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AUS DEM VERBAND VOM RHEIN BIS ZUR ODER BEILAGE · JANUAR/FEBRUAR 2011 antifa 1 Rechte Radikalisierung der Mitte gebietet Widerstand Rückblick 2010 und Ausblick 2011 – von Cornelia Kerth und Heinrich Fink 2010 war ein Jahr großer politi- scher Herausforderungen – nicht nur für Antifaschist/innen. Der Krieg in Afghanistan, in dem das Land, das angeblich »aufgebaut« werden soll, weiter zerfällt, weitere Zuspitzung in nahezu al- len anderen »Krisenregionen«, Naturkatastrophen wie in Haiti und Pakistan, in denen die »Weltgemeinschaft« die Opfer weitgehend einem elenden Schicksal überlässt, die Verseuchung des Golfs von Mexiko mit aus dem Meeres- grund sprudelndem Öl, die klare Perspektive, dass der Klimawandel weite Regionen der Erde in naher Zukunft unbe- wohnbar machen wird, wenn nichts geschieht – alle diese Menschheitsfragen stehen offensichtlich nicht wirk- lich auf der Agenda der Mächti- gen dieser Welt. Die Bundesregierung verlängert AKW-Laufzeiten, macht die Bun- deswehr zur Profi-Einsatztruppe zur Wahrung »deutscher Interes- sen« bei der Rekolonisierung der Welt, zementiert die soziale Spal- tung des Landes und verhöhnt die »Verlierer« mit einer 5-Euro-Erhö- hung ihrer Bezüge. Pro Köln, Pro NRW, Pro Deutschland, Sarrazin und andere Modergewächse gedei- hen auf dem Boden, der so geschaf- fen wird. Während »Deutschland« unaufhaltsam seine Duftmarken in die Welt setzt, wird »Deutschland schafft sich ab« dank Dauerwer- bung auf allen Talk-Sesseln zum Bestseller, mit dem Rassismus und Chauvinismus im öffentlichen Dis- kurs einen neuen Schub bekommen. Die Studie der Friedrich-Ebert- Stiftung »Die Mitte in der Krise – Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland« macht deutlich, dass die Rechtsentwicklung in den Köp- fen, die in der Bundesrepublik über genau diese Schiene läuft, er- schreckende Ausmaße erreicht hat. Die zuständige Ministerin fährt Programme gegen Rechts zurück und stellt ihnen mit dem eingespar- ten Geld Programme gegen »Linksextremismus« und »Isla- mismus« entgegen, verbunden mit der Auflage politischer Ergeben- heitsadressen als Voraussetzung für den Zugang zum Fördertopf. Die NPD schließt sich mit der DVU zusammen und erhöht so vor allem ihre Einnahmen, um sich ge- zielt auf die Wahlkämpfe des näch- sten Jahres vorzubereiten. Wir wollen ab 2011 mit einem »Wahl-Büro« Hilfestellung für die Kreis- und Landesvereinigung lei- sten, damit wir in die Wahlkämpfe der nächsten beiden Jahre eingrei- fen können. Wir wollen Spenden einwerben und damit Materialien erstellen, die »vor Ort« dazu beitra- gen, dass wir einen wichtigen Schritt vorankommen: Keine Na- zis in die Parlamente! Viele Mitglieder der VVN-BdA haben sich am Widerstand gegen die herrschende Politik beteiligt, waren dabei in Gorleben, bei »Ge- recht geht anders«, bei den De- monstrationen der Friedensbewe- gung. Vor allem waren unsere Ka- merad/innen in der ganzen Repu- blik das ganze Jahr über aktiv ge- gen das Auftreten von Nazis, meist im Bündnis mit vielen Anderen aus unterschiedlichen politischen Spek- tren, weil nur so den faschistischen Banden Einhalt zu gebieten ist. So am 13. Februar in Dresden: Mehr als 10 000 Menschen verhin- derten mit Blockaden den als euro- paweit größten geplanten Nazi- Aufmarsch. Trotz massiver Krimi- nalisierungsversuche im Vorfeld konnte auch ein massiver Polizei- Einsatz mit Kräften aus mehreren Bundesländern den Nazis keinen Weg durch die protestierenden An- tifaschistInnen bahnen. Unsere sächsischen Kamerad/innen waren an der Vorbereitung des breiten Bündnisses beteiligt, wir haben mit Flyern und Blockade-Training das Recht verteidigt, den Faschisten entgegen zu treten, aus etlichen Landesverbänden sind Alt und Jung nach Dresden gefahren und haben mit allen anderen dazu bei- getragen, dass sie nicht durchka- men. Im August und September waren unsere Landes- und Kreisverbände in Baden Württemberg und Nord- rhein-Westfalen gefordert: Nazi- Aufmärsche waren für Karlsruhe und Dortmund angekündigt. In Bundesweit zahlreiche aktuelle Ausstellungstermine »Neofaschismus in Deutschland« WEIDA 10. bis 27. Januar Rathaus Mittwoch, 12. Januar, 14 Uhr: Eröffnung der Ausstellung mit Bürgermeister Werner Beyer und Elke Pudszuhn (VVN-BdA Thüringen). RHEINMÜNSTER 26. Januar bis 2. Februar Gemeinde Rheinmünster Veranstalter: Aktionsgemein- schaft Rössle/Sölllingen BREMEN 17. Januar bis 7. Februar DGB-Haus, Bahnhofsplatz 22-28 18. Januar, 19 Uhr: Eröffnung mit Annette Düring, DGB-Vorsit- zende, Region Bremen-Elbe-We- ser und Prof. Heinrich Fink, Bun- desvorsitzender VVN-BdA Öffnungszeiten: Mo bis Do 9 bis 18 Uhr, Fr 9 bis 14 Uhr. Veranstalter: VVN-BdA Bremen, unterstützt von ver.di Bezirk Nord KAPPELN 24. Januar bis 12. Februar Rathaus Kappeln, Reeperbahn 2 Veranstalter: Runder Tisch gegen Nazis Kappeln ILMENAU 28. Januar bis 19. Februar Technische Hochschule Ilmenau Weitere Infos unter www. neofa-ausstellung.vvn-bda.de SCHWERIN 31. Januar bis 25. Februar Stadthaus, Am Packhof 2-6 27. Januar, 17 Uhr: Eröffnung mit Oberbürger- meisterin Angeli- ka Gramkow Öffnungszeiten: Mo 8 bis 16 Uhr, Di und Do 8 bis 18 Uhr, Fr 8 bis 13 Uhr, jeden 1. und 3. Sa 9 bis 12 Uhr, Mi ge- schlossen. Veranstalterin: Stadt Schwerin (Fortsetzung auf Seite 2) Die Mitte rückt nach rechts Dresden blockiert die Nazis

