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Treffpunkt RU – Neuausgabe

Unterrichtswerk für katholische Religionslehre in der Sekundarstufe I

7./8. Jahrgangsstufe

Erarbeitet von Reinhard Bamming und Maria Trendelkampunter Mitarbeit von Norbert Heiny, Hans-Peter Imig und Bernhard Scheidgenunter Beratung vonProfessor Dr. Paul Schladoth

Revidiert von Josef Epping und Brigitte Zein-Schumacher

Zugelassen als Lehrbuch für den katholischen Religionsunterricht durch die Diözesanbischöfevon Aachen, Berlin, Essen, Fulda, Hamburg, Hildesheim, Köln, Limburg, Mainz, Münster,Osnabrück, Paderborn, Speyer, Trier

2. Auflage 2006Copyright © 2004 Kösel-Verlag, München, ein Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH

Rechtschreibreformiert (2006), sofern nicht urheberrechtliche Einwände bestehen, z. B. bei B. Brecht S. 137.Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf deshalb der vorherigenschriftlichen Einwilligung des Verlags. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung eingescannt und in ein Netzwerk eingestellt werden. Dies gilt auch für Intranets von Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen.

Umschlag: Kaselow Design, unter Verwendung eines Motivs von Peter SchimmelIllustration: Lisa Althaus, A-KlausNotensatz: Christa Pfletschinger, MünchenSatz: Kösel-Verlag, MünchenDruck und Bindung: Kösel, KrugzellPrinted in GermanyISBN-10: 3-466-50655-7ISBN-13: 978-3-466-50655-2

Der Kösel-Verlag ist Mitglied im »Verlagsring Religionsunterricht« (VRU).www.vru-online.de

www.koesel.de

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Inhaltsverzeichnis

Für das eigene Leben verantwortlich werden 5Mut – Verantwortung – Gewissen

Vorbilder 19Wegweiser in unserem Leben

Glaube braucht Zeichen 31Mit allen Sinnen glauben

Geschenkter Neu-Anfang 47Schuld und Versöhnung

Ich und du 61Identität – Freundschaft – Liebe

Hoffen auf Heil 77Die biblischen Schöpfungserzählungen

Ein Prophet redet ins Gewissen 93Jeremia

Leben bringt er 105Jesus von Nazaret

Es geschehen noch Zeichen und Wunder 121Wunder Jesu – damals und heute

Spuren des lebendigen Gottes 133Gottesbegegnungen – Gottesbilder

Dem Ruf Gottes folgen 147Berufung und Nachfolge

Für eine bessere Welt 161Organisierte Nächstenliebe

Projekt: Die Welt in Augenschein nehmen 176

Register 178Text- und Bildnachweis 179

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Einmal erzählte Rabbi Chajim:

»Es hat sich einst einer im tiefen Wald verirrt. Nach einer Zeit verirrte sich

ein Weiterer und traf auf den Ersten. Ohne zu wissen, wie es dem

ergangen sei, fragte er ihn, auf welchem Weg man hinausgelange.

›Den weiß ich nicht‹, antwortete der Erste. ›Aber ich kann dir die Wege

zeigen, die nur noch tiefer ins Dickicht führen, und dann lass uns

gemeinsam nach dem Weg suchen.‹

Gemeinde!«, so schloss der Rabbi seine Erzählung, »suchen wir

gemeinsam den Weg!«

Mit dieser chassidischen Geschichte laden wir euch herzlich ein

in den beiden kommenden Schuljahren gemeinsam den Weg zu suchen.

Dieses Religionsbuch kann euch dabei ein guter Begleiter sein.

Viel Freude dabei!

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Das war das Schlimmste

Seit zweieinhalb Jahren ärgere ich mich über Rike. AmAnfang hat sie mir gut gefallen, ich mag das, wennjemand hübsch aussieht. Aber dann hatten wir einmalStreit, wegen einer ganz blöden Sache eigentlich.Wir saßen in der Zeichenstunde nebeneinander, sie hatteeine sehr schöne weiße Latzhose an. Ich war einbisschen neidisch, denn ich wusste, dass Mama mir nieso eine Hose kaufen würde. So viel gab Mama für eineHose nicht aus.Nun, irgendwie, ich weiß auch nicht mehr ganz genauwie, kam ich an das Wasserglas, in dem wir unserePinsel sauber machten. Es fiel um und die ganzedreckige Brühe floss über Rikes neue Hose. Die wardann nicht mehr weiß und schön.Sie regte sich schrecklich darüber auf und als ich ganzruhig sagte, sie solle sich doch nicht so anstellen, daskönne man bestimmt wieder auswaschen, schrie siemich an: »Du bist ja nur neidisch, weil ich immer soschöne Sachen zum Anziehen habe und du selbst immerso hässlich bist. Das hast du bestimmt mit Absichtgemacht.«Es war fürchterlich. Ich fing vor lauter Schreck an zuheulen. Das ist mir danach nie wieder passiert, dass ichvor anderen geweint habe. Herr Rost, unser Zeichen-lehrer, wurde richtig böse und verlangte von Rike, dasssie sich bei mir entschuldigte. Das tat sie dann auch.Aber ich konnte danach nicht mehr so tun, als wärenichts gewesen. Ich werde auch nie vergessen, wie michalle angestarrt haben. Das kann ich nun mal nichtausstehen.»Du bist neidisch, weil du selbst immer so hässlich bist«,hatte sie gesagt. Das war das Schlimmste. Ich hattevorher nie darüber nachgedacht, aber jetzt wusste iches. Und weil Rike es laut gesagt hatte, wussten es auchdie anderen. Und noch etwas: Vorher hatte ich auch nie

gemerkt, dass die meisten Mädchen aus der Klasse vielbesser angezogen waren als ich. Natürlich nicht alle,aber die, die wirklich beliebt waren, hatten tolle Sachenund immer wieder neue.In den Wochen danach bildeten sechs Mädchen aus derKlasse die Clique. Rike war natürlich dabei. Die von derClique geben den Ton an bei uns in der Klasse. Jedenfallssind sie sehr laut. Und immer nach der neuesten Modeangezogen. Ich habe sogar mal eine Statistik gemacht.Ich habe jeden Tag aufgeschrieben, was sie anhatten,welche Hosen, Blusen, Pullis und so weiter. Drei Monatehabe ich geschrieben und gezählt, dann konnte ich mirleicht ausrechnen, dass sie alle offensichtlich drei bis vierneue Sachen im Monat bekamen. Selbst wenn ichgewollt hätte, hätte ich nie dazugehören können, daswar mir klar. Aber ich will ja gar nicht.Ich laufe eben immer in alten Jeans rum und in einfa-chen T-Shirts, und die kauft Mama im Kaufhaus, weil esda billiger ist. Dafür sitzen sie dann auch nicht richtigund die T-Shirts werden nach der ersten Wäsche breitund kurz. Ich finde mich auch sonst nicht besondershübsch, aber ich finde mich lange nicht so blöd wie dievon der Clique, von denen gefallen mir nur Chris undNina.Ich habe mich dann mitAlex angefreundet. Sie istnicht so auffällig wie dieanderen, sehr zurückhal-tend und ruhig, aber wirk-lich lieb und nett. Sie gehörtauch nicht zur Clique.

