Pyrotechnik mit dem 'Ökosiegel': eine chemische...

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Pyrotechnik DOI: 10.1002/ange.200704510 Pyrotechnik mit dem „Ȕkosiegel“: eine chemische Herausforderung Georg Steinhauser und Thomas M. KlapɆtke* Angewandte Chemie StichwɆrter: Energetische Verbindungen · Metastabile Verbindungen · Stickstoffheterocyclen · Umweltverschmutzung T. M. KlapɆtke und G. Steinhauser AufsȨtze 3376 www.angewandte.de # 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2008, 120, 3376 – 3394

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PyrotechnikDOI: 10.1002/ange.200704510

Pyrotechnik mit dem „�kosiegel“: eine chemischeHerausforderungGeorg Steinhauser und Thomas M. Klap�tke*

AngewandteChemie

Stichw�rter:Energetische Verbindungen · Metastabile Verbindungen ·Stickstoffheterocyclen · Umweltverschmutzung

T. M. Klap,tke und G. SteinhauserAufs�tze

3376 www.angewandte.de � 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2008, 120, 3376 – 3394

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1. Einleitung

Die Faszination von Feuerwerken begann bereits einigeJahrtausende v. Chr., als die Chinesen die beschleunigteVerbrennung organischer Materie mithilfe von Kaliumnitratentdeckten. Ihre Entdeckung des Schwarzpulvers 220 v. Chr.war ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der Pyro-technik, die die Menschheit bis heute erfreut. Das wissen-schaftliche Gebiet der Pyrotechnik umfasst heute jedochmehr als nur die Feuerwerkerei. Airbags, Signallichter,Treibmittel und -ladungen sowie die Herstellung nanopor-serMetallsch.ume z.hlen zu den vielf.ltigen modernen techni-schen Anwendungen von Pyrotechnika. Die Pyrotechnik f.lltals Unterdisziplin in das Wissenschaftsgebiet der energeti-schen Materialien.[1] Der US-Explosivstoff- und Pyrotech-nikmarkt verschlingt jedes Jahr rund 2.6 Milliarden US-Dollar. Allein in Deutschland werden j.hrlich umgerechnet80 Millionen Dollar f7r Feuerwerksk-rper ausgegeben.[2]

Grunds.tzlich besteht jeder pyrotechnische Artikel auseinem Oxidations- und einem Reduktionsmittel. Dar7berhinaus k-nnen, je nach Anwendungszweck, Bindemittel,Treibladungen, Farbgeber sowie Rauch- und Knalls.tze ent-halten sein.[3] Im Unterschied zu Sprengstoffen, die oxidie-rende und reduzierende Einheiten h.ufig in einem Molek7lvereinen, sind Pyrotechnika traditionellerweise Mischungenverschiedener Substanzen. Viele pyrotechnische Reaktionensind demnach Festk-rperreaktionen, was eine wohldefiniertePartikelgr-ße und gr-ßtm-gliche Homogenit.t erforderlichmacht.[4]

In zivilen Feuerwerksraketen, -bomben etc. ist Schwarz-pulver nach wie vor ein essenzieller Bestandteil. Als tradi-tionelle Zusammensetzung des Schwarzpulvers wird 75%Kaliumnitrat, 15%Holzkohle und 10% Schwefel angegeben,wobei, je nach Einsatzzweck, die Mischungsverh.ltnisse starkschwanken k-nnen (50–85% KNO3, 0–30% Holzkohle, 0–50% Schwefel).[5] F7r milit.rische Zwecke wurde Schwarz-pulver jedoch meist durch andere Stoffe ersetzt, die sichdurch bessere Leistung auszeichnen. Dabei wurden auchh-here Kosten oder Toxizit.t bereitwillig in Kauf genommen.Die milit.rischen Anwendungen umfassen Raketentreib-stoffe, Signallichter, Z7ndmittel, Initialz7nder, Verz-ge-rungss.tze in Sprengkapseln, Tarn- und T.uschmittel, Si-gnalfeuer, Leuchtspurmittel, pyrotechnische Anz7nder sowie

Gas- und Rauchgeneratoren und T.uschk-rper in der Luft-waffe.[6]

2. Bestandteile von Pyrotechnika

2.1. Reduktionsmittel

Die Reduktionsmittel werden dem Verwendungszweckentsprechend ausgew.hlt. F7r hell leuchtende Pyrotechnik-s.tze werden grunds.tzlich Metallpulver verwendet, z.B.Magnesium (und andere Erdalkalimetalle), Aluminium,Titan, Eisen, Kupfer, Zink oder Zirconium. Daneben findenauch Nichtmetalle (Schwefel, roter Phosphor, Kohlenstoff inForm von Holzkohle) oder Halbmetalle (Silicium, Bor) An-wendung in der Pyrotechnik. Dar7ber hinaus werden auchzahlreiche organische Verbindungen oder Naturprodukte(etwaMehl) als Reduktionsmittel eingesetzt. Magnesium ist –haupts.chlich dank seines niedrigen Preises – das vermutlicham weitesten verbreitete Reduktionsmittel. Vorsicht istjedoch geboten, da Magnesium einige gef.hrliche Nebenre-aktionen eingeht, z.B. die exotherme Reaktion mit Wasser.Neben Reinmetallen werden in Pyrotechnika auch Legie-rungen verwendet, in erster Linie Magnalium (Mg-Al 50:50,eine erstarrte L-sung von Al3Mg2 in Al2Mg3 mit einemSchmelzpunkt von 460 8C[7]), Zr- sowie Ni-Fe-Legierungen. InEinzelf.llen greift man auch auf exotischere Reduktionsmit-tel wie Beryllium, Chrom, Nickel oder Wolfram zur7ck.

In j7ngerer Vergangenheit wurden Pyrotechnika auf derBasis von nanometergroßen Metallpartikeln entwickelt.

Kaum eine andere Anwendung aus dem Bereich der Chemie weckt inder Allgemeinbev�lkerung so positive Assoziationen wie die Feuer-werkerei. Dabei wird das Umweltverschmutzungspotenzial von Feu-erwerken sowie zivilen und milit%rischen pyrotechnischen Anwen-dungen h%ufig außer Acht gelassen. Moderne Entwicklungen in derPyrotechnik konzentrieren sich verst%rkt auf die Implementierungstickstoffreicher, energetischer Verbindungen wie Tetrazol- undTetrazinderivate, um der l%ngst f%lligen .kologisierung Rechnung zutragen. Der vorliegende Aufsatz widmet sich den Umweltaspekten derPyrotechnik und den aktuellen Bestrebungen, ihr ein neues, um-weltvertr%glicheres Gesicht zu verleihen.

Aus dem Inhalt

1. Einleitung 3377

2. Bestandteile von Pyrotechnika 3377

3. Ein Mosaik aus Umweltgiften 3382

4. Stickstoffreiche Verbindungen:die !kologisierung derPyrotechnik 3384

5. Schlussfolgerungen 3392

[*] Prof. Dr. T. M. Klap,tkeDepartment Chemie und BiochemieLudwig-Maximilians-Universit7t M8nchenButenandtstraße 5–13 (Haus D), 81377 M8nchen (Deutschland)Fax: (+49)89-2180-77492E-Mail: [email protected]

Dr. G. Steinhauser[+]

Atominstitut der Fsterreichischen Universit7tenTechnische Universit7t WienStadionallee 2, 1020 Wien (Fsterreich)

[+] Aktuelle Adresse: Department Chemie und BiochemieLudwig-Maximilians-Universit7t M8nchenButenandtstraße 5–13 (Haus D), 81377 M8nchen (Deutschland)

PyrotechnikAngewandte

Chemie

3377Angew. Chem. 2008, 120, 3376 – 3394 � 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

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Diese werden in die Poren eines nanopor-sen Metalloxids (inerster Linie Eisenoxide) eingebracht. Der fertige pyrotech-nische Satz einer solchen Mischung zeichnet sich durchh-here Homogenit.t und damit gesteigertes Leistungsver-halten sowie geringere Empfindlichkeit gegen .ußere Reizeaus.[4,8] Zum Thema Empfindlichkeit siehe Lit. [9]. Nanoma-terialien werden auch in der milit.rischen Pyrotechnik ver-wendet, etwa f7r die Herstellung von Infratrot-T.uschk-r-pern in der Luftwaffe. Dabei werden ultrafeine ALEX[10]-Aluminiumpartikel als Verbrennungsf-rderer eingesetzt. IhreInfrarotsignatur weist t.uschende Jhnlichkeit mit derjenigenvon Flugzeugabgasen auf.[6c–f]

2.2. Oxidationsmittel2.2.1. Konventionelle Oxidationsmittel

In der klassischen Pyrotechnik werden 7berwiegend (Erd-)Alkalimetallnitrate,[11] -perchlorate oder gegebenenfalls-chlorate sowie Ammoniumnitrat und -perchlorat als Oxida-tionsmittel verwendet. Fallweise werden auch organischeNitrate wie Guanidinium- oder Nitroguanidiniumnitrat an-gewendet. Dar7ber hinaus finden auch exotische Oxida-tionsmittel wie Nitroniumperchlorat, Barium-, Calcium- undBleichromat sowie Kaliumdichromat oder Erdalkalimetall-peroxide (SrO2, BaO2) Erw.hnung in der pyrotechnischenLiteratur. Vereinzelt werden auch Mischungen mit Fe3O4

oder Blei(II)-nitrat beschrieben. Generell ben-tigen Nitrateh-here Temperaturen, um ihren Sauerstoff durch thermischeZersetzung freizusetzen als z.B. Perchlorate. Aus diesemGrund werden Nitrate sehr h.ufig in Kombination mit Me-tallen eingesetzt.

Pyrotechnische S.tze sind naturgem.ß thermodynamischmetastabile Mischungen. Folglich k-nnen gef.hrliche, ex-plosionsartig verlaufende Reaktion nicht immer v-llig aus-geschlossen werden.[12] Wasser oder hygroskopische Verbin-dungen sind in Pyrotechnika im Allgemeinen unerw7nscht,da sie entweder gew7nschte Reaktionen stoppen oder, nochschlimmer, unbeabsichtigte Reaktionen katalysieren, z.B. dieOxidation von Magnesiummetall durch CuII-Ionen. Dabeikann es zur Selbstentz7ndung des Satzes kommen.