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AUS DEM VERBAND

VOM RHEIN BIS ZUR ODER

BEILAGE · JANUAR/FEBRUAR 2011antifa 1

Rechte Radikalisierung der Mitte gebietet WiderstandRückblick 2010 und Ausblick 2011 – von Cornelia Kerth und Heinrich Fink

2010 war ein Jahr großer politi-scher Herausforderungen –nicht nur für Antifaschist/innen.

Der Krieg in Afghanistan, indem das Land, das angeblich»aufgebaut« werden soll, weiterzerfällt, weitere Zuspitzung in nahezu al-len anderen »Krisenregionen«, Naturkatastrophen wie in Haitiund Pakistan, in denen die»Weltgemeinschaft« die Opferweitgehend einem elendenSchicksal überlässt, die Verseuchung des Golfs vonMexiko mit aus dem Meeres-grund sprudelndem Öl, die klare Perspektive, dass derKlimawandel weite Regionender Erde in naher Zukunft unbe-wohnbar machen wird, wennnichts geschieht – alle diese Menschheitsfragenstehen offensichtlich nicht wirk-lich auf der Agenda der Mächti-gen dieser Welt.

Die Bundesregierung verlängertAKW-Laufzeiten, macht die Bun-deswehr zur Profi-Einsatztruppezur Wahrung »deutscher Interes-sen« bei der Rekolonisierung der

Welt, zementiert die soziale Spal-tung des Landes und verhöhnt die»Verlierer« mit einer 5-Euro-Erhö-hung ihrer Bezüge. Pro Köln, ProNRW, Pro Deutschland, Sarrazinund andere Modergewächse gedei-hen auf dem Boden, der so geschaf-fen wird. Während »Deutschland«unaufhaltsam seine Duftmarken indie Welt setzt, wird »Deutschlandschafft sich ab« dank Dauerwer-bung auf allen Talk-Sesseln zumBestseller, mit dem Rassismus undChauvinismus im öffentlichen Dis-kurs einen neuen Schub bekommen.

Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung »Die Mitte in der Krise –Rechtsextreme Einstellungen inDeutschland« macht deutlich, dassdie Rechtsentwicklung in den Köp-fen, die in der Bundesrepublik übergenau diese Schiene läuft, er-schreckende Ausmaße erreicht hat.Die zuständige Ministerin fährtProgramme gegen Rechts zurückund stellt ihnen mit dem eingespar-ten Geld Programme gegen»Linksextremismus« und »Isla-mismus« entgegen, verbunden mit

der Auflage politischer Ergeben-heitsadressen als Voraussetzungfür den Zugang zum Fördertopf.Die NPD schließt sich mit derDVU zusammen und erhöht so vorallem ihre Einnahmen, um sich ge-zielt auf die Wahlkämpfe des näch-sten Jahres vorzubereiten.

Wir wollen ab 2011 mit einem»Wahl-Büro« Hilfestellung für dieKreis- und Landesvereinigung lei-sten, damit wir in die Wahlkämpfeder nächsten beiden Jahre eingrei-fen können. Wir wollen Spendeneinwerben und damit Materialienerstellen, die »vor Ort« dazu beitra-gen, dass wir einen wichtigenSchritt vorankommen: Keine Na-zis in die Parlamente!

Viele Mitglieder der VVN-BdAhaben sich am Widerstand gegendie herrschende Politik beteiligt,waren dabei in Gorleben, bei »Ge-recht geht anders«, bei den De-monstrationen der Friedensbewe-gung. Vor allem waren unsere Ka-merad/innen in der ganzen Repu-blik das ganze Jahr über aktiv ge-gen das Auftreten von Nazis, meistim Bündnis mit vielen Anderen ausunterschiedlichen politischen Spek-tren, weil nur so den faschistischenBanden Einhalt zu gebieten ist.

So am 13. Februar in Dresden:Mehr als 10 000 Menschen verhin-derten mit Blockaden den als euro-paweit größten geplanten Nazi-Aufmarsch. Trotz massiver Krimi-nalisierungsversuche im Vorfeldkonnte auch ein massiver Polizei-Einsatz mit Kräften aus mehrerenBundesländern den Nazis keinenWeg durch die protestierenden An-tifaschistInnen bahnen. Unseresächsischen Kamerad/innen warenan der Vorbereitung des breitenBündnisses beteiligt, wir haben mitFlyern und Blockade-Training dasRecht verteidigt, den Faschistenentgegen zu treten, aus etlichenLandesverbänden sind Alt undJung nach Dresden gefahren undhaben mit allen anderen dazu bei-getragen, dass sie nicht durchka-men.

