautafeln aufgezeigt. Eben-so wird für die Burgenflora auf der Godesburg(Bad Godesberg) auf eine mögliche Einbezie-hung der speziellen Flora in das Gesamtbild derBurg hingewiesen (SCHULTE 1988). Beispielge-bend ist die Pflege eines Bestandes der Rosen-malve (Malva alcea) als slawisches Kulturreliktin Mecklenburg-Vorpommern durch gelegent-liche Mahd (RIDDER 1979).

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Anschrift des Verfassers:BJÖRN RUSSOW, Borenweg 5, D-18057 Rostock, E-Mail: [email protected]

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Pulsatilla, Heft 5, 2002, Seite 50

Buchbesprechung

Exkursionsflora von Deutschland/begrün-det von WERNER ROTHMALER. Hrsg. von ECKE-HART J. JÄGER und KLAUS WERNER. – Heidel-berg; Berlin: Spektrum, Akademischer Verlag2002. ca. 950 S., über 1200 Abbildungen. 39.90Euro.

Die Bestimmung von Pflanzen, besondersvon Arten formenreicher Gattungen undUnterarten, bereitet immer wieder Schwierig-keiten. Aber gerade eine kritische Betrachtungder heimischen Flora ist bei einer weiterrei-chenden Beschäftigung mit der Thematik derGefäßpflanzen nötig und reizvoll. Hierfür warund ist der „Rothmaler“ immer eine solide Hil-fe. Erstmalig erschien der „ROTHMALER 4 – Kri-tischer Band“ als eines der Standardwerke derPflanzenbestimmung in Deutschland 1963. DieVollständigkeit und Handlichkeit des parallelzu „Band 2 – Grundband“ erscheinenden Wer-kes machten ihn seither zum steten Begleitervieler Botaniker, Biologen und Naturfreunde.

Seit Anfang 2002 liegt nunmehr die 9. Aufla-ge des Rothmaler-Klassikers „Gefäßpflanzen –Kritischer Band“ in einer vollständigen Neube-arbeitung vor.

Nachdem die vierte bis achte Auflage nurwenige Veränderungen und Ergänzungen er-fuhr, wurde die neunte Auflage aktualisiert undwesentlich erweitert. Für die Neubearbeitungder Bestimmungsschlüssel artenreicher undkritischer Gattungen wie Alchemilla, Hieracium,Rosa oder Rubus konnten führende Spezialis-ten gewonnen werden. Etwa 150 regelmäßigauftretende Neophyten mit Einbürgerungsten-denz oder ständiger Samennachlieferung fan-den neu Eingang in das Werk, was vor allem imSiedlungsbereich eine wesentliche Erleichte-rung bei der Bestimmung gebietsfremder Artensein dürfte. Die wissenschaftliche Nomenklaturrichtet sich, neuen Erkenntnissen zur Systema-tik der Gefäßpflanzen folgend, weitgehend nachder Standardartenliste für Deutschland undweicht nur in begründeten Fällen davon ab. Diedeutschen Namen bleiben in der bewährten

Weise des „Rothmaler“ auch weiterhin erhal-ten.

Daneben fand eine Reihe neuer Faktoreneine Berücksichtigung. Hervorzuheben ist dieEinbeziehung der lange vermissten Ellenberg-Zahlen, die einen schnellen Überblick zu denökologischen Ansprüchen der jeweiligen Art er-möglichen. Verzeichnet sind die Licht-, Tempe-ratur-, Feuchtigkeits-, Reaktions- und Stick-stoffzahlen. Die Kontinentalitätszahl von Ellen-berg wird durch die bewährte „Arealformel“ inverbesserter Form ersetzt, bei der diesmal auchdie Spannweite der Verbreitung einer Art imOzeanitäts-Kontinentalitätsgefälle angegebenwird. Die Salzzahl ist indirekt in den ebenfallsbeschriebenen Standortansprüchen der Artenenthalten. Die Verbreitung in Deutschland wirdnach fünf Häufigkeitsklassen geordnet und fürdie einzelnen Bundesländer und ihre Teile auf-gezählt. Ergänzt werden diese Angaben durchden Bestandsentwicklungstrend der Art. Neusind die formelhaften Angaben zur Wuchsformder Arten mit Auskunft zu Laubrhythmus, Le-bensdauer, Überdauerungsorganen und klona-lem Wachstum. Angaben zur Bestäubung, Aus-breitung, Lebensdauer der Diasporen und zuKeimbedingungen folgen.

Neben den vielen Vorzügen des Werkes gibtes leider auch zwei kleine Wermutstropfen. Zu-gunsten der Handlichkeit des 950 Seiten umfas-senden Werkes sind die Unterartenschlüsselund Kommentare zu den Familien und Gattun-gen in Bezug auf die Schriftgröße etwas kleingeraten und erfordern viel Sehkraft, was einemBotaniker mit Lupe nicht schwer fallen sollte.Auch die detaillierte Darstellung der pflanzen-geographischen Kontinentalitätzahlen bedarfeiniger Übung zur Deutung der sehr ähnlichenSchraffuren.

Diese kleinen Makel sollten aber nicht vordem Kauf dieses aktuellen und umfassendenWerkes abschrecken. Spätestens bei der näch-sten Bestimmung einer kritischen Art wird mandie Vorzüge dieses Buches schätzen lernen.

BJÖRN RUSSOW, Rostock

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Es existiert noch ein Restvorkommen auf demDarß. Mit einer deutlichen Konzentration vonVorkommen außerhalb Süddeutschlands trittder Harz hervor. Dieser soll hier beispielgebendfür die Art näher betrachtet werden.

Die Verbreitung im Harz

Schon immer waren die Moorgebiete undFichtenwälder des Harzes ein Schwerpunkt derVerbreitung. Eine umfassende Aufbereitungdes zugänglichen Materials fand 1970 bis 1974statt (WEGENER 1977). Im Jahre 1973 konnte ichauch Teile des Sperrgebietes östlich des Bro-ckens besuchen. Das eigentliche Brockenmassivund das Eckertal lagen aber im Grenzstreifen,der hier mehr als 3 km breit war. Diese Bereichekonnten erst ab 3. Dezember 1989 wieder freibegangen werden und es erschien im Sommer1990 interessant, nach mehr als dreißig Jahrendiese letzten Winkel nach L. cordata abzusu-chen. Allerdings stand im Jahre 1990 der Auf-bau des Nationalparkes Hochharz im Vorder-grund, so dass die genaue Durchmusterung derHochlagen auf die folgenden Jahre verschobenwerden musste.

In historischer Zeit von 1850 bis etwa 1900galt Listera cordata im Oberharz als „ziemlichverbreitet“ (HALLIER 1880, REINECKE 1886, BER-TRAM 1894). Jedes anspruchsvolle Herbar derdamaligen Zeit enthielt die kleine Orchideemeist in mehreren Exemplaren.

Allein für das Territorium des Hochharzesim heutigen Sachsen-Anhalt fanden sich in derverfügbaren Literatur 18 Hinweise, wobei dieFunde im Hohnegebiet, Hohneklippen undUmgebung zu einer Lokalität zusammengefasstwurden (Tab. 1). Es war in der Literatur nicht

Einleitung

Das Kleine Zweiblatt, Listera cordata stehtals eine vom Aussterben bedrohte Orchidee aufder Roten Liste Deutschlands. Sie ist eine Cha-rakterart euro-sibirischer Fichtenwälder undBeerstrauchgebüsche, die gleichzeitig typisch istfür intakte, nicht entwässerte, moorreicheLandschaften.

Der Rückgang der kleinen Orchidee hält seitJahrzehnten an. WIŚNIEWSKI (1969) zählte sie„mit knapp einem halben Dutzend sicher nach-gewiesener Fundorte zu den größten Seltenhei-ten“ der DDR.

Die Verbreitung der Art in Deutschland

Das Kleine Zweiblatt kommt auf Moorbo-den sowohl auf Urgestein als auch in Kalkgebir-gen (Alpen) sowie auf quartären Lockersanden(Dünenmooren) vor. Abgesehen von den Küs-tenmooren befinden sich alle Vorkommen inGebieten mit über 1000 mm Niederschlag.

In der Bundesrepublik kommt die Art inden Alpen von Berchtesgaden bis zum Boden-see, im Schwarzwald, Bayerischen Wald, auf derSchwäbischen Alb, im Fichtelgebirge und imFrankenwald vor (HAEUPLER und SCHÖNFELDER

1989). Aus dem Erzgebirge und ThüringerWald sind wenige Vorkommen bekannt (BEN-KERT, FUKAREK u. KORSCH 1996). Als Beispielkann der Thüringer Wald gelten, vor 1950 wa-ren 19 Funkpunkte bekannt, nach 1950 noch 5und derzeit gibt es zwei rezente Vorkommen(WESTHUS in litt. 2002). Ebenso hat sich die Artaus den Gebirgsvorländern zurückgezogen.Auch die früher vorhandenen Vorkommen inNorddeutschland sind so gut wie alle erloschen.

Pulsatilla, Heft 5, 2002, Seite 51-57

UWE WEGENER, Wernigerode

Botanische Kostbarkeiten in Deutschland: Das Kleine Zweiblatt (Listera cordata (L.) R. BR.

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52 Pulsatilla, Heft 5, 2002

Kleines Zweiblatt (Listera cordata) Foto: OSKAR ANGERER, München

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UWE WEGENER: Botanische Kostbarkeiten in Deutschland: Das Kleine Zweiblatt (Listera cordata) 53

immer unterscheidbar, ob es sich um eigeneFunde der Verfasser, Wiederbestätigungen älte-rer Angaben oder lediglich Literaturzitate ausälteren Floren handelte.