2.2.2. Die Sauerstoffbilanz

Die Sauerstoffbilanz (W) ist eine wichtige Gr-ße f7r dieBewertung des Potenzials eines Oxidationsmittels. DieserWert (in Prozent) entspricht dabei der (theoretischen) F.-higkeit eines Systems, sein Reduktionsmittel komplett undr7ckstandsfrei zu verbrennen: Ein W-Wert von 0 bedeutetdabei eine st-chiometrisch ausgeglichene Mischung von re-duzierenden und oxidierenden Atomen. Eine negative Sau-erstoffbilanz bezeichnet ein sauerstoffarmes energetischesSystem, das im Zuge der Reaktion unverbranntes Redukti-onsmittel zur7ckl.sst oder atmosph.rischen Sauerstoff zudessen vollst.ndiger Verbrennung ben-tigt. Eine positiveSauerstoffbilanz steht f7r ein System, in dem Sauerstoff imKberschuss vorhanden ist. Eine exakte Bestimmung derSauerstoffbilanz setzt ein so grundlegendes Verst.ndnis derablaufenden Reaktionen voraus, dass experimentelle Unter-suchungen des Verbrennungsvorganges und der Reaktions-produkte daf7r praktisch unerl.sslich sind. Vielfach sindderartige Verbrennungsreaktionen komplizierter, als man aufden ersten Blick meinen m-chte. Zur Veranschaulichung seidas Beispiel der Verbrennung von Schwarzpulver genannt(Zusammensetzung: 75.7% Kaliumnitrat, 11.7% Holzkohle,9.7% Schwefel und 2.9% Feuchtigkeit). Ein Teil der ver-mutlich ablaufenden Reaktionen wird in Gleichung (1) zu-sammengefasst.[5]

74KNO3 þ 96Cþ 30 Sþ 16H2O! 35N2 þ 56CO2 þ 14COþ3CH4 þ 2H2Sþ 4H2 þ 19K2CO3 þ 7K2SO4 þ 8K2S2O3þ2K2Sþ 2KSCNþ ðNH4Þ2CO3 þ Cþ S

ð1Þ

In erster N.herung kann die Sauerstoffbilanz f7r dieVerbrennung eines Molek7ls (oder einer Mischung) des TypsCaHbNcOdCleSf wie in Gleichung (2) angenommen werden.Die Sauerstoffbilanz berechnet sich demzufolge wie in Glei-chung (3) beschrieben (Molekulargewicht M).[13]

CaHbNcOdCleSf !aCO2 þ 1=2ðb�eÞH2Oþ c=2N2 þ eHClþf SO2�½ðaþ f Þ þ 1=4ðb�eÞ�d=2�O2

ð2Þ

W ð%Þ ¼ �½ðaþ f Þ þ 1=4ðb�eÞ�d=2� ð32=MÞ 100 ð3Þ

Die Reaktionsgeschwindigkeit und die Reaktionsw.rmesind stark von der Sauerstoffbilanz abh.ngig. Beide Gr-ßen

Georg Steinhauser wurde 1979 in Wien ge-boren. Nach dem Abschluss seines Diplom-studiums in Chemie von der Universit%tWien (2003) promovierte er 2005 in Radio-chemie an der Technischen Universit%tWien. 2002 absolvierte er die Ausbildungzum Pyrotechniker f1r die Klassen III undIV. Seine Forschungsschwerpunkte liegen imBereich der anorganischen und Radiochemiesowie der industriellen und Umweltchemie.Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmeneines Erwin-Schr8dinger-Auslandsstipendi-ums an der LMU M1nchen.

Thomas M. Klap8tke wurde 1961 in G8ttin-gen geboren. Er beendete sein Chemiestudi-um 1984 an der TU Berlin, wo er auch pro-movierte (1986) und habilitierte (1990).Nach f1nf Jahren als Privatdozent in Berlinging er zun%chst nach Glasgow (1995–1997) und schließlich nach M1nchen, wo erseit 1997 Professor ist. Seine Forschungs-schwerpunkte umfassen Explosivstoffe, hoch-energetische Materialien, Computerchemie,Azid- und Fluorchemie, starke Oxidations-mittel und Nitrochemie. Er ist an 1ber 400Aufs%tzen als (Co-)Autor beteiligt und hat17 Buchkapitel sowie 4 Monographien undLehrb1cher verfasst.

T. M. Klap,tke und G. SteinhauserAufs�tze

3378 www.angewandte.de � 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2008, 120, 3376 – 3394

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k-nnen 7ber eine Ver.nderung der Sauerstoffbilanz, also desVerh.ltnisses von Reduktionsmittel zu Oxidationsmittel, inweiten Bereichen beeinflusst werden.[8]

2.2.3. Alternative Redoxreaktionen

Pyrotechnische S.tze sind nicht allein auf Sauerstoff alsoxidierende Spezies angewiesen. In moderneren Konzeptender Pyrotechnik werden auch alternative Redoxpaare zumEinsatz gebracht. Die wichtigsten Vertreter dieser Kategoriesind Mischungen aus Metallen und halogenierten Kohlen-wasserstoffen oder Polymeren, z.B. Magnesium/Teflon/Viton(MTV)-Mischungen.[14] Die ablaufende Redoxreaktionwird in Gleichung (4) beschrieben.

ðC2F4Þn þ 2 nMg! 2 nCþ 2 nMgF2 ð4Þ

MTV-Pyrotechnika kommen in Luft-T.uschk-rpern,[6f]

Signalfackeln und -k-rpern, Treibmitteln und Anz7ndernvielfach zur Anwendung.[15] In Abwandlungen dieser Mi-schungen wurde Graphitfluorid (Polykohlenstoffmonofluo-rid, (CF)n) mit Magnesium

[16] oder anderen Reduktionsmit-teln (Bor, Titan, Silicium oder Si-Legierungen) untersucht.[17]

Ein Paradebeispiel der alternativen Redoxpaare ist dieBerger-Mischung, ein viel verwendeter Rauchsatz auf derBasis von Zink, Aluminium oder Zinkoxid mit Hexachlor-ethan.[18] Bei der Verbrennung werden insbesondere beihoher Luftfeuchtigkeit Zinkchlorid-Aerosole als dichter,grauer Rauch freigesetzt [Gl. (5)].

3Znþ C2Cl6 ! 2Cþ 3ZnCl2 ð5Þ

2.3. Farbgeber

Das sichtbare Spektrum des Lichts kann in charakteristi-sche Frequenzbereiche unterteilt werden (Tabelle 1). WirdLicht innerhalb eines bestimmten Wellenl.ngenbereichsemittiert, spricht man von monochromatischem Licht. In derPyrotechnik kommt es jedoch immer zur Lichtemission auchaußerhalb des gew7nschten Spektralbereichs. Pyrotechnischerzeugtes Licht ist demzufolge nicht monochromatisch. Diesist dadurch zu erkl.ren, dass ein emittiertes Photon eine f7rdie Relaxation des angeregten Zustands charakteristischeWellenl.nge hat. Werden Atome oder Molek7le bei hohenTemperaturen (ca. 3000 K) pyrotechnisch angeregt, erzeugensie mehrere starke Emissionsbanden. Nur wenige Elementehaben ihre Hauptemissionslinien im schmalen sichtbaren

Spektralbereich, z.B. Natrium mit einer Wellenl.nge von ca.590 nm. Tabelle 2 f7hrt die f7r die Pyrotechnik wichtigstenemittenten Atome und Molek7le und ihre Emissionsbanden

auf. Die Farben Rot, Gr7n und Gelb sind in der Pyrotechnikdie bedeutendsten. In Tabelle 3 sind einige Rezepturen f7rfarbige Signallichter angef7hrt.

Metalle und Metallverbindungen erzeugen in der Pyro-technik bei thermischer Anregung die charakteristischenFlammenfarben (Abbildung 1). Natrium wird dabei f7r gelbe,Strontium f7r rote, Barium f7r gr7ne und Kupfer f7r gr7neoder blaue Emission verwendet. Die Hauptemitter der je-weiligen Banden sind atomares Na f7r Gelb, SrOH und SrClf7r Rot sowie BaCl und BaOH f7r Gr7n oder CuCl f7rBlaugr7n.[11,19] BaO ist ebenfalls ein starker Emitter inBarium-Leuchts.tzen. Der f7r die Bildung der Monohydro-xide SrOH und BaOH n-tige Wasserstoff stammt aus den

Tabelle 1: Die charakteristischen Wellenl7ngen der Spektralfarben.

Farbe l/nm

infrarot >700rot 700–610gelb 610–570gr8n 570–500blau 500–450violett 450–400ultraviolett <400

Tabelle 2: Spektren der aus pyrotechnischer Sicht wichtigsten Atomeund Molek8le. Die Daten stammen aus Lit. [18–20].

Element Emitter l [nm] Farbe

Lithium atomares Li 670.8460413497427

rotblauviolettblaugr8nviolett

Natrium atomares Na 589.0, 589.6 gelbKupfer CuCl 420-460

510-550blauviolettgr8n

Strontium SrCl 661.4, 662.0, 674.5, 675.6 rotSrCl 623.9, 636.2, 648.5 orangeSrCl 393.7, 396.1, 400.9 violettSrOH 605.0, 646.0

659.0, 667.5, 682.0orangerot

atomares Sr 460.7 blauBarium BaCl 507, 513.8, 516.2, 524.1, 532.1

649gr8nrot

BaOH 487512

blaugr8ngr8n

BaO 604, 610, 617, 622, 629 orangeatomares Ba 553.5

660gr8nrot

Tabelle 3: Eine Auswahl an farbigen Leuchts7tzen. Anteile der jeweiligenKomponenten in Gew.-%.[19]

Bestandteil Red Navy Red Highway Green Navy Yellow Navy

Mg 24.4 21.0 30.3KClO4 20.5 6.0 32.5 21.0Sr(NO3)2 34.7 74.0Ba(NO3)2 22.5 20.0PVC 11.4 12.0Na2C2O4 19.8Cu-Pulver 7.0Bitumen 9.0 3.9Binder 10.0 5.0 5.0S8 10.0

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Zersetzungsprodukten des Bindemittels oder von Polyvinyl-chlorid (PVC; siehe Tabelle 3).

In der Fachliteratur herrscht Uneinigkeit 7ber den Emit-ter des blauen Lichts. Die beiden infrage kommenden Kan-didaten sind Cu3Cl3

[21] oder – wahrscheinlicher – CuCl.[22] Eineuntergeordnete Rolle als Farbgeber spielen Calcium f7r rotesund Kalium f7r violettes Licht. Die Intensit.ten beiderFlammenfarben sind deutlich geringer als die der zuvor er-w.hnten Elemente oder ihrer Kombinationen.

Aus Tabelle 2 wird deutlich, dass Chloride vielfach einewesentliche Rolle in der Farbgebung spielen. Es gilt die altepyrotechnische Weisheit: „Chloride f.rben“. Dies liegt ei-nerseits an der h-heren Fl7chtigkeit der Chlorverbindungen,andererseits f7hrt ein Kberschuss an Chlor in magnesium-betriebenen pyrotechnischen S.tzen zur Bildung von MgCl-Molek7len, wodurch die st-rende MgO-Inkandeszenz(Gl7hen) reduziert werden kann.[7,18] Aus diesen Gr7ndenwird pyrotechnischen S.tzen Chlor in Form von anorgani-schen Chloriden (etwa CuCl), oder, h.ufiger, C2Cl6, PVC-Pulver (siehe Tabelle 3) oder anderen organischen Chloridenbeigef7gt. Der Gehalt des Chlordonors kann bis zu rund 10%des Satzes betragen.

Wie zuvor erw.hnt, ist die Verwendung hygroskopischerVerbindungen in Pyrotechnika tunlichst zu vermeiden. Ausdiesem Grund werden Farbgeber wie NaCl, NaNO3 oderSrCl2 selten verwendet. Viel h.ufiger verwendet man Natri-um- und Strontiumoxalate oder Kryolith (Na3AlF6). DieseSubstanzen zersetzen sich bei hohen Temperaturen undwerden atomisiert oder bilden mit dem Chlordonor die er-w7nschten Chloride.

Abgesehen von Strontium kann f7r rote Flammenf.r-bungen vereinzelt ein etwas exotischerer Farbgeber Anwen-dung finden: Lithium.[23] Es wird dabei entweder als Oxida-tionsmittel (als Perchlorat, Nitrat, Dinitramid, Chlorat, Ni-troformat etc.) oder als Reduktionsmittel eingesetzt (metal-lisches Li, verschiedene Hydride oder Lithiumborid werdenin der Literatur besprochen).[20a] Lithium zeichnet sich ge-gen7ber anderen Elementen durch sein niedriges spezifischesGewicht aus. Diese Eigenschaft macht metallisches Lithiumin Form von MTV-artigen Pyrotechnika f7r T.uschk-rper inder milit.rischen Luftfahrt interessant. Dar7ber hinaus wurde

der Einsatz von Lithiumhydrid als Gasgenerator f7r akusti-sche Unterwassert.uschk-rper der Marine diskutiert.[20a] .