Im August und September warenunsere Landes- und Kreisverbändein Baden Württemberg und Nord-rhein-Westfalen gefordert: Nazi-Aufmärsche waren für Karlsruheund Dortmund angekündigt. In

Bundesweit zahlreiche aktuelle Ausstellungstermine

»Neofaschismus in Deutschland«WEIDA10. bis 27. JanuarRathausMittwoch, 12. Januar, 14 Uhr:Eröffnung der Ausstellung mitBürgermeister Werner Beyerund Elke Pudszuhn (VVN-BdAThüringen).

RHEINMÜNSTER26. Januar bis 2. FebruarGemeinde RheinmünsterVeranstalter: Aktionsgemein-schaft Rössle/Sölllingen

BREMEN17. Januar bis 7. Februar DGB-Haus,Bahnhofsplatz 22-28

18. Januar, 19 Uhr: Eröffnungmit Annette Düring, DGB-Vorsit-zende, Region Bremen-Elbe-We-ser und Prof. Heinrich Fink, Bun-desvorsitzender VVN-BdAÖffnungszeiten: Mo bis Do 9 bis18 Uhr, Fr 9 bis 14 Uhr.Veranstalter: VVN-BdA Bremen,unterstützt von ver.di Bezirk Nord

KAPPELN24. Januar bis 12. FebruarRathaus Kappeln, Reeperbahn 2Veranstalter: Runder Tisch gegenNazis Kappeln

ILMENAU28. Januar bis 19. FebruarTechnische Hochschule Ilmenau

Weitere Infos unter www.neofa-ausstellung.vvn-bda.de

SCHWERIN31. Januar bis25. Februar Stadthaus, AmPackhof 2-627. Januar, 17Uhr: Eröffnungmit Oberbürger-meisterin Angeli-ka GramkowÖffnungszeiten:Mo 8 bis 16 Uhr,Di und Do 8 bis18 Uhr, Fr 8 bis13 Uhr, jeden 1.und 3. Sa 9 bis12 Uhr, Mi ge-schlossen. Veranstalterin: Stadt Schwerin

(Fortsetzung auf Seite 2)

Die Mitte rückt nach rechts

Dresden blockiert die Nazis

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AUS DEM VERBAND

VOM RHEIN BIS ZUR ODER

BEILAGE · JANUAR/FEBRUAR 20112 antifa

Karlsruhe gelang es einem breitenBündnis, den Marsch im Vorfeld zuverhindern – nach einstimmigemVotum des Stadtparlaments wurdedie braune Veranstaltung verboten.In Dortmund brachte das Bündnis»Dortmund stellt sich quer« 15 000TeilnehmerInnen auf die Straße,denen es gelang, die Nazi-Paradestark zu behindern. Die Behinde-rungsversuche der Polizei richtetensich dort leider einmal mehr gegendie protestierenden Antifaschisten.

Auch 2011 wollen die Naziswieder in Dresden marschieren,auch am 13. Februar werden wirdabei sein, sie zu stoppen – auchmit Blockaden!

Pünktlich zum 8. Mai konntenwir unsere zweite nonpd-Kampa-gne mit 5000 Argumenten für einVerbot der NPD abschließen. Sieliegen mittlerweile als Buch vor,das den politisch Verantwortlichen

in Bund und Ländern übergebenwerden soll, damit diese unerledig-te Forderung nicht aus dem politi-schen Diskurs verschwindet.

Ebenfalls zum 8. Mai konntenwir die jüngste Version unsererAusstellung »Neofaschismus inDeutschland« präsentieren, die in-zwischen landauf/landab an 50Mal gebucht wurde. Mehrfach kames zu politischen Kontroversen,weil CDU-Politiker versuchten,die Ausstellung wegen der Verwei-se auf Stichworte aus der politi-schen »Mitte« zu diskreditieren,erfreulicher Weise blieben dieseVersuche ohne Erfolg. Die weitereVerbreitung der Ausstellung, zuder es nun auch ein gutes Nachbe-reitungs-Material für den Unter-richt gibt, ist für 2011 unser Ziel.

In Dresden geht es den Nazisdarum, den historischen Faschis-mus durch unzulässige Vergleicheund Relativierungen der deutschenVerbrechen zu entkriminalisieren.Wie auch bei Rassismus, Chauvi-nismus und Sozialdarwinismusstehen sie damit leider nicht inGegnerschaft zum politischen

Mainstream, sondern haben ihn le-diglich radikalisiert. Wir sehen unszunehmend in ganz Europa, beson-ders in den ehemals realsozialisti-schen Ländern, mit einer ungeheu-ren Umschreibung der Geschichtedes 20. Jahrhunderts konfrontiert,die sich auch im Europa-Parlamentund anderen Institutionen nieder-schlägt. Fanden wir dort früher Un-terstützung gegen deutsche Versu-che, »zwei Diktaturen« gleichzu-setzen, hat sich die Beschlusslageinzwischen radikal verändert.

Am 24. und 25. April nahmenmehr als 300 Menschen an unsererKonferenz »Einspruch – antifa-schistische Positionen zur Ge-schichtspolitik« in der BerlinerHumboldt-Universität teil. Zusam-men mit der FIR und den Lagerge-meinschaften haben wir Wissen-schaftler und befreundete Organi-sationen eingeladen mit uns Positi-on zu beziehen gegen den »antito-talitären« Diskurs in Europa, ge-gen Geschichtsrevisionismus undErstarken des Militarismus, für dieBewahrung der Erinnerung an Op-fer, Täter und Widerstand, für die

Einbeziehung der Organisationender Überlebenden in die Darstel-lung ihrer Geschichte an den au-thentischen Orten, den Gedenk-stätten. Zum 27. Januar erscheintder Dokumentationsband mit denBeiträgen der ReferentInnen.