Alle Vorkommen im Hochharz entfielen aufdie montane Fichtenzone mit zahlreichenQuellmooren und Niederschlägen von 1000-1800 mm. Die Vorkommen im Nordharz deu-ten an, dass Listera cordata insbesondere in derVergangenheit in den Harztälern abwärts wan-derte, so im Ilsetal, im Eckertal oder im Bereichder Steinernen Renne. Erklärbar sind diese Vor-kommen in den tieferen Lagen, da durch dieTäler eine Verbindung zu den Populations-schwerpunkten im Hochharz unmittelbar gege-ben war. Auf diese Weise nicht zu erklären sinddie ehemaligen Vorkommen am Hohnstein beiNeustadt am Südharz, auf die HAMPE (1873)verweist und die von VOCKE und ANGELRODT

(1886) bestätigt werden. Auch der Fund beiTrautenstein an der Wasserscheide zwischenRappbode-Dammbach und Beere lässt sich mitdem Populationsschwerpunkt im Hochharznur schwerlich in Übereinstimmung bringen.Dieses Vorkommen, auf das noch näher einzu-gehen sein wird, ist in der historischen Literaturnicht erwähnt. Es wurde 1973 von ThomasEckardt entdeckt.

Eine Zusammenfassung aller historischenund rezenten Funde gibt HERDAM (1993). Ne-ben den früheren Funden in den Harztälern,die bis auf das Eckertal nicht wieder bestätigtwerden konnten, sind auch zahlreiche Fundeaus dem Hochharz seit Jahrzehnten erloschen,zumindest nicht wieder bestätigt, so die Vor-kommen an der Leistenklippe, an den Hirsch-hörnern, am Wernigeröder Molkenhaus, amSchneeloch, bei Schierke und Elend, im Ecker-loch, am Scharfenstein und am Kleinen Bro-cken. Die früheren Vorkommen bei Königshüt-te und Elbingerode sind zweifelhaft.

Die Situation im niedersächsischen Harz istoffensichtlich ähnlich ungünstig wie im Hoch-harz. Aus der floristischen Literatur sind mehrals 12 Nachweise bekannt, von denen aber nurdrei, wenn auch mit zum Teil individuenrei-chen Vorkommen, wieder bestätigt werdenkonnten (GARVE, E. mdl. Mitt. 2002). Dabei istallerdings immer zu berücksichtigen, dass Liste-ra cordata im Auftreten stark schwankt und

schwer zu finden ist. Es besteht zumindest imOber- und Hochharz also weiterhin die Mög-lichkeit, dass ältere Vorkommen wieder bestä-tigt werden können oder neue hinzukommen.

Die Standorte im Hochharz, an der Ecker undam Dammbach

Bereits einleitend wurde dargelegt, dass sichdie Erkundung des Brockengebietes im Jahre1990 verzögerte. In den Jahren 1991 und 1992führten einige Exkursionen an die traditionel-len Fundstellen im Hochharz, aber auch dieMoore um den Brocken wurden nach L. corda-ta abgesucht. Von einer systematischen Durch-musterung aller geeigneten Gebiete konnteallerdings nicht die Rede sein. Dennoch bliebjeglicher Erfolg aus. Das führte vorschnell zuder These, das vermutlich der erhebliche Stick-stoffeintrag aus der Luft (Messungen auf demBrocken gehen von 60-80 kg N/ha · a aus) zumVerschwinden der ziemlich empfindlichen Zei-gerart während der letzten 30 Jahre geführt hat.Diese These konnte in der Folgezeit erfreuli-cherweise nicht aufrechterhalten werden.

IlsemooreIm Jahre 1993 wies Christian Damm wäh-

rend seiner systematischen Erkundung der Ve-getation des Brockens die Art am Rand einesder Ilsehangmoore nach (DAMM 1993). Es han-delte sich um einen kleinen Bestand von ca. 20Exemplaren, der auch während der folgendenJahre regelmäßig beobachtet wurde. Der Stand-ort war durchaus den meisten Örtlichkeiten ausden siebziger Jahren ähnlich: Ein gedrungener,lichter Moorfichtenwald nur wenige Meter vonder waldoffenen Moorfläche entfernt, durch-setzt mit Torfmoos, Vaccinium myrtillus undTrientalis europaea beherbergte die etwa 8 bis10 cm hohen, blühenden Pflanzen. 4 bis 6Pflanzen waren steril und so noch schwierigerzu erkennen. Der Standort lag auf einer Vereb-nungsfläche des Ilse-Einzugsgebietes und warleicht wasserzügig.

RenneckenbergKurze Zeit später im Jahre 1995 entdeckte

Dieter Böttcher aus Minsleben einen großenBestand (Im ersten Jahr ca. 3000 Ex., währendder nachfolgenden Jahre schwankend zwischen

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300 und 1500 Exemplaren.) im oberen Dritteldes Renneckenberges ebenfalls in einem wasser-zügigen Moorfichtenwald in einer Höhenlagevon 850 m ü NN. KALLMEYER und ZIESCHE

(1996) schätzten das Vorkommen auf mehr als1500 Exemplare. Im Gegensatz zum Ilsemoorwar der Fichtenbestand noch stärker entwickelt,jedoch auch nicht völlig geschlossen (ca. 80 %Kronenschluss). Sowohl Sphagnum als auchCalamagrostis villosa bildeten hauptsächlichden Bestand in der Krautschicht. Etwa 1,2 kmvon dieser Stelle entfernt entdeckten BARTSCH,QUITT und WEGENER am 8.7.1973 ebenfalls aneinem Moorrand auf dem Renneckenberg we-nige Exemplare, die 10 Jahre später aber nichtwiedergefunden werden konnten (WEGENER

1977). Dass beide Fundorte in unmittelbarerBeziehung zueinander stehen, ist eher unwahr-scheinlich. Es zeigt aber, dass es im BereicheRenneckenberg, Hohne, Kapellenklippe, Bro-ckenbett noch mehrere Möglichkeiten zur Auf-findung dieser hochmontanen Art gibt.

EckertalGänzlich überraschend wurde bei der vege-

tationskundlichen Kartierung des Eckertalesvon HANS-ULRICH KISON und CHRISTIAN RUNGE

im Jahre 1999 ebenfalls ein erfreulicher Bestandvon etwa 60 Pflanzen des Kleinen Zweiblattesgefunden. Längst glaubten wir alle früherenVorkommen in den Tälern durch intensivereForstwirtschaft, Entwässerung der Standorteund Eutrophierung erloschen, so war denn die-ser Neufund eine besondere Überraschung.Allerdings war dieser Bereich auch weitgehendvon der intensiven Forstwirtschaft verschont.Er lag in einem Seitental der Ecker westlich desKolonnenweges, d.h. im nicht zugänglichenSchutzstreifenbereich. Der leicht nach Westengeneigte Hang ist mit einzelnen Fichten undFichtengruppen bestockt. L. cordata wurdemeist am Rand der Fichtengruppen, nicht imdunklen Bestand gefunden. Die Bodenvegeta-tion wird überwiegend von Calamagrostis villo-sa und Sphagnum spec. gebildet. Der Boden istanmoorig und in Richtung zur Ecker wasserzü-gig. Der Listera-Bestand könnte bei weitererEntwicklung der Fichten ausdunkeln. Unterden Bedingungen des Fichtenwirtschaftswaldeswürde die Forstwirtschaft solchen Standort zur

Hebung der Produktivität mit Hilfe wenigerGräben entwässern, was in den zugänglichenTälern während der letzten 100 Jahre längstpassiert ist und eine Ursache für das Verschwin-den von L. c. in den übrigen Harztälern dar-stellt.

DammbachtalDer eigentliche Standort von Listera cordata

befindet sich in einem Wasserscheidenmoorzwischen Dammbach und Beere. Das Vorkom-men liegt zwar noch in einer Höhe von 540 m üNN, aber es befindet sich doch schon weit ent-fernt vom Populationszentrum im Hochharz.Der Bestand wurde am 17.6.1973 während ei-ner gemeinsamen Exkursion von THOMAS

ECKARDT entdeckt und am 22.7.1973 durch AL-FRED BARTSCH, ALOIS HUNSTOCK, NORBERT

WI(NIEWSKI u.a. erfasst. Gezählt wurden damals150 Exemplare. Seit dieser Zeit wird das Vor-kommen ziemlich regelmäßig beobachtet. Lis-tera cordata kommt nicht jedes Jahr zur Blüte,treibt in manchen Jahren auch keine Blätter.Die Bestandeszahlen schwanken zwischen 20und 40 Exemplaren. Das Vorkommen befindetsich vergleichbar mit dem Hochharz am Randdes Wasserscheidenmoores in einem schütterenFichtenbestand. Die Bodenvegetation wirdüberwiegend durch Sphagnum und Vacciniummyrtillus gebildet.

Schutzmaßnahmen

FRANK und NEUMANN (1999) führen alsHauptursachen der rückläufigen EntwicklungEntwässerungsmaßnahmen im forstlichen Be-reich und den Nährstoffeintrag an. Daraus er-geben sich auch die wichtigsten Schutzmaßnah-men. Heute liegen zwar alle Vorkommen vonListera cordata in Sachsen-Anhalt gleichzeitigauch in Schutzgebieten (KALLMEYER und ZIE-SCHE 1996). Das allein reicht jedoch nicht in je-dem Falle aus, wie das Beispiel des Dammbach-tales zeigt. Das Gebiet wurde im Jahre 1973 alsFlächennaturdenkmal geschützt und ist seit1998 Bestandteil des NSG „Harzer Bachtäler“,seit 2000 auch FFH-Gebiet. Dennoch führenEntwässerungen in der Umgebung zu erheb-lichen Strukturveränderungen auch im Moor.Hinzu kommt, dass Schlagabraum nicht selten

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UWE WEGENER: Botanische Kostbarkeiten in Deutschland: Das Kleine Zweiblatt (Listera cordata) 55

am Moorrand oder im Moor zurückbleibt, wieM. MOKOSCH (2001) feststellte. Auch die Holz-entnahme mit schwerem Gerät führt bis zu 1 mtiefen Fahrspuren, über die eine Entwässerung

erfolgt. Auch im forstlichen Interesse muss essein, die wenigen noch intakten Wasserschei-denmoore zu erhalten. Im anderen Fall müsstedie Schutzgebietsfläche vergrößert bzw. eine

Lfd.

