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Karin Weiß Susanne Stempinski Marianne Schumann Lis Keimeleder Qualifizierung in der Kindertagespflege Das DJI-Curriculum „Fortbildung von Tagespflegepersonen“ Deutsches Jugendinstitut

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Karin Weiß Susanne StempinskiMarianne SchumannLis Keimeleder

Qualifizierung in der KindertagespflegeDas DJI-Curriculum„Fortbildung von Tagespflegepersonen“

Deutsches Jugendinstitut

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Vorwort

Seit Erscheinen der ersten Auflage des DJI-Curriculums im Jahr 2002 ist viel Bewegung in die bundesdeutscheKindertagespflege-Landschaft gekommen: Die familiennahe Betreuungsform erfährt im Zuge der Aktivitätenzur „Bildungsoffensive“ und des Ausbaus der Betreuung für Kinder unter drei Jahren derzeit eine vorher inDeutschland nicht gekannte öffentliche Aufmerksamkeit. Sie wird zudem auf Basis neuer gesetzlicherVorgaben ausgeführt: Das Tagesbetreuungsausbaugesetz TAG und das Gesetz zur Weiterentwicklung derKinder- und Jugendhilfe KICK haben der Tagespflege einen neuen, fachlich verbindlicheren Rahmen gegeben.

In den beiden Gesetzesinitiativen des Jahres 2005 kommt das Bestreben nach Professionalisierung deutlichzum Ausdruck, die Tagespflege wird formal in den Stand der Gleichrangigkeit mit Kindertagesstätten gesetzt.Die im Kinder- und Jugendhilfegesetz enthaltenen Ansatzpunkte für eine qualitative Weiterentwicklung desTagespflegesystems werden nun nach und nach in die Praxis umgesetzt. Betreuungspersonen und Fachkräfteder öffentlichen und freien Träger leisten jeweils ihren Beitrag, um die Tagespflege bundesweit als qualitativgutes Angebot der Jugendhilfe zu etablieren. Bei der Absicherung von Fachlichkeit ist die Qualifizierung einwichtiges Element.

Das DJI-Curriculum ist in einer Zeit erarbeitet worden, als es keine Erlaubnispflicht für die Tagespflegetätigkeitgab, wenig fachliche Begleitung, in der Regel keine Ersatzbetreuung und auch kaum systematische Daten überdie örtlich sehr unterschiedliche Praxis. Tagespflegespezifische Qualifizierung in einem nennenswertenUmfang war bis zum Jahr 2002 keineswegs selbstverständlich. Insofern war das vom Bundesministerium fürFamilie, Senioren, Frauen und Jugend finanzierte Forschungsprojekt zur „Entwicklung und Evaluation von cur-ricularen Elementen für Tagespflegepersonen“, aus dem heraus das Curriculum entstanden ist, eine ersteInitiative zur Beförderung bundesweiter Qualifizierungsstandards.

Fünf Jahre nach Ersterscheinen des Curriculums sind vertiefte Kenntnisse und entsprechendes Hand-lungswissen – in aller Regel erworben über erfolgreich absolvierte Qualifizierung – nunmehr Bestandteile desEignungsnachweises für die Tätigkeit. Tagespflegepersonen zu qualifizieren war im Jahr 2007 ein Schwerpunktim Aufgabenkatalog von Fachdiensten für Tagespflege. Das wird für die nächste Zeit wohl noch so bleiben,bis alle Nachqualifizierungsbedarfe gedeckt sind und die geplante Qualifizierungsinitiative desBundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend flächendeckende Qualifizierung sichergestellthat. Das DJI-Curriculum hat im Zuge der Aktivitäten weite Verbreitung gefunden und ist von der Fachpraxisgeschätzt. Das Themenspektrum wird als für die Tätigkeit grundlegend anerkannt und im Begründungstext fürdas TAG als inhaltliche Maßgabe für Tagespflege-Qualifizierung beschrieben. Damit sind wichtige Ziele desAusgangsvorhabens erreicht.

Die aktualisierte Neuauflage des Curriculums behält das bewährte Konzept und die an der Tätigkeit orientier-te Struktur bei. Wie in allen pädagogisch-psychologischen Arbeitsfeldern spielt auch in der Tagespflege dieGestaltung von Beziehung und Interaktion eine zentrale Rolle. Entsprechende alltagspraktische Kompetenzenwachsen auch in der direkten Begegnung und im lebendigen Miteinander in der Qualifizierungsgruppe. DieseLernprozesse brauchen Zeit und entfalten durch wiederholtes Tun ihre Kraft. Praxisnähe, Reflexion des fachli-chen Handelns, Arbeit in kleinen Gruppen und persönlicher Austausch sind deshalb weiterhin wichtige durch-gängige Gestaltungsmerkmale der vorgeschlagenen Fortbildungsveranstaltungen.

Die gesetzlichen Neuerungen sind in der Überarbeitung ebenso berücksichtigt wie die neuesten Erkenntnissezum Lernen in der frühen Kindheit. Viel Aktuelles ist ergänzt worden. Eine neu konzipierte Veranstaltung (11)widmet sich speziell den Bedürfnissen von Säuglingen und Kleinkindern. Die Förderung des Kindes in seinerEntwicklung und seinen Anstrengungen, sich die Welt anzueignen, ist noch mehr ins Zentrum gerückt. In denneu erarbeiteten Teilen wurde sehr auf Anschaulichkeit geachtet. Das reichlich empfohlene Filmmaterial solldazu beitragen, die Aufmerksamkeit zu schulen und für Bildungsprozesse und Beziehungsaspekte im Alltag zusensibilisieren.

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Aufgrund des begrenzten Umfangs von 160 Veranstaltungsstunden mussten nach wie vor Themen ausgespartbleiben, wie z. B. die Tagesgroßpflege, die Tagespflege im Haushalt der Eltern und die Betreuung von Kindernmit besonderen Bedürfnissen. Auch die Bildungsthemen können in diesem Rahmen nicht so ausführlichbehandelt werden, wie dies mit Blick auf die Umsetzung wünschenswert wäre. An dieser Stelle wird deutlich,dass das DJI-Curriculum den Status einer Grundqualifizierung hat und themenspezifisch in laufenderWeiterbildung ergänzt werden muss. Diese sehr dichte Eingangsqualifizierung auf einen Umfang unter 160Stunden zu reduzieren, ist aus Sicht der Autorinnen langfristig nicht zielführend.

Mit der überarbeiteten zweiten Auflage steht nun das praxiserprobte Lehrwerk auf dem Stand der neuestenEntwicklungen rechtzeitig für das geplante „Aktionsprogramm Kindertagespflege“ des Bundesministeriumsfür Familie, Senioren, Frauen und Jugend wieder zur Verfügung.

Noch ein Wort zur Form: Im Curriculum werden als Berufsbezeichnung entweder „Tagespflegeperson“ oder„Tagesmutter“ verwendet, da mit ganz überwiegender Mehrheit Frauen in der Tagespflege tätig sind (ca. 98 %).Als Tagespflegepersonen tätige Männer wollen sich bitte ebenfalls angesprochen fühlen.

Karin Weiß, München im März 2008

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© Weiß/Stempinski/Schumann/Keimeleder: DJI-Curriculum „Qualifizierung in der Kindertagespflege“, Kallmeyer 2008 (2. Auflage)

1. Entstehungsgeschichte desCurriculums

Von Juni 1998 bis Dezember 2001 wurde am Deut-schen Jugendinstitut ein Forschungsprojekt durchge-führt, das die Verbesserung der Qualität der Fortbil-dung in der Tagespflege zum Ziel hatte. Die Leitfragedes Modellprojekts1 „Entwicklung und Evaluation cur-ricularer Elemente zur Qualifizierung von Tagespfle-gepersonen“ hieß: Welche Fortbildungsprogrammesind für die Aus- und Weiterbildung von Tagesmütternbesonders geeignet?

Zur Klärung dieser Frage wurden neun Fortbildungs-programme für Tagesmütter in sechs BundesländernDeutschlands evaluiert. Es wurden Befragungen undUnterrichtshospitationen (teilnehmende Beobach-tungen) durchgeführt. Auf der Grundlage der Ergeb-nisse wurden Gütemerkmale für die Aus- und Weiter-bildung von Tagesmüttern formuliert und ein Arbeits-bogen zur Weiterqualifizierung von ReferentInnen ent-wickelt (Bogen zur Selbstevaluation für ReferentInnenund KursleiterInnen in der Qualifizierung von Tages-pflegepersonen)2.

Außerdem sollte das Modellprojekt schriftliche Aus-bildungsmaterialien für die Tagespflege (weiter-)ent-wickeln, was letztendlich zu dem Vorhaben geführthat, schriftliche Materialien für die Tagespflege imUmfang eines kompletten Curriculums zu erarbeiten.Besonders zwei Gesichtspunkte für die Förderung derQualität in der Tagespflege waren dabei leitend:

– Die ReferentInnen sollten Fortbildungsmaterial andie Hand bekommen, das ihnen eine zielgruppen-gerechte Aufbereitung der Themen ermöglicht,selbst wenn sie als spezielle FachreferentInnen kei-ne Kenntnisse über Tagespflege vorweisen können.

– Die Qualifizierung soll sich eng an den für die Ta-gespflege typischen Alltagssituationen orientieren.Dies erfordert ein methodisches Vorgehen, das Er-fahrungswissen aktiviert und Zusammenhänge an-hand von Praxisbeispielen (Fallbeispielen) herstellt.

Lernstoff und Themenvielfalt werden so auf die fürdie Tagespflege relevanten Inhalte eingegrenzt, wasbei einem relativ geringen, für die Ausbildung zurVerfügung stehenden Zeitbudget besonders not-wendig erscheint.

Die Fortbildungsprogramme an den untersuchtenStandorten konnten zumeist nur unter dem Aufgeboteines hohen Anteils an ehrenamtlicher Arbeit reali-siert werden. Es ist beachtlich, welche Leistungen fürdie Qualifizierung in der Tagespflege sich daraus ergeben. Zu nennen ist hier vor allem das Werkstatt-curriculum des Bundesverbandes für Kinderbetreuungin Tagespflege e.V., das 1996 auf diese Weise entstanden ist. Auch das Bestreben, das Fortbildungs-angebot weiterzuentwickeln und den Bedürfnissender Tagesmütter anzupassen, das z. B. in Projekt-Work-shops mit den ReferentInnen und KursleiterInnen zumAusdruck kam, verdient große Anerkennung. Daher andieser Stelle noch einmal großen Dank allen Projekt-KooperationspartnerInnen für die gute Zusam-menarbeit: Diese war Grundlage der Arbeit des For-schungsteams an diesem Curriculum und geht ein indie einzelnen Fortbildungselemente und Bausteinedes Curriculums des Deutschen Jugendinstituts undwird nunmehr für eine große Anzahl von Interessen-tInnen verfügbar sein.

2. Ziele und Rahmenbedingungen desCurriculums

Wir sehen das vorliegende Curriculum als einen ernstzu nehmenden Diskussionsbeitrag im Entwicklungs-prozess der Tagespflege. Dieser Beitrag baut auf demauf, was vorher erarbeitet wurde (v. a. das Werkstatt-Curriculum des tagesmütter Bundesverbandes) – undwird seinerseits als Grundlage dienen für das, was sichim Zuge der aktuellen Entwicklungen als zukünftignotwendig erweisen wird. Schon jetzt ist deutlich, dasses in Bezug auf die Fortbildung noch weiteren Aus-führungsbedarf zu verschiedensten Themen gibt (z. B.Bedingungen von Kinderbetreuerinnen im Haushaltder Eltern, Schulkinder in Tagespflege, Tagespflege im

Einführung –Was zu beachten ist

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interkulturellen Kontext, besondere Formen der Tages-pflege: Tagespflege in angemieteten Räumen, Groß-pflegestellen).

Bei aller zunehmenden Ausdifferenzierung dessen,was unter Kindertagespflege gefasst wird (Tagesgroß-pflege, Kinderbetreuerinnen im Haushalt der Eltern),haben wir uns mit dem Curriculum auf die Tagespfle-ge im klassischen Sinn nach § 23 im SGB VIII konzen-triert. Sie zeichnet sich durch Familienerziehung imHaushalt der Tagesmutter und kleine, begrenzt alters-gemischte Kindergruppen mit überwiegend Kindernim Vorschulalter aus. Darüber hinausgehende Anfor-derungen, z. B. an eine Tagespflegetätigkeit im Rah-men der Hilfen zur Erziehung (§ 27 SGB VIII), erforderneine tiefer gehende Aufbereitung von Fortbildungs-themen.

Wir unterstützen die Entwicklungen zum Aufbau ei-nes Berufsbildes in der Tagespflege. Wir erachten esdarüber hinaus für notwendig, dass das System der so-zialen Berufe auch für Tagesmütter durchlässig wird.Tagesmüttern, die sich weiterqualifizieren wollen,müssen z. B. Fortbildungsbestandteile und Praxiser-fahrungen im Rahmen verwandter Ausbildungen an-erkannt werden.

Im gegebenen Rahmen mussten wir uns auf die Aus-arbeitung einer Grundqualifizierung für Tagesmütterbeschränken. Über diese Grundqualifizierung hinausist es denkbar, eine Erweiterung von Themen undStundenumfang vorzunehmen.

Bei der Ausgestaltung der Veranstaltungen haben wiruns nach Möglichkeit auf den aktuellen Stand der je-weiligen Fachdiskussion bezogen. Angesichts des be-grenzten Rahmens mussten Auswahlen getroffen undAkzente gesetzt werden. Meist sind Literaturhinweisezusammengestellt, mithilfe derer Interessierte denThemen vertieft nachgehen können.3

Welche fachlichen Voraussetzungen sollten Referen-tInnen/KursleiterInnen erfüllen, die die Fortbildungdurchführen? Von Vorteil ist natürlich, wenn sie Erfah-rung in Tagespflege mitbringen. Ansonsten brauchensie die Bereitschaft, sich einzuarbeiten (unsere Mate-rialien bieten dazu reichlich Gelegenheit) und sich mitden örtlichen Bedingungen der Tagespflege vertrautzu machen. Sie sollten außerdem über Erfahrung mitGruppendynamik und in der Erwachsenenpädagogik,speziell mit selbstreflexivem, praxisorientiertem Ar-beiten verfügen. Weiterhin sollte ihnen in der Arbeitmit den Kursteilnehmerinnen bewusst sein, dass sieals ReferentInnen immer auch Vorbildfunktion für dieTagesmütter haben – sowohl für den Umgang mit denKindern, als auch für die Identifizierung in der Berufs-rolle (als Frau).

Die Lebenssituation der Teilnehmerinnen in den neu-en und alten Bundesländern mag sich an der einenoder anderen Stelle unterscheiden (z. B. in den Motivenzur Tagespflege oder im beruflichen Selbstverständ-nis). Dies kommt vielleicht im Fortbildungsmaterialnicht immer zum Ausdruck und muss daher von derReferentin/dem Referenten der Situation der Teilneh-merinnen angepasst werden.

30 U-Std. Tagespflege – aus Sicht der TagesmutterTagespflege – aus Sicht der Kinder EinführungsphaseTagespflege – aus Sicht der ElternZwischenbilanz und Praxishospitation

79 U-Std. Förderung von Kindern

27 U-Std. Kooperation und Kommunikation Vertiefungsphase(Eltern – Tagesmutter) (praxisbegleitend)

15 U-Std. Arbeitsbedingungen der Tagesmutter

9 U-Std. Reflexion

3. Aufbau des Curriculums – Übersicht DJI-Curriculum (160 U-Std.4)

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Die Fortbildung für Tagesmütter soll grundlegendesWissen und Qualifikationen vermitteln in den drei Auf-gabenschwerpunkten der Tagespflege:

– Der Schwerpunkt „Förderung von Kindern“ berück-sichtigt, dass die Tagespflege sich nicht – wie die Be-zeichnung es nahelegt – in einer pflegerischen Tätigkeit erschöpft, sondern die Tagesmutter ge-halten ist, das Tageskind in seiner körperlichen undgeistigen Entwicklung zu fördern.Die Qualifizierungsthemen orientieren sich an denBegriffen des SGB VIII – Erziehung, Bildung, Betreu-ung – und gehen darauf ein, wie die Tagesmutter imAlltag bestmöglich die Entwicklung des Kindes be-gleiten kann.

– Der Schwerpunkt „Kooperation und Kommunikati-on zwischen Tagesmutter und Eltern“ widmet sichdem ebenfalls sehr wichtigen Aufgabenbereich derZusammenarbeit und Verständigung mit denEltern. Es geht um typische Kontakt-, Aushand-lungs- und Konfliktsituationen, um deren Lösungebenso wie um vorbeugende Strategien des Um-gangs miteinander.

– Im dritten Schwerpunkt „Arbeitsbedingungen derTagesmutter“ werden die Rahmenbedingungen derTagespflege in rechtlicher, finanzieller und institu-tioneller Hinsicht vertieft.

Der Aufbau der Fortbildung ist so gestaltet, dass dieKursteilnehmerinnen in der Einführungsphase in ei-nem praxisvorbereitenden Teil der Qualifizierung ei-nen Überblick über die Aufgabenschwerpunkte ge-winnen und – sofern sie noch keine Erfahrungen alsTagesmutter besitzen – sich ein Bild von der Tätigkeitmachen können. Grundlegende Fragen und Themender Tagespflege werden angesprochen, ohne sie andieser Stelle zu vertiefen. Die Vertiefung sollte praxis-begleitend (siehe unten) geschehen, um themen- undpraxisorientiertes Lernen zu ermöglichen. Auf dieserBasis entscheiden die Teilnehmerinnen am Ende derersten zehn Abende und somit der Einführungsphase,ob sie schon bereit dazu sind, ein Tageskind aufzuneh-men. Dem Schritt der Entscheidungsfindung widmetsich ein Abend, in dem eine Zwischenbilanz gezogenwerden kann. Soweit Praxisstellen für die Hospitationbei einer erfahrenen Tagesmutter zur Verfügung ste-hen, sollte diese Möglichkeit der Fortbildung in die

Qualifizierung mit einbezogen werden. Den Alltag ei-ner anderen Tagesmutter mitzuerleben, kann nicht nureiner praxisunerfahrenen Fortbildungsteilnehmerinwichtige Einblicke in das Praxisgeschehen der Tages-pflege geben, sondern trägt zur Erweiterung von All-tagswissen und nicht zuletzt zur Vernetzung – auchbereits praktizierender Tagesmütter in Ausbildung –bei.

Dem praxisvorbereitenden Teil folgt der praxisbeglei-tende Teil der Qualifizierung. Die vertiefende Qualifi-zierung sollte nach Möglichkeit praxisbegleitendstattfinden, das heißt in der Phase, in der die Teilneh-merin schon ein Tageskind betreut. So kann auf Prob-lem- und Konfliktsituationen, die am Anfang nochschwierig für die unerfahrene Tagesmutter zu erken-nen und zu bewältigen sind, auf geeignete Weise ein-gegangen werden. Vieles kann in einem Beratungs-gespräch besprochen werden. Aber oft wird eineSchieflage, z. B. im Kontakt mit den Eltern oder dem Ta-geskind, nicht gleich als solche von der Tagesmutter er-kannt – sie tauscht sich darüber also auch nicht mit ei-ner Beraterin aus. Ein regelmäßiger Austausch mitanderen im Kurs über spezielle Themen kann hier einegroße Unterstützung bieten – einerseits Problemfel-der zu erkennen und andererseits geeignete Strate-gien im Umgang damit zu entwickeln. Am konkretenPraxisalltag zu lernen heißt, sich Erfahrungswissenund professionelle Handlungsstrategien anzueignen.Denn was im Interesse aller Beteiligten – vor allem derKinder – vermieden werden muss, ist der unnötige Ab-bruch von Betreuungsbeziehungen.

Die Vermittlung eines Tageskindes nach der praxisvor-bereitenden Phase hängt von einer ganzen Reihe vonFaktoren ab und wird nicht nur von der Bereitschaftder Teilnehmerin, ein Tageskind aufzunehmen, be-stimmt. Manchmal benötigt eine Teilnehmerin nochein Stück des Vertiefungskurses, bis sie Klarheit hat.Das Alter der Kinder und der Zeitpunkt der Eingewöh-nung müssen geeignet sein und die Eltern müssensich sympathisch finden: Die „Passung“ muss stim-men. Es lässt sich also nicht immer verwirklichen, dieVertiefungsphase auch tatsächlich von Beginn an pra-xisbegleitend durchzuführen. Zumindest aber solltedies als Ziel angestrebt und im Verlauf der Vertiefungs-phase verwirklicht werden.

Manchmal praktizieren Teilnehmerinnen auch schonals Tagesmutter oder haben zu einem früheren Zeit-

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punkt bereits Erfahrungen in Tagespflege gesammelt.Auch für diese Teilnehmerinnen empfiehlt es sich, dengesamten Kurs, einschließlich Einführungsphase zudurchlaufen, da die Themen miteinander verknüpftsind und der Qualifizierungskurs als Ganzheit be-trachtet werden muss.

Zum Abschluss des Kurses sollten die Teilnehmerinnenein Zertifikat erhalten, nachdem sie ein Kolloquiumbzw. eine Abschlussarbeit erfolgreich absolviert ha-ben. Man mag geteilter Ansicht sein über den Nutzenvon Abschlussarbeiten und Prüfungen jeder Art. Imoben genannten DJI-Projekt zur Tagespflege, das dieGrundlage dieser Empfehlungen darstellt, wurde dieFrage der Abschlussmodalitäten einer Fortbildung fürTagesmütter eingehend mit ReferentInnen und Teil-nehmerinnen der beteiligten Fortbildungsprogrammeerörtert. Vieles spricht dafür, eine angemessene Formdes Kursabschlusses durchzuführen, aus der hervor-geht, dass die Teilnehmerin eine zusätzliche Leistungfür ihr Zertifikat erbracht hat. In den Gesprächen mitFortbildungsteilnehmerinnen wurde immer wiederhervorgehoben, dass ein Abschlusszertifikat dadurcheinen höheren ideellen Wert besitzt und vor allemstolz auf die erreichte Leistung macht: Eine Prüfung zubestehen, nährt das Selbstvertrauen und macht Lustdarauf, sich neuen Herausforderungen zu stellen.

4. Gruppengröße, inhaltliche und zeitliche Gestaltung

• Das im DJI-Curriculum vertretene Konzept kann ambesten realisiert werden, wenn die Gruppengrößedie Zahl von 15 Teilnehmerinnen nicht übersteigt.

• Die Zeitangaben in den Veranstaltungen sind alsOrientierungsrahmen zu verstehen, der den spe-zifischen Erfordernissen vor Ort angepasst werdenkann. Der zeitliche Umfang der Kursabende beträgtdrei Zeiteinheiten à 45 Minuten plus einer Pausevon 15 Minuten. In Ausnahmen wurden themenori-entierte Tagesseminare mit einem Umfang vonsechs Zeiteinheiten à 45 Minuten konzipiert.

• Es ist empfehlenswert, die Veranstaltungen abendsund/oder am Wochenende durchzuführen. Vormit-tagsveranstaltungen mit Kinderbetreuung habenden Nachteil, dass die Kinder zwischendurch denKontakt zu ihren (Tages-)Müttern suchen und sich

daraus häufig Beeinträchtigungen im Gruppen-und Lernprozess ergeben können. Aus fachlicherSicht ist es außerdem problematisch, wenn sichkleinere Tageskinder an eine weitere Bezugspersongewöhnen müssen.

• Die curricularen Empfehlungen sind als „Handrei-chung“ für die Referentin/den Referenten gedacht.Sie sollen ein hohes Maß an Individualität und Fle-xibilität in der Durchführung ermöglichen. Daherwerden an einigen Stellen alternative Zugänge, Me-thoden, Fragestellungen angeboten. Gleichzeitigaber sollen sie auch „verbindlich“ in den Inhaltensein, um einen gewissen Mindeststandard in derQualifizierung zu gewährleisten (inhaltlicher Bezugzur Tagespflege).Wir beschreiben dabei oft genug eine Gratwande-rung: Je mehr eine Fortbildungsveranstaltung in-haltlich vorstrukturiert wird, desto weniger offenlaufen Diskussionsprozesse. Eine enge Diskussionam Thema wiederum garantiert mehr den Bezug zufür die Tagespflege wichtigen Themen und Fallbei-spielen. Somit werden die für die Tagespflege wich-tigen Situationen bearbeitet und besprochen undnicht nur die Erziehungspraxis allgemein.

• Wir haben uns bemüht, den Gütemerkmalen, diewir an die Gestaltung von Fortbildung in der Tages-pflege anlegen, zu entsprechen und die Inhalte pra-xisorientiert und fachübergreifend zu gestalten. Zuden jeweiligen Fortbildungsthemen querliegendeinhaltliche Aspekte haben wir daher themenüber-greifend mitbearbeitet (z. B. entwicklungspsycho-logische Fragen, geschlechtsspezifische Sozialisa-tion, Gestaltung einer positiven Beziehung zum Ta-geskind).

• Wie aus dem beiliegenden Themenspektrum zu er-sehen ist, ist die Reihenfolge der Veranstaltungenmit Bedacht gewählt. Der Aufbau sollte nach Mög-lichkeit beibehalten, Unterthemen, wie beschrie-ben, als Einheit behandelt werden. Gleichwohl wis-sen wir aus unserer Evaluationsstudie, dassUmstellungen aus organisatorischen Gründen oftunvermeidbar sind (Krankheit einer Referentin, …).Wir empfehlen um der inneren Logik des Kurses wil-len jedoch, die Umstellungen auf das tatsächlichunvermeidliche Maß zu beschränken. Eine (Fach-)Referentin/ein (Fach-)Referent sollte zudem nichtnur ihren/seinen Teilabschnitt kennen, sondern

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möglichst das gesamte Curriculum, um den An-schluss an vorausgegangene und nachfolgendeVeranstaltungen herstellen und um beurteilen zukönnen, welche Umstellungen problematisch er-scheinen.

• Da die Einbindung der Tagesmütter in eine kolle-gial stützende Struktur elementar wichtig für ihrenBerufsalltag ist und eine vertraute Atmosphäre füreine Arbeit im Sinne des Curriculums unabdingbarsind, haben wir auch vom Aufbau der Fortbildungher ein starkes Gewicht auf den Gruppenprozessgelegt: Dies manifestiert sich auch darin, dass wir inden unterschiedlichen Gruppenphasen (z. B. Orien-tierung, Klärung, Abschluss) während des Kursesauch Extrastunden zur Prozessreflexion eingeplanthaben.

• Das Material des Curriculums an die Gruppe an-passen: Das Praxisprojekt zur Entwicklung des Cur-riculums hat gezeigt, dass die Fortbildungsgruppenz.T. sehr unterschiedliche Bedürfnisse haben: Wäh-rend die Teilnehmerinnen der einen Gruppe z. B.gern und offen über eigene Erfahrungen sprechen,möchten andere eher stofforientiert vorgehen unddas Gefühl entwickeln, etwas „durchgenommen“zu haben. Unser zum Teil recht detailliert ausgear-beitetes Material kann darum nie eine bloße Vorla-ge sein, die schematisch abgearbeitet werden kann.Die Referentin/der Referent kann sich vom Vorlie-genden zwar anregen lassen, muss aber – bei allerVerbindlichkeit des Inhalts – immer prüfen, inwie-weit es für „ihre/seine“ Gruppe umsetzbar ist.Sie/Er muss sich darüber hinaus auch immer denGegenstand einer Veranstaltung zu eigen machen,um ihn schlüssig vermitteln zu können. So sindauch die Hintergrundinformationen aus dem Ma-terial für die Veranstaltungen weniger für denwörtlichen Vortrag gedacht.Vielmehr bleibt der Re-ferentin/dem Referenten die Aufgabe, den Inhalt indie für die jeweilige Gruppe passende Form zu„übersetzen“.

Auch im Hinblick auf die Kinder (z. B. Alter), diedie Teilnehmerinnen in Tagespflege haben, und die Formen von Tagespflege, die sie praktizieren (Großgruppen, Kinderbetreuerin im Haushalt der Eltern, angemietete Räume, …) müssen die Referen-tInnen das vorliegende Material an die Bedürfnisseund Themen der Teilnehmerinnen anpassen.

Die ReferentInnen-Tätigkeit bleibt somit trotz desausführlichen Curriculums eine sehr anspruchsvol-le Aufgabe, denn unter Einsatz ihrer/seiner Grund-qualifikationen muss eine Referentin/ein Referentin der Lage sein, kompetent zu variieren.

• Zeit und Stoffumfang: Schon im Modellprojekt warerkennbar, dass Zeit in der Fortbildung angesichtsder Stofffülle oft Mangelware ist. Unter dem Di-lemma, einen Mindestkatalog an Fragestellungenzu bearbeiten und die Themen von verschiedenenSeiten zu beleuchten, dabei aber einen vertretbarenStundenrahmen5 einzuhalten, kommt es auch imDJI-Curriculum leider immer wieder zu Überfrach-tungen. Die Aufforderung an alle ReferentInnen istdeshalb auch hier: Prüfen Sie die Zeitvorgaben, ge-hen Sie flexibel mit ihnen um und achten Sie aufdas Feedback der Gruppe. Die Teilnehmerinnen soll-ten sich in keinem Fall durch das Curriculum ge-hetzt fühlen. Bevor das passiert, empfiehlt es sich,mit einem gewissen „Mut zur Lücke“ eher exem-plarisch zu arbeiten oder z. B. gelegentlich ein Auf-bauseminar zur Vertiefung anzubieten. Wün-schenswert wäre natürlich, sich im Rahmen einerAufbauqualifizierung den komplexen Themen nocheinmal eingehender zu widmen. Auch ist denkbar,dass z. B. im Zusammenhang mit den derzeitigenBemühungen um die staatliche Anerkennung derAusbildung ein höherer Stundenumfang verpflich-tend wird. Im DJI-Curriculum haben wir – mit Blickauf diese Entwicklungen und um die Komplexitätder Themen zumindest zu skizzieren – einen gewis-sen Gestaltungsspielraum vorgesehen.

• Zur besseren inhaltlichen Orientierung enthält die-se Veröffentlichung ein Sachregister.

5. Methodische Gestaltung

Die in den Leitfäden zu den Veranstaltungen vorge-schlagenen methodischen Elemente verstehen sichebenfalls als Empfehlungen. Auch hier muss die Refe-rentin/der Referent prüfen, welche Impulse die Grup-pe braucht und umsetzen kann.

• Tagesmütter und Tagesväter: Etwa 99 % der Tages-pflegepersonen sind Frauen, das Arbeitsfeld wirdihnen (sicher auch aufgrund der Arbeitsbedingun-gen) von den Männern weitestgehend überlassen.

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Dass im Curriculum deshalb in der Regel von „Ta-gesmüttern“ gesprochen wird, ist somit Ausdruckder Realität und soll nicht etwa heißen, dass eingrößeres Engagement von Männern in der Famili-enarbeit von den Autorinnen grundsätzlich nichtgewünscht würde.

• Für den Einstieg in ein Thema und um einen Erfah-rungsbezug herzustellen, wird im Curriculummehrfach ein biografieorientierter Zugang ge-wählt: Allerdings kann der Rückblick in die eigeneKindheit aufgrund des engen zeitlichen Rahmensnicht tiefer gehend bearbeitet werden. Da die Fort-bildungs-Gruppe keinen therapeutischen/analyti-schen Charakter hat, sollten sehr tief liegende Erin-nerungen nicht provoziert werden. Natürlich kannes aber dennoch sein, dass die Teilnehmerinnen inBerührung mit lange schlummernden, vielleichtaufwühlenden oder schmerzhaften Erfahrungenkommen. Dann ist es gut, wenn auf kompetenteund vertrauenswürdige Fachleute verwiesen wer-den kann. Die Referentin/der Referent sollte ent-sprechende örtliche Kenntnisse haben (vgl. Refe-rentInnen-Informationen zur Veranstaltung „Wieerziehe ich, wie wurde ich erzogen?“).

• Rollenspiele werden als sehr geeignet angesehen,reale Situationen nachzustellen, angemessene Lö-sungen zu erproben, Perspektiven zu wechseln undneue Handlungsmöglichkeiten einzuüben. Aber inder Praxis gibt es oft Hemmungen: Teilnehmerin-nen wollen z. B. keine Rollenspiele machen oder Re-ferentInnen fühlen sich überfordert. ReferentInnen,die diese Methode anwenden, sollten unbedingtSelbsterfahrung im Rollenspiel mitbringen. Alsniedrigschwellige Zugänge zur Methode „Rollen-spiel“ wurden im Projekt (Workshop 2, Erfahrungeneiner Referentin6) einige Varianten zusammenge-tragen:

– Strukturiertes Rollenspiel nach festen Vorgaben:Die Rollenanweisungen werden auf Karteikartenvorgegeben und enthalten für jede Figur detail-lierte Beschreibungen zum Spiel (z. B. den Satz,den die Figur in der Rolle sagt).