2011 jährt sich der Überfall desfaschistischen Deutschland auf dieSowjetunion zum 70. Mal. Nach-dem die EU-europäische Be-schlusslage nun in die Richtung ei-ner »geteilten Kriegsschuld« weistund – insbesondere in den balti-schen Staaten – die Nazi-Verbre-chen zu nationaler »Befreiung«und die dortigen SS-Truppen zu»Helden« erklärt werden, währendjüdische Partisanen vor Gericht ge-zerrt werden sollen, ist unsere öf-fentliche Stellungnahme zum 22.Juni 1941 eine dringende Aufgabe.Neben einer zentralen Veranstal-tung wollen wir überall dafür sor-gen, dass die historische Wahrheitüber die »Aktion Barbarossa«nicht verdrängt werden kann.

Wichtigstes Ereignis im Organi-sationsleben in 2011 wird unserBundeskongress, auf dem alle an-gesprochenen Probleme und unse-re Handlungsoptionen besprochenund beschlossen werden sollen.

Wie an dieser Stelle schon guteTradition, wollen wir am Ende die-ses Jahres allen Kameradinnen undKameraden für Ihr Engagement füreine neue Welt des Friedens undder Freiheit danken. Die VVN-BdA lebt nur durch die Aktivitätenihrer Mitglieder, seien es die altenKameradinnen und Kameraden,die als »Zeitzeuginnen« gegen dasVergessen auftreten, seien es dievielen, die dafür sorgen, dass wiran vielen Orten als Organisationpräsent bleiben und unsere Positio-nen lokal und regional einbringenkönnen, seien es diejenigen, dieden Widerstand gegen Militaris-mus, gegen Faschisten, Rechtspo-pulisten und Rechtsentwicklungorganisieren und sich auf der Stra-ße dem braunen Mob entgegenstel-len. Wir wünschen Euch allen eingutes und erfolgreiches Jahr 2011!

CorneliaKerth/HeinrichFink,Bundesvorsitzende VVN-BdA

Am 16. Dezember vergangenenJahres hat der Landesvorsitzen-de der VVN-BdA in MV, Dr. AxelHolz, dem Fraktionsvorsitzen-den der SPD im Landtag MV,Dr. Norbert Nieszery, und demFraktionschef der Linken, Hel-mut Holter, ein Buch mit 5000Statements für ein Verbot derverfassungsfeindlichen NPDübergeben, darunter 600 per-sönliche Verbots-Gründe ausMecklenburg-Vorpommern.

SPD-Politiker Norbert Nieszerybetonte erneut seine Forderungnach einem NPD-Verbot. Linken-Fraktionschef Holter würdigte,dass das nonpd-Buch repräsen-tativ den ablehnenden und zu-gleich persönlichen Fokus vielerengagierter Menschen auf dasrassistische Wirken der NPD zei-ge.

Auch Landtagspräsidentin Syl-via Bretschneider hatte ihr Inter-esse an dem Buch bekundet,dasin der Landtagsverwaltung am17. Dezember übergeben wurde.

neute Verbotsforderung gegen-über der NPD ein wichtiges Zei-chen, um auf die Grundrechtsver-letzungen durch die NPD auf-merksam zu machen, erläuterteHolz. Zudem hätten die vorgeleg-ten Dokumente von fünf Innenmi-nistern glaubhaft belegt, dassdie öffentlich zugänglichen Quel-len für den Nachweis der Verfas-sungswidrigkeit des Wirkens derNPD voll und ganz ausreichten,um ein Verbot der NPD zu begrün-den, so Holz.

Der Streit um die Verwendungvon Informationen, die von V-Leu-ten innerhalb der NPD gewonnenwurden, und deren Gerichtsver-wertbarkeit sei somit völlig über-flüssig, weil bei der Eröffnung ei-nes neuen NPD-Verbotsverfah-rens auf diese Informationen oh-ne Weiteres verzichtet werdenkönnte, bekräftigte SPD-Frakti-onschef Nieszery im Gespräch.

Quelle: MVregio, Nachrichten für Mecklenburg-Vorpommern, Rostock,18. Dezember 2010

Sie betonte, wie wichtig das direk-te Engagement vieler Menschengegen die NPD im Rahmen der In-itiative "Wir in MV" sei. Dass diestaatlichen Mittel aus der Partei-enfinanzierung und Landtagsar-beit nach wie vor die finanzielleHauptquelle für das Wirken derNPD sei, wurde festgestellt. ImGespräch machte der Kampa-gnenvertreter der VVN-BdA daraufaufmerksam, dass die NPD das

Zentrum der Neonazi-Aktivitä-ten in Deutschland bilde, erstrecht nach der geplanten Bünde-lung der Neonazi-Kräfte durch dieVereinigung der NPD mit der DVU.Laut Artikel 139 des Grundgeset-zes dürfte die NPD das Parteien-privileg nicht nutzen, sondernmüsste verboten sein.

