Qualitätssicherung in der Rehabilitation

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Qualit atssicherung in der Rehabilitation Wilfried H. Ja ¨ckel und Erik Farin Insbesondere in den letzten zwei De- kaden sind in systematischer Weise erhebliche Anstrengungen zur Steige- rung der Qualita ¨t in der Rehabilitation unternommen worden. Dies gilt so- wohl fu ¨r den Bereich der externen Qualita ¨tssicherung als auch fu ¨r das interne Qualita ¨tsmanagement. Umfassende Qualita ¨tssicherungspro- gramme wurden 1994 von der Deut- schen Rentenversicherung (DRV) und 2001 von der Gesetzlichen Kran- kenversicherung (GKV) gestartet. Die Erhebungsintervalle zu den ein- zelnen Qualita ¨tsdimensionen sind bei den Qualita ¨tssicherungsprogrammen nicht einheitlich und auch bei den eingesetzten Instrumenten bestehen Unterschiede zwischen den Program- men der Rehabilitationstra ¨ger. Wa ¨h- rend beispielsweise die Prozessquali- ta ¨t bei dem Programm der DRV auch u ¨ber eine Begutachtung der Entlas- sungsberichte durch speziell geschul- te Chef- und Obera ¨rzte gemessen wird, erfragt das Programm der GKV wesentliche Aspekte dieser Qualita ¨tsdimension bei den Patien- ten. Die Rentenversicherung hat in den letzten Jahren in Zusammenar- beit mit wissenschaftlichen Instituten auf der Basis von Literaturanalysen und Expertenworkshops Therapie- standards fu ¨r wichtige Diagnosegrup- pen erarbeitet, deren Einhaltung durch die Qualita ¨tssicherungspro- gramme kontrolliert werden kann (Klosterhuis, 2005). Bei der Entwick- lung der Programme fu ¨r ambulante Einrichtungen und fu ¨r die Kinder- Jugend-Rehabilitation, die erst deutlich spa ¨ter starteten, waren die Rentenversicherung und die Gesetz- liche Krankenversicherung gemein- sam beteiligt. Sowohl die Daten der DRV als auch diejenigen der GKV belegen insge- samt eine hohe Qualita ¨t in und eine hohe Zufriedenheit der Patienten mit der Rehabilitation in Deutschland. Zwischen den Einrichtungen bestehen allerdings zum Teil gravierende Un- terschiede, und zwar in sa ¨mtlichen der gemessenen Qualita ¨tsaspekte (Ja ¨ckel, 2010). Auch im Vergleich zu anderen Sekto- ren des Gesundheitsversorgungssys- tems u ¨berzeugen die Qualita ¨tssiche- rungsprogramme in der Rehabilitation durch ihre wissenschaftliche Fundie- rung, einen umfassenden (Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualita ¨t) Ansatz und durch ihre fla ¨chendeckende Im- plementierung (bedingt durch eine Teilnahmeverpflichtung fu ¨r die Reha- bilitationseinrichtungen). Besonders hervorzuheben ist die ausgepra ¨gte Pa- tientenorientierung. So wird nicht nur die Vera ¨nderung des Gesundheitszu- standes aus Sicht der Patienten am Ende der Rehabilitationsmaßnahme und sechs Wochen spa ¨ter erfasst, son- dern auch die Patientenzufriedenheit mit den Strukturen und Prozessen der Rehabilitationseinrichtungen erhoben (vgl. Farin und Ja ¨ckel, 2011b). Kri- tisch anzumerken ist – und dies gilt fu ¨r die meisten nationalen und internatio- nalen Qualita ¨tssicherungsprogramme – der relativ hohe Aufwand und die nicht nachgewiesene Wirksamkeit (vgl. Glattacker und Ja ¨ckel, 2007). Von den Rehabilitationseinrichtungen wird auch auf die verspa ¨tete Ru ¨ckmel- dung der Ergebnisse hingewiesen, die einen erfolgreichen Einsatz der Be- richte bei der Qualita ¨tsentwicklung der Einrichtungen erheblich er- schwert. Aus Sicht der Einrichtungen wu ¨rde die Akzeptanz der Qualita ¨tssi- cherungsprogramme besser werden, wenn sich eine gute Qualita ¨t auch tatsa ¨chlich positiv auf die Belegung bzw. den Vergu ¨tungssatz auswirken wu ¨ rde. Es mangelt jedoch an Belegen, dass dies bereits jetzt der Fall ist. Bis- her sind die Daten aus den Qualita ¨ts- sicherungsverfahren nicht fu ¨r die Offentlichkeit zuga ¨nglich. Sie ko ¨nnen damit auch nicht von Patienten (Wunsch- und Wahlrecht) und A ¨ rzten bei der Auswahl geeigneter Rehabili- tationseinrichtungen herangezogen werden (vgl. Farin und Ja ¨ckel, 2011a). Die Leistungserbringer im Bereich der Rehabilitation sind nach §20 SGB IX verpflichtet, ein Qualita ¨tsmanagement sicherzustellen, ,,das durch zielgerich- tete und systematische Verfahren und Maßnahmen die Qualita ¨t der Versor- gung gewa ¨hrleistet und kontinuierlich verbessert‘‘. Stationa ¨re Rehabilita- tionseinrichtungen mu ¨ssen sich seit 2012 an einem einheitlichen, unab- ha ¨ngigen Zertifizierungsverfahren be- teiligen, ,,mit dem die erfolgreiche Umsetzung des Qualita ¨tsmanage- ments in regelma ¨ßigen Absta ¨nden nachgewiesen wird‘‘ (§ 20 Abs. 2a SGB IX). Auf der Ebene der Bundes- arbeitsgemeinschaft Rehabilitation (BAR) wurden u ¨ber 30 Verfahren fu ¨r das Qualita ¨tsmanagement anerkannt (wie z.B. QMS-Reha und IQMP- Reha) und Zertifizierungsstellen be- nannt (Bundesarbeitsgemeinschaft Rehabilitation, 2014). Verfahrens- u ¨bergreifend werden unter anderem folgende Qualita ¨tskriterien beru ¨ck- sichtigt: Teilhabeorientiertes Leitbild, Einrichtungskonzept, Verantwortung fu ¨r das Qualita ¨tsmanagement in der Einrichtung, Basiselemente eines Qualita ¨tsmanagementsystems (z.B interne Audits), systematisches Public Health Forum 22 Heft 83 (2014) http://journals.elsevier.de/pubhef 19.e1

