Quarks & Co - Auf Der Suche Nach Der Intelligenz

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Quarks & Co

„Auf der Suche nach der Intelligenz“

War Albert Einstein klug, begabt oder intelligent? Er galt als Spätentwickler und war

angeblich ein schlechter Schüler. Von sich selbst sagte er: „Meine Hauptschwäche war

ein schlechtes Gedächnis für Worte und Texte“. Dafür wurde er später ein „Genie“ in

Mathematik und Physik und entwickelte die Relativitätstheorie. Aber woher hatte

Einstein seine Begabung? Was ist überhaupt Intelligenz? Wie entsteht sie? Woran wird

sie festgemacht, und wie kann sie gemessen werden? Welchen Einfluss haben

Vererbung und Umwelt? Sind intelligente Menschen automatisch gute Schüler und

erfolgreich im Beruf? Diesen und anderen Fragen geht „Quarks & Co“ nach auf der

Suche nach der menschlichen Intelligenz.

„Quarks & Co“ nimmt IQ-Tests unter die Lupe, erklärt, wie sie ablaufen, welche typi-

schen Aufgaben erfüllt werden müssen und was mit diesen Tests nicht gemessen wer-

den kann: zum Beispiel künstlerische Kreativität, musische und sportliche Fähigkeiten

oder emotionale Intelligenz. Welcher Missbrauch mit IQ-Tests betrieben werden kann,

zeigt ein Blick in die Geschichte. Aber auch heute halten sich hartnäckig Vorurteile,

dass die Hautfarbe oder die soziale Schicht Einfluss auf die Intelligenz habe. „Quarks

& Co“ will diese Thesen kritisch beleuchten.

Autoren:

Daniel Münter

Heinz Greuling

Redaktion:

Thomas Hallet

Vorwort

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Was ist Intelligenz?

Es gibt da etwas, das ist bei uns Menschen anscheinend besonders ausgeprägt. Es hat

etwas mit Bewusstsein, Verstehen, Planen und Problemlösen zu tun – es ist schwierig

zu fassen. Trotz intensiver Forschung in den vergangenen hundert Jahren, hat sich die

Wissenschaft bis heute nicht auf eine einheitliche Definition der menschlichen

Intelligenz einigen können.

Der Generalfaktor

Ein Teil der Psychologen ist der Meinung, dass unsere Intelligenz durch einen einzigen

Faktor, eine einzige Zahl gut beschrieben werden kann. Für sie gibt es eine einzige

Grundfähigkeit – wer viel davon besitzt, schneidet in allen Intelligenzbereichen gut

ab. Gemeint sind dabei stets die Eigenschaften, die in IQ-Tests gemessen werden:

räumliches Vorstellungsvermögen, verbaler Ausdruck, abstraktes Denkvermögen. Der

Generalfaktor ist im Wesentlichen mit dem IQ identisch, wie er seit den ersten

Intelligenztests ermittelt wird.

Viele Fähigkeiten

Andere Wissenschaftler vertreten die Ansicht, dass unsere Intelligenz eine Eigen-

schaft mit vielen Facetten ist, die mehr oder weniger stark miteinander zusammen-

hängen. Auch in dieser Theorie ist wieder nur von den „klassischen“ Intelligenz-

komponenten die Rede: von verbalem Verständnis, Leichtigkeit der Wortfindung,

schlussfolgerndem Denken, räumlichem Vorstellungsvermögen, Gedächtnis, Zahlen-

verständnis und Auffassungsgeschwindigkeit. Nach diesem pluralistischen Konzept

ist ein Mensch also nicht pauschal „intelligent“ oder „unintelligent“ – jeder hat in den

verschiedenen Bereichen Stärken und Schwächen. Es ist übrigens nicht zufällig, dass

in beiden klassischen Intelligenzkonzepten ähnliche Fähigkeiten als Komponenten

der Intelligenz definiert werden. Der Hauptgrund dafür ist, dass genau diese

Fähigkeiten mit relativ einfachen Tests gemessen werden können. Kritiker spotten

deshalb gerne: „Intelligenz ist das, was Intelligenztests messen.“

Andere Eigenschaften wie Einfühlungsvermögen oder kluger Umgang mit anderen

Menschen sind viel schwerer in einem standardisierten Verfahren erfassbar. Trotzdem

fordern viele Intelligenzforscher, dass die emotionale und die soziale Intelligenz in die

Tests integriert werden sollten.