– Puppenspiel: Puppen übernehmen die Rollen.– Die Referentin/der Referent spielt ein Szene vor.– Rollenspiel in Gruppen: Die Rollen werden nicht

von einzelnen Teilnehmerinnen übernommen,sondern gemeinsam von mehreren Personen ei-

ner Kleingruppe. Die Spielerinnen können sich ge-genseitig unterstützen und abwechseln.

– Rollenwechsel: Die Spielerinnen wechseln die Rol-len, dadurch werden Polarisierungen vermieden.Alle Beteiligten können Erfahrungen in allen Po-sitionen sammeln.

– Alle Teilnehmerinnen einer Kleingruppe sind amRollenspiel mit vielen Rollen beteiligt (senkt dieHemmungen), die Spielenden bleiben im Stuhl-kreis sitzen. Eine Teilnehmerin beginnt die Per-spektive des Kindes einzunehmen, z. B.: „Ich bin 3Jahre alt. Heute ist mein erster Tag in der neuenTagespflegefamilie …“

– Ein Rollenspiel nicht als solches (sondern z. B. als„Demonstration“) anzukündigen, kann helfen,das „Reizwort“ und damit verbundene Ängste zuvermeiden.

– Wenige spielen, die Gruppe beobachtet: Diejeni-gen, die keinen aktiven Spielpart übernehmenwollen, können trotzdem eingebunden werden:Sie bekommen (anhand konkreter Arbeitsaufträ-ge) die Aufgabe, zu beobachten und zu beschrei-ben.

Grundsätzlich gilt: Je klarer die Referentin/der Refe-rent hinter der Methode des Rollenspiels steht, des-to leichter lassen sich auch die Teilnehmerinnenmotivieren.

• In den vorgeschlagenen Abläufen für die Veranstal-tungen sind immer auch Aufwärm- und Auflocke-rungsübungen vorgesehen. Wir wissen, dass Grup-pen unterschiedlich bereitwillig auf spielerischeImpulse eingehen. Dennoch halten wir diese Ele-mente für wichtig. Einerseits sollen die Spiele undÜbungen den Teilnehmerinnen Anregungen für ih-ren Alltag mit den (Tages-)Kindern bieten. Anderer-seits können die Spiele nicht nur für die nötige Auf-lockerung bei vollem Programm sorgen, sondernauch sinnliche Zugänge öffnen. Zusätzlich zur ko-gnitiven Vermittlung stehen somit alternative Aus-drucks- und Kontaktmöglichkeiten zur Verfügung.Es ist wünschenswert, dass die Teilnehmerinnenhier selbst auch Vorschläge aus ihrem eigenen Re-pertoire einbringen können. So erfahren sie, dassihre individuellen Erfahrungen und Begabungenwichtig genommen werden und zum Gelingen desKurses beitragen. Die Spiele und Übungen solltenüberwiegend kooperativ sein. Wir haben uns be-müht, zum jeweiligen Thema passende Vorschläge

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zu machen. Es kann jedoch durchaus auch sinnvollsein, Übungen, die gut ankommen, mehrmalsdurchzuführen. Dies erhöht vielleicht auch die Aus-sicht, dass Tagesmütter diese Übungen in ihren All-tag mit hineinnehmen.

• Ebenso wie bei den Spielen und Übungen können dieTeilnehmerinnen auch ermuntert werden, bewährteLieder, Musik, Bücher aus dem eigenen Repertoire indie Fortbildung einzubringen.Wenn – wie im Praxis-projekt erlebt – problematische Beiträge (z. B. mit dis-kriminierenden Inhalten wie „Zehn kleine Negerlein“)darunter sind, ist es Aufgabe der Referentin/des Re-ferenten, das zur Sprache zu bringen und im Sinneder Qualifizierung zu reflektieren.

• Infos und Handreichungen für die Tagesmütter ent-halten zentrale fachliche Informationen zum The-ma und sind insoweit auch an die ReferentIn ge-richtet. Mit den Infos und Handreichungen fürTagesmütter entsprechen wir einem Bedürfnis, dasim Modellprojekt von Kursteilnehmerinnen immerwieder angemeldet worden ist. Selbstverständlichmüssen diese Informationen in der Veranstaltungpädagogisch aufbereitet werden. Den Teilnehme-rinnen kann empfohlen werden, das Material z. B. ineinem Ordner zu sammeln, als „Nachschlagewerk“für die Zeit nach der Qualifizierung aufzubewahrenund während des Kurses sowie fortlaufend zu er-gänzen (z. B. mit Empfehlungen von anderen Teil-nehmerinnen, eigenen Aufzeichnungen).

• Umgang mit dem Curriculumbaustein „Reflexion“:Die curricularen Elemente, die sich auf die Nachbe-reitung der Praxishospitation, die Vorbereitung ei-nes Abschlusskolloquiums sowie auf die Kursrefle-xion beziehen, sind zeitlich variable Elemente. Siewerden – nach Ermessen der Kursleitung – im Ver-lauf des Fortbildungsprogramms ihrem Bedarf undihrer Funktion entsprechend eingesetzt.

– Halbzeitbilanz/KursreflexionDie Nachbesprechung der Praxishospitation im Ver-lauf des Vertiefungskurses hängt von dem Zeitpunktab, an dem alle Teilnehmerinnen eine Praxishospita-tion durchlaufen haben. Ein beachtenswerterAspekt ist, einen nicht zu langen Zeitabstand zurNachbereitung/Reflexion entstehen zu lassen, da-mit die Erfahrungen möglichst „frisch“ verarbeitetwerden können. Für die Durchführung einer Praxis-

hospitation sind die Rahmenbedingungen und spe-ziellen Voraussetzungen vor Ort entscheidend, z. B.die Anzahl der Praxisstellen, die Kursgröße, die per-sonellen Kapazitäten für Organisation und Beglei-tung einer Praxishospitation sowie weitere Aspek-te, die darüber entscheiden, ob und wie einePraxishospitation durchführbar und auswertbar ist.Sollte sich herausstellen, dass die Nachbereitungvoraussichtlich in einem großen zeitlichen Abstandzu den Hospitationserfahrungen liegen wird, so istes sinnvoll, die Teilnehmerinnen darin zu ermuti-gen, sich möglichst im Anschluss an den Praxistagschriftliche Aufzeichnungen (unsystematisch) überihre Eindrücke anzufertigen.

Wenn die Praxishospitation entfällt, erhält diesescurriculare Element eine „Pufferfunktion“. Es kön-nen einerseits Themengebiete vertieft werden, aufdie sich die Teilnehmerinnen geeinigt haben, diesezu wiederholen, bzw. einzelne Aspekte herauszu-greifen und zu vertiefen. Andererseits kann der Kursselbst Bestandteil für Reflexion werden, indem dieKursteilnehmerinnen sich zu ihrer Zufriedenheitund eventuellen Veränderungswünschen in Kurs-ablauf, Methoden, Inhalten usw. äußern können.

Im bereits fortgeschrittenen Verlauf des Kurses soll-ten die Teilnehmerinnen die Gelegenheit erhalten,sich zum Kursgeschehen selbst äußern zu können(siehe oben). Diese Kursveranstaltung ist aber in va-riabler Funktion zu verstehen. Sie kann auch als„Puffer“ zur Vertiefung vorgehend besprochenerThemen oder thematischer Aspekte fungieren.Wel-che Funktionen es erfüllen soll, liegt im Ermessender Kursleitung bzw. hängt vom Bedarf ab. Die Kurs-reflexion als fester thematischer Bestandteil derFortbildung sollte in jedem Fall durchgeführt wer-den, eventuell an geeigneter anderer Stelle (aller-dings nicht zu weit in der Kursabfolge, damit Ver-änderungen gegebenenfalls noch greifen können).

– Vorbereitung eines AbschlusskolloquiumsDie Vorbereitung der Abschlussleistungen sollte inausreichendem zeitlichem Abstand zum Termin desAbschlusskolloquiums stattfinden. Dabei spieltauch eine Rolle, wie komplex die „Prüfungs“-Anfor-derungen sind. Bei einem mündlichen Abschluss-gespräch, zu dem die Teilnehmerin einen mündli-chen Kurzvortrag vorbereitet, sollten ca. 6–8Wochen Vorbereitungszeit einkalkuliert werden, so-

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bald das Thema feststeht. Erstellt die Kursteilneh-merin eine schriftliche Abschlussarbeit, sollten ers-te Absprachen dazu bereits 3–4 Monate vorher lau-fen. Es empfiehlt sich, die Prüfungsvorbereitung inGruppen zu organisieren (vgl. ReferentInnen-Info„Empfehlungen für ein Abschlusskolloquium“). Da-bei muss bedacht werden, dass die Gruppenbildungund -organisation ebenfalls Zeit beansprucht, dieentsprechend in der Vorbereitungszeit berücksich-tigt werden muss, damit auch unter dem Gesichts-punkt der Vernetzung von Teilnehmerinnen/Tages-müttern sich ein Erfolg einstellen kann.

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– Abschlussabend: Rückschau und AusblickDieser Abend soll einen Rahmen bieten zum Aus-tausch über die Erfahrungen mit dem Kurs, demKursabschluss und die Wünsche und konkreten Plä-ne, wie es für die Tagesmütter weitergehen soll. Ersoll einen angenehmen Ausklang bilden sowieRaum für Absprachen bzw. Treffen der Tagesmütterüber den Kurs hinaus ermöglichen und stellt somitdas zeitliche Ende des Kurses dar.

Anmerkungen1 Das Modellprojekt (Kurztitel „Qualifizierung in der Tagespflege“) wurde durchgeführt im Auftrag und mit Mitteln des

Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, des Sozialministeriums Mecklenburg-Vorpommern, desMinisteriums für Bildung, Frauen und Jugend, Rheinland-Pfalz und des Senats für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales,Bremen.

2 Die 41 Punkte des Bogens beziehen sich auf die im Projekt formulierten Qualitätsmerkmale, zugeordnet den relevantenBewertungsdimensionen der Tagespflege-Fortbildung: Thema/Aufbau der Veranstaltung, Methoden, Inhalte, Kursleitung,Lernklima/Gruppenatmosphäre und äußerer Rahmen. In den Anmerkungen und Beschreibungen zu den Punkten werden denReferentInnen Orientierungs- und Reflexionshilfen für den Fortbildungsalltag zur Hand gegeben. Der Bogen zur Selbstevaluation,die Untersuchungsschritte des Projekts, die Modellorte, die Gütemerkmale und weitere Ergebnisse sind nachzulesen in:Keimeleder, Lis/Schumann, Marianne/Stempinski, Susanne/Weiss, Karin (2001): Fortbildung für Tagesmütter. Konzepte – Inhalte– Methoden. Opladen: Leske+Budrich. http://www.dji.de/bibs/fortbildungfuertagesmuetter.pdf

3 Näheres zur fachlich-inhaltlichen Basis des Curriculums siehe Karin Weiß, S. 95–98 in: Keimeleder, Lis/Schumann, Marianne/

Stempinski, Susanne/Weiss, Karin: Fortbildung für Tagesmütter. Konzepte – Inhalte – Methoden. Opladen: Leske+Budrich, 2001.http://www.dji.de/bibs/fortbildungfuertagesmuetter.pdf

4 Eine Unterrichtsstunde (U-Std.) entspricht 45 Minuten.5 Zur Begründung des 160-Stunden-Umfangs des DJI-Curriculums, siehe Keimeleder, Lis/Schumann, Marianne/Stempinski,

Susanne/Weiss, Karin: Fortbildung für Tagesmütter. Konzepte – Inhalte – Methoden. Opladen: Leske+Budrich, 2001, S. 133 ff.http://www.dji.de/bibs/fortbildungfuertagesmuetter.pdf

6 Anke Dechow, LEB Neubrandenburg und Rostock

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Themenspektrum des Curriculums

Einführungsphase

1. EinführungsabendWie ist die Fortbildung aufgebaut – welche Themen werden behandelt – wie wird im Kurs gearbeitet?

Kindertagespflege – die Perspektive der Tagesmutter2. Erwartungen an die Kindertagespflege und Motivationsklärung

Welche Erwartungen haben die Teilnehmerinnen an die Tagespflege? Passen Anforderungen der Tätig-keit und Lebenssituation der Teilnehmerin zusammen?

3. Rechtliche und finanzielle Grundlagen der Kindertagespflege (1)Zur Tagespflegetätigkeit gehört, dass die Tagesmutter die rechtlichen und finanziellen Aspekte ihrer Ar-beit aktiv und eigenverantwortlich regelt. Mit welchen Bundes- und Landesgesetzen und welchen ört-lichen Richtlinien sollte die Tagesmutter vertraut sein? Welche Rolle hat das Jugendamt? Wie wird diePflegeerlaubnis erteilt? – Es wird empfohlen, gegebenenfalls eine Expertin als Gastreferentin zu die-sem Thema zu laden.

4. Aufgaben und Alltag der TagesmutterBei der Tagespflege handelt es sich um öffentliche Kinderbetreuung im privaten Raum. Welche Aufga-ben, Rechte und Pflichten ergeben sich daraus für den Alltag einer Tagesmutter?

Kindertagespflege – die Perspektive der Kinder5. Das Kind in zwei Familien

Ein Tageskind muss sich in zwei unterschiedlichen Familien zurechtfinden – wie kann es dabei unter-stützt werden? Welches Kind und welche Tagesfamilie (Tagesmutter) passen zueinander? Wie könnendie eigenen Kinder der Tagesmutter unterstützt werden, mit der neuen Situation zurechtzukommen?

6. Gestaltung der EingewöhnungsphaseWas sollten Eltern und Tagesmutter unbedingt beachten in der Eingewöhnungsphase des Tageskindes?Wie viel Zeit muss eingeplant werden? Was hilft dem Kind, eine vertrauensvolle Beziehung zur Tages-mutter aufzubauen? Wie geht es den anderen Kindern in dieser Zeit?

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Kindertagespflege – die Perspektive der Eltern7. Erstkontakt mit den Eltern – Verständigung und Zusammenarbeit

Welches sind die Erwartungen, Wünsche und Gefühle von Eltern in Bezug auf die Tagespflege? Wie bereitet sich die Tagesmutter auf den ersten Kontakt mit den Eltern des künftigen Tageskindes vor?

8. Rechtliche und finanzielle Grundlagen der Kindertagespflege (2):Der BetreuungsvertragWas sollte die Tagesmutter mit den Eltern des Tageskindes im Betreuungsvertrag regeln? Welche Unterschiede ergeben sich für die Kinderbetreuerin im Haushalt der Eltern? – Es wird empfohlen, ge-gebenenfalls eine Expertin als Gastreferentin zu diesem Thema zu laden.

9. Rechtliche und finanzielle Grundlagen der Kindertagespflege (3)Hier geht es um die vertiefte Klärung der rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen anhandvon praxisnahen Beispielen. – Es wird empfohlen, gegebenenfalls eine Expertin als Gastreferentin zudiesem Thema zu laden.

10. Zwischenbilanz: Wo stehe ich? Was brauche ich noch?Gegebenenfalls: Vorbereitung auf die Praxishospitation.

a) Förderung von Kindern 11. Im Dialog mit Säuglingen und Kleinkindern

Das Kinder- und Jugendhilfegesetz SGB VIII gibt vor, dass die Entwicklung der betreuten Kinder zu ei-genverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten durch Erziehung und Bildung ge-fördert werden soll. Was bedeutet das konkret für den Alltag in der Tagespflege? Wie kann eine Tages-mutter als Grundlage ihres pädagogischen Handelns eine gute Beziehung zu den von ihr begleitetenKindern aufbauen? Auf welche Weise kann sie auch schon mit ganz kleinen Kindern im Dialog sein?Wie kann sie den Aufbau einer Bindungsbeziehung unterstützen?

Entwicklung von Kindern/Kinder beobachten und wahrnehmen

12. Eine gute Entwicklung – was gehört dazu?Was sind Merkmale einer guten Entwicklung? Welche Entwicklungsverläufe sind altersmäßig „normal“bei Kindern? Wie kann die Entwicklung gefördert werden? Was kann eine Tagesmutter bei eventuellenEntwicklungsverzögerungen und -störungen tun?

13. Kinder im Tagespflegealltag wahrnehmen.Bildung beobachten und dokumentierenWie entwickelt sich ein Kleinkind? Welche Bedürfnisse hat ein Kleinkind? Auf welche Art signalisiert essie? Durch bewusstes Hinsehen und Hinhören kann die Tagesmutter Bedürfnisse erkennen und ver-stehen lernen.

Vertiefungsphase

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Für zu Hause empfiehlt sich als Vertiefungsaufgabe, die Kinder und ihre Bildungsprozesse zu beob-achten. Sensibilisierung für Bedürfnisse von Kindern: Aufmerksamkeit der Tagesmutter gegenüber demindividuellen Kind – wie lässt sich „bewusstes Beobachten“ in den Alltag einbinden? Das Einnehmeneiner positiven, dem Kind zugewandten Grundhaltung.

14. Kinder sind verschieden – ihr Recht auf Anerkennung ist gleich.Ansätze zum Umgang mit individuellen, geschlechtsspezifischen und kulturellen Unterschieden Kinder haben unterschiedliche Temperamente und Entwicklungsgeschwindigkeiten, unterschiedlicheGeschlechter und familiäre, soziale oder kulturelle Hintergründe. Das alles macht aus jedem Kind ei-nen ganz individuellen Menschen, der oder die auch individuell behandelt sein will. Bei aller Individu-alität muss jedoch Chancengleichheit gelten: Allen Kindern müssen gleiche Entwicklungsmög-lichkeiten eingeräumt werden.

Betreuung von Kindern15. Sicherheit drinnen und draußen – über den Umgang mit Gefahrenquellen

Wie schafft die Tagesmutter eine Umgebung, in der sich Kinder sicher bewegen können? Wie geht dieTagesmutter daheim und unterwegs mit der wachsenden Selbstständigkeit von Kindern und der ihrübertragenen Aufsichtspflicht um?

16. Gesund leben in der KindertagespflegeEine Tagesmutter hat die Aufgabe, die Gesundheit der (Tages-)Kinder zu fördern.Was gehört dazu? Wiekann sie den Kindern eine gesundheitsbewusste Lebensweise nahebringen? Was kann die Tagesmut-ter tun, wenn ein Kind oder sie selbst erkrankt ist? Welche Lösungen bei Konflikten mit Eltern habensich bewährt?

17. Ernährung in der Kindertagespflege: Was gibt’s zu essen und zu trinken?Was gehört zu einer gesunden Ernährung in der Tagespflege? Was heißt Ernährungserziehung? Wel-che hygienischen Grundregeln sind in der Küche zu beachten? Welche Konflikte mit Eltern kann es ge-ben? Was hat sich im Umgang damit bewährt?

Erziehung in der Kindertagespflege18. Wie erziehe ich – wie wurde ich erzogen? (Tagesseminar)

Eigene Erfahrungen in der Kindheit. Wandel von Erziehungswerten. Was will die Tagesmutter für dieanvertrauten Kinder erreichen? Leidvolle Erfahrungen aus der eigenen Kindheit können den Umgangmit den Kindern negativ beeinflussen. Was kann die Tagesmutter dagegen tun?

19. Die Beziehung zum Tageskind positiv gestalten (Tagesseminar)Was kann ein Kind in welchem Alter? Was braucht es? Was sind die Prinzipien einer positiven Beziehungzum (Tages-)Kind? Kinder verstehen, respektieren, ermutigen. Persönliche Sprache in der Beziehung zueinem Kind.

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20. Bevor der Kragen platztGute Beziehungen zu den Kindern pflegen: Anspruch und Alltag. Was macht es schwierig für die Ta-gesmutter, den Kindern gegenüber positiv zu bleiben? Wie kann sie Abhilfe und Unterstützung finden?Umgang mit Wut.

21. Die Würde des Kindes ist unantastbar. Das Recht der Kinder auf gewaltfreieErziehungErwachsene haben in der Beziehung zum Kind eine machtvolle Position. Das macht es erforderlich, dasssie bewusst und sensibel mit ihrer Macht, mit den Grenzen der ihnen anvertrauten Kinder und mit deneigenen Grenzen umgehen. Seit 2000 gibt es auch einen gesetzlichen Anspruch von Kindern auf ge-waltfreie Erziehung. Wie können Tagesmütter das in ihrem Alltag berücksichtigen?

22. Schwierige Erziehungssituationen in der KindertagespflegeVorbeugen und minimieren von schwierigen Situationen in der Tagespflege. Immer wieder werdenauch Kinder mit belastenden Erfahrungen in Tagespflege vermittelt. Im Alltag fallen sie durch ihr Ver-halten auf, sie ziehen sich z. B. zurück oder sind aggressiv. Es fällt ihnen schwer, sich zu konzentrieren.Wie können Tagesmütter diesen Kindern gerecht werden? Welche Bedingungen brauchen sie dabei?

23. Prävention von sexuellem Missbrauch – Der Schutzauftrag bei Kindeswohl-gefährdung in der Tagespflege (Tagesseminar)Ist Sexualerziehung eine Aufgabe für Tagesmütter? Fakten zu sexuellem Missbrauch an Mädchen undJungen. Erkennen von Signalen, die auf sexuellen Missbrauch hindeuten. Handeln im Verdachtsfall.Prävention konkret. Es wird empfohlen, eine Expertin als Gastreferentin zu diesem Thema zu laden.

Bildung in der Kindertagespflege24. Der Bildungsauftrag in der Kindertagespflege

Kinder haben ein natürliches Bedürfnis, sich selbst zu bilden. Sie eignen sich durch „Forschen“ und inAuseinandersetzung mit anderen Menschen die Welt an. Wie kann eine Tagesmutter diesen Bildungs-prozess im Alltag unterstützen? Kann sie die Bildung der Kinder planen?

25. Bildungsthemen und BildungspläneKleine Kinder bilden sich allseitig, wenn sie nicht daran gehindert werden. Sie wollen ihre Umgebungmit allen Sinnen erfahren und lernen in der frühen Kindheit mit großer Geschwindigkeit immenseMengen. Sie machen mit Sprache ebenso wie mit mathematisch-naturwissenschaftlichen Phänome-nen von Beginn an wichtige Erfahrungen. Bildungspläne formulieren Anregungen für die Gestaltungdes pädagogischen Alltags. Jedes Kind hat jedoch auch seinen eigenen inneren Bildungsplan, dem esaus eigener Initiative, freiwillig und voller Tatendrang folgt.

26. Kontakt und soziale Beziehungen im SpielWelche Rolle haben Erwachsene im Spiel der Kinder? Wie kann die Tagesmutter „spielerisch“ einen gu-ten Kontakt zwischen sich, den eigenen Kindern und dem Tageskind herstellen? Wie kann die Tages-mutter die soziale Entwicklung von Kindern fördern?

27. Spielorte und EntwicklungsräumeWelche Spielumgebung brauchen Kinder und welche Orte suchen Kinder zum Spielen auf? Die Spiel-räume sind heute vielfach andere, als die Erwachsenen sie erlebt haben (z. B. enge Spielplätze in Städ-ten, künstliche Umgebungswelten, Computerspiele).Was folgt daraus für die Erziehung/Förderung vonKindern?

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28. Im Alltag spielerisch das Kind fördern – Spielmaterial, Spielwaren, Spiele für und mit Kindern Wie viel Spielzeug braucht ein Kind? Welche Spielmittel sind geeignet? Welches Spielzeug braucht einKind in welchem Alter? Welche Bedeutung haben Spielsachen und Spiele für die Entwicklung von In-telligenz, Körper und Sprache?

29. Kinder brauchen BücherKinder identifizieren sich mit den Figuren/Gestalten, die ihnen in Kinderbüchern begegnen. Sie erle-ben und bewältigen unbekannte Situationen und lernen, sich „in der Welt“ zurechtzufinden. Worankann die Tagesmutter gute Kinderbücher erkennen? Was ist beim Vorlesen wichtig?

30. Kinder und MedienFernsehen und Computer gehören zu den Medien, mit denen Kinder heute selbstverständlich auf-wachsen. Ein verantwortungsbewusster Umgang damit will jedoch gelernt sein. Wo liegen Möglich-keiten und Gefahren?

Besondere Herausforderungen in der Kindertagespflege31. Tageskinder – eigene Kinder: Wie komme ich damit zurecht?

Viele Tagesmütter wünschen sich für ihre eigenen Kinder Spielgefährten, wenn sie Tageskinder auf-nehmen. Nicht selten aber entstehen heftige Konflikte zwischen den Kindern. Was bedeutet das? Wiekann die Tagesmutter damit umgehen? Welche anderen Situationen kennen Tagesmütter, in denen eseine Rolle spielt, dass sie – anders als z. B. Erzieherinnen im Kindergarten – eigene und Tageskinder zu-sammen betreuen?

32. Kinder fördern – Haushalt managen: Wie lässt sich das vereinbaren?In der Tagespflege erleben die Kinder einen ganz normalen Familienalltag. Dazu gehören auch Haus-haltsarbeiten wie Kochen, Putzen, Aufräumen, Einkaufen, Gartenarbeiten.Wie kann die Tagesmutter ih-re Aufgabe einer Förderung der Kinder mit diesen Arbeiten verbinden? Was hat sich bewährt, wovonist abzuraten?

33. Abschied von den Tageskindern – was bedeutet das für Tagesmütter?Was bedeutet es für ein Tageskind, wenn die Zeit der Tagespflege endet? Wie kann der Abschied vor-bereitet und gestaltet werden? Wie geht es den Kindern der Tagesmutter, wenn das Tageskind nichtmehr kommt? Mit welchen Gefühlen muss sich die Tagesmutter selbst auseinandersetzen?

b) Kooperation und Kommunikation zwischen Tagesmutter und Eltern

34. Erziehungspartnerschaft in der KindertagespflegeWie lässt sich mit den Eltern des Tageskindes eine gute Zusammenarbeit aufbauen, die am Wohl desKindes orientiert ist?

35. Kooperation zwischen Nähe und DistanzEine freundlich-distanzierte oder eine enge freundschaftliche Beziehung zwischen Tagesmutter undEltern des Tageskindes hat jeweils ihre Vor- und Nachteile. Welche Form der Beziehung entspricht denVorstellungen der Tagesmutter?

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36. Mutterrollen in der KindertagespflegeIn der Tagespflege treffen zwei Mütter mit entgegengesetzten Lebensentwürfen aufeinander (Berufs-tätigkeit vs. Familienarbeit). Kann die Tagesmutter die Berufstätigkeit der Mutter des Tageskindes ak-zeptieren? Wie kann sie mit eventuellen Schuld- und Eifersuchtsgefühlen umgehen? Wer ist die zen-trale Person im Leben des Kindes?

37. Kommunikation in der Kindertagespflege: Zuhören mit offenen OhrenDie Kommunikation mit Eltern ist ein wichtiger Bestandteil des Tagespflegealltags. Die Teilnehmerin-nen lernen Gesprächshaltungen und -techniken kennen, die ihnen helfen können, den Austausch kon-struktiver zu gestalten.

38. Kommunikation in der Kindertagespflege: Wie sag’ ich’s? Es werden Gesprächshaltungen und -techniken für einen konstruktiven Austausch vorgestellt und anverschiedenen Situationen aus der Tagespflegepraxis geübt.

39. Nicht nur zwischen Tür und Angel: Gespräche mit ElternDie konstruktive Zusammenarbeit im Beziehungsgefüge der Tagespflege setzt voraus, dass dieTagesmutter und die Eltern des Tageskindes ihre Vorstellungen, Erwartungen und Interessen kooperativmiteinander abstimmen. Wie, wo und wann findet dies statt?

40. Kreativer und konstruktiver Umgang mit Konflikten (Tagesseminar)Anhand von typischen Tagespflegesituationen werden verschiedene Methoden zur Konfliktbewäl-tigung aufbauend auf den vorherigen Kursthemen ausprobiert und geübt.

41. Schweigepflicht in der KindertagespflegeEs trägt zum gegenseitigen Verständnis und zum Gelingen einer vertrauensvollen Beziehung zwischender Tagesmutter und den Eltern des Tageskindes bei, wenn beide sich bemühen, immer wieder einmaldie Perspektive der anderen Seite einzunehmen und nachzuvollziehen. Dadurch entsteht Vertrauen,aber auch ein beträchtliches Wissen übereinander.Was sollte die Tagesmutter über die Schweigepflichtin der Tagespflege wissen?

c) Arbeitsbedingungen der Tagesmutter 42. Beruf Tagesmutter

Als Tagesmutter arbeiten – ist das ein Job? Ein Beruf? Eine Lebensform? Welches Selbstverständnis ha-ben Tagesmütter von ihrer Tätigkeit? Wie werden sie in der Öffentlichkeit wahrgenommen? Außerdemein Blick über den Tellerrand: Welche Erfahrungen mit der Tagespflege liegen bei den europäischenNachbarn vor?

43. Rechtliche und finanzielle Grundlagen der Kindertagespflege (4)Hier geht es um die vertiefte Klärung der rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen anhandvon praxisnahen Beispielen. – Es wird empfohlen, gegebenenfalls eine Expertin als Gastreferentin zudiesem Thema zu laden.

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44. Vernetzung und Kooperation (zwei Veranstaltungen à drei Unterrichtsstunden). Wie kann die Tagesmutter die Isolation im eigenen Haushalt überwinden? Wie kann sie einen regel-

mäßigen Erfahrungsaustausch mit anderen Tagesmüttern finden? Wer vertritt die Interessen der Ta-gesmütter vor Ort? Ämter, Vereine, Verbände, kommerzielle Agenturen – mögliche Kooperationspart-ner der Tagesmutter? Nach Möglichkeit sollten VertreterInnen relevanter Institutionen undEinrichtungen sich und ihren Zuständigkeitsbereich selbst im Kurs vorstellen.

45. Aus welchen Quellen schöpfe ich?Welchen Stressfaktoren sind Tagesmütter in ihrer Tätigkeit ausgesetzt? Aus welchen persönlichenQuellen schöpfen Tagesmütter, um „Kraft zu tanken“? Wie können sie mit Unter- oder Überforderungkonstruktiv umgehen?

d) Reflexion

46. Halbzeitbilanz/Kursreflexion„Wie geht es uns bisher in dem Kurs? Was soll so bleiben? Was möchten wir ändern?“

47. Vorbereitung des Abschlusskolloquiums„Was brauchen wir noch für das Abschlusskolloquium?“

48. Abschlussabend: Rückschau und Ausblick„Was hat die Fortbildung gebracht? Was war wichtig? Was war schwierig? Wie geht es für die einzel-nen Teilnehmerinnen weiter?“

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Einführungsabend

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Empfehlungen für den Ablauf(Zeitbedarf: 3 Zeiteinheiten à 45 Minutenplus 15 Minuten Pause)

Begrüßung der Teilnehmerinnen und kurzerÜberblick über den Abend (5 Minuten)

Vorstellung des Kurses und der Trägereinrichtung/Infos und Fragen(30 Minuten)Aufbau der Fortbildung (siehe Einführung); The-menüberblick; Vorstellen der Trägerorganisationoder des Vereines, Anmeldungsmodalitäten, Prü-fung, Finanzierung, Hinweis auf Erste-Hilfe-Kursund die Möglichkeit der Mitgliedschaft beim Bun-desverband für Kindertagespflege e. V. (Infomaterial)oder Landesverbänden und anderes Grundsätz-liches.Organisatorisches: z. B. zu Beginn Teilnehmerinnen-liste verteilen; evtl. nach dem Kurzvortrag Tisch-unterlagen (Anmeldebogen, Versicherungsrechtli-ches usw.) gemeinsam durchsehen.

Vorstellungsrunde (30 Minuten)Kurze Vorstellungsrunde durch z. B. ein Partner-interview: Zwei Tisch- oder Stuhlkreisnachbarinnenbefragen sich 5–10 Minuten lang zu: Name, Alter, fa-miliärer Situation, Erfahrungen mit Tagespflegeoder anderen pädagogischen Tätigkeiten und beruf-lichem Hintergrund. In der gemeinsamen Rundestellt jede jeweils ihre Nachbarin vor. Die ReferentInstellt sich ebenfalls vor (evtl. im Partnerinterview).