In Sonderf.llen finden sogar Elemente wie Rubidiumoder C.sium Anwendung in der milit.rischen oder zivilenPyrotechnik. Beide Elemente zeigen blauviolette Flammen-farbe im Bunsenbrenner – aus technischer Sicht sind jedochdie starken Emissionsbanden im Fern-Rot- (Rubidium) oderim Nah-Infrarot-Bereich (im Falle von C.sium) wesentlichbedeutsamer.[24]

In einer Laborstudie wurde auch die Anwendbarkeit derSeltenen Erden als pyrotechnische Farbgeber untersucht.Praktische Beispiele f7r ihre Anwendung sind jedoch nochnicht bekannt.[25] Einige Emissionsbanden der Seltenerdato-me oder ihrer Monoxide sprechen jedoch f7r ihre grund-s.tzliche Eignung. Die Seltenerdmonoxide zeigen dabei einegewisse Analogie zu den Monochloriden der Erdalkalime-talle Calcium, Strontium und Barium: In beiden F.llen stehtein freies, in molekularer Kollision anregbares Elektron zurVerf7gung, wodurch es zur Flammenf.rbung kommt. Kon-kret haben sich Yttrium mit seiner tiefroten Farbe sowieYtterbium (grasgr7n) f7r eine weitere Untersuchung emp-fohlen. Diese Elemente zeigen ihre Flammenf.rbung nichtnur in der induktiv gekoppelten Plasmaflamme (ICP), son-dern bereits bei Verwendung eines Acetylen-Luft-Brennersbei 2550 K. Einige Lanthanoide (Y, Er, Tm, Lu) oder korro-sionsbest.ndigere Legierungen dieser Elemente k-nnten f7rfarbige Funkeneffekte in pyrotechnischen S.tzen sorgen.

Die gr7ne Flammenfarbe von Bors.ureestern ist vielfachbereits aus Schulversuchen bekannt – was nat7rlich auch eineAnwendung von Borverbindungen in der Pyrotechnik nahelegt. Auch wenn ihre Farbbrillanz nicht mit der konventio-neller Bariummischungen konkurrieren kann, wurden einigepyrotechnische Bors.uremischungen erfolgreich getestet.[26]

Bor als Reduktionsmittel verbrennt mit Sauerstoff zu B2O3,BO2 und BO in der Gasphase.[27] Als Hauptemitter wurde indiesem Fall Bordioxid identifiziert.[25] Eine weitere Studiewidmete sich der IR-Emission von Bor/Alkalimetallnitrat-Mischungen. Als Hauptprodukte dieser Reaktion wurdenAlkalimetallborate sowie B2O3(g), BO(g) und B2O2(g) gefun-den.[28]

2.4. Bindemittel

Binder sind oft untersch.tzte, wesentliche Bestandteileeines pyrotechnischen Satzes. Der Gehalt eines pyrotechni-schen Satzes an Bindemittel betr.gt 7blicherweise einigeGewichtsprozent. Sie sorgen nicht nur f7r die notwendigemechanische Stabilit.t der K-rner, sondern versiegeln auchdie Bestandteile zu einem gewissen Grad und machen siedamit unempfindlicher gegen Feuchtigkeit und verhinderndie Entmischung der einzelnen Komponenten w.hrend derProduktion, des Transports und der Lagerung. Konventio-nelle Binder haben jedoch zwei große Nachteile, aus denensich die derzeitigen, intensiven Forschungen zur Entwicklungverbesserter Binder erkl.ren: In der Klasse der nichtenerge-tischen Bindemittel unterscheidet man wasserl-sliche Binder(etwa Dextrin, Polyvinylakohol, Gummi arabicum), Binderauf der Basis von L-sungsmitteln (Vinylalkoholacetatharz,

Abbildung 1. Ein Feuerwerk an Farben.

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Polymethylmethacrylat[29] und dergleichen) und l-sungsmit-telfreie Bindemittel wie Epoxidharze oder Laminac[30] (einunges.ttigter Polyester mit Styrolbr7cken), die sich durchZugabe eines Katalysators verfestigen. Binder aus dieserKategorie wirken phlegmatisierend und setzen die Reakti-onsgeschwindigkeit herab,[8] ein Effekt, der vereinzelt er-w7nscht sein kann, aber h.ufig st-rend wirkt. Interessanter-weise ist der Einfluss des Binders auf die Reaktionsw.rmefast vernachl.ssigbar (7blicherweise einige Prozent).

Anders als die phlegmatisierend wirkenden, inerten or-ganischen Binder tragen energetische Binder zur Energiebi-lanz eines Systems bei. Beispiele f7r diese Bindemittelklassesind das Glycidylazidpolymer (GAP), Polynitropolyphenylenund Nitrocellulose (L-sungsmittel Aceton). Leider enthaltenderartige energetische Binder funktionelle Azid-, Nitrat-,Nitro- oder Hydroxygruppen, die unerw7nschte Reaktionenmit den energetischen Bestandteilen des Pyrotechnikumseingehen k-nnen.[31] In unseremArbeitskreis arbeiten wir ausdiesem Grund an der Entwicklung von Polymeren mit Te-trazolringen.[32] Als weitere Beispiele f7r Alternativen zukonventionellen Bindemitteln seien Silicone genannt.[33]

2.5. Treibmittel und Treibladungen

Treibladungen dienen dem Zweck, hohe Temperaturenund Dr7cke in geschlossenen Kammern aufzubauen, umProjektile, Raketen und dergleichen zu beschleunigen. Dazuben-tigt man Stoffe, die mit hoher, aber definierter Ge-schwindigkeit abbrennen. Man unterscheidet zwei großeKategorien von Treibmitteln: homogene (ein-, zwei- oderdreibasige Pulver) und heterogene (granulierte und zusam-mengesetzte) Treib- oder Ausstoßs.tze.[13,34]

Einbasige Treibmittel bestehen gr-ßtenteils aus Nitro-cellulose (NC), also den Nitraten der Cellulose. Der NC-Gehalt in diesen betr.gt zwischen 85 und 96%. Den Restmachen chemische Stabilisatoren aus, beispielsweise Diphe-nylamin[13] oder energetische oder inerte Weichmacher, etwaDibutylphthalat, Dibutylsebacat, Campher oder ein Isome-rengemisch aus 2,4- und 2,6-Dinitrotoluol.[34a] Die nichtener-getischen Stoffe beeinflussen ausschließend die mechani-schen Eigenschaften des Treibmittels und wirken zugleichflammenunterdr7ckend und phlegmatisierend. Diese Aufga-be 7bernehmen auch Zusatzstoffe wie Kaliumsulfat und-nitrat. Im Unterschied dazu tragen energetische Weichma-cher zum Energieumsatz des Treibmittels bei. EinbasigeTreibladungen werden in verschiedensten kleinkalibrigenFeuerwaffen sowie Haubitzen, Kanonen, Panzergesch7tzen,Flugzeugbordwaffen und Fliegerabwehrgesch7tzen einge-setzt. Je nach Verwendungszweck muss die Partikelgr-ße und-form als wesentliche Gr-ße maßgeschneidert werden.

Weitreichende Gesch7tze gr-ßeren Kalibers nutzenzweibasige Pulver („rauchfreie Pulver“) auf der Basis von NCund Nitroglycerin (Glycerintrinitrat, NG) oder anderen fl7s-sigen Nitratestern, da nur mit ihrer Hilfe ausreichende Pro-jektilgeschwindigkeiten f7r diesen Zweck erreicht werdenk-nnen.[34a] Reines NG hat einen hohen Festpunkt (13 8C),[35]

wodurch sich Probleme ergeben. In modernen zweibasigenPulvern ist aus diesem Grund das NG ganz oder teilweise

durch andere Salpeters.ureester ersetzt, z.B. durch die vonDiethylenglycol und Trimethylenglycol oder anderen Alko-holen. Das Mischungsverh.ltnis von NC zu NG (oder dengenannten Ersatzsubstanzen) betr.gt in rauchfreien Pulvern50–60% zu 30–49%.[34a]

Dreibasige Pulver enthalten neben Nitrocellulose undNitroglycerin als zus.tzliche Komponente Nitroguanidin(NQ). Dieser Stoff zeichnet sich durch hohen Stickstoffgehaltund zugleich niedrige Flammentemperatur aus. Bei derZ7ndung dieser „kalten“ Treibladungspulver werden folglichgroße Volumina an Stickstoff erzeugt, und zugleich wird derLauf der großkalibrigen Kanonen bestm-glich geschont.[34b]

Langstreckenraketen und Feststoffraketen werden mitheterogenen Treibmitteln betrieben. Solche Treibstoffe fallenin die Kategorie der zusammengesetzten Treibmittel(„Composits“). Als Oxidationsmittel wird in FeststoffraketenAmmoniumperchlorat (AP) oder, seltener, Ammoniumnitratverwendet. Das Reduktionsmittel ist h.ufig Aluminiumpul-ver. Derartige Raketen hinterlassen beim Start eine giganti-sche Rauchwolke aus Feststoffpartikeln und Salzs.ure.

Grunds.tzlich werden Stoffe als Treibmittel eingesetzt,die eine große Menge (gasf-rmiger) Verbrennungsproduktemit m-glichst niedrigemMolekulargewicht (Mc) und zugleichhoher Verbrennungstemperatur (Tc) erzeugen. So erreichtman den gr-ßtm-glichen spezifischen Impuls (Isp)

[5,13]

[Gl. (6)].

Isp ðTc=McÞ1=2 ð6Þ

In der Literatur wird der vereinzelte Einsatz von Beryl-lium (niedriges Atomgewicht!) als Reduktionsmittel in mili-t.rischen Treibladungen beschrieben.[5] Aus dem gleichenGrund ist Kohlenmonoxid ein durchaus erw7nschtes Reak-tionsprodukt, besonders in milit.rischen Treibladungen aufKohlenstoffbasis. Kohlenmonoxid erzeugt wegen seinesdeutlich geringeren Molekulargewichtes einen gr-ßerenspezifischen Impuls und Schub als Kohlendioxid. Treibs.tzedieses Typs haben daher konsequenterweise h.ufig eine ne-gative Sauerstoffbilanz.

Schwarzpulver ist ein heterogener (oder Verbund-)Treibstoff und damit ein typischer Vertreter granulierterTreibmittel. Es kommt verpackt in loser, gek-rnter Form aufdenMarkt.[13] Die mechanischen Eigenschaften dieser K-rnersind von entscheidender Bedeutung f7r das Leistungsver-m-gen dieses Treibmittels, ist doch dessen beobachteteBrennrate eine Funktion der linearen Verbrennungsge-schwindigkeit und der Partikeloberfl.che. Werden die K-rnerin der Brennkammer durch den Druckaufbau besch.digt,f7hrt dies zu einer Vergr-ßerung der spezifischen Oberfl.cheund somit zu einem weiteren Druckanstieg.

In der zivilen Feuerwerkerei ist Schwarzpulver nach wievor das meistverwendete Treibmittel. Daneben seien Treib-s.tze aus einem Oxidationsmittel und Holzkohle oder orga-nischer Materie erw.hnt.[18] Der hohe Kohlenstoffgehalt alldieser Treibladungen f7hrt zu starker Rauchentwicklung. Alsmilit.rischer Ausstoßsatz f7hrt Schwarzpulver mit seinensauren Verbrennungsprodukten zur Korrosion der L.ufe undwird deshalb schon lange nicht mehr verwendet. Das helle

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M7ndungsfeuer des Schwarzpulvers ist aus milit.rischer Sichtein weiterer gravierender Nachteil.

