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Raum und Raumvorstellungen im ~ttelalter Herausgegeben von Jan A. Aertsen und Andreas Speer Für den Druck besorgt von Andreas Speer Walter de Gruyter . Berlin . New York 1998

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Raum und Raumvorstellungenim ~ttelalter

Herausgegebenvon Jan A. Aertsen und Andreas Speer

Für den Druck besorgt von Andreas Speer

Walter de Gruyter . Berlin . New York1998

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"Wanderer am Weltenrand" - ein Raumforscher um1530?

Überlegungen zu einer peregrinatio inventiva

HANSGERHARDSENGER,Köln

Als bei der Vorbereitung dieser Tagung eine Illustration mit einem gewis-sen Bezug zum Tagungsthema gesucht wurde, die zudem geeignet erschien,"Raumvorstellungen im Mittelalter" zu illustrieren, drängte sich schnell derin neuester Zeit oft verwendete Holzschnitt auf, der nach Ansicht vieler wiekein zweites Bild sonst den Wandel einer Raumvorstellung im Übergang vomSpätmittelalter zur frühen Neuzeit zu versinnbildlichen scheint: die Darstel-lung eines "Wanderers am Weltenrand"l, der das Firmament durchstößt undden Blick aus seiner Welt in eine ganz andere, in einen anderen Welt-Raumrichtet. Diesen Holzschnitt hatte man bisher schon öfters für geeignet erach-tet, die Phase des Übergangs "von der geschlossenen Welt zum unendlichenUniversum'V sinnfällig zu illustrieren. Dabei ging man davon aus, daß dieDarstellung weniger die Signatur des Mittelalters trüge, als vielmehr ein we-sentliches Merkmal der frühen Neuzeit anzudeuten versuche. Die oft zu le-sende Darierung j.urn 1530" bringt sie auch entstehungszeitlich in die Näheder "Kopernikanischen Wende". Darüber waren wir uns durchaus im klaren,als wir diese Darstellung als Signet der 30. Kölner Mediaevistentagung zumThema "Raum und Raumvorstellungen im Mittelalter" wählten. Wenn sie mirdennoch auch zur Illustration mittelalterlicher Raumvorstellungen geeigneterschien, so vor allem deshalb, weil ihre ikonographische Aussage noch ganzvorkopernikanisch, ja in gewisser Weise noch mediaevalisch ist. Gerade

I So ein von K. Clausberg, Kosmische Visionen. Mystische Weltbilder von Hildegard vonBingen bis heute, Köln 1980,25, im Anschluß an die im Zusammenhang mit der Darstellungschon früher öfters verwendete Wanderer-Metaphorik, jedoch ohne autoritative Legitimationbenutzter Titel, aufgenommen von N. Herold, Bildreflexionen: Die Kunst der Perspektiveals Schlüssel zur neuzeitlichen Philosophie, in: Zeitschrift für Didaktik der Philosophie,Thema: In Bildern denken I, Heft 2/92, 14. Jg./Mai 1992, 88 sq.

2 Alexandre Koyre, Von der geschlossenen Welt zum unendlichen Universum, Frankfurt a.M. 1969 (= stw 320, Frankfurt a. M. 1980); das Original unter dem Titel From the ClosedWorld to the Infinite Universe, Baltimore 1957.

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deswegen erschien sie uns auch als Signet einer mediaevistischen Tagunglegitim".

Kaum war die Ankündigung dieser Tagung erfolgt, kamen erste Hinweise,daß es sich bei dem Titelbild aber nicht um eine mittelalterliche oder frühneu-zeitliche Abbildung handele, sondern um eine solche des ausgehenden19.Jahrhunderts. Der offensichtlich anachronistischen Verwendung - leicht-sinnig genug - wollte man allenfalls eine spielerische, postmoderne Zita-tionsabsicht zubilligen, die sich in ihrer willkürlichen Sinndeutung jedoch alsernstzunehmendes Design eigentlich verbiete.

Auf derartige Reaktionen mußte man gefaßt sein, nachdem vor mehr alszwei Jahrzehnten, zum 500. Geburtstag des Nikolaus Kopernikus, kein Ge-ringerer als Bruno Weber, Direktor der Graphischen Sammlung der Zentral-bibliothek Zürich, den "altertümlichen Aufriß des Weltgebäudes" an renom-mierter Stelle als ein Werk vom Ausgang des vorigen Jahrhunderts bestimmthatte". In Kenntnis dieser Datierung hatte ich zur Verwendung des Holz-schnitts ermuntert, weil ich glaube, daß es nach wie vor gute Gründe füreine Datierung ins 16.Jahrhundert gibt. Der mir damit selbstauferlegten Be-weislast wollte ich mich nicht entziehen und hier meine Argumente vortra-gen. Mein Ziel ist es, mittels eines Wahrscheinlichkeitsschlusses für eine Ent-stehungszeit um 1530 (möglicherweise sogar noch bis zu 50 Jahren früher)zu plädieren, die Verlegung der Entstehungszeit ins 19.Jahrhundert aber alsirrig zu erweisen. Indem ich versuche, so die Ehre des Veranstalters zu vertei-digen, bin ich mir bewußt, das Risiko dieses Unternehmens allein zu tragens.

Ich gebe zunächst einen Überblick über den status quaestionis, soweit erdie Datierung betrifft.

1. Die Datierungsfrage

In einer umfangreichen, bewundernswert gelehrten und die Datierungs-frage scheinbar abschließenden Studie, die Bruno Weber 1973 im Gutenberg-Jahrbuch unter dem Titel Ubi coelum terrae se coniungil veröffentlicht hat, ver-zeichnete er für die Jahre 1888 bis 1972 im Anhang insgesamt 75 Verwen-dungsnachweise des anonymen Holzschnitts bzw. (in einigen wenigen Fällen)

3 Auf ihre Verwendung als Tagungssignet des 6. Symposiums des Mediävistenverbandes, Bay-reuth 1995 (s. u., Anhang Nr. 25) wurde ich erst später von Frank Hentschel, M. A., auf-merksam gemacht.

4 Bruno Weber, Ubi {at/li", terra« It (()nilingil.Ein altertümlicher Aufriß des Weltgebäudes vonCamilIe F1ammarion, in: Gutenberg-Jahrbuch 48 (1973),381-408.

5 Im Eröffnungsvortrag der 30. Mediävistentagung (10. 9. 1996) wurden die beiden folgendenTeile (1. und 2.) nicht vorgetragen, sondern im Ergebnis zusammengefaßt. Diese Zusam-menfassung wird hier im Anschluß an den 2. Teil in Petit dokumentiert.

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Äußerungen über ihn", Die dort auch verzeichneten Datierungen variierensehr stark. Sie gehen von der Inkunabelzeit bis zum Jugendstil, also vom 15.bis - unsinnigerweise 7 - zum 20. Jahrhunderts. Weber verwirft alle Datie-rungen bis auf eine, die 1888 - notabene nicht als Entstehungsjahr, sondern_ als das Jahr angab, in dem der Holzschnitt erstmals nachweisbar ist", anüberraschender Stelle, in Flammarions volkstümlicher Meteorologie mit demTitel L'Atmospherc'", Nicolas-Camille Flammarion (1842-1925) 11, zwarAutodidakt, aber als Autor populärwissenschaftlich abgefaßter, an B. le Bo-vier de Fontenelles Popularisierungsstil geschulter astronomischer Bücher be-kannt, hatte nach wechselvoller Tätigkeit 1867 in Paris die Societe aerostati-que, 1887 dann auch die Societe astronomique de France 12 gegründet, derenerster Präsident er folgerichtig jeweils wurde. Seit 1882 Direktor des Obser-vatoriums in Juvisy-sur-Orge (Seine-et-Oise), war er schließlich auch nochProfessor für Astronomie geworden. Er veröffentlichte über 40, zumeist um-fangreiche, oft reich illustrierte Bücher mit traumhaften Verkaufs- und Aufla-generfolgen 13. Trotz dieser Breitenwirkung, die durch zahlreiche Übersetzun-gen ins Deutsche und in andere Sprachen unterstützt wurde, verdankt derHolzschnitt seine weite Verbreitung im 20. Jahrhundert in Deutschland undanderswo nur selten direkt dieser Quelle, wohl aber indirekt. Seine Verbrei-tung verdankt sich wohl eher dem Berliner Astronomen Wilhelm Julius Foer-ster (1832-1921), der ihn 1903 unter Angabe seiner Quelle ("Nach Flamma-rion'') in seine weitverbreitete und vielgelesene Darstellung Die Erforschungdes Weltalls14 übernahm. Obwohl sich bei Flammarion weder Angaben zum

6 L c, 399-407. Im folgenden übernehme ich der Einfachheit halber die Numerierung derNachweise bei Weber, dessen Angaben ich mich für den ersten Teil meiner Untersuchungdankbar verpflichtet weiß.

7 Eine Datierung des Warburg Institute ,,20. Jahrhundert" ist, wenn sie sich nicht auf eineder unten unter 4. ,Nachzeichnungen' genannten Versionen beziehen soll, angesichts desAbdruckes bei Flarnmarion natürlich unsinnig.

8 So J.J. Callahan, 1976, s. u. Anhang Nr. 8,91: "according to Owen Gingerich of HarvardUniversity, it is more likely a piece of art nOlllltall that was apparendy published for the firsttime in 1907 0) in We/tallllnd Mens.hhei/, edited by Hans Kraemer." Gemeint ist der Beitragvon w.J. Foerster (wie Anm. 14), bei Weber. l.c., 399, Nr. 2.

9 Cf. 1.e., 405, Nr. 50/52; vgl. ibid., 403 und 406, Nr. 27 (2), 63 und 66.10C Flarnmarion, L'Atmosphere. Meteorologic populaire, (Nouvelle edition>, Paris 1888, 163.11 Zur Biographie s. Dictionnaire de Biographie Francaise, Tome 13, Paris 1975, 1462sq. und

Flammarions Memoires Biographiques et Philosophiques d'un astronome, Bd. I (alles waserschienen; geht allerdings nur bis zum Jahr 1870), Paris 1911.

12C Flammarion, Astronomie populaire. Description generale du ciel; ich benutzte die neuereAufl. Paris 1890, dort 856; zu den Auflagen s. u., Anm. 20.

13 Einige Bücher, zum Teil in der durch seinen Bruder Ernest eigens für die Verbreitung seinerSchriften gegründeten Librairie Flammarion verlegt, erreichten in dreißig Jahren weit über30 Auflagen, so La Pluralire des Mondes habites, au point de vue de l'Astronomie, de laPhysiologie et de la Philosophie naturelle, Paris 11862, •••, 361892.

14 Gedruckt in: Weltall und Menschheit. Geschichte der Erforschung der Natur und der Ver-wertung der Naturkräfte im Dienste der Völker. Ed. Hans Kraerner ... , Dritter Bd., VII. Teil,Berlin et al. 1903, 1- 286, die Abb. S. 45.

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Künstler noch zu Entstehungszeit und -ort finden, kennzeichnete Foersterdie Illustration ohne nähere Begründung in der Bildunterschrift als "Mittelal-terliche ... Darstellung des Weltsystems". Seit diesen beiden Publikationenerscheint das Bild in unterschiedlicher, vierfacher Form: 1. gerahmt mit goti-schen (oder gotisierenden?) Zierleisten wie 1888 bei Flammarion und dannseit den 60er Jahren wieder häufiger P; 2. ohne Rahmen, die seit W. J. Foer-sters Reproduktion verbreitetste Version; 3. dieselbe mit Seitenumkehrung,eine Version, die Weber für den Originalentwurf hält16 (c£ Abb. 1-3) und4. verschiedene kolorierte Nachdrucke, z. B. die "Nachempfindung nachC. Flammarion ... " im Deutschen Museum München!", eine vergrößerteFarbkopie (38 x 31 cm) von einem kleinen kolorierten Kalenderblattbild, undmehr oder weniger freie Nachzeichnungen 18.

Bruno Weber war nicht der erste, der das wendige Schicksal des Bildesmit dem denkwürdigen Dreikaiserjahr verband. Schon 1967 hatte Aniela jaffefestgestellt 19: "Die Geschichte seines Ursprungs kann nicht weiter zurückver-folgt werden als bis zu Camille Flammarions Buch >L'Atmosphere, Meteore-logie Populaires, Paris 1888". Damit war zugleich auch der Fehler korrigiert,der W. J. Foerster unterlaufen war, als er Flammarions ,,>Astronomie<" alsFundquelle angab20, ein Irrtum mit Peinlichkeit besonders für diejenigen, dieihn unbemerkt übernahmen-', Offensichtlich war aber auch Aniela Jaffenicht diejenige, der die Korrektur zuerst gelang. Joseph Ashbrook berichtetüber eine Mitteilung des amerikanischen Astrophysikers Owen J. Gingerich

IS So die Nr. 32sq., 48,58,60,62 sq. bei B.Weber, I. C.; ferner bei M. Putscher (wie Arun. 41),K. Oausberg und N. Herold (wie Arun. 1), J. Ashbrook (wie Anm. 22), in Sterne und Welt-raum 1977!7 - 8, 228 und bei Philip J. Davis - Reuben Hersh, The Mathematical Experience,Boston-Basel-Sruttgart 1981,69.

16 So die Nr.54 bei B.Weber, I. c., zu Webers Meinung s. dort 381 sq.; Reproduktion mitSeitenumkehrung auch in "Stern" (wie Anm. 40).

17 Sie hängt don seit ca. drei Jahren, seit Eröffnung der Abteilung Astronomie. Ein im Bildar-chiv Berlin befindliches Farbphoto stammt wahrscheinlich aus dem Deutschen MuseumMünchen. Diese telephorusehe Mitteilung vom 7. 8. 1996 verdanke ich Frau Eva Reineke,Deutsches Museum München.

18 Bei B.Weber, 1. c., die Nr, 20 ~,frei variierende Federzeichnung von Bemhard Wilhelm Bor-chert" [1910-1971], einem aus Riga stammenden, ab 1919 in Berlin lebenden Maler, Gra-phiker und Illustrator, cf. Küosderlexikon, Bd. 12, München 1996, 670 sq.) und Nr. 23.