Pause (15 Minuten)

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Ziele

– Überblick über die Fortbildung, Organisato-risches und evtl. Verein oder Trägerinstitu-tion

– Fragen der Teilnehmerinnen beantworten– Das Kennenlernen in der Gruppe fördern

Material und Vorbereitung

– Aus der Einführung des Curriculums: „Auf-bau der Fortbildung“

– ReferentInnen-Info: „Motivation und Erwar-tungen“ (siehe Folgeveranstaltung)

– ReferentInnen-Info: „Gesprächsregeln fürGruppen nach Ruth Cohn“

– ReferentInnen-Info: „Themenzentrierte In-teraktion und Blitzlicht“

– Moderationskarten, Stifte, Flipchart– Evtl. Literatur- und Materialhinweise

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1. Gruppenregeln vorstellen(15 Minuten)Einige allgemeine Hinweise auf die erwünschte Artund Weise der Verständigung in der Gruppe bzw.auf Gruppenregeln sind am Anfang sinnvoll (vgl.ReferentInnen-Info: „Gesprächsregeln nach RuthCohn“).Gruppenregeln tragen erheblich dazu bei, die ge-meinsame Veranstaltung lebendig zu erhalten undzu einem positiven Erlebnis für alle in der Gruppe zumachen – und sie sind ganz nebenbei eine hilfreicheMethode, soziale Fähigkeiten zu schulen.

Die Gruppenregeln werden am besten nach undnach vorgestellt, z. B. pro Abend eine bis zweiGruppenregeln. Die Aufgabe der ReferentIn ist es, imVerlauf des Abends und des Kurses darauf zu achten,dass die Regeln beachtet werden bzw. darauf auf-merksam zu machen, wenn Regeln verletzt werden.Am wirkungsvollsten sollte jede Regel gut lesbar aufeinem Plakat stehen, sodass die Teilnehmerinnenzwischendurch einen Blick darauf werfen können.Auf diese Weise entsteht im Verlauf des gesamtenKurses eine Sammlung.

Es sollte außerdem darauf hingewiesen werden,dass

• Pausen eingeplant und eingehalten werden;• die Teilnehmerinnen sich jederzeit einbringen kön-

nen, z. B. wenn sie eine Pause benötigen oder inhalt-liche, methodische oder auch andere Fragen, Pro-bleme ansprechen wollen.

• Außerdem ist ein Hinweis auf Möglichkeiten derVersorgung mit Getränken, ausgeschaltete Handysund andere organisatorische Dinge an dieser Stellesinnvoll, wenn nicht vorher schon geschehen.

• Nicht zuletzt sollten alle Teilnehmerinnen wissen,dass die in der Gruppe besprochenen Dinge nichtnach außen getragen werden dürfen. Die Anony-mität nach außen bzw. Schweigepflicht müssen Ta-gesmütter im Tagespflegeverhältnis wahren – eben-so wichtig ist die Vertraulichkeit in der Ausbildung,damit persönliche Themen offen in der Gruppe be-sprochen werden können.

Einzelarbeit und Gruppenarbeit: Meine Erwartun-gen und meine Befürchtungen? (40 Minuten)Zunächst sollen die Teilnehmerinnen auf z. B. grüneKarten bis zu drei Erwartungen,Wünsche, evtl. auchThemenschwerpunkte, die sie besonders interessie-ren, aufschreiben – danach auf z. B. gelbe Karten ih-re Befürchtungen. Diese können sich sowohl auf dieFortbildung als auch auf die Tätigkeit als Tagesmut-ter beziehen. Auf der einzelnen Karte sollen nurStichpunkte in großer Schrift mit dicken Filzstiftengeschrieben werden, damit sie auch von der Wandnoch gut lesbar sind. Zeit: ca. 10 Minuten. Die Kartenwerden eingesammelt und nach inhaltlichen Ge-sichtspunkten an die Pinnwand geheftet.

Dann werden die nach Inhalt sortierten Karten-gruppen im Plenum durchgesprochen.

Dabei können Hinweise zu den Rahmenbedingun-gen der Fortbildung gegeben werden; wann welcheThemen im Kurs vertieft werden und warum usw.Außerdem können wichtige Infos und Grundsätzeweitergegeben werden (siehe auch ReferentInnen-Info:„Motivation und Erwartungen“; (nachfolgendeVeranstaltung)).

Für die Teilnehmerinnen ist der Gewinn am größten,wenn möglichst viel an praktischen Beispielen er-läutert wird, z. B. aus eigener Erfahrung als Tages-mutter oder Kursteilnehmerin.

Soweit vorhanden – sollten erfahrene Tagesmütteraus der Gruppe aufgefordert werden, von sich undihrem Tagespflegealltag etwas mehr zu erzählenund Fragen aus der Gruppe mit zu beantworten.

Eine Ergänzung und Bereicherung dieses oder desnächsten Abends ist darin zu sehen, eine erfahreneTagesmutter einzuladen, die den Teilnehmerinnenetwas aus ihrem Werdegang erzählt (Erfahrungsbe-richte; nette Episoden; Überlegungen; Arbeitsalltag;was sie schön/weniger schön an ihrem Beruf findet;Tipps usw.).

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Ziele:• Information über die im Kurs behandelten The-

men;• konkrete Berichte und Beispiele vermitteln den

noch unerfahrenen Teilnehmerinnen einen enge-ren Bezug zur Tätigkeit einer Tagesmutter und zumeigenen Lebensalltag;

• realistische Erwartungen aufbauen – Ängste (diez. B. mit „wieder die Schulbank drücken“, vermute-ten hohen Anforderungen oder anderen Themenzusammenhängen) besprechen.

Blitzlicht oder Feedback-Übung (10 Minuten) Das Blitzlicht (vgl. ReferentInnen-Info) ist eineSchlussrunde einer Gruppe am Ende des Kurs-abends. Jede Teilnehmerin erhält noch einmal dieMöglichkeit, sich zum Ablauf bzw. zum Ergebnis zuäußern. Die/der ReferentIn stellt eine Frage (vgl. z. B.unten stehende Auswahl). Die Frage bezieht sichentweder auf den atmosphärischen Ablauf oder eswird festgestellt, wie zufrieden die Teilnehmerinnenmit dem Ergebnis des Abends sind.Wichtige Info andie Runde: Die Antworten der Teilnehmerinnen sol-len kurz sein und von den anderen nicht kommen-tiert werden.

– Wie geht es mir mit diesem Abend?– Wie fühle ich mich jetzt?– Was fand ich gut und was fand ich nicht so gut?

(Ein bis zwei positive und negative Rückmeldun-gen, zuerst das Positive benennen.)

Das Ziel der Abschlussübung besteht darin,– die Eindrücke der Teilnehmerinnen zu sammeln,

um sie für weitere Veranstaltungen verfügbar zumachen;

– die/den ReferentIn von Verantwortung zu entlas-ten (es liegt ebenso in der Verantwortung derTeilnehmerinnen, den Abend mitzugestalten –spätestens in einer abschließenden Rückmel-dung erhalten sie Gelegenheit zur Äußerung ih-rer Wünsche) und

– einen guten emotionalen Ausklang des Grup-penerlebnisses zu schaffen.

Evtl. Infomaterial verteilen;Evtl. Ironisches: „Die ideale Tagesmutter“ vorlesen (5 Minuten)

Verabschiedung

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Gestaltung der Eingewöhnungsphase

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Empfehlungen für den Ablauf(Zeitbedarf: 3 Zeiteinheiten à 45 Minutenplus 15 Minuten Pause)

Begrüßung und Organisatorisches (10 Minuten)

Zur Einstimmung:„Sind wir inzwischen aneinandergewöhnt? Wie gut kennen wir uns eigentlichschon?“ (10 Minuten)Die Teilnehmerinnen stehen im Kreis. Eine Teilneh-merin bekommt einen Ball und wirft oder kullert ihnzu einer anderen. Dabei sagt sie: Du heißt/Sie heißen… (Name) und ich weiß, dass … oder ich finde, dass …oder mir gefällt … (irgendein Merkmal, eine Eigenart,Vorliebe oder Ähnliches, z. B.:„Ich weiß, dass deine/Ih-re Tochter Anne heißt.“ – „Ich weiß, dass du/Sie inNeustadt wohnst/wohnen.“ – „Mir gefällt der grünePullover,den du/Sie neulich trugst/trugen.“ – „Ich fin-de, dass du/Sie so ansteckend lachen kannst/kön-nen.“). Dann macht diese Teilnehmerin weiter. Es solldarauf geachtet werden,nichts Vertrauliches und Ne-gatives zu nennen.Alle Teilnehmerinnen sollen den Ball ungefähr gleichhäufig bekommen.

Die ersten Tage in der Tagespflege: Wie geht es demTageskind, den Eltern und der Tagesmutter?(45 Minuten)

– Die Referentin gibt eine kurze Einführung zu dem Video von INFANS (siehe hierzu Anmerkung 1 auf Seite 3). Sie kündigt eine 25-minütige Video-Sequenzan und bittet die Teilnehmerinnen, sich auf die daringezeigten Gefühle und Handlungen des Kindes,seiner Mutter und der Tagesmutter zu konzentrieren(5 Minuten).

– Die Dokumentation der ersten drei Tage von Mark inder Tagespflege (von 0053 – 1486 des im Video mit-

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Was soll mit der Bearbeitung des Themas erreicht werden?

– Eine sorgfältige Gestaltung der Eingewöh-nungsphase als Qualitätsmerkmal der Ta-gespflege erkennen

– Sich in die Situation des Tageskindes hinein-versetzen können

– Verstehen, wie Eltern und Tagesmütter dasKind bei der Eingewöhnung unterstützenkönnen

– Einen eigenen Standpunkt zur Gestaltungder Eingewöhnungsphase entwickeln

Material und Vorbereitung

– ReferentInnen-Info „Gesprächsregeln fürGruppen nach Ruth Cohn“ (s. Veranstaltung„Einführungsabend“)

– INFANS-Video zur Eingewöhnung1 (für dieerste Sequenz auf 0053 des Sekunden-zählers gestellt; in der Pause auf 1840 vor-spulen)

– Video-Rekorder, Fernsehgerät– Teilnehmerinnen-Info für alle kopieren– Evtl. Flipchart für die Ergebnisse der Aus-

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Anmerkung1 Bezug über: Institut für angewandte Sozialisationsforschung Frühe Kindheit e.V. (infans), Havelberger Str. 13; 10559 Berlin;

Tel.: 030/3963008; www.infans.de. Der Film kostet 95,– e.

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6. laufenden Sekundenzählers) wird abgespielt (24 Mi-nuten)2. Die Referentin berichtet anschließend kurz,dass sich Mark in den folgenden Tagen immer „un-komplizierter“ verhält, kaum noch weint, wenn dieMutter sich verabschiedet. Gleichzeitig wird die Be-ziehung zur Tagesmutter immer besser.

– Auswertungsgespräch:Was hat die Teilnehmerinnenbesonders beeindruckt? Welche Fragen bewegen sie?(15 Minuten)

Die Videoaufnahmen zeigen in beeindruckender Wei-se die Not eines Kindes,das in den ersten Tagen der Ta-gespflege auf die Anwesenheit einer vertrauten Be-zugsperson verzichten muss. Dem Kind fehlt die„sichere Basis“, die es braucht, um sich aktiv mit derneuen Umgebung und den zunächst fremden Perso-nen auseinandersetzen zu können. Es bleibt ohneRückzugsmöglichkeit, wenn es sich überfordert oderirritiert fühlt. Die Not des Kindes überträgt sich aufdie Mutter und die Tagesmutter, da auch sie in dieserSituation relativ hilflos sind.

Pause (15 Minuten)Die Referentin sollte die Pause nutzen, um den Filmvorzuspulen (s. u.).

Wie kann die Eingewöhnungsphase angemessengestaltet werden? (40 Minuten)INFANS-Video: Die Eingewöhnung von Katharina imBeisein ihrer Mutter in den ersten vier Tagen sowie dieZusammenfassung am Schluss werden gezeigt (ab1840 des Sekundenzählers: 40 Minuten). Erneut sol-len die Teilnehmerinnen konzentriert beobachten,wie sich die verschiedenen Personen verhalten.

Im Film wird anschaulich gezeigt, wie die Eingewöh-nungsphase unter Berücksichtigung wichtiger Er-kenntnisse der Bindungsforschung gestaltet werdensollte. Im Beisein einer Bindungsperson („sichere Ba-sis“) können sich die Kinder in aller Ruhe und inte-ressiert mit ihrer Tagesmutter, den anderen Kindernund der neuen Umgebung vertraut machen. DasWohlbefinden der Kinder wirkt sich positiv auf Mut-ter, Tagesmutter und andere (Tages-)Kinder aus. Die

Erwachsenen können außerdem in den gemeinsamverbrachten Stunden eine gute Grundlage für ihreKooperation schaffen.

Kurze Entspannung zwischendurch(5 Minuten)Jede Teilnehmerin nutzt die Zeit, in der für sie bestenArt und Weise die Eindrücke des Films „nachklingen“zu lassen und sich ein wenig zu entspannen (z. B. Luftschnappen am Fenster;Augen schließen und bewusstein- und ausatmen;aufstehen und sich räkeln ...). Diessollte schweigend geschehen – keine Gespräche bit-te! Das Betrachten des Films erforderte eine hoheKonzentration. Eine kurze Entspannung vor dem Aus-wertungsgespräch erscheint angesagt. Dabei solltesich der persönliche Eindruck, den der Film hinterlas-sen hat, vertiefen. Durch sofortige Gespräche könnteer leicht „zerredet“ werden.

Hat mich diese Form der Eingewöhnung überzeugt?Welche Anforderungen stellt sie an mich als Tages-mutter? Welche Vorteile habe ich dadurch?Auswertungsgespräch im Sitzkreis (20 Minuten)Die Referentin strukturiert und moderiert denAustausch (s. Infos für Tagesmütter, Eltern und Refe-rentInnen). Sie fasst die wesentlichen Ergebnissezusammen und verteilt die „Informationen für Tages-mütter und Eltern“.

Die Teilnehmerinnen werden beeindruckt sein vonKatharinas „sanfter“ Eingewöhnung und insofern dievorgeschlagenen Gestaltungsregeln überzeugendfinden. Gleichzeitig stellen diese Regeln Anforde-rungen an Tagesmütter,mit denen sie wahrscheinlicheher nicht gerechnet haben. Ein Austausch darüberist deshalb notwendig, damit sie sich das Konzept zueigen machen können. Hilfreich sind auch gemeinsa-me Überlegungen, mit welchen Entlastungen dieseForm der Eingewöhnung für die Tagesmütter ver-bunden ist.

Blitzlicht(5 Minuten)

Verabschiedung

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Anmerkung2 Aus Zeitgründen ist es nicht möglich, den gesamten Film über Marks Eingewöhnung zu zeigen.Vielleicht könnte das Video an besonders

interessierte Teilnehmerinnen sowie an jene ausgeliehen werden, die an der Fortbildung nicht teilnehmen konnten. Auch ein Verleih anEltern – evtl. über den Träger – wäre sehr sinnvoll.

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Für das Gelingen der Tagespflege ist eine sorgfältigeGestaltung der Eingewöhnungsphase von großer Be-deutung. Gemeint ist damit die Zeit, die das Tageskindbraucht, um sich in der Tagespflegefamilie einzuleben.Es hängt vom Alter der Tageskinder ab, wie die Einge-wöhnung gestaltet werden muss. In der Fortbildungliegt der Schwerpunkt bei den Kleinkindern. Sie stellendie größte Gruppe in der Tagespflege und in diesem Al-ter gelten besondere Bedingungen, die unbedingt zubeachten sind. Auf die Eingewöhnung im Kindergar-ten- und Schulalter sollte kurz eingegangen werden,falls Teilnehmerinnen in der Gruppe Kinder dieses Al-ters aufnehmen wollen.

Eingewöhnung im KleinkindalterEine zentrale Voraussetzung für eine gelingende Ta-gespflege ist das Entstehen einer vertrauten, engen Beziehung zwischen dem Tageskind und der Tages-mutter. Das Vorhandensein einer solchen Beziehung –in der Fachsprache „Bindung“ oder „bindungsähnliche Beziehung“ genannt – ist für kleine Kinder existen-ziell wichtig. In ungewohnten, beängstigenden undherausfordernden Situationen benötigen die KinderBindungspersonen als „Basisstationen“, bei denen sieSchutz bekommen und Unterstützung erfahren.

Zu Beginn der Fachdiskussionen über die Tagespflegein den 70er Jahren (Modellprojekt „Tagesmütter“) gabes heftige Kontroversen über die Frage, ob ein KleinkindBindungen zu verschiedenen Bezugspersonen ent-wickeln kann. Kritiker behaupteten, dass nur die Mut-ter – allenfalls noch der Vater – Bindungsperson wer-den kann. Deshalb galt die zusätzliche Betreuung vonKleinkindern durch Tagesmütter als entwicklungs-schädigend.

In vielen Forschungsprojekten wurde diese Auffassunginzwischen widerlegt (vgl. Permien 1996; Rauh 2000;INFANS 1989; Laewen u. a. 2000; NICHD 2003; Becker-Stoll 2006). Es hat sich gezeigt, dass kleine Kinderdurchaus in der Lage sind, zu mehreren Bezugsperso-nen Bindungen zu entwickeln. Wir wissen inzwischenauch mehr darüber, was den Kindern hilft, neue Bin-dungen aufzubauen.

Insbesondere die Studien von INFANS (1989; Laewenu. a. 2000) zur Eingewöhnung in der Tagespflege, zu de-nen beeindruckende Video-Dokumentationen gehö-ren, haben unser Verständnis für diese Situation ausder Sicht des Kindes entscheidend gefördert. Darauswurden Folgerungen zur kindgerechten Gestaltung derEingewöhnungsphase abgeleitet. Dieses Konzept fin-det inzwischen in der Praxis der Tagespflege – wie auchder Krippen – breite Anerkennung und Umsetzung.

In der Fortbildung wird das Ziel verfolgt, den Teilneh-merinnen eine Gestaltung der Eingewöhnungsphasenach den Erkenntnissen der INFANS-Forschungen nahezubringen. Die Videoaufnahmen bieten dafür ei-nen pädagogisch besonders geeigneten Einstieg.1 Siehelfen den Teilnehmerinnen, sich in die Kinder hinein-zuversetzen und Empathie für sie zu entwickeln. Diesist auch deshalb so wichtig, da sich viele Erwachsenean die Kleinkind-Zeit nicht erinnern können und des-halb nicht an eigene Erfahrungen anknüpfen können.Die bewegenden Bilder von Mark, der vom ersten Tagan von seiner Mutter in der Tagespflege allein gelassenwird, vermitteln einen unauslöschlichen Eindruck, inwelche Not ein kleines Kind ohne die gewohnte Bin-dungsperson geraten kann.2

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6.Gestaltung der Eingewöhnungsphase

Anmerkungen1 Die technische Qualität des Films wurde in der Vergangenheit häufig bemängelt. Inzwischen wurden die Filme digitalisiert und neu

geschnitten. Die Qualität sollte dadurch verbessert sein. Die Referentin sollte auf einen eventuellen Qualitätsmangel vorab hinwei-sen und ihn damit begründen, dass die Aufnahmen vor über 15 Jahren und unter schwierigen Bedingungen gemacht wurden. Wich-tig ist, gleichzeitig zu betonen, welchen hohen Wert für die Weiterentwicklung der Tagespflege diese Dokumentationen haben.

2 Marks Mutter sah sich aufgrund ihrer aktuellen Arbeitssituation nicht imstande, während der Eingewöhnungszeit bei ihrem Kind zu blei-ben. Durch Kontakte zu dem zuständigen Jugendamt erfuhr das INFANS-Team von dieser Situation und bekam die Erlaubnis, die Video-aufnahmen zu machen. Marks Eingewöhnung wäre also – auch ohne die Aufnahmen – in jedem Fall so gelaufen wie im Film gezeigt.

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Um den Kontakt mit den Eltern von Anfang an in guteBahnen lenken zu können, sollten Sie folgende Vorbe-reitungen treffen:

• Nehmen Sie sich Zeit, um herauszufinden, ob Siesich mit diesen Eltern eine „Erziehungspartner-schaft“ vorstellen können. Auch wenn die aufge-wendete Zeit für die Gespräche nicht mit Geld ver-gütet wird, so macht sie sich später in der Beziehungzum Kind und seinen Eltern bezahlt.Vereinbaren Sie,wenn nötig, mehrere Gespräche, um alles abzu-klären.

• Auf jeden Fall sollte ein Erstkontakt mit Kind und El-tern zum gegenseitigen „Beschnuppern“ und da-nach – vorausgesetzt, Sie finden dies beiderseits er-strebenswert – ein Kennenlern-Gespräch mit denEltern stattfinden, in dem alle organisatorischen, fi-nanziellen und inhaltlichen Punkte besprochen undgeklärt werden.

• Führen Sie das Gespräch mit den Eltern ohne Kinder.Die Kontaktaufnahme zum Kind bzw. zu den Elternsind zwei unterschiedliche Bereiche, die, wenn Siesie zusammennehmen, zur Überforderung für alleBeteiligten führen. Kinder, die laut, quengelig, müde,hungrig usw. sind, lenken zu sehr von dem Gesprächab.

• Notieren Sie sich nach dem Gespräch unklare Aspek-te.Vielleicht haben Sie auch etwas vergessen zu fra-gen oder wollen auf jeden Fall noch die eine oder an-dere Meinung einer Freundin oder Kollegineinholen.

• Bitten Sie – wenn vorhanden – beide Eltern zum Ge-spräch. Sie müssen zu beiden einen guten Kontaktaufbauen und brauchen die Kooperationsbereit-schaft beider.

• Vielleicht geben Sie den Eltern die Möglichkeit, ei-nen Tag (zumindest Vormittag oder Nachmittag)mit ihrem Kind bei Ihnen zu hospitieren, d. h. die Ta-

gespflegestelle zu besuchen und mitzuerleben.Durch den Einblick in die Praxis fällt den Eltern (undauch Ihnen) die Entscheidung leichter, und Sie kön-nen sich noch über Fragen des Erziehungsalltagsaustauschen und abstimmen, bevor vertragliche Re-gelungen anstehen.

Folgende Themen sollten bei den Erstkontakten be-sprochen werden:

Betreuungszeiten Wöchentliche Arbeitszeit, Bringezeiten, Abholzeiten,mögliche (unmögliche) Ausnahmen von der Regel? DieTagesmutter ist nicht verpflichtet, die Kinder über dievereinbarte Arbeitszeit hinaus (inkl. eventuell Wegzeitfür Bringen und Abholen) zu betreuen. Machen Siedeutlich, dass die vereinbarten Betreuungszeiten ver-bindlich sind.

Urlaubs- und FerienzeitenMöglichst früh abstimmen; auch die Tagesmutter soll-te frühzeitig den Eltern die eigenen Urlaubspläne mit-teilen: Haben Sie jemanden, der Sie vertritt (auch imKrankheitsfall)?

Essens- und Schlafgewohnheiten des TageskindesWelche Kost bevorzugt das Tageskind? Stimmen dieVorstellungen von „gesunder Ernährung“ überein?Überempfindlichkeiten gegen bestimmte Nahrungs-mittel. Schlafzeiten und -mittel (Stofftier, Nuckel usw.).

Gesundheitszustand des Tageskindes Krankheiten, Allergien, Diäten, Medikamente usw.Was ist zu tun, wenn das Tageskind krank wird bzw.eine Allergie sich verschlimmert? Legen Sie schriftlich(vertraglich) fest, wenn die Eltern wollen, dass Sie demKind bestimmte Medikamente verabreichen. NehmenSie nach Möglichkeit keine infektionskranken (fiebri-gen) Tageskinder auf (Sie tragen für alle Kinder Verant-wortung). – Weisen Sie die Eltern darauf hin, dass diesaus Gründen der Ansteckungsgefahr nicht sinnvoll istund Sie dazu nicht verpflichtet sind.

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Erste Kontakte mit den Eltern (Sondierungsgespräche)

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Windeln Stoff- oder Papierwindel? Bringen Eltern Windeln undWäsche mit oder wird eine Extravergütung für die Win-deln und Wäsche vereinbart? Es liegt im Aufgabenbe-reich der Eltern, genügend Windeln und saubere Wä-sche bereitzuhalten. Wenn eine Tagesmutter davonabweicht, ist dies als Sondervereinbarung zu sehen.

ErziehungsvorstellungenUmgang mit schwierigen Erziehungssituationen, Ver-bote und Regeln, Sauberkeitserziehung des Kindes(falls nicht bereits abgeschlossen), Hygiene- und Rein-lichkeitsvorstellungen (Darf das Kind sich und seineKleidung schmutzig machen?).

HaustiereSofern im Haushalt der Tagesmutter vorhanden (we-gen möglicher Allergien oder sonstiger Bedenken derEltern).

Ansprech- und KontaktpersonenTelefonnummern und Adressen der Eltern (privat undberuflich), für den Notfall: Wenn das Kind krank wirdund abgeholt werden soll – wer soll angerufen werden?Welche Person darf sonst noch das Kind abholen (Na-me, Adresse, Telefon)?

Informationen an die ElternWie sieht der normale Tagesablauf aus? Wie viele Kin-der betreuen Sie, seit wann, Alter der anderen Tages-kinder/eigenen Kinder, Freizeitgestaltung mit den Kin-dern usw. (z. B. durch eine Infomappe, siehe unten)?

Weitere Punkte, die besprochen werden müssen, wennes zum Abschluss eines Betreuungsvertrages kommt(z. B. Vollmachten für ÄrztInnen, Ansprechpersonen inSchule …), siehe Thema/Veranstaltung „Betreuungs-vertrag“.

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Das Konzept der „Bindung“ stammt aus der Psychologie und versucht, das Entstehen und die Wirkungsweise derwichtigsten emotionalen Beziehungen zwischen Menschen zu erklären. Als „Bindung“ wird dabei das dauerhaf-te emotionale Band zwischen zwei Menschen bezeichnet. Die Bindungsforschung hat in den zurückliegendenJahren in Wissenschaft und Praxis viel Aufmerksamkeit erfahren. Wichtige Ergebnisse der Bindungsforschungsind: 1. Positiver enger Kontakt zwischen einem Säugling und mindestens einer nahen Bezugsperson lässt ihn psy-chische Sicherheit erleben. 2. Die frühe Erfahrung von Bindung beeinflusst die spätere seelische Gesundheit ei-nes Menschen, seine Beziehungsfähigkeit und seine Widerstandsfähigkeit gegen Stress.

Was Bindungsforscherinnen und -forscher noch herausgefunden haben: Am Lebensbeginn entsteht zwischenKind und Mutter eine sehr enge Beziehung. Das biologische Programm ist darauf ausgerichtet, dass das Kind sichin dieser nahen Beziehung möglichst gut geschützt entwickeln kann. Die Verhaltensweisen, die dem Kind er-möglichen, Bindungen zu einer oder einigen wenigen Bindungspersonen in Gang zu setzen, bringt ein Kind schonbei der Geburt mit. Durch die Signale, die es aussendet, hat das Kind in der Bindungsbeziehung einen sehr akti-ven Part. Es bindet sich nicht nur an die Mutter, die es nährt und seine leib-lichen und seelischen Bedürfnisse be-friedigt, sondern auch andere Personen, die regelmäßig für es da sind, die es versorgen und beschützen.

Wie sich Bindung entwickeltIn den ersten Lebensmonaten zeigen Säuglinge ihr Bedürfnis nach Nähe und Sicherheit durch eine vertraute Per-son, indem sie weinen und sich anklammern. Durch liebevollen Körperkontakt lässt sich das Kind beruhigen. ImLaufe des ersten Lebensjahres wird das Bindungsverhalten zunehmend komplexer. Immer wenn das Kind Fremd-heit, Angst oder Unwohlsein empfindet, wird dieses Bindungsverhalten erkennbar. Durch die Nähe einer Bin-dungsperson, durch Körperkontakt mit ihr und durch das vertraute Miteinander wird die Erregung gelöst, Beru-higung tritt ein.

Zu den Bindungssignalen gehört das sogenannte „differenzierende“ Weinen: Das Baby weint, wenn es von je-mand anderem gehalten wird und hört sofort auf, sobald es die Mutter aufnimmt. Ähnlich verhält es sich mitdem differenzierenden Lächeln und Vokalisieren: Das Baby lächelt in der Interaktion mit der Mutter deutlich mehrund gibt mehr Laute von sich, als im Kontakt mit anderen Personen. Auch das Weinen, wenn die Mutter weggeht,ist ein Bindungssignal. Wenn das Baby nicht bei der Mutter ist, diese sich aber in seinem Gesichtsfeld befindet,kann man beobachten, dass das Baby seine Blickrichtung und seine Bewegungen in Richtung der Mutter orien-tiert. Ebenfalls Ausdruck von Bindungsverhalten ist es, wenn das Kind sich durch Nachfolgen, Klammern und ähn-liche Bewegungen seiner Bindungsperson körperlich annähert. Auch das Begrüßungsverhalten nach einer Tren-nung von der Bindungsperson wird als Bindungsverhalten gewertet: Dazu gehören z. B. Anlächeln, die Arme zumGrüßen entgegenstrecken oder in die Hände klatschen und freudige Laute äußern.

Die meisten Kinder entwickeln in den ersten neun Lebensmonaten Bindungen gegenüber Personen, die sich dau-erhaft um sie kümmern. Bei uns sind dies in aller Regel die Mutter und der Vater.Wenn ein Kind regelmäßig meh-rere Stunden am Tag bei seiner Tagesmutter verbringt, von ihr versorgt und verpflegt wird, mit ihr spielt und viel-leicht auch bei ihr schläft, wird sich zwischen den beiden ebenfalls eine bedeutungsvolle Beziehung, eineBindung, entwickeln.

Idealtypisch wächst Bindung in vier Phasen mit teilweise fließenden Übergängen: In der ersten Phase (0–3 Mo-nate) zeigt sich das Baby ansprechbar auf alle Personen, die sich ihm nähern und macht keine erkennbar großenUnterschiede. In der zweiten Phase (3–6 Monate) richtet das Baby seine Orientierung und Signale vermehrt auf

„Bindung“ – ein wichtiges Konzeptfür die Kindertagespflege

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eine oder mehrere besondere Personen, spricht aber weiterhin auch auf andere Personen an. In der dritten Pha-se (6–9 Monate) versucht das Baby aktiver, die Nähe zu den besonderen Personen durch Bewegung, Signale undKommunikation aufrechtzuerhalten. Es zeigt jetzt eine deutliche Bindung an die Mutter und reduziert die Freund-lichkeit gegenüber anderen Personen. Diese Phase wird schnell durch eine vierte Phase (8–12 Monate) der Bin-dung an eine oder mehrere bekannte Personen über die Mutter hinaus, abgelöst. Etwa um diese Zeit zeigen man-che Babys Angst vor Fremden, sie „fremdeln“. Babys, die an den nahen Kontakt mit einer anderen Person als derMutter gewöhnt sind, tolerieren fremde Personen eher, obwohl sie vielleicht zunächst dagegen protestieren,wenn die Mutter weggeht (Becker-Stoll 2007).

Die Feinfühligkeit von Erwachsenen ist wichtigWenn Kinder sofort nach der Geburt beginnen, Signale zu geben, mit denen sie ihr Bedürfnis nach Bindung kund-tun, müssen Erwachsene bereit und fähig sein, feinfühlig darauf zu reagieren. Nur so kann sich Bindung ent-wickeln. Feinfühlige Bindungspersonen können sich in die Lage des Kindes versetzen und es als eigenständigePerson mit eigenen Bedürfnissen und Absichten anerkennen. Feinfühliges Verhalten gegenüber einem Säuglingoder einem Kleinkind bedeutet:

– Die Signale des Kindes wahrnehmen,– sie richtig interpretieren und – prompt sowie– angemessen darauf zu reagieren.

Feinfühliges Verhalten bedeutet auch, das Bedürfnis des Kindes nach Selbstbestimmung zu respektieren. DieFeinabstimmung zwischen Unterstützung einerseits und dem Zugestehen von Autonomie andererseits wird mitzunehmendem Alter des Kindes wichtiger. Feinfühlige Bezugspersonen erkennen auch, dass Kinder – je nachdem,mit welchem Temperament sie ausgestattet sind – unterschiedlich leicht oder schwer Beziehungen zu anderenPersonen aufbauen können. Gerade diejenigen Kinder, die Herzen nicht im Sturm erobern, brauchen feinfühligeBezugspersonen, um Vertrauen fassen und sich angenommen fühlen zu können. Feinfühligkeit ist übrigens keinangeborenes Talent. Man kann Feinfühligkeit üben – eine Bereitschaft zu wacher Aufmerksamkeit ist dazu Vo-raussetzung.

