R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I...

33
Rudolf H. Strahm Warum wir so reich sind Wirtschaftsbuch Schweiz

Transcript of R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I...

Page 1: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

Rudolf H. Strahm

Warum wir so reich sindWirtschaftsbuch Schweiz

Page 2: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

32

W A R U M W I R S O R E I C H S I N D

2.1 Die Schweiz mit dem tiefsten Wirtschaftswachstum in den

neunziger Jahren

Von allen vergleichbaren Industriestaaten der OECD bildete die Schweiz mit dem BIP-Wachstum während 14 Jahren das Schlusslicht. Ein Teil des tiefen Wirtschafts-wachstums in der Schweiz war bedingt durch Produktionsverlagerungen ins Aus-land. Erst seit 2003 stiegen die Wachstumsraten. ➔ Vergleichen Sie die Grafiken 2.1, 2.2

und 2.3 miteinander.

0

1

2

3

4

5

6

7

Irlan

dPo

len

USA

Norw

egen

Span

ien

Grie

chen

land

Gros

sbrit

anni

enal

le O

ECD-

Länd

erFi

nnla

ndSc

hwed

enDä

nem

ark

Nied

erla

nde

Öste

rreich

Portu

gal

Fran

krei

chBe

lgie

nDe

utsc

hlan

dIta

lien

Japa

nSc

hwei

z

6,4

4,5

3,32,9 2,8

2,7 2,6 2,6

1,11,11,21,3

1,91,92,12,22,3

1,9

3,1

2,3

Durchschnittliche jährliche Wachstumsraten des Bruttoinland produkts BIP von 1992 bis 2005 (14 Jahre)

in Prozent

Quel

le: O

ECD

© S

trahm

/ hep

ver

lag

Page 3: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

33

K A P I T E L 2

2.2 Die Schweiz hatte trotz tiefem Wachstum die niedrigste Arbeitslosigkeit

Ein Paradox: Trotz tiefem Wirtschaftswachstum hatte die Schweiz in den Neunziger-jahren von allen vergleichbaren OECD-Ländern die tiefste Arbeitslosigkeit. Die Erklärung liegt im arbeitsmarktnahen Berufsbildungssystem. Die Arbeitslosenquo-ten sind von der OECD standardisiert, das heisst vergleichbar gemacht: Gemessen wurden die registrierten Arbeitslosen in Prozent der Erwerbsbevölkerung (15 – 64 Jahre).

0

2

4

6

8

10

12

14

16

Pole

n

Finn

land

Fran

krei

chIta

lien

Grie

chen

land

Irlan

dBe

lgie

nDe

utsc

hlan

dSc

hwed

enal

le O

ECD-

Länd

erGr

ossb

ritan

nien

Däne

mar

kPo

rtuga

lUS

ANo

rweg

enNi

eder

land

eÖs

terre

ichJa

pan

Schw

eiz

14,0

15,3

11,6

10,2

9,89,1

8,5 8,4 8,3

7,3 7,0 6,75,9 5,8

5,44,6

3,64,0

4,5 4,2

Span

ien

Durchschnittliche Arbeitslosenquote von 1992 bis 2005 (14 Jahre)

in Prozent

Quel

le: O

ECD

© S

trahm

/ hep

ver

lag

Page 4: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

34

W A R U M W I R S O R E I C H S I N D

Ein Paradox: Trotz tiefem Wirtschaftswachstum hatte und hat die Schweiz von allen OECD-Ländern den höchsten Anteil der Bevölkerung zwischen 15 und 64 Jahren, welcher einem bezahlten Erwerb nachgeht. Das schweizerische Berufs-bildungssystem verhilft zur Arbeitsmarktfähigkeit. In der Erwerbsquote werden von der OECD alle Erwerbstätigen erfasst, ungeachtet ob es sich um Vollzeit- oder Teilzeiterwerb handelt.

2.3 Trotz tiefem Wirtschaftswachstum waren in der Schweiz am meisten

Menschen im Erwerbsleben

Durchschnittliche Erwerbsquote im Zeitraum 1994 bis 2005 (12 Jahre)

in Prozent

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

Schw

eiz

Däne

mar

kNo

rweg

enÖs

terre

ichJa

pan

Schw

eden

Nied

erla

nde

Gros

sbrit

anni

en USA

Deut

schl

and

Portu

gal

alle

OEC

D-Lä

nder

Finn

land

Irlan

dBe

lgie

nFr

ankr

eich

Span

ien

Grie

chen

land

Italie

nPo

len

83

76 75 74 74 73 72 71 71

545557

596161

6465667070

Quel

le: O

ECD

© S

trahm

/ hep

ver

lag

Page 5: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

35

K A P I T E L 2

Quel

le: O

ECD

© S

trahm

/ hep

ver

lag

2.4 Die Schweiz hat einen relativ tiefen Bevölkerungsanteil mit Hochschul-abschluss

Die Schweiz hat im Vergleich zu den andern OECD-Industriestaaten einen eher kleinen Bevölkerungsanteil mit einer höheren Ausbildung der Tertiärstufe (Uni-versität, ETH, Fachhochschule). Demgegenüber hat sie mit der Berufslehre einen hohen Anteil an Erwerbstätigen mit berufspraktischer Spezialisierung (Berufslehre, Höhere Fachschule) und an Personen, die während des Berufslebens an Weiter-bildungsaktivitäten teilnehmen.