19 A.Jaffe, Sehnsucht nach dem Unendlichen, in: Sonntagspost. Wöchentliche Beilage zum,Landboten und Tagblatt der Stadt Winterthur' [131, Nr, 57],87 Nr. 10, 10. 3. 1967 (nachB.Weber, 1.c, 405, Nr. 50-52).

20 w.J. Foerster, I. c, (wie Anm. 14),45: "Nach Flammarios >Astronomiel' (B. Weber, 1. c., 399,Nr. 2), s. L et a.; gemeint ist Flammarions Astronomie populaire, deren Erstauflage, wie Verf.im Vorwort zur Aufl. von 1890,2, berichtet, 1879, ebenfalls in Paris, erschienen war; nachanderen Angaben erschien sie erst 1880, eine Vorstufe davon allerdings bereits 1867.

21 So z. B. 1933 G. Urbain-M. Boil und 1948 noch Friedrich Dessauer (B. Weber, 1. c., 400,Nr. 14 und 17). E. Zinner (Ein merkwürdiger altdeutscher Holzschnitt, in: Börsenblatt fürden Deutschen Buchhandel. Frankfurter Ausgabe, Nr.27a, 10. 3. 1957, 365sq.) bemerktzwar den Fehler, schließt aber irrigerweise den Abdruck bei Flammarion überhaupt aus undläßt ihn zuerst bei Foerster (wie Anm. 14) gedruckt sein.

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(1930- ), daß dies schon 1958 (oder kurz vorher?) Arthur Beer (1900- ),dem deutschstämmigen Astrophysiker und Wissenschaftshistoriker der Cam-bridge University, gelungen war22•

Hier sei festgehalten: Bisher ist die Abbildung nicht früher als 1888 beiFlammarion nachgewiesen. Die bisher offensichtlich ungeprüfte Frage, obsie auch schon in der Erstauflage vorhanden war, kann ich jetzt negativbeantworten: Die Fassung der L'Atmosphere in der Ausgabe von 1872 ent-hält zwar schon die Missionar-Geschichte (S. 138 sqq., textlich mit der späte-ren Fassung weitgehend übereinstimmend); die spätere Illustration dazu ent-hält sie aber noch nicht, weder an dieser noch an anderer Stelle des Buches=',, Hier sei sogleich aber auch eingeräumt Zu meinem lebhaftesten Bedauernkann ich trotz zweijähriger Suche einen früheren Nachweis nicht belegen.So gilt noch immer, was der damalige Direktor des in Renaissance-Fragenautoritativen warburg Institute, der österreichische Kunsthistoriker Ernst HansJosef Gombrich (1909- ) am 20. März 1972 Bruno Weber schrieb-+ "Youare quite right that the print concerned has haunted us for some considerabletime, and keeps coming back to us like a boomerang." Bestärkt in seinerAnsicht durch den Kunsthistoriker und früheren Bibliothekar dieses InstitutsOtto Kurz (1908- ), war Gombrich ganz entschieden davon überzeugt, daßStil und Ikonographie die oft vertretene Datierung ins 16.Jahrhundert aus-schlössen. Gleichwohl datierte die überwiegende Mehrheit das Bild nach wievor weiterhin ins 16. (auch ins 15.) Jahrhundert25, dabei selten auf eigeneUntersuchungen oder Argumente anderer gestützt, meistens so, daß die Ab-bildung mit Datierung und wechselndem Titel "von einem Buch ins andere"wanderte26• Mit seinem Urteil "the picture must be modern" schloß Gom-

22 J. Ashbrook: Astronomical Scrapbook. About an Astronomical Woodcut, in: Sky and Tele-scope, May 1977, 356-358. Eine Kopie dieses und einiger anderer Artikel stellte mir FrauEva Reineke, Assistentin des Bibliotheksdirektors des Deutschen Museums freundlicherweiseaus der "Akte Flammarion" zur Verfügung.

2J Trotz aller vertretbaren Bemühungen konnte ich ein Exemplar der Erstau£lage Paris 1872(so auch La grande encyclopedic, tome 17, Paris, 561 sq.; anders Dictionnaire de biographiefrans:aise, tome 13, Paris 1975, 1462sq.: 1873) in Deutschland nicht einsehen. Briefe anVerlag, Archiv und die Familie Flammarion blieben unbeantworteL Die entsprechende Mit-teilung verdanke ich Frau cand. iur. Maxi Charlotte Scherer, die freundlicherweise in derBibliotheque centtale du Museum National d'Histoire Naturelle, Paris, ein Exemplar derAusgabe 1872 für mich inspizierte und Kopien der Textpassage mit dem Missionar besorgte.Selbst die Nouvelle edition von 1888 (nach anderer, irriger Angabe 1887) ist in Deutschlandselten; ich benutzte das Exemplar der Deutschen Staatsbibliothek zu Berlin (Sign.: 4° Mz22151931.9786).

:M B. Weber; I. c., 407, Nr. 72/73.25 So G,16.Jahrhundert'? bei B. Weber, I. c., die Nr. 6,8-9, 13, 19, 24,39,45, 47,54,59,70,

75; präziser: G,um 1500''): 22; ("Ca./lW. 1520-30'?: 7, 41, 49; ("etwa 1525'?: 17,26; ("um/nach 1530'?: 18,24, 29-30, 32-33, 38, 42-43, 46, 56-58, 60, 66; G,zw. 1530 u. 1550'?:Nr.l0, 69 (Copernicus' time); (um 1550jMitte 16.Jh.'?: 25, 61; ("Zeichner aus dem15.Jh.'?: Nr. 28; vager: ("mittelalterlich''): 2-4, 6, 14,21,40,53,68; ("a1t''): 5, 23; "unbe-kannt"; nur Nr. 63.

26 A. Jaffe, 1. c. (0., Anm. 19).

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brich auch die etwa zehn Jahre zuvor (vor 1963) von Erwin Panofsky geäu-ßerte Ansicht-? aus, das Bild gehöre dem 17. Jahrhundert an. Es war aller-dings C. G. Jung gewesen, der, das Motiv insgesamt als eine pelerinage del'ame28 deutend, 1958 als erster von einer Datierung ins 17. Jahrhundert ge-sprochen und auch als erster an einer Entstehung um 1530 oder überhauptim 16.Jahrhundert gezweifelt hatte. Denn Jung vermutete eine Herkunft ausdem Rosenkreuzer-Milieu/". Andere folgten seiner Datierung=', ob auch Pa-nofsky oder ob dieser, unabhängig von Jung, zu seiner Datierung kam, mußhier offenbleiben.

Die Datierung ,,16. Jahrhundert" und die Bestimmung als "DeutscherHolzschnitt" finden sich - wahrscheinlich erstmals - 192531,schon ein Jahrspäter eine präzisierte Datierung "ca. 1520-30"32, beidemal ohne Belegnach-weis und Argumente. Je nach Quelle wird dann bei weiterer Verwendung desBildes die Datierung ,,16.Jahrhundert" oder "um 1530" tradiert. Erst 1964kommen die amerikanischen Herausgeber einer englischen jung-Überset-zungsedition darauf, das Werk als modern anzusehen und als Entstehungszeitdas ,,19th (?) century" anzugeben='.

Wie erklärt sich ein solcher Zeitsprung von mehreren Jahrhunderten beiihrer Datierung? In der Diskussion über eine exakte Datierung der Entste-hungszeit des Holzschnitts war, wie Aniela jaffe 1967 berichtete>', dem War-burg Institute durch zahlreiche ,,Anfragen nach der Herkunft des Bildes" eineentscheidende Rolle zugefallen. Gombrich und Kurz entschieden sich "trotzgewissen Ähnlichkeiten mit dem Stil des deutschen Meisters Hans Weiditz"35,die man allerdings erst später entdeckte-", für die Modernitätsthese "late 19th-cent. imitation". Ihr schlossen sich die amerikanischen ,Jungianer' an. Dennochfand W. J. Foersters synkretistische Bestimmung ,,Mittelalterliche Darstellung... Nach FIammarion" erstaunlicherweise weiterhin Nachfolger-", Der Schwei-

27 A. Jam~ am 17. 6. 1963 an Dr. Albert Bettex über eine diesbezügliche Äußerung E. Panofkys;B. Weber, 1. c., 403, Nr. 34/37; cf. Nr. 72/73.

28 Auf ..die von Jean Paul inspirierte Vorstellung einer Geistreise durch das All" weist auchder Komponist Klaus Huber im Zusammenhang mit seiner Komposition ;renebrae' (1966/67) im Programmheft der Basler Theater, Dezember 1970, Nr. 9, Basel 1970, hin (zitiertnach B. Weber, I. c., 406, Nr. 66).

29 C. G. Jung, Ein moderner Mythus. Von Dingen, die am Himmel gesehen werden, Zürich- Stuttgart 1958, Abb. VII und 96 (nach Weber, 402sq., Nr. 27).

30 B.Weber Nr. 34/37 (cf. 72/73), 39 und 67.31 B. H. Bürgel, Weltall und Weltgefühl, Berlin 1925,83 (nach B. Weber, 399, Nr. 6).32 H. A. Strauß, Der astrologische Gedanke in der deutschen Vergangenheit, mit 93 Abbildun-

gen aus der altdeutschen Buchillustration, Berlin 1926, 15 (Weber, I. c., Nr. 7).33 The Collected Works of C. G. Jung. Vol. 10: Civilization in Transition, translated by R. F. C.

Hull, New York - London 1964,403, Tafel VII und Anm. 1 (B. Weber, I. c., 403, Nr. 27).14 A. Jaffe, I. c. (wie Anm. 19).35 Hans Weiditz, ca. 1495 - ea, 1536, wird von einigen mit dem Petrarca-Meister (5. u.,

Anm. 58) identifiziert.16 A. Jaffe, I. c.37 So noch F. Dessauer (1948) und N. N. (1970) = Nr. 17 und 66 bei B. Weber,l. C., 400 und

406.

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zer Anthroposoph Walter Robert Corti (1910- ) gab sich schließlich (1963oder kurz vorher) im Datierungs-,Paragone' "der festen Überzeugung, es han-dele sich um >Renaissance<,'38.Seine spätere präzisierung "zwischen 1520 und1530" wurde in der Folge mehrfach wieder aufgegriffen und fand 1972 "aufGrund der Stilmerkmale" noch Bekräftigung durch Ernst H. Berninger-". Daall die vielen, einander widerstreitenden Datierungsansätze - nur das 18.Jahr-hundert wurde ausgelassen - nicht näher begründet waren, blieb die Fragezunächst strittig und unentschieden, bis Bruno Weber Gombrichs Modernität-sthese mit großem, scheinbar unumstößlichem Argumentationsaufwand unter-mauerte. Wenn auch die Frühdatierung weiterhin vertreten wurde, besondersin verbreitungswirksamer Publizistik und Populärliteratur, aber auch in wissen-schaftlicher Literatur'", so hat doch B.Webers Datierung in der Forschunggroße Akzeptanz gefunden41• Zu Recht? Da jede weitere Beschäftigung mitder Bilddatierung eine Auseinandersetzung mit Webers gewichtigen Argumen-ten sein muß, sollen diese zunächst in ihrem Beweiskern überprüft werden.

2. Bruno Webers Argumente für eine Datierung auf 1888

B. Weber trägt eine ganze Reihe von Argumenten auf verschiedenen Argu-mentationsebenen vor, mit denen er erstmals die Datierung und die bisheranonyme Autorschaft zu sichern sucht Die wesentlichen Argumente sind diefolgenden.

(1.) Mit einem "Indizien"-Beweis auf der Grundlage der Fertigungstech-nik will er die Datierung des Warburg Institute ins 19. Jahrhundert als zutref-fend erweisen: Es handele sich nicht, wie bisher immer angenommen, umeinen Holzschnitt, sondern, wie Rasterflächen links unten im Bild, gespren-

38 A. Jaffe, 1. c.39 Zu Corti (1965) s. Nr. 49, zu E. H. Berninger s. Nr. 75 bei Weber, 1. c., 404 sq. und 407. Dem

Bibliotheksdirektor des Deurschen Museums, München, danke ich für freundlich gegebeneHinweise und Kopien aus seiner Privatbibliothek. In einem Telephongespräch (Aug. 1996)deutete Herr Dr. Berninger jedoch an, daß man nunmehr der These B.Webers folgen müsse .

.w P.-H. Koesters, Deutschland deine Denker (2): Gott wohnt ganz woanders, Stern, HeftNr.44, Hamburg 25. Okt, 1979, 162-178, die Abb.162sq. als Illustration CusanischenDenkens, seitenverkehrt und bearbeitet; T. von Randow, Wie sich die Zukunftsforschertäuschten, Die Zeit, Nr. I, 28. Dez. 1979, 9sqq. - Willy Fleckhaus, Umschlag-Cover zuGiordano Bruno, Das Aschermittwochsmahl, übers. v. F. Fellmann mit einer Einl. v. H. Blu-menberg, Frankfurt a. M. 1981 (= itb 548); Immer Ärger mit dem Urknall. Das kosmologi-sche Standardmodell in der Krise. Hg. von Reinhard Breuer, Reinbek 1993, Umschlag-Cover(= rororo Sachbuch 9323). Weitere Nachweise bei K.Oausberg, Wanderer, kommst Du ....Kunstforum Bd. 128, Okt, - Dez. 1994, 191 sq. und in meinem nachfolgenden Anhang.

<4. M. Putschet, Rückkehr vom Ende der Welt. Die Identifizierung eines bekannten Holzstichsund einige Folgerungen zur Geschichte der Gegenwart, in: Deutsches Ärzteblatt 72, Heft5,30. Januar 1975, 290-295; C. Klausberg, Kosmische Visionen (wie Anm. 1). 21-32, dieAbb. im Großformat 26 sq.; id., Wanderer (wie Anm. 40); N. Herold, Bildreflexionen (wieAnm. 1), bes. 88 sq. - Weitere Literatur nach 1973 im Anhang.