Nr. Fundorte Literaturbeleg bzw.

Kartei-Nr. AGHF1)

Bestätigung

1970 – 1973 1988 – 2001

Hochharz

1. Am Brocken Bertram 1894 + 0

2. Im Brockenbett -- + +

3. Kleiner Brocken Peter 1901 0 0

4. Schneeloch Peter 1901 0 0

5. Eckerloch Peter 1901 0 0

6. Heinrichshöhe Schatz 1854

Kartei Nr. 138

+ 0

7. Königsberg-Hirschhörner Schatz 1854 0 0

8. Schierke Peter 1901 ? ?

9. Hohne und Hohneklippen in allen wichtigen

Lokalfloren

+ 0

10. Hohnebruch Schatz 1854 + 0

11. Wernegeröder Molkenhaus Schatz 1854 0 0

12. Zwischen der Capelle bei der

Hohne und dem Jacobsbruch

Sporleder 1868 + 0

13. Am Renneckenberg Hampe 1873 + +

14. An der Schluftbode Sporleder 0 0

15. Bei Elend Schwabe 1865

Kartei Nr. 205

0 0

16. Südlich der Zeterklippe - - + 0

17. Wernigeröder Brücknerstieg Sporleder 1868 0 0

18. Scharfenstein Peter 1901 u.a. Kartei Nr. 57

0 0

Unterharz-Hochfläche

1. Dammbachtal bei Trautenstein - - + +

Südharz

1. Illfelder Tal Vocke-Angelrodt 1886

0 0

2. Neustadt – unterm Hohnstein Vocke-Angelrodt 1886

0 0

3. Beim Forsthaus Hohnstein Hampe 1873 0 0

Nordharz

1. Ilsetal nach der Waldkapelle hin Peter 1901 0 0

2. Steinerne Renne über Hasserode Schatz 1854 0 0

3. Eckertal - - 0 +

4. Hang der Hippeln (Wernigerode) Sporleder 1868 0 0

Tabelle 1: Übersicht der historischen und rezenten Fundorte im Bereich des Harzes (Sachsen-Anhalt, Thüringen)

1) AGHF – Arbeitsgemeinschaft Hercynischer Floristen

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56 Pulsatilla, Heft 5, 2002

zusätzliche hydrologische Pufferzone eingerich-tet werden.

Der Schutz der Vorkommen im National-park Hochharz ist auf den ersten Blick eher un-problematisch. Alle Vorkommen in der Kern-zone werden forstlich nicht mehr bewirtschaf-tet. Allerdings wurden die Bereiche um denBrocken auch vor 1990 im NSG Oberharz nichtbewirtschaftet. Ein gelegentliches Ausdunkelnder Standorte wird aber nicht mehr durch Ma-nagementmaßnahmen verhindert. Wir gehendavon aus, dass am Rand der Brockenmooreimmer ausreichend potentielle Möglichkeitenfür das Vorkommen von Listera cordata vor-handen sein werden. Durch die hohen Nieder-schläge der letzten 20 Jahre dehnen sich dieWaldmoore aus, so dass sich die Standortbe-dingungen von der Feuchtigkeit her eher ver-bessern. Listera cordata zählt zu den Arten, dieauf eine natürliche Dynamik der Bergfichten-wälder positiv reagieren wird und immer wie-der neue Nischen findet.

Das Vorkommen im Eckertal liegt derzeitnoch im Managementbereich des National-parks, so dass eine vorsichtige Entnahme vonFichten ohne den Einsatz von Großgerätenmöglich ist. Wie sich die auf einem hohen Ni-veau befindliche Eutrophierung aller Harz-standorte langfristig auf das Kleine Zweiblattauswirken wird, kann derzeit nicht vorher ge-sagt werden.

Zusammenfassung

Das Kleine Zweiblatt (Listera cordata) zähltzu den seltensten und gefährdetsten Arten derheimischen Pflanzenwelt. Als Charakterart dermoorigen Bergfichtenwälder hat sie neben denAlpen und dem Bayerischen Wald im Harznach wie vor einen Verbreitungsschwerpunkt.Allerdings ist die Anzahl der Vorkommen hierweiter zurückgegangen. Während historischeQuellen um 1850 bis 1900 noch 22 Vorkom-men auflisten, waren es in den Jahren 1973-1975 neun Vorkommen, aktuell sind lediglich4 Fundpunkte mit zum Teil individuenreichenBeständen bestätigt. Auf die ökologischen Ver-hältnisse an den Fundorten wird eingegangen.Als wichtigste Schutzmaßnahmen sind die Er-haltung des Wasserregimes, der forstliche Nut-

zungsausschluss sowie eine Verhinderung derEutrophierung aus der Umgebung zu nennen.

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UWE WEGENER: Botanische Kostbarkeiten in Deutschland: Das Kleine Zweiblatt (Listera cordata) 57

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Verbreitung einiger Orchideen-Arten in der Deut-schen Demokratischen Republik. Arch. Natur-schutz u. Landschaftsforsch. Bd. 9, H. 3 u. 4, S. 209-211, Berlin.

Anschrift des Verfassers:Dr. UWE WEGENER, Nationalpark Hochharz, Lindenallee 35, D-38855 Wernigerode

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Pulsatilla, Heft 5, 2002, Seite 58

Buchbesprechung

Rheinisches Kulturlandschaftskataster -Tagungsbericht der 11. Fachtagung des Land-schaftsverbandes Rheinland – Beiträge zurLandesentwicklung 55, 164 Seiten. DIN-A-4,broschürt, mit zahlreichen, überwiegend farbi-gen Fotos und Abbildung.

Seit 1991 publiziert das Umweltamt desLandschaftsverbandes Rheinland Beiträge zuFachtagungen, die sich mit speziellen Fragestel-lungen der Themen Landschafts- und Grünflä-chenpflege sowie Denkmalpflege und Kultur-güter-Schutz beschäftigen. Der hier besproche-ne Band ist bereits der 11. Tagungsbericht die-ser Art. Er baut auf frühere Tagungen auf undstellt die Erfassung und Verwaltung von Datenüber Elemente der Kulturlandschaft in denMittelpunkt. Die Palette dieser Kulturland-schafts-Elemente ist vielfältig, vom Blickbezugüber Landnutzungsformen bis hin zu ur- undfrühgeschichtlichen Bodendenkmalen und kul-turhistorisch bedeutsamen Bauwerken. Betontwird die Kulturlandschaft als Abbild regionalerIdentität, ihre ästhetische und erlebnisorien-tierte Komponente und ihre Zeugenschaftebenso wie ihre Bedeutung als Lebensraum fürPflanzen und Tiere. Naturschutz und regionaleKulturpflege werden als die beiden tragendenSäulen der Kulturlandschaftspflege erkannt.

Kristallisationspunkt der Tagung war dasKulturlandschaftskataster. Ausgehend von ei-ner Pilotstudie an der unteren Rur (Kreis

Heinsberg) wird in mehreren Beiträgen derEinsatz von Personalcomputern und Geogra-phischen Informationssystemen (GIS) bei derErfassung, Verwaltung, Auswertung und Prä-sentation der Daten dargelegt. Mit dem Kultur-landschaftskataster als wichtiger Bestandteil derLandschafts- und Regionalplanung aus kom-munaler und regionaler Sicht beschäftigen sichweitere Beiträge, auch die Wirtschaft kommt zuWort. Für den Blick über den Tellerrand hinaussorgen Beiträge aus den Niederlanden und Ös-terreich.

Am Ende des Tagungsbandes steht einÜberblick über die internationalen Bemühun-gen zur Erhaltung und Entwicklung von Kul-turlandschaften in ganz Europa. Hierbei wer-den nicht nur die entsprechenden Programmeder Europäischen Union, sondern auch außer-halb der EU agierende Initiativen und Vereini-gungen, seinen es nun Zusammenschlüsse vonNationalstaaten, haupt- und ehrenamtlicheNichtregierungsorganisationen oder weltweiteAkteure wie die UNESCO vorgestellt.

Ein lohnendes und in vieler Hinsicht anre-gendes Buch für alle, die an einer gedeihlichenZusammenarbeit zwischen Naturschutz undKulturgutschutz interessiert sind. Es ist in Ein-zelexemplaren kostenlos erhältlich beim Land-schaftsverband Rheinland, Umweltamt, Otto-platz 2, 50679 Köln (E-Mail: [email protected]).

CHRISTIAN BERG (Rostock)

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Einleitung

Die fort schreitende Nutzungsintensivie-rung und der Strukturwandel in der Landwirt-schaft hat zu einem starken Rückgang artenrei-cher Wiesen geführt. Grünland ist häufig zuAckerland umgebrochen worden, die verblei-benden Flächen werden überwiegend als Stand-oder Mähweide genutzt. Entwässerung, Nivel-lierung und starke Düngung haben zudem zueiner starken floristischen Verarmung verblie-bener Bestände beigetragen.