Im Unterschied zu festen Treibmitteln, die direkt in derBrennkammer mitgef7hrt werden, werden fl7ssige Treibmit-tel in externen Tanks gelagert und erst zum Zeitpunkt derZ7ndung in die Kammer injiziert. Diese Klasse der Treib-stoffe wird noch weiter in Monergole (Einkomponenten-treibstoffe, etwa 80-99% Wasserstoffperoxid und Hydrazin)und Diergole (Zweistoffsyteme) unterteilt. Vertreter derletztgenannten Gruppe sind etwa Wasserstoffperoxid, kon-zentrierte Salpeters.ure und Stickstoffdioxid als Oxidations-mittel sowie Kohlenwasserstoffe, Alkohole, Amine und Hy-drazine als Reduktionsmittel. Beide Phasen werden in ge-trennten Tanks gelagert und durch simultanes Einspritzen indie Brennkammer zur Reaktion gebracht.[34b]

3. Ein Mosaik aus Umweltgiften

Ungeachtet der Faszination, die von Feuerwerken aus-geht, darf nicht vergessen werden, dass diese (auch abseits derL.rmbel.stigung) eine besondere Form der Umweltbelastungdarstellen. H.ufig entstehen beim Abbrennen pyrotechni-scher Artikel unterschiedlichste Giftstoffe, die Mensch undUmwelt Schaden zuf7gen k-nnen. Dieses Problem wurdebereits vor Jahrzehnten erkannt,[36] Konsequenzen aus dieserBeobachtung wurden jedoch nahezu ebenso lang nicht ge-zogen. Erst in der j7ngeren Vergangenheit r7ckte das Pro-blem wieder st.rker in den wissenschaftlichen Fokus, was zurEntwicklung umweltfreundlicher Pyrotechnika und energe-tischer Materialien f7hrte.[1,37] In gleichem Ausmaß habensich j7ngst zahlreiche umweltanalytische Studien diesemThema gewidmet.

Kber der Entwicklung -kologisch vertr.glicher Pyro-technika h.ngt das Damoklesschwert des Kostendrucks – istes f7r jede neue Entwicklung doch praktisch unm-glich, aufKostenebene mit etablierten und großindustriell gefertigtenProdukten zu konkurrieren. Da der Markt eine entspre-chende Regulierung nicht 7bernehmen kann, bedarf es einerexternen Unterst7tzung, die die Weiterentwicklung umwelt-freundlicher Produkte weiterhin vorantreibt, etwa derSch7tzenhilfe des Gesetzgebers oder anderer F-rderer. UnterUmst.nden kann der vorliegende Aufsatz dazu beitragen,diese Entwicklung zu f-rdern.

Aus unterschiedlichen Arbeiten kennt man die Giftstoffe,die durch pyrotechnische Aktivit.t freigesetzt werden. EinH-henfeuerwerk am Abendhimmel stellt dabei naturgem.ßein weniger akutes Problem dar als beispielsweise in derHand gehaltene Signalfackeln. In einem Fall verteilen sich dieUmweltgifte 7ber eine große Fl.che, im anderen Beispielexponiert sich der Konsument direkt der Rauchwolke. In denfolgenden Abschnitten werden die Umweltaspekte zusam-mengefasst und diskutiert.

3.1. Schwermetalle

Feuerwerke und Schwermetallemissionen gehen Hand inHand.[38] Gr7ne Feuerwerkseffekte beruhen in aller Regel auf

der Verwendung von Bariumnitrat, das im Feuerwerk sowohldie Rolle des Oxidationsmittels als auch die des Farbgebers7bernimmt. Bei der Zersetzung des Nitrats entstehen fl7ch-tige Bariumverbindungen, die als Hauptemittenten gr7nenLichts fungieren. Zur7ck bleiben wasserl-sliche und giftigeBaII-Verbindungen wie BaCl2, BaO oder Ba(OH)2. Die In-halation dieser Aerosole wirkt sich negativ auf die Bronchi-alfunktion aus und zeigt cardiotoxische Effekte.[39] In einerumweltanalytischen Studie im Zuge des indischen Diwali-Fests – des Fests des Lichts, das traditionell mit Feuerwerkengefeiert wird – beschreiben Kulshrestra et al.[40] eine um denFaktor 1000 erh-hte Bariumkonzentration in der Luft ver-glichen mit dem orts7blichen Hintergrund. Aus -kologischerSicht wird gr7nen Feuerwerkseffekten wegen ihres Barium-gehalts die zweifelhafte Ehre zuteil, als „schmutzigste allerBomben“ zu gelten.

Manche Treibladungen werden zudem kritisiert, weil sieauf Bleisalzen wie Blei(II)-salicylat, -stearat oder -2-ethyl-hexanonat als Abbrandkatalysatoren beruhen.[13] In anderenF.llen werden Oxidationsmittel f7r spezielle pyrotechnischeAnwendungen auf Bleibasis in der Fachliteratur beschrieben.Dazu z.hlen unter anderem Bleioxide wie PbO, PbO2 undPb3O4

[41] sowie Blei(II)-chromat und -nitrat,[42] die in (nichtsprengkr.ftigen) elektrischen Z7ndern verwendet wurdenund werden. Z7nder dieser Art finden in der Pyrotechnik undSprengtechnik vielfach Verwendung. Dar7ber hinauskommen die genannten Bleioxide vereinzelt in pyrotechni-schen Knistereffekten sowie in Millisekundenverz-gerungs-s.tzen von Sprengkapseln zur Anwendung.[43] In letzter Zeithaben sich die Bem7hungen um bleifreie Pyrotechnika ver-st.rkt und mit der Entwicklung von energetischen Nano-kompositen („Metastable Intermolecular Composites“,MICs) erste Fr7chte getragen.[44] Diese Nanokompositezeichnen sich nicht nur durch ihre Umweltvertr.glichkeit,sondern auch durch gute Leistungsdaten (hohe Verbren-nungstemperatur) und geringe Empfindlichkeit gegen Rei-bung, Schlag und Hitze aus. Vor wenigen Jahren wurde derBeitrag durch Feuerwerke zur Gesamtemission von Blei aberimmer noch auf bis zu 0.8% gesch.tzt.[41a]

In besonderem Maße sind die Arbeiter in den Feuer-werksfabriken von den toxischen Inhaltsstoffen betroffen –sie sind in ihrer tagt.glichen Arbeit den toxischen St.ubenausgesetzt. Diese chronische Exposition kann zu Sch.digun-gen der Lungen, Augen, Haut und Nieren f7hren. Ein dra-matisches gesellschaftliches Problem in diesem Zusammen-hang ist die Kinderarbeit.[37b] In den Haaren indischer Fa-brikarbeiter konnten erh-hte Chromwerte nachgewiesenwerden. Die Chromexposition d7rfte f7r die Kopfschmerzenund das Schwindelgef7hl der Arbeiter verantwortlich sein.[45]

Die Toxizit.t von Chrom ist stark vom Oxidationszustandabh.ngig. Die stark toxischen und kanzerogenen Chrom(VI)-Verbindungen sind dabei am gef.hrlichsten. MetallischesChrom, CrII und CrIII sind hingegen nicht kanzerogen. Inter-essanterweise spielt das Kation von Chromaten eine essen-zielle Rolle f7r deren Toxizit.t: Obwohl Strontiumverbin-dungen generell als vergleichsweise harmlos gelten, ist dasStrontiumchromat eines der wirkungsvollsten im Tierversuchnachgewiesenen Karzinogene.[46]

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In Spuren wurden Schwermetalle wie As, Cd oder Hg inFeuerwerksk-rpern nachgewiesen, vermutlich eine Folgeverunreinigter Ausgangsmaterialien.[41a] Ihr Beitrag zur Ge-samtemission des jeweiligen Elements wurde (in einerschwedischen Studie) als vernachl.ssigbar eingestuft. Milit.-rische, berylliumhaltige Treibmittel setzen bei der Verbren-nung kanzerogene Berylliumaerosole frei und sind, unge-achtet ihres guten Leistungsverm-gens, als ernstzunehmendeUmweltgefahr zu betrachten.[5]

Bez7glich ihrer Umweltvertr.glichkeit sind MTV-Pyro-technika und Al-Teflon/Viton-Mischungen wegen der gerin-gen L-slichkeit (und folglich Bioverf7gbarkeit)[47] der Ein-zelbestandteile und Verbrennungsprodukte (MgF2, AlF3) denkonventionellen pyrotechnischen Formulierungen 7berlegen.Die Berger-Mischung (bestehend aus Zn oder ZnO undC2Cl6) schneidet im Vergleich dazu schlecht ab: Sie reagiertzu relativ leichtl-slichem (wenngleich hydrolyseempfindli-chem) Zinkchlorid und verschiedenen chlorierten organi-schen Verbindungen (siehe Abschnitt 2.2.3).

3.2. Perchlorate

Viele pyrotechnische Artikel (sowie Raketentreibstoffe)enthalten Ammonium- oder Kaliumperchlorat als Oxida-tionsmittel.[11,48] Das ClO4

�-Anion hat bewiesenermaßen te-ratogene Eigenschaften und negative Auswirkungen auf dieSchilddr7senfunktion.[49] Die Aufnahme von Iod in dieSchilddr7se wird durch chronische Perchlorataufnahmekompetitiv unterdr7ckt, wodurch es zu Schilddr7senunter-funktion kommt.[50] Der Mechanismus des mikrobiellen Per-chloratabbaus in der Umwelt wurde intensiv untersucht.[51]

Studien belegen, dass die Kontamination des Grundwassersdurch die Herstellung und Verwendung perchlorathaltigerRaketentreibstoffe und Pyrotechnika (besonders die in denUSA viel verwendeten Autopannensignalfackeln) ein weitverbreitetes Problem darstellt.[52] Die Kosten f7r die Sanie-rung des US-Grundwassers werden im Milliarden-Dollar-Bereich angesetzt. Dieser -konomische R7ckschlag kannnegative Auswirkungen auf andere Programme des US-Ver-teidigungsministeriums haben.[53] Aus diesem Grund wird vorallem in den USAmit großem Aufwand nach Alternativen zuPerchlorat in Pyrotechnika gesucht. Dies betrifft beispiels-weise auch die T.uschk-rper der Air Force, die bislang h.ufigPerchlorat als Oxidationsmittel verwendet haben.[54] EinigeAlternativen auf der Basis von Nitraten wurden bereits vor-gestellt;[55] leider weisen sie allerdings eine hohe Empfind-lichkeit gegen elektrostatische Entladungen auf.

3.3. Polychlorierte organische Verbindungen

Bei der Verbrennung organischer Materie (so auchHolzkohle, Bitumen und organischer Verbindungen) in Ge-genwart von Chlor (etwa in Form von Chlorat, Perchlorat,verschiedenen organischen oder anorganischen Chloriden,insbesondere PVC) kann die Bildung von toxischen organi-schen Verbindungen wie polychlorierten Dibenzo-p-dioxinen(PCDD) oder Dibenzofuranen (PCDF) erwartet werden, so

auch in der Pyrotechnik.[2,56] Kupfer spielt bei der Bildung unddem Abbau von PCDD und PCDF eine katalytische Schl7s-selrolle.[2,57] Daher sind Feuerwerksk-rper mit blauer Farbedie potenziell gef.hrlichsten, was PCDD/F betrifft.

Interessanterweise konnten Fleischer et al.[2] einenh-chstens marginalen Beitrag von Feuerwerken zur PCDD/F-Konzentrationen in der Umgebung feststellen. Dyke undColeman[56] hingegen wiesen im Zuge einer Feuerwerksnachteinen PCDD/F-Anstieg in der Luft um einen Faktor 4 nachund schlussfolgerten daraus, dass Feuerwerke eine „ernstzu-nehmende Quelle f7r Dioxine sind.“

3.4. Rauch

Außer im Fall von Rauchs.tzen wird die Entwicklung vonRauch beim Abbrennen von Pyrotechnika als st-render undproblematischer Nebeneffekt betrachtet. Die Rauchent-wicklung geht in der Regel auf das Konto der metallischenoder kohlenstoffbasierten Reduktionsmittel. Einerseits ver-dunkelt Rauch den Himmel und behindert die freie Sicht aufdie Feuerwerkseffekte, andererseits verursachen Rauch undFeinstaub auch gesundheitliche Probleme, die im harmloses-ten Fall als Geruchsbel.stigung oder Augenreizung wahrge-nommen werden. Mehrere Studien widmeten sich der Ent-stehung von inhalierbarem Feinstaub (Partikeldurchmesser< 10 mm, PM10) in Feuerwerken und den daraus folgendenGesundheitsgefahren.[58] So beobachteten zum Beispiel Ra-vindra et al. einen leichten PM10-Anstieg w.hrend des Diwali-Fests, der sich vermutlich auf Pyrotechnika zur7ckf7hrenl.sst. Jedenfalls wurden die zul.ssigen indischen Grenzwertef7r PM10 schon vor dem Fest 7berschritten. Zwei deutscheStudien zeigten einen drastischen Anstieg der Feinstaub-konzentrationen in Mainz und Leipzig 7ber Silvester.[58b–c]

Der Start einer AP/Aluminium-betriebenen Feststoffra-kete geht mit enormen Emissionen (HCl, Al2O3, AlCl3)einher. Die Umgebung rund um die Weltraumbahnh-fe wirddurch diese Umweltverschmutzung stark in Mitleidenschaftgezogen.[59] In Kasachstan sind große Fl.chen rund um dasKosmodrom Baikonur mit unverbranntem Treibstoff, 1,1-Dimethylhydrazin (unsymmetrisches Dimethylhydrazin,UDMH), vom Start der Proton-Raketen kontaminiert.[60] Sowie Hydrazin ist auch UDMH sehr giftig und m-glicherweiseebenfalls kanzerogen. Als Oxidationsmittel wird N2O4 (Di-stickstofftetroxid, NTO) oder rotrauchende Salpeters.ure(RFNA) eingesetzt.