Das fordern neben DGB, Verdi,SPD und LINKEN auch die Mini-sterpräsidenten von Mecklen-burg-Vorpommern und Thüringen,sowie der Zentralrat der Judenund der Zentralrat der Sinti undRoma. Im Hinblick auf die Land-tagswahlen 2011 wäre eine er-

Argumentenband den Fraktions-Chefs übergebenMecklenburg-Vorpommern: 5000 Statements für ein NPD-Verbot

(Fortsetzung von Seite 1)

Tausende Argumentefür ein NPD-Verbot

Vorbereitung auf 22. Juni

Bundeskongress im April

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BAYERNAUS DEN LANDESVEREINIGUNGEN UND MITGLIEDSVERBÄNDEN

BEILAGE · JANUAR/FEBRUAR 2011antifa 3

Impressionen von der Veranstaltung von VVN-BdA und Petra-Kelly-Stif-tung im Münchner Kulturhaus Milbertshofen: Esther Bejarano liest zumAuftakt aus ihrer Autobiographie »Wir leben trotzdem«. Und schließlichnach einem furiosen, zukunftsfroh stimmenden Konzertfinale alleKünstlerinnen und Künstler noch einmal miteinander auf der Bühne:links von Esther ihr Sohn Joram und Rosario Pennino, rechts Edna Be-jarano und Kutlu Yurtseven. Bilder: Parvin Gharahman

DDiiee BBeejjaarraannoossaus Hamburg und die

Kölner Microphone Ma-fia auf gemeinsamer

Bayern-Tour: Mitte No-vember gastierten sie

an drei aufeinander fol-genden Tagen in Re-gensburg, Landshut

und München.

Um die Bespitzelung und Diffa-mierung der VVN-BdA durch denVerfassungsschutz ging es EndeNovember in Augsburg. Dr. Ha-rald Munding von der Augsbur-ger VVN-BdA konnte auf demPodium Rechtsanwältin Angeli-ka Lex, die auch das antifaschi-stische Dokumentationsarchiva.i.d.a. bei dessen Auseinander-setzungen mit der Behörde ver-tritt, den VVN-Landessprecherund KZ-Überlebenden Ernst Gru-be und die Landtagsabgeordne-ten Harald Güller (SPD) undBernhard Pohl (Freie Wähler)begrüßen.

Während die örtlichen Mediendurch Abwesenheit glänzten,brachte die überregionale linke Ta-geszeitung Junge Welt einen größe-ren Bericht über die Veranstaltung.»Vor etwa 50 Zuhörern«, heißt esdarin, »warf Pohl seinem Parla-mentskollegen Güller vor, mit derim September beschlossenen Auf-

hebung ihres seit 1948 bestehen-den Unvereinbarkeitsbeschlussesgegen die VVN habe die SPD le-diglich ein Hindernis aus dem Wegräumen wollen, um gemeinsameRegierungskoalitionen mit derLinkspartei bilden zu können.«Güller habe dies zurückgewiesenund gefordert, die Überwachungder VVN durch den Verfassungs-schutz endlich einzustellen.

»In der VVN, der er selbst ange-höre«, zitiert die Zeitung den Poli-tiker, »sei man sich über sonstigepolitische Differenzen hinweg ei-nig, Widerstand gegen rechtsextre-mistische und neofaschistische Po-sitionen leisten zu müssen. Wenn erden Eindruck hätte, dass die VVN›von Kommunisten durchsetzt‹ sei,wie es Bernhard Pohl behauptete,dann wäre er sicherlich nicht Mit-glied dieser Organisation. Aber eskönne nicht sein, Kommunisten,die für ihre Überzeugungen ver-folgt wurden, vom gemeinsamenKampf gegen Nazis auszuschlie-ßen.«

Ernst Grubes Anmerkung, »dasses Kommunisten gewesen seien,die ihn nach dem Faschismus auf-genommen hätten und von denener viel gelernt habe (…), provozier-te Pohl zu der Aussage, es sei ein›Versagen der Demokraten‹ gewe-sen, dass Grube niemanden anders

als ›die linken Rattenfänger‹ ge-funden habe, um sich zu engagie-ren«. Mit solchen Schmähungensei Pohl »bei seinen Mitdiskutan-ten auf Unverständnis« gestoßen.

»Ernst Grube seinerseits berich-tete«, so heißt es in dem Artikelweiter, »wie er in Bündnisgesprä-chen mit Sozialdemokraten, Libe-ralen, Parteilosen und auch Auto-nomen um ein gemeinsames Vor-gehen gegen neofaschistische Pro-vokationen ringe.« Manche Akti-onsformen Jüngerer finde er nichtrichtig, »aber wichtig sei, darübermit ihnen zu diskutieren«. Und essei »ein Unterschied, ob man vonder grundsätzlichen Gleichheit al-ler Menschen ausgehe – was alleLinken über alle sonstigen Diffe-renzen eine –, oder aber von ›hö-herwertigen‹ oder ›minderwerti-gen‹ Menschen«.

AArrgguummeennttee ggeeggeenn SScchhmmäähhuunnggeennDiskussion zu VVN-BdA und Verfassungsschutz in Augsburg

Wir freuen uns immer sehr überSpenden für die Arbeit unseresLandesverbandes.Unser Konto:VVN-BdA Bayern, Kontonum-mer 10532-807, PostbankMünchen, BLZ 700 100 80.

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Redaktion: Ernst AntoniVVN-BdA BayernFrauenlobstr. 24, 80337 MünchenTel.: (089) 531786Fax: (089) 5389464E-Mail: [email protected]

Bitte teilt uns Eure Adressen- oderKontenänderungen mit!

Wer blockiert da die Grundrechte?

Nazimärsche haben Nachspiel

Mit einer »Feststellungsklage«haben sich Siegfried Benker,Fraktionsvorsitzender von Bünd-nis 90/Die Grünen im MünchnerStadtrat, Florian Ritter, SPD-Landtagsabgeordneter, und Mar-tin Löwenberg, Landesvor-standsmitglied der VVN-BdABayern, an das Bayerische Ver-waltungsgericht gewandt. Ver-treten durch Rechtsanwältin An-gelika Lex richten sich ihre Kla-ge gegen »Freistaat Bayern, Po-lizeipräsidium München«. Esgeht um den von Neonazis zum»Heldengedenktag« ausgerufe-nen 13. November 2010 in Mün-chen, um deren genehmigtenAufmarsch und um das Vorge-hen der Polizei gegen die vonbreiten Bündnissen getragenGegenaktionen.