Mirjam Pressler

Carolin Strohbach, 17 Jahre,gewann mit dieser Karikatur

einen bundesweiten Jugendwett-bewerb zum Thema »Sucht«.

1Dabei sein oder anders sein?

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● Betrachtet das Bild auf S. 5. Welche Gedankenwege und Gefühlswege ist das Mädchen aus der Erzählung vonMirjam Pressler gegangen, bis ihr klar wurde, dass sie nicht zu der Clique gehören will? Schreibt unterschied-liche Tagebucheinträge, die deutlich machen, welche Entwicklung mit dem Mädchen geschieht.

● Nehmt zu dem Verhalten des Mädchens und seiner Klassenkameradinnen Stellung.● Sprecht über ähnliche Situationen in eurer Klasse! Überlegt dabei, inwieweit der Begriff »Gruppenzwang«

von Bedeutung ist.● Sprecht über die in der Karikatur gezeigte Problematik. Informiert euch bei eurem/eurer Beratungslehrer/in

oder im Internet über Essstörungen und diskutiert über mögliche Ursachen und Hilfen.

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Frisch vom Friseur

Es war Viertel nach sechs, ich war gerade vom Friseurnach Hause gekommen. »Thomas, bist du das?«, rief meine Mutter.»Ja«, brummte ich vor mich hin, denn ich hatte nichtgerade gute Laune.Meine Mutter saß im Wohnzimmer und las Zeitung.»Da bist du ja, dann können wir endlich essen. Dein ... – Thomas, wie siehst du denn aus?« Fassungslosstarrte sie mich an. Sie hatte wohl erst jetzt meine neueFrisur registriert: megakurze Haare und dazu ein grüngefärbter Pony.»Was ist?«, fragte ich kampflustig, »gefällt es dir nicht?«»Ähh ..., es ist sehr gewöhnungsbedürftig! Warum hastdu das gemacht?«»Mensch, Mutter, weil es ›in‹ ist. Alle haben ihre Haareso!«, explodierte ich.

»Das ist doch noch lange kein Grund, dass du’s auchhast!«, hörte ich meine siebzehnjährige Schwester hintermeinem Rücken sagen, »ich meine, das ist dochbescheuert, wenn alle mit der gleichen Frisur herum-laufen!«»Aber es ist doch genauso bescheuert, mit ‘ner anderenFrisur herumzulaufen, wenn alle diese haben, da fälltman doch nur negativ auf«, erwiderte ich.»Quatsch, du fällst positiv auf, weil du dich aus derReihe zu tanzen traust. Das nennt sich ›positives Anders-sein‹!«, konterte sie gelassen.»Aber ... ach. Lass mich doch in Ruhe!«Verwirrt lief ich in mein Zimmer. Positives Anderssein ...so toll sahen meine Haare wirklich nicht aus. Eigentlichstand mir blond überhaupt nicht. Aber, wenn das allehatten ...

Jana Skornicka

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● Warum fällt es oft schwer, sich dem Trend der Zeit zu entziehen?● »Positives Anderssein« – sprecht über diesen Begriff!

Überlegt Situationen und Verhaltensweisen, für die ihr diesen Begriff verwenden würdet.

Ich mag es lieber,wenn jeder das trägt,

was zu ihm passt. Gruppenzwang ist

nichts für mich.

Ist mir doch egal,was die anderen denken.Ich mache, was ich will.

Haste was,dann biste was!

Ich will doch nichtauffallen. Da passe ich

mich lieber an!

Wenn ich das trageund mache, was gerade »in«

ist, habe ich mit Sicherheitdie Mehrheit hinter mir.

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● Überprüft, wofür die »Gründe« in dem Gedicht angegeben werden. Überprüft die »Gründe« und findet heraus,wofür sie abgegeben werden.

● Die Schlagzeilen zeigen Schwächen im menschlichen Miteinander. Sprecht über Ursachen und Folgenund sucht weitere Schlagzeilen, die zu der Karikatur passen.

● Gestaltet eine Plakatwand mit der Überschrift »Stellung beziehen«, indem ihr Zeitungsausschnitte,(eigene) Bilder oder (eigene) Texte sucht, die folgende Redensarten verdeutlichen:Stellung beziehen – Rückgrat zeigen – Einen Standpunkt vertreten – Farbe bekennen ... Weitere Informationen findet ihr im Kapitel »Ein Prophet redet ins Gewissen«, S. 93 ff.

● Sprecht über die Bereiche, die durch eure Collage verdeutlicht werden.

Gründe

»Weil das alles nicht hilftSie tun ja doch was sie wollenWeil ich mir nicht nochmalsdie Finger verbrennen willWeil man nur lachen wird:Auf dich haben sie gewartetUnd warum immer ich?Keiner wird es mir dankenWeil da niemand mehr durchsiehtsondern höchstens noch mehr kaputtgehtWeil jedes Schlechtevielleicht auch sein Gutes hatWeil es Sache des Standpunktes ist

und überhaupt wem soll man glaubenWeil auch bei den andernnur mit Wasser gekocht wirdWeil ich das lieberBerufeneren überlasseWeil man nie weißwie einem das schaden kannWeil sich die Mühe nicht lohntweil sie alle das gar nicht wert sind«Das sind Todesursachenzu schreiben auf unsere Gräberdie nicht mehr gegraben werdenwenn das die Ursachen sind

Erich Fried

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2Stellung beziehen – sich entscheiden

Junge Frau in der U-Bahn von zwei Männern

belästigt und beraubt

KEINER DER FAHRGÄSTE KAM ZU HILFE

Mallorca platzt aus allen Nähten

Wasserknappheit bedroht die Einwohner

Papierfabrik ließ Chemikalien in den Fluss abAus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes schwiegen die Mitarbeiter

14-jähriges Mädchen erlitt jahrelangesMARTYRIUMNachbarn und Verwandte nahmen keine Notiz

Obdachloser erfror in der Innenstadt

Passanten dachten, 54-jähriger schliefe

MÜLLBERGE

stellen immer größeres Problem dar

Verpackungsindustrie boomt

14-Jähriger stirbt an

ÜBERDOSIS

Mitschüler und Eltern sind ratlos

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Seltsamer Spazierritt

Ein Mann reitet auf seinem Esel nach Haus und lässtseinen Buben zu Fuß nebenher laufen. Kommt einWanderer und sagt: »Das ist nicht recht, Vater, dass Ihrreitet und lasst Euren Sohn laufen; Ihr habt stärkereGlieder.« Da stieg der Vater vom Esel herab und ließ denSohn reiten. Kommt wieder ein Wandersmann und sagt:»Das ist nicht recht, Bursche, dass du reitest und lässestdeinen Vater zu Fuß gehen. Du hast jüngere Beine.«Da saßen beide auf und ritten eine Strecke. Kommt eindritter Wandersmann und sagt: »Was ist das für einUnverstand, zwei Kerle auf einem schwachen Tiere?Sollte man nicht einen Stock nehmen und euch beidehinabjagen?« Da stiegen beide ab und gingen selbdrittzu Fuß, rechts und links der Vater und Sohn und in derMitte der Esel. Kommt ein vierter Wandersmann undsagt: »Ihr seid drei kuriose Gesellen. Ist’s nicht genug,wenn zwei zu Fuß gehen? Geht’s nicht leichter, wenneiner von euch reitet?« Da band der Vater dem Esel dievorderen Beine zusammen, und der Sohn band ihm diehinteren Beine zusammen, zogen einen starken Baum-pfahl durch, der an der Straße stand, und trugen denEsel auf der Achsel heim.