Bindung hat große Bedeutung für LernprozesseDas ergänzende, komplementäre Verhalten zu „Bindung“, sozusagen die andere Seite der Medaille, ist die soge-nannte „Exploration“. Damit ist das Erkunden der Welt im weitesten Sinne gemeint, das Lernen und Forschen.Hat ein Baby oder Kleinkind zu einer Person eine Bindung aufgebaut, fühlt es sich sicher und kann von der „si-cheren Basis“ aus, die die Bindungsperson bietet, seine Umwelt untersuchen – es zeigt dann Explorationsver-halten. Kommt das Kind bei seinen Erkundungsversuchen in eine Überforderungssituation (Erschrecken, Angst,Müdigkeit, Schmerz, Hunger, Unwohlsein), wird sein Bindungsverhalten aktiviert: Es kehrt zur „sicheren Basis“zurück. Bindung und emotionale Sicherheit sind also Voraussetzungen für Lernen. Ein Kind, das in seinen er-wachsenen Bezugspersonen keine Sicherheit und positive Bestätigung erfährt, ist nicht frei, uneingeschränkt zuexplorieren und zu lernen.

Die Bindungsforscherinnen und -forscher sagen, dass auch die kognitive Entwicklung, also die Entwicklung desDenkens und der Intelligenz, maßgeblich von den Personen mitgetragen wird, zu denen das Kind Vertrauen auf-gebaut hat. Denn sie helfen dem Kind nicht nur, mit emotional belastenden Situationen fertig zu werden. Sie un-terstützen das Kind auch dabei, die Grenzen seiner Handlungsfähigkeit zu überwinden. Das bedeutet, dass siedem Kind genau die Hilfe liefern, die es braucht, wenn sein Können und Wissen noch nicht ausreicht, um eineAufgabe zu lösen oder eine Situation selbstständig zu meistern. So bereiten sie vor, dass das Kind in Zukunftselbstständig handeln kann. Sie regen es zum Lernen an.

Das Konzept der „feinfühligen Herausforderung im Spiel“ geht davon aus, dass ein erwachsener Spielpartner nichtnur auf die Bindungsbedürfnisse des Kindes eingeht, sondern ebenso feinfühlig die Neugier, die Exploration und

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die praktische Gewandtheit des Kindes unterstützt ohne es zu überfordern. Bei feinfühliger Herausforderunglässt das Kind die beobachtende Person deutlich erkennen, dass es das Werk selbst gemacht und so gewollt hat.Eine gesunde Entwicklung über den Lebenslauf braucht beides: sowohl die Sicherheit der Exploration als auchSicherheit der Bindung. Feinfühliges Verhalten gegenüber einem Kind fördert die Befriedigung dreier menschli-cher Grundbedürfnisse: Das Bedürfnis nach Bindung, nach Kompetenz und nach Autonomie (Becker-Stoll, 2007).

Kinder können Bindungsbeziehungen zu mehreren Personen entwickelnDie Beobachtungen aus der Bindungsforschung legen nahe, dass die Bindung an andere Personen meist sehrschnell auf die Bindung an die Mutter folgt. Voraussetzung ist, das Kind hat entsprechende Gelegenheiten, mitanderen Personen außer seiner Mutter regelmäßig in nahem Kontakt zu sein. Zur gleichen Zeit, zu der seine Bin-dung an die Mutter in Tiefe und Stärke wächst, wird seine generelle Fähigkeit zur Bindung umfassender. Belegtist inzwischen: Babys und Kleinkinder können Bindungsbeziehungen zu mehreren Personen entwickeln. DieseBeziehungen sind unabhängig voneinander. Das heißt, ein Kind unterscheidet nicht nur zwischen den verschie-denen Bindungspersonen, sondern jede dieser Bindungen wird für sich aufgebaut und die Bindungsbeziehun-gen sind von unterschiedlicher Qualität. Bindungspersonen können neben den Eltern z. B. die Großeltern, Tages-mütter oder Erzieherinnen in der Tageseinrichtung sein.

Lange Zeit war die Auffassung weit verbreitet, dass Babys und Kleinkinder sich nur dann optimal entwickeln kön-nen, wenn sie die ersten Lebensjahre ausschließlich in der Obhut ihrer Mutter verbringen. Heute weiß man, ei-ne gute Eltern-Kind-Bindung wird durch die Betreuung des kleinen Kindes in einer Kindertagesstätte oder bei ei-ner Tagesmutter nicht verschlechtert. Dagegen unterstützen sichere Bindungsbeziehungen auch außerhalb derFamilie das Kind dabei, befriedigende soziale Interaktionen mit anderen Erwachsenen und Kindern zu gestalten– eine wichtige Grundlage für seine seelische Gesundheit. Aus der Sicht der Bindungsforschung spricht heutenichts mehr gegen eine frühe Betreuung eines Kindes außerhalb der Familie, wenn die Qualität stimmt.

Tagesmütter und Erzieherinnen als BindungspersonenDer Aufbau von Bindungsbeziehungen außerhalb des vertrauten familiären Netzes stellt eine eigene Entwick-lungsaufgabe für Kleinkinder dar. Am Beispiel einer Schlüsselsituation im Bezug auf die Bindungsbeziehung –die Eingewöhnung – ist davon bereits die Rede gewesen. Wenn ein Kind regelmäßig außerhalb der Familie be-treut wird und dort Zuwendung, Nähe und Fürsorge erlebt, entwickelt sich zwischen ihm und der Tagesmutteroder der Erzieherin ebenfalls eine Bindungsbeziehung. Das Kind lässt sich dann von ihr leiten und anregen, wen-det sich ihr auch in belastenden Situationen zu, lässt sich von ihr trösten und gewinnt Sicherheit aus ihrer Nähe.Die Beziehung des Kindes zu seiner Tagesmutter (oder seiner Erzieherin) ist jedoch kein Abbild der jeweiligen Mut-ter-Kind-Beziehung, sondern hat eine eigene Qualität. Sie ersetzt auch nicht die Mutter-Kind-Beziehung. BeideBeziehungen können nebeneinander bestehen. Mit diesem Wissen kann sich jede Mutter entspannen: Sie kannsich sicher sein, dass die Beziehung zwischen ihrem Kind und seiner Betreuerin ihrer eigenen Beziehung zu ihremKind nichts nimmt. Sie muss keine Angst um ihre Bedeutung als Mutter im Leben ihres Kindes haben. Auch dieTagesmutter kann eventuelle Ansprüche an sich selbst zurückfahren: Sie muss die Mutter nicht nur nicht erset-zen, sie kann sie gar nicht ersetzen. Das Bewusstsein um diese Tatsache kann die Zusammenarbeit beidseitigenorm entlasten (s. dazu auch die spätere Fortbildungsveranstaltung zum Thema „Mutterrollen in der Ta-gespflege“). Die Tagesmutter muss sich dennoch immer ganz auf das jeweilige Kind einlassen.

Lieselotte Ahnert, eine bekannte Bindungsforscherin, hat fünf Merkmale beschrieben, die eine gute Beziehungzwischen Betreuerin und Kind kennzeichnen (2007):– Zuwendung: Die Kommunikation ist emotional warm, Tagesmutter und Kind spüren Freude am Miteinander.– Sicherheit: Auch bei eigenaktiven Tätigkeiten des Kindes ist die Tagesmutter verfügbar.– Stressreduktion: In misslicher Lage spendet die Tagesmutter Trost und Unterstützung.– Explorationsunterstützung: Die Tagesmutter ermutigt das Kind und bietet ihm Rückversicherung, wenn es

überfordert ist oder an seine Grenzen kommt.– Assistenz: Bei schwierigen Aufgaben unterstützt sie das Kind, so dass es seine Kompetenzen erweitern kann.

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Insbesondere Zuwendung, Assistenz und Explorationsunterstützung behalten bis zur Vorschulzeit einen hohenStellenwert in der Beziehungsqualität.Feinfühligkeit ist auch hier eine wichtige Eigenschaft, aber es gibt einen wichtigen Unterschied zur Mutter-Kind-Beziehung: Erzieherinnen und auch Tagesmütter müssen nicht nur zu jedem Kind eine Bindungsbeziehung auf-bauen, sondern auch das Klima in der ganzen Gruppe im Blick behalten und mit den ihr innewohnenden Dyna-miken angemessen umgehen. Das ist eine komplexe Aufgabe, denn die wichtigsten Bedürfnisse eines jedenKindes müssen im Einklang mit den Bedürfnissen der Gruppe zum richtigen Zeitpunkt erfüllt werden.Tagesmütter, die in aller Regel mit kleineren Gruppen als Erzieherinnen arbeiten, haben hier günstige Bedin-gungen. Wie die Aufgabe der Beziehungsgestaltung mit den Gruppenerfordernissen in Einklang gebracht wer-den kann, macht das Beispiel der pädagogischen Arbeit im Kinderheim von Emmi Pikler ganz konkret anschau-lich.

LiteraturAhnert, L. (2006): Bindung und Bildung. Multiple Betreuungserfahrungen – multiple Bindungserfahrungen. Auf der CD-ROM mit Fach-beiträgen in: Bertelsmann Stiftung, Staatsinstitut für Frühpädagogik (Hrsg.) (2006): Wach, neugierig, klug – Kinder unter 3. Ein Me-dienpaket für Kitas, Tagespflege und Spielgruppen. Gütersloh: Verlag Bertelsmann StiftungAhnert, L. (2007): Von der Mutter – Kind- zur Erzieherinnen – Kind-Bindung? In: F. Becker-Stoll & M. R. Textor (Hrsg.): Die Erzieherin–Kind-Beziehung. Zentrum von Bildung und Erziehung. Berlin, Mannheim: Cornelsen Scriptor Becker-Stoll, F. (2007): Eltern-Kind-Bindung und kindliche Entwicklung. In: F. Becker-Stoll & M. R. Textor (Hrsg.): Die Erzieherin–Kind-Beziehung. Zentrum von Bildung und Erziehung. Berlin, Mannheim: Cornelsen Scriptor

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Die Beobachtungen und Auswertungen von Fortbil-dungsveranstaltungen im Modellprojekt „Qualifizie-rung in der Tagespflege“ haben gezeigt, dass ent-wicklungspsychologische Themen besondere Auf-merksamkeit in der Vermittlung brauchen.

Obwohl die Tagesmütter über eine Menge eigener Er-fahrungen dazu verfügen, erkennen sie ihren Alltagund ihre Beobachtungen in den abstrakten und diffe-renzierten wissenschaftlichen Begriffen und Erkennt-nissen häufig nicht wieder (vgl. z. B. das Standardlehr-buch „Entwicklungspsychologie“ von Oerter/Montada2002).

Es gibt eine Vielzahl wichtiger Entwicklungsaufgabenim Kleinkindalter. In der bekannten Entwicklungsta-belle von Beller (20051) wird zwischen den BereichenSprache, Kognition, Grobmotorik, Feinmotorik, Selbst-ständigkeit in Körperpflege, Umgebungsbewusstsein,sozialemotionale Entwicklung und Spieltätigkeit un-terschieden.Wenn alle diese Themen gedrängt in einerFortbildungsveranstaltung unter dem Überbegriff„Entwicklung“ besprochen werden, entsteht eine In-formationsfülle, in der die zentralen Botschaften leichtuntergehen. Die Teilnehmerinnen gaben im Modell-projekt zur Erstellung des Tagespflege-Curriculums beisolchen Veranstaltungen häufig das Feedback „zutheoretisch“ und konnten den Bezug zu ihrer Praxisnicht herstellen.

Ein großes Problem besteht außerdem darin, dass inallen Entwicklungstabellen zeitliche Angaben ge-macht werden, bis wann Kinder einen bestimmtenEntwicklungsschritt erreicht haben sollten. Es handeltsich dabei um empirisch ermittelte Durchschnitts-

werte. Allerdings wird im Allgemeinen nicht mitge-teilt, welche Abweichungen von diesem Durchschnittnoch als „normal“ gelten können. Eltern und Tages-mütter, deren (Tages-)Kinder in ihrer Entwicklung denDurchschnittswerten nicht entsprechen, werdendurch solche Informationen in Sorge versetzt. Die oh-nehin sehr häufig vorhandene und belastende Kon-kurrenz zwischen Eltern – „Mein Kind kann das schon,Ihres etwa nicht?“ – erhält dadurch zusätzliche Nah-rung.

In den Veranstaltungen, die im Modellprojekt ausge-wertet wurden, führte dies mehrfach dazu, dass ei-nerseits die einzelnen Entwicklungsschritte anhandvon Tabellen detailliert durchgenommen wurden, aberandererseits gesagt wurde, dass die Tagesmutter diejeweiligen Zeitangaben auf keinen Fall zu ernst neh-men dürfte, da jede Entwicklung anders verlaufe. Die-se „Doppelbotschaft“ verwirrte die Tagesmütter eherals dass sie ihnen half. Um die darin enthaltene Kom-plexität zu reduzieren, spielten z. B. bei der Bearbei-tung von Fallbeispielen dann doch die festen Zeitan-gaben in den Tabellen eine große Rolle und dieTagesmütter fragten nicht mehr nach der individuel-len Entwicklung des jeweiligen Kindes.

Im DJI-Curriculum wurden aus diesen Beobachtungenzwei Folgerungen gezogen:1. Fachübergreifende Themenbearbeitung (vgl. Weiß2001, S. 101): Das Thema „Entwicklungspsychologie“wird nicht isoliert und in seinem ganzen Umfang vor-gestellt, sondern nach Möglichkeit in die jeweiligenpraxisbezogenen Themen integriert. So wird z. B. beiden Themen „Kontakt und soziale Beziehungen imSpiel“ und „Die Beziehungen zum Tageskind positiv ge-

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Entwickelt sich das Kind gut?Woran erkenne ich das?

1. Einleitende Bemerkungen zum Thema „Entwicklungspsychologie“ in der Fortbildung von Tagesmüttern

Anmerkung1 Die Entwicklungstabelle ist ein Beobachtungsinstrument, das lange Zeit in Krippen und Kindergärten eingesetzt wurde. Sein Ziel ist

es, ein differenziertes Bild über die Entwicklung eines Kindes zu bekommen. Besonders interessiert das „Profil oder Muster von Ent-wicklungsstärken und Schwächen eines Kindes“ als Ausgangspunkt für „individuelles differenziertes pädagogisches Planen“ (Beller2005, S. 3). Um die Entwicklungstabelle kompetent anwenden und daraus Folgerungen für die Förderung eines Kindes ziehen zu kön-nen, ist eine eigene Fortbildung notwendig.

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stalten“ auch auf Fragen der sozial-emotionalen Ent-wicklung von Kindern eingegangen.

2. Statt Stofffülle Konzentration auf einige wichtige„Botschaften“: In der vorliegenden Veranstaltung „Einegute Entwicklung – was gehört dazu?“ wird, ausge-

hend von den Erfahrungen der Teilnehmerinnen, vorallem herausgearbeitet, dass inter- und intraindividu-elle Unterschiede zwischen Kindern normal sind unddass es eher um Schatz- als um Fehlersuche bei derBegleitung der kindlichen Entwicklung gehen muss(s. Tagesmütter-Info).

2. Entwickelt sich das Kind gut? Woran erkenne ich das? Zur Einführung des Themas in der Veranstaltung

Gerade im Kleinkindalter haben Eltern und andere Be-zugspersonen eines Kindes – also auch Tagesmütter –leicht die Sorge, dass in der Entwicklung des Kindes et-was „schief“ gehen könnte. Sie möchten deshalb inBüchern nachlesen oder von Fachleuten erfahren kön-nen, welche Entwicklung eigentlich „normal“ ist undworan man das erkennt. Die Antworten waren früherhäufig unbefriedigend für sie. Einerseits waren die Er-klärungen oft sehr theoretisch und schwer verständ-lich, sodass Eltern und andere Bezugspersonen wie Tagesmütter sie gar nicht mit ihrem bereits vorhande-nen Wissen und ihren Erfahrungen verbinden konn-ten. Andererseits trafen die Antworten oft nicht zu,weil sie schematisch gegeben und dadurch dem Ein-zelfall nicht gerecht wurden. Das ändert sich nun lang-sam. Mit der zunehmenden Bedeutung des Themas„Bildung in der frühen Kindheit“ gibt es auch mehrpraxisbezogene und verständliche Literatur zur Ent-wicklungspsychologie. Das Wissen dazu wird an-schaulicher vermittelt (s. z. B. Merz/Schmidt: Lern-schritte ins Leben 2007).

In dieser Fortbildungsveranstaltung wird folgenderWeg gegangen: Die Teilnehmerinnen werden gebeten,zunächst ihre eigenen Erfahrungen und Kenntnissezusammenzutragen. Sie sind ja in gewisser Weise Ex-pertinnen für die Entwicklung von eigenen und even-tuell auch (Tages-)Kindern. Danach kann gefragt wer-

den: Worin bestehen bei uns noch Unsicherheiten,worüber möchten wir uns austauschen und Informa-tionen bekommen?

Für die Arbeitsgruppen wurden drei Entwicklungsauf-gaben herausgesucht, zu denen es im Kleinkindalterbesonders häufig Fragen und auch elterliche Sorgenwegen eventueller Verzögerungen gibt: das Laufenler-nen, das Sauberwerden und das Sprechenlernen (Aufdas Sprechenlernen wird in der Veranstaltung Nr. 25„Bildungsthemen und Bildungspläne“ noch einmalvertieft eingegangen, es muss an dieser Stelle alsonicht erschöpfend behandelt werden). An diesen The-men soll beispielhaft herausgearbeitet werden, wasunter einer guten Entwicklung zu verstehen ist undwas Eltern und andere Bezugspersonen dazu beitra-gen können.

LiteraturBeller, E. K. & Beller, S. (2005): „Kuno Bellers Entwicklungstabelle“. Bezug: www.beller-und-beller.de/entwicklungstabelle1.htmlBeller, E. K. (2002). Die Förderung frühkindlicher Entwicklung im Alter von 0–3 Jahren. In: Oerter, Rolf/Montada, Leo: Entwicklungspsy-chologie. Ein Lehrbuch, 5. vollst. überarbeitete Auflage, Weinheim: BeltzMerz, Christine/Schmidt, Hartmut W. (2007): Lernschritte ins Leben. Entwicklungspsychologische Stationen in Bildern. Freiburg: Her-derWeiss, Karin (2001): Zentrale Gütemerkmale für die Qualifizierung in der Tagespflege. In: Keimeleder, Lis/Schumann, Marianne/Stem-pinski, Susanne/Weiß, Karin: Fortbildung für Tagesmütter. Konzepte – Inhalte – Methoden. Opladen: Leske + Budrich, S. 73 – 112. Das Buchist im Buchhandel vergriffen. Es ist im Internet herunterzuladen unter: www.dji.de/bibs/fortbildungfuertagesmuetter.pdf

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Eine Tagesmutter hat es meist mit einer Gruppe von ei-genen und Tageskindern unterschiedlichen Alters undTemperamentes zu tun. Sie muss im Alltag denÜberblick über das Ganze behalten, aber sich ebenso ei-nen Eindruck von der Situation der einzelnen Kinder ver-schaffen (Verhalten,Gefühlswelt,Entwicklung usw.),da-mit sie das einzelne Kind individuell unterstützen undfördern kann. Dazu ist es notwendig, (Tages-)Kinder zubeobachten, d. h. die eigene Wahrnehmung vorüberge-hend bewusst auf ein Kind zu konzentrieren:

• Kinder zu beobachten heißt, Kinder zu beachten.

• Das Kind spürt das Interesse und die aufmerksameZuwendung der Tagesmutter und wird dadurch inseinem Selbstwertgefühl gestärkt.

• Durch den bewussten Beobachtungskontakt kanndie Tagesmutter eine intensivere und positive Be-ziehung zum Tageskind aufbauen.

• Bewusstes Hinsehen kann helfen, ein neues Tages-kind und seinen Entwicklungsstand kennenzuler-nen, was besonders in der Eingewöhnungszeitwichtig ist, um einen guten Zugang zum Tageskindzu finden.

• Die Tagesmutter findet heraus, wie sich Tages-kind(er) und das eigene Kind bzw. die eigenen Kin-der miteinander vertragen.

• Veränderungen und Entwicklungen in den Persön-lichkeiten der Kinder können besser wahrgenom-men werden.

• Beobachtung hilft, im Kontakt mit kindlichen Inte-ressen und Bedürfnissen zu stehen und die Aufga-be als „Entwicklungsassistentin“ besser zu erfüllen,indem Angebote und Anregungen besser den indi-viduellen Interessen und Bedürfnissen der Kinderangepasst werden.

• Die Tagesmutter kann wahrnehmen, dass Kinder Si-tuationen und Dinge manchmal anders deuten unddarauf anders reagieren, als sie selbst als Erwach-sene dies tut.

• Spielmaterial und Spielumgebung, Wohnungsein-richtung und räumliche Ausstattung lassen sich sobesser daraufhin einschätzen, ob sie angemessenund bedürfnisgerecht sind.

• Die Tagesmutter tut sich leichter, Situationen ausder Perspektive der Kinder zu verstehen. Sie lerntdurch bewusstes Beobachten der kindlichen Reak-tionen, ihr erzieherisches Verhalten zu überdenkenund gegebenenfalls anzupassen.

• Die Tagesmutter lernt das Kind besser kennen: Beider Beobachtung geraten auch die positiven Eigen-schaften des Kindes ins Blickfeld, während sich imAlltag oft vieles um die Schwierigkeiten mit Kin-dern dreht.

• Beobachtung erfüllt „theoretisches Wissen“ mitpraktischem Leben. Das Verständnis für die Weltaus der Sicht von Kindern, für kindliches Erlebenund Verhalten wird größer.

• Die Tagesmutter kann den Eltern bestimmte Situa-tionen oder Entwicklungen schildern und sie so amLeben des Tageskindes teilhaben lassen. Der Kon-takt zu den Eltern wird dadurch gefördert und esfindet ein Austausch statt. Bei anstehenden Ent-scheidungen können die Ergebnisse der Beobach-tungen hilfreich sein, z. B. bei Fragen bezüglich derSchulreife.

• Die Tagesmutter kann ihr pädagogisches Handelngegenüber den Eltern besser begründen und an-hand von Situationen erläutern. Dadurch wird daspädagogische Konzept der Tagesmutter anschau-lich für die Eltern.

BeobAchten von Kindern

Warum es wichtig ist, dass Tagesmütter ihre (Tages-)Kinder beobachten und bewusst wahrnehmen:

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Austausch mit anderen, z. B. im Rahmen der Fortbil-dung und/oder in regelmäßigen Gesprächskreisen, istfür die gedankliche Verarbeitung von Beobachtungensehr wichtig. Durch den Austausch von Erfahrungenmit anderen ergeben sich neue Gesichtspunkte, dereigene Standpunkt und die eigene Sicht auf die Dingekann überdacht werden. Nicht zuletzt ist auch die„Selbstbeobachtung“ als Tagesmutter ein wichtigerSchritt, eigene „blinde Flecke“ zu erkennen und im Kon-takt mit Kindern z. B. „sicherer“ und klarer zu werden.Darüber hinaus ist zu bedenken:

• Die Beobachtungshaltung der Tagesmutter sollteimmer Wertschätzung und Achtung für das Kindund die kindlichen Leistungen zum Ausdruck brin-gen. Kinder sind aufmerksame Beobachter undDeuter und erkennen, ob jemand interessiertschaut oder z. B. nachforscht, ob bestimmte Abma-chungen eingehalten wurden.

• Kinder haben ein Recht auf Privatsphäre. Die kindli-chen Grenzen sind zu beachten, auch oder geradebeim Beobachten des Kindes. Die Tagesmuttermuss sich vergewissern, ob ein Kind aufmerksamund interessiert ist, oder ob es lieber in Ruhe gelas-sen werden will bzw. sich „beobachtet fühlt“, irri-tiert ist oder das Verhalten der Tagesmutter als un-angenehm empfindet.

• Erklären Sie, was Sie machen: dass Sie interessiertsind an dem Geschehen, aber z. B. nur zuschauenund nicht mitspielen wollen. Eine ungeklärte Situa-tion führt dazu, dass die Kinder sich mit der Beob-achtungssituation beschäftigen und nicht mehrihrem Spiel nachgehen.

• Nehmen Sie sich die Zeit, die sie brauchen, aber neh-men Sie sich nicht mehr Zeit als Sie wirklich haben.Wenn Sie ständig auf die Uhr blicken müssen, ist Ih-re Aufmerksamkeit nicht bei den Kindern.

• Beobachten heißt nicht beurteilen. Urteilen und in-terpretieren Sie nicht vorschnell. Sie sehen mögli-cherweise nur den Ausschnitt einer komplexen Si-tuation, deren vorausgegangene Abschnitte Sienicht kennen (häufig werden Konflikte zwischenKindern von den Erwachsenen aus diesem Grundfalsch gedeutet). Bemühen Sie sich um eine unvor-eingenommene Sicht, dann werden Sie Beobach-tungen machen und Seiten Ihrer (Tages-)Kinderentdecken, die Ihnen möglicherweise vorher nieaufgefallen sind. Wichtig in diesem Zusammen-hang ist auch, nicht vorschnell in das Gescheheneinzugreifen (z. B. bei Konflikten).

• Kleine Kinder im vorsprachlichen Alter teilen sichzwar mithilfe der Stimme, aber vor allem durch Kör-persprache mit. Dies bedeutet, dass die Tagesmut-ter mehr auf die Körpersprache achten muss. Meistsind wir Erwachsenen zu sehr auf die verbale Spra-che fixiert, die Körpersprache entgeht oft unsererAufmerksamkeit.

• Es ist wichtig, sich immer wieder im Arbeitsalltagdie Zeit zu nehmen, sich auf diesen Prozess des ge-nauen Hinsehens einlassen zu können, um den (Ta-ges-)Kindern diese Form der Aufmerksamkeit undBeachtung zu schenken, denn: Beobachtung ist Be-achtung. Sowohl Kinder als auch Tagesmutter ha-ben einen Nutzen davon. Kinder fühlen sich wichtigund ernst genommen, genießen die Aufmerksam-keit der Erwachsenen. Und die Erwachsenen gelan-gen zu einem besseren Verständnis des kindlichenVerhaltens.

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Regeln für das Beobachten von Kindern

Schriftliche Notizen – Dokumentation

Manchmal nützt es, sich Notizen zu machen. Diese können als Gedächtnisstütze dienen, einen Verlauf (z. B. inder Sprachentwicklung oder bei Konflikten zwischen Kindern) dokumentieren oder eine Hilfestellung für dasnächste Gespräch mit den Eltern sein. Aufzeichnungen von Beobachtungen sollten nicht zeitaufwändig sein. EinBeispiel stellt das Tagebuch oder Logbuch dar, in das eingetragen werden kann, was von den Tagesereignissenin Erinnerung geblieben ist. Dies können besondere Ereignisse oder auch alltägliche Szenen sein. Die Eintra-gungen sollen kurz sein und nicht mehr als ca. 5 Minuten in Anspruch nehmen. Die sprachliche Gestaltung und„gute“ Formulierungen sind nicht wichtig.

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Beispiel für eine Tagebuchseite:Heute Morgen: Mein erster Arbeitstag nach den Ferien; ich wurde mit Informationen überschüttet.Selda und Melike ganz „versunken“ in der Bauecke. Sie bauten aus Lego eine Küche für ihre Barbies. Ich glaube,sie hatten um sich herum alles vergessen!Christoph durfte seinen Ziegelstein nicht mit nach Hause nehmen (schade)!Henrike hatte Felix in der Mangel, kratzte ihm ins Gesicht.Ärger mit Grundstücksnachbarin: Kinder haben Steine „rübergeschmissen“.Unsere Pappröhren waren heute Kanonen und Ferngläser.

Die Vorteile des Tagebuches: Die Tagesmutter schult ihre Wahrnehmung und übt sich darin, Dinge mehr zu be-schreiben als zu bewerten. Sie kann es aufgrund des geringen Aufwands leicht als tägliches Element in den Ar-beitsalltag einbauen und sie erhält einen zeitlichen Überblick über Situationen und Ereignisse. Dies kann hel-fen, einen Verlauf nachzuzeichnen oder bestimmten Fragen nachzugehen, z. B.: Welche Lernfortschritte machtdas Kind gerade? Wo zeigt es unsicheres oder ängstliches Verhalten und braucht Zuwendung und Ermutigung?Womit hat es Erfolgserlebnisse, worin braucht es Bestätigung und wo Unterstützung und Anregung? Wo ist ärzt-licher Rat und Hilfe nötig, weil eine Weiterentwicklung von alleine sich nicht einstellt? Wie ist sein Verhalten inbestimmten Situationen, mit bestimmten Personen usw.

Worauf soll ich achten?

Beobachtung von Kindern soll kein Hochleistungsakt sein, sondern Ihnen und den Kindern Spaß machen. Wol-len Sie ein Kind erst einmal kennenlernen, dann werden Sie versuchen, das Kind in seiner gesamten Persönlich-keit wahrzunehmen. Wollen Sie etwas über den Entwicklungsstand oder über das Verhalten eines bestimmtenKindes lernen, nehmen Sie sich nur einen kleinen Ausschnitt oder ein Thema vor, z. B.:

Spielverhalten und -kontakte• Spielt das Kind lieber alleine oder mit anderen Kindern?• Lässt es sich gern zum Spielen einladen oder geht es selbst auf andere zu? Fragt das Kind oft andere, was

es spielen soll?• Hat das Kind Lieblingsspiele? Wie groß ist das Spektrum der Spiele bzw. Beschäftigungen?• Wie verhält es sich während des Spiels? Spielt es konzentriert, kreativ, mit Spaß oder leistungsorientiert?

Wie verhält es sich, wenn es verliert? Wie verhält es sich, wenn andere verlieren? Bleibt es bei der Sacheund den Abmachungen? Hält es Regeln ein? Usw.

Kontakt zwischen Tageskind und eigenem Kind• Wer nimmt mit wem Kontakt auf und auf welche Weise?• Wie reagiert der/die andere auf den Kontaktversuch?• Wie werden Auseinandersetzungen geführt und mit welchem Resultat?• Sind Hilfestellungen und Anteilnahme zwischen beiden zu beobachten? Bei welchen Gelegenheiten?• Werden Gegenstände, Spielmaterialien miteinander ausgetauscht? • Welche Rollen nehmen die Kinder im Spiel ein? Usw.

LiteraturSträtz, Rainer/Demandewitz, Helga (2000): Beobachten. Anregungen für Erzieherinnen im Kindergarten. Herausgegeben vom Sozial-pädagogischen Institut NRW – Landesinstitut für Kinder, Jugend und Familie. Münster: Votum Verlag. Seite 103.

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Verhalten bei Auseinandersetzungen• Bei welcher Gelegenheit, an welchem Ort, zu welcher Zeit ergeben sich besonders häufig Konflikte?• Welche Mittel werden im Verlauf des Konflikts eingesetzt? Werden die Auseinandersetzungen verbal ge-

führt oder handgreiflich? Wie ist der Verlauf der Auseinandersetzungen – gibt es ein Muster?• Wie wird die Auseinandersetzung bzw. der Konflikt gelöst? Lösen die Kinder den Konflikt selbst? Gibt es

Sieger und Verlierer? Wer setzt sich durch? Gibt es Muster?usw.

Geschlechterverhalten• Spielen Mädchen und Jungen gemeinsam? Was sind das für Spiele bzw. Beschäftigungen?• Welche Rollen nehmen Mädchen bzw. Jungen in der Gruppe ein?• Wie reagieren die anderen, wenn sich ein Kind „untypisch“ verhält?• Versucht das Kind, sich mit Hinweis auf sein Geschlecht vor Aufgaben zu drücken oder Spiele zu beein-

flussen?• Beanspruchen Mädchen bzw. Jungen unterschiedlich viel Platz bzw. Spielmaterial?

usw.

Eingewöhnung• Wie verhält sich das Tageskind beim Abschied von Mutter bzw. Vater?• Nimmt das Kind von sich aus Kontakt auf? Auf welche Weise?• Äußert oder signalisiert das Kind Ängste, Befürchtungen, Erwartungen, Wünsche?• Wie verhalten sich die eigenen Kinder oder andere Tageskinder dem neuen Tageskind gegenüber?• Wie verhalten sich die Mutter bzw. der Vater beim Abschied oder beim Abholen?

usw.