Daher finden sich heute viele der ehemalsim Grünland flächig verbreiteten typischen Ar-ten der Wiesen vor allem entlang von Straßenund Wegen. Die Straßen- und Wegränder wer-den im Rahmen der Unterhaltung wie Wiesenregelmäßig gemäht, im Vergleich zu landwirt-schaftlich bewirtschafteten Flächen jedochrecht extensiv genutzt, da sie meist nur ein- biszweischürig gemäht und nicht gedüngt werden.

Die Verkehrsbegleitflächen sind daher viel-fach zum wertvollen Rückzugsgebiet von selte-nen und / oder gefährdeten Pflanzen- und Tier-arten geworden und stellen einen bedeutendenPflanzen- und Tierartenpool für Arten desGrünlandes, der Sandtrocken- und Magerrasensowie der annuellen Arten der Ruderal- und Se-getalfluren dar (GARVE 1994). Nach Angabenvon STOTTELE und SCHMIDT (1988) nimmt dasPflanzenarteninventar der Straßenbegleitvege-tation in der Regel ca. 50-60 % des gesamtenArteninventares eines Messtischblattes ein.Untersuchungen aus dem nördlichen Münster-land (KAPLAN 1995) kamen zu dem Ergebnis,das die bei weitem größte Zahl an gefährdetenPflanzenarten der Region in Saumbiotopen, vor

allem auch an Straßen- und Wegrändern, vor-kommt.

Von den Tiergruppen profitieren vor allemdie Insekten von den blüten- und artenreichenBeständen als Wohn-, Nahrungs-, Brut- undÜberwinterungsplätze. Durch ihre meist lü-ckenlose und engmaschig vernetzte Anlage bie-ten Straßen- und Wegränder zudem gute Mög-lichkeiten für den Biotopverbund und spieleneine wichtige Rolle für die Vernetzung isolierterflächiger Strukturen. Vor allem in intensiv agra-risch genutzten Landschaften können sich Stra-ßen- und Verkehrssäume durch die Bereitstel-lung von Fluchträumen und ihre Leitlinien-funktion positiv für den Biotopverbund auswir-ken (MADER 1987).

Bedingt durch wirtschaftliche Zwänge habensich jedoch auch in der Unterhaltung der Ver-kehrsbegleitflächen Methoden etabliert, die zueiner Verarmung der Bestände geführt haben.Zu nennen ist hier u.a. das Mulchen und liegenlassen des Mahdgutes. Dadurch drohen nunauch die Säume zu artenarmen Brennnessel-oder Glatthafer-Rainfarn-Beständen zu degene-rieren. Vor allem die konkurrenzschwächerenPflanzenarten werden mittelfristig von denHochstauden überwachsen und verschwinden.

Heute werden daher Straßen- und Wegrän-der häufig von verarmten und mit nitrophilenHochstauden durchsetzten Rainfarn-Glattha-ferbeständen (Tanaceto-Arrhenatheretum, FI-SCHER 1985), oder bei Beschattung von Giersch-Brennnesselbeständen gebildet. Dazu trägtnach Angaben von SCHMIDT (1990) in agrari-schen Landschaften auch der Einsatz von Her-biziden und Düngern auf den angrenzendenNutzflächen bei.

Pulsatilla, Heft 5, 2002, Seite 59-66

THOMAS HÖVELMANN, Münster

Vorkommen und Pflege schutzwürdiger Weg- und Straßenrän-der in Münster

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60 Pulsatilla, Heft 5, 2002

Das Projekt des NABU Münster

Vor dem Hintergrund der oben genanntenGegebenheiten führte die Botanik-AG des NA-BU Münster in Zusammenarbeit mit der AGHeuschrecken und der AG Schmetterlinge imJahr 2000 ein Projekt durch mit dem Ziel, imEinklang mit ökonomischen Zwängen weitestmögliche Schutz- und Entwicklungsmöglich-keiten für die Säume an Verkehrswegen inMünster zu erarbeiten. Da eine flächendecken-de Ökologisierung der Saumunterhaltung sehraufwändig und zumindest kurzfristig unrealis-tisch ist, sollten sich dabei die vorgeschlagenenMaßnahmen zunächst auf besonders geeigneteStandorte beschränken.

Das Projekt wurde von der Stadt Münsterdankenswerter Weise mit einem Zuschuss ge-fördert. Der vollständige Projektbericht kannbeim Autor gegen einen Unkostenbeitrag von 5Euro bezogen werden.

In einem ersten Schritt (Projektphase 1)wurden auf der Grundlage eines Leitbildes anHand von Indikator-Pflanzenarten flächende-ckend im Stadtgebiet schutz- und entwick-lungswürdige Standorte heraus gefiltert. Diesegeeigneten Bestände werden danach in ihremArteninventar an Pflanzen und den für den Le-bensraum typischen Tiergruppen Heuschre-cken und Tagfalter näher beschrieben (Projekt-phase 2). Zuletzt werden für die schutz- undentwicklungswürdigen Säume auf der Grundla-ge des Leitbildes konkrete Pflegemaßnahmenformuliert und mit dem jeweiligen Träger derUnterhaltung abgestimmt (Projektphase 3).

Das Untersuchungsgebiet

Die Stadt Münster (270.000 Einwohner)liegt im Nordwesten von Nordrhein-Westfaleninmitten der Münsterländischen Tiefland-bucht. Das Klima ist deutlich subatlantisch ge-prägt. Auf Grund der geologischen Verhältnissekommen im Stadtgebiet in jeweils großem Um-fang sowohl nährstoffarme Sandböden als auchreiche Lehmböden vor. Von Nordwestenstreicht ein alter Kalkzug (Nienberger-Alten-berger Höhenrücken) in das Stadtgebiet, sodass kleinflächig auch kalkreiche Böden vor-handen sind.

Mit 303 km² gehört Münster zu den flä-chenmäßig größten Städten Deutschlands. Ent-sprechend ist auch das Straßennetz sehr lang,mit Sicherheit mehrere Tausend Kilometer. Ge-naue Zahlen konnten dazu leider nicht gefun-den werden.

Das Leitbild

Bevor die Suche nach schutz- und entwick-lungswürdigen Säumen begann, musste einLeitbild formuliert werden, das unter den gege-benen standörtlichen und nutzungstechnischenGegebenheiten das Ziel der Projektbemühun-gen sein sollte.

Leitbild ist für den bei Weitem größten Teildes Stadtgebietes Münsters die Pflanzengesell-schaft, die sich auf den mittleren Standorten beiregelmäßiger extensiver Schnittnutzung ohneDüngung einstellt: die Glatthaferwiese (Arrhe-natheretum elatioris). Dabei handelt es sich intypischer Ausprägung um eine artenreiche, mitzahlreichen magerkeitsliebenden Arten ange-reicherte Wiesengesellschaft, die auf Grund vonNutzungsänderungen in der Landwirtschaftvon Nutzflächen fast vollständig verschwundenist und daher in NRW als gefährdet gilt (LÖBF1995) bzw. einen Lebensraumtyp von gemein-schaftlichem Interesse gemäß FFH-Richtliniedarstellt (BfN 1998).

Auf Standorten mit abweichenden besonde-ren Bodeneigenschaften ist auch die Entwick-lung anderer Pflanzengesellschaften möglich.So können auf den basenreichen Böden im Be-reich des Nienberger-Altenberger Höhenrü-ckens Übergänge zu den Halbtrockenrasen(Mesobrometum erecti) vorkommen. Auf denarmen Sandböden im Osten der Stadt ist dage-gen das Vorkommen von Sandtrocken- undSandmagerrasen der Klasse Airo-Corynophore-tea standortgerecht. In den ehemaligen Heide-gebieten ist - je nach Ausbildung des Samenvor-rates im Boden – auch die Entstehung von Hei-degesellschaften der Klasse Nardo-Calluneteamöglich. Zwischen den genannten Pflanzenge-sellschaften und der Glatthaferwiese gibt es dar-über hinaus alle Arten von Übergängen, die esebenso zu erhalten gilt.

Ziel muss es dabei sein, die genanntenPflanzengesellschaften in möglichst optimaler

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THOMAS HÖVELMANN: Vorkommen und Pflege schutzwürdiger Weg- und Straßenränder in Münster 61

Form zu entwickeln, d.h. mit einem möglichsthohen Anteil an charakteristischen Pflanzen-und Tierarten und möglichst wenigen gesell-schaftsfremden Arten. Nicht erwünschte Artenin den Säumen sind daher z.B. einjährige Arten,die auf Grund von Narbenverletzungen in dieBestände eindringen. Weiterhin entspricht dasAuftreten von nitrophytischen Hochstaudender Klasse Artemisietea vulgaris wie z.B. dieGroße Brennnessel (Urtica dioica), der Rainfarn(Tanacetum vulgaris) und der Gemeine Beifuß(Artemisia vulgaris) nicht dem Leitbild. Dasmassive Auftreten dieser Arten ist auf ungenü-gende Mahd, Mulchen oder das Liegenlassendes Mahdgutes zurück zu führen. Zuletzt zeigtauch das Auftreten von Gehölzjungwuchs einenicht ausreichende Pflege der Bestände an.

Darüber hinaus ist auch der Erhalt und dieFörderung von regional seltenen und / oder ge-fährdeten Arten Ziel des Projektes. Gerade dieStraßen- und Wegränder sind dafür bekannt,dass sie für eine Reihe von seltenen Pflanzenar-ten den oder die einzigen Fundorte in Münsterdarstellen.