Johann Peter Hebel

Der Schritt zurück

Er stand ganz am Rand. Unter ihm die gleißende Wasser-oberfläche. Wie geschmolzenes Blei sah es aus. In seinenSchläfen hämmerte es. Er hatte Angst, nackte Angst.Hinter sich hörte er die Stimme seines Trainers: »Spring!«Das Pochen nahm zu, gleich musste es seinen Kopfsprengen. Zwischen ihm und der Wassermasse gab esnur dieses kleine schwankende Brett, zehn Meter hoch.Leute starrten nach oben. Sie warteten. Ihre Gesichterwaren feindlich. Trotzdem fühlte er sich ihnen verpflichtet.Er musste springen, damit sie ihre Sensation bekamen. Erfühlte, dass er es nicht schaffen würde. Er war noch nichtso weit. Aber er musste beweisen, dass er ein Mann war.Lieber tot sein, als sich vor diesen Gesichtern blamieren.Nur noch ein paar Sekunden atmen, dachte er, mehrverlange ich gar nicht. Er blickte nach unten. Warumlächelte niemand? Lauter gespannte weiße Ovale mit

harten Augen. Sie wissen, dass ich es nicht kann. Eswurde ihm schlagartig klar. Sie wissen, dass etwaspassieren wird. Warum rief ihn niemand zurück?Plötzlich tauchte ein neuer Gedanke in seinem Gehirnauf. Hatten so die Leute ausgesehen, die einer Hinrich-tung beiwohnten? Waren ihre Augen so hart, so unbe-teiligt gewesen? Ich bin doch einer von ihnen, wiesorufen sie mich nicht zurück? Sie wollen, dass ich michselbst vernichte für sie. Sie verlangen, dass ich meineAngst bestrafe. Aber was werden sie nachher tun?Wenn es passiert ist, will niemand etwas dafür können.In ihm kam das Bedürfnis auf zu schreien, die Menschenda unten aus ihrer Starre zu schreien. Sie sollten nichtdas Recht haben, schuldlos an seinem Unglück zu sein.Wenn sie geschrien hätten, die Opfer der MillionenHinrichtungen, sie hätten ihnen dieses Rechtgenommen. Die Übelkeit in seinem Magen verstärktesich, nicht mehr aus Angst, sondern aus Ekel vor derFeigheit der Masse da unten. Er hätte ausspuckenmögen. Stumm, wie eine Herde blöder Schafe, standensie da unten und warteten.Aber wenn er jetzt sprang und sich für ihre Gier opferte,war er dann nicht auch so feig wie sie? Ein Schritt nur,ein Schritt. Er war so einsam. Hätte ihn jetzt jemandgerufen, wäre noch alles gut gegangen, aber sieschwiegen. Seine Verachtung stieg ins Unermessliche.Er forschte in seinem Gewissen: Wenn er sprang, warirgendetwas damit erreicht? Tat er damit etwasFalsches? Etwas Richtiges? Er wusste, was er tun sollte.Warum sträubte er sich dagegen? Aber war dasSpringen heldenhaft, hatte es einen Sinn? Ein Schrittnur! Sein Fuß schob sich langsam vor. Dann ging einRuck durch seine Gestalt. Er richtete sich auf und drehtesich um. Ganz bewusst. Seine Unsicherheit war von ihmgewichen; der Druck, der auf ihm lastete, verschwand.Langsam kletterte er die Leiter hinab und schritt durchdie starre Gruppe.Zum ersten Mal in seinem Leben trug er den Kopf hoch.Er begegnete den Blicken der anderen mit kühler Gelas-senheit. Keiner sprach ein Wort oder lachte gar. Er fühltesich so stark, als hätte er gerade die wichtigste Prüfungin seinem Leben bestanden. Er spürte so etwas wieAchtung vor sich selbst. Eines Tages würde er auchspringen, das wusste er plötzlich. Annette Rauert

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● Stellt die drei Szenen des Textes »Seltsamer Spazierritt« in einem Standbild/Rollenspiel dar.Warum meinen die Wanderer, etwas zu der Situation sagen zu müssen?

● Wie ist das Verhalten von Vater und Sohn zu verstehen? Wie beurteilst du dieses Verhalten?● Was hätte es bedeutet, wenn der Junge in der Erzählung trotz seiner Angst gesprungen wäre?● Findet ähnliche Situationen, die zu der Erzählung passen und zeigen, dass jemand den »Kopf hoch trägt«.

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3Verantwortung tragen

Was könnte ich denn tun ...?

Gespräch zwischen Vater (V) und Sohn (S)

S: Unser Geschichtslehrer hat heute Morgen ein politi-sches Experiment mit uns gemacht.

V: Da bin ich neugierig.S: Er hat uns gefragt, was wir tun würden, wenn die

Bundesregierung verfügte, die Zeugen Jehovasmüssten Zipfelmützen tragen und statt der Gehsteigedie Fahrbahn benutzen.

V: Das ist gut.S: Fast alle waren der Meinung, dass sie nichts tun

würden.V: Du auch?S: Ich auch.V: Warum?S: Weil ich mir nichts vormache. Genauso wenig wie

meine Klassenkameraden sich etwas vormachen.Der Einzelne kann da gar nichts ausrichten.

V: Das war eure Meinung.S: Zwei wollten etwas tun, aber was es sein sollte, wussten

sie auch nicht. Der eine meinte schließlich, man müsstean seinen Abgeordneten oder an die Presse schreiben.Der andere wollte in einem Protestmarsch mitziehen,wenn einer ginge. Wir fanden das alles ziemlich kindisch.Natürlich kann man sich da manches ausdenken. Mitdreizehn Jahren habe ich auch geträumt, wie mutig ichEinbrecher empfangen würde, die nachts in unsereWohnung kämen. Jetzt bin ich alt genug, um ehrlichsagen zu können: Wenn es gefährlich wird, werde ichnichts tun, ich nicht, und auch sonst keiner.

V: Da würden die Zeugen Jehovas also Zipfelmützentragen und vom Gehsteig heruntermüssen.