In einem 13seitige Schreiben be-gründet die von den Klägern alsProzessbevollmächtigte beauf-tragte Anwältin folgende Anträge: »1.Es wird festgestellt, dass die

polizeilichen Maßnahmen, diebei der Versammlung (…) ent-lang dem Zugweg der FreienNationalisten einen an mehre-ren Stellen zwischen 100 mbis zu 200 m breiten Korridorabgesperrt haben, rechtswid-rig waren.

2. Es wird festgestellt, dass diepolizeilichen Maßnahmen, die(…) einen Zugang zur Mahn-wache an der Lukaskirche (…)verhindert haben, rechtswidrigwaren.

3. Es wird festgestellt, dass dieAufstellung von Polizeifahrzeu-gen am Zugweg der Versamm-lung der Freien Nationalisten(…) zum Zwecke von Sicht-blenden rechtswidrig war.«

Ausführlich werden in der Begrün-dung die Sachverhalte geschil-dert, um die es bei den Anträgengeht. Hatte die Polizei doch mit rie-sigem Aufwand dafür gesorgt,dass der Aufmarsch von rund 120Neofaschisten durch mehrereStadtviertel ungehindert von denProtesten tausender Bürgerinnenund Bürger vonstatten gehen

(Fortsetzung auf Seite 4)

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BAYERNAUS DEN LANDESVEREINIGUNGEN UND MITGLIEDSVERBÄNDEN

BEILAGE · JANUAR/FEBRUAR 2011 4 antifa

konnte. Die Gegendemonstrantenwurden meist so weit auf Abstandgehalten, dass die Nazis sie we-der hören noch sehen mussten.

Besonders spektakulär warendie Maßnahmen an der Lukaskir-che. Dazu in der Klageschrift:»Hier war zunächst von Herrn Gott-schling, dem örtlichen Pfarrer vonSt. Lukas (…) eine Mahnwache(…) angemeldet worden. Da deröffentliche Verkehrsgrund wegendes Versammlungszuges der Frei-en Nationalisten von der Ver-sammlungsbehörde nicht zur Ver-fügung gestellt worden war (…)wurde die Mahnwache auf die kir-chengemeindeeigenen Portalstu-fen verlegt, mit der Zusicherungder Versammlungsbehörde, dassder Zugang zum Portal ermöglichtwird. (…) Der Zugang zur Mahnwa-che an der Lukaskirche, zu der dieMünchner Bevölkerung vielfacheingeladen worden war (…) wardurch Polizeiabsperrgitter und um-fangreiche Polizeikräfte vollstän-dig abgeriegelt. Auch auf aus-drückliche Aufforderung (…) wur-de der Zugang verweigert.«

Bei der Auftaktkundgebung»München ist bunt« hatte unter an-derem die Regionalbischöfin Su-sanne Breit-Kessler ausdrücklichzur Teilnahme an dieser Mahnwa-che aufgerufen. Aber nicht nurdort – überall entlang des »Hel-dengedenk«-Wegs der Nazis – ver-bauten offizielle »Blockaden« denBürgerinnen und Bürgern die Mög-lichkeit, von ihren Rechten Ge-brauch zu machen.

»Der Schutzbereich von Art. 5Abs. 1 Satz 1 GG«, so jetzt die Kla-geschrift, »umfasst die Meinungs-äußerung – das Recht sich hörenzu lassen – auch in der Form derTeilnahme an einer Demonstrati-on und Protesten gegen eine Ver-sammlung. (…) Die Kläger habeneinen Anspruch darauf, dass dieMöglichkeit, ihren Protest an denrichtigen Adressaten zu bringen,nicht von der Polizei behindertwird. Dabei spielt es keine Rolle,ob derjenige, dem die Meinungs-äußerung primär gilt, überhauptbereit ist, die Meinung anzuhören;

entscheidend ist die von staatli-chen Eingriffen unbeeinträchtigteChance, bestimmte auf öffentli-chem Gelände sich bewegendePersonen mit seiner Meinungsäu-ßerung zu erreichen, ohne von derso definierten Zuhörerschaft ge-trennt zu werden (…) Gleichzeitigstellt das polizeiliche Handelnauch einen Eingriff in das Grund-recht auf Versammlungsfreiheitder Kläger aus Art. 8 GG dar.« Es

bleibt abzuwarten,ob die Klage Er-folg haben wird.

Von wundersamer juristischerBeflissenheit zeugt eine andereMaßnahme: »Gegendemonstrati-on hat ein Nachspiel« (Süddeut-sche Zeitung, 14. 12. 2010). Eini-ge Demonstranten, die am 8. Mai2010 dabei waren, als erfolgreichein Naziaufmarsch in Münchenblockiert werden konnte (antifaberichtete), hätten unlängst »Post

von der Staatsanwaltschaft be-kommen«. Ermittelt werde wegen»erheblicher Versammlungsstö-rung«. „Auch wir haben blockiertheißt nun eine von einer Reihe vonPersönlichkeiten des öffentlichenLebens unterschriebene Solidari-tätserklärung. Es scheint sichdoch ein erfreuliches »erhebli-ches Grundrechtsbewusstsein«auszubreiten.