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

USA

Japa

nFi

nnla

ndDä

nem

ark

Norw

egen

Belg

ien

Islan

dGr

ossb

ritan

nien

Schw

eden

Schw

eiz

Nied

erla

nde

Deut

schl

and

Fran

krei

ch

EU25

Öste

rreich

Italie

n

38 37

34 33 3230 29 29 28 28 27

25 2422

18

12

Personen mit Tertiärabschluss einer Hochschule oder Fachhochschule. Anteil an der 25- bis 64-jährigen Bevölkerung, 2005

in Prozent

Quel

le: B

FS / E

urop

äisc

he K

omm

issio

n EU

© S

trahm

/ hep

ver

lag

Page 6: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

36

W A R U M W I R S O R E I C H S I N D

2.5 Trotz weniger Hochschulabsolventen höchster Anteil innovativer Unter-nehmen

Ein Paradox: Obschon die Schweiz weniger Hochschulabsolventen aufweist, liegt sie mit ihrem Anteil an kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die selber Innovation betreiben, an der Spitze der europäischen Länder. Die Erklärung liegt im Berufsbil-dungssystem. Dieses versorgt die kleineren Unternehmen mit berufspraktisch aus-gebildeten Fachspezialisten, welche die Innovation mittragen. Eine wichtige Rolle spielt auch der hohe Anteil an Erwachsenen, die an einer Aus- oder Weiterbildung teilnehmen (Schweiz: 3. Rang in Europa). ➔ Vergleichen Sie mit Grafik 2.4

0

10

20

30

40

50

60

Schw

eiz

Islan

dÖs

terre

ichDe

utsc

hlan

d

Belg

ien

Schw

eden

Fran

krei

chNo

rweg

enDä

nem

ark

Däne

mar

kFi

nnla

ndGr

ossb

ritan

nien

Nied

erla

nde

55

4645 43

38

35

29 29 2926

2422

18

Anteil der kleinen und mittleren Unternehmen, die selber Innovation betreiben, 2002 / 2005

in Prozent

Quel

le: B

FS / E

urop

äisc

he K

omm

issio

n EU

© S

trahm

/ hep

ver

lag

Page 7: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

49

K A P I T E L 3

3.1 Beschäftigte mit Berufslehre sind am wenigsten von Arbeitslosigkeit

betroffen

Erwerbspersonen ohne nachobligatorische Ausbildung («Ungelernte») haben eine 70 % höhere Arbeitslosenquote als der Durchschnitt. Berufs lehre-Absolventen /-in-nen haben eine 40 % tiefere Arbeitslosigkeit als die Erwerbs bevölkerung im Durchschnitt (= 100 %). Demgegenüber führt eine rein schulische Bildung zu ei-ner höheren Arbeitslosenquote als bei Absolventen und Absolventinnen einer Berufslehre.

0

100

200

obligato-rische Schule(«Ungelernte»)

Berufslehre höhereBerufsaus-bildung(Lehre + HF)

MittelschuleMaturitätSeminar

andererAbschlussSek II

Tertiärstufe(Uni, FH)

Ø =100

170%

60%

80%

45%

100%

130%

Arbeitslosenquote nach dem höchsten Bildungsabschluss der Betroffenen; Aus-wertung Volkszählungsergebnisse 2000 (Totalzensus)

Verhältnis zur mittleren Arbeitslosenquote (= 100 %)

Quel

le: G

eorg

e Sh

eldo

n/Na

t. Fo

rsch

ungs

prog

ram

m 4

3 ©

Stra

hm / h

ep v

erla

g

Page 8: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

50

W A R U M W I R S O R E I C H S I N D

3.2 Die betriebliche Berufslehre ist in der Deutschschweiz stärker verankert als in der Romandie und im Tessin

In der deutschen Schweiz absolvieren 68 % der Jugendlichen der Sekundarstufe II eine Berufslehre nach dem Dualsystem, in der Romandie 43 %, im Tessin 45 % und im Kanton Genf nur 22 %. Dafür ist die Maturitätsquote (rot) in Genf mehr als doppelt so hoch wie in der Deutschschweiz. ➔ Vergleichen Sie die zugehörigen Arbeits-

losenquoten in der nachfolgenden Grafik 3.3

Schweiztotal

DeutscheSchweiz

FranzösischeSchweiz

ItalienischeSchweiz

KantonSt. Gallen

KantonGenf

22%18%

29%33%

12%

43%

Anteil Schüler und Schülerinnen in Berufsschulen/Lehrwerkstätten VollzeitAnteil Lernende in Berufslehre Dualsystem (betriebliche Berufslehre und Berufsfachschule)Anteil Schüler und Schülerinnen in Maturitätsschulen

23%

22%

4%75%

17%

45%

17%

43%

7%

68%

61%

10%

Schweiz Landesteile Kantone

Berufslehre nach Dualsystem, Vollzeit-Berufsfachschulen und Maturitätsschulen nach Landesteilen/Kantonen

Anteile der Schüler/-innen Sekstufe II (2000/2001)

Quel

le: B

unde

sam

t für

Sta

tistik

© S

trahm

/ hep

ver

lag

Page 9: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

51

K A P I T E L 3

3.3 Die Arbeitslosigkeit in der Romandie und im Tessin ist stets höher als in der Deutschschweiz

In der Romandie ist die Arbeitslosenquote stets anderthalbmal bis doppelt so hoch wie in der Deutschschweiz. In Genf ist sie dreimal höher als in St. Gallen. Dieses Gefälle in der Arbeitslosigkeit hängt auffallend eng mit dem Berufsbildungssystem zusammen: Wo mehr Berufslehren nach dem Dualsystem angeboten wurden und werden, gibt es weniger Arbeitslose. ➔ Vergleichen Sie mit Grafik 3.2: Die Berufslehre erhöht

die Arbeitsmarktfähigkeit der Erwerbstätigen

3,1%2,6%

4,4% 4,3%

2,3%

6,9%

Schweiz Landesteile Kantone

Schweiztotal

DeutscheSchweiz

FranzösischeSchweiz

ItalienischeSchweiz

KantonSt. Gallen

KantonGenf

Arbeitslosenquote nach Landesteilen / Kantonen

Registrierte Arbeitslose in Prozent der Erwerbspersonen – Mitte 2006

Quel

le: s

eco

© S

trahm

/ hep

ver

lag

Page 10: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

52

W A R U M W I R S O R E I C H S I N D

3.4 Statistischer Zusammenhang: Berufsbildung vermindert die Arbeitslosenquote

Die Häufigkeit der Berufslehre nach dem Dualsystem und die Arbeitslosigkeit hängen statistisch zusammen. Kantone mit hohem Anteil an Berufslehren haben ein tieferes Niveau von Arbeitslosigkeit. In Kantonen mit weniger Berufslehren nach dem Dualsystem ist die Arbeitsintegration schwächer und die Arbeitslosigkeit höher. Das Bestimmtheitsmass R2 besagt, dass die Arbeitslosigkeit zu 57 % mit der Absolvierung der Berufslehre zusammenhängt, der Rest hängt von einer Vielzahl von anderen Faktoren ab.