S: Zwei waren der Meinung, wenn die Zeugen Jehovasweiter so gegen das Christentum hetzten, so geschehees ihnen auch ganz recht. Für die würden sie keinenFinger krumm machen.

V: Und wie viel Jungen seid ihr in eurer Klasse?S: Achtzehn.V: Von denen also zwei Widerstand leisten wollen, jedoch

nicht recht wissen, wie, vierzehn keinen Widerstandleisten wollen, aber die Maßnahme der Regierung mehroder weniger missbilligen und zwei die Maßnahme derRegierung begrüßen.

S: Genau so.V: Da hatte die jüdische Journalistin also doch Recht.S: Welche jüdische Journalistin?V: Die jüdische Journalistin, die diese Testfrage erfunden

hat.S: Richtig. Unser Lehrer sprach von einem Fernsehfilm.

Und worin hatte sie also Recht?V: Dass sich die Deutschen seit 1938 nicht geändert

hätten.

S: Das finde ich unfair.V: Und warum findest du das unfair?S: Weil es doch völlig natürlich ist und gar nichts Beson-

deres, dass man sich nicht für solch verrückte Eifererwie die Zeugen Jehovas in Unannehmlichkeitenbringen will.

V: Bleibt eine Frage.S: Nämlich?V: Welches Gebot Gottes oder der Menschen einem

gebietet, natürlich zu sein.S: Aber was könnte ich denn tun, wenn die Zeugen

Jehovas von der Regierung gezwungen würden, Zipfel-mützen zu tragen und die Fahrbahn zu benutzen?

V: Zum Beispiel, selber eine Zipfelmütze tragen und selberdie Fahrbahn benutzen.

S: Aber ich würde mich doch nur sinnlos in Gefahrbringen.

V: Wenn das ein paar Zehntausende unserer Stadt tun?S: Ja dann!V: Du meinst, sie machen nicht mit?S: Nein.V: Da bist du sicher?S: Ganz sicher.V: Und das soll kein Beweis sein?S: Wofür?V: Dass wir uns nicht geändert haben?

Richard Matthias Müller

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Etwas, für das es sich lohnt

In einem Brief zum 16. Geburtstag ihrer Nichteschreibt Ita Ford: Gestern habe ich ein Mädchen von 16 Jahren gesehen,das vor wenigen Stunden ermordet worden war. Ichkenne noch eine ganze Menge junger Jugendlicher, die ermordet wurden. Wir erleben eine für Jugendlicheschreckliche Zeit in El Salvador. Viel Idealismus undEngagement wird hier vernichtet. Die Gründe,weswegen sie umgebracht wurden, sind vielfältig, aberes gibt einige einfache und klare Wegweiser. Einer dieserWegweiser ist es, eine Lebensaufgabe gefunden zuhaben, der man sich selber hingegeben hat, für die mankämpfen, ja sogar sterben kann. Ihnen ist nicht wichtig,dass sie 16 Jahre oder 60 Jahre oder 90 Jahre altwerden, ihr Leben hat eine Aufgabe gehabt und in vielerHinsicht sind sie Menschen geworden, die ihr Lebenvollendet gelebt haben. Ihr in Nordamerika und Europaerleidet nicht das gleiche Drama wie wir in El Salvador.Aber es gibt ähnliche Erfahrungen, die zur Wahrheitdrängen, gleichgültig, wo sich einer aufhält oderwelches Alter er hat. Ich wünsche dir, dass du die Wahr-heit findest, die deinem Leben einen tiefen Sinn gibt:Etwas, für das es sich lohnt zu leben, etwas, das dich inBewegung versetzt, dich vom Stuhl reißt und dir Mutmacht, geradeaus voranzugehen. Ich kann dir nichtsagen, was das für dich sein könnte. Du selber musst esentdecken, dich dafür entscheiden und dich ganz daraufeinlassen.Ich wünsche dir, du mögest nie deine Gaben und dieguten Gelegenheiten verpassen, dich selber und andereglücklich zu machen. Dies ist mein Geschenkzu deinem Geburtstag. Wenn du heute nicht erkennenvermagst, was es für dich bedeutet, dann bewahrees auf und lies es zu einem anderen Zeitpunkt nocheinmal. Es könnte sein, dass es dann klarer zu dir spricht.

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● Überlegt, welche Gruppen für »Zeugen Jehovas«eingesetzt werden könnten (z. B. ausländische Mit-bürger, Arbeitslose ...).

● Stell dir vor: In deiner Klasse müsste jeder, der bereits mehr als einmal in seinem Leben eine Fünf geschriebenhat, ein rotes Stirnband tragen! Welche Konsequenzen hätte das? Wie reagieren die Lehrer/innen darauf?Wie ist die Reaktion der Mitschüler/innen in der Pause auf dem Schulhof?

● Überlegt, ob sich »die Deutschen« wirklich nicht geändert haben.● Schreibt einen Antwortbrief an Ita Ford.● Sprecht über die Problematik, wenn Menschen ihr Leben für ein Ziel opfern.● Paul Klee hat sein Bild »Labiler Wegweiser« genannt. Tragt zusammen, welche Wegweiser ihr kennt,

welchen ihr folgen wollt. Warum sind Wegweiser manchmal labil?

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Große Pause

Nachdem es zur Pause geklingelt hatte, stürmten alleanderen aus dem Klassenraum auf den Schulhof. Eigent-lich wollte Herr Freese noch die Hausaufgaben erklären,aber das interessierte nach dem erlösenden Gongniemanden mehr. Schon nach kurzer Zeit war er alleinmit Herrn Freese im Raum. Betont langsam packte erseine Bücher in die Tasche und suchte nach seinem Früh-stück. Vielleicht könnte er die quälende Pause ein wenigverkürzen, wenn er noch eine Frage stellte? »Ach, Herr Freese, ich hab da noch eine Frage ...«,begann er das Gespräch. Herr Freese hob seinen Kopf vom Klassenbuch. »Einen Moment noch, ich muss eben noch ins Klassen-buch eintragen«, sagte er. »So, was gibt’s denn so Wich-tiges, dass du deine Pause opferst?«»Ich wollte nur wissen, ob wir bei den Hausaufgabenauch die Rechnung ins Heft schreiben müssen oder obdas Ergebnis reicht«, wollte er mit nicht ganz so sichererStimme wissen. »Mach es so wie immer, mit Rechnung im Heft. Dasweißt du doch«, bekam er zur Antwort. Wenn ihm jetzt nicht schnell eine weitere wichtige Frageeinfiel, würde das eintreffen, wovor er sich am meistenfürchtete. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Die