Multiple Intelligenzen

Eine der modernsten und wohl auch radikalsten Positionen vertritt der amerikanische

Psychologe Howard Gardner. In seiner Theorie der „Multiplen Intelligenzen“ hat er

insgesamt acht menschliche Intelligenzen definiert und dabei auch so „exotische“

Eigenschaften wie Bewegungsintelligenz und die Fähigkeit zum Erkennen und

Klassifizieren natürlicher Objekte mit einbezogen (naturalistische Intelligenz).

Gardner behauptet außerdem, dass einige dieser Intelligenzen prinzipiell nicht der

Messung zugänglich seien.

Ist Intelligenz messbar?

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Auch dieser neue Versuch, die menschliche Intelligenz in einer Definition zu fassen zu

bekommen ist sicherlich nicht die letzte. Aber auch wenn wir keine exakte, naturwis-

senschaftliche Beschreibung unserer intellektuellen Fähigkeiten finden, bleibt noch

genug Raum, über sie zu staunen: Jeder Mensch ist ein komplexes Wesen und in sei-

nen Möglichkeiten zu verstehen, planen und zu kommunizieren einmalig.

Daniel Münter

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Wie funktioniert ein Intelligenztest?

Wie funktioniert eigentlich ein Intelligenztest? Diese Frage lässt sich nicht so ohne

weiteres beantworten, denn in Deutschland sind rund 80 verschiedene Intelligenz-

tests auf dem Markt. Sie unterscheiden sich zum Teil erheblich in Aufgabentypen,

Zeitaufwand und Auswertung – je nachdem, welcher Intelligenzdefinition die Test-

autoren folgen und für welchen Zweck der Test konzipiert ist.

In unserer Sendung haben wir einige Beispielaufgaben gezeigt, die uns von den

Machern des Berliner Intelligenzstruktur Tests (BIS) zu Verfügung gestellt worden

sind. Der BIS ist zwar eine relative Neuentwicklung, anhand seiner klaren Struktur las-

sen sich aber gut die Eigenschaften darstellen, denen die Intelligenzforscher mit ihren

Tests auf der Spur sind.

Der BIS unterscheidet zwischen vier operativen Fähigkeiten:

1. Verarbeitungskapazität

Dies ist die Fähigkeit komplexe Informationen bei Aufgaben zu verarbeiten, die nicht

auf Anhieb zu lösen sind. („Knobelaufgaben“)

2. Einfallsreichtum

Hier ist die möglichst flexible Ideenproduktion gefragt, der Reichtum an Vorstellungen

und die Fähigkeit ein Problem von vielen verschiedenen Seiten zu sehen. Es geht dabei

nicht um freies Fantasieren, sondern um möglichst vielfältige Problemlösungen.

Beispiel: Zu einem bestimmten Gefühl (z. B. „Hunger“) müssen möglichst viele Äuße-

rungen gefunden werden (z. B. „Mir ist ganz schlecht vor Hunger“, „Mein Magen“,

„Wann gibt es endlich Essen?“).

3. Merkfähigkeit

Wichtig ist hier das aktive Einprägen und kurzfristige Wiedererkennen von Informa-

tionen.

4. Bearbeitungsgeschwindigkeit

Bei diesen Aufgaben geht es um Arbeitstempo, Auffassungsgabe und Konzentrations-

kraft beim Lösen einfacher Aufgaben.