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LiteraturSträtz Rainer/Demandewitz Helga (2000): Beobachten. Anregungen für Erzieherinnen im Kindergarten. Herausgegeben vom Sozial-pädagogischen Institut NRW – Landesinstitut für Kinder, Jugend und Familie. Münster: Votum Verlag. Seite 103

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Tagesmütter erziehen ihre eigenen Kinder und beruf-lich auch die Kinder anderer Eltern. Als Mütter und„Fachfrauen“ auf dem Gebiet der Erziehung haben siesich wohl alle schon mit Erziehungsfragen beschäf-tigt, z. B. durch den Erfahrungsaustausch mit anderenMüttern, über Fachzeitschriften und Bücher, vielleichtüber Vorträge/Elternabende oder über Beratungsge-spräche, vielleicht auch über Gesprächsgruppen für Ta-gesmütter. Sie haben sich nicht unbedingt schon Gedanken über ihre Erziehungsziele und über ihre Er-fahrungen mit Erziehung in der eigenen Kindheitgemacht. Manche Tagesmütter sind von ihrer Ausbil-dung her Erzieherinnen oder Kinderpflegerinnen oderkommen aus anderen pädagogischen Berufen.

Gespräche über Erziehung verlaufen meist recht emo-tional, weil alle unmittelbar betroffen sind – weil sieselbst Kinder waren und/oder weil sie eigene Kindererziehen. Der Unterstützungs- und Austauschbedarfin Bezug auf die Erziehung der eigenen Kinder ist in derRegel groß. Der Gesprächsfokus wandert deshalbleicht von den Tageskindern hin zu den eigenen Kin-dern. Im Sinne des Qualifikationsziels ist es wichtig, sokonkret wie möglich bzw. wie nötig an der Tagespflegezu bleiben. Viele Themen in der Erziehung sind allge-mein gültig und beziehen sich auf jede engere Bin-dung zwischen Erwachsenen und Kindern. In der Qua-lifizierung liegt das Hauptaugenmerk jedoch auf derTagespflege. Deshalb ist es wichtig, die Bedingungendieser „Sonderform“ einer Erziehungssituation immerwieder zu thematisieren.

Frauen wird die gesellschaftliche Aufgabe der Kinder-erziehung komplett übertragen. Sie sind damit struk-turell und individuell stark belastet und in der Aus-übung der familiären Erziehung isoliert. Für Tages-mütter als „Berufsmütter“ gilt das in besonderemMaße. Frauen fühlen sich im Umgang mit den Kindernmanchmal hilflos. Es ist wichtig, sie zu unterstützen,bzw. mit ihnen zu erarbeiten, wie und wo sie sich Un-terstützung organisieren können. Auch sollten Schuld-gefühle bei den Teilnehmerinnen für einen möglicher-weise wenig förderlichen Umgang mit Kindern nichtgenährt werden. Allerdings sollte negatives Erzie-

hungsverhalten nicht als förderlich benannt werdenund positive Alternativen besprochen werden. Die sen-sible Stellungnahme der ReferentIn ist gefragt.

Als ReferentIn sollten Sie vorbereitet sein, wenn die Re-de auf das Thema „Disziplin und Strafen“ kommt.Wenn eine Teilnehmerin – wie weit verbreitet – in dieRichtung argumentiert: „Ein Klaps hat noch nieman-dem geschadet“: Wie wollen Sie mit solchen „Argu-menten“ umgehen? Was ist dem Kindeswohl zuträg-lich? Wie können Sie am besten eine „gewaltfreie“Position vertreten? Wollen Sie sich auf den Betreu-ungsvertrag berufen, in dem der Verzicht auf gewalt-tätige und demütigende Erziehungsmethoden fest-gehalten ist? Wollen Sie sich auf Gesetze beziehen?Können Sie den Teilnehmerinnen vermitteln, dass esAlternativen zu einem „Klaps“ gibt, von denen einigeim Kurs ausgeführt werden?

Teilnehmerinnen einer Gruppe brauchen eine vertrau-ensvolle Atmosphäre, um ihr Erziehungsverhalten zuoffenbaren. Es ist – gerade auch bei Kritik – wichtig, imTon positiv und unterstützend zu bleiben (auch wegender Vorbildfunktion!). Ermutigen Sie Diskussionen unddas Einbringen von eigenen Erfahrungen, aber achtenSie darauf, nicht eine Person zum Mittelpunkt oder zurZielscheibe in der Gruppe zu machen. Wenn Teilneh-merinnen sich abgewertet fühlen, dann wehren sievielleicht einen positiven Zugang zu Alternativen ab.Arbeiten Sie mit Widerständen, lassen Sie sich nicht inMachtkämpfe ein.

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Mit Tagesmüttern über Erziehung sprechen

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Kinder anderer ElternIn der Tagespflege geht es um die Erziehung von Kin-dern anderer Eltern – d. h. die Tagesmutter hat nur be-grenzte Möglichkeiten, Einfluss auf die Tageskinder zunehmen. Sie muss im Positiven wie im Negativen da-mit zurechtkommen, dass die Kinder zum größten Teilin ihrem Elternhaus geprägt und beeinflusst werden.

„Professioneller“ Charakter der Beziehung zumTageskindDie Beziehung zwischen Tagesmutter und Tageskindist nicht privat, sondern spielt sich – obwohl im priva-ten Haushalt der Tagesmutter – auf einer professio-nellen Ebene ab. Für die Tagesmutter ist es wichtig,dem Kind zwar liebevoll zu begegnen, in Anerkennungder Tatsache, dass es nicht ihr eigenes Kind ist, aberauch ein Gleichgewicht von Nähe und Abgrenzung zufinden. Die Tatsache, dass sie für die Sicherheit eines„fremden“ Kindes verantwortlich ist, mag bisweilenbelastend wirken.

Vermischung von Privatleben und BerufstätigkeitDa die Tagespflege im Haushalt der Tagesmutter statt-findet, sind sich „berufliche“ Tätigkeit und Privatlebennaturgegeben sehr nahe. Die Trennung von Beruf undPrivatleben fällt unter solchen Gegebenheiten mitun-ter weniger leicht als bei einer Berufstätigkeit außerHaus. Die Tagesmutter ist bei Konflikten unter Um-ständen vielleicht mehr persönlich verwickelt, als ihrlieb ist (z. B. wenn etwas kaputt geht oder wenn sie„am Feierabend“ abschalten möchte).

GruppensituationMeist geht es in der Tagespflege nicht nur um die Er-ziehung eines einzigen Kindes, sondern um eine Grup-pe von Kindern mit unterschiedlichen Charakterenund Temperamenten, mit verschiedenen Bedürfnissenzu unterschiedlichen Zeiten. Meist ist die Kindergrup-pe auch altersgemischt, d. h. die Kinder haben auchentwicklungsbedingt unterschiedliche Bedürfnisse.Gruppendynamik wird wirksam, die Befindlichkeit ei-nes Kindes beeinflusst die ganze Gruppe.

Mischung eigener Kinder und Kinder anderer ElternIn der Tagespflege treffen in der Regel die eigenen Kin-der der Tagesmutter mit den Tageskindern zusammen.Vielleicht geht die Tagesmutter aus genau diesem Mo-tiv heraus, SpielgefährtInnen für ihr Kind zu finden, ih-rer Tätigkeit nach. Dabei entstehen leicht Konkurrenzund Rivalität zwischen den eigenen und den Tages-kindern. Die Tagesmutter befindet sich bisweilen aufeiner Gratwanderung zwischen Bevorzugung undZurücksetzung der (Tages-)Kinder.

Werte, Normen und Erziehungsziele mehrerer Fami-lienDie Tageskinder bringen die Werte/Gewohnhei-ten/Stimmungen/Probleme aus ihren jeweiligen Fa-milien mit – u.U. kann das zu Konflikten zwischen derTagesmutter und der Mutter führen.

Betreuen + Erziehen + Fördern + VersorgenDie Tagesmutter muss in ihrer Tätigkeit alle diese Auf-gaben miteinander verbinden. So kocht sie z. B. wäh-rend sie die Kinder betreut, geht mit ihnen einkaufen,spielt mit den Kindern oder liest ihnen vor, fördert sie,indem sie ihnen eine wache Ansprechpartnerin ist,wickelt und füttert die Kleinsten und wirkt durch ihrpositives „Vorbild“.

IsolationDie Tagesmutter arbeitet relativ isoliert. Zu ihrer Un-terstützung ist es sinnvoll, in einem Kreis von Gleich-gesinnten für fachlichen Austausch zu sorgen. Da derOrt der Berufstätigkeit und der Ort der Entspannungidentisch sind (= die eigene Wohnung/das eigeneHaus) muss die Tagesmutter rechtzeitg vorbeugen, umzu verhindern, dass ihr „die Decke auf den Kopf fällt“.

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Was ist besonders an derErziehungssituation in der Tagespflege?

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1. Wie wurde in der Familie mit Nähe und Distanz umgegangen?

2. Wie wurde in der Familie mit Gefühlen umgegangen?

3. Was war von den Eltern verboten? Was galt als „schlimm“?

4. Wofür wurde bestraft? Wie wurde bestraft? Wer strafte?

5. Wofür wurde gelobt oder belohnt?

6. Wurde von zu Hause erwartet, dass Anordnungen der Eltern widerspruchs-los befolgt wurden? Wenn ja, wie haben Sie sich dabei gefühlt?

7. Wie viel Aufmerksamkeit bekamen die Kinder in der Famile?Zu welchen Gelegenheiten?

8. War ich gern ein Mädchen? Wäre ich lieber ein Junge gewesen?Gab es Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen?

9. Wurden alle Kinder in der Familie gleich behandelt?

10. Wie habe ich als Kind Trennungssituationen erfahren?

11. Gab es außer den Eltern andere wichtige positive Bezugspersonen?Weshalb waren sie mir wichtig? Was habe ich an diesen Personenbesonders geschätzt?

12. Welche Erwachsenen waren mir unsympathisch? Warum?Welche Erwachsenen haben mir Angst eingeflößt?Vor welchen Erwachsenen hatte ich Angst?

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Wie wurde ich erzogen?Leitfaden für den Austausch mit einer Partnerin

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19.Die Beziehung zum Tageskind positiv gestalten

Tagesseminar

Material und Vorbereitung

– Das Puzzle zwei- oder mehrmals ( je nachAnzahl der Kleingruppen) auf DIN A3 ver-größern und die einzelnen Teile ausschnei-den

– Kopien der 4 Arbeitsblätter „Was kann einKind, was braucht ein Kind im Tagespflege-Alltag?“ für alle Teilnehmerinnen

– Evtl. die Hintergrundinfo „Beziehung förderndurch Kommunikation“ als Handreichungfür die Teilnehmerinnen kopieren

– Arbeitsblätter „Übungen zu Ich-Botschaften“und „Übungen zum Spiegeln“ für alle Teil-nehmerinnen kopieren

– Infos „Gute Beziehungen pflegen“ und „Be-ziehung fördern durch Kommunikation“ füralle Teilnehmerinnen kopieren

Was soll mit der Bearbeitung desThemas erreicht werden?

– Reflektieren: Was ist die Position des Kindesim Erziehungsprozess? Wo liegt die Verant-wortung der Erwachsenen?

– Klären: Wie viel und welche Erziehungsar-beit wird von der Tagesmutter erwartet?

– Prinzipien einer positiven Beziehung zumTageskind bewusst machen

– Bedeutung einer persönlichen Kommunika-tion mit dem Kind

– Wichtige Hilfsmittel für eine persönlicheSprache kennenlernen bzw. auffrischen

Empfehlungen für den Ablauf(Zeitbedarf: 6 Zeiteinheiten à 45 Minuten plus 2 x 15Minuten Pause plus Mittagspause. VorgeschlageneVeranstaltungszeit: 10–12.30 Uhr und 14–16.30 Uhr)

Begrüßung und Organisatorisches (10 Minuten)

Gesprächsrunde: Praxisbegleitung (15 Minuten)alternativ:Besprechen der Übung für zu Hause aus der voran-gegangenen VeranstaltungIn der Veranstaltung „Wie erziehe ich, wie wurdeich erzogen?“ war den Teilnehmerinnen das Ar-beitsblatt „Das Familienerbe erkennen“ zur freiwil-ligen Bearbeitung zu Hause ausgeteilt worden. DieBesprechung könnten folgende Fragen leiten:• Wie ist es den Teilnehmerinnen beim Ausfüllen

des Bogens ergangen?• Haben Sie für sich Punkte gefunden, an denen sie

sich schwach und verletzlich fühlen?• Können Sie mit diesem Erbe aus der eigenen

Kindheit so umgehen, dass die Kinder dadurchnicht belastet werden?

Falls Teilnehmerinnen für sich an dem Thema wei-terarbeiten wollen oder in Kontakt mit schmerz-haften Erinnerungen an die eigene Kindheit ge-kommen sind, sollte die Referentin/der Referentwissen, an welche Beratungsstelle oder Einrichtungsie/er die Teilnehmerinnen verweisen kann.

Kurzvortrag Referentin plus GesprächDas kompetente Kind (s. gleichnamige Info)(30 Minuten)Kinder sind von Geburt an kompetente Koopera-tionspartner. Sie geben Rückmeldungen auf dasVerhalten der Erwachsenen und weisen sie daraufhin, wo die Beziehungen der Erwachsenen zu den

© Weiß/Stempinski/Schumann/Keimeleder: DJI-Curriculum „Qualifizierung in der Kindertagespflege“, Kallmeyer 2008 (2. Auflage)

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Kindern gestört sind. Erwachsene haben immer dieVerantwortung für die Beziehung zu den Kindern.

Fazit: Es ist notwendig, die Beziehung zum Kind auf-merksam und positiv zu gestalten und das Kind inseiner Individualität anzunehmen. Dazu gehört dasWissen, was Kinder in welcher Entwicklungsstufebrauchen und was von ihnen erwartet werdenkann.

Pause (15 Minuten)

GruppenarbeitWas kann ein Kind, was braucht ein Kind imTagespflegealltag?(40 Minuten)Die Teilnehmerinnen teilen sich in vier Kleingrup-pen auf. Jede Gruppe beschäftigt sich mit einerkindlichen Alters- bzw. Entwicklungsstufe, die Teil-nehmerinnen erhalten die Arbeitsblätter („Waskann ein Kind – was braucht ein Kind …“) in den ent-sprechenden Altersstufen. Sie sollten sich nachihren Erfahrungen mit Kindern in den Gruppen zu-sammenfinden. Die Teilnehmerinnen lesen die In-formationen und diskutieren anschließend entlangder Leitfragen die Erfahrungen mit Kindern bzw. dieErwartungen an Kinder entsprechender Altersstu-fen in der Tagespflege (vgl. zu dem Thema auch dieVeranstaltung „Eine gute Entwicklung – was gehörtdazu?“).

Auflockerung„Die eigene Mitte finden“(10 Minuten)Die Referentin leitet die Teilnehmerinnen für einekörperliche Auflockerung an: Die Fenster werdengeöffnet, die Teilnehmerinnen stellen sich im Kreisauf oder suchen sich einen Platz, wo sie bequemstehen können, ohne an ihre Nachbarinnen zustoßen. Die Füße sind beim Stehen etwa so weitauseinander wie die Schultern breit sind. Die Frau-en werden angeleitet, unter ihren Fußsohlen zumBoden hin und zum höchsten Punkt an ihrem Kopfhin zu spüren. Sie stehen locker und entspannt, dieKnie sind nicht durchgedrückt. Die Arme hängenlocker herab. Dann dreht jede ihren Oberkörpersanft von einer Seite auf die andere (um ihre Wir-belsäule als Mittelachse). Die Füße und die Kniebleiben wie beim Stehen und bewegen sich nicht

mit – die Vorstellung, dass die Fußsohlen auf demBoden „kleben“ und die Knie über den Fußsohlenbleiben, kann dabei hilfreich sein. Der Körper wirdnur so weit gedreht, wie es sich gut anfühlt – daskann ruhig nur wenig sein. Die Arme schwingenlocker mit, der Blick geht auf Augenhöhe ins Leere,die Aufmerksamkeit ist nach innen gerichtet. DieÜbung ist mit der Vorstellung von einem „Loslas-sen“ des Körpers verbunden, der Körper soll sichmöglichst gelöst anfühlen. Diese Übung wirdschweigend ausgeführt.

Die Kleingruppen stellen ihre Ergebnisse/Diskussionen vor(30 Minuten)Durch die Berichte der Arbeitsgruppen erhalten al-le Teilnehmerinnen die Informationen über die ver-schiedenen Altersstufen. Die Refererentin/der Refe-rent kann zentrale Punkte auf dem Flipchartnotieren.

Nach dem Bericht der Arbeitsgruppen sollten alleTeilnehmerinnen die Arbeitsblätter aller Altersstu-fen bekommen. Die Referentin/der Referent solltealso ausreichend Kopien bereithalten.

Mittagspause (90 Minuten)

AuflockerungRücken-Klopfen im Kreis(10 Minuten)Die Teilnehmerinnen stellen sich im Kreis auf undschütteln die Arme aus. Dann wendet sich jede demRücken ihrer rechten Nachbarin zu und massiert ihndurch sanfte Klopfbewegungen mit den Fingern.Dadurch dass alle im Kreis stehen, ist jede sowohl inder Rolle der Gebenden als auch in der Rolle derEmpfangenden. Nach einer ersten Runde kann dieRichtung gewechselt werden, jede Teilnehmerinmassiert jetzt die Frau links neben ihr.

Arbeitsgruppen und Plenum„Gute Beziehungen zu den (Tages-)Kindern pflegen“ – ein Puzzle(40 Minuten)

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Die Teilnehmerinnen teilen sich in zwei oder mehrGruppen. Jede Gruppe erhält einen Satz (von der Re-ferentin ausgeschnittener) Puzzle-Teile und setzt dasPuzzle „Beziehung aufbauen und bewahren“ zusam-men.Dabei soll ein erfahrungsorientierter Austauschüber Bestandteile einer guten Beziehung angeregtwerden. Was fällt den Frauen zu den Statements aufden Puzzle-Teilen ein? Welche Erfahrungen haben siedazu in ihrem Alltag? Handeln sie unbewusst schonso? Gibt es gute, bestätigende Erfahrungen? Gibt esSchwierigkeiten dabei?

Anschließend kann die Referentin/der Referent imPlenum anhand des Hintergrundinfos „Gute Bezie-hungen pflegen“ zusammenfassen und einzelneAspekte evtl. vertiefen.

Die Teilnehmerinnen sollen sich bewusst werden,dass viele Faktoren dazu beitragen, dass Beziehun-gen zwischen Menschen und insbesondere diezwischen Erwachsenen und Kindern – hier: Tages-müttern und Tageskindern – harmonieren. Die auf-geführten Prinzipien erheben keinen Anspruch aufVollständigkeit. Sie sollen einen Einblick verschaffenund deutlich machen, dass ein größerer Zusammen-hang besteht.

Kurzvortrag ReferentIn + Gespräch„Beziehung fördern durch Kommunikation“(20 Minuten)Welche Botschaft empfängt ein Kind, wenn wir ihmoder ihr vorhalten:„Hör auf, mich zu nerven mit dei-ner Quengelei nach Vorlesen!“ Und was erfährt es,wenn wir sagen:„Ich will dir jetzt nichts vorlesen. Ichmöchte gerne in Ruhe meine Zeitung lesen.“ Warumist eine persönliche Sprache wichtig? Wie sieht sieaus? Welche Hilfsmittel gibt es? Wie mit Konfliktenumgehen? Hinführen zu den Themen „Spiegeln“ und„Ich-Botschaften“ durch das Hintergrundinfo „Bezie-hung fördern durch Kommunikation“.

Pause (15 Minuten)

Gruppenarbeit„Spiegeln und Ich-Botschaften“(30 Minuten)Das Thema „Kommunikation“ mit den Aspekten„Spiegeln und Ich-Botschaften“ wird in Form vonGruppenarbeit vertieft. Dazu werden zwei Arbeits-

gruppen gebildet, eine zum Thema „Übungen zumSpiegeln“, eine zum Thema „Übungen zu Ich-Bot-schaften“. Die Teilnehmerinnen jeder Gruppe be-schäftigen sich mit Beispielen aus den gleichnami-gen Arbeitsblättern oder mit Beispielen aus ihrempersönlichen Erfahrungsschatz. Die Referentin leitetdie Gruppen an.

Plenum nach den Arbeitsgruppen(20 Minuten)Die Arbeitsgruppen bringen ihre Erfahrungen mitdem Spiegeln/den Ich-Botschaften auf den Punktund stellen sie kurz der jeweils anderen Gruppe vor.Am Ende sollten alle Teilnehmerinnen auch das Ar-beitsblatt der jeweils anderen Gruppe zum Mitneh-men bekommen.

Zum Thema „Spiegeln“ kann die Referentin die Auf-merksamkeit auch schon während der Arbeitsgrup-pe auf folgende Fragen lenken:

Was, wenn nicht richtig gespiegelt wird? Wenn z. B.die Reaktion der Tagesmutter/Mutter überhauptnicht mit den Gefühlen übereinstimmt, die das Kindausdrückt? Kann das Kind mit Spiegeln manipuliertwerden? Was passiert dann? (vgl. Info „Beziehung för-dern durch Kommunikation“)

Bei der Arbeitsgruppe „Ich-Botschaften“ kann die Re-ferentin die Formulierung der Botschaften unter-stützen. In der Reihenfolge des Arbeitsblattes könn-ten die Antworten so oder ähnlich ausfallen:

„Ich weiß gar nicht, was ich noch machen soll, wennes dir bei mir so gar nicht schmeckt. Mir gehen dieIdeen aus, was ich noch kochen könnte.“

„Wenn ihr weiter so auf dem Sofa herumspringt, be-komme ich Angst, dass es durchbricht. Wir habennicht so viel Geld, dass wir uns ein neues kaufen kön-nen.“

„Ich habe Kopfschmerzen und brauche heute ein biss-chen Ruhe.Wenn es so laut ist, dann macht mich dasnervös und meine Kopfschmerzen werden schlim-mer.“

„Ich will nicht, dass du mir wehtust. Sag mir, warumdu so wütend bist.“

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„Ich will gern mit dir spielen, aber erst in einer hal-ben Stunde, wenn ich mit der Küche fertig bin.“

„Ich verstehe, dass dir langweilig ist, aber ich willdiese Sachen hier anschauen und vielleicht kaufen.“

„Ich bin sehr stolz auf meine selbst gepflanzten Blu-men und freue mich, wenn ich sie im Garten an-schauen kann. Ich will nicht, dass sie kaputtgehen.“

Die Referentin kann auch auf zwei der häufigsten„Fehler“ beim Anwenden von Ich-Botschaften auf-merksam machen:

• Es werden nur negative Ich-Botschaften gesen-det, obwohl auch positive Ich-Botschaften wich-tig sind, z. B.:„Wie bin ich froh, dass du wieder dabist! Ich hatte solche Angst, dass dir etwas pas-sieren könnte, nachdem ich dich im Gedrängelverloren habe.“

• Du-Botschaften werden als Ich-Botschaften ver-kleidet, d. h. einer abwertenden Mitteilung wirdein „Ich habe das Gefühl …“ vorangestellt, z. B.:„Ich habe das Gefühl, dass du dich vor deinenHausaufgaben drückst.“

Die Arbeitsgruppen und das anschließende Plenumkönnen natürlich nicht eine umfassende Einübungin die Anwendung von Spiegeln und Ich-Botschaf-ten leisten. Sie sollen lediglich die Aufmerksamkeitauf diese wichtigen Themen lenken und das Inte-resse für eine Vertiefung an anderer Stelle wecken(Fortbildung zu diesem Thema, Literatur, …). In derTagespflege-Qualifizierung wird das Thema nocheinmal in den Veranstaltungen zu „Kooperation undKommunikation zwischen Tagesmutter und Eltern“aufgegriffen.

Variante statt GruppenarbeitÜbung „Ermutigen oder Entmutigen“ (50 Minuten)Als Variation nach der Mittagspause kann anstelleder Gruppenarbeit zum Puzzle auch eine Übung mitSelbsterfahrungscharakter gemacht werden (s. In-fo „Ermutigen & Entmutigen“). Die Übung greift einPrinzip aus dem Puzzle auf und vertieft es an-schaulich. Ausgehend von dieser Erfahrung könnenauch die anderen Prinzipien einer positiven Bezie-hungsgestaltung besprochen werden.

Übung für zu HauseBeobachtung im Alltag: Was finde ich positiv anmeinem Tageskind? (falls noch nicht vorhanden:… an meinem eigenen Kind)? (5 Minuten)Die Teilnehmerinnen werden aufgefordert, ihreTageskinder/Kinder im Alltag zu beobachten undbesonders auf die positiven Seiten zu achten: Wokönnen sie sehen, dass die Kinder gut mit ihnen ko-operieren?

In der nächsten Veranstaltung („Bevor der Kragenplatzt“) können die Teilnehmerinnen einige Bei-spiele ihrer Beobachtungen in die Gruppe einbrin-gen. Dieser Aspekt leitet dann über in das nachfol-gende Thema: „Was, wenn die Kooperation nichtklappt?“

Blitzlicht oder Feedback(10 Minuten)

VerabschiedungZum Ende den Text „Wenn ein Kind“ austeilen.

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19.Die Beziehung zum Tageskind positiv gestalten

Tagesseminar

Material und Vorbereitung

– Das Puzzle zwei- oder mehrmals ( je nachAnzahl der Kleingruppen) auf DIN A3 ver-größern und die einzelnen Teile ausschnei-den

– Kopien der 4 Arbeitsblätter „Was kann einKind, was braucht ein Kind im Tagespflege-Alltag?“ für alle Teilnehmerinnen

– Evtl. die Hintergrundinfo „Beziehung förderndurch Kommunikation“ als Handreichungfür die Teilnehmerinnen kopieren

– Arbeitsblätter „Übungen zu Ich-Botschaften“und „Übungen zum Spiegeln“ für alle Teil-nehmerinnen kopieren

– Infos „Gute Beziehungen pflegen“ und „Be-ziehung fördern durch Kommunikation“ füralle Teilnehmerinnen kopieren

Was soll mit der Bearbeitung desThemas erreicht werden?

– Reflektieren: Was ist die Position des Kindesim Erziehungsprozess? Wo liegt die Verant-wortung der Erwachsenen?

– Klären: Wie viel und welche Erziehungsar-beit wird von der Tagesmutter erwartet?

– Prinzipien einer positiven Beziehung zumTageskind bewusst machen

– Bedeutung einer persönlichen Kommunika-tion mit dem Kind

– Wichtige Hilfsmittel für eine persönlicheSprache kennenlernen bzw. auffrischen

Empfehlungen für den Ablauf(Zeitbedarf: 6 Zeiteinheiten à 45 Minuten plus 2 x 15Minuten Pause plus Mittagspause. VorgeschlageneVeranstaltungszeit: 10–12.30 Uhr und 14–16.30 Uhr)

Begrüßung und Organisatorisches (10 Minuten)

Gesprächsrunde: Praxisbegleitung (15 Minuten)alternativ:Besprechen der Übung für zu Hause aus der voran-gegangenen VeranstaltungIn der Veranstaltung „Wie erziehe ich, wie wurdeich erzogen?“ war den Teilnehmerinnen das Ar-beitsblatt „Das Familienerbe erkennen“ zur freiwil-ligen Bearbeitung zu Hause ausgeteilt worden. DieBesprechung könnten folgende Fragen leiten:• Wie ist es den Teilnehmerinnen beim Ausfüllen

des Bogens ergangen?• Haben Sie für sich Punkte gefunden, an denen sie

sich schwach und verletzlich fühlen?• Können Sie mit diesem Erbe aus der eigenen

Kindheit so umgehen, dass die Kinder dadurchnicht belastet werden?

Falls Teilnehmerinnen für sich an dem Thema wei-terarbeiten wollen oder in Kontakt mit schmerz-haften Erinnerungen an die eigene Kindheit ge-kommen sind, sollte die Referentin/der Referentwissen, an welche Beratungsstelle oder Einrichtungsie/er die Teilnehmerinnen verweisen kann.

Kurzvortrag Referentin plus GesprächDas kompetente Kind (s. gleichnamige Info)(30 Minuten)Kinder sind von Geburt an kompetente Koopera-tionspartner. Sie geben Rückmeldungen auf dasVerhalten der Erwachsenen und weisen sie daraufhin, wo die Beziehungen der Erwachsenen zu den

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Kindern gestört sind. Erwachsene haben immer dieVerantwortung für die Beziehung zu den Kindern.

Fazit: Es ist notwendig, die Beziehung zum Kind auf-merksam und positiv zu gestalten und das Kind inseiner Individualität anzunehmen. Dazu gehört dasWissen, was Kinder in welcher Entwicklungsstufebrauchen und was von ihnen erwartet werdenkann.

Pause (15 Minuten)

GruppenarbeitWas kann ein Kind, was braucht ein Kind imTagespflegealltag?(40 Minuten)Die Teilnehmerinnen teilen sich in vier Kleingrup-pen auf. Jede Gruppe beschäftigt sich mit einerkindlichen Alters- bzw. Entwicklungsstufe, die Teil-nehmerinnen erhalten die Arbeitsblätter („Waskann ein Kind – was braucht ein Kind …“) in den ent-sprechenden Altersstufen. Sie sollten sich nachihren Erfahrungen mit Kindern in den Gruppen zu-sammenfinden. Die Teilnehmerinnen lesen die In-formationen und diskutieren anschließend entlangder Leitfragen die Erfahrungen mit Kindern bzw. dieErwartungen an Kinder entsprechender Altersstu-fen in der Tagespflege (vgl. zu dem Thema auch dieVeranstaltung „Eine gute Entwicklung – was gehörtdazu?“).

Auflockerung„Die eigene Mitte finden“(10 Minuten)Die Referentin leitet die Teilnehmerinnen für einekörperliche Auflockerung an: Die Fenster werdengeöffnet, die Teilnehmerinnen stellen sich im Kreisauf oder suchen sich einen Platz, wo sie bequemstehen können, ohne an ihre Nachbarinnen zustoßen. Die Füße sind beim Stehen etwa so weitauseinander wie die Schultern breit sind. Die Frau-en werden angeleitet, unter ihren Fußsohlen zumBoden hin und zum höchsten Punkt an ihrem Kopfhin zu spüren. Sie stehen locker und entspannt, dieKnie sind nicht durchgedrückt. Die Arme hängenlocker herab. Dann dreht jede ihren Oberkörpersanft von einer Seite auf die andere (um ihre Wir-belsäule als Mittelachse). Die Füße und die Kniebleiben wie beim Stehen und bewegen sich nicht

mit – die Vorstellung, dass die Fußsohlen auf demBoden „kleben“ und die Knie über den Fußsohlenbleiben, kann dabei hilfreich sein. Der Körper wirdnur so weit gedreht, wie es sich gut anfühlt – daskann ruhig nur wenig sein. Die Arme schwingenlocker mit, der Blick geht auf Augenhöhe ins Leere,die Aufmerksamkeit ist nach innen gerichtet. DieÜbung ist mit der Vorstellung von einem „Loslas-sen“ des Körpers verbunden, der Körper soll sichmöglichst gelöst anfühlen. Diese Übung wirdschweigend ausgeführt.

Die Kleingruppen stellen ihre Ergebnisse/Diskussionen vor(30 Minuten)Durch die Berichte der Arbeitsgruppen erhalten al-le Teilnehmerinnen die Informationen über die ver-schiedenen Altersstufen. Die Refererentin/der Refe-rent kann zentrale Punkte auf dem Flipchartnotieren.

Nach dem Bericht der Arbeitsgruppen sollten alleTeilnehmerinnen die Arbeitsblätter aller Altersstu-fen bekommen. Die Referentin/der Referent solltealso ausreichend Kopien bereithalten.

Mittagspause (90 Minuten)

AuflockerungRücken-Klopfen im Kreis(10 Minuten)Die Teilnehmerinnen stellen sich im Kreis auf undschütteln die Arme aus. Dann wendet sich jede demRücken ihrer rechten Nachbarin zu und massiert ihndurch sanfte Klopfbewegungen mit den Fingern.Dadurch dass alle im Kreis stehen, ist jede sowohl inder Rolle der Gebenden als auch in der Rolle derEmpfangenden. Nach einer ersten Runde kann dieRichtung gewechselt werden, jede Teilnehmerinmassiert jetzt die Frau links neben ihr.