Dem Milit.r ist die Verwendung von (m-glichst) rauch-freien Treibstoffen aus strategischer Sicht ein besonderesAnliegen, da die Abgase eines konventionell betriebenenMarschflugk-rpers von Aufkl.rungssatelliten leicht entdecktwerden k-nnen und Gegenmaßnahmen eingeleitet werdenk-nnen. Ein rauchfreies Treibmittel, das nur N2 entwickelt,w7rde demzufolge 7berraschende Erstschl.ge erm-glichen.

3.5. Gasf*rmige Schadstoffe

Beim Abbrennen von konventionellen Pyrotechnikaentstehen auch gasf-rmige Schadstoffe.[38,58c] Auch wenn sie

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weniger persistent als beispielsweise Schwermetalle oderPCDD/F sind, f7hren sie bei ung7nstigen Wind- und Wet-terbedingungen zu Reizungen der Atemwege und Augen. Alswesentlichste gasf-rmige Schadstoffe gelten CO, NOx undSOx. Ihre gesundheitssch.dlicheWirkung setzt augenblicklichein. Einer .lteren Studie zufolge haben Feuerwerke einenstatistisch signifikanten Anstieg von Atemwegserkrankungenbei erwachsenen Asthmapatienten zur Folge.[36b] Jhnlicheswurde von Murty[37b] beobachtet, der einen Anstieg der Zahlder Asthmapatienten um 12% w.hrend des Diwali-Festsbeobachtete.

Der Schwefelgehalt des Schwarzpulvers macht selbigeszur Hauptquelle f7r SOx. Einen gewissen Beitrag d7rftenauch Sulfide leisten, die vereinzelt als Reduktionsmittel ein-gesetzt werden. NOx entsteht sowohl durch die Oxidation desLuftstickstoffs bei den hohen Temperaturen als auch durchthermische Zersetzung von Nitraten.

4. Stickstoffreiche Verbindungen: die !kologisierungder Pyrotechnik

Moderne Entwicklungen in der Pyrotechnik zielen auf dieAnwendung stickstoffreicher Verbindungen. Im Unterschiedzu konventionellen energetischen Substanzen beziehen dieseihre Energie nicht aus der Oxidation eines Kohlenstoffge-r7sts, sondern aus hohen Bildungsw.rmen. Diese nachfolgenddiskutierten Substanzklassen empfehlen sich zur Anwendungals Treibmittel, Reduktionsmittel oder Farbgeber – bevorzugtmit weniger giftigen Metallen wie CuII anstelle von BaII.Diese Stickstoffheterocyclen vereinen daf7r mehrere Vor-teile:[61]

* ausschließlich oder weitgehend gasf-rmige Reaktions-produkte (rauchfreie Verbrennung)

* hohe Bildungsw.rmen* hoher Vortrieb* hoher spezifischer Impuls* hohe Flammentemperaturen

Umweltvertr.gliche Pyrotechnika sollten in erster Linieauf Perchlorate und Schwermetalle verzichten. Weitere An-forderungen sind eine einfache und kosteng7nstige Syntheseder Stoffe, die dar7ber hinaus nicht hygroskopisch sein soll-ten. Ihr Stickstoffgehalt sollte m-glichst hoch sein, wodurchsich Rauch- und Feinstaubentwicklung eind.mmen lassen.Ihre Reaktionsgeschwindigkeit muss dem jeweiligen Zweckangepasst sein. Generell unterscheidet man dabei zwischen„Brennen“ (Reaktionsgeschwindigkeit im Bereich vonmms�1 oder cms�1), „Deflagrieren“ (ms�1) und „Detonieren“(kms�1). Publikationen 7ber energetische Materialien ver-wenden h.ufig Akronyme, die jedoch nicht immer selbster-kl.rend sind und konsistent verwendet werden. Daher bietetTabelle 4 einen kurzen Kberblick 7ber die gebr.uchlichstenAkronyme in der Pyrotechnik.

4.1. Tetrazole

Tetrazole sind f7nfgliedrige Heterocyclen mit vier Stick-stoffatomen. Das unsubstituierte Tetrazol CH2N4 hat einenStickstoffgehalt von beinahe 80 Gew.-%. Das Tetrazolring-system wird durch seine Aromatizit.t einigermaßen stabili-siert. Generell wird der Einsatz von Tetrazolderivaten f7rpyrotechnische Zwecke in Betracht gezogen (siehe Ab-schnitte 4.1.1–4.1.4), doch auch das unsubstituierte Molek7lhat interessante Eigenschaften. Eine neue, raucharme pyro-technische Mischung mit Strontiumditetrazolat-Pentahydrat(Abbildung 2) wurde k7rzlich in unserem Arbeitskreis ent-wickelt.[62] Besonders vorteilhaft ist, dass weder die Verbin-dung selbst noch die fertige Mischung stoß-, reibungs- oderelektrostatisch empfindlich sind. Die Mischung zeigt beimVerbrennen eine tiefrote Flammenfarbe (Abbildung 3). DerEmitter ist in diesem Fall SrOH, wobei der Wasserstoff desHydroxids vermutlich aus dem Kristallwasser stammt (Ta-belle 2).

Tabelle 4: Eine Auswahl gebr7uchlicher Akronyme in der Pyrotechnik.

Akronym Bedeutung

5-AT 5-AminotetrazolADN AmmoniumdinitramidAG AminoguanidinAN AmmoniumnitratANAT 3-Amino-6-nitroamino-1,2,4,5-tetrazinAP AmmoniumperchloratBDDT 3,6-Bis(3,5-dimethylpyrazol-1-yl)-1,2-dihydro-1,2,4,5-te-

trazinBDT 3,6-Bis(3,5-dimethylpyrazol-1-yl)-1,2,4,5-tetrazinBT 5,5’-BistetrazolBTA N,N-Bis(1(2)H-tetrazol-5-yl)aminBTATz 3,6-Bis(1H-1,2,3,4-tetrazol-5-ylamino)-1,2,4,5-tetrazinDAAT 3,3’-Azobis(6-amino-1,2,4,5-tetrazin)DAATO3.5 Die Heptahemi-N-oxide von 3,3’-Azobis(6-amino-

1,2,4,5-tetrazin)DAG DiaminoguanidinDHT oderHz2Tz

3,6-Dihydrazino-1,2,4,5-tetrazin

DiAT 3,6-Diazido-1,2,4,5-tetrazinDN DinitramidG GuanidinGAP GlycidylazidpolymerGN GuanidiniumnitratHNF HydraziniumnitroformatHTPB Hydroxy-terminiertes PolybutadienHz oder H HydrazinMIC metastable intermolecular compositesMTV Magnesium/Teflon/Viton-SatzNC NitrocelluloseNF NitroformNG NitroglycerinNQ NitroguanidinTAG TriaminoguanidinTAGN TriaminoguanidiniumnitratTATTz oderH3T

Triazoloaminotriazinyl-1,2,3,5-tetrazin

Tz TetrazinzT oder AT 5,5’-Azotetrazolat

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4.1.1. Bistetrazole

5,5’-Bistetrazol (BT) ist eine zweibasige S.ure, die vonAminen und Metallcarbonaten oder -hydroxiden deproto-niert werden kann. Energetische BT-Salze finden vielf.ltigeAnwendungen im milit.rischen und zivilen Bereich.[1] Kon-krete pyrotechnische Anwendungen haben BT- und N,N-Bis(1(2)H-tetrazol-5-yl)amin(BTA)-Salze bei der Herstel-lung nanopor-ser Metallsch.ume gefunden (siehe Ab-schnitt 4.1.2). Beide Anionen sind hervorragende Ligandenf7r die Herstellung stickstoffreicher Komplexe undSalze.[26,63–65] Des Weiteren werden einige dieser Verbindun-gen f7r Airbags, Gasgeneratoren und Raketentreibstoffad-ditive (zusammen mit AP oder AN) in Betracht gezogen.

BT (1) wird in w.ssriger L-sung aus Natriumcyanid undNatriumazid durch Zugabe von Braunstein, Schwefels.ure/Eisessig und CuII-Ionen als Katalysator hergestellt. Die freieS.ure 1 wird schließlich aus dem Mangansalz in einer ge-pufferten Kohlens.urel-sung hergestellt (Schema 1).[26,66]

W.hrend die freie S.ure recht schlagempfindlich ist (3.75 J),sind ihre Salze generell ungleich stabiler. Einige Salze wurdenvon Chavez et al.[26] aus BT und Basen (Aminen oder Me-tallhydroxiden, sofern nicht gesondert angegeben) herge-stellt. Die Produkte wurden durch Elementaranalyse, teil-weise auch durch 13C-NMR-Spektroskopie und thermogra-vimetrische Analyse (TGA) charakterisiert. In der genannten

Arbeit wurden folgende BT-Salze vorgestellt: Diammonium-BT (2a), Dihydrazinium-BT (2b), Dihydroxylammonium-BT(2c), Hydrazinium-BT (3a), Hydroxylammonium-BT (3b),Strontium-BT-Tetrahydrat (4a), Barium-BT-Tetrahydrat(4b), Kupfer(II)-BT-Dihydrat (4c) (in einer Reaktion aus BTund Kupfer(II)-sulfat-Pentahydrat in w.ssriger L-sung)sowie 3,6-Dihydrazino-1,2,4,5-tetrazinium-BT (5). Die Salze4a–c k-nnten als pyrotechnische Farbgeber f7r gr7ne undrote Effekte dienen. Das Bariumsalz 4b ist zwar sicher keinumweltfreundliches Pyrotechnikum, wurde aber wegen seinerrauchfreien Verbrennung n.her untersucht. Die Verbindun-gen 4a–c verlieren beim Erhitzen Kristallwasser, bleiben aberbis > 100 8C hinreichend thermisch stabil. Die Ammonium-,Hydrazinium- und Hydroxylammoniumbistetrazolate (2–3)zeigen unterschiedliches Leistungsverhalten: 2b kommt nichtals Reduktions- oder Treibmittel infrage, weil es bereits unterZersetzung schmilzt, bevor es Feuer f.ngt. 2a hingegenk-nnte sich durchaus f7r Anwendungen im Bereich derGasgeneratoren und Airbags eignen.

4.1.2. Bistetrazolamine

Die zweibasige S.ure N,N-Bis(1(2)H-tetrazol-5-yl)amin-Monohydrat (BTAw, 6) ist 7ber drei Reaktionswege zu-g.nglich, wie in Schema 2 gezeigt wird.[67] Eine sehr einfacheSynthese setzt auf Natriumdicyanamid, Natriumazid undeinen Katalysator wie ZnCl2, ZnBr2 oder Zn(ClO4)2 und an-

Abbildung 2. Erweiterte Molek8lstruktur von Strontiumditetrazolat-Pentahydrat.

Abbildung 3. Intensiv rotes Leuchten eines neuen, raucharmen pyro-technischen Artikels mit Strontiumditetrazolat-Pentahydrat.