Zu jeder dieser vier Fähigkeitsbereiche hält der BIS-Test jeweils Aufgaben aus drei

inhaltlichen Typen bereit:

Aufgaben mit Wörtern, mit Zahlen und mit grafischen Elementen. Jeder Mensch hat

nämlich neben seinem Stärken und Schwächen in den operativen Fähigkeiten

(Kapazität, Merkfähigkeit, ...) auch unterschiedliche Fähigkeiten beim Arbeiten mit

Zahlen, Wörtern oder Bildern.

Leider können wir hier keinen vollständigen Intelligenztest wiedergeben. Solche IQ-

Test sind psychometrische Messinstrumente, die von der Wissenschaft sorgfältig

Welche Zahl entspricht welchem

Buchstaben? (Die Auflösungen

finden Sie auf Seite 10)

Finden Sie möglichst viele vier-

buchstabige Hauptwörter inner-

halb von 20 Sekunden

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gehütet werden, um deren Gültigkeit nicht zu gefährden. Zum Ausprobieren und

Knobeln haben wir aber einen Quarks & Co Intelligenz-Parcours für Sie im

Internetzusammengestellt. (URL: www.quarks.de/intelligenz/07.htm)

Daniel Münter

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Alfred Binet, Autor des ersten In-

telligenztests

Aus der modernen Version des

Binet-Test: was stimmt hier nicht?

Definition des IQ: 100 ist

der Mittelwert der Test-

ergebnisse

Was ist der IQ?

Seit über hundert Jahren suchen Psychologen nach einer umfassenden und vor allem

nachprüfbaren also messbaren Definition der Intelligenz und der Intelligenzunter-

schiede zwischen verschiedenen Menschen. Der erste Schritt in diese Richtung wurde

mit der Einführung von Intelligenztests gemacht.

Der erste Intelligenztest

Der erste Test wurde vom Psychologieprofessor Alfred Binet konstruiert. Das franzö-

sische Erziehungsministerium hatte Binet beauftragt ein Verfahren zu entwickeln, um

mögliche Lernbehinderungen bei Kindern objektiv zu erkennen. Der Test, der 1905 er-

schien, folgte einem einfachen Prinzip.

Den Kindern wurden zum Beispiel Bilder gezeigt, auf denen sie Sinnwidrigkeiten

erkennen sollten. In anderen Aufgaben mussten die Kinder Sätze ergänzen oder

nachsprechen. Binet verglich die Leistung des untersuchten Kindes dann mit der

durchschnittlichen Leistung von anderen desselben Alters und beurteilte so, ob das

Kind seinem Alter entsprechend entwickelt war. Binet sprach von einem so genannten

Intelligenzalter, dass je nach geistiger Entwicklung über oder unterhalb des

Lebensalters konnte.

Der Begriff Intelligenzquotient wurde durch den deutschen Psychologen Willhelm

Stern geprägt, der unabhängig von Binet an einer Testsammlung arbeitete. Um die

Entwicklungsverzögerungen in verschiedenen Altersgruppen besser vergleichen zu

können, definierte er den Intelligenzquotienten (IQ) als Intelligenzalter geteilt durch

Lebensalter mal 100: Ein durchschnittlich entwickeltes Kind bekam also einen IQ von

100, ein Achtjähriger, der wie ein Neunjähriger entwickelt war, den IQ 113.

Die moderne IQ-Definition

Der IQ wird heute auf andere Art definiert als noch vor hundert Jahren. Wenn ein neuer

Intelligenztest entwickelt worden ist, dann muss er zunächst normiert werden. Dazu

führen die Psychologen den Test mit einer repräsentativen Gruppe aus der Bevöl-

kerung durch. Die Ergebnisse ähneln immer mehr oder weniger gut einer so genann-

ten Gaußkurve. Die Experten bezeichnen die Testergebnisse als „normalverteilt“.

Dann ermitteln die Psychologen, wie viele Testaufgaben durchschnittlich gelöst wur-

den. Diesen Mittelwert definieren sie dann als IQ mit dem Wert 100. Der nächste Fix-

punkt ist die Testpunktzahl, bei der genau 34,1 Prozent der Getesteten über dem

Mittelwert liegen. Wer genau so viele Aufgaben löst, bekommt den IQ von 115 zuge-

ordnet. Oder auch von 110, denn leider sind verschiedene Skalen in Gebrauch. Wenn

Ihnen also jemand seinen IQ sagt, können Sie gleich zurückfragen, nach welchem Test

und mit welcher Skala.