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Qualit€atssicherung in der Rehabilitation

Wilfried H. Jackel und Erik Farin

Insbesondere in den letzten zwei De-

kaden sind in systematischer Weise

erhebliche Anstrengungen zur Steige-

rung der Qualitat in der Rehabilitation

unternommen worden. Dies gilt so-

wohl fur den Bereich der externen

Qualitatssicherung als auch fur das

interne Qualitatsmanagement.

Umfassende Qualitatssicherungspro-

gramme wurden 1994 von der Deut-

schen Rentenversicherung (DRV)

und 2001 von der Gesetzlichen Kran-

kenversicherung (GKV) gestartet.

Die Erhebungsintervalle zu den ein-

zelnen Qualitatsdimensionen sind bei

den Qualitatssicherungsprogrammen

nicht einheitlich und auch bei den

eingesetzten Instrumenten bestehen

Unterschiede zwischen den Program-

men der Rehabilitationstrager. Wah-

rend beispielsweise die Prozessquali-

tat bei dem Programm der DRV auch

uber eine Begutachtung der Entlas-

sungsberichte durch speziell geschul-

te Chef- und Oberarzte gemessen

wird, erfragt das Programm der

GKV wesentliche Aspekte dieser

Qualitatsdimension bei den Patien-

ten. Die Rentenversicherung hat in

den letzten Jahren in Zusammenar-

beit mit wissenschaftlichen Instituten

auf der Basis von Literaturanalysen

und Expertenworkshops Therapie-

standards fur wichtige Diagnosegrup-

pen erarbeitet, deren Einhaltung

durch die Qualitatssicherungspro-

gramme kontrolliert werden kann

(Klosterhuis, 2005). Bei der Entwick-

lung der Programme fur ambulante

Einrichtungen und fur die Kinder-

Jugend-Rehabilitation, die erst

deutlich spater starteten, waren die

Rentenversicherung und die Gesetz-

liche Krankenversicherung gemein-

sam beteiligt.