0% 1% 2% 3% 4% 5% 6% 7% 8%0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

NW

GL

ZH

BE

LUURIOW

SZ GL

ZG

FR

SO

BS

BL

SH

AR SG

AGTH

TI

VDVS

NE

GE

JU

Arbeitslosenquote 2006

Ante

il du

ale

Beru

fsle

hre

in S

ekun

dars

tufe

II

R2 = 0,5711R = 0,75

GR

Korrelation zwischen Anteil der Jugendlichen in Berufslehren (Berufsbildungs-quoten) und Arbeitslosenquoten nach Kantonen

Quel

le: s

eco /

BFS

© S

trahm

/ hep

ver

lag

Page 11: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

53

K A P I T E L 3

3.5 Unter Ausländern sind mehr Ungelernte und deshalb mehr Arbeits lose

Die Arbeitslosenquote hängt ab vom Anteil der Ungelernten: Bei den Schweizer Erwerbspersonen sind 28,5 % ohne nachobligatorische Ausbildung, bei den Auslän-dern in der Schweiz mit 51,7 % fast doppelt soviel, doch bei den neu Zugewanderten nur noch 38,5 % (dafür rund 40 % Hochschulabsolventen). Dementsprechend ist die Arbeitslosigkeit der Migrationsbevölkerung (ausser bei neu Zugewanderten) mehr als doppelt so hoch wie bei der schweizerischen Bevölkerung.

Personen ohne Ausbildung («Ungelernte»)

0%

2%

4%

6%

8%

28,5% 51,7% 38,5%

Arbeitslosenquote nach Nationalität (Mitte 2006)

2,4%

5,5%

2–3%

Schweizerinnenund Schweizer

Ausländerinnenund Ausländer

Ausländerinnen und Ausländer,neu zugewandert

Schweizerinnenund Schweizer

Ausländerinnenund Ausländer,Gesamtbestand

Ausländerinnenund Ausländer,neu zugewandert

Anteil der Personen ohne nachobligatorische Ausbildung («Ungelernte») und Ar-beits lose nach Nationalität, Volkszählungsergebnisse 2000

Quel

le: F

lück

iger

/ Fal

ter /

BFS

/ sec

o ©

Stra

hm / h

ep v

erla

g

Page 12: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

55

K A P I T E L 3

3.7 Internationaler Vergleich Jugendliche: Länder ohne Betriebslehre haben am meisten Jugendliche ohne Ausbildung

Länder, die eine Berufslehre in einem Betrieb kennen (Dualsystem), haben es in der Regel leichter, den Jugendlichen eine angepasste Berufsbildung mit Abschluss zu ermöglichen: zum Beispiel Schweiz, Dänemark, Schweden, Österreich, Deutschland. Demgegenüber haben Länder in Südeuropa und Grossbritannien ohne berufs praktische oder betriebliche Ausbildung am meisten Mühe, ihren Ju-gendlichen einen Abschluss zu ermöglichen.

0% 10% 20% 30% 40% 50%

Portugal

Spanien

Island

Italien

Grossbritannien

EU-25

Griechenland

Niederlande

Frankreich

Irland

Deutschland

Belgien

Österreich

Finnland

Schweden

Dänemark

Schweiz

Norwegen

39

31

26

23

17

16

15

14

4

8

8

9

9

9

12

12

13

14

Anteil der 18–24-Jährigen ohne Abschluss auf der Sekundarstufe II (ungelernte Jugendliche) in Europa (2004)

Quel

le: B

FS / E

uros

tat ©

Stra

hm / h

ep v

erla

g

Page 13: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

56

W A R U M W I R S O R E I C H S I N D

3.8 Internationaler Vergleich Jugendliche: Das Berufsbildungsland Schweiz hat die tiefste Jugendarbeitslosigkeit

Die Schweiz hat traditionell die tiefste Jugendarbeitslosigkeit. Das Berufsbildungs-system erlaubt eine leichtere und raschere Integration der Jugendlichen in den Arbeitsmarkt. Ein halbwegs vergleichbares Berufsbildungssystem gibt es noch in Österreich, Holland, Dänemark, Deutschland und Schweden. ➔ Vergleichen Sie mit

der Grafik 3.7

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30%

FinnlandGriechenland

ItalienSpanien

FrankreichSchweden

LuxemburgBelgien

EU-15Portugal

DeutschlandNorwegen

IslandGrossbritannien

ÖsterreichIrland

NiederlandeDänemark

Schweiz

27,526,5

24,622,4

19,518,518,3

17,516,2

1413

12,812,1

10,88,6

8,3

87,87,7

Erwerbslose in Prozent der 15–24-jährigen Jugendlichen in Europa (EU-15, 2004)

Quel

le: B

FS / S

AKE /

Euro

stat

© S

trahm

/ hep

ver

lag

Page 14: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

57

K A P I T E L 3

3.9 Internationaler Vergleich Erwachsene: Die Schweiz hat einen geringen Anteil an Ungelernten

Die Schweiz gehört von allen europäischen Ländern (EU-15, ohne neue Mitglied-länder der Osterweiterung) zu jenen mit dem tiefsten Anteil an erwachsenen Erwerbstätigen ohne Berufsbildung, nämlich 9,9 %. Nur Grossbritannien und Nor-wegen haben nach der Statistik weniger Ungelernte.