Schema 1.

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schließende Aufarbeitung mit S.ure (Schema 2, Mitte).[68]

Jhnlich einfach und preiswert kann 6 aus Natriumdicyan-amid, Natriumazid und einer schwachen S.ure wie Trime-thylammoniumchlorid, Bors.ure und Ammoniumchlorid[69]

oder durch vorsichtige Zugabe von Salzs.ure hergestelltwerden (Schema 2, oben).[70] Auf einer anderen Strategieberuht die basenkatalysierte Synthese aus 5-Aminotetrazolund Bromcyan. Das Zwischenprodukt wird in einer Cyclo-addition mit Stickstoffwasserstoffs.ure umgesetzt (Schema 2,unten).[71]

Das BTA-Monohydrat ist schlagunempfindlich (< 80 J),die wasserfreie S.ure explodiert hingegen unter der Einwir-kung des Fallhammers bereits bei 6.5 J. Verschiedenste BTA-Verbindungen wurden bislang hergestellt und in der Literaturbeschrieben. In einer der wichtigsten Studien zu diesemThema[26] wurden folgende Salze hergestellt und durch Ele-mentaranalyse sowie teilweise 13C-NMR-Spektroskopie undTGA charakterisiert: Diammoniumbis(1(2)H-tetrazol-5-yl)amin-Monohydrat (7a), Dihydrazinium-BTA-Monohydrat(7b), Ammonium-BTA (8a), Hydrazinium-BTA (8b),

Strontium-BTA-Tetrahydrat (9a), Barium-BTA-Tetrahydrat (9b) sowie Kupfer(II)-BTA-Dihy-drat (9c). Wie schon im Falle der zuvor erw.hn-ten 5,5’-Bistetrazolate wurde diese Salze aus derfreien S.ure 6 und Basen wieAminen, Strontium-und Bariumhydroxid sowie Kupfer(II)-sulfat-L-sung hergestellt. Einige vielversprechendeKupfer(II)-BTA-Komplexe wurden in unsererArbeitsgruppe erforscht:[64] [Cu(BTA)(NH3)2](10a), [Cu(BTA)(NH3)2]·H2O (10b) und (NH4)2-[Cu(BTA)2]·2.5H2O (11). 10a wird aus konzen-trierten L-sungen von BTAw und Kupfer(II)-

chlorid-Dihydrat und Ammoniak hergestellt. Die Synthesevon 10b erfolgt nach .hnlichem Schema, jedoch mit einemKberschuss an Wasser. Man erh.lt 11 durch Zugabe vonverd7nntem Ammoniak. 10a,b und 11 wurden durch R-nt-genstrukturanalyse, IR-Spektroskopie, Elementaranalyse,Bombenkalorimetrie, dynamische Differenzkalorimetrie(DSC) und TGA vollst.ndig charakterisiert. Die Kristall-struktur offenbart variable Koordinationsmodi des BTA2�-Anions. Wegen der kosteng7nstigen Ausgangsverbindungenund ihrer hervorragenden Eigenschaften (leuchtend gr7neFlammenf.rbung, geringe Empfindlichkeit) empfehlen sich10a und 11 f7r eine Anwendung in Leuchts.tzen und alsAdditiv in AP-Treibladungen.

Im Los Alamos National Laboratory wurde k7rzlich eineaußergew-hnliche Anwendung dieser BTA-Pyrotechnikaentwickelt: die Synthese nanopor-ser Metallsch.ume.[63,72]

Dazu werden die Verbindungen unter Inertgas gez7ndet,wodurch sie sich in einem ungew-hnlichen Redoxmechanis-mus zersetzen. Die Metallionen werden dabei unter Entste-hung schaumiger, metallischer Gebilde reduziert. Aufgrundihrer Eigenschaften (geringe Dichte, hohe spezifische Ober-fl.che und Gasdurchl.ssigkeit sowie große mechanischeFestigkeit) haben diese Metallsch.ume großes Potenzial f7rtechnische Anwendungen in der Katalyse, in Brennstoffzel-len, in der Wasserstoffspeicherung sowie in der thermischenund akustischen Isolierung. Die Autoren stellen einige Me-tallkomplexe und ihre Metallsch.ume vor, die zu diesemZweck eingesetzt werden k-nnen, namentlich Eisen, Cobalt,Kupfer und Silber.

4.1.3. Azotetrazole

Unter allen f7r die Pyrotechnik infrage kommenden Bis-tetrazolen weist das 5,5’-Azotetrazolat-Anion den h-chstenStickstoffgehalt auf (85.4%). Azotetrazolat-Salze sind h.ufigempfindlicher als die entsprechenden BT- oder BTA-Ver-bindungen, besonders nach Abstraktion von Kristallwasser.Azotetrazolate k-nnten daher als Prim.rz7ndmittel,[73]

Sprengstoffe oder f7r Gasgeneratoren[1] verwendet werden.Das Natriumsalz 12 ist das Ausgangsmaterial f7r alle

weiteren Derivate dieser Substanzklasse. Es wird durchOxidation von 5-Aminotetrazol im basischen Milieu(KMnO4, NaOH) hergestellt.

[1,74] Die unbest.ndige freieS.ure 5,5’-Azotetrazol ist nur unter bestimmten Bedingungenzug.nglich.[73] Minerals.uren zersetzen das Anion augen-blicklich zu Hydrazinotetrazol (13), Ameisens.ure und Di-stickstoff (Schema 3). Als Zwischen- oder Nebenprodukte

Schema 2.

T. M. Klap,tke und G. SteinhauserAufs�tze

3386 www.angewandte.de � 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2008, 120, 3376 – 3394

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dieser Zersetzung wurden Azidotetrazol, 5-Azo(diazometha-no)tetrazol-Hydrat und andere Verbindungen identifiziert.[75]

F7r eine Anwendung in der Pyrotechnik wurden ver-schiedene Azotetrazolate vorgeschlagen, etwa das Ammoni-um- (14a), Guanidinium- (14b) und Triaminoguanidinium-salz (14c).[63,76] 14a k-nnte mit einem Brandgasvolumen von

979 mL pro Gramm ebenso als Gasgenerator dienen wie 14c(981 mL Gas pro Gramm). Im Unterschied zu 14a,c ver-brennt 14b mit leichter Rauchentwicklung; es k-nnte alsTreibmitteladditiv fungieren. 14c brennt mit ausgesprochenhoher Geschwindigkeit und niedriger Druckentwicklung.[77]

14a–c wurden durch R-ntgenstrukturanalyse und NMR-Spektroskopie charakterisiert.[76a] Bei der Untersuchung derEignung von 14b f7r neue Hybridraketentreibstoffe wurdebeobachtet, dass es zwar mit dem N100-Zusatz in Hydroxy-terminiertem Polybutadien (HTPB) reagiert, nicht jedoch mitdem Polyisocyanat(PAPI)-Zusatz. Wird 14b als Additiv indiesen Treibstoffen eingesetzt, erh-ht sich die Regressions-rate des HTPB – ein Maß daf7r, wie viel Treibstoff proZeiteinheit abbrennt.[76b] Das kombinierte Treibmittel hat dieTests an der Hybridraketeneinrichtung der University ofArkansas (Little Rock) sehr zufrieden stellend absolviert undsich durch hohen Schub und Druckaufbau ausgezeichnet,stets im gr7nen Bereich in Bezug auf die Sicherheit. Wird 14amit der richtigen Menge Ammoniumnitrat verrieben, l.sstsich die negative Sauerstoffbilanz ausgleichen. Diese Mi-schungen k-nnten als Sprengstoffe Anwendung finden, sind

sie doch sehr kosteng7nstig und – kaum vorstellbar – un-empfindlicher als reines Ammoniumnitrat.[76a]

4.1.4. Aminotetrazole

5-Aminotetrazol (15) ist ein wertvolles Ausgangsmaterialf7r die Synthese zahlreicher Tetrazolderivate. Es l.sst sichentweder aus der Reaktion von Aminoguanidiniumnitrat mitsalpetriger S.ure mit anschließender basischer Aufarbei-tung[78] oder aus Cyanamid (16) und Stickstoffwasserstoff-s.ure[79] gewinnen (Schema 4). In einer aktuellen Arbeit

werden die Eigenschaften und Kristallstrukturen der Alkali-metallsalze (17a–e) des 5-Aminotetrazolat-Anions pr.sen-tiert und diskutiert.[80] Die Lithium- und Natriumsalze werdenaus den Alkalimetallhydroxiden und w.ssrigen L-sungen von15 hergestellt; die Kalium-, Rubidium und C.sium-5-amino-tetrazolate erzeugt man aus den Alkalimetallcarbonaten(Schema 5).

Nur das Natriumsalz 17b kristallisiert mit drei Molek7lenKristallwasser. Das Natriumion wird dabei von einem Stick-stoffatom des Rings und f7nf Wassermolek7len koordiniert.Die Kationen der 7brigen Verbindungen werden von ver-schiedenen Stickstoffatomen des Rings sowie der Amino-gruppe koordiniert. Alle Salze 17a–e wurden durch NMR-Spektroskopie, Elementaranalyse, DSC, Bombenkalorime-trie sowie IR- und Raman-Spektroskopie charakterisiert. Siek-nnen aus billigen Ausgangsverbindungen in nahezu quan-titativer Ausbeute gewonnen werden und bleiben bis 350 8Cthermisch stabil (sie schmelzen, ohne sich zu zersetzen). DieFlammenfarben k-nnen als Rot (17a), Orange (17b), Violett(17c), Lila (17d) und Rosa (17e) beschrieben werden. Diese

Schema 3.

Schema 4.

Schema 5.

PyrotechnikAngewandte

Chemie

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Verbindungen k-nnten folglich als Farbgeber in Pyrotechnikafungieren – die Lithiumverbindung beispielsweise als per-chloratfreier roter Leuchtsatz. Ungeachtet ihres hohenStickstoffgehalts weisen 17a–e allesamt geringe Reibe- undSchlagempfindlichkeit auf.

4.2. Tetrazine

Tetrazine sind sechsgliedrige aromatische Heterocyclenmit vier Stickstoffatomen in 1,2,4,5- oder 1,2,3,5-Position. DerStickstoffgehalt des unsubstituierten C2H2N4 betr.gt 68.3%.Tetrazine haben generell hohe Bildungsw.rmen und Kris-talldichten; beides sind f7r energetische Materialien essenzi-elle und erw7nschte Eigenschaften.[1] Das bekannteste Te-trazinderivat ist der Sprengstoff LAX-112 (3,6-Diamino-1,2,4,5-tetrazin-1,4-dioxid).[66]

4.2.1. Dihydrazino- und Diazidotetrazin

Eine der vielversprechendsten Substanzen aus derGruppe der Tetrazine ist das 3,6-Dihydrazino-1,2,4,5-tetrazin(19, DHT oder Hz2Tz). Diese Verbindung ist seit 1963 durchdie Arbeit von Marcus und Remanick bekannt.[81] Sie stelltenDHT durch Hydrazinolyse von 3,6-Diaminotetrazin her.Jahrzehnte sp.ter wurde eine verbesserte Synthese mit hoherAusbeute publiziert. Dabei wird DHT aus dem leicht ver-f7gbaren 18 (BDDT) und Hydrazin unter oxidierenden Be-dingungen hergestellt (Schema 6).[82] 18 ist auch eine Aus-

gangsverbindung bei der Herstellung von LAX-112. Es wirdaus Triaminoguanidiniumchlorid und 2,4-Pentandion synthe-tisiert.[66,82a,83] Das Produkt wurde durch 1H- und 13C-NMR-Spektroskopie charakterisiert. Mehrere Studien widmetensich der thermischen Zersetzung von DHT. Als erster Schrittwird dabei Stickstoff aus dem Ring eliminiert, gefolgt vomAufbrechen der restlichen N-N-Bindung und der Abspaltungdes Substituenten.[84] Die Verbrennungsgeschwindigkeit vonDHT ist deutlich h-her als bei konventionellen Treibmittelnwie HMX (Octahydro-1,3,5,7-tetranitro-1,3,5,7-tetrazocin).Der Reinstoff ist auch ann.hernd so druckempfindlich.Durch Zugabe einer kleinen Menge an Bindemittel kann dieDruckabh.ngigkeit der Verbrennungsgeschwindigkeit signi-fikant herabgesetzt werden. DHT verbrennt mit sehr geringer