Hände wurden feucht, der Kloßin seinem Hals wuchs zu einemFußball an. Schnell, schnell – esmusste ihm noch etwas einfallen. »Äh, wann schreiben wir eigent-lich die nächste Klassenarbeit?«»Ich sage es euch morgen imUnterricht, wenn ich mit denanderen Kollegen gesprochenhabe. Es dauert aber sicher nochein bis zwei Wochen«, antwor-tete Herr Freese. »So, und jetztgehst du bitte raus auf denPausenhof. Zehn Minuten kannstdu noch genießen.«Zehn Minuten Pause genießen!Wenn jemand wüsste, was Pausefür ihn bedeutete!Die erste große Pause war amschlimmsten. Zwanzig MinutenFolter. Zwanzig Minuten alleineauf dem Schulhof stehen. Nichtzu weit weg von den anderen –keiner sollte denken, er seieinsam. Nicht zu nahe an den

anderen dran – keiner sollte denken, er suche penetrantAnschluss. Mindestens dreimal ging er auf die Toilette,damit er nicht nur rumstand. Natürlich immer auf eineandere – niemand sollte etwas merken. Und dann stander wieder dort, kaute sein Brot und wartete auf den erlö-senden Gong. Schon oft hatte er darüber nachgedacht,wie sehr er die Pausen verabscheute. Bei ihm erfülltensie genau den entgegengesetzten Zweck: Statt Erholungund Entspannung fing für ihn die schlimmste Zeit desVormittags an. Zwanzig Minuten lang musste er seineEinsamkeit so gut es ging verbergen. Das Lachen deranderen erreichte ihn wie ein Stoß mit dem Schwert undverursachte Qualen. Nicht, dass er nicht gerne lachte –ganz im Gegenteil, aber alleine lacht es sich nicht so gut.

Er wusste selbst nicht, wann alles angefangen hatte. Inden ersten Jahren freute er sich wie alle anderen auf diePausen und tobte auf dem Hof herum. Später nutzte erdie Pausen, um mit den anderen die vergessenen Haus-aufgaben zu erledigen. Dann löste sich seine Clique auf:Silke zog mit ihren Eltern in eine andere Stadt, Jenswechselte die Schule, Anja und Christina fanden Jungenaus der eigenen Klasse blöd, Fabian entwickelte sich zueinem Angeber, Jens fand es besser, mit einem Angeberbefreundet zu sein als mit einem, dessen Vater arbeitsloswar. Und so kam es, dass er den Anschluss verlor. Als er

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● Wie geht die Erzählung weiter? Findet unterschiedliche Möglichkeiten und beachtet dabei die Zeichnungauf der rechten Seite und das Bild von Keith Haring S. 12.

● Spielt eine Szene, die zu der Erzählung passt, z. B. Mannschaftswahlen im Sportunterricht, Gruppenaufteilungenbei Ausflügen, Zimmerverteilung bei Klassenfahrten. Welche Gefühle haben die beteiligten Personen?

● Setzt die Gedanken von George Bernard Shaw in Beziehung zur Erzählungund entwickelt Lösungsmöglichkeiten.

● Gleichgültigkeit der anderen, Mangel an Anerkennung, Langeweile, Neugier, Gruppendruck – viele Gründeführen Jugendliche an, warum sie Drogen probiert haben und in eine Sucht gerutscht sind. Experten unterscheiden zwischen stoffgebundenen (Alkohol, Pillen etc.) und stoffungebundenen Süchten(Esssucht, Spielsucht, Kaufsucht etc.). Prüft die Glücksversprechungen. Informiert euch in arbeitsteiligen Klein-gruppen bei der örtlichen Suchtberatungsstelle oder bei der Katholischen Sozialethischen Arbeitsstelle,Ostenallee 80, 59071 Hamm; Tel.: 02381/98020-0; www.ksa-hamm.de.

● Gibt es eine Drogenberatung an eurer Schule?

Das größte Übel, das wir unseren Mitmenschenantun können, ist nicht sie zu hassen,sondern ihnen gegenüber gleichgültig

zu sein. Das ist die absolute Unmenschlichkeit.George Bernard Shaw

dann auch nicht mehr mit auf die Klassenfahrt fuhr, weilsie zu Hause das Geld nicht hatten, war alles aus. Kaumjemand interessierte sich für ihn, der weder Geld für dieneueste Mode noch für Kino oder Computerspiele hatte.Er war nur dann interessant, wenn jemand die Hausauf-gaben von ihm haben wollte. »Hey, Carsten, lass malDeutsch rüberwachsen.« Meist reichte es nicht einmalfür ein Dankeschön. Nie fand er den Mut, »Nein« zusagen. Jedes Mal hoffte er, dass jemand auf die Ideekäme, ihn mehr zu beachten. Jedes Mal wurde erenttäuscht. Nicht, dass sie ihn ärgerten oder sich überihn lustig machten. Er war einfach nicht »in«, er gehörtenicht dazu, er war Luft für sie. Er hatte in seiner Notsogar schon überlegt sich Zigaretten zu kaufen und zuden anderen in die so genannte »Raucherecke« zugehen. Aber eigentlich wollte er gar nicht rauchen – und das konnte er sich auch gar nicht leisten.

Einmal war er zwei Wochen lang krank gewesen.Niemand aus der Klasse hatte angerufen und sich nachihm erkundigt. Also rief er bei Sebastian an und fragtenach den Hausaufgaben. Das Telefongespräch warniederschmetternd: Sebastian hatte nicht einmalgemerkt, dass er schon in der zweiten Woche fehlte!

Wieder drang das Lachen der anderen zu ihm. Wiedertraf es ihn wie ein Schwertstoß. Er blickte auf die Uhr:9.28 Uhr – noch zwei Minuten, dann kam der erlösendeGong.»Hey, Carsten, haste mal Englisch für mich? Ich habtotal vergessen, dass wir heute Englisch haben.« Manuel drängte: »Mach schon, es schellt gleich!«Carsten überlegte ...

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Im Allgemeinen haben die Menschen ein richtigesGespür, eine Art Tastsinn für Gut und Böse: dasGewissen. Wir reden von einem schlechten Gewissenund davon, dass es »schlägt«, wenn wir etwas Falschesoder Böses tun. Und das Gewissen drängt zum Guten –auch dort, wo niemand unser Gutsein einklagt oderbelohnt.

Katechismus ›Grundriss des Glaubens‹ 36.2

Wem nicht eindeutig gesagt oder vorgeschrieben wird,was er tun und lassen soll, der muss das Gute und Rich-tige selbst finden. Er trägt die Verantwortung für das,was er tut: sich selbst, der Gemeinschaft und Gottgegenüber. Aus dem, was er weiß und erfahren hat undwas andere ihm vermittelt haben, muss er zu erkennenversuchen, was seine Situation von ihm verlangt.

Katechismus ›Grundriss des Glaubens‹ 36.2

14

4Sich gewiss werdenGewissen – was ist das?

... Angst;flaues Gefühl in der

Magengegend; Schlaflosigkeit;Drang, die Wahrheit

zu sagen ...

Gewissen ist etwas,was in mir lebt: Es

arbeitet mit, es hilft mirzu entscheiden, es

überlegt mit.