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%

PortugalSpanien

ItalienGriechenland

IslandFrankreich

IrlandBelgien EU-15

Niederlande Luxemburg Österreich

FinnlandDänemarkSchweden

DeutschlandSchweiz

GrossbritannienNorwegen

69,1

43,940,1

31,228,8

26,926,2

88,9

9,910,9

11,212,8

14,114,6

18,623,5

24,825,2

Anteil der Erwerbstätigen ohne nachobligatorische Ausbildung bei 25 – 54- jäh rigen Erwachsenen in Westeuropa (2004)

Quel

le: B

FS / S

AKE /

Euro

stat

© S

trahm

/ hep

ver

lag

Page 15: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

58

W A R U M W I R S O R E I C H S I N D

3.10 Internationaler Vergleich Erwach-sene: Tiefer Anteil an Ungelernten bringt tiefe Arbeitslosigkeit

Länder mit einer tiefen Quote an Ungelernten weisen auch eine tiefe Arbeits-losigkeit aus. Nur Grossbritannien und Norwegen hatten 2004 leicht tiefere Erwerbslosenquoten als die Schweiz. Island ist ein Sonderfall (Fischerei). ➔ Ver-

gleichen Sie mit der Grafik 3.9.

0% 2% 4% 6% 8% 10% 12%

Spanien

Deutschland

Griechenland

Frankreich

Finnland

EU-15

Belgien

Italien

Portugal

Schweden

Dänemark

Luxemburg

Österreich

Irland

Niederlande

Schweiz

Grossbritannien

Norwegen

Island

10,210

9,67,8

7,77,6

7

75,9

5,6

4,6

4,34,3

4,1

4,14,1

3,7

3,5

1,7

Erwerbslosenquote in Prozent der 25 – 49-jährigen erwachsenen Erwerbsbevölke-rung in Westeuropa (EU-15, 2004)

Quel

le: B

FS / S

AKE /

Euro

stat

© S

trahm

/ hep

ver

lag

Page 16: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

59

K A P I T E L 3

3.11 Internationaler Vergleich Erwachsene: Gute Berufsbildung garantiert hohe Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung

Die Schweiz hat nach Island den höchsten Anteil der Bevölkerung im Erwerbs alter, der real erwerbstätig oder erwerbsfähig ist (Erwerbsquote). Island ist ein Sonder-fall (Fischerei). Die Länder mit einem arbeitsmarktnäheren Berufs bildungssystem und einer Berufslehre haben eine überdurchschnittliche Erwerbs beteiligung. Früh-pensionierungen ab 55 Jahren sind hier ausgeschlossen.

70% 75% 80% 85% 90%

IslandSchweiz

DänemarkSchweden

FinnlandFrankreichNorwegen

PortugalÖsterreich

DeutschlandNiederlande

GrossbritannienEU-15

BelgienGriechenland

LuxemburgSpanien

IrlandItalien

89,9

88,2

88,288,1

87,486,586,1

86,386,4

85,985,9

83,783,5

82,8

81,181,9

80,379,9

77,5

Erwerbspersonen in Prozent der Bevölkerung zwischen 25 und 54 Jahren (= Er-werbs quote) in Westeuropa (EU-15, 2004)

Quel

le: B

FS / S

AKE /

Euro

stat

© S

trahm

/ hep

ver

lag

Page 17: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

60

W A R U M W I R S O R E I C H S I N D

3.12 Konjunkturschwankungen treffen Ungelernte stärker als Personen mit Ausbildung

Die Ausbildung ist der entscheidende Faktor, wie sich die Konjunkturschwankung beschäftigungsmässig auf die Menschen auswirkt: Ungelernte werden beim Kon-junkturaufschwung überproportional steigend beschäftigt. Doch in der Rezession werden sie als «Konjunkturpuffer» auch überproportional häufig entlassen – nach dem Prinzip: last in – first out (zuletzt hinein – zuerst hinaus).

0%

5%

10%

15%

20%

25%

WestdeutschlandArbeitslosenanteil nach Qualifikationsgruppen im Konjunkturverlauf, 1995–2004

1%2%3%4%5%6%7%8%

SchweizErwerbslosenquote nach Ausbildungsstufe im Konjunkturverlauf, 1991–2006

30%

1975

1980

1985

1990

1995

2000

2005

ohne Berufsabschluss

Hoch-/FachhochschulabschlussArbeitslosenquote insgesamt

Lehr-/Fachschulabschluss

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

Ungelernte

Berufsabschluss /Sekstufe II

Akademiker

Arbeitslosigkeit nach Ausbildungsstufe im Konjunkturverlauf

Quel

len:

Sch

wei

z: BF

S / SA

KE. D

euts

cher

Sac

hver

stän

dige

nrat

© S

trahm

/ hep

ver

lag

Page 18: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

178

W A R U M W I R S O R E I C H S I N D

8.1 Der Strukturwandel in Richtung Dienstleistung und Desindustria-lisierung hat sich beschleunigt

Der Strukturwandel in der Wirtschaft ist eine ebenso markante wie alte Erschei-nung. Er ist seit über hundert Jahren im Gang. Seit Mitte der 1990er-Jahre hat er sich durch die Globalisierung der Wirtschaft beschleunigt. Der Industrie- und Bausektor, der Mitte der 1960er-Jahre noch mehr als die Hälfte der Beschäftigen umfasste, geht ständig zurück, auf heute rund 23 %. Dagegen stieg der Dienstleis-tungssektor auf 73 % Beschäftigtenanteil.

Anteil der Beschäftigten in der Schweiz nach Wirtschaftssektoren: Jahrhundert-Entwicklung 1905–2005

Quel

le: B

FS ©

Stra

hm / h

ep v

erla

g

1905

1929

1939

1955

1965

1975

1985

1991

1995

2005

Dienstleistungen 73%

0 %

10 %

20 %

30 %

40 %

50 %

60 %

70 %

80 %

Industrie und Bau 23%

Landwirtschaft 4%

Beschäftigungsanteil

Page 19: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

179

K A P I T E L 8

8.2 Traditionelle Industrien verschwinden, neue Wirtschaftszweige steigen auf

Ständig verschwinden Unternehmenszweige in traditionellen Branchen – und neue in aufsteigenden Branchen werden gegründet. Produkte mit ausgereiften Tech-nologien werden im preisgünstigeren Ausland hergestellt und verdrängen die Industrie in der Schweiz. Was von der Branche im Hochlohnland verbleiben kann, sind qualitativ hochwertige Spezialitäten und Nischenprodukte im Hochpreisbe-reich. Der Niedergang der alten Branchen ist verbunden mit dem Aufstieg neuer, innovativer Technologien und Produktionszweige.