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kelte Landschaftshügel und punktierte Linien zeigten, um einen Holzstich -also um eine Druckvorlage, die mit anderen als beim Holzschnitt üblichenArbeitsmaterialien verfertigt werde: mit einer anderen Holzblockverarbeitung(quer zum Faserverlauf eines besonders harten Holzes) und mit anderenWerkzeugen (Stichel statt Messer), wodurch eine andere, feinere Bildtechnikmöglich werde. Der Holzstich sei aber eine erst kurz vor 1800 gemachteenglische Erfindung'S, Außerdem zeige dieser Holzstich moderne Aufriß-statt alter Grundrißdarstellung, allerdings mit "Reminiszenzen an altdeutschesHolzschnitt-Vokabular", zudem weise er Stilwidrigkeiten, Unklarheiten in derZeichnung und schließlich unpassende, Antiquität symbolisierende Zierlei-sten au£ Damit komme man den "Kriterien der Fälschung" nahe - vonBetrug ist die Rede -, kurz: Es handele sich um ein bunt zusammengewür-feltes Konglomerat, ein Pastiche+', - also um ein in fremder Manier, mitNachahmung von Stil und Ideen, eventuell mit Täuschungsabsicht gefertigtesBild. Ergo: "the picture must be modern" - Stil und Ikonographie schlossenja auch nach Gombrich eine Datierung ins 16.Jahrhundert aus.

(2.) Die Modernitätsthese soll dann positiv durch das Hauptargument be-wiesen werden: Niemand anders als C. Flammarion selbst sei der "Autor desBildes"44. Als "Beweis"-Kern dient B.Weber die Motiv-Übereinstimmungvon Bildunterschrift und zum Bild gehörenden Text45 mit der Macarius-Legende+", die Flammarion bei Dante-Studien in einer Kurzfassung vonCharles Labirre+' kennengelernt, bereits 1865, 23jährig, andernorts fast wört-lich übernommerr'", 1888 schließlich als die ihn zu dem Holzstich anregendeQuelle benutzt habe, um etwas "Passendes", etwas "Naives" zur Illustrationfür "das Altertümliche in der Anschauung einer geschlossenen Sternenkup-pel" zu haben=". Zur Beweisbekräftigung fügt Weber noch eine Reihe vonZusatzargumenten hinzu. So weist er hin auf Flammarions Zeichentalent undauf seine Lehre als Ziseleur-Stecher (graveur ciseleur), mit der daraus zu

42 Erfinder der Xylographie war der englische Graphiker Thomas Bewick (1753-1828).43 B. Weber, 1. c., 384.44 Ibid., 385 - 396, bes. 389 sqq.4S C. F1ammarion, L'Atmosphere, Paris 1888, 162 und 163: ..... le point OU le del et la Terre

se touchent ... ".46 Die entsprechende Textvorlage in der Vita sancti Macarii Romani lautet: ire Nbi roe/NI1Jterrae

se rolliNlIgil (pL 73, Paris 1849, 415D); cf. ibid., 427D, des Alcimus Avitus', Bischofs vonVienna (6.)h.), QNOperhibenllerram ronfillia jNlIgere coelo. Das Wichtigste zur Macarius-Legendebei B.Weber, 1. c., 389 sq.

47 C. Labitte, La Divine Cornedie avant Dante, in: Revue des deux mondes, 4. Serie, Tom. 31,Paris 1842, 715sq.

48 C. F1ammarion, Les Mondes imaginaires et les Mondes reels. Voyage pittoresque dans le delet revue critique des theories humaines scientifiques et romanesques, anciennes et modernessur les habitants des astres, Paris 1865; B. Weber zitiert nach der Ausgabe Paris 251910,246sq., ich benutzte die Ausgabe Paris 221892.

49 B. Weber, I. c., 396.

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folgernden Annahme, daß "der Astronom die Abbildungen seiner illustrier-ten Werke großenteils nach eigenen Zeichnungen verfertigte und stechenließ"so. Dem möchte ich folgende Contra-Argumente entgegenhalten:

Zu (1.) Zunächst und generell: Indizienbeweise sind bekanntermaßennicht unproblematische Beweise, weil aus einem Indiz in nur mittelbarerSchlußfolgerung ein Beweis für eine andere, nicht unmittelbar beweisbareTatsache möglich ist. - Die Folgerung der Datierung auf 1888 ist aus derHolzstich-These nicht unmittelbar beweisbar. Als Laie auf diesem Gebietsollte ich mich bei der Entscheidung in der Sache hier enthalten. Dennochmöchte ich nach längerer Beschäftigung mit der Materie gegen die Gom-brich-Webersche Modernitätsthese Folgendes zu bedenken geben: Die ange-führten Kriterien - rasterähnliche Flächen, gesprenkelte Landschaftshügel,punktierte Linien - finden sich samt und sonders bereits in Holzschnittendes 15. und 16.Jahrhunderts, auch schon unter Formschnitt-Bedingungen(oder wie auch sonst immer) realisiert. Dafür möchte ich für das 15.Jahrhun-dert nur zwei Beispiele anführen, für die Zeit um 1466 den aus dem Süd-deutsch-Konstanzer Raum stammenden S. E.-Meister (Abb. 451 und 552). Vorallem bei ihm findet man nicht nur vergleichbare rasterartige Schraffierungenund punktierte Linien, sondern auch die schon aus der Sieneser Malerei desTrecento vertrauten, besonders an Ambrogio Lorenzettis Fresko Die guteund die schlechte Regierung53 gemahnenden gesprenkelten Landschaftshü-gel. In Holzschnitten des 15. und 16.Jahrhunderts finden sich ebenso die denBildaufbau mitbestimmende Erden-Flora (Abb. 6 und 7)54. Die von B.Weberinkriminierten Zierleisten sind zugegebenermaßen auch für die Zeit um 1530bereits leicht antiquiert, denn auch "altdeutsche" Holzschneider verwendenvielfach schon Renaissanceformen. Aber gotische und gotisierende Formensind andererseits um 1530 durchaus noch nicht ausgestorben. Vielleicht soll-ten sie ja gerade in einer Renaissance-Umgebung als antiquisierendes Stilmit-tel zitiert werden. Außerdem: Zierleisten sind durchaus nicht immer eigenszur Bildrahmung angefertigte Bildelernente. Sie sind austauschbar, werden

50 Ibid., 387.51 Meister E.S., Die große Engelweihe von Einsiedeln, 1466/67, aus: Deutsche Kunstge-

schichte, Bd. IV Geschichte der deutschen Zeichnung und Graphik von Otto Fischer, Mün-chen 1951, Abb. 111.

52 Meister E. 5., Der Besuch Mariens bei Elisabeth, aus: The Illusttated Bartsch 8. FormerlyVolume 6 (part 1). Early German Artists. Edited by J. C. Hutchison, New York 1980, 18.

53 A. Lorenzetti, Auswirkungen einer guten und einer schlechten Regierung, Siena, PalazzoPubblico, Sala della Pace (1. Stock), Fresko 1337 -1343; auf eine Wiedergabe des bekannten,oft abgebildeten Freskos wird hier aus technischen Gründen verzichtet.

54 Abb. 6: Meister der Weihnacht, Anbetung der Könige (aus: Deutsche Kunstgeschichte, Bd.IV [wie Anm. 51], BI, Abb. 9). - Abb. 7: Virgil Solis (1514-1562), Landschaft mit demEvangelisten Johannes. Holzschnitt aus der Donauschule, in: M. H. Geisberg, Der deutscheEinblattholzschnitt in der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts, München 1926 (zitiert nachM. Putscher, wie Anm. 41).

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häufig wiederverwendet, wie Bildstöcke und Lettern, auch verkauft und ge-kauft. Aus der in Rede stehenden Zeit gibt es durchaus noch vergleichbaregotische Verzierungen und ähnliche florale Muster (Abb. 8)55.

Ferner: Die von B.Weber benannten Stilmittel - geflammtes Sonnenarrt-litz, Mondsichel mit Adam-Profil, Ezechiel-Räder=, überdimensionierteBaumfigur im Zentrum - können nur unter der Voraussetzung einer Spätda-tierung und Fälschung, die - nach Weise einer petitio principü - durchsie doch erst bewiesen werden sollten, als "auffallende Reminiszenzen analtdeutsches Holzschnitr-Vokabular'v? bewertet werden. Tatsächlich sind siein Holzschnitten des 1S. und 16.Jahrhunderts als gängige Attribute belegbar,besonders deutlich und in großer Ähnlichkeit mit den Attributen unseresHolzschnitts die Ezechiel-Räder bei Hans Holbein d. J. (Abb.9) und dieGestirne bei den ,Astrologen' des Petrarca-Meisters (Abb. 10)58.Webers Ne-gativurteil über das Bild als Konglomerat und Pastiche ist nur von der Vor-aussetzung des "casus falsi" sinnvoll. Anderen, so Marllene Putscher=', schei-nen gerade die Einheit und Einheitlichkeit von Bildkomposition und Ikono-graphie betonenswert. Wenn aber, wie Weber zu Recht behauptet, eine Kom-position mit vergleichbar markantem Himmelszeltschnitt und Blickerdauswärts sonst nicht belegbar ist, dann kann dies allenfalls die Besonder-heit von Bildthematik und Bildkomposition unterstreichen, eine Fälschungaber nicht nachweisen. In Würdigung solcher und weiterer ikonographischerGegenargumente scheint mir Webers Datierung auf 1888 argumentativ nichtüberzeugend, eine Datierung ins 16.Jahrhundert wieder möglich und, wiedas Folgende beweisen soll, durchaus sinnvoll. Ergo: The picture must notbe modern.

Zu (2.) Der Flammarionsche Punkt, "ou le ciel et la Terre se touchent", istin der angeblichen Quelles? das "paradis terrestre" mit seinem wunderbaren

55 Cf. den Holzschnitt in: Boetius de philosophico Consolatu, Metrum Iv, Straßburg OohannesGrüninger) 1501, fol. C Im'. Cf. auch die floralen und faunalen Muster bei Hans Weiditz,Initialen aus dem Kinderalphabet, 1521 (Basel, Öffentliche Kunstsammlung, Kupferstichka-binett), besonders die Buchstaben C, I und N, sowie Hund 0 (nach: Lexikon der Renais-sance. Hg. von G. Gurst u. a., Leipzig 1989, 765).

56 Ein altes christliches Bildmotiv; s. das Zwicke!gemälde in: Schwarzrheindorf. Die Doppe!kir-ehe und ihre Wandgemälde. Von Albert Verbeek, Düsseldorf 1953, Tafe! 13. Weitere ikono-graphische Nachweise: LeI, Bd. I, 1974,717.

57 B. Weber, 1. c., 384.5& Hans Holbein d. J., Bilder zum alten Testament. Historiarum Veteris Instrumenti icones ad

visum expressae. Nach der bei Trechse! fratres 1538 in Lyon erschienenen Ausgabe, Mün-chen 1923, Abb. 78. - Für Sonne, Mond, Sterne cf. den Holzschnitt des Petrarca-MeistersDie Astronomen; cf. W. Scheidig, 1. c. (wie Anm. 107), 144; C. Flammarion hat ihn unterdem Titel La as/rowglleJ als eine Holbein zugesprochene Darstellung des 16.Jh. in seineAstronomie populaire (paris 1890,550) aufgenommen.

59 M. Putscher, 1. c. (wie Anm.41), 292, dort allerdings mit Bezug auf Flammarions Autor-schaft.

60 Die Macarius Romanus-Legende (Vita sancti Macarii Romani, servi dei, qui inventus estjuxta Paradisum, auctoribus Theophilo, Sergio, et Hygino, PL 73, 415-426) in der Zusam-

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Vorland, mit Milchbächen, Lichträndern und kristallinen Kirchen. Die Para-diespforte wird indes von einem schwertbewaffneten Cherub (cf. Gen. 3,24)bewacht. Stimmen schon Landschaftsikonographie und der geschilderte locusamoenus der Legende nicht überein, so erst recht nicht Bild- und Legendenin-tention. Die legendären drei orientalischen Mönche geben unter Gebet undFasten ihren ursprünglichen Plan auf, ins irdische Paradies zu gelangen. DieQuelle ist also untauglich als literarische Bildvorlage für die Darstellung einesdie geschlossene Welt aufsprengenden Menschen; ihr Geist ist vollends einanderer. Die Mönche entsagten ihrem Forscherdrang, nachdem eine Stimmeerscholl und verkündete: Non est veslnlm nasse mysleria quae oidistis, viam pergilevestram61• Dem imperativen Ne ultra proeedas! dort62 widerspricht die Haltungdes Astronomen hier am Weltrand. Denn sie scheint eher dem in Anlehnungan das Buch Daniel (12,4)63 formulierten multi pettransibunt et augebilur saentiazu entsprechen, das Francis Bacon seiner Instauratio magna 1620 program-matisch voranstellte. Die Haltung des Astronomen am Weltrand entsprichtdenn wohl auch eher jenem Plus ultra! des 16.Jahrhunderts, das zum Mottodes Zeitalters der Entdeckungen wurde. Das warnende Ne plus ultra! auf denSäulen des Herkules an der Straße von Gibraltar, das das spanische Königs-haus zunächst in seinem Wappen geführt hatte, war nach der geglücktenAtlantiküberquerung durch Columbus in eben jenes Plus ultra! geändert wor-den64• Eine vergleichbare Kehrtwende scheint zwischen den Intentionen vonLegende und Bild vollzogen. Augebilur sdentia und Plus ultra! Beides entsprichtschließlich auch eher der postromantischen Forschermentalität des C. Flam-marion als der beschwörende Erkenntnisverzicht bei Macarius. Legende undBild stimmen nicht überein. Sie passen nicht zusammen.