Lichterscheinung in der Gasphase und viel niedrigerer Tem-peratur als HMX.[85]

Aus DHT k-nnen auch pyrotechnische Sterne hergestelltwerden, indem sie mit einem Oxidationsmittel (AN oder AP)gemischt werden und ihnen ein Farbgeber beigef7gt wird,etwa Natriumnitrat f7r Gelb, Strontiumnitrat f7r Rot oderBariumnitrat f7r Gr7n. Kupfer(II)-oxid und -sulfid verursa-chen blaue F.rbung,[86] und Antimon(III)-sulfid emittiertweißes Licht. Diese Mischungen zeichnen sich dadurch aus,dass sie keinen Binder ben-tigen, sondern einfach mit Wasseroder, bei AN-Mischungen, Alkohol befeuchtet, in Form ge-presst und luftgetrocknet werden. Selbst die AN-Mischungenben-tigen jedoch leider eine kleine Menge an AP als Chlor-donor, um die Farben zum Leuchten zu bringen. Einige dieserMischungen sind schlagempfindlich. Diese Empfindlichkeitist feuchtigkeitsabh.ngig und bei feuchter Witterungslagedeutlich geringer ausgepr.gt.[26] Dar7ber hinaus wurde DHTf7r Treibladungen von Raketen und Feuerwaffen in Betrachtgezogen.[66] Ein grober Sch-nheitsfehler von DHT ist dieToxizit.t der Hydrazineinheiten in diesem Molek7l.

Mittels salpetriger S.ure erh.lt man ausgehend von DHT3,6-Diazido-1,2,4,5-tetrazin (20, DiAT) (Schema 7).[63] DiAT

ist viel zu empfindlich, um als Pyrotechnikum konventionellerArt Anwendung zu finden, zur pyrolytischen Herstellung vonKohlenstoff- und Kohlenstoffnitrid-Nanopartikeln ist es hin-gegen bestens geeignet. Diese Nanopartikel finden in derTechnik vielseitige Anwendungen. Die Kohlenstoffnitridehaben unterschiedlichen Stickstoffgehalt (C3N4 oder C3N5)und wurden durch IR-Spektroskopie und Elementaranalyseidentifiziert. Die Kohlenstoff-Nanok7gelchen bewegen sichzwischen 5 und 50 nm im Durchmesser. Die Kohlenstoffni-tride haben unterschiedliche Morphologien.

4.2.2. Bistetrazolylamino-s-tetrazin

Durch Oxidation mit Luftsauerstoff oder Stickstoffdioxidk-nnen von 18 zwei Wasserstoffatome abstrahiert werden,wobei sich 21 (BDT) bildet, was auch den ersten Schritt in derDHT-Synthese darstellt. BDT reagiert bei h-heren Tempe-raturen mit 5-Aminotetrazol zu 22 (BTATz;Schema 8).[63,66,87] Diese Verbindung ist ein Hybrid der Te-trazole und Tetrazine und hat nicht nur einen Stickstoffgehaltvon beinahe 80%, sondern auch eine hohe Bildungsw.rme(+883 kJmol�1). BTATz ist thermisch recht stabil (Zerset-zungsbeginn 264 8C) und k-nnte demnach ein ernstzuneh-mender Kandidat f7r Hochleistungstreibmittel sein, w.re danicht seine hohe Funkenempfindlichkeit im Reinzustand(0.36 J); durch Zugabe einer geringen Menge eines Binde-

Schema 6.

Schema 7.

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mittels l.sst sich diese Empfindlichkeit aber wesentlich ver-ringern. Der Reinstoff hat eine Schlagempfindlichkeit von 8 Jund wird als nicht reibungsempfindlich klassifiziert. DieVerbrennungseigenschaften von BTATz wurden hinsichtlichm-glicher Anwendungen als Treibmittel oder zum Betriebvon Mikroantrieben n.her untersucht.[88] Es verbrennt bei6.89 MPa mit ungew-hnlich hoher Geschwindigkeit(4.6 cms�1), vergleichbar etwa mit TAGzT (4.9 cms�1). Be-dauerlicherweise ist bei 22 die Druckabh.ngigkeit der Ver-brennungsgeschwindigkeit stark ausgepr.gt.[63,85,89]

4.2.3. Nitroguanyltetrazine

Im Los Alamos National Laboratory wurden zwei ener-getische Nitroguanyltetrazine zur pyrotechnischen Anwen-dung vorgestellt: 3,6-Bisnitroguanyl-1,2,4,5-tetrazin (23,(NQ)2Tz) und sein Triaminoguanidiniumsalz 24((TAG)2(NQ)2Tz).

[63,90] Die Synthese beruht auf der Ver-wendung von BDT und zwei Jquivalenten Nitroguanidinoder dessen Natriumsalz (Schema 9). Durch Umsetzung desDinatrium-Zwischenprodukts mit Triaminoguanidinium-chlorid erh.lt man 24, das eine ausgesprochen hohe Bil-dungsw.rme von 1255 kJmol�1 hat.

Der Kristallstruktur des DMSO-Addukts von 23 zufolgeliegt 23 in der Nitriminoform vor.[90a] Die Verbrennungsge-schwindigkeiten bei 6.89 MPa liegen mit 2.0 (23) und2.3 cms�1 (24) zwar nicht im Spitzenfeld, jedoch ist ihreDruckabh.ngigkeit ausgesprochen gering. Beide Stoffek-nnten in Gasgeneratoren, als Additive in Treibmitteln oderauch als Sprengstoffe (berechnete Detonationsgeschwindig-keit > 7.5 kms�1) Anwendung finden. In der DSC zeigte sich24 weniger stabil (166 8C) als 23 (228 8C). 23 ist schlagemp-findlicher, aber beide Materialien sind reibungsunempfind-lich.

4.2.4. Azobistetrazine

Anders als die 5,5’-Azotetrazolate k-nnen die analogen3,3’-Azobistetrazine nicht durch direkte Oxidation des 3-Aminotetrazins erhalten werden, da dabei N-Oxide derAusgangsverbindung entstehen (Oxid in a-Position zur

Aminogruppe).[91] In einer alternativen Syntheseroute wirdBDT mit Hydrazin zur Reaktion gebracht. Die entstehendeHydrazo-Verbindung (25) wird mitN-Bromsuccinimid (NBS)oxidiert. Durch abschließende Aufarbeitung mit Ammoniakin DMSO und 2-Propanol werden die 4-Brom-3,5-dimethyl-pyrazol-1-yl-Gruppen in 26 quantitativ unter Bildung von 27(DAAT) entfernt (Schema 10).[92]

Das Bis(DMSO)-Solvat von 27 konnte strukturell be-stimmt werden. Der Reinstoff ist bis zu 252 8C thermischstabil und wenig funken- und reibungsempfindlich (324 N).Die Schlagempfindlichkeit betr.gt 5 J. 27 hat eine hohe Bil-dungsw.rme (+ 862 kJmol�1, in einer sp.teren bombenkalo-rimetrischen Bestimmung + 1035 kJmol�1). DAAT hat einegraphitartige Struktur, was die hohe Dichte erkl.rt(1.84 gcm�3, in einer sp.teren Bestimmung 1.76 gcm�3). DieSubstanz wurde durch NMR- und IR-Spektroskopie charak-terisiert; die Zersetzungsgase wurden mithilfe von Thermo-gravimetrie-gekoppelter Massenspektrometrie (TG-MS) un-tersucht.[92c]

Die Oxidation von DAAT mit in situ erzeugter Peroxy-trifluoressigs.ure f7hrt zu einer Mischung aus N-Oxiden, dieals DAATO3.5 (28) bezeichnet werden (Schema 11).[87]

Durch fraktionierende Kristallisation konnten Einkristallevon 3,3’-Azobis(6-amino-5-N-oxid-1,2,4,5-tetrazin) isoliert

Schema 8.

Schema 9.

PyrotechnikAngewandte

Chemie

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und r-ntgenstrukturanalytisch identifiziert werden (a= e= 1;b= c= d= 0). 13C-NMR-Spektroskopisch konnte die kom-plexe Mischung an N-Oxiden aufgekl.rt werden; der durch-schnittliche Sauerstoffgehalt wurde per Elementaranalyse auf3.5 Atome pro Molek7l bestimmt. H.lt man sich vor Augen,dass es sich bei DAATO3.5 um eine Mischung verschiedenerVerbindungen handelt, ist die Dichte .ußerst hoch(1.88 gcm�3). 28 zeigt eine variable, aber nicht zu vernach-l.ssigende Funken-, Reibungs- und Schlagempfindlichkeit[63]

– diese kann jedoch durch Einsatz von Bindemitteln deutlichreduziert werden. Die außergew-hnlichste Eigenschaft vonDAATO3.5 ist seine hohe Verbrennungsgeschwindigkeit(5.4 cms�1), den Literaturangaben zufolge die h-chste je beieinem organischen Feststoff gemessene.[89] G7nstigerweise istdie Druckabh.ngigkeit der Verbrennungsgeschwindigkeitgering, was die erste Voraussetzung f7r einen Einsatz alsTreibmittel ist.

4.2.5. Salze von 3-Amino-6-nitroamino-s-tetrazin

Ein weiteres Beispiel eines potenziellen Treibmittelbe-standteils sind die Verbindungen rund um 3-Amino-6-nitro-amino-1,2,4,5-tetrazin (ANAT). K7rzlich wurden verschie-dene energetische ANAT-Derivate beschrieben: die freieS.ure ANAT (29), ihre Ammonium- (30a), Silber- (30b),

Guanidinium- (30c), Mono-, Di- und Triaminoguanidinium-salze (31b–d) sowie das 3,6-Diguanidiniumtetrazinsalz(32).[93] Ihre Synthese erfolgt entweder durch Reaktion vonANATmit den freien Basen oder 7ber das Silbersalz 30b unddie entsprechenden Chloride (Metathesereaktion). DieKristallstruktur von 31a wurde r-ntgenstrukturanalytischbestimmt, alle angef7hrten Salze wurden durch NMR- undIR-Spektroskopie sowie Elementaranalyse charakterisiert.

4.2.6. Triazoloaminotriazinyl-1,2,3,5-tetrazin und seine Salze

Als Beispiel f7r eine Verbindung mit einem interessanten1,2,3,5-Tetrazin-Ringsystem seien an dieser Stelle Triazolo-aminotriazinyl-1,2,3,5-tetrazin (36, H3T oder TATTz) undseine Salze angef7hrt. 36 wird folgendermaßen synthetisiert:2-Hydrazino-4,6-diaminotriazin wird mit BrCN zur Reaktiongebracht, wobei 33 als Hydrobromidsalz entsteht. DurchUmsetzung der w.ssrigen L-sung mit Natriumnitrit entstehtdas Diazoniumsalz 34 als Zwischenprodukt. Erhitzen auf65 8C liefert das Natriumsalz 35 in Form von roten Kristallen,

Schema 10.

Schema 11.