Arbeitsgruppen und Plenum„Gute Beziehungen zu den (Tages-)Kindern pflegen“ – ein Puzzle(40 Minuten)

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Die Teilnehmerinnen teilen sich in zwei oder mehrGruppen. Jede Gruppe erhält einen Satz (von der Re-ferentin ausgeschnittener) Puzzle-Teile und setzt dasPuzzle „Beziehung aufbauen und bewahren“ zusam-men.Dabei soll ein erfahrungsorientierter Austauschüber Bestandteile einer guten Beziehung angeregtwerden. Was fällt den Frauen zu den Statements aufden Puzzle-Teilen ein? Welche Erfahrungen haben siedazu in ihrem Alltag? Handeln sie unbewusst schonso? Gibt es gute, bestätigende Erfahrungen? Gibt esSchwierigkeiten dabei?

Anschließend kann die Referentin/der Referent imPlenum anhand des Hintergrundinfos „Gute Bezie-hungen pflegen“ zusammenfassen und einzelneAspekte evtl. vertiefen.

Die Teilnehmerinnen sollen sich bewusst werden,dass viele Faktoren dazu beitragen, dass Beziehun-gen zwischen Menschen und insbesondere diezwischen Erwachsenen und Kindern – hier: Tages-müttern und Tageskindern – harmonieren. Die auf-geführten Prinzipien erheben keinen Anspruch aufVollständigkeit. Sie sollen einen Einblick verschaffenund deutlich machen, dass ein größerer Zusammen-hang besteht.

Kurzvortrag ReferentIn + Gespräch„Beziehung fördern durch Kommunikation“(20 Minuten)Welche Botschaft empfängt ein Kind, wenn wir ihmoder ihr vorhalten:„Hör auf, mich zu nerven mit dei-ner Quengelei nach Vorlesen!“ Und was erfährt es,wenn wir sagen:„Ich will dir jetzt nichts vorlesen. Ichmöchte gerne in Ruhe meine Zeitung lesen.“ Warumist eine persönliche Sprache wichtig? Wie sieht sieaus? Welche Hilfsmittel gibt es? Wie mit Konfliktenumgehen? Hinführen zu den Themen „Spiegeln“ und„Ich-Botschaften“ durch das Hintergrundinfo „Bezie-hung fördern durch Kommunikation“.

Pause (15 Minuten)

Gruppenarbeit„Spiegeln und Ich-Botschaften“(30 Minuten)Das Thema „Kommunikation“ mit den Aspekten„Spiegeln und Ich-Botschaften“ wird in Form vonGruppenarbeit vertieft. Dazu werden zwei Arbeits-

gruppen gebildet, eine zum Thema „Übungen zumSpiegeln“, eine zum Thema „Übungen zu Ich-Bot-schaften“. Die Teilnehmerinnen jeder Gruppe be-schäftigen sich mit Beispielen aus den gleichnami-gen Arbeitsblättern oder mit Beispielen aus ihrempersönlichen Erfahrungsschatz. Die Referentin leitetdie Gruppen an.

Plenum nach den Arbeitsgruppen(20 Minuten)Die Arbeitsgruppen bringen ihre Erfahrungen mitdem Spiegeln/den Ich-Botschaften auf den Punktund stellen sie kurz der jeweils anderen Gruppe vor.Am Ende sollten alle Teilnehmerinnen auch das Ar-beitsblatt der jeweils anderen Gruppe zum Mitneh-men bekommen.

Zum Thema „Spiegeln“ kann die Referentin die Auf-merksamkeit auch schon während der Arbeitsgrup-pe auf folgende Fragen lenken:

Was, wenn nicht richtig gespiegelt wird? Wenn z. B.die Reaktion der Tagesmutter/Mutter überhauptnicht mit den Gefühlen übereinstimmt, die das Kindausdrückt? Kann das Kind mit Spiegeln manipuliertwerden? Was passiert dann? (vgl. Info „Beziehung för-dern durch Kommunikation“)

Bei der Arbeitsgruppe „Ich-Botschaften“ kann die Re-ferentin die Formulierung der Botschaften unter-stützen. In der Reihenfolge des Arbeitsblattes könn-ten die Antworten so oder ähnlich ausfallen:

„Ich weiß gar nicht, was ich noch machen soll, wennes dir bei mir so gar nicht schmeckt. Mir gehen dieIdeen aus, was ich noch kochen könnte.“

„Wenn ihr weiter so auf dem Sofa herumspringt, be-komme ich Angst, dass es durchbricht. Wir habennicht so viel Geld, dass wir uns ein neues kaufen kön-nen.“

„Ich habe Kopfschmerzen und brauche heute ein biss-chen Ruhe.Wenn es so laut ist, dann macht mich dasnervös und meine Kopfschmerzen werden schlim-mer.“

„Ich will nicht, dass du mir wehtust. Sag mir, warumdu so wütend bist.“

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„Ich will gern mit dir spielen, aber erst in einer hal-ben Stunde, wenn ich mit der Küche fertig bin.“

„Ich verstehe, dass dir langweilig ist, aber ich willdiese Sachen hier anschauen und vielleicht kaufen.“

„Ich bin sehr stolz auf meine selbst gepflanzten Blu-men und freue mich, wenn ich sie im Garten an-schauen kann. Ich will nicht, dass sie kaputtgehen.“

Die Referentin kann auch auf zwei der häufigsten„Fehler“ beim Anwenden von Ich-Botschaften auf-merksam machen:

• Es werden nur negative Ich-Botschaften gesen-det, obwohl auch positive Ich-Botschaften wich-tig sind, z. B.:„Wie bin ich froh, dass du wieder dabist! Ich hatte solche Angst, dass dir etwas pas-sieren könnte, nachdem ich dich im Gedrängelverloren habe.“

• Du-Botschaften werden als Ich-Botschaften ver-kleidet, d. h. einer abwertenden Mitteilung wirdein „Ich habe das Gefühl …“ vorangestellt, z. B.:„Ich habe das Gefühl, dass du dich vor deinenHausaufgaben drückst.“

Die Arbeitsgruppen und das anschließende Plenumkönnen natürlich nicht eine umfassende Einübungin die Anwendung von Spiegeln und Ich-Botschaf-ten leisten. Sie sollen lediglich die Aufmerksamkeitauf diese wichtigen Themen lenken und das Inte-resse für eine Vertiefung an anderer Stelle wecken(Fortbildung zu diesem Thema, Literatur, …). In derTagespflege-Qualifizierung wird das Thema nocheinmal in den Veranstaltungen zu „Kooperation undKommunikation zwischen Tagesmutter und Eltern“aufgegriffen.

Variante statt GruppenarbeitÜbung „Ermutigen oder Entmutigen“ (50 Minuten)Als Variation nach der Mittagspause kann anstelleder Gruppenarbeit zum Puzzle auch eine Übung mitSelbsterfahrungscharakter gemacht werden (s. In-fo „Ermutigen & Entmutigen“). Die Übung greift einPrinzip aus dem Puzzle auf und vertieft es an-schaulich. Ausgehend von dieser Erfahrung könnenauch die anderen Prinzipien einer positiven Bezie-hungsgestaltung besprochen werden.

Übung für zu HauseBeobachtung im Alltag: Was finde ich positiv anmeinem Tageskind? (falls noch nicht vorhanden:… an meinem eigenen Kind)? (5 Minuten)Die Teilnehmerinnen werden aufgefordert, ihreTageskinder/Kinder im Alltag zu beobachten undbesonders auf die positiven Seiten zu achten: Wokönnen sie sehen, dass die Kinder gut mit ihnen ko-operieren?

In der nächsten Veranstaltung („Bevor der Kragenplatzt“) können die Teilnehmerinnen einige Bei-spiele ihrer Beobachtungen in die Gruppe einbrin-gen. Dieser Aspekt leitet dann über in das nachfol-gende Thema: „Was, wenn die Kooperation nichtklappt?“

Blitzlicht oder Feedback(10 Minuten)

VerabschiedungZum Ende den Text „Wenn ein Kind“ austeilen.

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Kinder unter drei Jahren – und ab drei auch in Ergän-zung zur Betreuung in Tageseinrichtungen – sind in derTagespflege besonders häufig anzutreffen. Im Kinder-und Jugendhilfegesetz ist die Tagespflege ausdrücklichals Betreuungsform für unter Dreijährige herausge-stellt (§ 24 SGB VIII). Das Thema „Bildung im frühen Kin-desalter“ hat Hochkonjunktur in der pädagogischen Dis-kussion und bezieht sich genau auf diese Altersstufen.

In der Vergangenheit wurde von „Bildung“ eigentlicherst ab dem Schulalter gesprochen. Zunehmend setz-te sich in den zurückliegenden Jahren jedoch die Er-kenntnis durch, dass bereits in den ersten Lebensjah-ren entscheidende Weichen für das „Bildungs-schicksal“ eines Menschen gestellt werden. Wer frühschon Fähigkeiten und Interessen in verschiedenstenBereichen entwickeln kann, hat bessere Voraussetzun-gen für ein aktives und selbstbestimmtes Leben. DieBildung eines Menschen beginnt in diesem Sinn mitdem Tag seiner Geburt – und vielleicht bereits präna-tal während der Schwangerschaft. Was aber meint„Bildung“ in diesem Zusammenhang?

Zwei Gesichtspunkte spielen in der neueren Diskussionv. a. eine Rolle:

1. Das Kind eignet sich seine Bildung in einem aktivenProzess selbstständig an.In vorhergehenden Fortbildungsveranstaltungen –zum Thema „Erziehung in der Tagespflege“ – wurde be-reits davon ausgegangen, dass das Kind von Geburt anein kompetentes und soziales Wesen ist, das mit seinenBezugspersonen kooperieren möchte. Für die Entwick-lung eines Gefühls von Geborgenheit und Sicherheitbrauchen Kinder Erwachsene, die sensibel und zuver-lässig auf ihre Bedürfnisse eingehen. Auf der Basis derdadurch entstehenden sicheren Bindung sind Kindervon Geburt an mit allen Kräften bemüht, sich ein Bildvon der Welt zu machen und ihre Fähigkeiten ständigzu erweitern. Sie begreifen forschend ihre Umgebung,stellen sich Fragen und suchen nach Antworten. ImLaufe ihrer Entwicklung erweitern sie ganz ohne Auf-forderung ihre Wirkungskreise – und stellen sich aufdiese Weise ihr eigenes „Bildungsprogramm“ zusam-

men. Deshalb wird häufig von „Selbstbildung“ gespro-chen.

Neuere entwicklungspsychologische Forschungen zei-gen, dass bereits Säuglinge über gewisse „Rahmen-theorien“ verfügen, die ihnen helfen, sich in ihrer Um-gebung zurechtzufinden. So erwarten z. B. Kinder imAlter von zweieinhalb Monaten, dass ein Ball, der auf ei-nen zweiten Ball zurollt, diesen zum Loskullern bringenwird, wenn er mit ihm zusammenstößt. Wenn derzweite Ball davonrollt, ohne vorher berührt worden zusein, zeigt sich das Baby erstaunt.„Die neue Forschungzeigt, dass Babys und kleine Kinder mehr von der Weltwissen und über sie lernen, als wir uns je hätten träu-men lassen. Sie denken, ziehen Schlüsse, halten Aus-schau nach Erklärungen und führen sogar Experimen-te durch“ (Gopnik/Kuhl/Meltzoff 2000, S. 12). KleineKinder entwickeln selbst Theorien über physikalischeEffekte und Zusammenhänge und überprüfen sie sys-tematisch. Wer ihnen aufmerksam zuschaut, kann dasdeutlich sehen. Das Anliegen der Kinder ist es Tag fürTag, forschend ihre Theorien an der Realität zu über-prüfen – ganz so, wie es erwachsene Forscher auch tun!

Aktuelle Forschungen über die Entwicklung des Ge-hirns bestätigen die Bedeutung der Eigenaktivität desKindes. Geboren werden Menschen mit einem Gehirn,das es ihnen ermöglicht, in jede Kultur der Welt hi-neinzuwachsen und jede Sprache zu lernen. Das Gehirnist von Natur aus für Entwicklungsprozesse vorbereitet.Die Entwicklung besteht zu einem großen Teil darin, diein der jeweiligen Lebensumwelt benötigten Vernet-zungen vorzunehmen und zu stärken, während nichtBenötigtes abgebaut wird. Die Entscheidung darüber,was jeweils notwendig ist, ergibt sich vor allem durchdie Erfahrungen des Kindes. So können Sprachen zwarin jedem späteren Lebensalter gelernt werden. In allerRegel fällt es dann aber viel schwerer, Sprachlaute, diesich von der Muttersprache sehr unterscheiden, mü-helos und akzentfrei auszusprechen.

Kleine Kinder haben eine unvergleichliche natürlicheLernbereitschaft und lernen mit unglaublicher Ge-schwindigkeit. Manchmal wird von „Zeitfenstern“ für

Neuere Erkenntnisse zu kindlichenBildungsprozessen

24.

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2. Zur Bildung gehören soziale und emotionaleFähigkeiten ebenso wie kognitive Fähigkeitenund Sachwissen.Beide Fähigkeitsbereiche werden gleichermaßen ge-braucht, um mit den Herausforderungen des Lebensklug und human umgehen zu können. UmfassendesWissen in einem Gebiet kann nutzlos oder sogar ge-fährlich sein, wenn der entsprechende Mensch nichtauch über „emotionale Intelligenz“ verfügt. Dazugehören sogenannte Schlüsselqualifikationen, wie die

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bestimmte Entwicklungsschritte gesprochen. Damitist gemeint, dass es Kindern in bestimmten Zeiträu-men besonders leichtfällt, bestimmte Dinge zu lernen.Aber auch dabei kommt es auf das eigene Tun an. DasLaufen lernen ist ein Beispiel dafür. In der ersten Hälf-te des zweiten Lebensjahres ist die körperliche Ent-wicklung so weit fortgeschritten, dass ein Kind laufenlernen kann. Es muss aber einige Zeit üben, bis es denBewegungsablauf flüssig beherrscht.

Im Tempo der Entwicklung bestehen Unterschiede zwi-schen Kindern – auch bezüglich der Zeitfenster. Selbstwenn Kinder gleich alt sein mögen, können sie unter-schiedliche Lernbedürfnisse haben (Interessen, Fähig-keiten, Geschwindigkeit etc.). Jedes Kind ist einmalig,es gibt verschiedene Entwicklungswege. Die pädago-gische Kunst besteht darin, so gut in Kontakt mit jedemKind zu sein, dass ihm zur rechten Zeit Herausforde-rungen, Zuneigung und gefühlte Unterstützung gege-ben werden können.

Angst, ein Zeitfenster zu verpassen, ist unnötig in einerUmgebung, die ein rechtes Maß an Anregung bietet.Kinder stellen stets die Fragen an die Welt, die ihrerEntwicklung angemessen sind, so lautet eine Erkennt-nis der Hirnforschung. Erwachsene müssen aufmerk-sam und einfühlsam die Fragen der Kinder erkennenund beantworten. Kinder stellen ihre Fragen auchdann, wenn sie sie noch nicht mit Worten ausdrückenkönnen. Hirnforscher sagen auch, dass das Hirn ein So-zialorgan ist. Sie meinen damit, dass Lernen und Ent-wicklung immer den Austausch mit einem menschli-chen Gegenüber, mit Erwachsenen und anderenKindern braucht. Die gefühlsmäßige Basis ist eine ent-scheidende Voraussetzung für alle Lernprozesse.

Wenngleich Kinder auch über das Vorbild von Erwach-senen lernen, quasi an ihrem „Modell“, so werden dieGroßen heute doch nicht mehr in der alleinigen Exper-tenrolle gesehen. Erwachsene Bezugspersonen werdenvielmehr in der Rolle von Forschungsassistentinnenund -assistenten gesehen, die Kinder in ihren Selbst-bildungsprozessen unterstützen. Erziehung wird alsein Vorgang verstanden, in dem beide Partner – Kindund Erwachsene/r – lernen und sich gegenseitig beein-flussen. Diese Sichtweise stellt nicht in Abrede, dass esein Reifungs- und Kompetenzgefälle zwischen Kindernund Erwachsenen gibt. Aber der aktive Part der Kinderwird erheblich mehr als früher gewürdigt.

Illustration: Renate Alf © Deutsches Jugendinstitut

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Fähigkeit, zu kommunizieren, die Fähigkeit, Frustrationzu ertragen und die Fähigkeit, Konflikte angemessen zuhandhaben. Diese Fähigkeiten werden ab der frühes-ten Kindheit prozesshaft erworben. Kinder wollen sichin ihrem Bildungsprozess sowohl den Sachfragen desLebens annähern, wie auch lernen, wie sie mit anderenMenschen gut zusammenleben können. Sie sind zu-tiefst soziale Wesen und brauchen „Herzensbildung“im besten Wortsinn.

Kinder lernen dann am besten, wenn sie sich sicher, ge-borgen und wohlfühlen und ihre elementaren Bedürf-nisse wie Hunger und Durst gestillt sind.

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LiteraturElschenbroich, Donata (2002): Weltwissen der Siebenjährigen. Wie Kinder die Welt entdecken können. München: Verlag Antje Kunst-mannGopnik, Alison/Kuhl, Patricia/Meltzoff, Andrew (2000): Forschergeist in Windeln. Wie Ihr Kind die Welt begreift. Kreuzlingen: AristonVerlagKluge, N. (2006): Das Bild des Kindes in der Pädagogik der frühen Kindheit. In: Fried, L./Roux, S. (Hg.): Pädagogik der frühen Kindheit. Hand-buch und Nachschlagewerk, Weinheim/Basel: Beltz, S. 22 – 33 Schäfer, Gerd E. (Hg.) (2003): Bildung beginnt mit der Geburt. Weinheim/Basel: BeltzSpitzer, M. (2003): Lernen: Gehirnforschung und Schule des Lebens. Heidelberg: Spektrum

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, können kleine Kin-der sich lust- und hingebungsvoll in ihre Forschungs-tätigkeit versenken. Sie lassen sich dann nicht oder nurungern stören bei der tätigen Auseinandersetzung mitihrer Umwelt und gehen beim Entdecken oft auch anihre körperlichen Grenzen.

Es stellt sich nun die Frage, wie diese (Selbst-)Bil-dungsprozesse konkret in der Tagespflege verlaufenkönnen. Wie verhalten sich die (Tages-)Kinder im All-tag? Was kann die Tagesmutter zur Unterstützung tun?Anhand von Filmausschnitten soll diesen Fragen ge-nauer nachgegangen werden.

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Sprachförderung ist aktuell in aller Munde, sie ist wich-tiger Bestandteil der Bildungspläne für Kinderta-geseinrichtungen. In verschiedenen Bundesländernwerden neuerdings Sprachtests für Kinder im Vor-schulalter durchgeführt. Kinder, die unbefriedigendabschneiden, werden speziell gefördert. Den erstenderartigen Test in Deutschland durchliefen 180.000vierjährige Kinder (Nordrhein-Westfalen 2007 ). Bei je-dem dritten Kind wurden Mängel in der altersentspre-chenden Beherrschung der deutschen Sprache festge-stellt. Schwierigkeiten mit der deutschen Sprachehaben viele Kinder, die in einem Haushalt aufwachsen,in dem kein Deutsch oder Deutsch nicht als Mutter-sprache gesprochen wird. Doch sind keineswegs nurKinder mit einem Migrationshintergrund betroffen.Auch viele Kinder aus deutschen Familien habenSprachprobleme. Diesen Ergebnissen und den Erfah-rungen aus der Praxis zufolge besteht Notwendigkeitzum Handeln.

Loris Malaguzzi, italienischer Pädagoge aus Reggionell’Emilia nahe Bologna, spricht in einem Gedicht vonden „100 Sprachen der Kinder“. Er beschreibt, dass Kin-der zahlreiche kreative Ausdrucksmittel benützen, undplädiert leidenschaftlich dafür, diese unterschiedli-chen Sprachen nicht gegeneinander auszuspielen undden Kindern nicht 99 davon zu nehmen:„Das Kind be-steht aus Hundert. Hat hundert Sprachen, hundertHände, hundert Gedanken, hundert Weisen zu den-ken, zu spielen und zu sprechen …“ (zit. nach Winner2007). Malaguzzi erinnert uns daran, dass wir bei al-lem Bemühen um Sprachförderung nun nicht über dasZiel hinausschießen und mehr die Sprache als densprechenden Menschen in den Blick nehmen oder nurnoch auf die Sprache schauen. Auch als Erwachsenenutzen wir unterschiedliche Werkzeuge für kulturelleVerständigung, Denken und Ausdruck:Wir sprechen inBildern und Musik.Wir verständigen uns mit dem Kör-per mittels Bewegungen, Mimik und Gestik. Wirdrücken uns und unsere Emotionen durch Tanz aus.Schriftsprache und die Sprache der Literatur erweiternunsere mündliche Überlieferung. Sprache im her-kömmlichen Sinn ist auch für uns Erwachsene nur eines dieser Ausdrucksmittel.

Sie ist allerdings sehr bedeutsam für die menschlicheEntwicklung, für Kommunikation, Denken und Fühlen.Sprache steht mit der kognitiven Entwicklung in engerWechselwirkung und sie gilt als Schlüssel für alle Bil-dungsbereiche. Für den Spracherwerb und die Erlan-gung von Sprachkompetenz sind die ersten Lebens-jahre besonders wichtig.

Die Kommunikation eines Menschen mit seiner Um-welt beginnt mit dem ersten Schrei. Wer beobachtet,wie intensiv Kinder mit anderen Menschen kommuni-zieren, bevor sie sprechen können, dem wird sofort klar,dass zum Spracherwerb und zur Sprachkompetenzmehr gehört als das gesprochene Wort. Und noch et-was wird sofort deutlich: Spracherwerb ist eingebettetin die gesamte frühkindliche Entwicklung. Von Geburtan kommunizieren Kinder durch Mimik, Gestik, Kör-persprache und Laute. Ihre Mitmenschen nehmen die-se Signale wahr und reagieren so auf sie, dass das Kindsich verstanden fühlt. Auf diese Weise werden Interes-se und Freude am „Wechselgespräch“ geweckt. Für dasSprechen-Lernen ist nicht nur das Hören wichtig, son-dern vom allem auch ständiges Üben. Und dieses Übenbeginnt bereits lange, bevor das erste Wort gespro-chen wird.

Wie für alle Lernprozesse sind auch für das Sprechenbestimmte körperliche Voraussetzungen notwendig.Eine bestimmte Reifung des Gehirns muss gegebensein, damit Sprechen möglich ist. Dieses körperlichePotenzial kann sich aber nur im zwischenmenschli-chen Kontakt und mit entsprechenden Anregungenentfalten. Die Wahrnehmung mit allen Sinnen ist fürdie Sprachentwicklung eine wichtige Basis. Jedes Kindspeichert die Erfahrungen, die es von klein auf mit demHören, dem Sehen, dem Fühlen, dem Riechen und demSchmecken macht. Im Laufe der weiteren Entwicklungverknüpft es diese Erfahrungen mit Begriffen. Begriffewie „warm“ und „kalt“, „glatt“ und „rau“ bleiben ohneSinn, wenn ein Kind sie nicht über die Haut gefühltoder mit den Händen oder dem Mund ertastet hat.Hören ist für die Entwicklung der gesprochenen Spra-che sehr wichtig. Das Kind hört seine eigenen Lauteund hört die Reaktionen seiner Mitmenschen, die die

Die Sprachentwicklung der Kinder unterstützen

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Laute wiederholen, verändern, ergänzen. Das wiede-rum regt ein Kind zur Nachahmung an.

Ein Kind beobachtet Mimik und Gestik seiner Ge-sprächspartnerin oder seines -partners ganz genau.Für seine Fähigkeit, Kommunikation zu entschlüsseln,ist der Blickkontakt mit vertrauten Personen beson-ders wichtig. Neues erhält seine emotionale Bedeu-tung auch durch den Blick und die Mimik des Gegen-übers. Bleiben diese entspannt und freundlich, bleibtauch das Kind entspannt oder freudig erregt. Anspan-nung und Angst im Gegenüber verknüpfen entspre-chende Gefühle mit Worten wie „Vorsicht!“ „heiß!“oder „Hund“.

Auch die motorische Entwicklung spielt eine wichtigeRolle: Die Bedeutung von „oben“ und „unten“, „eng“und „weit“,„vorne“ und „hinten“ erleben Kinder, wennsie laufen, klettern, kriechen oder sich verstecken.

Kleiner Überblick über den Verlauf des SpracherwerbsSchon im Mutterleib kann das ungeborene Kind dieStimme der Mutter wahrnehmen. Neugeborene be-vorzugen die bekannte Stimme der Mutter, d. h. siekönnen diese von fremden Stimmen unterscheiden.Über Berührungen, Blickkontakte und feinfühlige Re-aktionen auf die Signale des Kindes (Laute, Mimik, Kör-persprache) entwickeln sich Beziehung und Kommu-nikation – der Dialog beginnt.

Sprechen ist ein komplizierter feinmotorischer Vor-gang und muss gelernt bzw. geübt werden. Das Zu-sammenspiel der Organe und Muskeln des Sprech-apparates muss, wie andere Teile des Bewegungs-apparates auch, trainiert und gut aufeinander abge-stimmt werden.

Im zweiten bis dritten Monat wird das Spiel mit derStimme intensiver. Die Menschen, die für das Kind dasind, reagieren auf seine Lautäußerungen mit Wieder-holungen, Gesten, Berührungen. Allmählich lernt dasKind Laute und Melodie seiner Muttersprache kennenund verliert zunehmend das Potenzial für Laute, die inanderen Sprachen als der Muttersprache vorkommen.

Wie Kinder schon im Alter von wenigen Monaten beiBegegnungen mit Gleichaltrigen kommunizieren, istsehr schön auf einer Szene aus der DVD „Wach, neu-gierig und klug – Kinder unter 3“ (Bertelsmann Stif-

tung) zu sehen. Die Szene trägt den Titel „Zwei Babysoder ein Instrument wird gestimmt“. Die beiden fin-den offensichtlich entspanntes Vergnügen aneinan-der und begegnen sich so vertraut, als sprächen sie ei-ne gemeinsame Sprache. Sie „lautieren“ und bringenverschiedene Ooohs und Aaahs hervor – und trainierendabei ihre Sprechmuskulatur. Es ist zu sehen, wie dieStimmakrobatik ihren ganzen Körper fordert. Armeund Beine bewegen sich heftig. Die Melodien, die siehervorbringen, sind variationsreich.

Ab ungefähr dem neunten Monat produzieren Babysnur noch die Laute ihrer Muttersprache, sie lallen in Sil-ben, kombinieren Vokale (Selbstlaute) und Konsonan-ten (Mitlaute). Das macht ihnen ganz offensichtlichgroßen Spaß. Sprachrhythmus, Melodie und Betonun-gen werden immer vertrauter und in der Kombinationmit Mimik und Gestik der vertrauten Personen wirddas Sprachverständnis immer besser. Das Kind ant-wortet: nicht mit Worten, aber mit dem ganzen Körperdrückt es z. B. Zustimmung oder Ablehnung aus.

Zwischen dem 11. und dem 13. Monat spricht das Kinddie ersten Worte. Die sogenannten Einwortsätze, die esdann hervorbringt, meinen ganze Sätze oder Fragen.Auch diese Entwicklungsphase ist auf der oben ge-nannten DVD gut dokumentiert. Die Szene dazu heißt:„,Löffel!‘ oder ein Wort ist mehr als nur ein Wort.“ EinMädchen ist in einer Essenssituation zu sehen. Es hatschon eine Menge Erfahrung, denn es weiß, dass dieRavioli mit einem Löffel leichter zu essen sind als miteiner Gabel – also ordert sie einen solchen. Die Erzie-herin kommt ihrer beharrlichen Aufforderung erstnach einer Weile nach. Inzwischen versucht sie die fürsie unbequemere Variante mit der Gabel. Die Worte„Löffel“ und „Sauce“, die das Mädchen spricht, bergenjeweils ganze Sätze – einen freundlichen „Gib mir bit-te einen Löffel“ und einen im Kommandoton „Schiebmir mal die Sauce rüber!“. Das Mädchen erlebt dieMacht der Sprache ganz unmittelbar: Löffel und Saucekommen schließlich wie gewünscht.

Am Ende des zweiten Lebensjahres kombinieren Kin-der in der Regel Zweiwortsätze. Sie wissen jetzt, dassjedes Ding einen Namen hat, und der Wortschatz er-weitert sich so schnell, dass ungefähr am Beginn desdritten Lebensjahres von einer „Wortexplosion“ ge-sprochen wird. Der Satzbau wird anspruchsvoller undzur Freude der Erwachsenen entstehen originelleWortschöpfungen.

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Zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr hat dasKind die Grundstrukturen der Muttersprache verin-nerlicht und es kann sich in zusammenhängendenSätzen ausdrücken. Mit sechs Jahren werden dieGrundzüge der Sprache beherrscht, der Wortschatzwird nun durch spezielle Interessen und Fachgebieteerweitert, die Grammatik verfeinert.

Auch die Tagesmutter ist SprachvorbildDamit trägt sie Verantwortung für die Sprachentwick-lung und Sprachförderung der ihr anvertrauten Kinder.In einem ersten Schritt kann sie ihr eigenes Sprach-verhalten überprüfen. Dazu einige Fragen:– Zeige ich selbst Kommunikationsfreude?

– Gebe ich den Kindern ausreichend Zeit, Worte zufinden und auszusprechen?

– Spreche ich in vollständigen, grammatikalisch rich-tigen Sätzen?

– Spreche ich langsam und halte ich dabei Blickkon-takt?

– Begleite ich mein eigenes Handeln sprachlich, z. B.beim Wickeln oder beim Tischdecken?

– Achte ich auf die Lautstärke meiner Stimme unddarauf, die Kinder nicht zu übertönen?

– Ist meine Sprechweise natürlich und nicht beleh-rend?

Wie kann eine Tagesmutter die Sprache im Alltagfördern?– Babys teilen sich auf viele unterschiedliche Arten

mit: Sie schreien, geben Laute wie Glucksen undQuietschen von sich und plappern. Mit aller Kraftversuchen sie zu vermitteln, was sie meinen. Verge-genwärtigen Sie sich, wie wichtig es ist, dass einBaby in Ihnen ein zugewandtes Gegenüber hat.

– In der Kommunikation mit unter zweijährigen Kin-dern, aber auch mit Kindern im dritten Lebensjahr,passiert viel ohne Worte, weil ihre sprachlichenFähigkeiten noch nicht voll entwickelt sind. Das be-deutet jedoch nicht, dass Sie als Tagesmutter des-halb weniger sprechen müssen. Sie sollten vielmehrversuchen, eine Sprache für die Kinder zu finden.Denn die sind darauf angewiesen, dass die Erwach-senen ihre Absichten und Gefühle in Sprache brin-

gen und ihnen Worte geben für das, was sie tun. InFilmen über die Arbeit im Säuglingsheim von EmmiPikler ist sehr schön zu sehen, wie die Erzieherinnenim Kontakt mit Babys ihr Handeln und/oder das Verhalten des Babys behutsam in Worte fassen. Sieinterpretieren und „verbalisieren“ und die Kinderreagieren mit Zuwendung und großem Interessedarauf.

– Rufen Sie sich in Erinnerung, dass Kleinkinder undauch Babys viel verstehen können, wenn die Er-wachsenen, die mit ihnen sprechen, wirklich in Kon-takt mit ihnen sind. Die Kraft der Sprache und inne-re Anteilnahme bilden Brücken zu den Kindern.

– Sorgen Sie dafür, dass in der Tagespflegefamilie eineLust am sprachlichen Miteinander spürbar ist – einkommunikatives Klima: Beim Spielen und Streiten,aber auch wenn es um Gefühle geht, immer ist dieSprache das wichtigste Instrument, um eine Situa-tion zu bewältigen. Ermutigen Sie die Kinder dazu.

– Die Basis der Sprachförderung sind gute zwi-schenmenschliche Beziehungen. Sind die Bezie-hungen zwischen Tagesmutter und Tageskindernund die Beziehungen der Kinder untereinander po-sitiv, kann Freude am Gespräch entstehen.

– Der Dialog, d. h. die abwechselnd geführte Rede,bildet den Grundbaustein jeder Sprachförderung.Nicht die Erklärung von „falsch“ oder „richtig“, son-dern nur das Sprechen selbst fördert die Sprach-entwicklung.

– Blickkontakt steht am Beginn eines Dialoges undhält ihn aufrecht.