Ferner: Flammarion hatte die Macarius-Legende nach der Labitte-Überlie-ferung bereits 1865 in sein Buch Les Mondes imaginaires et les Mondes reelsaufgenommen. Wenn sie der Anlaß für Bildentwurf und Bildausführungdurch Flammarion gewesen sein sollte, wäre eine schlüssige Antwort auf dieDoppelfrage zu finden: 1. Warum fand das Bild dann nicht schon 1865 inLes Mondes imaginaires als Illustration zur Legende Verwendung? 2. Warumnahm Flammarion es erst 1888 in die erweiterte nouvelle edition von L'At-mosphere auf und nicht schon in die Ausgabe von 1872? Man kann davonausgehen, daß er weder 1865 noch 1872 dazu in der Lage war, weil er nochnicht über das Bild verfügte. Daß er aber anläßlich der neuen Ausgabe derL'Atrnosphere, 23 Jahre nach der Labitte-Lektüre eben durch sie sich veran-laßt gefühlt haben sollte, eine entsprechende Illustration selbst anzufertigen

menfassung von Charles Labitte, La Divine Comedie avant Dante, in: Revue des deux mon-des, 4. Ser., T. 311, Paris 1842, 715sq.; bei B.Weber, L c., 390-393.

61 Macarius-Legende, PL 73, 419B.62 1.. c., 421C.63 Dan. 12,4:plurimi pertransibunt, er multiplex tri! sdenlia.64 Nach Peter Medawar, The Limits of Science, Oxford 1986, 61- 63.

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oder anfertigen zu lassen, scheint mir viel weniger wahrscheinlich als dieAnnahme, daß er irgendwann in den 16 Jahren nach 1872 und irgendwo dieVorlage gefunden hatte, die er dann, wie so oft in anderen Fällen, eingestan-den oder stillschweigend, 1888 zur Illustration der Zweitauflage seines Bu-ches verwendete. Der Legenden-Beweis erscheint mir nicht zwingend.

Zudem handelt es sich bei dem Legendenmotiv um das weiter verbreiteteMotiveiner Wanderlegende, das in ähnlicher Form mehrfach überliefert ist.Ähnlich findet es sich beispielsweise in dem auf spätantiken Quellen beru-henden mittelalterlichen Alexanderroman des Alexandre de Bernay (um1180) verarbeiter=, ähnlich auch schon in der alttestamentlichen Apokalypsedes äthiopischen Buchs Henoch (ca. 150 v. Chr.). Dort heißt es im Berichtüber die Ostreise des Patriarchen: "Von hier ging ich in der Richtung nachOsten. ( ... ) Von da ging ich weiter bis an die Enden der Erde und sah ( ... )die Enden der Erde, worauf der Himmel ruht, und die Tore des Himmelswaren offen. Ich sah, wie die Sterne des Himmels hervorkommen, zählte dieTore, aus denen sie hervorkommen, ... "66.

Die Überlegung, daß Flammarion das "Programm zum Holzstich", aberauch die Zeichnung dazu selbst entwerfen konnte und dann, wie bei vielenanderen, so auch bei diesem ,Stich' als gelernter Ornamentstecher (graveurciseleur) die Ausführung überwacht hätte?", ist ziemlich spekulativ; es scheintmir aus anderem Grund auch ganz unwahrscheinlich zu sein. Die Stilisierungals Stecher'f verkennt, daß die aus finanzieller Not aufgenommene unge-liebte und deshalb auch nur gut zwei Jahre ausgehaltene Lehre für ihn einFiasko war und desaströs endete'", Daß vor allem aber das BildprogrammFlammarions Sicht gar nicht entspricht, soll unter Punkt 3. deutlich gemachtwerden.

Schließlich muß man den ,Holzstich' im Kontext der IllustrationsweisenFlammarionscher Bücher insgesamt sehen. Flammarion gibt seinen zum Teilliebevoll gestalteten Büchern oft mehrere hundert Illustrationen bei. In L'At-rnosphere gibt es neben 15 Farbtafeln und zwei farbigen Karten 307 Figuren.Ganz überwiegend handelt es sich um schmucklos-schlichte zeitgenössischeGebrauchsgraphik in didaktischer Absicht, um Zeichnungen und Stiche zur

65 S. dazu A. Koschorke, Die Geschichte des Horizonts. Grenze und Grenzüberschreitung inliterarischen Landschaftsbildern, Frankfurt a. M. 1990 (zugl. Diss. Univ. München 1989),12sq. und 30sqq. Zur Alexandersage cf. auch B.Weber,l. c., 393-396 mit reichen Literatur-verweisen.

66 Henoch 28,1 sqq., bes. 33,1-3; das Textzitat nach E. Weidinger, Die Apokryphen. Verbor-gene Bücher der Bibel, Düsseldorf 1989, 314sq., die Zählung nach E. Kautzsch, Die Apo-kryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments, Bd. 11,Tübingen 1900 (ND Hildes-heim 1962),255 u. 257; cf. Koschorke (wie vorige Anm.), 17.

67 B.Weber, 1. c., 393, 396 und 387.68 In E. Benezirs vielbändigem Dictionnaire des peintres, sculpteurs, dessinateurs et graveurs

ist Aammarion jedenfalls nicht verzeichnet (cf. Bd.3, 1955).69 Cf. dazu Aammarions Memoires (wie Anm. 11), 118 sqq.

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Darstellung von technischen Instrumenten, Himmelskörpern und derenschematisierten Umlaufbahnen, von astronomischen Phänomenen. DieZeichner und Skulpteure der Stiche sind in den meisten Fällen bekannt, denndie Stiche sind signiert, oft mit Doppelsignatur: del(ineavit> 70 und sc(ulpsit> 71.

Nur wenige Darstellungen fallen aus dem Rahmen des Üblichen (5 von 307in L'Atmosphere, 15 von 386 in der Astronomie populaire).

Flammarion gab seinen Büchern gern Reproduktionen von Buchillustra-rionen des 15., 16. und 17.Jahrhunderts bei (seltener auch solche von mittel-alterlichen Zeichnungen); er tat dies meist mit mehr oder weniger genauemI-Ierkunftsnachweis, so in der Astronomie populaire 72 u. a. zweimal Koperni-kus, De revolutionibus orbium caelestium, Nilinberg 1543 (Fig. 199 sq.);Fig. 252 identifiziert er als Keplers autographisches Horoskop von 1608 fürWallenstein. In Gegensatz zu den zeitgenössischen, oft eigens angefertigtenStichen sind die alten Holzschnitte und Stiche unsigniert. Selbst der Laieerkennt sie auf Anhieb, auch ohne Quellennachweis, den Flammarion bei-spielsweise bei dem Holzschnitt Les astrologues ziemlich ausführlich angibt:"notte figure 251 est la reproduction de rune des plus anciennes gravuressur bois, attribuee a Holbein, et publiee dans la Consolation philosophique deBoece (Augsbourg, 1537)"73. Flammarion identifiziert Holbein nicht näher;es ist aber klar, daß es sich um Hans Holbein d. J. (1497/98-1543) handelnsollte, der zahllose Zeichnungen für Holzstiche deliniierte. Fatalerweise istnun aber weder für Augsburg74 noch anderswo eine solche Boethius-Ausgabefür 1537 oder annähernd für diese Zeit nachweisbar, der Holzschnitt dagegenanderwärts als Illustration des Petrarca-Meisters bekanntt''. Wenn auch FIam-marion in diesem Fall wohl einem Irrtum unterlag: seine sonst so präzisenAngaben geben keinen Anlaß, die Altersangaben hier ("Figure du XVle sie-de", 550) und andernorts sonst grundsätzlich zu bezweifeln oder dem "cha-rakterlich lautere(n) Mann"?" gar eine bewußte Täuschungsabsicht zu unter-stellen.

Ein letztes, uns weiterführendes Beispiel für FIammarions präzise Fundort-belege: "nous reproduisons id une vignette que nous avons decouverte dansle grand ouvrage du fameux chirurgien Ambroise Pare (au chapitre des mon-

70 Als Zeichner kommen u. a. vor Paul Fouche, Edouard Riou (1833-1900).71 Als Schneider und Stecher finden sich vor allem die Signaturen von J. Blanadet, Kemplen, c.-

J. Mettais, dem Medailleur Alphee Dubois (1831-1905), den ReproduktionsholzschneidernCharles Barbant (t 1922, ca. 1869 -1882 in Paris tätig) und (Isidor Desire?) Regnier u. v. a.m.

72 Herkunftnachweis bei Fig. 37, 82, 141, 172, 199sq., 251, 253, 257, 281-283, 318, 339sq.73 Astronomie populaire, 552 u. 554, Arun. 1.74 Das negative Ergebnis meiner Literaturrecherchen bestätigte mir dankenswerterweise Frau

Dr. Brigitte Schürrnann, Staats- und Stadtbibliothek Augsburg: " ... weder in unserem Kata-log noch im VD 16 ... nachgewiesen. Wir gehen davon aus, daß es keine solche Ausgabegibt und daß Ftammarion sich irrte." (Brief vom 7. 9. 1996)

75 Cf. Anm. 58.76 B. Weber, I. c., 386.

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stres)"?". Bei einem genauen Vergleich dieser Reproduktion mit der Pare-Vorlage von 1527 (heide sind unsigniert) fallen allerdings kleine Abweichun-gen in der Linienführung auf, die den Gesamteindruck nicht stären, abersichtbare kleine Varianten enthalten. Derselbe Effekt tritt auch ein bei einigenanderen Vergleichen von Reproduktion und Original, z. B. bei den obenge-nannten Astrologen des Petrarca-Meisters und den bei Flammarion abge-druckten. Solche Abweichungen lassen sich auf verschiedene Weise erklären:durch das Vorhandensein zweier oder mehrerer alter Druckstäcke, durchReproduktion und Überarbeitung (Retouche, Überzeichnung) eines Ab-drucks, durch Anfertigung eines neuen Druckstocks nach einer alten Buch-vorlage. Im ersten Fall fänden nicht übereinstimmende Titel-, Orts- und Jah-resangaben eine Erklärung, in letzterem Abweichungen in der Unienführungund technischen Verfertigung. Die dritte Weise, die "reproduction", hat Flam-marion nach eigenen Angaben häufiger angewandt. Er kennzeichnete solcheAbbildungen dann: fac-simile du ... , d'apres un dessin du XIIe siede oderals reproduction fidele und bemerkte einmal: "On les a reproduites commeon a pu sur nos fig. 339 et 340"78. Dazu stand ihm (seit 1866) mit der"heliographie" ein industrielles photographisches Kopierverfahren in Kup-fertiefdruck nach Strichbildern zur Verfügung?". Wenn es sich bei unserem,Wanderer am Weltenrand' tatsächlich und eindeutig um einen Holzstich ausder Zeit um 1888 handeln sollte, dann wäre nach allem, was hier zu bedenkenvorgebracht wurde, durchaus wie in anderen vergleichbaren Fällen auch aneine Reproduktion nach einer alten Buchvorlage zu denken. Durch Repro-duktion eines alten Holzschnitts mit anderer, neuerer Technik wäre zwar einneuzeitlicher Holzstich entstanden; Bildmotiv und Ikonographie wären aberin diesem Fall dieselben wie die alten. Wer wollte bestreiten, daß es sich beider photographischen Reproduktion von Dürers Melencolia I von 1514 inSaturn und Melancholie von R. Klibansky, E. Panofsky und F. Saxl von 1990(dt. Ausgabe) um dasselbe Bild(motiv) handelt, während man das bei derUtfaßsäulen-Reproduktion von da Vincis Mona Lisa vor einigen Jahren ge-wiß in Abrede stellen würde, nicht weil es sich um einen Siebdruck, sondernweil es sich um eine popart-Verfremdung für Reklamezwecke handelte. Fra-gen dieser Art rühren an die Frage nach der ,Wahrheit' eines Bildes. Davonam Schluß noch etwas mehr.

Ich glaube, daß sich Gombrich, Weber und diejenigen, die ihnen folgten,allzu sehr von dem Technik-Argument haben blenden lassen. Deshalb resü-

77 C. Flarnmarion, Qu'est-ce que le ciel? Paris 1892.200. Fig. 46, und 202. - Ambroisc Pare(um 1510-1590). Des monstres et prodiges. Ich benutzte die Edition critique et commenteepar Jean Ceard (Travaux d'Humanisme et Renaissance. 115). Genf 1971. 142. Fig.76. DieFigur gcht nach 198. Anm. 314 ihrerseits über Pierre Boaistuau, Histoire Prodigieuses lesplus mernorables .... Paris 1560 (ND Paris 1961).120, zurück aufConrad Wollfhart Lycoste-nes (1518-1561). Prodigiorum ac ostentorum chronicon .... Basel 1557. 534.

78 Astronomic. I. c., Fig. 172. 199 sq.• 252. 283. 339 sq.79 Ibid .• 781: "Reproduction par l'heliogravurc".

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mierend hier mein Contra: The picture is most likely to be old, Renais-sant. - Es ist dann zwar gewiß verwunderlich, daß Flammarions Vorbild -ob das Original oder selbst schon ein Zwischenprodukt - bisher noch nichtbekannt wurde; aber das sollte nicht allzu sehr irritieren, wenn man an eineabgelegene unbekannte Vorlage denkt und auch bedenkt, daß sicher vielesaus jener Zeit verlorenging, Einblattdrucke, Kalenderblätter, auch illustrierteBüchlein in Kleinstauflagen. Flammarion, von 1865 an für einige Zeit beiHachette Direktor der Bibliotheque des merveilles, hatte gewiß Zugang zuvielen Büchern und besaß später selbst eine große Buchsammlung mit vielenalten Ausgabenf",

Die auffallende Ähnlichkeit zwischen dem auf 1537 datierten HolzschnittLes astrologues aus der Astronomie populaire und dem Missionaire dumoyen age Flammarions aus L'Atmosphere, dem auffä1ligerweise die sonstübliche fortlaufende Numerierung der Abbildungen fehlt, obgleich er in dieZählung (als Fig. 78) miteinbezogen ist, versucht B.Weber dadurch zu erklä-ren, daß Flammarion jenen als "etwas Naives aus vergangener Epoche"(16.Jh.) als Vorbild fur seinen Entwurf (Ende 19.Jh.) genommen habe. Wieanders jedoch ein "astrologue du moyen age" von der Hand eines Zeichnersund Stechers im Jahre 1888 aussieht (Abb. 11)81, auch und besonders unterdem Aspekt der Historisierung, macht der Stich des von Flammarion ge-schätzten und bevorzugten Charles J. Mettais einleuchtend und eindrucksvolldeutlich.