Ist der Test so normiert worden, kann bei jeder neuen Messung der jeweils Getestete

mit seinem Ergebnis in diese Skala eingeordnet werden. Der IQ ist also kein absolutes

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Maß für die Intelligenz, sondern gibt nur an, wo Sie mit ihren Testwerten im Vergleich

zum Mittelwert der Bevölkerung stehen. Aussagekräftig ist der IQ auch nur, wenn der

Test genau unter den Bedingungen durchgeführt worden ist, unter denen er normiert

wurde. Wenn sie also demnächst in Ihrer Lieblingsillustrierten, einer Fernsehsendung

oder einem Testbuch einen so genannten Intelligenztest machen, für den am Ende

auch ein IQ angegeben wird, dann ist diese Angabe etwa so zuverlässig wie die

Schätzung durch ihren Nachbarn.

Wo werden Intelligenztests eingesetzt?

Wie schwierig es ist, sich auf eine Definition von Intelligenz zu einigen und auf eine Art

sie zu testen, zeigt die große Zahl an Intelligenztest: Über 80 Tests allein in Deutsch-

land. Intelligenztests werden auch heute noch für den Zweck eingesetzt, für den Binet

seinen ersten Test konzipierte. Schulpsychologen versuchen mit ihrer Hilfe, Lernstö-

rungen aufzuspüren oder auch Hochbegabte zu identifizieren. Andere Anwendungs-

bereiche sind die Diagnose von Hirnschäden nach Unfällen oder Schlaganfällen und

die Untersuchung von Straftätern für psychologische Gutachten.

Viele Intelligenztestaufgaben werden auch in zahllosen Eignungs- und Einstellungs-

tests verwendet. Ein Beispiel von vielen war der Zulassungstest zum Medizinstudium,

der neben naturwissenschaftlichem Wissen auch klassische IQ-Testaufgaben beinhal-

tete. Besonders exzessiv wird mit solchen Tests in den USA umgegangen. Schon im

ersten Weltkrieg entwickelten die Amerikaner den Binet-Test weiter und testeten hun-

derttausende von Rekruten auf ihre intellektuellen Fähigkeiten. Der Eingangstest, den

alle Studienanfänger in den USA ablegen müssen, der SAT (Scholastic Assesment

Test), ist im wesentlichen ein Intelligenztest, auch wenn er nicht so heißt.

Daniel Münter

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Was sagt der IQ aus?

Mancher kennt seinen, die meisten hätten gerne einen hohen, aber was sagt der

Intelligenzquotient denn eigentlich über uns aus? Welche Vorhersagen erlaubt er und

welche Fähigkeiten erfasst er nicht?

Was leistet ein Intelligenztest?

Der IQ ist erst einmal nur ein Maß für die Intelligenztestunterschiede, wie in „Was ist

der IQ?“ beschrieben. Er steht eigentlich nur als Abkürzung für eine Prozentzahl, näm-

lich den statistischen Anteil der Bevölkerung, der weniger Testaufgaben gelöst hat (für

einen IQ von 115 heißt, dass rund 84 Prozent der Bevölkerung in diesem Test schlech-

ter abschneiden würden).

Dass diese Tests aber wirklich etwas mit individuellen Fähigkeiten zu tun haben, ist

daran zu erkennen, dass verschiedene IQ-Tests für dieselbe Person recht ähnliche

Ergebnisse ergeben. Welche Fähigkeiten sind das? Die Bereiche, mit denen der IQ am

stärksten zusammenhängt, sind die schulischen und akademischen Leistungen.