Projektphase 1:Erfassung der schutz- und entwicklungs-würdiger Saumstandorte

In der ersten Projektphase wurde das Stadt-gebiet von Münster flächendeckend nach geeig-neten Saumstandorten abgesucht. Dieser sehrarbeitsintensive Schritt geschah mit Hilfe vonIndikatorpflanzen, die folgende Kriterien er-füllten:x sie sind geeignet, schutz- und entwicklungs-

fähige Saumstandorte anzuzeigen;x sie sind auch für einen Laien leicht zu er-

kennen;x sie blühen in den Sommermonaten;x sie sind von weitem zu sehen, z.B. vom

Fahrrad aus. Diese Aufgabe wurde von ca. 20 Mitarbei-

tern und Mitarbeiterinnen der NABU-AG Bo-tanik übernommen. Von den Indikatorartensind beispielsweise der Große Klappertopf(Rhinanthus serotinus), die Kuckucks-Lichtnel-ke (Lychnis flos-cuculi) und die Skabiosen-Flo-ckenblume (Centaurea scabiosa) zu nennen. Ei-ne vollständige Liste ist in Tab. 1 abgedruckt.

Die insgesamt 43 geeigneten Arten wurdenje nach Indikatorqualität in drei Gruppenunterteilt. Die Arten der erste Gruppe wurdenbereits erfasst, wenn auch nur einzelne Indivi-duen gefunden wurden. Es sind allesamt selteneArten, die bislang nur an wenigen Stellen inMünster gefunden worden sind. Die mittlereArtengruppe wurde erst dann kartiert, wenn siein größeren Gruppen vorhanden war. Es han-delt sich dabei meist um Arten, die zwar nichtselten, aber Charakterarten der angestrebtenPflanzengesellschaft Glatthaferwiese sind. In derrechten Spalte der Tab. 1 schließlich finden sichmit dem Wiesen-Schaumkraut und der Schaf-garbe Allerweltsarten, die jedoch bei Massenauf-treten als Magerkeitszeiger gelten können unddaher in diesem Fall ebenfalls erfasst wurden.

Insgesamt wurde das Stadtgebiet in 14 Sek-toren aufgeteilt, die jeweils von ein oder zweiAktiven bearbeitet wurden. Die Suche nach denIndikatorarten erfolgte in den Monaten Mai bisJuli 2000.

Projektphase 2: Arteninventarisierung schutz- und ent-wicklungswürdiger Säume

Insgesamt wurden nach Auswertung der er-sten Phase des Projektes 17 schutz- und ent-wicklungswürdige Säume im Stadtgebiet herausgearbeitet, die weiter bearbeitet wurden. Eshandelt sich dabei um über das gesamte Stadt-gebiet von Münster verteilte Verkehrsseitenflä-chen von insgesamt 2.760 m Länge. Diese Flä-chen wurden als Grundlage für die Entwicklunggeeigneter Pflegemaßnahmen und für eine spä-tere Erfolgskontrolle auf ihr Arteninventar anPflanzen, Heuschrecken und Tagfaltern hinuntersucht.

Von den Säumen wurden Vegetationsauf-nahmen nach BRAUN-BLANQUET (1964) angefer-tigt, die aus Platzgründen hier nicht dargestelltwerden können. Dabei wurden in den bearbei-teten Säumen 20 Arten nachgewiesen, die nachder Roten Liste NRW (LÖBF 1999) als gefähr-det (RL 3) eingestuft oder die auf der Vorwarn-liste (V) geführt werden (Tab. 2).

An Hand der Vegetationsaufnahmen lassensich vier verschiedene Pflanzengesellschaftendifferenzieren:

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62 Pulsatilla, Heft 5, 2002

Ein Wegrand bei Münster-Wolbeck lässtsich als feuchte Ausbildung der Ginster-Besen-heide (Genisto-Callunetum ericetosum) klassifi-zieren. Charakteristische Arten sind der Engli-sche Ginster (Genista anglica), die Glockenhei-de (Erica tetralix) und die Besenheide (Callunavulgaris).

Im Waldgebiet Hohe Ward im Süden Mün-

sters wurde ein Straußgras-Magerrasen (Agros-tietum tenuis) erfasst. Diese Pflanzengesellschaftist typisch für offene, wenig beschattete, ab undzu befahrenen Stellen auf nährstoffarmen Sand-böden (RUNGE 1986). Von den charakteristi-schen Arten der Gesellschaft sind neben demdominanten Roten Straußgras (Agrostis tenuis)der Kleine Sauerampfer (Rumex acetosella) und

Erfassung bereits von Einzelindividuen

Orchideen, alle Arten

Alchemilla vulgaris

Astragalus glycophyllos

Calluna vulgaris

Campanula rotundifolia

Centaurea scabiosa

Cichorium intybus

Euphrasia stricta

Hypericum hirsutum

Jasione montana

Malva alcea

Malva moschata

Medicago falcata

Ononis spinosa

Origanum vulgare

Rhinanthus serotinus

Sanguisorba minor

Silaum silaus

Silene vulgaris

Succisa pratensis

Gemeiner Frauenmantel

Süße Bärenschote

Besenheide

Rundblättrige Glockenblume

Skabiosen-Flockenblume

Wegwarte

Steifer Augentrost

Behaartes Johanniskraut

Berg-Sandglöckchen

Sigmarskraut

Moschus-Malve

Sichelklee

Dornige Hauhechel

Gemeiner Dost

Großer Klappertopf

Kleiner Wiesenknopf

Wiesen-Silge

Taubenkropf-Lichtnelke

Teufelsabbiss

Erfassung von mittleren bis großen Beständen

Agrimonia eupatoria

Calamintha clinopodium

Campanula rapunculus

Centaurea jacea

Centaurium minus

Cerastium arvense

Euphorbia cyparissias

Galium verum

Hieracium pilosella

Knautia arvensis

Lathyrus pratensis

Leucanthemum vulgare

Lychnis flos-cuculi

Odontites rubra

Plantago media

Potentilla erecta

Pulicaria dysenterica

Sedum acre

Thymus pulegioides

Tragopogon pratensis

Veronica chamaedrys

Gemeiner Odermennig

Wirbeldost

Rapunzel-Glockenblume

Wiesen-Flockenblume

Kleines Tausendgüldenkraut

Acker-Hornkraut

Zypressen-Wolfsmilch

Echtes Labkraut

Kleines Habichtskraut

Acker-Witwenblume

Wiesen-Platterbse

Wiesen-Margerite

Kuckucks-Lichtnelke

Roter Zahntrost

Mittlerer Wegerich

Aufrechtes Fingerkraut

Großes Flohkraut

Scharfer Mauerpfeffer

Arznei-Thymian

Wiesen-Bocksbart

Gamander-Ehrenpreis

Erfassung von sehr großen Beständen

Achillea millefolium

Cardamine pratensis

Gemeine Schafgarbe

Wiesen-Schaumkraut

Tab. 1: Die im Rahmen des Projektes im Stadtgebiet von Münster kartierten Indikatorartenfür schutz- und entwicklungsbedürftige Säume

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THOMAS HÖVELMANN: Vorkommen und Pflege schutzwürdiger Weg- und Straßenränder in Münster 63

das Tüpfel-Johanniskraut (Hypericum perfora-tum) vorhanden.

Die bei Weitem größte Zahl der Weg- undStraßenränder in Münster sind den Glatthafer-wiesen (Arrhenatheretum elatioris) zuzuordnen.Die im Rahmen des Projektes bearbeitetenschutz- und entwicklungswürdigen Beständesind durch das Vorkommen zahlreicher Cha-rakterarten wie Glatthafer (Arrhenatherum ela-tior), Wiesen-Labkraut (Galium mollugo), Wie-sen-Flockenblume (Centaurea jacea) und Gro-ße Bibernelle (Pimpinella major) bestimmt.

Dabei lassen sich die untersuchten Flächenje nach Standort in verschiedene Untergesell-schaften und Varianten untergliedern:

Zwei Säume mit Arten wie Berg-Sandglöck-chen (Jasione montana), Kleinem Habichts-kraut (Hieracium pilosella) und Kleinem Sau-erampfer (Rumex acetosella) repräsentieren dentrockensten und magersten Flügel der Glatthaf-erwiesen (Arrhenatheretum elatioris ranuncule-tum bulbosi, Var. von Luzula campestris) aufSandböden.

Eine Reihe von Probeflächen können aufGrund des Vorkommens von Kalkzeigern wieDornige Hauhechel (Ononis spinosa), Fieder-

zwenke (Brachypodium pinnatum) und Oder-mennig (Agrimonia eupatoria) der Untergesell-schaft des Knolligen Hahnenfußes (Arrhenathe-retum elatioris ranunculetum bulbosi, Var. vonSanguisorba minor) zugeordnet werden, die aufmehr oder weniger trockenen und basenreichenStandorten vorkommt.

Die übrigen Säume mit dem Arrhenathere-tum sind je nach Bodenverhältnissen auf mage-reren Böden mit Magerkeits- und Säurezeigernoder auf stärker basenhaltigen Böden, diegleichzeitig zur Verdichtung oder Vernässungneigen, mit Arten der Queckenfluren, Trittra-sen oder feuchteliebenden Hochstauden ausge-stattet.

Eine einzige Probefläche kann dagegen alsWeidelgras-Weißkleeweide (Lolio-Cynosuretumcristati) angesprochen werden. Als Charakterar-ten dieser Assoziation sind Deutsches Weidel-gras (Lolium perenne), Weiß-Klee (Trifolium re-pens) und Kammgras (Cynosurus cristatus) mithoher Deckung vorhanden. Der vorliegendeBestand zeichnet sich durch ein größeres Vor-kommen des Steifen Augentrostes (Euphrasiastricta) aus.