Ungeeignet als Vorbild für einen ,Flammarion-Holzstich' scheinen mirschließlich auch zwei von Weber genannte Holzschnitte, der erste aus Seba-stian Münsters Cosmographia von 1550, der andere aus Gregor Reisehs Mar-garita philosophica von 150382 (Abb. 12 und 13), thematisch, weil sie ge-schlossene Welten ohne Durchbruch und Entgrenzung vorstellen, ikonogra-phisch, weil die Bildrealisierung vergleichsweise ungeschickt, steif und naivist.

Die unter Punkt 2. vorgetragenen Überlegungen resümierend, sei hier nunfestgehalten: In der Auseinandersetzung mit B.Webers Bilddatierung undIdentifizierung des Bildautors sollte gezeigt werden, daß dessen Argumenteim wesentlichen zu keinen eindeutigen, überzeugenden Schlüssen führenkonnten, da ihnen jeweils sie aufhebende Gegenargumente gegenübergestelltwerden können. Es zeigten sich vor allem in den beiden entscheidendenBeweisgängen (Fertigungstechnik, Herkunft des Bildmotivs) gravierendeSchwächen. Webers These von der Enstehung des Bildes um 1888 und vonder Autorschaft C. Flammarions sollte deshalb mit Fug und Recht als irrigangesehen werden dürfen, - als ein Irrtum, der allerdings dadurch verständli-

80 Ibid., 728: ,Je possede dans ma bibliotheque un splendide in-folio de I'an 1661 ... On les(seil. figures) a reproduites ... ",

8! Astronomie populaire, 529, Fig. 236; reproduziert bei M. Putseher (wie Anm. 41),291.82 Abb. 3 und 4 bei B. Weber, 1. c., 392 und 394.

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eher wird, daß, damals wie heute, ein positiver Beweis für eine Datierung ins16. Jahrhundert ebenso fehlt wie für eine Autorzuweisung. In solchen, ja garnicht so selten vorkommenden Situationen ist kaum mit eindeutigen undsicheren Ergebnissen zu rechnen.

In einem längeren Schlußteil soll nun 3. noch versucht werden, denSchleier des Nichtwissens, der über dem Bildwerk liegt, noch ein wenig zuheben, um der ,Wahrheit' des Bildes näherzukommen.

Dass3 wird um so prekärer, als mir dafür nicht hinreichend Zeit zur Verfügungsteht und ich die detailierte Auseinandersetzung mit den Befürwortern der Moder-nitätsthese, C. G. Jung, Ernst H. J. Gombrich, Erwin Panofsky und Bruno Weberhier nicht vortragen kann. Sie wird samt Bildmaterial im Druck vorgelegt und ichkann Sie heute nur bitten, dies später in den Miscellanea Mediaevalia nachzulesen.Den folgenden Überlegungen liegt das Fazit der vorausgehenden Ausführungenzugrunde. Es lautet:Das Bild ist zwar erst Ende des 19.Jh.s erstmals nachweisbar; es gibt aber keineeindeutigen, überzeugenden Schlüsse dafür, daß, wie behauptet, Bildprogramm undBildentwurf von Camille F1ammarion stammen; sie gehen vielmehr mit größererWahrscheinlichkeit auf eine bisher unbekannte spätmittelalterliche Holzschnitt-Vorlage zurück.Im Lauf meiner Untersuchung hatte sich mehrfach die Frage nach der ,Wahrheit'des Bildes gestellt. Ihr ist der 3. Teil des Referats gewidmet, in dem ich meineThese thematisch begründe. Er folgt nun mit dem abschließenden 4. Teil.

3. Die ,Wahrheit' des Bildes

Wer sich der ,Wahrheit' des Bildes annähern will, wird es wohl von ver-schiedenen Perspektiven aus zu befragen haben. Denn offensichtlich hat die-ses Bild verschiedene Wahrheitsebenen und Wahrheitswerte. Unter ,Wahrheit'des Bildes verstehe ich hier alle Kontexte, in denen es nachweislich gestandenhat oder in die es vernünftigerweise konjektural gestellt werden kann. Hiermöchte ich die folgenden unterscheiden: drei greifbare faktische Wahrheiten,nämlich seine originale, seine entliehene und seine wirkungsgeschichtlicheWahrheit, und eine dreifach virtuelle Wahrheit unter theologischem, philoso-phischem und ikonographischem Aspekt.

(a) Die originale Wahrheit des Bildes

Unter der Voraussetzung, daß es sich um einen alten Holzschnitt handelt,hat das Bild eine originale Wahrheit, die verschüttet ist und so lang unbekanntbleiben wird, wie wir seinen Schöpfer samt dessen Intention und den kon-

83 Cf. Anm. 5.

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textualen Erscheinungsort nicht kennen. Der uns allein bekannte Kontextführt aber auf eine zweite Ebene, die wir - notabene unter der genanntenVoraussetzung - als

(b) seine entliehene Wahrheit

bezeichnen können. Denn offenkundig greifbar ist nur die Wahrheit des Bil-des in der bekannten Erstverwendung durch Flammarion. Nach B.WebersVoraussetzungen wäre diese allerdings seine originale Wahrheit. Er hat siebestimmt als die "transzendentale Wahrnehmung" einer zur Transzendenzerklärten Unendlichkeit. Der ,Wanderer' ist in Webers Deutung der "blasphe-mische Forscher Flammarions", ist "bloß ein Gedankenspiel", während dasBild "von seinem Ursprung her synkretistisch" sei84• So erhält es bei ihmschließlich eine Wahrheit. die man als die eines ,postmodernen' Produkts desausgehenden 19. Jahrhunderts sehen müßte. Indem ich mich streng an denKontext halte, der dem Bild von Flammarion selbst beigegeben wurde, halteich dagegen: Der ,Wanderer' in L'Atmosphere steht im Kontext einer Popu-lär-Meteorologie, präziser: in der Thematik von Buch 11 - La Iumiere et lesphenomenes optiques de l'air, exakt: dort in Kapitel 1: Le Jour, Abschnitt Laforme du ciel. In einem ebenso wortgewaltigen wie geschwätzigen Hymnusauf die Ästhetik der Atmosphäre räumt Flammarion - unter Anrufung Vol-raires, - in vulgär-aufgeklärtem Geist des 19.Jahrhunderts kurzerhand mitallen Irrlehren auf, wischt den Kristall-Himmel griechischer, den gläsernenvorkopernikanischer Astronomen beiseite, den Olympischen Götterhimmellateinischer Poeten ebenso wie das Empyreum, das christliche Theologentrinitarisch und hierarchisch bevölkert hatten. Die Quintessenz: "Or cettebelle voüte n'existe pas!" - dieses hübsche Gewölbe gibt es nicht. "Schonbin ich - (Camille Flammarion) - im Ballon über den griechischen Olymphinaus aufgestiegen, ohne jemals an das Zelt gestoßen zu sein ... "

Wo steckt unser ,Wanderer'? Zwischen den Fronten von Olympiern undmilitia caelestis auf der einen Seite, Flammarion selbdritt mit Kopernikus undVoltaire auf der anderen, tritt er - parenthetisch beiläufig - auf als (162): "•. , Un naif missionnaire du moyen age ... c., ein naiver Sendbote des Mittelal-ters, der eine Reise-Aventiure erzählte - Reiseziel: Irdisches Paradies - unddavon, wie er an den Schnittpunkt von Himmel und Erde kam, dorthin, wosie nicht fest zusammengewachsen (soude) waren, wo er, sich beugend, dieSchultern unter dem Himmelsdeckel durchsteckte ... ein Naivling aus unauf-geklärtem Mittelalter, aus einer Zeit, bevor man wußte: "la Terre est dans ledel et ... le ciel est partout"; und diese Zeit ging nach Flammarion "jusqu'aCopernic". Flammarions Missionnaire ist kein aufgeklärter Postkopernikaner,

84 Weber,!. c., 389, 393, 396-398.

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erst recht kein ,Kopernikus' vor Kopernikus=; er ist der mittelalterlicheMensch, über den sich Sternenzelt und festgefügtes Firmament wölben. DenDurchblick, den ihm die Ikonographie des Bildes gestattet, vergönnte ihmFlammarion nicht, wie er ihm auch den ikonographischen Status des gelehr-ten Astronomen verweigerte.

Was sieht, was begrüßt der Gelehrte (emphatisch?)? Weder die Vision eineschristlich-scholastischen Empyreums noch Trinität noch himmlische Hierar-chien, wohl aber eine andere Welt, die in diesem Kontext jedoch schwer zuorten und noch schwerer zu verorten ist. Eindeutig scheint nur das Ezechiel-Zitat zu sein (s. u. unter d). Kontext und Bild passen nicht zueinander; dasBild illustriert nicht den Kontext, der Kontext erschließt seinerseits nicht dasBild. Flammarion scheint sich naivein Bild geliehen und es mit einer geliehe-nen Legende in einen Kontext gestellt zu haben, für den es weder stehenkann noch darf. Es steht weder für eine Kopernikanische Wende, noch taugtes für eine - auch nicht Flammarions eigene - aufklärerische Mission. In-dem die Intelligenz des Mittelalters mit jener der Voltaireschen Seidenraupeverglichen wird, die ihr Gehäuse für die Grenzen des Universums nimmt,bekommt das Bild letztlich eine Art von denunziatorischer Funktion.

(c) Die wirkungsgeschichtliche Wahrheit des Bildes

Die Wirkungsgeschichte, die das Bild seit seiner Veröffentlichung durchFlammarion gehabt hat, wäre interessant genug, um an ihr die großenteilssich widersprechenden ,Wahrheiten' aufzuzeigen, die ihm - bona fide odermißbräuchlich, irrend oder aus Ignoranz - beigelegt wurden. Sie lauten u. a.:Weltbild des antiken, des mittelalterlichen, des Renaissance-Menschen, er-leuchteter Rosenkreuzer oder Vorbote von Ufo-Wesen (c. G. Jung86) und -nach Wostok 1 und Mercury 3 - auch "Entdecker des Weltraums" (E. Les-sing - W. von Braun8'7) oder Vorbote der Weltraumforscher88• B.Weber hatdiese Wirkungsgeschichte mit seinem Anhang schon weitgehend aufbereitet.Andere''? haben sein "Kompendium menschlichen Irrens" fortgeführt. DerHinweis auf diese Art von ,Bildwahrheiten' muß hier genügen. Denn es gibtnoch andere Wahrheiten des Bildes, mutmaßlich-mögliche oder implikativeWenn-dann-Wahrheiten. Von solch virtuellen Bild-Wahrheiten soll zunächst

85 Kopernikanisch wurde die Figur gedeutet bei M. Boas Hall, The Copernican Revolution, in:Horizon 9,1 (1972),41 (Weber, I. c., Nr. 69).

86 Cf. Anm. 29.87 Entdecker des Weltraums. Sechs Biographien in Farbbildern erzählt von Erich Lessing. Vor-

wort und Programm der Wcltraumfahrt von Wernher von Braun, ... , Freiburg i. Br. 1967(B. Weber, Nr. 54).

88 C£ Weber, Nr. 42, 43.89 M. Putscher (wie Anm. 41) und K Clausberg, Wanderer (wie Anm. 40).

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(d) eine mögliche theologische Wahrheitsdimension

angedeutet werden. Das einzige leicht erkennbare (aber nicht einfach deut-bare) ikonographische Zeichen der geschauten "anderen Welt" ist das an derAchse ineinandergefügte Speichenräderpaar. Es alludiert mit großer Wahr-scheinlichkeit auf das "Rad im Rad" des Prophetenbuchs Ezechiel'" (ca. 593/571). In der symbolisch-allegorischen Bildersprache des Propheten heißt esdort in der Vision vom Gotteswagen, die einen Blick in eine phantastischeWelt eröffnet91:

1,1 aperti sunt caeli et vidi visiones Dei.

3 et facta est super cum ibi manus Do-mini

4 ..• ventus turbinis veniebat ... et nu-bes magna et ignis involvens et splen-dor in circuitu eius

15 ... apparuit rota una super terrarn, ...16 et aspectus rotarum ... et opera quasi

sit rota in medio rotae

17 per quattuor partes earurn euntesibant ...

18 .. , et torum corpus plenum oculis incircuitu ipsarum quattuor

20 •.. spiritus enirn vitae erat in rotis.

22 et similitudo super caput animaliumfirmamenti quasi aspecrus cristalli hor-ribilis et extenti super capita eorurndesuper,

27 et vidi quasi speciem electri velutaspecrum ignis intrinsecus eius percircuirum ... vidi quasi speciem ignissplendentis in circuiru.

28 velut aspecrum arcus cum fuerit innube in die pluviae hie erat aspecrussplendoris per gyrum.

1,1 <es) öffntn sich der Himmel, und ichsah eine Erscheinung Gottes.

3 Dort kam die Hand des Herrn überihn.

4 ... Ein SIN17IIwind kam ... eine großeWolke mit flackerndem FeNtr, umge-ben von einem hellen Schein.

15 ... sah ich ein Rad auf dem Boden.16 Die Räder sahen aus .. , und waren

so gemacht, als laufe ein Rad mitlen imantkrtn.

17 Sie konnten nach allen vier Seiten lau-fen ...

18 ••• Ihre Felgen ••• waren 1108 ANgen,ringsum bei allen vier Rädern.

20 ... der Geist der Lebewesen war inden Rädern.

22 Über den Köpfen der Lebewesenwar etwas wie eine gehämmerte Platte<= Fi17llatlltnt) befestigt, fNlThtbar an-zusehen, wie ein strahlender Kristall,oben über ihren Köpfen.