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die durch Aufarbeitung mit verd7nnter Schwefels.ure in diefreie S.ure 36 (gelbes Pulver) umgewandelt werden(Schema 12).[94]

TATTz war das erste 1,2,3,5-Tetrazin mit einer reinenCHN-Zusammensetzung und dar7ber hinaus das erste kon-densierte 1,2,3,5-Tetrazin. Seine Dichte betr.gt gem.ß Gas-pyknometrie 1.77 gcm�3. Die thermische Zersetzung setzt ab213 8C ein. Die freie S.ure ist merklich reibungs-, funken- undschlagempfindlich; die Salze zeichnen sich hingegen durchdeutlich h-here Stabilit.t aus. In ihren Ver-ffentlichungenbeschreiben Koppes et al. die Synthese und Charakterisie-rung folgender TATTz-Salze: Ammonium- (37a), Hydrazi-nium- (37b), Dihydrazinium-1,2,4,5-tetrazinium- (37c), Di-aminoguanidinium- (37d) und Triaminoguanidinium-TATTz(37e) sowie das Guanylharnstoffsalz (37 f) und die anorga-nischen Metallsalze mit AlIII-, CoII-, NiII-, CuII- und BaII-Kationen (37g–k). Die Herstellung der Salze erfolgte ent-weder in direkten S.ure-Base-Reaktionen oder 7ber Ionen-austauschreaktionen. Alle Verbindungen wurden durch Ele-mentaranalyse und, wo angebracht, NMR-Spektroskopiecharakterisiert. Zudem wurde die Kristallstruktur von 37 faufgekl.rt.[94b] Den Autoren zufolge eignen sich diese Mate-rialien als klassische Pyrotechnika, Gasgeneratoren, Treib-mittel und Sprengstoffe. 37ewurde erfolgreich als Bestandteileines Feuerwaffenausstoßsatzes getestet. Leider werdenkeine Angaben zu den Flammenfarben von 35, 37 j und 37kgemacht.

4.3. Guanidine

Guanidin ((H2N)2C=NH) ist eine stickstoffreiche Ver-bindung. Die freie Base wurde, ebenso wie das interessanteDoppelsalz Guanidinium-Nitroguanidinium-Bisnitrat k7rz-lich strukturell charakterisiert.[95] Guanidiniumsalze werdenaus Cyanamid oder Dicyandiamid durch Addition von Am-moniumsalzen erzeugt. Guanidinderivate, wie Mono-, Di-und Triaminoguanidin sowie Nitroguanidin und ihre Salzek-nnen vielf.ltige Anwendungen als energetische Materiali-en oder Gasgeneratoren finden.[1] Guanidiniumnitrat wird inder Pyrotechnik seit langem als energetisches Additiv einge-

setzt. Eine .hnlich lange Geschichte kann Nitroguanidinvorweisen, das seit Jahrzehnten in dreibasigen Treibladungenverwendet wird (siehe Abschnitt 2.5).

Hiskey und Naud entwickelten Pyrotechnika (Sterne, Si-gnalfackeln) aus Nitroguanidin, Nitrocellulose, einem Farb-geber sowie Metallpulver und einem Oxidationsmittel.[96] Siebeschreiben das Leistungsverm-gen dieser Leuchts.tze alsvielversprechend und die Rauchentwicklung als marginal.Leider werden Perchlorate als Oxidationsmittel f7r dieseFeuerwerksk-rper vorgeschlagen, was freilich nicht im Sinneeiner Ukologisierung ist.

In zwei aktuellen Arbeiten schlagen Judge et al. denEinsatz von Glycidylazidpolymer, Ammoniumnitrat undTriaminoguanidiniumnitrat f7r Raketentreibstoffe vor.[97]

Dieser Verbundtreibstoff hat vergleichbare Leistungs- undStabilit.tsdaten wie konventionelle Treibmittel – wenngleichin der Vergangenheit immer wieder berichtet wurde, dassdiese TAGN-Treibstoffe keine ausreichende thermische Sta-bilit.t und Inkompatibilit.ten mit anderen Inhaltsstoffenaufweisen. Diese Mischung zeichnet sich durch geringe To-xizit.t und s.urefreie Verbrennungsprodukte aus.

4.4. Verschiedenes4.4.1. Nitroformate

Die Salze der starken S.ure Trinitromethan heißen Ni-troformate. Das Hydraziniumnitroformat (H2N�NH3

+C-(NO2)3

� ; HNF) hat bereits praktische Anwendung als Treib-

Schema 12.

PyrotechnikAngewandte

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stoffoxidationsmittel erfahren, ist aber immer noch For-schungsobjekt.[98] Unter allen neuen Nitroformaten sticht dasTriaminoguanidiniumnitroformat (TAGNF) heraus. Es zeigthohe berechnete Detonationsdruckwerte (330 kbar) und einh-heres Detonationsgasvolumen (885 Lkg�1) als HNF(826 Lkg�1). Dar7ber hinaus ist es gelungen, die Eigen-schaften von HNF bez7glich Lagerf.higkeit, Morphologieund Stabilit.t zu verbessern.[99] Hydrazin ist allerdingskrebserzeugend, weshalb HNF nicht als -kologisch vertr.g-liche Substanz bezeichnet werden kann.

4.4.2. Dinitramide

Ammoniumdinitramid (NH4N(NO2)2; ADN) ist ein viel-versprechendes Oxidationsmittel f7r umweltfreundlicheRaumfahrzeuge.[100] Einige ADN-Mischungen mit Glycerin,Glycin oder Methanol weisen nicht nur eine hohe Dichte,sondern auch einen h-heren spezifischen Impuls als Treib-stoffe auf Hydrazinbasis auf. ADN zeichnet sich durch guteStabilit.ts- und Lagereigenschaften aus; außerdem ist es nichtkanzerogen. Außer dem Ammoniumsalz und anderen Salzenwurden auch die Alkalimetalldinitramide synthetisiert undauf ihre Eignung als pyrotechnische Oxidationsmittel getes-tet.[101,102] Die Synthese gestaltet sich denkbar einfach, indemADN in Methanol mit Alkalimetallhydroxiden zur Reaktiongebracht wird [Gl. (7)].

NH4NðNO2Þ2 þMOH!MNðNO2Þ2 þNH3 þH2O

M ¼ Na, K, Rb, Csð7Þ

Diese Verbindungen wurden vollst.ndig charakterisiert(Elementaranalyse, IR, DSC, TGA, Schmelzpunkt undR-ntgenstrukturanalyse).[101] Als Bestandteil einer pyrotech-nischen Mischung zeichnen sie sich durch hohe Verbren-nungsgeschwindigkeiten, spezifischen Impuls und geringeRauchentwicklung aus. Leider finden sich in den Arbeitenvon Berger et al. keine Stellungnahmen zu den Flammenfar-ben der Mischungen.

Die Mischungen aus Ti/KDN und Ti/CsDN wurden ineiner aktuellen Studie auf ihre energetischen Eigenschaftenuntersucht.[102b] Sie werden als wenig reibe- oder funken-empfindlich beschrieben, ihre Schlagempfindlichkeit ist hin-gegen betr.chtlich. Aus diesem Grund schlagen die Autorenihren Einsatz als umweltfreundliche Prim.rz7ndmittel vor.

5. Schlussfolgerungen

Eine Reihe wissenschaftlicher Studien belegt die Um-weltverschmutzung durch Pyrotechnika. Ukologisch vertr.g-liche pyrotechnische S.tze k-nnen auf Basis stickstoffreicherVerbindungen hergestellt werden und sollten frei vonSchwermetallen und Perchloraten sein. Derzeit wird intensivdaran geforscht, bariumfreie gr7ne Leuchts.tze mithilfe vonKupferverbindungen zu entwickeln. Die stickstoffreichenVerbindungen beziehen ihre Energie nicht aus der Oxidationeines Kohlenstoffger7sts, sondern aus ihrer hohen Bildungs-w.rme. Diese Substanzklasse bietet allerdings mehr als nurumweltvertr.gliche Verbrennungsprodukte: Vielfach errei-

chen stickstoffreiche Pyrotechnika bessere Farbqualit.t und-intensit.t als konventionelle Mischungen. Gleiches gilt f7rstickstoffreiche Treibmittel: Sie zeichnen sich durch verbes-sertes Leistungsverhalten aus – und f7gen sich dem striktenRauchverbot!

Die Oxidationsmittel der Zukunft kommen ohne sch.d-liches Perchlorat aus. Ein interessanter L-sungsansatz w.resicherlich der Einsatz von Metallnanopartikeln in den Na-noporen eines Metalloxids – eine wirklich anspruchsvolleAufgabe. H.ufig werden den Pyrotechnika Perchlorate nurals Chlordonor beigef7gt. Auch hier lassen sich sicherlichAlternativen finden, um k7nftig auf Perchloratmischungeng.nzlich verzichten zu k-nnen.

Wir danken Dr. Sigrid Steinhauser und Michael G�bel f4r dasKorrekturlesen, Carmen Nowak f4r Ihre Hilfe bei den Gra-phiken sowie Bernd Doppler und Florian Six f4r einige derPhotographien. Ein herzliches Dankesch�n sei Prof. Dr.J4rgen Evers f4r seine freundliche Hilfe und Unterst4tzungausgesprochen. Diese Arbeit wurde von der LMU M4nchen,dem Fonds der Chemischen Industrie (FCI), dem EuropeanResearch Office (ERO) des U.S. Army Research Laboratory(ARL) (Projekte N 62558-05-C-0027 & 9939-AN-01 undW911NF-07-1-0569) und dem Wehrwissenschaftlichen Institutf4r Werk-, Explosiv- und Betriebsstoffe (WIWEB) (Projekt-nummern E/E210/4D004/X5143 & E/E210/7D002/4F088) fi-nanziell unterst4tzt. Wir m�chten J�rg Stierstorfer f4r dasHberlassen unpublizierter Ergebnisse danken. Georg Stein-hauser bedankt sich beim .sterreichischen Fonds zur F�rde-rung der Wissenschaftlichen Forschung (FWF) f4r sein Erwin-Schr�dinger-Auslandsstipendium (Projektnummer J2645-N17). Wir m�chten all jene Autoren in der Bibliographiedankend erw%hnen, die diese Arbeit mit Sonderdrucken undhilfreichen Kommentaren unterst4tzt haben.

Eingegangen am 1. Oktober 2007Online ver-ffentlicht am 29. Februar 2008

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dardisierte Tests f7r die Bestimmung der Schlag- bzw. Reibe-empfindlichkeit; siehe: http://www.bam.de/sowie T. M. Kla-p-tke, C. M. Rien.cker, Propellants Explos. Pyrotech. 2001, 26,43 – 47. Die Empfindlichkeiten werden wie folgt klassifiziert:Schlag: unempfindlich > 40 J, wenig empfindlich 35 J, emp-findlich 4, sehr empfindlich � 3 J; Reibung: unempfindlich> 360 N, wenig empfindlich = 360 N, empfindlich < 360 N und> 80 N, sehr empfindlich � 80 N, extrem empfindlich � 10 N.Eine Studie 7ber die Empfindlichkeiten von (prim.ren)Sprengstoffen und Pyrotechnika (Metalle + KClO4 + KNO3)ergab, dass Pyrotechnika ebenso gef.hrlich sind wie dieSprengstoffe und folglich mit gr-ßtm-glicher Vorsicht behan-delt werden m7ssen. Siehe: L. V. de Yong, G. Campanella, J.Hazard. Mater. 1989, 21, 125 – 133.

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[35] Es gibt zwei Modifikationen von Nitroglycerin, die unter-schiedliche Kristallstrukturen und Eigenschaften haben. Diestabilere Modifikation hat einen Festpunkt von 2 8C, die in-

stabilere hingegen einen von 13 8C. Erstarrtes Nitroglycerin istextrem schlag- und reibeempfindlich und kann bei der leich-testen Ber7hrung explodieren. Im festen Zustand kann es nichtmehr sicher gehandhabt werden.

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[86] In Lit. [26] schreiben die Autoren, dass Kupfersalze die DHT-Verbrennungsgeschwindigkeit massiv steigern. Auf eine ge-meinsame Verwendung sollte daher m-glichst verzichtetwerden. Diesen Mischungen fehlt dar7ber hinaus auch dien-tige Stabilit.t f7r eine langfristige Lagerung. Jhnlich verh.ltsich Eisen(III)-oxid in Mischungen mit DHT. Die Autorenraten dringend von einer gemeinsamen Anwendung ab.

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