Das Gewissenist für mich wie eine gute Gabe

Gottes, damit wir Menschen auchetwas Gutes tun, nicht nur randa-

lieren, stehlen, morden. Wirhaben das Gewissen dafür, dass

wir den anderen Menschenhelfen.

Ein gutes Gewissen stärktdas Selbstbewusstsein.

Gewissen ist eine innere Stimme eines jeden Menschen.

Jeder Mensch hat es, der eine stärker, der andere

schwächer ...

Ich habe manchmalein schlechtes Gewissen,

z. B. wenn ich meiner Mutterverschwiegen habe, dass ich inder Arbeit eine schlechte Note

geschrieben habe. Dann ist mir immer ganz komischim Bauch. Ganz anders,

als wenn manaufgeregt ist.

● Überprüfe die Meinungen der SchülerInnen, finde eine für dich zutreffende Formulierung oder formuliere deineeigene Überzeugung. Schreibe deinen Vorschlag auf und gestalte den Text mithilfe von Symbolen und Bildern.

● Überlegt, in welchen Situationen ihr nach eurem Gewissen entscheiden müsst. Erstellt eine Wandzeitung oderCollage, in der ihr die Vielfalt aufzeigt. Sicher könnt ihr auch zu einzelnen Situationen ein Rollenspiel gestalten.

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Sind so kleine Ohrenscharf, und ihr erlaubt.Darf man nie zerbrüllenwerden davon taub.

Sind so schöne Mündersprechen alles aus.Darf man nie verbietenkommt sonst nichts mehr raus.

Sind so klare Augendie noch alles sehn.Darf man nie verbindenkönn sie nichts verstehn.

Sind so kleine Seelenoffen und ganz frei.Darf man niemals quälengehn kaputt dabei.

Ist so’n kleines Rückgratsieht man fast noch nicht.Darf man niemals beugenweil es sonst zerbricht.

Grade, klare Menschenwärn ein schönes Ziel.Leute ohne Rückgrathabn wir schon zu viel.

Bettina Wegner

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Das eigene Gewissen bilden

● Überlegt, inwieweit die Zehn Gebote für dieGewissensbildung hilfreich sind.

● Formuliert die Zehn Gebote so um, dass siekonkrete Hinweise für euer Leben enthalten.

● Woran liegt es, dass nicht alle Menschen diePhase erreichen, in der sie aus eigenerEinsicht die Notwendigkeit von Regelnerkennen?

● Jugendliche in der Pubertät (Stufe 3) suchenihren eigenen Weg. Dabei kann es passieren,dass sie Sekten und okkulte Lebensformeninteressant finden. Untersucht »aktuelle«Gruppen, ihre Versprechen und ihre Organi-sationsform. Was könnte euch ansprechen?Was müsst ihr kritisieren? Wo und wiekönnen Betroffene Hilfe finden? Erstellt inGruppen ein Plakat, mit dem ihr auf dieProblematik aufmerksam macht oder übereinzelne Sekten und okkulte Praktiken undihre Reichweite informiert. Erste Informationbietet der Sektenbeauftragte eurer Diözese.

Nicht alle Erwachsenen erreichen die Phase,in der jeder aus eigener Einsicht weiß, dassbestimmte Regeln für das menschlicheZusammenleben unabdingbar sind. Zu ihrgehört aber auch die Erkenntnis, dassMenschen immer wieder Regeln verletzen.

Während der Pubertät werden die eigenenMaßstäbe und die Maßstäbe der Erwachsenenkritisch überprüft. Bekannte Gebote und Verbotewerden z. T. abgelehnt, neue Maßstäbe entwickelt.

Das Kind erlebt andere Menschen als Vorbilder undsucht Orientierungshilfen. Es erlernt die wichtigstenRegeln menschlichen Zusammenlebens.

Das Gewissen ist noch nicht voll ausgeprägt. Die meistenEntscheidungen werden spontan oder von außen (Eltern,ErzieherInnen) getroffen.

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Die »Stufen der moralischen Entwicklung« vereinfachen komplexe Zusammenhänge.

Unser Gewissen muss »gebildet« werden. Die Gebote Gottes können uns helfen von Kind auf allmählich Gutes undBöses unterscheiden zu lernen. Je selbstständiger und reifer ein Mensch wird, desto mehr bindet er sich selbst an das,was er als Willen Gottes erkennt. Zum Kind Gottes befreit, wird er in freier Entscheidung zu einem, der in seinemLeben Gott von ganzem Herzen dienen will.

Katechismus ›Grundriss des Glaubens‹ 36.2

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Maßstab für das Gewissen

Auch wenn ein Mensch in einer Gewis-sensentscheidung irren sollte, begeht erdamit keine Sünde. Er hat freilich diePflicht, sich bei einem zweifelnden,unsicheren Gewissen vor einer Entschei-dung Klarheit zu verschaffen,a) durch gründliche Überlegung der Folgen

einer Tat,b) durch die Beratung mit urteilsfähigen

Menschen,c) durch Ausrichtung an Gottes Geboten

und am Beispiel Jesu Christi,d) durch Gebet.

Katechismus ›Botschaft des Glaubens‹ Nr. 506

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31Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thronseiner Herrlichkeit setzen. 32Und alle Völker werden vor ihm zusammengerufen werden und er wird sie vonein-ander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet. 33Er wird die Schafe zu seiner Rechten versam-meln, die Böcke aber zur Linken. 34Dann wird der König denen auf der rechten Seite sagen: Kommt her, die ihrvon meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmtist. 35Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinkengegeben; ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen; 36ich war nackt und ihr habt mir Klei-dung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.37Dann werden ihm die Gerechten antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essengegeben oder durstig und dir zu trinken gegeben? 38Und wann haben wir dich fremd und obdachlos gesehenund aufgenommen oder nackt und dir Kleidung gegeben? 39Und wann haben wir dich krank oder im Gefängnisgesehen und sind zu dir gekommen? 40Darauf wird der König ihnen antworten:Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.

Mt 25,31-41

● Überlege, inwieweit der Maßstab Jesu für dein Handeln gilt.● Sucht Beispiele für die Ich-Aussagen (»Ich war hungrig ...«), wie sie für euer Leben gelten können.

Erstellt eine Dokumentation aus Fotos, Zeitungsmeldungen, Informationsmaterial (z. B. von kirchlichen Hilfs-werken, vgl. S. 168) und verdeutlicht, wo die »Ich-Aussagen« heute zu entdecken sind.

● »Alles, was ihr von anderen erwartet, das tut auch ihnen« (Mt 7,12).Setze diese Aussage in Verbindung zu deinem Leben.