Aufstieg und Niedergang von Wirtschaftszweigen, gemessen an der Entwicklung der Beschäftigten, im Zeitraum von 1945 bis 2005

Quel

le: C

redi

t Sui

sse

Econ

omic

Rese

arch

© S

trahm

/ hep

ver

lag

2000 Biotechnologie IT- und Kommunikationstechnologie 1990 Altersbetreuung Finanzmarkt-Dienstleistungen 1980 Umweltschutz- und Recyclingbranche Unterrichtswesen 1970 Unternehmensdienstleistungen (Werbung) Gesundheitswesen 1960 Chemie- und Pharmaindustrie Elektro- und Haushaltgeräteindustrie1950 Maschinenbau

1950 Landwirtschaft und Nahrungsmittelverarbeitung Holzverarbeitung (Möbel) 1960 Lederverarbeitung (Schuhe) Textilindustrie 1970 Traditionelle Uhrenindustrie (Ankeruhren) Metallerzeugung (Giesserei) 1980 Elektroindustrie (Motoren) Haushaltgeräte (Telefone) 1990 Papierindustrie Aluminiumindustrie 2000 Chemie (Grundstoffe, Farben)

Aufstieg

Abstieg

2005

2005

1945

1945 2005

Page 20: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

180

W A R U M W I R S O R E I C H S I N D

8.3 Der Strukturwandel mit wachsenden und schrumpfenden Branchen erzwingt berufliche Mobilität

Tertiärsektor

Sekundärsektor

Gesamte Wirtschaft

IT – Informations-Technologien

Verkehr-Nebentätigkeiten, Touristik

Dienstleistungen für Unternehmen

Gesundheit/Sozialwesen

Erziehung, Unterricht

Öffentliche Verwaltung

Autohandel und -reparatur

Landverkehr, Transporte

Grosshandel

Kreditinstitute

Gastgewerbe und Beherbergung

Metallindustrie

Detailhandel

Baugewerbe

Maschinenbau

Nachrichtenübermittlung, Post

–20% –10% 0% 10% 20% 40%30%

+ 260 000 Beschäftigte

+ 150 000 Beschäftigte

– 110 000 Beschäftigte

99

32,7

30,9

26

18,818,7

9,9

3,1

– 0,7

–3,7

– 5,1

– 8,0

– 9,8– 10,7

– 12,3– 20,6

– 9,6%

+ 10,6%

+ 4,2%

Zunahme / Abnahme in Prozent der Beschäftigten von 1995 bis 2005 nach Sektoren und nach Branchen mit über 60 000 Beschäftigten

Quel

le: B

FS ©

Stra

hm / h

ep v

erla

g

Allein innert zehn Jahren sind in der Schweiz 110 000 Beschäftigte im Industrie- und Bausektor (Sekundärsektor) abgebaut worden. Aber in den Dienstleistungen (Tertiärsektor) sind 260 000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden. Die stärkste Schrumpfung von 1995 bis 2005 erlebte die traditionelle Nachrichtenübermitt-lung (Post) mit 20 % Stellenabbau, den stärksten Aufbau die Informations- und Kommunikationstechnologien (IT) mit einer Arbeitsplatzverdoppelung (+ 99 %). Immer mehr Menschen müssen im Verlauf ihres Arbeitslebens den Beruf und die Branche wechseln.

Page 21: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

181

K A P I T E L 8

8.4 Der Strukturwandel zwingt zum Branchenwechsel – die Berufsbildung erleichtert den Berufswechsel

Der rasche Strukturwandel setzt mehr berufliche Mobilität voraus. Von allen jungen Erwerbstätigen im Alter von 20 bis 24 Jahren arbeiten 35 % bereits nicht mehr im ersterlernten Beruf, haben also mindestens einmal Beruf und Branche gewechselt. Diese sogenannte Rotationsquote beträgt im Durchschnitt der Erwerbstätigen al-ler Altersstufen 49,5 %. – Auffallend ist die signifikant höhere berufliche Mobilität von Berufslehre-Absolventen mit 50 % Rotationsquote, gegenüber nur 37 % bei Ungelernten. Die Ausbildung befähigt auch zum späteren Berufswechsel.

Anteil der Erwerbstätigen, die mindestens einmal den Beruf gewechselt haben (Rotationsquote), nach Totalzensus Eidg. Volkszählung 2000

Quel

le: B

FS V

olks

zähl

ungs

erge

bniss

e 20

00 ©

Stra

hm / h

ep v

erla

g

Alter Bildungsstufe Geschlecht

Σ

µ

35%

52%49%

37%

50%

55% 56%54%

43%

20–2

4-Jä

hrig

e40

–44-

Jähr

ige

Ø al

le B

eruf

stät

igen

Unge

lern

teBe

rufs

lehr

eHö

here

Fach

schu

le

Hoch

schu

le/U

nive

rsitä

t

Män

ner

Frau

en

Page 22: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

182

W A R U M W I R S O R E I C H S I N D

8.5 Die Wirtschaft braucht mehr gelernte und weniger ungelernte Arbeits kräfte

0 10% 20% 30%–30% –20% –10%

MehrbedarfMangel

AbbaubedarfÜberfluss

Sekundärsektor:Bau und Industrie

Tertiärsektor:Dienstleistungen

+ 17,9%– 3,8%

+ 1,2%

+ 2,4%– 11,5%

+ 14%– 3,7%

+ 1,6%– 21,4%

+ 2,3%– 9,3%

Gelernte

Ungelernte

Angelernte

Gelernte

Ungelernte

Angelernte

– 26,8%

Anteil der schweizerischen Betriebe, die einen Mangel oder einen Überfluss an Ar beitskräften melden 2003 / 2006

Quel

le: B

FS A

rbei

tsm

arkt

indi

kato

ren

© S

trahm

/ hep

ver

lag

Die Wirtschaft braucht mehr qualifizierte Arbeitskräfte und weniger Ungelernte. In der Betriebsbefragung des BFS meldeten 17,9 % aller Betriebe im Sekundär-sektor einen Mangel an Gelernten, aber 26,8 % einen Überfluss (= Abbaubedarf) an Ungelernten. Nur gerade 1 bis 2 % aller Betriebe verzeichnen einen Mangel an Ungelernten oder Angelernten (die Betriebe sind gewichtet nach ihrer Be-schäftigtenzahl). Die überflüssigen weniger Qualifizierten werden beim nächsten Konjunktureinbruch ausscheiden.