27 ... sah ich etwas wie glänzendes Goldin einem rt/lerkranz ••• sah ich etwaswie Feuer und ringsum einen hellenSchein.

28 Wie der Anblick des Regenbogens,der sich an einem Regentag in denWolken zeigt, so war der helle Scheinringsum.

90 So gedeutet z. B. bei C. A. Wertheim Aymes (Hieronymus Bosch, eine Einführung in seinegeheime Symbolik, Amsterdam 1957), C. G. Jung (wie Anm. 29) und D. H. Menzel (Astro-nomy, New York 1970; dann aber als parhellsehe Ringe interpreriert): nach B.Weber, I. c.,Nr. 23, 27 und 65. Anders E. Zinner (Ein merkwürdiger altdeutscher Holzschnitt, zuerst in:Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. Frankfurter Ausgabe, Nr.27a, 10. 3. 1957,365 sq., dann, nach Weber, I. c, 401, Nr. 24, auch in: Archiv für Geschichte des Buchwesens1, 19. 6. 1957, 381 sq.): "Geräte zur Darstellung komplizierter Planetenbewegung", undL. MacNeice (Astrology, London 1964, nach Weber, L c., 404, Nr. 45): himmlischer Mecha-nismus - Dampfmaschine mit zwei Rädern.

91 Ez. 1,4-3,15 nach der Vulgata mit der Neue Jerusalemer Bibel-Einheitsübersetzung.

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2,1 haec mio similitlldinis gloriae Domini etvidi et cecidi in faciem meam ...

11 et vade ingredere ad transmigratio-nem ad filios populi tui et loqueris adeos et dices eis ...

2,1 So etwa sah die Herrlichkeit desHerrn aus. Als ich diese Erscheinungsah, fielich nieder allj mein Gesicht .••

3,10 Er sagte zu mir: Menschensohn,nimm alle meine Worte, die ich dirsage, mit deinem Herzen auf, undhöre mit deinen Ohren!

11 Geh zu den <Gefongenen), zu den Söh-nen deines Volkes, und sprich zu ih-nen, und sag zu ihnen ...

3,10 et dixit ad me: fill hominis omnes ser-mones meos quos loquar ad te ad-sume et auribus tuis audi

Liest man den Text so, in Hinblick auf unser Bild, könnte man es als einesimple Illustration jenes Textes lesen. Das Ansehen des Firmaments empfin-det Ezechie1 als horribel (1,22); der Handgestus im Bild würde dann Erstau-nen und Erschrecken bedeuten. Beim geöffneten Himmel mit Wind undWolkenbändern, Kristall, Feuerkranz und Lichtschein handelte es sich dannvorzugsweise um "das Ansehen der Herrlichkeit des Herrn", wie Lutherübersetzte, um eine Theophanie-Vision Ezechie1s. Wenn es sich - was ichaber nicht für wahrscheinlich halte - bei dem Bild um eine Illustration zumAlten Testament handelte, wie wir sie von den Historiarum Veteris Instru-menti icones des Hans Holbein d. J.92 kennen, die in Bildmotiven und Dar-stellungsart unserem Bild nicht unähnlich sind, dann könnte das etwa seinetheologische Verkündigung sein. Übrigens ist die Komposition der Bildele-mente Rad(wagen), geschlossener Kosmos und aus diesem herausragende, inden Heilsraum weisende Hand auch anderweitig, in Himmelfahrtsdarstellun-gen belegbar (Abb. 14, 15)93.

(e) Eine philosophische Wahrheitsannäherung

(nach dem Mythos der Höhle) läßt sich etwa folgendermaßen andeuten. Einephilosophische, denn der Schauende ist wohl kaum Ezechiel, der Prophet"unter den Verschleppten am Fuß Kebar •.. im Land der Chaldäer" (Ez.1,1.3), sondern ein Gelehrter, wie bei der ikonographischen Annäherung (t)noch zu zeigen ist, ein Gelehrter, der mit seiner kosmischen Vision zu denin der Höhle Gefangenen 94 gehen und sprechen kann. Anfänglich geblendet,dann verwirrt, wird sich der befreite Gefangene des Platonischen Höhlen-gleichnisses schließlich nach Anblick des Himmels und in Erinnerung an seinvorheriges Wissen nun wegen dessen Veränderung glücklich preisen (516c).

92 H. Holbein (wie Anm. 58).93 So in einer Ikonen-Darstellung Himmelfahrt des Elia (nordrussische Schule, 16.Jh.); ähnlich

bei einer Himmelfahrt Christi im Rabula-Evangeliar, Florenz, BibI. Laurenz., cod. Plut. I,56, fol. t3b• Darauf machte mich freundlicherweise Prof. Dr. Alex Stock aufmerksam.

94 Cf. Plato, Staat VII, 514asqq.; s.o., Ez. 3,11.

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Der Handgestus des aus dem Weltrand Schauenden wäre, so gesehen, dereines Staunenden, der das Gesehene emphatisch begrüßt. Er hat seine Höhle,seinen Welt-Raum keineswegs verlassen, nur kontemplativauf Zeit durchbro-chen. Er wird wie der Befreite bei Plato wieder in seine Welthöhle zurückge-hen, aber mit verändertem Wissen. ,,Denn wagen wenigstens muß man, dasWahre zu sagen", so heißt es im Phaidros, "zumal wer von der Wahrheitspricht", wie ein Gelehrter es zu tun hat. Er steht zwar noch nicht "auf demRücken des Himmels"; aber ihn j.führt der Umschwung" schon "herum", zu"schauen, was außerhalb des Himmels ist", wie es im Phaidros heißt'", magauch das Rad Ezechiels noch entfernter an den Gätterwagen des Phaidrosgemahnen, als Walter Kranz seinerzeit rneinte'".

(f) Eine ikonographische Annäherung an den , Wanderer'

Wer ist denn nun der im Welt-Raum knieende, am Weltsaum, durch ihnhindurch und aus ihm heraus schauende, in eine schwer deutbare andere Welthineinragende, sie inspizierende Mensch? Es handelt sich nicht um den inDevotionshaltung betenden und fastenden Mönch der Macarius-Legende, derer nach Weber bei Flammarion sein SOll97, nicht um einen geistlichen Pilger98auf einer peregrinatio religiosa, noch um einen mittelalterlichen Reisendenf? oderwandernden Scholaren 100, auch nicht um einen Wanderer durch Raum undZeit mit Blick vom Erdrand in den Weltraum 101 noch um sonst eine derFiguren, die man in ihm zu erkennen glaubte (Ewiger Judel02, Zweiflerl'").Bei dem die Welthülle durchbrechenden Menschen handelt es sich viel eherum einen mittelalterlichen Gelehrten 104, wie die Kleiderattribute (letztes Vier-tel 15. und dann 16. Jh.), die cappa manicata, der weite, faltenreiche Talar mitgroßem Kragen, und das flache, schirrn- und randlose biretum, verraten. Die-

9S Plato, Phaidros 247b sqq. (Übers. L Georgit).96 Waiter Kranz, Kosmos, in: Archiv für Begriffsgeschichte, Bd, 2, Bonn 1958, 176, Arun. 6.'77 B. Weber, I. c., 389 - 393; s. 0., Anm. 46.98 So die Personifizierungen bei C. G. Jung (wie Arun. 29), F. Becker (Ausblick in das Weltall

[Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Nr. 186], Köln -Olpaden 1968) und G. R. Steinhäuser (Heimkehr zu den Göttern. Chrononauten durchbre-chen die Zeitmauer, München 1971; nach Weber, I. c., 405-407, Nr. 56,67).

99 Weber, I. c., Nr. 12, 14, 16, 25, 64, 65.100 So anonym in: Sterne und Weltraum 1977/7 - 8, 228. Auch diesen Hinweis verdanke ich

Frau Eva Reineke (s. 0., Anm. 22).101 Weber, I. c., Nr. 17 (F. Dessauer), 24, 25 (mit Blick in den Weltraum), 40; 26 cw. Kranz [wie

Anm, 96], 46).102 Weber, I. c., Nr. 11.103 Ibid., Nr. 6 und 19; so auch B. H. Bürgel, Der Mensch der Sterne, Berlin 1946, 112, Unter-

schrift zu Bild 37: ,,Der Zweifler! (Was ist außerhalb des Kristallgewölbes des Himmels?)".1()oI Als Gelehrter nach Weber, I. c., Nr. 19; als Forscher ibid. Nr. 17, 24, 59; als Wissenschaftler

Nr. 25; mit höherer Erkenntnis Nr. 58.

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ses HabitlOS (das viele von uns noch kennen, das auch hier an dieser Stellenoch bis zum Ende der 60er Jahre getragen wurde) identifiziert ihn als derGelehrtenzunft zugehörig. Hans Holbein d.J. stellte so .1527 Thomas Morus,1528 Niklaus Kratzer, den Astronomen König Heinrichs VIII. dar (Abb. 16und 17)106. Wenn aber Gelehrter, dann handelt es sich um einen Gelehrtenneuen Typs, nicht um den aus der Ikonographie vertrauten, in seinem Stu-dierkabinett lesenden oder schreibenden, nicht um einen magister in catbedra.Unsere ,Randfigur' ist auch unter den Gelehrten ein Forscher am Rande dertraditionellen Wissenschaft, der den deutlich markierten Rahmen gängigenErfahrungswissens überschreitet (oder richtiger: über ihn hinausblickt). DerObjektbezug weist ihn wohl als Astronomen aus. Im Habit den Astrologendes Petrarca-Meisters um 1532 ähnlich (Abb. 10107, die Flammarion in seineAstronomie populaire übernahm lOB),hat er aber nicht wie jene Sonne, Mondund Sterne mit "beobachtendem Handgesrus'i'"? und Handspanne zu ver-messen noch mit dem "novum instrumentum", das Holbein d.], den Astrono-men im Holzschnitt des Titelblatts zu Sebastian Münsters Canones 110 attri-buierte (Abb. 18). Handelt es sich hier um den Prototyp eines Gelehrten,der aus der etablierten Normalwissenschaft herausfällt, dessen Sehweise sichändert, weil er dabei ist, die ,Randbedingungen' seines Erfahrungswissens zuverschieben? Ist es der Gelehrtentypus, der einen Paradigmenwechsel voll-zieht, eine wissenschaftliche Revolution heraufbeschört? Wie der Wander-stock ikonographisch deutlich macht, muß der Weg beschwerlich sein. Derhomo studiosus kommt nur in via, durch Migration an diesen besonderen ausge-zeichneten Ort: pertransiit usque ad fines terrae, wie es 1 Mak. 1,3 von Alexanderheißt. Es ist wie im Reisebericht des Anselmo Adorno über die Heiligland-fahrt von 1470-1471 beim Aufstieg auf den Berg111: sine baculo nee ascendi needescendi possit; und da man in den höheren Partien nicht mehr aufrecht gehen

105 W. N. Hargreaves-Mawdsley, A History of Academical Dress in Europe until the End of theEighteenth Century, Oxford 1963; H. Rashdall, The Universities of Europe in the MiddleAges, Vul. III.Oxford 1951 (nach 21936; 11895), 385sqq.

106 Hans Holbein (d.].). Die Gemälde. Eine Gesamtausgabe von Paul Ganz, Basel 1950, Nr. 6und Nr. 85 (Paris, Muse du Louvre).

107W. Scheidig, Die Holzschnitte des Petrarca=Meisters zu Petrarcas Werk Von der Artzneybayder Glueck des guten und widerwaertigen - Augsburg 1532 -, Berlin 1955, 144.

108C. F1ammarion, Astronomic populaire, Paris 1879 (die Abb.-Vorlage entstammt der AusgabeParis 1890, 550).

109W. Scheidig, I. c.110 Sebastian Münster, Canones super novum instrumentum luminorum, docentes qua pacto

per illud inveniantur Solis et Lunae medii et veri motus, Basel 1534.111 Itineraire d'Anselme Adorno en Terre Sainte (1470-1471), edd. J. Heers - G. de Groer,

Paris 1978, 234; zitiert nach R. Hiestand, Der Sinai - Tor zur anderen Welt (79 sq.), in:Peter Wunderli (ed.), Reisen in reale und mythische Ferne. Reiseliteratur in Mittelalter undRenaissance (Studia humaniora. Düsseldorfer Studien zu Mittelalter und Renaissance,Bd. 22). Düsscldurf 1993, 76-100.

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kann: netesse est .•• se manibus atque pedibus iuuar« Im übertragenen Sinn voll-zieht der Gelehrte eine Grenzüberschreitung+P,

Was sieht dieser jenseits seines bisherigen Erfahrungshorizonts Schau-ende? Nichts mehr von dem vertrauten Weltsystem, das sein Blick bereitshinter sich gelassen hat wie auch das (hinter sich abgelegte?) Buch und mitihm das Buchwissen seiner Zeit. Auch der arbor scientiae, wenn es sich beidem überdimensionierten Baum im Zentrum um einen solchen handelnsollte, liegt schon hinter ihm. (Oder wäre dieser nach traditioneller Ikonogra-phie eher (oder zugleich?) als arbor vitael13 oder (a1torientalisch-jüdisch) alskosmischer Baum zu deuten?