Max

Lie

berm

ann,

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Das Strafgericht

In dieser Feriensaison ging das Gerücht, unsere Jungenhätten einen vorbeigehenden geistesgestörten Judenmit Steinen beworfen, sodass dem Armen das Blut inStrömen über das Gesicht lief, bis ihm eine mitleidigeFrau im Dorf die Wunden auswusch und ihm zur Stärkung Milch gab.Fünf sind verdächtigt an dieser bösen Sache beteiligtgewesen zu sein. »Und wie war das?«»Ja, also, auf dem Waldweg von der Kolonie kam derJude mit einem Sack auf dem Rücken und zerlöchertenSchuhen in der Hand. Der Jude ging langsam und sprachmit sich selbst. Die Jungen sahen ihn, fingen an zulachen und er streckte ihnen die Zunge heraus.«»Und weiter?«Weiter nichts; der Jude ging ruhig weiter und sie fingenan zu spielen. Inzwischen kam atemlos ein Weiblein aus dem Gesinde-haus angelaufen, um als Zeugin auszusagen.Sie hat ihm Milch gegeben, denn sie kennt den Verrück-ten; er treibt sich hier ständig herum. Sie hat ihm gesagt,er solle in die Ferienkolonie gehen, dort bekäme er viel-leicht auch etwas Fleisch, aber er wollte nicht und sagte,die Jungen dort seien Banditen. Was wahr ist, ist wahr:Banditen hat er die Jungen genannt und dass sie Steineauf ihn geworfen hätten. Und sie müssen wirklich Steinegeworfen haben, denn am Hals hatte er eine blutigeStelle.Also stimmte es, dass sie den Geistesgestörten mitSteinen beworfen und ihn am Hals verletzt haben.So also ist es. Ein schwacher und alter Mensch gehtruhig seines Weges. Er ist allein, ihr seid hundertfünfzig,er ist krank, ihr seid gesund. Er ist hungrig, ihr satt, er traurig, ihr vergnügt. Und deshalb, weil er einsam,krank, hungrig und traurig ist, werft ihr Steine nachihm? Ist die Ferienkolonie eine Räuberhöhle? Nein, sokonnte es nicht gewesen sein! Aber schließlich wollt ihrja nicht die Wahrheit sagen.Da geschahen drei Dinge auf einmal: Einer der Jungenbegann zu weinen, ein anderer kündigte an, er werdealles sagen, auch wenn er dafür nach Warschau zurück-

geschickt werden sollte, und die Glocke zum Vesperbrotläutete.Zum ersten Mal gingen wir, ohne ein Lied zu singen,traurig mit gesenkten Köpfen auf die Veranda undsetzten uns zu Tisch.Gleich nach dem Vesperbrot meldeten sich die Schuldigen. »Wir werden die Wahrheit sagen.«Sie hatten also Tannenzapfen geworfen, aber nicht aufden Verrückten, sondern nur auf den Sack, den er aufdem Rücken trug. Sie haben den Sack zum Zielgenommen: Wer trifft ihn? Sie haben schlecht gehandeltund dumm – und sie sind bereit dafür zu büßen.»Also gut: Ihr seid vier. Geht in den Schlafsaal und überlegt euch selbst eure Strafe.«Da meldete sich auch ein Fünfter. »Ich möchte mitgehen, Herr Lehrer.«»Warum?«, fragte der Betreuer verwundert.»Weil ich auch geworfen habe.«»Warum hast du das nicht früher zugegeben?«»Ich dachte, dass wir zur Schule zurück nach Warschauzurückgeschickt werden.«»Das haben gewiss auch die anderen gedacht undtrotzdem haben sie sich zu ihrer Schuld bekannt. Jetzt istes zu spät.«Das Urteil, das die vier Jungen über sich fällten, lautete:»Wir werden drei Stunden Arrest absitzen undbekommen bis zum Schluss der Ferien nichts mehr zumSpielen, keine Bälle, kein Dame- und kein Dominospiel.«Das Urteil war streng. Einigt sich auf diese Strafe dieganze Gruppe?Sie haben schlecht gehandelt, weil sie es nicht besserwussten: Jetzt wissen sie es und es wird sich nie mehretwas Ähnliches wiederholen.Mit 26 gegen 5 Stimmen sprach die Mehrheit derGruppe die vier, die ein so hartes Urteil über sich gefällthatten, von der Strafe frei.Beim Abendessen war es ein wenig ruhiger als sonst:Aber am allertraurigsten war jener Fünfte, der die Kame-raden in der Gefahr im Stich gelassen und sich erst dannschuldig bekannt hatte, als er sah, dass die Strafe keinSchulverweis sein würde.

Janusz Korčzak

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● Janusz Korčzak hat ein Heim für polnische Waisenkinder eingerichtet. Erklärt die Einrichtung des Strafgerichts:Wer verhängt die Strafe? Wer bestätigt sie?

● Vergleicht das Verhalten der vier mit dem des Fünften.● Setzt euch in Gruppen – möglichst zu fünft – zusammen und führt ein fiktives Gespräch, das die Jungen geführt

haben könnten, bevor sie ihre Schuld zugaben. Wie verhält sich der Fünfte in diesem Gespräch?

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Ich glaube an denHeiligen Geist

Dass er meineVorurteile abbauen und meineGewohnheitenändern kann,

dass er meineGleichgültigkeitüberwinden und mir Fantasie zurLiebe geben kann,

dass er michvor dem Bösenwarnen und mir Mut für das Gutegeben kann,

dass er meineTraurigkeit besiegen und mir Liebezu Gottes Wortgeben kann,

dass er mirMinderwertigkeits-gefühle nehmen undmir Kraft im Leidengeben kann,

dass er mirGeschwister an dieSeite stellen und michganz und gardurchdringen kann.

Karl Rahner

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● Vom Heiligen Geist bewegtes Leben zeigt sich nach Karl Rahner u. a. daran, dass wir Mut für das Gute entwi-ckeln. Sicher fallen euch viele konkrete Beispiele aus eurer Umgebung dazu ein!

● Warum ist es wichtig, dass Minderwertigkeitsgefühle genommen werden? Welche Gefahren bestehen sonst? ● Denkt mithilfe des Bildes über das Wirken des Heiligen Geistes nach.

Wie kann er eure Lebensgestaltung bereichern (vgl. das Gebet von Karl Rahner)?

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● Sprecht über eure Idole und über die Stars, die ihr verehrt.● Welche Formen des Starkults kennt ihr?● Tragt zusammen, mit welchen Mitteln ein aktueller Star (Musikszene, Sport o. Ä.) vermarktet wird.● Stell dir vor, eine Fee könnte dich verzaubern. Wer würdest du gerne sein? Begründe deinen Wunsch!● Einige der Abbildungen zeigen keine berühmten Persönlichkeiten, sondern verkörpern »Typen«.

Schreibe zu einer Abbildung auf, wie dein Vorbild sein müsste.