Daraus folgt, dass viele Angehörige von akademischen, prestigeträchtigen (und gut

bezahlten) Berufen eher einen überdurchschnittlichen IQ haben. Nicht zuletzt deshalb

genießt ein hoher IQ eine große gesellschaftliche Wertschätzung.

Manche Psychologen gehen aber noch einen Schritt weiter: Sie sehen im IQ einen so

genannten Generalfaktor, der das ganze Leben beeinflusst – vom sozialen Status bis

hin zur Wahrscheinlichkeit straffällig oder arbeitslos zu werden. Diese Position ist

allerdings heftig umstritten.

Grenzen der Intelligenzmessung

Selbst dort wo die Intelligenz, so wie sie ein IQ-Test misst, eine größere Rolle spielt,

gibt es keine Automatismen. So wie ein Schüler mit einem hohen IQ sitzen bleiben

kann, kann ein Schüler mit einem durchschnittlichen IQ beste Noten erhalten. Genau

genommen erlaubt der IQ keine individuellen Vorhersagen, sondern nur die Aussage:

„Im Mittel schneiden Schüler mit einem hohen IQ auch besser in der Schule ab“. Viele

andere Faktoren sind aber mindestens ebenso wichtig: zum Beispiel Motivation,

Beharrlichkeit, Aufgeschlossenheit oder Teamfähigkeit des Schülers. Deshalb werden

in Deutschland auch keine IQ-Tests verwendet, um über die Wahl der Schulform zu

entscheiden.

Noch problematischer wird es, wenn man Vorhersagen über Bereiche treffen will, die

jenseits von Schule und Studium liegen. Für einige Berufe gibt es zwar einen

Zusammenhang mit dem IQ, aber nicht für den Erfolg in diesem Beruf. Ein Physiker

zum Beispiel hat mit guter Wahrscheinlichkeit einen überdurchschnittlichen IQ (d. h.

über 100). Den Physiknobelpreis oder andere Auszeichnungen und Erfolge erringt aber

nicht automatisch derjenige mit dem höchsten IQ. Auch hier spielen andere Faktoren

eine viel wichtigere Rolle.

Gute Schüler haben häufig einen

hohen IQ

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Für andere Berufe hat ein Intelligenztest schlicht keine Aussagekraft. Der IQ kennt die

handwerkliche Geschicklichkeit einer Schreinerin genauso wenig wie die soziale

Wärme und das Einfühlungsvermögen eines Altenpflegers.

Daniel Münter

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Intelligenzmessung in der Kritik

Im Laufe ihrer Geschichte sind die Ergebnisse der Intelligenzforschung immer wieder

missbraucht und instrumentalisiert worden. Besonders problematisch ist es, wenn

Tests, die für ein Land oder eine Kultur konzipiert sind, unverändert auf eine andere

übertragen werden.

Abhängigkeit von der Kultur

Bei den Intelligenzforschern besteht Einigkeit, dass es praktisch unmöglich ist, einen

Intelligenztest zu konzipieren, der ausschließlich Fähigkeiten und nicht auch Wissen

und Bildung misst. Viele IQ-Test enthalten zum Beispiel Wortschatzaufgaben oder

Aufgaben zum Bildergänzungen, auf denen Alltagsgegenstände unserer westlichen

Kultur abgebildet sind. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts zum Beispiel stellten

routinemäßige Intelligenztests bei Einwanderern in den USA fest, dass Italiener unter-

durchschnittliche IQ-Werte erreichten. Die nächste Generation erreichte aber die

Werte des amerikanischen Durchschnitts – ein starker Hinweis auf die kulturelle

Voreingenommenheit der Testmethode.

Es gibt aber auch Versuche mit so genannten kulturfairen Tests zu arbeiten, bei denen

die Aufgaben nicht schriftlich gestellt oder gelöst werden und die rein abstrakte

Probleme enthalten. Allerdings zeigte sich in einigen Untersuchungen, dass auch

diese Tests nicht kulturunabhängig sind. Außerdem ist ihr Einsatz beschränkt. Sie

decken nicht den gesamten IQ-Bereich ab.