Ohne auf weitere Einzelheiten der Darstellung näher einzugehen, hier nurnoch soviel: Der Schauende, der sich zwar noch in einer Welt nach aristote-lisch-ptolemäischem Weltbild befindet, sich aber schon aus ihr heraustraut,mit Kopf und Kragen, sieht mehr oder weniger abstrakte Formationen einerArt machina mundi, nicht mehr Bekanntes oder mit Bekanntem Vergleichbares,weder Vegetation noch Menschen, keine Kulturlandschaft mit menschlichenArtefakten, auch keine visio dei, wie schon angedeutet. Was er auf seiner peregri-natio inventiva sieht, ist, gemessen an seinem Erfahrungswissen, nur noch dasganz Andere. Nach solcher Horizontverschiebung ist für ihn am neuen Er-fahrungshorizont mit der Forschungsmethode komparativen Verhältniswis-sens kein Erkenntnisfortschritt zu erwarten. Eine andere Erkenntnismethodemuß her: Der Gelehrte als contemplator, seine saentia - eine sdentia speculativaoder tbeorica. Zu der Zeit, in der das Bild nun doch mutmaßlich entstand,war der Kosmos noch immer Objekt spekulativer Wissenschaft. Treffen wirhier auf einen Gelehrten mit einer kosmischen Vision, die ihn spekulativ überden Rand seines zeitgenössischen Wissenschaftskosmos hinausblicken läßt?Mit dieser Frage nun

4. zu einem wissenschaftshistoriographischen Schluß

Benutzer und Interpreten haben die Darstellung ganz überwiegend in wis-senschaftliche Kontexte gestellt, den ,Betrachter am Rand' jedoch wissen-schaftsgeschichtlich mit den verschiedensten Gelehrten und den unterschied-lichsten Doktrinen in Beziehung gesetzt, mit Anaximandert!+, Thales115 undPlaton 116, als Überwinder des aristotelisch-ptolemäisch-christlichen Weltbil-

112 Cf. Exodus 19,12 sq.: ronstilllesqlle terminos poplllo per artllilll", el dices cavele ••• IIU langatis finesiOills ••• mllnlls non langel ellm elc.

113 Cf. das lignllm vilae el saentiae Gen. 2,9 u. Ö.114 Nach B. Weber, 1. c., 399, Nr. 3.liS Ibid., 400, Nr. 14.116 Ibid., 402, Nr. 26 ry;. Kranz).

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des gefeiert117, schließlich mit Luther118 und Giordano Bruno l!", KeplerP"und Galilei121,selbst noch mit James Wattl22 und den Rosenkreuzern 123inBeziehung gebracht.

Weitaus am häufigsten wurde die Darstellung aber als "Weltbild des Nico-laus Cusanus"124 oder gar als "eine Darstellung des Nicolaus von Cusa"125interpretiert. (In diesem Zusammenhang bin ich übrigens vor vielen Jahrenerstmals mit dem Bild in Berührung gekommen, dann noch mehrfach mitder Datierungsproblematik 126.)Einen konkreten Beleg, der eine solche Inter-pretation nahelegen oder gar rechtfertigen könnte, gibt es nicht, nur einigewenige diffuse Hinweise, auf ein .~ntgrenztes Universum, auf neue, unendli-che Welträume und eine "völlige Anderung des Raumgefühls"127. Die Identi-fizierung bleibt spekulativ. Ist sie zutreffend? Läßt sich zwischen der Darstel-lung und dem Cusanischen Weltbild überhaupt ein stringenter Bezug herstel-len? Ich halte das für unwahrscheinlich. ,Cusanisches Weltbild' meint in die-sem Zusammenhang wohl ,Cusanische Kosmologie'. Dann lautet die Frageaber: welche? Die im ,Globus spiel' gezeichnete128? Dann etwa müßte dieDarstellung angesichts der dort129 vorgestellten himmlischen Hierarchie-Scharen eher vom Typ des Sphärenbildes (um 1482) aus Konrad von Megen-bergs "Buch der Natur" sein (Abb. 19). Oder eine Kosmologie nach Artjenes Fragments, das F. J. Clemens 1843 entdeckte und 1847 publizierte 130?

117 Ibid., 403, Nr. 38: G. Heinz-Mohr - W. P. Ecken. Das Werk des Nicolaus Cusanus. Einebibliophile Einführung, Köln 1963,32 und 38 (die Abb. ist in 21975 und 31981 nicht mehrenthalten).

liB Weber, 1. c., 404, Nr. 44 (Hanns Lilje, Martin Luther. Eine Bildmonographie, Hamburg1964). .

119 Ibid., 4OOsq.,Nr. 7 und 22120 Ibid., 401 und 407, Nr.19 und 74. Zwei besonders schöne Belege teilte mir freund-

licherweise Bruno Weber (Brief vom 13. 8. 1996) mit Briefmarken der Mongolei und derVRP Nordkorea anIäßIich des 350. Todestages von Kepler 1980 mit Keplers Konterfei inAusschnittumrahmung unseres Bildmotivs.

121 Ibid., 406, Nr. 60.122 Ibid., 404, Nr. 45 (L. MacNeice, wie Anm. 90).123 Ibid., 402 sq., Nr. 27 (c.G. Jung, wie Anm. 29).124 Ibid., 399-407, Nr.7, 8, 17 (F. Dessauer: zeitgenössisch, etwa 1525~, 18, 22, 23, 26

Ci'/. Kranz, Kosmos), 38, 41, 49, SO/52, 54, 55, 66, 70.125 Ibid., 405, Nr. 50/52 (A.Jaffe, wie Anm. 19).126 1962, anIäßIich der Vorbereitung des bei B.Weber, 1. c., 403, unter Nr. 38 (wie Anm. 117)

genannten Buches von 1963, dann wieder 1974 anläßlich der veränderten Auflage 21975,erneut anläßIich der Untersuchung von N. Herold (wie Anm. 1).

127 Heinz-Mohr - Eckert, bei B.Weber, I. c., 403, Nr. 38.128 Dazu H. G. Senger, Metaphysischer Atomismus. Zur Transformation eines Denkmodells

durch Nikolaus von Kues (Studien zum 15.Jahrhundert. Festschrift für Erich Meuthen,Bd.1), München 1994,311-329.

129 Nicolai de Cusa opera omnia, vol. IX: De ludo globi II n. 77 sqq., ed. J. G. Senger, Hamburgi1997 (0. 1998).

130 F.J. Clemens, Giordano Bruno und Nicolaus von Cusa, Bonn 1847, 98sq. Erneute Editiondurch E. KIibansky in Cusanus-Studien I.Das Universum des Nikolaus von Cues. Von ErnstHoffmann (SBHAW,Philos.-hist. Kl., J~ 1929/30, 3. Abh.), Heidelberg 1930, 41 sqq.

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Oder die "zuvor nicht gehörten" Überlegungen über das Universum als eineingeschränkt Größtes (maximum contractum) in De docta ignorantia U131?Aber wie sollte dann seine aktuale Einheit als eine Vielheit differenter, parti-kulärer und je anderer Konkretionen mit wechselseitigem Einfluß sinnbildlichdargestellt werden? Wie die Vielheit kosmischer Bewegungen, die Relativitätvon Bewegung, Ort und Zentrum, die Polyzentrik des Kosmos? Man magzweierlei hervorheben: (1.) Auf die theologische, soteriologische und heilsge-schichtliche Dimension des Cusanischen Kosmos sei durch das Ezechiel-Radhingewiesen und (2.) die Unbegrenztheit des Universums sei gegenüber dergenau und fest begrenzten, in viertelbögiger Sphaira-Abbreviatur (die fürdas Ganze steht) dargestellten mittelalterlichen Welt visualisiert durch dieunabgeschlossene, offene, über den Bildrand hinausdrängende und unbe-grenzt fortsetzbare Kosmoslandschaft. Die perspektivische Illusion des Be-trachtenden deute infinitesimale Strukturen hinreichend an, weil sich ja einunendliches Universum generell der Abbildbarkeit entziehe, nicht nur fureine Darstellungskunst, die sich noch erst ikonographische Attribute für einneues, verändertes Weltbild erarbeiten müsse132•

Dem muß man entgegensetzen: Es gibt keinen hinreichenden Anhalt, diesso deuten zu müssen. Zudem: Was enthält denn das Bild, daß man in ihmeine, wenn auch entferntere bildhafte Repräsentation cusanischen Denkenserkennen könnte? Weder die Kugelgestalt der Erde noch ihre Rotationen,auch nicht die Vielheit bewohnter oder bewohnbarer Welten (ein bevorzugtesThema Flammarions). Dies und anderes mehr würde für eine Identifizierungdes Bildes mit dem kosmischen Entwurf des Nikolaus von Kues erforderlichsein. Ich sehe weit und breit keine Legitimation, eine solche Identifizierungzu konkretisieren. Flammarion selbst hat keinen Versuch unternommen, siemit Nikolaus, dem "ältesten unserer Meinungsgenossen im Mittelalter"133in Verbindung zu bringen. Wie sich in seiner Darstellung der cusanischenKosmologie (nach De docta ignorantia II 11-12) zeigtl34, hielt Flammarionihn fur wegweisend in die neue Wissenschaft und darum - trotz seinerTheologie - fur den größten Geist des 15. Jahrhunderts, erstrangig im Pan-theon der Wissenschaft. Für Flammarion verböte sich gerade deshalb eineIdentifizierung des Cusanus mit dem naiven Vertreter des Mittelalters.

131 Nicolai de Cusa opera omnia, vol I: De docta ignorantia edd. E. Hoffmann - R. Klibansky,Lipsiae 1932, Buch 11 in toto, bes. aber Kap.11 und 12. - Zur Kosmologie cf. JosephMeurers, Nikolaus von Kues und die Entwicklung des astronomischen Weltbildes, in: MFCG4 (1964), 395-417; Albert Zimmermann, "Belehrte Unwissenheit" als Ziel der Naturfor-schung, in: Nikolaus von Kues, Ed, K.Jacobi, Freiburg - München 1979, bes. 129-134.

132 Zu diesem Problem s. LCI, Bd.2, s. v. ,Himmel', Sp.255-267, und Bd.4, s. v. ,Weltall,Weltbild', Sp, 498-509 (beide verfaßt von Hans Holländer).

133 C Flammarion, Die Mehrheit Bewohnter Welten. Astronomische, physiologische und natur-philosophische Studien über die Bewohnbarkeit der Himmelskörper. Deutsche, vom Verfas-ser autorisirte Ausgabe von Dr. Adolph Drechsler, Leipzig 1865, 26.

134 C Flammarion, Les mondes imaginaires et les mondes reels. Voyage pittoresque dans le ciel,Paris 221892, 273-280. Daraus geht hervor, daß Flammarion die einschlägige Darstellungvon F.J. Oemens (wie Anm.130), 96-104 kannte.

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Verkörpert der Gelehrte am We1trand als virtueller Renaissance-Repräsen-tant dann vielleicht nur einen zeitlos-überzeitlichen Menschentyp, der diemetaphysische Sehnsucht des Menschen nach dem Unendlichen ausdrückensoll, wie Anie1ajaffe meinte 135?Das glaube ich nicht. Bilder haben nicht nurihre Geschichte, sie stehen auch in einer Geschichte. Die Geschichte, diedieses Bild mutmaßlich markiert, scheint mir nach allem doch eher das Ge-schehen am Beginn neuzeitlicher Wissenschaft zu illustrieren: die Versinn-bildlichung eines nicht nur astronomischen, sondern eines umfassenderenmetaphysischen Paradigmenwechse1s, allerdings mit den Mitteln einer garnicht so neuzeitlichen, vielmehr noch höchst spätmittelalterlichen Ästhetik.

Kann, wenn schon nicht Nikolaus von Kues, dann vielleicht eher GiordanoBruno dafür stehen? Wer sich der Versuchung zur Identifizierung des Gelehr-ten am Weltrand und seiner Weltsicht nicht entschlagen kann, mag dann ge-trost an Giordano Bruno denken, nicht allein wegen der Rede von der in denWeltraum gestreckten Hand: "Wenn jemand seine Hand über jenes Gewölbehinausstreckte, dann wäre sie an keinem Ort, und folglich hätte sie keinSein" 136. Vielmehr klingt es so, als ob Bruno sich in dem Menschen amWeltenrand wiedererkannt haben könnte, da er im Aschermittwochsmahl(1584) Teoftlo über "die Bedeutung des Nolaners", also über sich selbst, spre-chen und sich dabei u. a. mit Columbus in eine Reihe stellen läßt. Zu Pruden-zio sagt Teofilo nämlich: "Was soll man von dem sagen, der entdeckt hat, wieman zum Himmel steigt, den äußersten Sternenkreis durchschreitet und dieoberste Wölbung des Firmaments hinter sich läßt?" Und dann etwas weiter:,,Der Nolaner hat ( ... ) den menschlichen Geist und die Erkenntnis befreit,die in dem engen Kerker der irdischen Lufthülle eingeschlossen waren ( ... ),um das zu schauen, was sich dahinter in Wahrheit befindet, ( ... ). Da kamder Nolaner und hat die Lufthülle hinter sich gelassen, ist in den Himmeleingedrungen, hat die Sterne durchmessen, die Grenzen der Welt überschrit-ten und die erdichteten Mauern der ersten, achten, neunten, zehnten undweiteren Sphären zerstört, ( ... ). So hat er ( ... ) diejenigen Hallen der Wahr-heit geöffnet, die sich überhaupt von uns öffnen lassen."137

Mit diesen Schluß-Zitaten soll aber dem Bild nicht eine Wahrheit gegebenwerden, die die seine nicht ist. Denn die ist uns meiner Meinung nach schonvor langem verlorengegangen. Mein Rat wäre also: Lassen wir ihm, bis einanderer sie eines Tages vielleicht wiederftndet, seine geheimnisvolle mehrdeu-tige Wahrheit und damit den Charakter eines in seiner Mehrdeutigkeit hoch-interessanten Kunstwerks.

135 A.Jaffe (1967),loc. eit. Anm. 19.136 Giordano Bruno, Über das Unendliche, das Universum und die Wdten (De I'infinito uni-

verso et mondi). Aus dem Italienischen übersetzt und hg. von C. Schultz (= RUB 5114),Stuttgart 1994, 36.

137 Giordano Bruno, Das Aschermittwochsmahl (La cena de le Ceneri), Dialog I, in der oben,Anm. 40, erwähnten Ausgabe, 88- 92.