Ernst Antoni

... natürlich allen unseren »Ge-burtstagskindern«. Sie sämtlichaufzuführen, würde allerdingsden Rahmen der antifa spren-gen. Stellvertretend seien des-halb hier die Kameradinnen undKameraden zwischen 60 und 80genannt, die einen »runden« Ge-burtstag haben bzw. hatten –

Jahre; Paula Baumeister, Was-sertrüdigen, 85 Jahre; ErichUde, Nürnberg, 80 Jahre.

Februar:Hans Koller, München, 84 Jahre;Günther Martin, Hohenpeißen-berg, 82 Jahre; KarDavid Heupel,München, 75 Jahre.

und alle über 80. HerzlichenGlückwunsch!

Januar: Lina Haag, München, 104 Jahre;Anna Aechter, Herbsleben, 99Jahre; Hilde Kaim, Bamberg, 88Jahre; Herta Brich, Weiden, 87Jahre; Hilde Prockl, München, 86

Wir gratulieren ...

AAuuss ffüürr ddeenn »»TTøønnssbbeerrgg--LLaaddeenn««In Nürnberg haben vielfältige Proteste etwas bewegt»Wir sind hoch erfreut. In einembeispielhaften Zusammenwir-ken zwischen dem getäuschtenVermieters in der juristischenAuseinandersetzung und politi-schem Druck verschiedener zi-vilgesellschaftlichen Organisa-tionen ist es nach zwei Jahrengelungen, ein Zeichen zu set-zen: Mit Szenekleidung von Na-zis ist in Nürnberg auf Dauerkein Geschäft zu machen!«,schrieb Ulli Schneeweiß, Nürn-berger Gewerkschaftsvertretervon ver.di, in einer Presseerklä-rung.

Zur Freude hatte er allen Grund:»Die rechtsextrem belastete Mode-marke Thor Steinar wird ab 2011nicht mehr in der Nürnberger Dr.-Kurt-Schumacher-Straße – in un-mittelbarer Nähe des NürnbergerGewerkschaftshauses – verkauftwerden. Das Ladengeschäft ›Tøns-berg‹ zieht zum 6. Januar aus.«

Dem waren Jahre engagiertenProtestes vorangegangen: »DieGewerkschaft hatte seit EröffnungEnde Oktober 2008 weit über 100Aktionen, Kundgebungen undMahnwachen vor dem Laden orga-nisiert, um die Bevölkerung über

die Hintergründe der Bekleidungs-marke und des Rechtsextremismusin Nordbayern aufzuklären«, heißtes in der Presseerklärung. An denAktionen beteiligten sich neben

DGB und ver.di weitere Einzelge-werkschaften sowie ganz unter-schiedliche Gruppierungen; auchdie VVN-BdA trug zum Gelingenbei.

Jetzt der »Ab-schied«: Unter demMotto »Neue Nazistarnen sich« hattever.di seine Kampa-gne gegen denTønsberg-Laden mitverschiedenen Pla-kat- und Postkar-tenmotiven beglei-tet. Besonders be-eindruckte einGroßtransparentüber mehrere Eta-gen an der Fassadedes Nürnberger Ge-werkschaftshauses– gegenüber vombraunen Klamotten-Geschäft.

Wer blockiert Grundrechte?(Fortsetzung von Seite 3)

Theologen protestierten –Polizisten behindern sie

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SACHSENAUS DEN LANDESVEREINIGUNGEN UND MITGLIEDSVERBÄNDEN

BEILAGE · JANUAR/FEBRUAR 2011antifa 5

Nachdem es in der Nacht vom12. auf den 13. November 2010einen rechtsmotivierten Brand-anschlag auf das Vereinsgebäu-de des alternativen Vereins »So-ziale und politische Bildungsver-einigung Limbach-Oberfrohna«gab, beteiligten sich eine Wo-che später etwa 200 Menschenan einer Demonstration gegenneonazistische Gewalt in dersächsischen Kreisstadt.

Die letzte Demo in Limbach-Ober-frohna liegt ein knappes dreiviertelJahr zurück. Damals ging manauch gegen rechte Gewalt auf dieStraße. Der Verein »Soziale undpolitische Bildungsvereinigung«wurde vor einigen Jahren als Ant-wort auf ständig steigende neona-zistische Aktivitäten gegründet.

Nach dem Brandanschlag erfuhrman viel in den regionalen undüberregionalen Medien über dieVerhältnisse vor Ort. Dass dieseZustände nicht erst seit gesternherrschen, kommt jetzt manchmalzur Sprache. Zu groß ist das Er-schrecken über deutsche Normali-tät.

Limbach-Oberfrohna ist einenormale Stadt, nicht besondersauffällig, tönte es noch vor kurzemvon der Polizei. Besondere Auffäl-ligkeiten in Bezug auf eine rechteSzene gäbe es nicht. Die ausufern-de Gewalt gegen alternative undlinke Jugendliche wurde als alltäg-liche unpolitische Schlägereienvon den Verantwortlichen in derStadt dargestellt. Laut Oberbürger-meister müssen die Jugendlichennur mal miteinander reden.

Wer wirklich in Limbach-Ober-frohna unerwünscht ist, bekamman schon auf dem Weg zum Ver-sammlungsplatz mit. UnsinnigePolizeikontrollen und Auflagen für

Demonstrationsteilnehmer. Un-weit entfernt durften in aller RuheNeonazis die verhassten „Linken“beobachten - unbehelligt von derPolizei. Auf Nachfrage bei einemBeamten, warum das so ist, kamkurz und knapp die Antwort, es sei-en doch normale Jugendliche, undprovozieren würden sie doch auchnicht.