Sowohl die Daten der DRV als auch

diejenigen der GKV belegen insge-

samt eine hohe Qualitat in und eine

hohe Zufriedenheit der Patienten mit

der Rehabilitation in Deutschland.

Zwischen den Einrichtungen bestehen

allerdings zum Teil gravierende Un-

terschiede, und zwar in samtlichen der

gemessenen Qualitatsaspekte (Jackel,

2010).

Auch im Vergleich zu anderen Sekto-

ren des Gesundheitsversorgungssys-

tems uberzeugen die Qualitatssiche-

rungsprogramme in der Rehabilitation

durch ihre wissenschaftliche Fundie-

rung, einen umfassenden (Struktur-,

Prozess- und Ergebnisqualitat) Ansatz

und durch ihre flachendeckende Im-

plementierung (bedingt durch eine

Teilnahmeverpflichtung fur die Reha-

bilitationseinrichtungen). Besonders

hervorzuheben ist die ausgepragte Pa-

tientenorientierung. So wird nicht nur

die Veranderung des Gesundheitszu-

standes aus Sicht der Patienten am

Ende der Rehabilitationsmaßnahme

und sechs Wochen spater erfasst, son-

dern auch die Patientenzufriedenheit

mit den Strukturen und Prozessen der

Rehabilitationseinrichtungen erhoben

(vgl. Farin und Jackel, 2011b). Kri-

tisch anzumerken ist – und dies gilt fur

die meisten nationalen und internatio-

nalen Qualitatssicherungsprogramme

– der relativ hohe Aufwand und die

nicht nachgewiesene Wirksamkeit

(vgl. Glattacker und Jackel, 2007).

Von den Rehabilitationseinrichtungen

wird auch auf die verspatete Ruckmel-

dung der Ergebnisse hingewiesen, die

einen erfolgreichen Einsatz der Be-

richte bei der Qualitatsentwicklung

der Einrichtungen erheblich er-

schwert. Aus Sicht der Einrichtungen

wurde die Akzeptanz der Qualitatssi-

cherungsprogramme besser werden,

wenn sich eine gute Qualitat auch

tatsachlich positiv auf die Belegung

bzw. den Vergutungssatz auswirken

wurde. Es mangelt jedoch an Belegen,

dass dies bereits jetzt der Fall ist. Bis-

her sind die Daten aus den Qualitats-

sicherungsverfahren nicht fur die€Offentlichkeit zuganglich. Sie konnendamit auch nicht von Patienten

(Wunsch- und Wahlrecht) und Arzten

bei der Auswahl geeigneter Rehabili-

tationseinrichtungen herangezogen

werden (vgl. Farin und Jackel, 2011a).

Die Leistungserbringer imBereich der

Rehabilitation sind nach §20 SGB IX

verpflichtet, ein Qualitatsmanagement

sicherzustellen, ,,das durch zielgerich-

tete und systematische Verfahren und

Maßnahmen die Qualitat der Versor-

gung gewahrleistet und kontinuierlich

verbessert‘‘. Stationare Rehabilita-

tionseinrichtungen mussen sich seit

2012 an einem einheitlichen, unab-

hangigen Zertifizierungsverfahren be-

teiligen, ,,mit dem die erfolgreiche

Umsetzung des Qualitatsmanage-

ments in regelmaßigen Abstanden

nachgewiesen wird‘‘ (§ 20 Abs. 2a

SGB IX). Auf der Ebene der Bundes-

arbeitsgemeinschaft Rehabilitation

(BAR) wurden uber 30 Verfahren fur

das Qualitatsmanagement anerkannt

(wie z.B. QMS-Reha und IQMP-

Reha) und Zertifizierungsstellen be-

nannt (Bundesarbeitsgemeinschaft

Rehabilitation, 2014). Verfahrens-

ubergreifend werden unter anderem

folgende Qualitatskriterien beruck-

sichtigt: Teilhabeorientiertes Leitbild,

Einrichtungskonzept, Verantwortung

fur das Qualitatsmanagement in

der Einrichtung, Basiselemente eines

Qualitatsmanagementsystems (z.B

interne Audits), systematisches

19.e1

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Beschwerdemanagement, interne Er-