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Anhang:

Ergänzung und Fortsetzungdes Literaturnachweises von Bruno Weber (1973)

(1) Bruno Hans Bürget. Der Mensch und die Sterne, Berlin 1946, 112, Abb.37(ohne Rahmen, ohne Herkunftsnachweis): "Der ZweiflerI"

(2) Gerhard Gollwitzer (ed.), Die durchsichtige Welt, Pfullingen 1953 (auf Schutz-umschlag eines Swedenborg-Breviers; Mitteilung von Frau Eva Reineke, s. 0.Anm.22)

(3) Ernst Zinner, Ein merkwürdiger altdeutscher Holzschnitt (wie bei Weber, L c.,401, Nr. 24, jedoch zuvor), in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel.Frankfurter Ausgabe, Nr. 27a, 10.3.1957, 365sq., o. Rahmen

(4) Hans Blumenberg (ed.), Nikolaus von Cues, Die Kunst der Vermutung. Auswahlaus den Schriften. Besorgt und eingeleitet von Hans Blumenberg (Sammlung Diet-rich Bd. 128), Bremen 1957, nach S. 186:ohne Rahmen: "Der Mensch durchbrichtden endlichen Kosmos des Mittelalters. Deutscher Holzschnitt um 1530"

(5) Arthur Beer entdeckt 1958 (oder kurz vorher) als erster Flammarions L'Atmo-sphere (1888) als Quelle (nach Ashbrook [1977], 356)

(6) Percy Ernst Schramm, Sphaira - Globus - Reichsapfel. Wanderung und Wand-lung eines Herrschaftszeichens von Caesar bis zu Elizabeth H. Ein Beitrag zum»Nachleben« der Antike, Stuttgart 1958, 109, Abb. 107 (ohne Rahmen): "Eze-chiel schaut durch das Himmelsgewölbe in den kristallinen Himmel und gewahrtden Wagen mit dem Rad im Rade. Holzschnitt um 1550."

Cl) Marielene Putscher, Rückkehr vom Ende der Welt. Die Identifizierung einesbekannten Holzstichs und einige Folgerungen zur Geschichte der Gegenwart,in: Deutsches Ärzteblatt 72. Jg., Heft 5, 30. Januar 1975,290-295; 290 0. Rah-men, 291 m. Rahmen und Seitenumkehrung

(8) J. J. Callahan, The Curvature of Space in a Finite Universe, in: Scientific Ameri-can, vol. 235, August 1976, 90-100; die Abb. (0. Rahmen) 91: 16.Jh. ?

(9) Donald H. Menzel, Astronomy, 1971, gedr. in einer Anzeige in: Sky and Teles-cope September 1975

(10) Der folgende Literaturhinweis, den man häufig antrifft, hat sich als falsch heraus-gestellt: (Regiomontanus-Ausstellung zum 500. Todestag), Universität Erlangen,Frühjahr 1976

(11) Joseph Ashbrook: Astronomical Scrapbook. About an Astronomical Woodcut,in: Sky and Telescope, May 1977,356-358, mit Rahmen

(12) anonym: Geheimnis gelüftet, in: Sterne und Weltraum 1977, 7/8, 228, m. Rah-men: "Der Astronom aus mittelaterlicher Sicht"

(13) Paul-Heinz Koesters, Deutschland deine Denker (2): Gott wohnt ganz woanders,Stern, Heft Nr.44, Hamburg 25. Okt. 1979,162-178 (die Abb. 162sq. seiten-verkehrt, o. Rahmen und bearbeitet): "Ein alter Holzschnitt zeigt das Weltbild,das der Philosoph Nicolaus Cusanus in Frage stellte ... "

(14) Thomas von Randow, Wie sich die Zukunftsforscher täuschten, Die Zeit, Nr. 1,28. Dez. 1979, Dossier S. 9, o. Rahmen: "Der Blick aus dem begrenzten Kosmosin die zukünftige Realität - ... Holzschnitt aus dem 16.Jahrhundert ... "

(15) Philip J. Davis - Reuben Hersh, The Mathematical Experience, Boston - Basel- Stuttgart 1981,69 (u. cover-design der Penguin Ausgabe) mit Rahmen: "Wood-cut from Camille F1ammarion. L'Atmosphere Meteorologic Populaire, 1888"

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(16) Willy Fleckhaus, Umschlag-Cover zu Giordano Bruno, Das Aschermittwochs-mahl. Übers. v. F. Fellmann mit einer Einl. v. H. Blumenberg. Frankfurt a. M.1981 (it 548). o. Rahmen. am r. Rand leicht beschnitten

(17) Karl Clausberg, Kosmische Visionen. Mystische Weltbilder von Hildegard vonBingen bis heute. Köln 1980. 21sqq .• Abb. S. 26-27. m. Rahmen

(18) Hubertus Halbfas, Religionsunterricht in der Grundschule. Lehrerhandbuch 1.Zürich - Düsseldorf 1983. vorderer Einbanddeckel und Titelseite. o. Rahmen.Ausschnitt. koloriert, Bildnachweis S. 4: ..aus Camille Flammarion, L'atmo-sphere. Paris 1888"; S.201: ganz. mit Rahmen (Hinweis von Prof ReinhardHoeps, Münster)

(19) Bernulf Kanitscheider, Kosmologie. Geschichte und Systematik in philosophi-scher Perspektive (Reclams UB. 8025). Stuttgart 1984 u. 21992. Umschlag! Ein-banddeckel, o. Rahmen. stark beschnitten

(20) Historie von Doktor Johann Faust. Hg. und übersetzt v. Max Wehrli. Zürich(Manesse) 1986: ..Weltbild nach humanistischer Vorstellung. Deutscher Holz-schnitt des 16.Jahrhunderts". ohne Rahmen. auf vorderem Schutzumschlag

(21) Norbert Herold. Bildreflexionen: Die Kunst der Perspektive als Schlüssel zurneuzeitlichen Philosophie, in: Zeitschrift für Didaktik der Philosophic, Heft 2/92. 14.Jg./Mai 1992.81-91; Abb. 89. mit Rahmen: "Wanderer am Weltenrand.Holzstich 1888"

(22) Gerhard Grössing: Das Unbewußte in der Physik. Über die objektalen Bedin-gungen naturWissenschaftlicher Theoriebildung, Wien 1993. Einbandbild und181 mit moderner Rahmung Q): ..... aus Camille Flamrnarion, L·Atmosphere •. ..• Paris 1888"

(23) Immer Ärger mit dem Urknall. Das kosmologische Standardmodell in derKrise. Ed. Reinhard Breuer (rororo Sachbuch 9323). Reinbek 1993. Umschlag-Cover. mit Seitenumkehrung, stark beschnitten: ..Holzschnitt aus dem 16.Jahr-hundert"

(24) Karl Clausberg. Wanderer. kommst Du .... Kunstforum Bd. 128. Okt. - Dez.1994.190-192. m. Rahmen

(25) Mittelalter und Moderne. Entdeckung und Rekonstruktion der mittelalterlichenWelt. 6. Symposium des Mediävistenverbandes, Bayreuth. 13.-16. März 1995:Signet des Tagungsprogramms. ohne Rahmen. mit Subskription ..C. FlammarionParis 1888". in: Mitteilungsblatt des Mediävistenverbandes Jg. 11.2 (1994). 1

(26) Raum und Raumvorstellungen im Mittelalter. 30. Kölner Mediaevistentagungveranstaltet vom Thomas-Institut der Universität zu Köln vom 10. bis 13. Sep-tember 1996: Veranstaltungsplakat (cf. Abbildung in diesem Band die Seite Vder Titelei); s. auch den Tagungsbericht in: Kölner Universitäts-Journal 25. Jg.•Ausgabe 3/4-1996. 62. o. Rahmen

(27) Martin Bauer. Philosophische Vorläufer der Kopernikanischen Wende. in: Wech-selwirkungen.Jahrbuch 1995 (ersch. Spätherbst 1996). Aus Lehre und Forschungder Universität Stuttgart, 20-28. Abb. S. 20. 0. Rahmen: ..Holzschnitt"

(28) Bruce J. Malina: Die Offenbarung des Johannes. Sternvisionen und Himmelsrei-sen. Übers. von Wolfgang Stegemann (ersch. It. Verlagsankündigung Kohlham-mer) Stuttgart 1997 (mit Rahmen. auf vorderem Einbanddeckel; engl. Originalti-tel: On the Genre and Message of Revelation: Star Visions and Sky Journeys.1995)

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"Wanderer am Weltenrand" - ein Raumforscher um 1530? 821

Bildnachweis

Abb, 1: C. Flammarion, L'Atmosphere, Meteorologie Populaire, (Nouvelle edition),Paris 1888, 163.

Abb. 2: W. J. Foerster, Die Erforschung des Weltalls, in: Weltall und Menschheit. Ge-schichte der Erforschung der Natur und der Verwertung der Naturkräfte imDienste der Völker. Ed. Hans Kraemer ... , Dritter Bd., VII. Teil, Berlin et al.1903,45.

Abb. 3: Entdecker des Weltraums. Sechs Biographien in Farbbildern erzählt vonErich Lessing. Vorwort und Programm der Weltraumfahrt von Wernher vonBraun, ... , Freiburg i, Br. 1967, 22sq.

Abb, 4: Deutsche Kunstgeschichte, Bd. Iv. Geschichte der deutschen Zeichnung undGraphik von Otto Fischer, München 1951, 145, Abb. 111.

Abb.5: The Illustrated Bartsch 8. Formerly Volume 6 (part 1). Early German Artists.Ed. J. C. Hutchison, New York 1980, 18.

Abb. 6: Deutsche Kunstgeschichte, Bd. Iv. Geschichte der deutschen Zeichnung undGraphik von Otto Fischer, München 1951, 131, Abb. 98.

Abb.7: M. H. Geisberg, Der deutsche Einblattholzschnitt in der ersten Hälfte desXVI. Jahrhunderts, München 1923-1930, Nr. 1319.

Abb. 8: Boetius de philosophico Consolatu, Metrum Iv, Straßburg Oohannes Grü-ninger) 1501, fo1.C IIIlr.

Abb. 9: Hans Holbein d. J., Bilder zum alten Testament. Historiarum Veteris Instru-menti icones ad visum expressae. Nach der bei Trechsel fratres 1538 in Lyonerschienenen Ausgabe, München 1923, Abb. 78.

Abb.l0: W. Scheidig, Die Holzschnitte des Petrarca=Meisters zu Petrarcas Werk Vonder Artzney bayder Glueck des guten und widerwaertigen - Augsburg 1532 -,Berlin 1955, 144; hier nach C. Flammarion, Astronomie populaire. Descriptiongenerale du del, Paris 1890,550.

Abb. 11: C. Flammarion, Astronomie populaire. Description generale du del, (Nou-velle edition), Paris 1890, 529, Fig. 236.

Abb. 12: Sebastian Münster, Cosmographiae universalis libri VI, Basel 1550, 1.Abb.13: Gregorius Reisch, Margarita philosophica, Friburgi 1503, vor Buch 9.Abb. 14: N. P. Likhacev, Materiali dlja istorü russkawo ikonopisanija, Petersburg 1906,

Abb.326-9.Abb. 15: Rabula-Evangeli~, Florenz, Biblioteca Laurenziana, cod. Plut. I, 56, fo1.13b

(Faksimile Nachdruck, bes. v. C. Cecchelli, G. Furlani, M. Salrni, Olten - Lau-sanne 1959).

Abb.16: Hans Holbein (d.J.), Die Gemälde. Eine Gesamtausgabe von Paul Ganz,Basel1950, Nr. 6.

Abb.17: Hans Holbein (d.J.), Die Gemälde. Eine Gesamtausgabe von Paul Ganz,Basel 1950, Nr. 85.

Abb. 18: Sebastian Münster, Canones super novum instrumentum Iuminarium, do-centes quo pacto per ilIud inveniantur Solis et Lunae medii et veri motus, ... ,Basel 1534, Titelseite.

Abb.19: Konrad von Megenberg, Buch der Natur, Augsburg, um 1482, nach H. A.Strauß, Der astrologische Gedanke in der altdeutschen Vergangenheit mit 93Abbildungen aus der altdeutschen BuchilIustration, München - Berlin 1928, 18.

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~ Abb. 1. Wanderer am Weltenrand(anonym), Holzschnitt

( •• ini ... aitt I. III,!U .;oe racellte "IIt'il.uijlto" ••M poiDI•• k tiel It I.aTer"'H 4nchellt. .•

... Abb. 2. Dasselbe, ohneRahmenleisten

~ Abb. 3. Dasselbe, ohneRahrnenleisten, mit Seiten-umkehrung

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• Abb. 5. Meister E. S., Der Besuch Mariensbei Elisabeth, Holzschnitt um 1466

... Abb. 4. Meister E. S.,Die großeEngelweihe von Einsiedeln, Holzschnitt 1466

Abb. 6. Meister der Weibermacht, Anbetung der Könige, Holzschnitt, 3.Vierrel15.]h.

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"Wanderer am Weltenrand" - ein Raumforscher um 1530? 825

Abb. 11. C.-]. Mettais, MittelalterlicherAstronom, Stich um 1888

Abb. 13. Die Erschaffung Evas,Holzschnitt um 1503

Abb. 12. Das irdische Paradies, Holzschnitt um 1550

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826 Hans Gerhard Senger

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Hans Gerhard Senger

Abb. 16. Hans Halbein d. J., ThomasMorus, 1527, Paris, Musee du Louvre

CANONESSVPERiNOVVIoI JNSTA.VMENTVM L'V'MINAIlIVM, DO.

'cmtts quo p.(lo pa iIIud inum;'nrur Solis&Lunzmcdijtt ucrl mOlUJ,lur,aDonc"coruuonicncs,oppofio'onlts,opw

dncoois, (c!ip(cs,hor:r inzqualts,&nodumz ;rqu.lcs,, orNS (oliJ &ocn(us,.rcmd,ns ccdi.inttru.lIum,.u

.' reus numcrus,&c.Pa Scb.n.l\luofiaum.

Abb. 18. Hans Halbein d. J., Titelblatt zuSebastian Münsters Canones, Holzschnitt 1534

827

Abb. 17. Hans Holbein,ikolaus Kratzer, 1528, Paris,

Musee du Louvre

Abb. 19. Sphärenbild.Holzschnitt um 1482