Zur Erfassung der Heuschrecken kam die

NRW Westf. Bucht

Achillea ptarmica Sumpf-Schafgarbe v

Allium oleraceum Gemüselauch 3 3

Anthemis arvensis Acker-Hundskamille 3 3

Centaurium erythraea Echtes Tausendgüldenkraut v

Cynosurus cristatus Kammgras v

Dianthus armeria Büschel-Nelke 3 3

Euphrasia stricta Steifer Augentrost 3 3

Genista anglica Englischer Ginster 3 3

Hieracium pilosella Kleines Habichtskraut v

Hypericum tetrapterum Geflügeltes Johanniskraut v

Jasione montana Berg-Sandglöckchen 3 3

Linum carthaticum Purgier-Lein v

Medicago falcata Sichelklee * 3

Ononis spinosa Dornige Hauhechel * 3

Potentilla argentea Silber-Fingerkraut * 3

Potentilla erecta Blutwurz v

Rhinanthus serotinus Großer Klappertopf 3 3

Senecio aquaticus Wasser-Greiskraut 3 *

Silaum silaus Wiesen-Silge 3 3

Teesdalia nudicaulis Bauernsenf 3 3

Tab. 2: In den Probeflächen vorkommende Arten der Roten Liste NRW (LÖBF 1999): 3 = gefährdet, v = Vorwarnliste

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Aktivitätsdichtekartierung zur Anwendung.Dabei werden die stridulierenden Männchenentlang festgelegter Transektstrecken ausge-zählt. Zum Nachweis von Heuschreckenarten,die in einem für das menschliche Ohr nichthörbaren Frequenzbereich singen, oder derenStridulation nur aus nächster Nähe wahrge-nommen werden kann, wurde ein Ultra-schallfrequenzmodulator eingesetzt.

Insgesamt konnten 11 Heuschreckenartennachgewiesen werden, darunter als gefährdeteArten der Roten Liste des Landes Nordrhein-Westfalen (LÖBF 1999) der Verkannte Gras-hüpfer (Chorthippus mollis, RL 3) und die Feld-grille (Gryllus campestris, RL 2).

Zum Nachweis von Tagfaltern wurde dieTransektmethode angewendet. Mit diesem Ver-fahren können standardisierte Individuenzah-len und relative Abundanzen von Schmetter-lingsgemeinschaften ermittelt werden. Insge-samt konnten lediglich acht Tagfalterarten be-obachtet werden, die allesamt als Allerweltsar-ten einzuschätzen sind. Bemerkenswert ist al-lenfalls das Vorkommen von zwei Thymelicus-Arten, die besonders an mageren, blütenreichenSaumstrukturen höhere Individuendichten auf-weisen.

Projektphase 3Entwicklung eines Pflege- und Unterhal-tungskonzeptes

Auf der in Projektphase 2 ermittelten Da-tengrundlage werden geeignete Maßnahmenzur optimalen Pflege der Bestände erarbeitetund in ein Gesamtunterhaltungskonzept einge-stellt. Dabei gelten die vorgeschlagenen Unter-haltungsmaßnahmen nicht für die Banketteund Sichtdreiecke, die aus Gründen der Ver-kehrssicherheit auf jeden Fall frei gehalten wer-den müssen und bei Bedarf häufiger und frühergemäht werden.

Allgemeine Pflegeempfehlungen

Einige Pflegevorschläge gelten unabhängigvon der betroffenen Pflanzengesellschaften. Sogilt grundsätzlich, dass das anfallende Mahdgutvon den Flächen entfernt werden sollte. DieseMaßnahme verhindert zum Einen das Verfilzen

der Grasnarbe, zum Anderen führt der Biomas-seentzug zur sukzessiven Aushagerung derStandorte. Das Ansiedeln von nitrophytischenHochstauden wie die Große Brennnessel (Urti-ca dioica) oder den Rainfarn (Tanacetum vulga-re) wird erschwert.

Bei der Mahd ist es wünschenswert, dassnicht lange Strecken gleichzeitig gemäht wer-den. Günstiger ist es, streifenweise zu mähenoder einzelne Abschnitte stehen zu lassen. DasMahdgut sollte idealerweise einige Tage am Ortbelassen werden, um den von der Mahd über-raschten Tieren die Flucht in angrenzende Be-stände zu ermöglichen.

Allgemein sind Messermähwerke aus ökolo-gischer Sicht günstiger zu bewerten als Schlegel-oder Kreiselmäher (OPPERMANN und CLASSEN

1998). So führen beispielsweise die Schneidwer-ke zu glatten Schnittkanten an den Pflanzen, dieweniger häufig Pilzerkrankungen nach sich zie-hen.

Nicht zuletzt ist für alle Weg- und Straßen-ränder der Eintrag von Nährstoffen und Pestizi-den von angrenzenden landwirtschaftlich ge-nutzten Flächen zu vermeiden. Für die optima-le Entwicklung ist es daher sinnvoll, beispiels-weise über vertragliche Regelungen eine Exten-sivierung auf den Randstreifen der angrenzen-den Nutzflächen zu erreichen.

Über die allgemein gültigen Hinweise hin-aus gelten für die einzelnen Pflanzengesellschaf-ten folgende Pflegeempfehlungen:

Für die Glatthaferwiese liegen zum günstig-sten Mahdtermin und die geeignetste Mahd-häufigkeit in der Literatur verschiedene Anga-ben vor, meist je nachdem, ob zoologische odervegetationskundliche Fragestellungen imVordergrund stehen. Aus Sicht der Tierweltwird meist eine einschürige Mahd im Spätsom-mer oder Herbst (z.B. STOTTELE 1995, BARNA et.al. 1988) befürwortet. Die Pflanzengesellschaftwird nach STOTTELE und WAGNER (1992) am be-sten durch eine zweimalige Mahd gefördert.Dies führt vor allem zu einer verstärkten Aus-hagerung des Standortes. Der erste Schnittter-min darf nicht vor Mitte Juni liegen, der zweiteMahd sollte ab Ende September durchgeführtwerden.

In den nährstoffarmen Ausprägungen ge-nügt dagegen eine einschürige Mahd im Herbst,

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THOMAS HÖVELMANN: Vorkommen und Pflege schutzwürdiger Weg- und Straßenränder in Münster 65

ebenso in feuchten, staudenreichen Ausbildun-gen in und an Gräben.

Für den staufeuchten Weidelgras-Weißklee-Rasen sollten die Pflegemaßnahmen auf den Er-halt des gefährdeten und in Münster nur an die-ser Stelle vorkommenden Steifen Augentrostes(Euphrasia stricta) ausgerichtet werden. Dazu isteine Ausmagerung und Unterbindung der Kon-kurrenz anderer, höherwüchsiger Arten (z.B.Obergräser) durch regelmäßige Mahd (2-3 maljährlich) mit anschließender Entfernung desMähgutes ideal. Die volle Besonnung ist zu ge-währleisten, d.h. das Anpflanzen oder Aufkom-menlassen von Gehölzen muss unterbleiben.Der Bestand kann in geringem Umfang durchLückigkeit der Grasnarbe gefördert werden.

Nach Angaben von BARNA et. al. (1988)reicht für die Sandmagerrasen ein 4-5 jährigerSchnittturnus, STOTTELE und WAGNER (1992)dagegen schlagen eine jährliche Mahd imHerbst vor. Für eine möglichst weitgehende Of-fenhaltung des Standortes ist eine jährlicheMahd im konkret bearbeiteten Bestand sicherzu befürworten, zumal die dort vorkommendestark gefährdete Feldgrille auf eine starke Er-wärmung des Bodens angewiesen ist.

Für den kleinen untersuchten Bestand derGinster-Besenheide ist das jährliche Herauszie-hen von Gehölzjungwuchs empfehlenswert,wobei Narbenverletzungen durchaus förderlichsein können, und das gelegentliche abschnitts-weise Abtragen des Oberbodens bis in ca. 10 cmTiefe.

Bewertung der aktuellen Unterhaltungspraxis

Fast alle untersuchten Flächen werden vomTiefbauamt der Stadt Münster unterhalten. DieMäharbeiten in der Zuständigkeit des Tiefbau-amtes der Stadt Münster werden z.Z. wie folgtdurchgeführt, dass mit einem Schlegelmähermit Absaugung gearbeitet wird. Das abgesaugteMaterial wird direkt in einem Anhänger ab-transportiert. Die Arbeiten beginnen erst nachder Vegetationsperiode ab dem 15. Oktober.Das Mähgut wird auf einer Kompostierungsan-lage verwertet.

Die zur Zeit betriebene Unterhaltungspraxisfür die vom Tiefbauamt der Stadt Münsterunterhaltenen Flächen kann insgesamt als be-

friedigend beurteilt werden. Als günstig ist zubewerten, dass die Verkehrsnebenflächen erstzu einem späten Zeitpunkt im Jahr, nämlich abMitte Oktober, gemäht werden. Zudem ist es zubegrüßen, dass durch die Absaugung dasMahdgut von den Flächen entfernt wird.

Als ungünstig einzuschätzen ist dagegen dieBearbeitung mit einem Schlegelmäher, dergegenüber einem Messermähwerk ökologischeNachteile aufweist. Ein abschnittsweises Vorge-hen wird nicht vorgenommen. Auch ist der ein-schürige Mahdvorgang nicht für alle vorkom-menden Lebensgemeinschaften optimal.

Kosten für eine ökologisch optimale Pflege

Die Kosten für die derzeit praktizierte Artder Unterhaltung betragen nach Angaben desTiefbauamtes der Stadt Münster 0,17 DM/m².Die Kosten für eine einmalige Mahd mit einemBalkenmäher und Abfuhr des Mähgutes betra-gen dagegen ca. 0,60 DM/m².