gebnismessung und Analyse. Voraus-

setzung fur eine Zertifikatserteilung

ist eine Dokumentenprufung und

eine Vor-Ort-Prufung durch die Zerti-

fizierungsstelle. Mitte Januar 2014

waren 1350 Rehabilitationseinrich-

tungen nach diesem Verfahren zertifi-

ziert (Bundesarbeitsgemeinschaft

Rehabilitation, 2014). Die Zertifikate

sind jeweils fur drei Jahre gultig. Soll-

ten bei einer Rezertifizierung Mangel

19.e2

festgestellt werden, so konnen den

Reha-Einrichtungen bis zu sechs Mo-

nate fur eine Nachbesserung einge-

raumt werden. Bei weiterhin beste-

henden gravierenden Mangeln wird

das Zertifikat nicht verlangert, und

die Einrichtung muss mit Auswirkun-

gen auf die Belegung rechnen.

Die Autoren haben von der Deutschen

Rentenversicherung und von Gesetz-

lichenKrankenversicherungenmehre-

re Forschungsauftrage im Bereich der

Qualitatssicherung und Leitliniener-

stellung erhalten.

http://dx.doi.org/10.1016/j.phf.2014.03.023

Prof. Dr. med. Wilfried H. JackelUniversitatsklinikum FreiburgInstitut fur Qualitatsmanagement undSozialmedizinEngelbergerstr. 2179106 Freiburg im [email protected]

Literatur

Bundesarbeitsgemeinschaft Rehabilitation. Liste

der auf der Ebene der BAR anerkannten Qua-

litatsmanagement-Verfahren mit ihren heraus-

gebenden Stellen, (heruntergeladen am

23.1.2014), abrufbar unter http://www.bar-

frankfurt.de/34.html.

Farin E, Jackel W. Qualitatssicherung in der

Rehabilitation – Eine kritische Bestandsauf-

nahme. Public Health Forum 2011;19. 6.e1-6.

e3.

Farin E, Jackel WH. Qualitatssicherung und

Qualitatsmanagement in der medizinischen

Rehabilitation. Bundesgesundheitsblatt

2011;54:176–84.

Glattacker M, Jackel WH. Evaluation der Quali-

tatssicherung – aktuelle Datenlage und Konse-

quenzen fur die Forschung. Das Gesundheits-

wesen 2007;69:277–83.

Jackel WH. Qualitat in der Rehabilitation. Reha-

bilitation 2010;49:345–55.

Klosterhuis H. Rehabilitations-Leitlinien als In-

strument der Qualitatssicherung der Rehabili-

tation. Zeitschrift fur arztliche Fortbildung und

Qualitatssicherung im Gesundheitswesen

2005;99:41–6.

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Einleitung

In den letzten zwei Dekaden sind durch die Einfuhrung wissenschaftlich fundierter, umfassender und patientenzentrierter

Qualitatssicherungsprogramme sowie durch die Verpflichtung zum Nachweis von Zertifikaten im Bereich des Qualitats-

managements erhebliche Anstrengungen zur Steigerung der Qualitat in der Rehabilitation sowohl im Bereich der

Gesetzlichen Rentenversicherung als auch der Gesetzlichen Krankenversicherung unternommen worden.

Summary

During the last 20 years considerable efforts have been made to increase the quality of the German rehabilitation system. A

quality assurance program that is scientifically based, comprehensive and patient centered has been implemented and

rehabilitation centers have to provide a certificate concerning defined quality management processes.

Schlusselworter:

Qualitat = quality, Qualitatssicherung = quality assurance, Qualitatsmanagement = quality management, Rehabilitation =

rehabilitation

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