Page 23: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

74

W A R U M W I R S O R E I C H S I N D

4.2 Ungenügende Ausbildung ist das grösste Armutsrisiko in der Arbeitswelt

Erwerbstätige mit einer abgeschlossenen Berufslehre sind mit einer Armutsquote von 4,2 % rund 2,7-mal weniger häufig arm als Erwerbstätige ohne nachschulische Ausbildung («Ungelernte») mit 11,4 % Armutsanteil. «Working Poor» sind Personen mit einer Vollzeitbeschäftigung, die unter der Armutsschwelle (SKOS) leben. Die Absolvierung einer beruflichen Grundbildung ist das wichtigste Merkmal zur Ver-hinderung von «Working Poor». – In der Bevölkerungsgruppe der Alleinerziehen-den ist allerdings die Armut wegen Teilzeitbeschäftigung noch stärker vertreten.

0 %

2 %

4 %

6 %

8 %

10 %

12 %

alle Erwerbstätigenim Durchschnitt

ohne nach-obligatorische Ausbildung(«Ungelernte»)

Akademiker und Akademikerinnen

mit Berufslehre

4,2 %

11,4 %

4,2 %

1,6 %

Anteil der «Working Poor» nach Ausbildungsstatus 2005(«Working Poor» = Erwerbspersonen mit Vollzeitbeschäftigung, die in Armut leben)

Quel

le: B

FS ©

Stra

hm / h

ep v

erla

g

Page 24: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

75

K A P I T E L 4

4.3 Bildungsdefizite führen zu hohen Soziallasten des Staates

In der Schweiz werden rund 250 000 Personen oder 3 % der Bevölkerung von den Kantonen und Gemeinden mit Sozialhilfeleistungen unterstützt. Dabei ist der Anteil der Personen ohne Berufsabschluss («Ungelernte») an allen Sozialhil-feempfängerinnen und -empfängern 47 %, bei jugendlichen Sozialhilfebezügern sogar 70 %. Der Anteil der Ungelernten an der Sozialhilfe ist rund doppelt so hoch wie ihr Anteil in der Bevölkerung. Mangel an Berufsbildung ist das grösste Armutsrisiko.

Anteil der Personen ohne beruflichen Abschluss («Ungelernte») in der Sozialhilfe, gesamte Schweiz

Quel

le: B

FS ©

Stra

hm / h

ep v

erla

g

Anteil der Ungelernten bei Erwachsenen von 18 – 65 Jahren (2004)

47%Ungelernte

51,7%AusländerMännerund FrauenGesamtbestand

38,5%AusländerMännerund Frauenin den letzten 5 Jahren zugewandert

von allen erwachsenen Sozialhilfeempfängernsind

von allen Erwachsenen sind

23%Ungelernte

Anteil der Ungelernten bei Jugendlichen von 18 –25 Jahren (2005)

70%Ungelernte

51,7%AusländerMännerund FrauenGesamtbestand

38,5%AusländerMännerund Frauenin den letzten 5 Jahren zugewandert

von allen jugendlichen Sozialhilfe-empfängern sind

von allen Jugendlichen sind

35%Ungelernte

Page 25: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

73

K A P I T E L 4

4.1 Berufslehre und berufliche Weiter-bildung zahlen sich aus

Wer eine Berufslehre absolviert hat, verdient mindestens 1000 Franken pro Monat mehr als ein/-e Beschäftige/-r ohne Berufsabschluss. Eine Spezialausbildung (zum Beispiel Höhere Fachschule) bringt zusätzliche 1000 Franken Monatslohn und eine Fachhochschule nochmals anfänglich 1000 Franken mehr. Absolventen/-innen von Fachhochschulen und Universitäten / ETH werden nach Studienabschluss fast gleich entschädigt. Frauen werden in Privatbetrieben aber 16 – 20 % schlechter entlöhnt als Männer in gleicher Funktion.

0

2000

4000

6000

8000

10000

kein Berufs-abschluss

Berufslehre Berufslehreplus Spezial-ausbildung

Fachhochschule ETH

4900 Fr.

6200 Fr.7200 Fr.

8300 Fr. 8700 Fr.

0

2000

4000

6000

8000

10000

Gesamte Wirtschaft (Medianwerte, Vollzeit, 12 Monatslöhne), 2006

einfache Tätigkeiten(An-/Ungelernte)

mit Berufs- und Fach-kenntnis (Gelernte)

Qualifizierte, höchst anspruchsvolle Arbeiten(mittleres Kader)

4047 Fr.4798 Fr. 5014 Fr.

5678 Fr.6341 Fr.

7859 Fr.ø 4400 Fr.

ø 7400 Fr.

ø 5500 Fr.

Σ µ Σ µ Σ µ

Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (13 Monatslöhne), 2005 Fr.

Fr.