Die erfassten schutz- und entwicklungswür-digen Säume müssen ferner eindeutig und dau-erhaft markiert werden, damit sie bei derHerbstmahd mit dem Schlegelmäher nicht mitgemäht werden.

Für eine ökologisch optimale Pflege (s.o.)kämen danach allein für die 17 untersuchtenFlächen zusätzliche Aufwändungen in Höhevon ca. 13.000 DM auf die Träger der Unterhal-tung zu:

Aufgrund der relativ hohen anfallendenKosten wäre als Kompromiss denkbar, die ein-schürigen Säume wie bisher zu mähen. Bei denzweischürigen Säumen könnte der erste Schnittmit einem Balkenmäher durchgeführt werden,der zweiten Schnitt im Rahmen der Herbst-mahd mit einem Schlegelmäher. Dadurch wür-den sich die Unkosten auf ca. 7.000 DM verrin-gern.

Fazit und weiteres Vorgehen

Zur Zeit wird mit der Stadt Münster übereine stückweise Umsetzung des ökologisch op-timierten Mahdkonzeptes verhandelt. Ob undin welchem Umfang die vorgeschlagenen Maß-nahmen verwirklicht werden können, ist ak-tuell noch nicht abzusehen.

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66 Pulsatilla, Heft 5, 2002

Auf den Flächen, auf denen das Pflegekon-zept ggf. umgesetzt werden wird, wird eine Effi-zienzkontrolle notwendig. Hierzu gehört diejährliche Inaugenscheinnahme der Flächen unddie Einrichtung von Dauerbeobachtungsflä-chen, die jährlich oder in längerem Turnus auf-genommen werden. Hierzu steht der AG Bota-nik des NABU Münster ein Magnetsuchgerätzur Verfügung (HÖVELMANN 2001).

Langfristig ist bei nachgewiesenem Erfolgdes Pflegekonzeptes eine Ausdehnung auf wei-tere Flächen oder die gesamten Verkehrsneben-flächen anzustreben. Hierzu sind auch die wei-teren Unterhaltungsträger im Stadtgebiet vonMünster, z.B. der Landschaftsverband, dieAutobahnmeisterei, die Stadtwerke etc. einzu-beziehen. Eine flächendeckende Erfassung vonstraßenbegleitenden Strukturen mit Erstellungeines Maßnahmen- und Entwicklungskonzep-tes wurde beispielsweise vom Kreis HerzogtumLauenburg (Schleswig-Holstein) als Träger derUnterhaltungslast für Kreisstraßen in Auftraggegeben (BERG und KROOG 1999).

Literatur

BARNA, O., JAHNS-LÜTTMANN, LÜTTMANN, J. (1988): Unter-suchungen zur Bedeutung von Straßenbegleitgrünfür den Arten- und Biotopschutz und zur Festle-gung von Pflegemaßnahmen. UnveröffentlichteStudie im Auftrag der Straßenverwaltung Rhein-land-Pfalz.

BERG, K., KROOG, V. (1999): Entwicklungs- und Handlungs-konzept für Maßnahmen des Naturschutzes undder Landschaftspflege an Kreisstraßen. Natur undLandschaft 74 (1): 11-17.

BfN (Bundesamt für Naturschutz, 1998): Das europäischeSchutzgebietssystem NATURA 2000. Schriftenreihefür Landschaftspflege und Naturschutz 53.

BRAUN-BLANQUET, J. (1964): Pflanzensoziologie. Wien.

FISCHER, A. (1985): „Ruderale Wiesen“ – Ein Beitrag zurKenntnis des Arrhenatherion-Verbandes. Tüxenia5: 237-248.

GARVE, E. (1994): Atlas der gefährdeten Farn- und Blüten-pflanzen in Niedersachsen und Bremen. Natur-schutz und Landschaftspflege in Niedersachsen 24:1-152.

HÖVELMANN, Th. (2001): Einfache Methoden zur Markie-rung von Dauerbeobachtungsflächen zur Erfolgs-kontrolle - Erfahrungen aus dem ehrenamtlichenNaturschutz. Pulsatilla 4 (30-34).

KAPLAN, K. (1995): Wo wachsen die gefährdeten Pflanzen-arten? LÖBF-Mitteilungen 3/1995: 39-45.

LÖBF, Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung undForsten (1995): Rote Liste der Pflanzengesellschaf-ten in Nordrhein-Westfalen. Schriftenreihe derLÖBF 5.

LÖBF, Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung undForsten (1999): Rote Liste der gefährdeten Pflanzenund Tiere in Nordrhein-Westfalen. 3. Fassung.Schriftenreihe der LÖBF 17.

MADER, H.J. (1987): Straßenränder, Verkehrsnebenflächen- Elemente eines Biotopverbundsystems? Naturund Landschaft 62(7/8): 296-299.

OPPERMANN, R., CLASSEN, A. (1998): NaturverträglicheMähtechnik - Moderne Mähgeräte im Vergleich.Grüne Reihe NABU Baden-Württemberg: 48 S.

RUNGE, F. (1986): Die Pflanzengesellschaften Mitteleuropas.Aschendorff, Münster.

SCHMIDT, W. (1990): Struktur und Funktion von Straßen-rändern in der Agrarlandschaft. Verhandlungen derGesellschaft für Ökologie 19 (2): 566-591.

STOTTELE, T. (1995): Vegetation und Flora am StraßennetzWestdeutschlands – Standorte, Naturschutzwert,Pflege. Dissertationes Botanicae 248, Cramer, Ber-lin, Stuttgart.

STOTTELE, T., SCHMIDT, W. (1988): Flora und Vegetation anStraßen und Autobahnen der BundesrepublikDeutschland. Forschung Straßenbau und Straßen-verkehrstechnik 529.

STOTTELE, T., WAGNER, U. (1992): Ergebnisse der Bestands-kartierung und Pflegeplanung für ausgewählteMeistereibetriebe in Nordhessen. In: STOTTELE, T.,SOLLMANN, A.: Ökologisch orientierte Grünland-pflege an Straßen. Schriftenreihe des HessischenLandesamtes für Straßenbau 32: 203-231.

Anschrift des Autors:Dr. THOMAS HÖVELMANN, NABU Münster e. V., Prozessionsweg 62, D-48145 Münster

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Vereine treiben erfolgreiche Öffentlichkeitsar-beit auf Exkursionen, Seminaren, Tagungenund durch Informationsmaterial. Im Blick aufdie Gesamtbevölkerung ist der Wirkungsgradjedoch gering. Um aber die Kenntnisdefiziteüber die einheimische Natur und deren Gesetz-mäßigkeiten auszubauen, sind viele Ideen ge-fragt. Manches wird in engerem Rahmen aus-probiert, was verallgemeinerungswürdig wäre.Deshalb soll hier ein Beispiel genannt werden,wie man viele Bürger über Natur- und Umwelt-probleme informieren und für unsere Pflanzen-welt interessieren kann.

Seit Januar 2001 veröffentlicht die „FreiePresse“, größte Tageszeitung des Regierungsbe-zirkes Chemnitz, in 14-tägigem Rhythmus eineArtikelserie über die Pflanzen der „Roten ListeSachsens“ auf der Ratgeberseite. Mit einer Ge-samtauflage von 400.000 Exemplaren wird eingroßer Teil der Haushalte im westsächsischenRaum erreicht. Nach einer guten Einführung indie Problematik und die gesetzlichen Bestim-mungen zum botanischen Artenschutz war dieVorstellung der ersten Art jedoch so unglück-lich und mit gravierenden Fehlern behaftet,dass es von verschiedenen Seiten fachliche Pro-teste gab. Die Redaktion wurde darauf hinge-wiesen, dass die Autoren für derartige Beiträgenicht nur über guten Willen und journalistischeFähigkeiten, sondern auch über Kenntnisse derVerbreitung und Biologie der Arten im Gebietverfügen müssen. Daraufhin wurden folgendeAbsprachen getroffen:x Es werden jeweils eine oder mehrere Pflan-

Wird man mit der Artenkenntnis unsererMitbürger konfrontiert, ergibt sich oft ein er-schreckendes Bild, besonders bei der Stadtbe-völkerung. Zwar lernen alle Kinder in den er-sten Schuljahren eine Reihe von Pflanzen ken-nen, hauptsächlich Frühblüher, und im Herbstsammeln sie bunte Blätter. Doch schon beimBestimmen häufiger Baumarten können die El-tern nicht helfen. Geht man mit 12- bis 14-jäh-rigen Schülern durch eine Stadt und lässt sieAutomarken und gleichzeitig die Straßenbäu-me zählen und benennen, so ist die Autoindus-trie eindeutig im Vorteil gegenüber den Land-schaftsgärtnern.

In manchen Zeitschriften oder Kalendernsieht man schöne Bilder von „naturnahen“Landschaften. Doch die Fotografen haben alsVordergrund dekorative und farbintensive Blü-tenstände gewählt. Oft sind es die KanadischeGoldrute (Solidago canadensis) oder das Drüsi-ge Springkraut (Impatiens glandulifera), ge-bietsfremde Problempflanzen, die konkurrenz-stärker als die einheimischen Arten sind, dieseverdrängen und die der mitteleuropäischenTierwelt kein Futter bieten.

Auf vielen Tagungen, in Referaten, Ausstel-lungen und Presseartikeln werden ökologischeProbleme, und zunehmend auch Fragen derbiologischen Vielfalt, angesprochen. Doch esgibt wohl kaum ein anderes Fachgebiet, überdas in den letzten Jahren so emotional, aberauch mit so viel Unkenntnis diskutiert wurde.