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Märchen vom winzig kleinen Mann

Es war einmal ein winzig kleiner Mann, der lebte in denSümpfen am Mississippi. Stand er neben anderenMenschen, selbst wenn die nicht sehr groß waren, soreichte er ihnen bis zum Knie. Er wäre gern etwas größergewesen, also sprach er zu sich: »Ich will das größte Tierin der Nachbarschaft fragen, wie es sich anstellen ließe,dass ich etwas größer werde.«Er ging zum Pferd und fragte: »Mein liebes Pferd,kannst du mir sagen, was ich tun muss, um etwasgrößer zu werden?« Das Pferd sprach: »Du musst vielMais essen und immer herumrennen, mindestenszwanzig Meilen am Tag, und wenn du das tust, wirst dumit der Zeit so groß und stark werden wie ich.« Der winzig kleine Mann tat, wie ihm geheißen, aber derMais lag ihm schwer im Magen, vom vielen Trabenschmerzten ihn die Füße und von all der verzweifeltenAnstrengung wurde er ganz traurig ... nur größer wurdeer nicht. Also kehrte er in sein Haus zurück und dachtedarüber nach, warum der gute Rat des Pferdes bei ihmso gar nichts genutzt habe.Endlich sagte er sich: »Vielleicht war das Pferd nicht derrechte Ratgeber in meinem Fall. Ich will den Ochsenfragen.« Er besuchte also den Ochsen und sagte:»Lieber Ochse, kannst du mir sagen, was ich tun muss,damit ich etwas größer werde?« Der Ochse antwortete:»Du musst viel Gras fressen und dann musst du brüllen,und wenn du ganz laut gebrüllt hast, du wirst schonsehen, dann bist du plötzlich so groß wie ich.«Der winzig kleine Mann befolgte auch diesen Rat gewis-senhaft, aber vom Gras bekam er Bauchschmerzen undvom vielen Brüllen wurde seine Stimme heiser, dasSchlimmste war jedoch, er wurde nicht größer, sondern

kleiner und kleiner. Da kehrte er wieder in sein Hauszurück, setzte sich vor die Tür und dachte darüber nach,warum bei ihm aller guter Rat nichts geholfen habe. Kurz darauf kam die Eule vorbei. Sie flog zu denSümpfen hinüber und schrie dabei: »Dumme Leutehaben immer Missgeschick, dumme Leute haben immerMissgeschick.« »Warte einen Augenblick, Eule«, sagteder winzig kleine Mann, »ich möchte dich etwasfragen.« »Aber bitte schnell«, sagte die Eule höflich undsetzte sich auf einen Ast, »was kann ich für dich tun?«»Ich möchte größer werden«, sagte der winzig kleineMann. »Aber was immer ich auch versuche, ich werdenicht größer. Ich bin schon ganz verzweifelt.« Da sprachdie Eule: »Warum willst du eigentlich unbedingt größerwerden, als du bist?« »Ganz einfach«, antwortete derwinzig kleine Mann, »wenn es einen Streit gibt, ist esgut, groß und stark zu sein, damit man nicht denKürzeren zieht.« »Hat schon jemand versucht dich zu verhauen?«, fragtedie Eule. »Nein, das nicht«, gab der winzig kleine Mannzu. »Na, siehst du«, meinte die Eule, »du brauchst dichgar nicht zu schlagen. Also, warum willst du dann größerund stärker sein, als du bist?« »Es ist da noch etwas«,sagte der winzig kleine Mann. »Wenn ich groß wäre wiedie anderen, könnte ich ganz weit sehen.« »Kletteredoch auf einen Baum«, riet ihm die Eule, »dann siehst duweiter als der größte Mann.« »Eigentlich hast du Recht«,sprach der winzig kleine Mann. »Also«, sagte die Eule,»ich sehe, wir verstehen uns. Ob nämlich jemand nunriesengroß oder winzig klein ist, darauf kommt es nichtan. Warum wünscht du dir, dass deine Beine wachsen?Wünsch dir lieber, dass dein Verstand wächst, dann wirstdu deine Sorgen loswerden.«

Frederik Hetmann

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Jeder Mensch suche sich Vorbilder!

Das ist möglich. Denn es existieren welche.

Und es ist unwichtig, ob es sich dabei um einen großen toten Dichter, um Mahatma Gandhi

oder um Tante Lisa aus Braunschweig handelt,

wenn es nur ein Mensch ist, der im gegebenen Augenblick ohne Wimperzucken das sagt und tut, wovor wir zögern.

Das Vorbild ist ein Kompass, der sich nicht irrt und uns Weg und Ziel weist.

Nach Erich Kästner

● Der winzig kleine Mann wählte zunächst die falschen Vorbilder und Ratgeber ...● Was kennzeichnet Vorbilder nach Erich Kästner? Sprecht darüber.● Betrachte die Abbildungen der linken Seite. Wen erkennst du? Wer könnte für dich Vorbild sein? Warum?● Sucht in Kleingruppen zu einer Person Informationen (Bücherei/Internet), erstellt ein Plakat über ihr Leben und

ihr Tun und präsentiert eure Ergebnisse.

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»Das Bewusstsein, dass ein Leben in Würde undGerechtigkeit für alle Völker notwendig ist, muss Teilsein des Kampfes für eine interkulturelle Welt.«

»Als das Land nach vielen Jahren die ersten Erntenabwarf und unsere Felder immer größer wurden, kamendie Großgrundbesitzer ... Die Großgrundbesitzer hattensich mit den Regierungsleuten verbündet, um denCampesinos das Land wegzunehmen ...«

»Ich war mit einer Freundin, die wie ich Katechetin war,zur Baumwollernte eingeteilt. Sie hieß Maria und wirwaren immer zusammen. Sie starb auf dieser Finca andem Pflanzengift, das ausgesprüht wurde, als wir aufder Plantage arbeiteten ... Mein Schmerz war groß,denn Maria war meine Freundin gewesen.«

»Die Söhne unserer Herrschaften behandelten uns auchschlecht. Der älteste war zweiundzwanzig, der zweitefünfzehn und der jüngste zwölf. Großbürgerkinder, dienicht einmal ein Taschentuch aufheben konnten.«

Rigoberta Menchú Tum

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1Rigoberta Menchú – Kämpferin für Menschenrechte

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Josef Epping, Brigitte Zein-Schumacher

Treffpunkt RU 7/8 - Neuausgabe. Unterrichtswerkfür kath. Religionslehre in der Sekundarstufe I.Erarbeitet von Reinhard Bamming/Maria Trendelkamp.Bearbeitet von Josef Epping/B. Zein-Schumacher

Paperback, Broschur, 184 Seiten, 20,5 x 23,8 cmISBN: 978-3-466-50655-2

Kösel

Erscheinungstermin: Februar 2004

Bewährtes - schülernah aktualisiert! Erarbeitet von Reinhard Bamming/Maria Trendelkamp. Bearbeitet von Josef Epping/BrigitteZein-Schumacher Lernmittelfrei zugelassen in:Berlin: HS, RS, GES, GYHessen: HS, RS, GES, GYMecklenburg-Vorpommern: HS, RS, GYNiedersachsen: HS, RS, GES, GYNRW: HS, RS, GES, GYRheinland-Pfalz: RS, GES, GYSaarland: HS, RS, GES, GYSchleswig-Holstein: HS, RS, GES, GY