– Die nicht-sprachliche Kommunikation (Mimik, Ges-tik, Körpersprache) der Tagesmutter ist für Kindereine große Hilfe, um Wörter und Sätze in ihrer Be-deutung zu entschlüsseln. Die Botschaft und dieKörpersprache (z. B. der Gesichtsausdruck) müssenzusammenpassen.

– „Aktives Zuhören“ gehört zur Sprachkompetenz.Damit ist gemeint: für die Zeit des Gesprächs ganzbei dem Kind und seiner Gefühlswelt sein, ihm Zeitlassen, die Worte zu finden und so das deutlicheSignal geben „Ich nehme dich ernst und ich verste-he dich“. Dazu gehört auch, das Verstandene wie-

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derum in Sprache zu kleiden und in eigenen Wortenzu wiederholen.

– Offene Fragen ermutigen Kinder, im Dialog Erleb-nisse oder Sachverhalte zu berichten und viele Be-griffe zu benutzen. Offene Fragen engen die Ant-wort nicht ein auf ein „Ja“ oder „Nein“, sondernlassen Platz, z. B. für eine Erzählung: Was hat dasPferd gemacht, als du ihm den Apfel hingehaltenhast?

– Im Dialog mit dem Kind berücksichtigen Sie seinKönnen und achten darauf, dass Ihre Fragen undAntworten immer ein wenig über dieses Niveauhinausgehen. Sprechen Sie deutlich, formulieren Sieklare Sätze und handeln Sie nach dem Motto: Holedas Kind ab, wo es steht, und sei ihm dann immerein kleines Stück voraus.

– Dass Kinder sprechen, ist zunächst wichtiger als diekorrekte Form. Bei sprachlichen Fehlern können Siedas Gesagte mit den richtigen Begriffen und mitkorrekter Grammatik wiederholen. Tun Sie das aberso, dass die Äußerungen des Kindes einfühlsam an-gereichert und weitergeführt werden. So erkenntdas Kind seine Aussage wieder und die Kommuni-kation bleibt lebendig. Wenn z. B. das Kind im Ent-wicklungsstadium der Einwortsätze „Auto“ sagt,dann können Sie das Wort aufnehmen und zu ei-nem Satz erweitern, z. B. „Ja, da fährt ein Auto“. Oderwenn die Grammatik noch nicht stimmt und einKind sagt: „Mag die Auto“, wiederholen Sie nichteinfach den Satz auf korrekte Art und Weise, son-dern Sie sagen z. B. „Magst du das Auto?“ oder„Magst du lieber das rote oder das blaue Auto?“.

– Kleine Kinder gehen kreativ mit Sprache um undkombinieren Wörter neu. Schätzen Sie die erstenVersuche der Kinder, sich mit Worten zu verständi-gen, und versuchen Sie, sie zu verstehen – auchwenn ihre Wortschöpfungen noch schwer ver-ständlich sind. Die Kinder sind stolz auf ihre neu ge-lernten Wörter und auf ihre ersten Sätze.

– Vielfältige Erfahrungen rund um eine sogenannteErzähl-, Reim-, Schrift- und Buchkultur sind sehrwichtig (heute oft auch als „Literacy“ bezeichnet).Diese Erfahrungen unterstützen nicht nur die Ent-wicklung von Sprachkompetenz. Sie sind bedeut-sam für die Fähigkeit zur sprachlichen Abstraktion,

für die Lust am Lesen und dafür, sich schriftlich aus-drücken zu können. Auch hierzu ein Beispiel ausdem DVD-Material:„Ein Bilderbuch oder Theo führteinen Bildungsdialog“. Theo fordert in dieser Szenedie Erzieherin seiner Wahl ohne Worte dazu auf, einBilderbuch mit ihm zusammen anzuschauen. DieErzieherin begleitet das Anschauen der Bilder mitihren Worten.Theo bestimmt ihr Handeln und lenktdas Geschehen mit seinem Zeigefinger. Er ist ganzauf den Inhalt des Buches konzentriert und lässtsich durch die lauten Spielgeräusche im Raumkaum ablenken.Theo hat sich selbst dieses Erlebnis,die Autorin nennt es einen „Intensivkurs zum Spracherwerb“, verschafft. Er fühlt sich dadurch be-stätigt, dass die Erzieherin auf seine Forderungprompt und positiv reagiert.

– Im Zusammenhang mit dem Sprechen-Lernen müs-sen Kinder auch lernen, mit anderen wirksam zukommunizieren. Dazu gehört die Aufgabe, eine eigene Stimme zu entwickeln und sich Gehör zuverschaffen, sich verständlich zu machen und zuver-stehen, zuzuhören und zu antworten. Geben Sieden Kindern Gelegenheit dazu.

– Mehrsprachigkeit: Unter allen Kindern, die in West-deutschland in öffentlicher Tagespflege betreutwerden, ist laut Statistik bei knapp einem Fünftelmindestens ein Elternteil ausländischer Herkunft.In Ostdeutschland sind es weniger. Auch diese Kin-der sollen so gut Deutsch lernen, dass sie ohne Pro-bleme in die Schule wechseln können. Das Leben inder Tagespflegestelle sollte sprachbewusst gestal-tet werden. Machen Sie sich bewusst, dass Kinder inden ersten vier Lebensjahren nicht Deutsch, Tür-kisch oder Englisch lernen, sondern sprachlicheFähigkeiten in unterschiedlichen Erfahrungsräu-men entwickeln. Vermitteln Sie Kindern mit Migra-tionshintergrund, dass ihre Muttersprache will-kommen ist und nicht abgewertet oder verstecktwerden muss. In der sprachlichen und kulturellenVielfalt einer Kindergruppe liegt die Chance, alleKinder auf ein mehrsprachiges Leben vorzuberei-ten. Kleine Kinder nutzen ohnehin alle Verständi-gungsmittel und können sich auch über unter-schiedliche Sprachen hinweg verständigen. Imlebendigen Miteinander wird es den Kindern leicht-fallen, ihr Deutsch aufzubauen.

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Die Autorin eines gelungenen Buches zur Sprachför-derung für kleine Kinder berichtet, dass sie in ihrer Ar-beit häufig auf Erwachsene trifft, die mit Kindern wiemit anderen Erwachsenen oder gar „wie mit einemAutomaten“ sprechen. Diese Menschen seien stetsdarauf bedacht, dass sich kein Kindwort und keineemotionale Betonung in ihre Sprechweise schleicht.Sie haben Angst davor, sich auf die Äußerungsweisender Kinder einzulassen und auf Augen- und Tonhöhemit ihnen zu kommunizieren. Dies wäre nach Ansichtder Autorin falsch verstandene Sprachförderung. Siebetont, dass Sprache nicht nur ein technisches Medi-um zur Informationsübertragung ist, und ermutigt Er-

zieherinnen und Erzieher, wieder „mit Worten zu spie-len, mit der Stimme zu feixen und mit Lauten zu jon-glieren“ (Winner 2007). Es gelte, den Reichtum dersprachlichen Fähigkeiten von Kleinkindern zu ent-decken. Das soll nicht als Aufforderung zu Babyspracheim Kindergartenalter oder zu anbiedernder Kinder-tümelei verstanden werden. Aber Sprache, Kommuni-kation und die Beziehung zu Menschen dürfen Spaßmachen. Dafür sind in der Kindertagespflege mit einerüberschaubaren Kindergruppe und der Möglichkeit, inintensiven Dialog zu gehen, beste Bedingungen gege-ben.

LiteraturZum Weiterlesen und Weiterarbeiten am ThemaSehr anschaulich, praxisnah und informativ, gut geschrieben:Winner, Anna (2007): Kleinkinder ergreifen das Wort. Sprachförderung mit Kindern von 0 bis 4 Jahren. Mannheim: CornelsenWeinrebe, Helge (2007): Sprache und Sprechen. Herder Taschenwissen für ErzieherInnen. Freiburg: Herder

Für die Arbeit mit Kindern ab drei Jahren, veranschaulicht die Bedeutung von Sprache über verschiedene zentrale Bil-dungsthemen hinweg:Jampert, Karin/Leuckefeld, Kerstin/Zehnbauer, Anne/Best, Petra (2006): Sprachliche Förderung in der Kita.Wie viel Sprache steckt inMusik, Bewegung, Naturwissenschaften und Medien? Weimar und Berlin: Verlag das netz

Als Verbindung zur Kleinkindpädagogik nach Emmi Pikler:Strub, Ute/Tardos, Anna (Hginnen) (2006): Im Dialog mit dem Säugling und Kleinkind. Berlin: Pikler Gesellschaft. Dem Thema Sprach-förderung im engeren Sinn widmen sich in dieser Broschüre zwei Artikel: Emmi Pikler: Vom Sprechenlernen, S. 17 – 20 und Ilona Sán-dor: Der Säugling „spricht uns an“, S. 21 – 25

Zur bildlichen Veranschaulichung:DVD und Textheft: Bertelsmann Stiftung (Hg.) (2007): Wach, neugierig, klug – Kinder unter 3. Informationen und Szenen zur Entwick-lung von Kindern. Gütersloh: Verlag Bertelsmann StiftungBertelsmann Stiftung/Staatsinstitut für Frühpädagogik IFP (Hg.) (2006): Wach, neugierig, klug – Kinder unter 3. Ein Medienpaketfür Kitas, Tagespflege und Spielgruppen. Bielefeld

LiteraturBayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen & Staatsinstitut für Frühpädagogik: DerBayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung. Weinheim: Beltz 2006, S. 207 ff.

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In dieser Veranstaltung wird ein Thema aufgegriffen,das bereits in der Einführungsphase eine Rolle gespielthat (vgl. z. B.Themenspektrum „Tagespflege – die Per-s-pektive der Kinder“). Ziel ist es, auf einige Aspekte ver-tieft einzugehen. Manche Teilnehmerinnen betreueninzwischen Tageskinder und bringen eigene Erfahrun-gen ein. Es hängt von der Zusammensetzung und denBedürfnissen in der Gruppe ab, worauf der Akzent ge-legt werden sollte. Da das Thema „Eigene Kinder – Ta-geskinder“ für viele Tagesmütter emotional stark be-setzt ist, sollte auf jeden Fall ausreichend Zeit für dieBearbeitung der ausgewählten Inhalte zur Verfügungstehen. Falls in einer Gruppe mehrere der alternativvorgeschlagenen Unterthemen sehr wichtig sind, sosollte das Thema bei einer anderen Fortbildungsveran-staltung noch einmal aufgegriffen werden.

Tagesmütter sind häufig Frauen, die bewusst zu Hau-se bleiben, um sich ihren eigenen Kindern zu widmen.Manche geben eine geschätzte Berufstätigkeit des-halb, zumindest vorübergehend, auf. Dies erfolgt meis-tens in Absprache mit dem (Ehe-)Partner, dem eben-falls daran gelegen ist, dass die Mutter „ganz für dieKinder da“ ist. Auch die Aufnahme von Tageskindern er-folgt häufig unter dem Gesichtspunkt, etwas Gutes fürdas Kind zu tun: „Dann hat mein Kind einen Spielge-fährten, wächst nicht so alleine auf.“ Dieses Motiv fandsich in einer Hamburger Studie bei 60,4 % der Ta-gespflegepersonen (Krauß/Zauter 1993, S. 99).

TagespflegeinteressentInnen übersehen allzu leicht –oder können es sich nicht richtig vorstellen –, dass dieBetreuung eines Tageskindes nicht nur Vorteile mit sichbringt, sondern mit einer Menge Arbeit und Ein-schränkungen für alle Familienmitglieder verbundenist. Die manchmal heftigen Eifersuchtsreaktionen deseigenen Kindes und die vielen dramatischen Konfliktezwischen den Kindern lassen dann manche Tagesmüt-ter zweifeln, ob sie die richtige Entscheidung getroffenhaben. Anhaltende Konflikte zwischen den Kinderngehören deshalb zu den häufigsten Abbruchgründenfür die Tagespflege (Krauß/Zauter 1993, S. 133 f.). Unter-

schätzt wird häufig auch die Angebundenheit an deneigenen Haushalt durch die Tageskinder, der Verlust anFreiheit, die Zeit nach den eigenen Bedürfnissen einzu-teilen und mit dem eigenen Kind/den eigenen Kindernetwas zu unternehmen (Stich 1980, S. 112 ff.).

In einer Beobachtungsstudie zeigte sich außerdem, wiesich im Verhalten der Tagesmütter gegenüber einem eigenen und einem ungefähr gleichaltrigen Tageskindihre – durchaus nicht immer bewusste – Ambivalenz widerspiegelt, einerseits gerecht zum Tageskind sein zuwollen und andererseits dem eigenen Kind eine speziel-le Förderung nicht vorenthalten zu wollen (Andres 1989,S.233 f.).Tagesmütter müssen sich also mit der Frage aus-einandersetzen, was „Gerechtigkeit“ gegenüber dem Ta-geskind im Alltag bedeutet. Es muss wohl davon ausge-gangen werden, dass eine Tagesmutter sich umsooffener und fairer einem Tageskind gegenüber verhal-ten kann, je weniger sie ihre spezifische Beziehung zumeigenen Kind verleugnen muss. Das Tageskind seiner-seits hat eine besondere emotionale Beziehung zu sei-nen eigenen Eltern. Gerechtigkeit bedeutet deshalbnicht, dass die Tagesmutter das Tageskind wie ihr eige-nes behandeln muss. Aber selbstverständlich hat dasTageskind einen Anspruch auf eine Tagesmutter, diesich ihm einfühlsam zuwendet, die sich fair verhält –auch bei Konflikten zwischen den Kindern – und sichum seine individuelle Förderung nach Kräften bemüht.

Eine besondere Herausforderung für Tagesmütter kannauch darin bestehen, dass sie ihr eigenes Kind durchden Vergleich mit dem Tageskind in „einem anderenLicht“ sehen. Vielleicht führen auch Reaktionen derUmgebung zu Gefühlen der Verunsicherung oder desZorns. Eine Tagesmutter drückte dies z. B. so aus:„Wenn z. B. Besuch da ist, ist das Tageskind furchtbarkontaktfreudig, fast aufdringlich. Da kommt einer rein,da sagt S. sofort ‚Guten Tag‘. Die Leute haben dann nurInteresse an ihr. Meine Tochter sitzt da, tut nichts,macht nichts. Da denke ich meistens, das ist doch mei-ne Tochter, redet doch mit meiner Tochter, warum redetihr immer mit dem Tageskind?“ (Erler 1996, S. 284)

Tageskinder und eigene Kinder gemeinsam betreuen und fördern

Eine Besonderheit in der Tagespflege

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Es ist wichtig, dass sich Tagesmütter mit solchen Si-tuationen und Gefühlen auseinandersetzen und sichmit Kolleginnen – auch in der Fortbildung – darüberaustauschen. Es sollte ihnen bewusst werden, dass siein der Tagespflege lediglich verschärft erleben, womitsie auch in anderen Zusammenhängen (z. B. Schule,Verwandtenkreis) konfrontiert sind: Das eigene Kindim Vergleich zu anderen wahrzunehmen, seine Stärkenund Schwächen zu erleben, die Reaktion anderer aufdas eigene Kind zu beobachten. Es gehört wohl zu denwichtigsten Aufgaben von Eltern, bei aller Förderung

und allem Bemühen zu akzeptieren, dass ihre eigenenKinder – wie sie selbst – nicht perfekt sind!Die größte Brisanz hat das Thema „Eigene Kinder – Ta-geskinder“ zweifellos für Tagesmütter, die – erstmalig –zu den eigenen kleinen Kindern Tageskinder im Klein-kindalter aufnehmen.Die Situation entspannt sich meis-tens,wenn die eigenen Kinder z.B. im Schulalter sind undTageskinder im Kleinkindalter aufgenommen werden.Auch die zunehmende Erfahrung der Tagesmütter, ihrewachsende Professionalität tragen im Allgemeinen zueinem spannungsfreieren Tagespflege-Alltag bei.

LiteraturAndres, Beate (1989): Tagesmütter. Frauen zwischen privater und öffentlicher Mütterlichkeit. In: Klewitz, M./Schildmann, U./Wobbe, Th.(Hg.): Frauenberufe – hausarbeitsnah? Pfaffenweiler: Centaurus Verlag, S. 219–243Bronfenbrenner, Urie (1993): „Universalien der Kindheit?“ Interview: Donata Elschenbroich. In: Deutsches Jugendinstitut (Hg.):Was fürKinder. Aufwachsen in Deutschland. Ein Handbuch. München: Kösel-Verlag, S. 74–79Erler, Gisela (1996): Tagesmütter und Pflegekinder – Einblicke in ein Erziehungsgefüge. In: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frau-en und Jugend (Hg.): Kinderbetreuung in Tagespflege. Tagesmütter-Handbuch. Stuttgart/Berlin/Köln: Kohlhammer-Verlag, S. 269–299Gordon, Thomas (1972): Familienkonferenz. Die Lösung von Konflikten zwischen Eltern und Kind. Hamburg: Verlag Hoffmann und Cam-peGünther, Christine (1998): „Ich schlichte nicht, und ich ergreife keine Partei“. In: Dittrich, Gisela/Dörfler, Mechthild/Schneider, Kornelia:Konflikte unter Kindern beobachten und verstehen. München: Deutsches Jugendinstitut (Bezug: Deutsches Jugendinstitut, Nockher-str. 2, 81541 München)Schwerpunktheft: Tagesfamilie – eigene Familie. ZeT Zeitschrift für Tagesmütter und -väter, Heft 1/2008Krauss, Günter/Zauter, Sigrid (1993): Kindertagespflege in Hamburg. (Hg. und Bezug: Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung,Amt für Jugend. Postfach 76 06 08, 20083 Hamburg)Stich, Jutta (1980): Die Tagesmütter – ihre Erfahrungen im Modellprojekt. In: Arbeitsgruppe Tagesmütter: Das Modellprojekt „Tages-mütter“ – Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz: Kohlhammer-Verlag (Band 85 der Schrif-tenreihe des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit), S. 99–146Tomitza, Sven (2000): Meine Mutter hat noch andere Kinder. Der Sohn einer Tagesmutter berichtet über seine Erfahrungen. In: ZeT Zeit-schrift für Tagesmütter und -väter. Heft 2, März 2000, S. 20–21

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Tagespflege und das Wohlergehen meines eigenen Kindes – lässt sich das miteinander vereinbaren?

1. Mein eigenes Kind kommt gut damit zurecht,dass ich ein Tageskind/Tageskinder betreue.

2. Mein Kind mag das Tageskind/die Tageskinderrichtig gern.

3. Mein eigenes Kind hat viel dadurch gelernt, dass wir das Tageskind/die Tageskinder in der Familie haben.

4. Ich habe am Ende des Tagespflegetages genügend Energie übrig, um mich ausschließlich meinem Kind zuzuwenden.

5. Ich kann die Freude, ein eigenes Kind/eigene Kinder zu haben,auch als Tagesmutter richtig genießen.

6. Das Wohlergehen meines Kindes würde es wahrscheinlichnicht beeinträchtigen, wenn ich noch ein Tageskind aufnehmen würde.

Hinweise zur Auswertung:Wenn Sie bei den Fragen 1–5 überwiegend „stimmt“ angekreuzt haben, so lässt dies darauf schließen, dass sichIhre Tagespflegetätigkeit mit dem Wohlergehen Ihres eigenen Kindes gut vereinbaren lässt. Sollten Sie über-wiegend „stimmt nicht“ angekreuzt haben, wäre es sinnvoll, zu überlegen, wie sich die Situation verbessern lässt. Der Austausch mit Ihren Tagespflegekolleginnen und eventuell einer Beraterin kann Sie dabei unterstüt-zen. Frage 6 sollte mit „stimmt“ beantwortet worden sein, bevor Sie sich für die Aufnahme eines weiteren Ta-geskindes entscheiden.

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Einschätzbogen für Tagesmütter

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Oft unterschätzt: der partnerschaftlicheAustausch mit den ElternVon Tagesmüttern wird oft unterschätzt, wie wichtigdie Zusammenarbeit mit Eltern ist. Manchmal wird siedirekt als lästig empfunden („Tagespflege ist ein tollerBeruf, ... wenn nur die Eltern nicht wären!“1). Dabei istdie Kommunikation und Kooperation mit Eltern2 einwesentlicher Bestandteil der Tagespflege. Wenn Be-treuungsverhältnisse in der Tagespflege scheitern, liegtdies häufig nicht daran, dass die Tagesmutter mit demTageskind nicht zurechtkommt, sondern dass sie mitdessen Eltern in wesentlichen Punkten nicht einig wer-den kann.

Im Mittelpunkt der Zusammenarbeit steht das Wohl-ergehen des Tageskindes. Die Belastungen, die für dasKind durch den Wechsel zwischen den verschiedenenLebensumwelten zu Hause und in der Tagespflege ent-stehen können, sollen möglichst gering gehalten wer-den. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) zähltin § 43 (2) zu den Eignungsvoraussetzungen einer Ta-gesmutter deshalb ausdrücklich die Kooperationsbe-reitschaft mit Erziehungsberechtigten. In der Tages-pflege ist es notwendig, sich in grundsätzlichen Fragen,z. B. beim Erziehungsstil wie auch in alltäglichen Ent-scheidungen immer wieder abzustimmen. Dafür ist ei-ne partnerschaftliche Orientierung wichtig.

Die Tagesmutter und die Eltern sind aus verschiedenenRollen heraus an dem Kind interessiert und haben je-weils einen unterschiedlichen „Wahrnehmungsaus-schnitt“ auf das Kind. Um eine Kontinuität der Betreu-ung zu gewährleisten, ist es wichtig, dass dieErwachsenen in einem regelmäßigen gegenseitigenAustausch stehen. Für das Tageskind ist ein positivesVerhältnis zwischen den Erwachsenen wesentlich.Wenn das Kind spürt, dass z. B. die Tagesmutter seineEltern ablehnt, gerät es in große innere Spannungenund Konflikte. Das Kind verhält sich immer loyal den ei-

genen Eltern gegenüber, denn „die Bindung von Kin-dern an die Eltern gehört zum Zähesten, womit Men-schen ausgestattet sind“3. Ein Loyalitätskonflikt solltedem Tageskind unbedingt erspart werden.

Tagesmutter und Eltern sind deshalb auf eine vertrau-ensvolle Zusammenarbeit angewiesen. Gleichzeitig istihre Beziehung zueinander auch vertraglich geregeltund damit eine Geschäftsbeziehung. In den erstenKontaktgesprächen verständigen sich Tagesmutterund Eltern über ihre Vorstellungen und Erwartungenvoneinander. Falls sich beide Seiten einig werden undein Betreuungsverhältnis zustande kommen soll, wirdein Betreuungsvertrag aufgesetzt. Darin werden dieverabredeten Leistungen beider Seiten schriftlich nie-dergelegt sowie möglichst auch Verabredungen ge-troffen über Angelegenheiten, die sich im Verlauf desBetreuungsverhältnisses zu Konfliktpunkten ent-wickeln könnten. Hierfür sollten sich beide Seiten aus-reichend Zeit nehmen, denn die im Betreuungsvertraggetroffenen Vereinbarungen stellen eine wesentlicheGrundlage für die Zusammenarbeit von Tagesmutterund Eltern dar (siehe Veranstaltung „Recht (2) Betreu-ungsvertrag“).

Erziehungspartnerschaft in der PraxisWie kann die Erziehungspartnerschaft im Alltag ge-staltet werden? Sie bedeutet in erster Linie einen re-gelmäßigen, intensiven Informationsaustausch in al-len Belangen, die die Kinderbetreuung betreffen: Wielange hat Sandra mittags geschlafen? Heute hat siezum ersten Mal Tomaten gegessen, die sie eigentlichsonst nicht mag. Hat Luca sich gut von den Wind-pocken erholt? Von wann bis wann wird die Familie vonSandra in den Urlaub fahren usw. Diese gegenseitigenMitteilungen helfen, das Informationsdefizit zwischenbeiden Familien zu überbrücken und eine Kontinuitätder Betreuung für das Kind sicherzustellen. Diese Ge-spräche sollten nicht nur zwischen Tür und Angel statt-

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Erziehungspartnerschaft in derKindertagespflege

Anmerkungen1

Wimmer, Birgit: Mit Eltern arbeiten gehört dazu. Warum eine Kooperation sinnvoll und notwendig ist. In: Zeitschrift für Tagesmütterund -väter, 2/1999, S. 8

2 Bzw. anderen Bezugspersonen des Tageskindes3

Wimmer, Birgit: ebd. S. 9

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finden, sondern bei Bedarf auch mit mehr Zeit und Ru-he (siehe auch Veranstaltung „Nicht nur zwischen Türund Angel: Gespräche mit Eltern“).

Die Grundlage für ein gutes Verhältnis mit den Elternsind gegenseitiger Respekt, Ehrlichkeit und Verbindlich-keit im Umgang miteinander. Dies will im Alltag „erar-beitet“ sein. Eine gute Vertrauensbasis erweist sich be-sonders dann als hilfreich, wenn einmal schwierigereThemen anzusprechen sind. Solange das Betreuungs-verhältnis problemlos und einvernehmlich „läuft“, ist ei-ne partnerschaftliche Haltung relativ leicht umzusetzen.Schwieriger wird es, falls Differenzen auftauchen. Lässtsich der faire und partnerschaftliche Umgang auch dannaufrechterhalten?

Kann die Tagesmutter die Eltern als Fachleute in Fragendes Kindes und seines Alltags anerkennen, auch wennsie nicht jedes Verhalten von ihnen nachvollziehen undgutheißen kann? Oder wird z. B. im Austausch mit an-deren Tagesmüttern abschätzig über die Eltern ge-sprochen? Auf keinen Fall sollten Tagesmütter in derFortbildung in einer abwertenden Haltung Eltern ge-genüber bestärkt werden!

Was kann die Tagespflegequalifizierung leisten?Die Fortbildung soll den Tagesmüttern Hilfestellunggeben, auch in schwierigeren Situationen bei einemkonstruktiven und verbindlichen Umgang zu bleibenund die eigenen Handlungsspielräume diesbezüglichzu erweitern. Welche Situation als schwierig erlebtwird, hängt dabei jeweils von den individuellen Vo-raussetzungen der Teilnehmerinnen ab. Anhand vonFallbeispielen, die von der Referentin oder von einzel-nen Teilnehmerinnen eingebracht werden, lässt sichder Umgang mit typischen Konfliktsituationen im ge-schützten Rahmen der Fortbildungsgruppe durchspie-len, besprechen und üben.

Was kann die Tagespflegequalifizierung in Bezug aufdie Zusammenarbeit mit Eltern außerdem leisten? Ei-ne wichtige Anforderung für die Tagesmutter besteht

darin, immer wieder einmal einen Perspektivenwechselvorzunehmen und sich in den Blickwinkel der Elternhineinzuversetzen, um ein Verständnis für deren Si-tuation und Sichtweise zu entwickeln. Die Erwartun-gen und Wünsche von Tagesmutter und Eltern sinddurchaus nicht immer deckungsgleich. Wenn die Ta-gesmutter vorschnell eine Übereinstimmung der Vor-stellungen voraussetzt, ohne sich im Gespräch ihrerWahrnehmung zu vergewissern, kann dies leicht zuEnttäuschungen und Missverständnissen führen. DaTagesmütter in der Regel eigene Kinder haben und dieElternrolle aus eigener Erfahrung kennen, ist es sinn-voll, diese Erfahrungen in der Fortbildung ab und zu inErinnerung zu bringen (z. B.„Wie habe ich mich gefühlt,als ich zum ersten Mal mein Kind in fremde Betreuunggegeben habe?“).

Im Rahmen der Fortbildung werden die Kursteilneh-merinnen weiterhin dazu angeregt, eigene Vorstellun-gen und Konzepte über ihre Tagespflegearbeit zu ent-wickeln und sie zu beschreiben. Dadurch lernen sie,Eltern gegenüber deutlich zu machen, wodurch sichihr spezielles Tagespflegeangebot jeweils auszeichnet.Welche Angebote (z. B. Singen mit Kindern, ein Garten,Diäternährung oder Ausflüge ins Freibad) liegen imRahmen ihrer Möglichkeiten? Wie weit kann die Tages-mutter den Wünschen von Eltern entgegenkommen?Was kann oder will sie den Eltern andererseits nicht an-bieten? Dies sollte die Tagesmutter den Eltern mög-lichst klar beschreiben und vermitteln können.

Zusammenarbeit mit Eltern statt ElternarbeitSeit einiger Zeit findet der Begriff der „Elternarbeit“Eingang in die Tagespflege.4 Diese Entwicklung ver-dient eine kritische Betrachtung. Der Begriff stammtaus dem Bereich der Kindertageseinrichtungen, wo dasThema derzeit viel Aufmerksamkeit erfährt und disku-tiert wird.5 Im Bereich der Tageseinrichtungen findeteine Entwicklung statt, die von herkömmlichen Kon-zepten der „Elternarbeit“ abrückt und die „Kooperationmit den Eltern“ mehr in den Vordergrund stellt. Denn eshat sich gezeigt, dass Eltern im Rahmen der „Elternar-

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Anmerkungen4 z. B. Wimmer, Birgit: Mit Eltern arbeiten gehört dazu. Warum eine Kooperation sinnvoll und notwendig ist, in: Zeitschrift für Tages-

mütter und -väter, 2/1999, S. 8; Gerszonowicz, Eveline (1993): Tagespflege: Notlösung oder Alternative? Chancen und Grenzen einerTagesbetreuung für Kleinkinder, (Bezugsadresse: Eveline Gerszonowicz, Pädagogischer Verlag, Roennebergstr. 13, 12161 Berlin) Berlin,S. 127

5 z. B. Blank, Brigitte/Eder, Elisabeth: Zusammenarbeit mit Eltern in Kindertageseinrichtungen. Arbeitshilfen für die Praxis, Kro-nach/München/Bonn/Potsdam: Carl Link/Deutscher Kommunal-Verlag 2000. Brühan, Wolf/Bundesverband Neue Erziehung e.V.

(Hg.): Elternzusammenarbeit – Stiefkind in der Aus- und Weiterbildung von Erzieherinnen. Dokumentation der Fachtagung vom5./6.9.1996 in Leipzig, Grafschaft: Vektor-Verlag, 1997. Textor, Martin: Kooperation mit den Eltern. Erziehungspartnerschaft von Fami-lie und Kindertagesstätte, München: Don Bosco, 2000

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beit“ häufig nicht als gleichberechtigtes Gegenüber,sondern als unterstützungs- und ergänzungsbedürf-tig6 wahrgenommen wurden und ein Stück weit „mit-erzogen“ werden sollten: „Der Begriff Elternarbeit legtdenn auch Elternbearbeitung nahe.“7 Diese Tendenzdrückt sich darin aus, dass der Austausch mit den El-tern häufig unter dem Begriff „Beratung“ zusammen-gefasst wurde, obwohl Beratung im engeren Sinnebzw. das Um-Rat-Fragen von Eltern nur einen kleinenTeil der Zusammenarbeit ausmacht.8 In der Fachlitera-tur wurden Eltern entsprechend als Ratsuchende be-zeichnet, was ein als hierarchisch angenommenes Ver-hältnis zwischen dem „kundigen Fachpersonal“ und den„unqualifizierten“ Eltern widerspiegelt. Es ist verständ-lich, wenn sich Eltern gegen eine solche abschätzige, be-vormundende Haltung wehren und unter diesen Um-ständen ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeiteinschränken. Während sich in der Erzieherinnenaus-und -fortbildung die Entwicklung von der „Elternar-beit“ zur „Erziehungspartnerschaft“ schließlich durch-setzt, sollte das fragwürdige Konzept der Elternarbeitin der Tagespflege gar nicht erst eingeführt werden.

Übungen zur KommunikationDie Tagesmutter steht in ihrem Berufsalltag in einemkomplexen Geflecht von Beziehungen. Damit kompe-tent umzugehen, stellt hohe Anforderungen an sie. Obihr dies gelingt, hängt in großem Maße von ihrem Ge-schick im Umgang mit anderen Menschen und ihrenFähigkeiten ab, mit den beteiligten Erwachsenen undKindern konstruktiv zu kommunizieren. Dies machtletztlich auch den Erfolg und die Zufriedenheit mitihrer Arbeit aus.