Natürlich gibt es auch positive Beispiele. Diegroßen Naturschutzverbände und viele kleinere

Pulsatilla, Heft 5, 2002, Seite 67-70

SUSANNA KOSMALE, Zwickau

Artikelserien über „Rote-Liste-Pflanzen“ in der Tagespresse –eine Möglichkeit der Lobbyarbeit für die Pflanzenwelt

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68 Pulsatilla, Heft 5, 2002

zen mit dem in der Region gebräuchlichendeutschen sowie dem wissenschaftlichenNamen und dem in der Roten Liste Sach-sens ausgewiesenen Gefährdungsgrad vor-gestellt.

x Die Serie erscheint im 14-tägigen Rhyth-mus.

x Jeder Artikel umfasst ca. 1 1/2 Seiten DINA4, dazu gehört jeweils ein Farbfoto.

x Die Auswahl der Arten und der Bilder liegenbeim Autor

x Vor den Informationen zu den betreffendenPflanzen werden jeweils in allgemeinver-ständlicher Form Informationen zu botani-schen Fachbegriffen, Standortbedingungen,morphologischen Besonderheiten usw. ge-geben.

x Er erfolgt keine redaktionelle Bearbeitungdes Textes, höchstens platzbedingte Kür-zungen, die den Inhalt nicht beeinflussendürfen.

x Die Titel werden von der Redaktion be-stimmt.Nach einem Jahr Erfahrung mit dieser Ar-

beitsweise kann festgestellt werden, dass die Be-dingungen weitestgehend eingehalten wurden.Es kam selten zu Druckfehlern und nur zwei-mal durch Unaufmerksamkeit beim Satz zu sin-nentstellenden Aussagen. Dies dürfte aber nurFachleuten aufgefallen sein, denn es gab keineReaktion der Leser darauf. Dagegen hört manaus allen Teilen des Einzugsgebietes der „FreienPresse“ Zustimmung zur Artikelserie.

Da diese Form der Öffentlichkeitsarbeitauch in anderen Regionen ein positives Echofinden könnte, seine einige Beispiele aus demwestsächsischen Raum vorgestellt. Die Erfah-rung zeigt, dass der Bezug auf das Verhalten der

Vorgestellte Pflanzenart G

Märzenbecher (Leucojum verum) 3

Seidelbast (Daphne mezereum) 3

Leberblümchen (Hepatica nobilis) 3

Wiesen-Schlüsselblume (Primula veris) Hohe Schlüsselblume (Primula elatior)

2 V

Neunblättrige Zahnwurz (Cardamine enneaphyllos) 3

Wiesen-Schachtelhalm (Equisetum pratense) 3

Sumpf-Schlangenwurz (Calla palustris) 3

Orchideen: Auflistung aller 17 Arten des Regierungsbezirkes Chemnitz

Zwiebel-Zahnwurz (Cardamine bulbifera) Feuer-Lilie (Lilium bulbifera)

2 1

Einbeere (Paris quadrifolia) 3

Kornrade (Agrostemma githago) 0

Alpen-Milchlattich (Cicerbita alpina) 3

Breitblättriges Wollgras (Eriophorum latifolium) Schmalblättriges Wollgras (Eriophorum angustifolium) Scheidiges Wollgras (Eriophorum vaginatum)

1 3 3

Fichtenspargel (Monotropa hypopytis) 2

Tausendgüldenkraut (Centaurium erythraea) 3

Herbstzeitlose (Colchicum autumnalis) 2

Silberdistel (Carlina acaulis) Golddistel (Carlina vulgaris)

1 3

Breitblättriger Sitter (Epipactis helleborine) 3

Gemeiner Wacholder (Juniperus communis) 2

Rippenfarn (Blechnum spicant) 3

Braunstieliger Streifenfarn (Asplenium trichomanes) 3

Eibe (Taxus baccata) R

Weiß-Tanne (Abies alba) 1

Tabelle 1: In der Artikelserie vorgestelltePflanzenarten mit Gefährdungs-status der „Roten Liste Sachsens(G). Die Arten innerhalb einesKästchens wurden zusammen ineinem Artikel behandelt.

Arten in ihrer Heimat die Öffentlichkeit be-sonders anspricht.

Die im Jahre 2001 jeweils zur Blüte- odergünstigsten Beobachtungszeit vorgestelltenPflanzenarten sind in Tabelle 1 aufgelistet.

Auf den folgenden Seiten sehen Sie einigeBeispiele der Artikelserie.

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SUSANNA KOSMALE: Artikelserien über „Rote-Liste-Pflanzen“ in der Tagespresse 69

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70 Pulsatilla, Heft 5, 2002

Anschrift der Autorin:Dr. SUSANNA KOSMALE, Clara-Zetkin-Straße 21, D-08058 Zwickau

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Die Zeitschrift „Insecta“ beschäftigt sich mit naturschutzbezogenen entomologischen Themen. Die Artikel beinhalten

wissenschaftliche Ergebnisse von Freilanduntersuchungen, faunistische und ökologische Arbeiten, Artenschutz,

Eignung von Insekten für naturschutz- und landschaftsplanerische Arbeiten, Reiseberichte, sowie die Vorstellungen von

Projekten und Arbeitsgruppen. Außerdem können die Vorträge der alle zwei Jahre von den Entomologen im NABU

veranstalteten Tagungen in der „Insecta“ nachgelesen werden.

Die Beiträge in der Zeitschrift sollen vorrangig eine fachliche Grundlage für den aktiven Naturschutz aus der Sicht der

Entomologen liefern.

Schriftleiter: Dr. Jürgen Deckert, Museum für Naturkunde der Universität zu Berlin, Institut für Systematische

Zoologie, Invalidenstr. 43, 10115 Berlin, [email protected]

„Insecta“ erscheint in etwa jährlichen Abständen mit einem Umfang von 110-160 Seiten.

INSECTA Zeitschrift für Entomologie und Naturschutz •

NABU-Bundesfachausschuss Entomologie

Vor- und Zuname

Straße

PLZ/Ort

Absender

Bitte freimachen

NABU53223 Bonn

Der Name „Boletus“ (Röhrling) steht für die bekannteste Pilzgattung. Die Zeitschrift „Boletus“ wurde 1977 in der DDR

gegründet und 1994 mit dem ebenfalls dort erschienenen „Mykologischen Mitteilungsblatt“ vereint. Seit 1990 wird die

Zeitschrift vom NABU herausgegeben. Sie greift vor allem Themen aus der Floristik, Ökologie, Chorologie und Taxo-

nomie mitteleuropäischer Pilze auf, wobei im begrenzten Umfang auch lichensierte Pilze (= Flechten) Berücksichtigung

finden. Bestandsentwicklungen und naturschutzrelevante Themen werden besonders beachtet.

Schriftleiter: Dr. Norbert Luschka, Starenweg 4, 73529 Schwäbisch-Gmünd, [email protected]

Bezug und Abonnentenverwaltung: Berit Otto, Edvard-Grieg-Weg 9, 06124 Halle/Saale, [email protected]

„Boletus“ erscheint in zwei Ausgaben pro Jahr mit einem Umfang von zusammen ca. 128 Seiten zum

Preis von 7 Euro je Heft plus Porto. Internet:www.nabu.de/adressen/Fach.htm#my

BOLETUS Pilzkundliche Zeitschrift •

NABU-Bundesfachausschuss Mykologie

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Hiermit abonniere ich ab sofort aus der Reihe „Naturschutz Spezial“ des NABU die Fachzeitschrift

■ INSECTA ■ BOLETUS

■ BUCEPHALA ■ PULSATILLA

■ Bitte schicken Sie mir die Liste und das Info-Material zu den NABU-Bundesfachaus-schüssen und -Arbeitsgruppen.

■ Ich bin an einer Projekt-Patenschaft interessiert.

■ Bitte senden Sie mir eine Übersicht der aktuellen NABU-Materialien.

■ Ich möchte NABU-Mitglied werden. Bitte senden Sie mir Informationsmaterial zu.

■ Bitte schicken Sie mir die schon erschienenen Hefte der Zeitschrift:

Name der Zeitschrift:

Nummern oder Erscheinungsjahre der Hefte:

Name, Vorname:

Straße, Nr.:

PLZ; Ort:

Datum, Unterschrift:

BUCEPHALA Zeitschrift für Wasservogelforschung und Feuchtgebietsschutz •

Bundesfachausschuss Ornithologie und Vogelschutz/Bundesarbeitsgruppe Wasservogel- und Feuchtgebiete

"Bucephala" erscheint in Deutschland seit 1993 als Fachzeitschrift für Wasservogel- und Feuchtgebietsschutz. Sie wendet sich an

alle Spezialisten für Wasservögel, an Naturschützer und an Naturfreunde im weitesten Sinne. Die Zeitschrift bringt neben

Originalarbeiten Berichte über die Ergebnisse der ehrenamtlich durchgeführten Wasservogelzählungen. Teilweise sind die Hefte

speziellen Themen wie der Ramsar-Konvention oder den Wildgänsen gewidmet. Weitere Inhalte sind: aktuelle Probleme des

nationalen und des internationalen Wasservogel- und Feuchtgebietsschutzes, Tagungsberichte, Stellungnahmen und

Resolutionen. Die Zeitschrift will dazu beitragen, Grundlagen für eine aktive Naturschutzpolitik auf dem Gebiet des

Wasservogel- und Feuchtgebietsschutzes zu schaffen.

Schriftleiter: Dr. Johannes Naacke, Am Rosenhang 3, 14470 Brandenburg, Tel: 03381. 30 88 97

„Bucephala“ erscheint in etwa jährlichen Abständen mit einem Umfang von 80-90 Seiten.