Monatliche Bruttolöhne nach Berufsbildungsstufe und Anforderungsniveau

Quel

le: B

FS L

ohns

trukt

urer

hebu

ng / A

nges

tellt

e Sc

hwei

z ©

Stra

hm / h

ep v

erla

g

Page 26: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

129

K A P I T E L 6

6.4 Die Arbeitsproduktivität variiert von Branche zu Branche – die Binnenwirt-schaft liegt tiefer

Unter den Branchen gibt es in der Schweiz enorme Differenzen in der Arbeitspro-duktivität. Sie reichen von 16 Franken in der Landwirtschaft bis zu 206 Franken Wertschöpfung pro Arbeitsstunde in der kapitalintensiven Elektrizitätswirtschaft. Die Branchen in der wettbewerblich oft geschützten Binnenwirtschaft haben meist tiefere Arbeitsproduktivitäten. Branchen mit hoher Arbeitsproduktivität haben in der Regel mehr und besser ausgebildetes Personal. Arbeitsproduktivität und Berufsbildungsniveau hängen zusammen. ➔ siehe auch Grafik 12.4

Elektrizitätswirtschaft

Versicherungen

Banken

Chemische Industrie

Nahrungsmittelindustrie

Elektro-Feinmechanikindustrie

Uhrenindustrie

Maschinenindustrie

Gesamtwirtschaft Ø

Handel, Reperatur

Gewerbe, ohne Bau

Baugewerbe

Textilindustrie

Hauswirtschaft, Reinigung

Gastgewerbe

Landwirtschaft

0 50 100 150 200 250

206

203

164

143

80

78

69

66

64

26

33

46

46

53

54

16

Arbeitsproduktivität = Bruttowertschöpfung zu laufenden Herstellungskosten, dividiert durch die Zahl der effektiv geleisteten Arbeitsstunden 2004

Arbeitsproduktivität in Franken pro Stunde

Quel

le: B

AK B

asel

Eco

nom

ics ©

Stra

hm / h

ep v

erla

g

Page 27: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

132

W A R U M W I R S O R E I C H S I N D

6.7 Schere öffnet sich: Starke Produk-tivi tätssteigerung bei Branchen im internationalen Wettbewerb – schwache in der Binnenwirtschaft

Die Schere der Produktivitätsentwicklung öffnete sich: In der Gesamtwirtschaft der Schweiz wurde die Arbeitsproduktivität nur um 1,53 % pro Jahr erhöht, was in 10 Jahren + 16,4 % ausmachte. Doch die Industrie steigerte sie um 38 %, das Baugewerbe nur um 11 % und der Dienstleistungssektor nur um 8 %. Und im Gast-gewerbe fiel sie in den 10 Jahren um 12 % zurück. Durchschnittswerte der Produk-tivität für die Gesamtwirtschaft sind deshalb wenig aussagefähig.

60

80

100

120

140

160

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

60

80

100

120

140

160

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

60

80

100

120

140

160

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

60

80

100

120

140

160

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

60

80

100

120

140

160

+ 16,4 %

+ 8 %

– 12 %+ 11%

+ 38 %

Gesamtwirtschaft: + 1,53 % pro Jahr

Industrie: + 3,25% pro Jahr Dienstleistungen: + 0,75% pro Jahr

Baugewerbe: + 1,08% pro Jahr Gastgewerbe: – 1,31% pro Jahr

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

Quel

le: K

OF E

TH ©

Stra

hm / h

ep v

erla

g

Produktivitätsentwicklung von 1992 – 2002; Gesamtwirtschaft und Branchen

Page 28: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

158

W A R U M W I R S O R E I C H S I N D

7.7 Wie sich die schweizerische Export- industrie in den globalen Hightech-Güter-Märkten positioniert

Der High-Tech-Anteil an den wichtigsten Industriegütern ist entscheidend für die Konkurrenzfähigkeit eines Hochlohnlandes. Bei wissenschaftlichen Instrumenten (Präzisionsmessgeräten, Medizinalgeräten, Spitzenuhren), bei Pharma- und Chemie-produkten und bei Maschinen ohne Stromproduktion (Werkzeugmaschinen etc.) ist die Schweizer Industrie hoch spezialisiert. In anderen Bereichen ist sie wenig präsent. (Die Länderrangierung erfolgte nach dem RSCA-Index, Revealed Symmetric Compa-rative Advantage, aufgrund des High-Tech-Anteils im jeweiligen Exportsektor.)

Rangierung der Länder nach ihrem Hightech-Anteil am Export verschiedener In-dustrien, 2002

Quel

le: K

OF E

TH ©

Stra

hm / h

ep v

erla

g

Wissenschaftliche Instrumente

Pharma

Chemie

Maschinen ohne Stromproduktion

Luft- und Raumfahrt

Elektrische Maschinen

Elektronik

Computer

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14.Rang

CH D S J DK US E F SF GB I NL B A

CH DK B I A E F S GB D US NL J SF

E CH B F D I DK GB NL US A J S SF

CH I B S E D J US A F GB SF NL DK

F US D I GB E S A CH DK B NL J SF

J A D GB S B I US E NL DK CH F SF

SF S J A GB DK US E D F I B NL CH

NL J B GB US D E A DK F I S SF CH

Page 29: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

159

K A P I T E L 7

7.8 Schweizer Industrie positioniert sich auf Weltmärkten mit Qualitäts-vorteilen

Das Hochpreis- und Hochlohnland Schweiz behauptet sich auf den globalen Märk-ten mittels Qualitätswettbewerb, nicht mittels Preiswettbewerb. 62 % der Ex-porte gehen in internationale Märkte, bei denen Qualität und Innovationen wett-bewerbsentscheidend sind. Von diesen Exporten haben 93 % der CH-Produkte auch Qualitätsvorteile. Immer noch 38 % der Ausfuhren gehen in Märkte, bei denen der Preiswettbewerb entscheidet. Aber in diesen haben nur 15 % der CH-Produkte wirklich einen Preisvorteil.

Anteile der schweizerischen Exporte, die international im Qualitäts- und im Preis-wettbewerb stehen, sowie Vorteilsnutzung der Exporteure, 2005

Quelle: Credit Suisse Economic Research © Strahm / hep verlag

16%

38 %der Exportproduktestehen hauptsächlichim Preiswettbewerb

62 %der Exportproduktestehen hauptsächlichim Qualitätswettbewerb

93 %der Exportprodukte haben Qualitätsvorteilez. B. Apparate Medizin-altechnik, Pharma-produkte, Maschinenbau

15%der Exportprodukte haben Preisvorteilez. B. Autoindustrie, Papier, Holzprodukte, Metallprodukte

Page 30: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

133

K A P I T E L 6

6.8 Branchen mit unterschiedlicher Berufsbildungsintensität

Branchen mit höherer Berufsbildungsintensität sind in der Regel produktiver: In der Energie- und Elektrizitätswirtschaft bilden 48 % aller Betriebe Lehrlinge aus; im strukturschwachen Gastgewerbe (Restaurants und Hotels) haben nur ge-rade 10 % aller Betriebe überhaupt Lehrlinge. In der Stromwirtschaft werden 6,1 Lehrstellen pro 100 Vollzeitbeschäftigte angeboten, im Gastgewerbe 4,2 %. Als Sollwert für jeden Betrieb werden 6 Ausbildungsplätze pro 100 vollzeitäquivalente Beschäftigte als ideal betrachtet.