Jede Tagesmutter bringt dabei eigene Begabungen undErfahrungen mit, die sie sich im Laufe ihres Lebens er-worben hat. Manche Frauen haben ein feines Gespürim Umgang mit anderen Menschen, sind sich abernicht bewusst, warum sie sich so verhalten. Anderewundern sich z. B., weshalb es immer wieder zu Miss-verständnissen und Verärgerung kommt.Wie kann sich

die Tagesmutter eindeutig verständlich machen? Wiekann sie auf andere eingehen, ohne ihren eigenenStandpunkt aufzugeben? Jede Tagesmutter kann da-zulernen, ihre Beziehungen bewusster zu gestalten. Zudiesem Zweck werden in der Fortbildung neben denausgesprochenen Tagespflegethemen immer wiederallgemeine Kommunikationsübungen eingeflochten,die dafür sensibilisieren sollen, wie die Beteiligten inder Tagespflege ihren Umgang miteinander konstruk-tiver gestalten können. Wenn Kursteilnehmerinnen imRahmen der Tagespflegequalifizierung neugierig wer-den und erkennen, dass es sich für sie lohnen würde,sich gezielter mit dem Thema Kommunikation aus-einanderzusetzen und sich z. B. in Kursen zur Familien-kommunikation (nach Thomas Gordon9) weiter zu qua-lifizieren, so wäre dies ein wünschenswertes Ergebnis.

In den folgenden Veranstaltungen werden verschiede-ne Aspekte der Erziehungspartnerschaft näher be-trachtet und praktische Empfehlungen für die Ausge-staltung gegeben.

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Anmerkungen6 Jansen, Frank: Eltern als Kunden? Erziehung als gemeinsame Aufgabe von Familien und Einrichtungen. In: Theorie und Praxis der So-

zialpädagogik, 6/1995, S. 3137 Miedaner, Lore: Vom Mütterabend zur vielfältigen Zusammenarbeit mit den Eltern. In: Theorie und Praxis der Sozialpädagogik 6/1995,

S. 3098 Storath, Roland: Überlegungen zur Elternberatung: „Wer will eigentlich was von wem?“ In: Eder, Sabine/Lauffer, Jürgen/Michaelis,

Carola (Hg.) (1999): Bleiben Sie dran! Medienpädagogische Zusammenarbeit mit Eltern. Ein Handbuch für PädagogInnen, Bielefeld,S. 145 ff.

9 z. B. Gordon, Thomas( 1999): Familienkonferenz in der Praxis. Wie Konflikte mit Kindern gelöst werden, München: Heyne. Auch: Adams,

Linda/Lenz, Elinor (1996): Frauenkonferenz. Wege zur weiblichen Selbstverwirklichung, München: Heyne (5. Aufl.)

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Ziele:• Bewusst den passenden Rahmen für ein Gespräch

mit Eltern herstellen lernen• Einfühlung und Verständnis für die Perspektive des

Kindes entwickeln

Übung:Die Referentin kündigt eine kurze Demonstration anund bittet drei Teilnehmerinnen, sich zur Verfügung zustellen. Es sollen die Rolle der Tagesmutter, der Mutterdes Tageskindes sowie die Rolle des Tageskindes be-setzt werden. Jede der drei Darstellerinnen bekommteine Rollenkarte, auf der beschrieben ist, was sie sagenbzw. wie sie sich verhalten soll. Die Referentin stellt diedrei Personen zu einer Gesprächsszene (z. B. an derHaustür) auf: Mutter und Tagesmutter stehen sich ge-genüber. Das Kind kniet neben der Mutter und hält sichan deren Bein fest.

Nun spielen die Rollenspielerinnen den auf den Rollen-karten beschriebenen kurzen Wortwechsel und haltendann inne.

Die Referentin richtet an die Darstellerin des Kindes dieFragen:1. Wie fühlen Sie sich in der Rolle als Kind in dieser Si-

tuation? Wie wirkt das auf Sie?2. Was hätten Sie sich als Kind lieber gewünscht?

Die Darstellerinnen werden mit Dank aus ihren Rollenentlassen. Es schließt sich eine Diskussion in der Grup-pe an.

Diskussion:Gespräche in Gegenwart von Kindern kommen zu-stande, wenn ein Elternteil das Tageskind zur Tages-mutter bringt oder von der Tagesmutter abholenkommt. Es können jedoch auch Zufallsbegegnungenaußerhalb der Tagespflege, z. B. auf dem Markt oder imSchwimmbad, sein. Für das Kind bedeutet dies ein Auf-einandertreffen zweier verschiedener Lebenswelten, indenen es jeweils unterschiedliche Verhaltensmusterund Regeln gibt. Jede dieser Lebenswelten ist für sich

genommen ein „eingespieltes System“. Wenn jedochdiese eingespielten Systeme aufeinandertreffen, dannergeben sich daraus irritierende Situationen, weil nichtmehr eindeutig ist, welche Regeln und Verhaltensmus-ter gerade gelten. Tagesmütter erleben immer wiedersolche Momente, wenn Kinder sich nach der Ankunfteines Elternteils plötzlich anders verhalten: provozie-render, aggressiver oder auch weinerlicher. Die Mutterwird stürmisch begrüßt und vereinnahmt – gleichzei-tig zählt auf einmal die Tagesmutter nichts mehr. Oderdas Kind möchte noch nicht gehen und ignoriert dieAufforderungen der Mutter, sich die Jacke anzuziehen.Häufig verhalten Kinder sich ihren Eltern gegenüberemotional fordernd nach einem langen Tag in der Ta-gespflege, als ob sie sich der Sicherheit und Belastbar-keit dieser Beziehung wieder vergewissern müssten.

Gerade die Abholsituation ist für das Kind ein sensiblerÜbergang – für die Erwachsenen übrigens auch: Die El-tern wechseln aus ihren beruflichen Rollen ins Fami-lienleben, auch für die Tagesmutter beginnt, wenn dieTageskinder gehen, der private Teil des Tages. Dies istkeine gute Gelegenheit für die Erwachsenen, ein Ge-spräch miteinander anzufangen, bei dem in Ruhe ei-nige Dinge besprochen werden sollen. Kinder spüren,dass sie aus dem Gespräch ausgeschlossen sind, undneigen umso eher dazu, die Aufmerksamkeit der Er-wachsenen auf sich zu ziehen. Falls es heikle Punkte zubesprechen gibt, kann eine negative Stimmung ent-stehen, die das Kind zusätzlich verunsichert und belas-tet. Diese Gesprächssituation ist also sehr störungsan-fällig und sollte nach Möglichkeit von vornhereinvermieden werden. Hier eignet sich ein Telefonat odereine Extra-Verabredung ohne Kinder besser.

In der dargestellten Szene wurde in Gegenwart desKindes über das Kind gesprochen. Mit dieser Situationsollten Tagesmutter und Eltern sensibel umgehen. So-fern es um lobende oder bestärkende Aussagen überKinder geht, ist dagegen wenig einzuwenden. Das Kinderfährt dadurch positive Zuwendung. Generell ist je-doch zu beachten, dass niemand gern die Erfahrungmacht, dass über den eigenen Kopf hinweg geredet

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Gespräche mit Eltern in Gegenwartvon Kindern?

Demonstration

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wird. So wie man es Erwachsenen nicht zumutet, dassin ihrer Gegenwart über sie gesprochen wird, ohnedass sie das Gespräch mitgestalten und ihre eigenePerspektive einfließen lassen können, ebenso wenigsollte man Kindern diese Erfahrung zumuten. Beson-ders wenn es um negative Mitteilungen geht, fühlt sichein Kind schnell in unangenehmer Weise bloßgestellt.Wenn es sich schon nicht vermeiden lässt, dass un-günstige Dinge über das Kind in der Gegenwart desKindes besprochen werden, so ist es wichtig, dem Kinddurch Blickkontakt, durch Auf-den-Arm- oder Auf-den-Schoß-Nehmen zu signalisieren, dass es geachtet undgeliebt wird und dazugehört.

Die Kursteilnehmerinnen können angeregt werden,sich in das Kind hineinzuversetzen und aus diesemBlickwinkel zu beschreiben, was sie sich in der Rolle desKindes wünschen, z. B.:• „Ich will andere Kinder nicht als Vorbild hingestellt

bekommen.“ • „Ich will, dass die Tagesmutter vertrauliche Dinge

und Negatives von mir nicht meinen Eltern erzählt.“ • „Ich will nicht, dass beim Abholen alles erzählt wird,

was ich tagsüber angestellt habe.“

Wie hätte das dargestellte Gespräch konstruktiver ver-laufen können?

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LiteraturBlume, Ute/Gerszonowicz, Eveline: Vom Tür-und-Angel-Gespräch bis zum Elternabend. Anregungen zur Elternarbeit. PädagogischeMaterialien zur Tagespflege. Hg. Senatsverwaltung für Frauen, Jugend und Familie, Heft 2, 1990, S. 30 f.Erler, Gisela: Tagesmütter und Pflegekinder – Einblicke in ein Erziehungsgefüge, in: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frau-

en und Jugend (Hg.): Kinderbetreuung in Tagespflege. Tagesmütter-Handbuch, Stuttgart, Berlin, Köln S. 269–299 (besonders Ab-schnitt 2: Bringen und Abholen als Grenzsituation, S. 271–276)Wimmer, Birgit: Zwischen Nähe und Distanz. Anforderungen an Elterngespräche. In: ZeT Zeitschrift für Tagesmütter und -väter6/1999, S. 24–26

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Fallbeispiele:Welche Form der Kommunikation mit

Eltern ist geeignet?

Frau K., die Mutter des Tageskindes, erwähntbeim Abholen ihrer Tochter von der Ta-gespflege, dass sie andere Ernährungsvor-stellungen als die Tagesmutter hat und dasssie dies gern mal besprechen würde, amliebsten sofort. Wie geht Frau B., die Tages-mutter, am besten darauf ein?

Das Tageskind Jan (6 Monate) hat Eltern, diejeden neuen Erziehungsratgeber lesen undkeine Gelegenheit auslassen wollen, dasKind zu fördern. Tagesmutter D. findet dasübertrieben. Neulich wurde sie von Jans Va-ter gefragt, welche Fingerspiele, Lieder undgymnastische Übungen sie denn mit demKleinen macht. Soll sie den Eltern mitteilen,dass sie deren Ehrgeiz unangemessen fin-det?

Für den kommenden Donnerstag ist ein Be-such im Zoo geplant. Bring- und Abholzeitenmüssen besprochen werden. Außerdemsind verschiedene Dinge mitzubringen. Wieteilt die Tagesmutter dies den Eltern mit?

Das Tageskind Angelika (2,5 Jahre) kommtseit einem Jahr regelmäßig gerne zur Tages-mutter, deren eigene Kinder bereits in dieSchule gehen. Seit zwei Wochen muss An-gelika sich die Tagesmutter mit einem an-deren Tageskind teilen. Sie reagiert höchsteifersüchtig. Sollte die Tagesmutter Frau P.dies mit den Eltern besprechen?

Frau G. hat festgestellt, dass sie schwangerist. Nun möchte sie ihre Tagesmutter-Tätig-keit beenden, um mehr Zeit für ihre eigeneFamilie zu haben. Wie kündigt sie dies denEltern ihrer beiden Tageskinder an?

Es ist Anfang Dezember. Die Tagesmutter,Frau H., hat den Wunsch, mit den Eltern ih-rer Tageskinder die Urlaubszeiten für daskommende Jahr abzusprechen. Was ist zutun?

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42.Beruf Tagesmutter

Material und Vorbereitung

– Zettel, Stifte, Stellwand/Tafel, Kleber oderNadeln zum Befestigen

– „Kompetenzbogen Tagespflege“ für alle Teil-nehmerinnen kopieren

– „Beruf Tagesmutter – Hintergrundinforma-tionen“ für alle Teilnehmerinnen kopieren

– Info „Tagespflege in Europa“ für alle Teilneh-merinnen kopieren

Was soll mit der Bearbeitung des Themas erreicht werden?

– Kompetenzbereiche der Tagesmutter kennenund beschreiben können

– Eine realistische Selbsteinschätzung in Be-zug auf diese Kompetenzen gewinnen

– Ein professionelles Selbstverständnis als Ta-gesmutter entwickeln und mit Argumentenvertreten können

– Die Bedingungen der Kindertagespflege inDeutschland im Vergleich zu anderen Län-dern einschätzen können

Empfehlungen für den Ablauf(Zeitbedarf: 3 Zeiteinheiten à 45 Minutenplus 15 Minuten Pause)

Begrüßung und Organisatorisches (5 Minuten)

Gesprächsrunde: Praxisbegleitender Einstieg (15 Minuten)

Variante 1:Kompetenzbogen Tagespflege(50 Minuten)Gemeinsam wird im Kompetenzbogen die linke Spal-te mit den verschiedenen Kompetenzfeldern durch-gegangen.– Können sich die Teilnehmerinnen in diesem Profil

wiedererkennen? – Machen diese Punkte zusammen einen Beruf

aus?– Ist Tagespflege nach Ansicht der Teilnehmerinnen

ein Beruf? (siehe „Beruf Tagesmutter – Hinter-grundinformationen“)

Wenn ausreichend Zeit zur Verfügung steht, könnendie Teilnehmerinnen den Kompetenzbogen anhandihrer Selbsteinschätzung durchgehen und ausfüllen,um sich über ihre Stärken klarer zu werden und he-rauszufinden, in welchen Bereichen sie dazulernenmöchten. Wenn diese Zeit in der Fortbildung nichtmehr zur Verfügung steht, sollten die Teilnehmerin-nen ermutigt werden,zu Hause diese Selbsteinschät-zung vorzunehmen.

Variante 2:Tagespflege-Skala(50 Minuten)Die Referentin stellt die „Tagespflege-Skala“1 als einInstrument der Fremd- und Selbstbewertung von Ta-gesmüttern vor (siehe ReferentInnen-Information).

© Weiß/Stempinski/Schumann/Keimeleder: DJI-Curriculum „Qualifizierung in der Kindertagespflege“, Kallmeyer 2008 (2. Auflage)

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Anmerkung1

Tietze,Wolfgang/Knobeloch, Janina/Gerszonowicz, Eveline (2005): Tagespflege-Skala (TAS). Feststellung und Unterstützung pädago-gischer Qualität in der Kindertagespflege;Weinheim: Beltz Verlag.

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Gemeinsam werden die einzelnen Beurteilungskrite-rien angeschaut, sodass sich die Gruppe eine Mei-nung über dieses Instrument bilden kann.

Anschließend kann darüber diskutiert werden, wiedie Teilnehmerinnen die steigenden Qualitätsanfor-derungen erleben und beurteilen, die im Zuge einerProfessionalisierung der Tagespflege auf sie zukom-men.

Pause (15 Minuten)

Auflockerung(10 Minuten)„Der Wind weht …“Alle sitzen im offenen Stuhlkreis. Der Stuhl der Kurs-leiterin wird herausgenommen. Die Kursleiterin stelltsich in die Mitte des Kreises und sagt:„Der Wind wehtfür alle, die … (z. B.: schon Tageskinder haben/Kon-taktlinsen tragen/jetzt müde sind …).“ Alle Teilneh-merinnen, auf die dieses Merkmal zutrifft, stehen aufund suchen sich schnell einen anderen freien Stuhl.Auch die Kursleiterin sucht sich im Gewusel des Plät-zetauschens einen freien Stuhl. Übrig bleibt eine Teil-nehmerin, die keinen Stuhl mehr gefunden hat. Siebeginnt die neue Runde: „Der Wind weht für alle,die ...“.

Variante A:Übung„Was machen Sie denn beruflich?“(30 Minuten)Die Teilnehmerinnen werden gebeten, sich folgendeSituation im Alltag vorzustellen:„Ihre Nachbarin vonschräg gegenüber spricht Sie beim Bäcker an. So laut,dass es alle im Geschäft hören, verkündet sie, welchein schönes Leben Sie doch haben: immer zu Hause,mit Kindern spielen, kein Stress und dann auch nochdafür bezahlt werden ...! Wie reagieren Sie? Wie be-schreiben Sie Ihre Arbeit?“2

Jede Teilnehmerin notiert ihre Antwort auf einem Zettel.Anschließend werden die Zettel sichtbar aufgehängt,und alle erhalten zunächst die Gelegenheit,die Antwor-ten ohne Diskussion auf sich wirken zu lassen. Ansch-ließend Gespräch über die Ergebnisse:Was fällt auf?

Die Praxis zeigt, dass die Tagespflege von Tagesmüt-tern oft unterschiedlich dargestellt wird. Beschreibendie Teilnehmerinnen ihre Tätigkeit selbstbewusst alsanspruchsvolle Aufgabe oder stellen sie ihr Licht un-ter den Scheffel? Hier ist es wichtig, die Erfahrungender Teilnehmerinnen in der Tagespflegepraxis einzu-beziehen.

Variante B:Position beziehen:Was für eine Tagespflege wollen wir? (30 Minuten)Im Raum wird eine möglichst große,freie Innenflächegeschaffen, indem alle Stühle und Tische an die Wandgerückt werden. An einem Ende des Raumes wird einZettel mit der Aufschrift „Ja“ befestigt, am entgegen-gesetzten Ende ein Zettel mit der Aufschrift „Nein“.Nun stellt die Referentin nacheinander zwei bis dreifachpolitische Fragen, die so formuliert sind, dass siesich mit Ja bzw. Nein beantworten lassen. Die Teil-nehmerinnen werden gebeten,die jeweilige Frage fürsich zu beantworten und im Raum einen Standort zufinden:Wer zum Ja tendiert, stellt sich nah beim „Ja“-Zettel auf. Wer zum Nein tendiert, stellt sich eherbeim „Nein“-Zettel auf.Wer eine Position dazwischenbezieht, sucht sich einen entsprechenden Ort zwi-schen Ja und Nein. Das Position-Beziehen geschiehtzunächst, ohne dass gesprochen wird. Die Gruppe lässt das Ergebnis auf sich wirken, indem sich alle um-schauen. Ist die Tendenz der Beantwortung ehereinheitlich oder eher auseinanderstrebend? An-schließend fragt der/die ReferentIn die Teilnehmerin-nen, was sie bewogen hat, gerade diesen Standortauszuwählen.Wer möchte,äußert sich dazu.Wenn ei-ne Frage ausreichend diskutiert wurde,wird zur näch-sten Runde übergegangen. Fachpolitische Fragendes/der Referenten/in könnten z. B. lauten:„Sollte Ihrer/eurer Meinung nach Tagesmutter ein an-erkannter Beruf werden?“ – „Ist eine angestellte Tätig-keit als Tagesmutter einer selbstständigen Tätigkeitals Tagesmutter vorzuziehen?“

Dies ist eine effektive und lebhafte Methode,Pro- undKontra-Argumente zusammenzutragen. Die Teilneh-merinnen werden dabei herausgefordert, Stellung zubeziehen und ihre Position zu begründen. Falls diese

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Anmerkung2 Aus: Brazzelton, Bartholomäus: Das Kinderbetreuungsspiel (deutsche Version), herausgegeben von:VBJK, Dunantlaan 2, B–9000 Gent,

Belgien

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Variante B gewählt wird, kann evtl. schon bei der Dis-kussion der einzelnen Fragen der internationale Aus-blick einbezogen werden:

Der Blick über den Tellerrand: Tagespflege in Europa(15 Minuten)Die Referentin gibt einen Überblick über die Entwick-lung der Tagespflege in anderen europäischen Län-dern (siehe „Info für Tagesmütter: Tagespflege inEuropa“). Welche Erfahrungen liegen in den Nach-barländern vor? Welche Anregungen kann die Ta-gespflege in Deutschland für die Weiterentwicklungaufgreifen?

Dieses Thema kann evtl. in der Veranstaltung „Ver-netzung und Kooperation“ (Modul 1: Was brauchenTagesmütter für ihre qualifizierte Arbeit?) und/oder inder Recht-(4)-Veranstaltung vertieft werden.

Blitzlicht(10 Minuten)

Verabschiedung

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Illustration und ©: Renate Alf, www.renatealf.de

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Tagesmütter können in ihrem Berufsalltag – natürlichauch in Abhängigkeit von der Infrastruktur an ihrem Ort– mit verschiedenen KooperationspartnerInnen zusam-menarbeiten.Fachliche Kooperationen sind vor allem üb-lich mit öffentlichen und/oder freien Rechtsträgern derKinder- und Jugendhilfe, aber auch mit anderen freienTrägern und mit gewerblichen Agenturen. Tagesmütterschließen sich auch untereinander zusammen,z. B. zu ei-nem lokalen Tagespflegeverein, oder treffen sich infor-mell, um sich auszutauschen und um mit den Kinderngemeinsam etwas zu unternehmen. Da die Tagespfle-getätigkeit vorwiegend im Privathaushalt ausgeübtwird, ist Vernetzung ein zentrales Gebot der Betreu-ungsform. Im Zuge der neuen gesetzlichen Aufgabenund Möglichkeiten im Rahmen der Tagespflege entste-hen auch neue Kooperationsformen und Netzwerke.

Öffentliche Jugendhilfe/JugendämterDie Jugendämter sind Träger der öffentlichen Jugend-hilfe und die Fachbehörden der Kommunen. Als solchesind sie laut Kinder- und Jugendhilfegesetz zuständigund letztverantwortlich für das örtliche Tagespflegean-gebot (§ 79 SGB VIII).

Interessentinnen und Interessenten für die Tagespfle-getätigkeit haben in aller Regel bei der Erlaubnisertei-lung und der ihr vorausgehenden Beratung und Eig-nungsüberprüfung erstmalig Kontakt zum zuständigenJugendamt. Weitere Kooperation kann stattfinden überdie Qualifizierung, Vermittlung, fachliche Begleitungund Beratung, über die Ersatzbetreuung und die Ge-währung der laufenden Geldleistung – also im Rahmenaller Leistungen, wie sie im § 23 SGB VIII „Förderung derKindertagespflege“ beschrieben werden. Auch im Zu-sammenhang mit dem Kinderschutz (§ 8a SGB VIII) oderwenn Tagespflege als Hilfe zur Erziehung ausgeübt wird(§ 32 SGB VIII), wird auf besondere Weise mit dem Jugen-damt als Träger der öffentlichen Jugendhilfe kooperiert.

Tagespflegepersonen müssen im Kontakt mit den Ju-gendämtern wie alle anderen mit dem „doppelten Man-dat“ der öffentlichen Träger (Hilfe und Kontrolle) zurecht-kommen. Das fällt nicht allen leicht. Wenn die zustän-digen Personen im Amt sowohl die „Fachaufsicht“ über

die Leistung der Tagesmutter innehaben, wie auch alsAnsprechpersonen bei Schwierigkeiten und Problemenfungieren, kann das zu Interessenskonflikten und Ängs-ten führen („Werden mir keine Kinder mehr vermittelt,wenn ich Schwierigkeiten zugebe?“). Aus diesem Grundbegrüßen Tagespflegepersonen bisweilen die Aufga-benteilung zwischen öffentlichem und freiem Träger.

Freie Jugendhilfe/Freie TrägerDie Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben zur Er-füllung der Aufgaben nach dem Kinder- und Jugend-hilfegesetz mit den Rechtsträgern der sogenannten„freien Jugendhilfe“ partnerschaftlich zusammenzu-arbeiten. Sie haben diese so zu unterstützen, dass sienach dem Subsidiaritätsprinzip (bedingter Vorrang derfreien Träger) in die Lage versetzt werden, entspre-chende Angebote vorzuhalten. Die Jugendämter bezu-schussen die freien Träger also finanziell, als Zuwen-dungsempfänger sind jene insofern bedingt „frei“.

Freie Träger sind sowohl die großen Spitzenverbändeder freien Wohlfahrtspflege (AWO, Caritas, Diakonie,Deutsches Rotes Kreuz, Paritätischer und Zentralwohl-fahrtsstelle der Juden in Deutschland) wie auch klei-nere Vereine – z. B. Tagespflegevereine. Aus der Entste-hungsgeschichte der Tagespflege in Westdeutschlandheraus sind traditionell viele Tagespflegevereine tätig.Die öffentliche Jugendhilfe soll solchen Maßnahmenden Vorzug geben, die stärker an den Interessen der Be-troffenen orientiert sind (§ 74.4 SGB VIII). Aufgrund desguten Angebots der kleinen Fachträger haben die Ju-gendämter vielfach Leistungen der Tagespflege wieVermittlung, Qualifizierung oder Beratung offiziell andie Tagespflegevereine delegiert. Als ihr überregionalerZusammenschluss fungiert der Bundesverband fürKindertagespflege e.V. (ehemals tagesmütter Bundes-verband für Kinderbetreuung in Tagespflege e. V.). Qua-lifizierungskurse für Tagespflege werden häufig auchvon Bildungsträgern durchgeführt, die nicht auf Ta-gespflege spezialisiert sind, z. B.Volkshochschulen oderFamilienbildungsstätten.

Wenn Leistungen der Kindertagespflege vor Ort ge-meinsam vom Träger der öffentlichen und einem oder

Fachliche Kooperation mit Einrichtungenund Institutionen

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mehreren Trägern der freien Jugendhilfe oder eigent-lich fachfremden Trägern vorgehalten werden, ist fürdie Tagespflegepersonen besonders wichtig, dass dieÜbergänge der verschiedenen Verantwortungsberei-che mit entsprechendem Personaleinsatz fachlich gutgestaltet sind. Funktioniert die Verzahnung von Quali-fizierung, Vermittlung, Beratung und Ersatzbetreuungnicht gut, werden der Arbeitsalltag und die Leistungs-fähigkeit der Tagesmütter beeinträchtigt.

Bei der Rechtsträgerschaft von Leistungen der Kinder-und Jugendhilfe hat sich in Deutschland allgemein ei-ne vielfältige Landschaft entwickelt, die in neuerer Zeitwieder stark in Bewegung ist. Vermehrt werden z. B.gemeinnützige gGmbHs und kommunale Eigenbetrie-be gegründet. Mit dem Schwerpunkt Vermittlung sindin der Tagespflege auch zahlreiche privatwirtschaftli-che Agenturen tätig.

Privatwirtschaftlich-gewerbliche VermittlungsagenturenVermittlung allein auf Basis von „Eigenverantwortung“der Beteiligten in „Selbstregulation“ des Marktes überAdressdateien und Such-Steckbriefe ist von den Jugend-ämtern fachlich nicht zu verantworten – das ist in-zwischen bekannt. Zunehmend entstehen private, ge-werblich wirtschaftende Vermittlungsagenturen. Einelangjährig tätige und die wohl größte und bekanntesteAgentur ist der pme Familienservice mit verschiedenenStandorten in Deutschland. Noch recht neu und nachähnlichem Muster tätig ist der AWO ElternServicegGmbH, eine Ausgründung der Arbeiterwohlfahrt. Dassdie großen Wohlfahrtsverbände sich in der Kinderta-gespflege engagieren, ist eine aktuelle Entwicklung. Zu-gleich ist der ElternService auch Ausdruck der sichverändernden Trägerlandschaft in der Kinder- und Ju-gendhilfe.

Der pme Familienservice bietet Unternehmen, Kommu-nen und Politik umfassenden Service zur Vereinbarkeitvon Beruf und Familie. Kindertagespflege ist ein Schwer-punkt unter den Dienstleistungen des Familienservice.Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Partnerunter-nehmen werden beraten und können Vermittlung imganzen Spektrum der Kinderbetreuung in Anspruch neh-men. Auch der AWO ElternService versteht sich als Part-

ner von Unternehmen und Behörden in der Umsetzungeiner familienfreundlichen Personalpolitik und berät, in-formiert und vermittelt den Beschäftigten bundesweitauf der Basis der AWO-Infrastruktur soziale Dienstleis-tungen im Bereich Kinderbetreuung. Sowohl pme Fami-lienservice als auch AWO ElternService bieten auch fach-liche Begleitung für das Betreuungssystem Tagespflegewie Beratung und Qualifizierung der Betreuungsperso-nen.

Für die Unternehmen ist es oft günstiger, Agenturen fürdie Vermittlung von Betreuungsplätzen mit zu finanzie-ren,als eigene Kindertagesstätten zu unterhalten.Wennsie qualifizierte junge Frauen über die Familienphasehinweg binden wollen, müssen sie ihnen familiennaheDienstleistungen bieten. Diese Frauen haben in gut be-zahlten Positionen oft unregelmäßige Arbeitszeiten,müssen Überstunden machen und kommen mit denÖffnungszeiten der öffentlichen Kindertagesstättenkaum zurecht. In den Agenturen wird versucht ihnen Be-treuungsplätze zu vermitteln, die ihre beruflichen Not-wendigkeiten besser berücksichtigen.

Kommerzielle Vermittlungsagenturen sind ursprünglichein Modell aus den USA. Tagesmütter sollten sich be-wusst machen,dass gewerbliche Agenturen sehr gezieltKosten-Nutzen-orientiert arbeiten müssen1 und sich –anders als Tagespflegevereine – nicht unbedingt für dieVertretung der Interessen von Tagesmüttern zuständigfühlen. Über die genannten namhaften Agenturen hi-naus ist die Fachlichkeit immer im Einzelfall zu prüfen.

Neue KooperationsformenMit den neuen gesetzlichen Vorgaben haben Ta-gespflegepersonen auch neue Gelegenheiten erhalten,sich fachlich untereinander zu vernetzen. Kooperationunter Kolleginnen ist in Abhängigkeit von den in derKommune praktizierten Modellen z. B. möglich im Rah-men der Ersatzbetreuung.

Partnerschaft mit einer Kollegin ist seit dem Tagesbe-treuungsausbaugesetz TAG auch für diejenigen inte-ressant, die eine Tagesgroßpflegestelle führen und dortmehr als fünf Kinder betreuen möchten. Das Kinder-und Jugendhilfegesetz sieht eigens für dieses Anliegenvor, dass Kindertagespflege auch „in anderen geeigne-

Anmerkung1

Gisela Erler (1998): Betriebliches Engagement in der privaten Kinderbetreuung und der Tagespflege, S. 569–590 In: Bundesministerium fürFamilie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.): Kinderbetreuung in Tagespflege. Tagesmütter-Handbuch, Stuttgart, Kohlhammer Verlag.

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ten Räumen“ geleistet werden kann (§ 22 SGB VIII), undlässt den Bundesländern den Spielraum für eigene Aus-führungsregelungen. Tagesgroßpflege ermöglicht er-fahrenen und professionell orientierten Tagespflege-personen die Möglichkeit eines existenzsicherndenEinkommens. Für die Kommunen ist sie eine kosten-schonende Möglichkeit, das Platzkontingent zu er-höhen. Das Interesse an dieser Variante der Tagespflegemit Nähe zur Kleinsteinrichtung ist seit der Gesetzes-novellierung stark angestiegen.

Seit Gültigkeit des TAG ist zudem die Kooperation zwi-schen Tagespflege und Kindertagesstätten ausdrück-lich erwünscht: Erzieherinnen und Erzieher sollen mitTagesbetreuungspersonen zusammenarbeiten, umBrüche bei Übergängen zwischen den einzelnen Be-treuungsformen zu vermeiden – z. B. wenn Kinder er-gänzend zur Kindertagesstätte in Tagespflege betreutwerden (§ 22a SGB VIII). Die Bundesarbeitsgemein-schaft der Landesjugendämter hat einen Beschluss zur„Kooperation und Vernetzung von Kindertageseinrich-tungen im Sozialraum“ gefasst (November 2006), indem weitere Kooperationsmöglichkeiten aufgezähltwerden, von denen beide Bereiche profitieren sollen.

Die Annäherung zwischen Tagespflege und Tagesstät-ten geschieht auf beiden Seiten noch recht vorsichtig.Erzieherinnen und Tagesmütter sind immer wiederauch in der Rolle als Vertreterinnen konkurrierenderAngebote. Doch es gibt auch schon positive Beispielefür Kooperationen zwischen Tagespflege und Tages-stätten: von der gemeinsamen Raumnutzung über ge-meinsame Fortbildungen bis hin zur Tätigkeit von Er-zieherinnen in beiden Betreuungsbereichen. WelcheFormen der Zusammenarbeit Bestand haben und wiedie Kooperation für die Beteiligten akzeptabel ausge-staltet werden kann, wird derzeit in Pionierarbeit er-probt (vgl. Hessisches Sozialministerium (Hg.): TaKKT.Tagespflege in Kooperation mit Kindertageseinrich-tungen. Erfahrungen und Empfehlungen für die Praxis,Institut für Kinder- und Jugendhilfe IKJ, Mainz 2005,download von den Seiten des Ministeriums; Stem-pinski, Susanne: Kooperation zwischen Kinderta-geseinrichtungen und Kindertagespflege. Hgg. von derBertelsmann Stiftung Gütersloh 2006, Download vonden Seiten der Stiftung: http://www.bertelsmann-stiftung.de/bst/de/media/xcms_bst_dms_18716__2.pdf)