Rassistische Vorurteile

Zu krassen Fehlinterpretationen führt es, wenn die statistischen Zusammenhänge

zwischen dem IQ und anderen Eigenschaften eines Menschen als Aussage über

Ursache und Wirkung dargestellt werden. Das wohl am heftigsten diskutierte Beispiel

ist der Zusammenhang zwischen IQ und Hautfarbe. Intelligenztests ergeben regel-

mäßig einen durchschnittlichen Unterschied zwischen farbigen und weißen

Amerikanern von etwa 10 bis 15 IQ-Punkten. In regelmäßigen Abständen erheben eini-

ge Wissenschaftler die Behauptung, Farbige wären als gesamte Rasse weniger intelli-

gent als Weiße und darum an ihrer (ökonomischen) Benachteiligung selbst Schuld.

Die meisten Psychologen weisen diese Interpretation zurück, denn es gibt zwei alter-

native Erklärungen, die wesentlich wahrscheinlicher sind. Zum einen werden farbige

Kinder oft weniger stark gefördert und ihre Intelligenz kann sich weniger gut ent-

wickeln. Andererseits sind Intelligenztests häufiger auf die kulturelle Welt und die

Bildung der weißen Amerikaner zugeschnitten. Auch hier führt Armut wieder zu einem

schlechteren Testergebnis.

Daniel Münter

Sehr leichte Aufgabe aus dem kul-

turfairen Raven-Test (Lösung auf

Seite xx)

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Emotionale Intelligenz

Wer glaubt, er könne seinen Frust über einen zu niedrigen IQ wettmachen mit seiner

vermeintlich genialen emotionalen Intelligenz, der könnte sich irren. Zur emotionalen

(oder wie die Psychologen auch sagen: sozialen) Intelligenz gehört viel „Grips“ –

sprich: kognitive Verarbeitungsprozesse im Gehirn, Theorienbilden und Überprüfen an

der Wirklichkeit, mehr, als ihm lieb sein könnte.

Emotionale Intelligenz erweitert das Konzept von Intelligenz um die überlebensnot-

wendige Fähigkeit des Menschen (und bestimmter Tiere), sich in Situationen und

Menschen einzufühlen. Der Begriff taucht seit 1985 in der Psychologie auf (als Teil

einer Doktorarbeit), 1990 in der Fachliteratur und ist seit 1994/5 mit Daniel Golemans

Buch auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt – allerdings ist Golemanns Begriff allzu

weit von den engen psychologischen Originalarbeiten entfernt und in Fachkreisen

umstritten.

In einer groß angelegten Studie untersuchen seit kurzem Kölner Intelligenz- und

Gehirnforscher vom Max-Planck-Institut für Neurologische Forschung: Was ist dran an

der „emotionalen Intelligenz“?

Um herauszubekommen, wie sich Menschen im Miteinander in Situationen (Hand-

lungen und Absichten) und Gesichter (ihre Gefühlsregungen, Stimmungen und Winke)

einfühlen können (Stichwort Empathie), haben sie sogar eine daily soap gedreht. Die

wird den Patienten und Kandidaten gezeigt, an bestimmten Stellen abgebrochen und

nachgefragt, wie die einzelnen Helden weiter agieren werden, was sie in den entspre-

chenden Situationen gefühlt haben und was sie gedacht haben. Solche Abfragen gibt

es schon als einfache Cartoonfolgen, bei denen eine witzige Situation in die „richtige“

Reihenfolge gebracht werden muss.

So entsteht ein objektivierbares Profil der Empathie. Das Erstaunliche: Die Profile von

psychisch Kranken, wie Schizophrenen und Autisten, aber auch von Menschen mit

schweren Depressionen unterscheiden sich eklatant und signifikant von „Gesunden“

– so die ersten Ergebnisse der Kölner Gruppe, die nun im klinischen Großversuch

getestet werden sollen.