0 10 20 30 40 50

Elektrizitätswirtschaft

Autogewerbe

Maschinenindustrie

Banken

Baugewerbe

Nahrungsmittelindustrie

Versicherungen

Detailhandel

Elektronik/ Präzisionsgeräte

Chemieindustrie

Textilindustrie

Gesamtwirtschaft

Hauswirtschaft, Reinigung

Gastgewerbe

0 5 10 15 20

48

17

18

19

20

21

22

23

25

28

30

30

36

10

6.1

15.6

7.0

3.7

9.9

3.4

3.4

8.9

3.3

2.9

3.6

5.6

14.5

4.2

Anteil der Betriebe, die Lehrlinge ausbilden:

Anzahl Lehrlingepro 100 Beschäftigte:

Ausbildungsintensität (Lehrstellen) der Branchen, 2005

Quel

le: B

FS –

Bet

riebs

zähl

ung

2005

© S

trahm

/ hep

ver

lag

Page 31: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

134

W A R U M W I R S O R E I C H S I N D

6.9 Strukturschwache Branchen rekrutieren am meisten ungelernte ausländische Arbeitskräfte

Wirtschaftszweige mit tieferer Arbeitsproduktivität – man spricht auch von «struk-turschwachen Branchen» – sind meist auch Branchen mit einem hohen Auslän-deranteil: Restaurants, Hotels, Reinigung, Baugewerbe, Teile der Industrie wie Textil, Detailhandel. Diese Branchen (Bau ausgenommen) bildeten selber zu wenig Personal aus und rekrutierten ungelernte ausländische Arbeitskräfte.

Gastgewerbe

Hauswirtschaft, Reinigung

Baugewerbe

Industrie

Handel, Reparaturgewerbe

Gesamtwirtschaft

Sonstige Dienstleistungen

Immobilien, Informatik, F&E

Gesundheits- und Sozialwesen

Verkehr und Nachrichten

Kredit- und Versicherungsgewerbe

Unterrichtswesen

Öffentliche Verwaltung

Land- und Forstwirtschaft

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%

52,6

38,2

36,9

33,4

26,3

26,1

24,5

24,2

23,8

20,0

17,5

15,1

8,1

7,7

Anteil des Arbeitsvolumens, das von ausländischen Erwerbstätigen erbracht wird, nach Branchengruppen 2003

Quel

le: B

FM In

tegr

atio

nsbe

richt

© S

trahm

/ hep

ver

lag

Page 32: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

135

K A P I T E L 6

6.10 Circulus Vitiosus der Struktur-schwäche von Branchen: Tiefe Löhne – wenig Ausbildung – tiefe Produktivität

Strukturschwäche als Folge tiefer Arbeitsproduktivität führte zu tiefen Löhnen und zur Rekrutierung billiger ungelernter Arbeitskräfte statt zur branchen- und betriebseigenen Ausbildung. Die Folge war mangelnde Produktivitätssteigerung mittels Qualifikation und Innovation. Tiefe Produktivität wiederum heisst Struk-turschwäche. Einen solchen «Teufelskreis» hatte das Gastgewerbe erlebt, als nur jeder zehnte Betrieb überhaupt Lehrlinge aus bildete und heute noch aus bildet (Betriebszählungsergebnisse 2005).

Zirkuläre Verursachung («Teufelskreis») der Strukturschwäche von Branchen wie z. B. Gastgewerbe, Tourismus, Handel.

© Strahm / hep verlag

strukturschwacheBranche

tiefeArbeitsproduktivität

tiefesLohnniveau

Rekrutierung billiger ungelernter Arbeitskräfte

im Ausland

wenig betriebsinterneBerufsausbildung

tiefes Innovaät

Page 33: R u d o lf H . S tra h m - Berufskundewir+so+reich+sind.pdf · 34 W A R U M W I R S O R E I C H S I N D Ein Parad o x: Tro tz tiefem W irtschaftsw achstum hatte und hat d ie Schw

77

K A P I T E L 4

4.5 Berufsbildung ist die beste soziale Absicherung

Der gesellschaftliche Wert der Berufsbildung ist statistisch vielfach belegt: höherer Lohn dank höherer Produktivität, viel tieferes Arbeitslosigkeits- und Sozialhilfe-risiko, bessere Bewältigung des raschen Strukturwandels, der heute den vorherr-schenden Wirtschaftstrend darstellt. Mit Berufsmaturität, Höherer Fachschule, Fachhochschule und Passerellen zur weiteren Tertiärbildung ist zudem die beruf-liche Kar riere der Berufslehrabsolventen und -absolventinnen geöffnet.

Statistische Synthese: Zusammenhang zwischen Berufsbildung und sozialem Status

Quel

len:

BFS

: Vol

kszä

hlun

gser

gebn

isse /

Arb

eits

mar

ktin

dika

tore

n / So

zialh

ilfes

tatis

tik ©

Stra

hm / h

ep v

erla

g

Wer eine Berufslehre absolviert,

verdient anfänglich mindestens 1000 Franken pro Monat mehr als Ungelernte.

unterliegt einem 3-mal kleineren Risiko, arbeitslos zu werden.

unterliegt einem 2,5-mal kleineren Risiko, Sozialhilfebezüger zu werden.

bewältigt den Strukturwandel im Zeichen der Globalisierung besser.

hat Möglichkeiten zur Weiterbildung und zur beruflichen Karriere.