Diese Ergebnisse legen auch neue Interpretationen von psychischen Krankheits-

bildern wie Schizophrenie im Rahmen der sogenannten Theory of Mind nahe. So sind

Schizophrene im Allgemeinen von normaler Intelligenz, bilden aber in überdurch-

schnittlich hoher Weise Hypothesen über Handlungsstränge, Absichten und Gedanken

anderer Personen, ja entwickeln eine schiere Lust an der außergewöhnlichen Idee hin-

ter einer Situation. Ergebnis ist eine niedrigere emotionale Intelligenz als bei

Gesunden. Autisten dagegen können sich überhaupt nicht mehr in Handlungsmuster

und Interaktionen einfühlen.

Heinz Greuling

Daniel Goleman

Testpersonen müssen Bilder zu

einer Geschichte zusammenfügen

Hohe Gehirnaktivität bei Men-

schen mit geringer Emotionaler

Intelligenz

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Lesetipps

„Was ist Intelligenz“

Knappe Einführung in das Gebiet der Intelligenzforschung, der IQ-Tests und ihrer

Aussagen

Autor: J. Funke und B. Vaterrodt-Plünnecke

Verlagsangaben: Beck, München 1998, 127 Seiten

Preis: € 7,50

Spezial „Intelligenz“

Gut verständliche Darstellung der verschiedenen Positionen zur Intelligenzforschung.

Spektrum der Wissenschaft, Nachdruck 1/2000, € 8,50

„Intelligenzen. Die Vielfalt des menschlichen Geistes“

Autor: H. Gardner

Verlagsangaben: Klett-Cotta, Stuttgart, 300 Seiten

Preis: € 20,-

„Der falsch vermessene Mensch“

Ausführliche Beschreibung des Missbrauchs der Intelligenzforschung seit ihren

Anfängen

Autor: S.J.Gould

Verlagsangaben: Suhrkamp/KNO, 1986, 394 Seiten

Preis: € 15,-

„Prädiktive Validität der Intelligenz im schulischen und außerschulischen Bereich“

Sehr fachlicher Überblick über den Stand der Forschung zur Frage der Vorhersagekraft

des IQ

Autor: Heinz-Martin Süß aus „Perspektiven der Intelligenzforschung“

Verlagsangaben: E. Stern, J. Guthke (Hrsg.) Pabst Science Publishers, 2001

Preis: € 19,-

„Intelligenz im Test“

Ausführliche Beschreibung und Wertung klassischer und alternativer Intelligenztests

Autor: J. Guthke

Verlagsangaben: Vandenhoek und Ruprecht, Göttingen 1996, 164 Seiten

Preis: € 14,90

„Testtraining 2000 plus“

Autor: J.Hesse, H.C.Schrader

Verlagsangaben: Eichborn Verlag, 2001, 507 Seiten

Preis: € 21,90

Informationen zu Intelligenz und Leistungstest, IQ-Tests können nur von Psychologen

bestellt werden.

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http://www.quarks.deQuarks & Co | Vorsicht Explosionsgefahr! | Sendung vom 15.07.2003 (Wh.)

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Linktipps

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http://www.quarks.deQuarks & Co | Vorsicht Explosionsgefahr! | Sendung vom 15.07.2003 (Wh.)

www.testzentrale.de

Wer mehr wissen möchte…

Eine Bibliografie von Arbeiten zur Emotionalen Intelligenz findet man unter

http://eqi.org/mayer.htm. Dort steht auch ein guter Übersichtsartikel über die

Geschichte und unterschiedlichen Definitionen des Begriffs, es gibt eine website

http://www.eq.org/ über den Begriff „Emotionale Intelligenz“.

Lösungen der Aufgaben von Seite 3

Lösung zu Seite 9, „kulturfairer“ Raven-Test

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Impressum:

Herausgegeben

vom Westdeutschen Rundfunk Köln

Verantwortlich:

Quarks & Co

Thomas Hallet

Autoren:

Daniel Münter

Heinz Greuling

Redaktion:

Thomas Hallet

Gestaltung:

Designbureau Kremer & Mahler

Bildrechte:

Alle: © WDR

© WDR 2003

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