Zu den Teilnehmern der Demon-stration gehörten auch der Bundes-tagsabgeordnete Jörn Wunderlich(DIE LINKE) aus Limbach-Ober-frohna und die sächsische Land-tagsabgeordnete Freya-MariaKlinger (DIE LINKE). Eine weite-re Solidaritätsbekundung gab esvom Förderverein »TolerantesSachsen«. Der Förderverein unter-stützt diverse Initiativen und ande-re Vereine, die sich gegen Rassis-mus und Nationalismus engagie-ren. Das 10. Landestreffen fandaufgrund der derzeitigen Situationin Limbach-Oberfrohna statt. Eini-ge Teilnehmer nahmen die Gele-genheit war und beteiligten sich amSonnabend an der Demonstration.

Ein Mitarbeiter vom KulturbüroSachsen berichtete von einem Er-lebnis am Abend vor der Demo. Erwar mit einigen Teilnehmern derPodiumsdiskussion im Vorfeld des10. Landestreffens noch in derStadt unterwegs. Vor einer Kneipeprovozierten mehrere Neonazismit »Sieg Heil«-Rufen und dem

Zeigens des Hitlergrußes. Die in-formierte Polizei unternahmnichts. Die Beamten wollten nichtsgesehen haben.

Es ist erschütternd, was man ausGesprächen mit Demonstrations-teilnehmern erfuhr. Viele, die wiransprachen, kamen auf unter-schiedliche Art und Weise mit neo-nazistischer Gewalt in Kontakt.Der Bundestagsabgeordnete JörnWunderlich erzählte, weil sich seinSohn in der Punkszene bewege,gab es schon einen Angriff auf seinHaus. Es wurden Fensterscheibeneingeschlagen. Sein Sohn wurdeaufgefordert, aus dem Haus zukommen. An diesem Abend sollensich etwa 30 Neonazis, teilweisemit Eisenstangen bewaffnet, in dernäheren Umgebung aufgehaltenhaben. Bei der Vernehmung einesTäters gab dieser freimütig an:»Wir sind losgezogen, um Zeckezu klatschen.«

Ohne Punks und andere gäbe esauch keine Nazis. So scheint es hierdie weit verbreitete Meinung unterden »normalen Bürgern« zu sein.Auf die Frage, was er von der Si-tuation halte, antwortete einer derwenigen Zaungäste: »Das Gesin-del mit den bunten Haaren ist dochselber schuld.«

Drei Tage nach der Demonstra-tion stellte sich ein Täter den Straf-verfolgungsbehörden.

…Wenn es Punks und die Bil-dungsvereinigung nicht gebenwürde, wäre Limbach-Oberfrohnaschon längst »National BefreiteZone«!

Peter Geyer

WWeennnn eess ddiiee PPuunnkkss nniicchhtt ggääbbeeLimbach-Oberfrohna: Proteste nach dem Brandanschlag

Der VVN-BdA Sachsen nahmdie Entscheidung des Alter-nativen Kultur- und Bildungs-zentrums (AKuBiZ) Pirna, dieAnnahme des SächsischenFörderpreises für Demokratiezu verweigern, mit Respektund Achtung zur Kenntnis.Die Koppelung einer Aus-zeichnung für bürgerschaftli-ches Engagement an eine Ge-sinnungsprüfung der Auszu-zeichnenden und ihrer Part-ner steht dem eigentlichenZweck dieser Würdigung dia-metral gegenüber.

Die Spende des Freundeskrei-ses der Amadeu-Antonio-Stif-tung für das AKuBiZ, mit der dieweitere Arbeit dieses Zentrumsmateriell gestützt wird, findetunsere Hochachtung. Auch wirsind bereit, das Zentrum nachunseren Kräften zu unterstüt-zen. Wir standen und stehen ander Seite der Freunde des AKu-BiZ, wenn es um die Zurück-drängung des Neofaschismus,die Verhinderung neonazisti-scher Propaganda und Aufmär-sche geht.Wie dem Evangelischen Pres-sedienst vom 12.11.2010 zuentnehmen war, wurden demAKuBiZ Verbindungen zu Links-extremisten und zur VVN-BdAvorgeworfen,was zur Forderungeiner ominösen Anti-Extremis-mus-Erklärung führte. Für unse-ren Verband weisen wir den Vor-wurf, extremistisch zu sein, ent-schieden zurück. Die Urhebereiner solchen irrigen Einschät-zung fordern wir auf, diese Un-terstellung mit Fakten aus derTätigkeit des VVN-BdA Sachsenzu belegen. Dazu stellen wir ih-nen gern unsere Landessat-zung und unsere Publikationenzur Verfügung. Wir bieten demsächsischen Landesamt fürVerfassungsschutz Gesprächean, bei denen wir unsere Kon-formität zur Verfassung desFreistaates sowie zum Grund-gesetz nachweisen werden.

Peter GiersichSprecher VVN-BdA Sachsen

VVN-BdA Sachsen gegenExtremismus-Vorwurf

Respekt für AKuBiZ Pirna

Limbach-Oberfrohna im November 2010: Jugendliche Protestierer rettendas Ansehen der Gemeinde. Bild: privat

V.i.S.d.P.: Peter GiersichRedaktion: Landesvorstand SachsenZuschriften bitte anVVN-BdA SachsenWettiner Platz 1001067 DresdenE-Mail: [email protected]

Was ist hier eigentlich los?

Polizei drückt beide Augen zu

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HESSENAUS DEN LANDESVEREINIGUNGEN UND MITGLIEDSVERBÄNDEN

BEILAGE · JANUAR/FEBRUAR 2011 6 antifa

Am Samstag, den 30. Oktober2010 fand im AWO-Zentrum inFrankfurt/M. die Landesver-sammlung der VVN-BdA Hessenstatt, auf der sehr konkret undhandlungsorientiert die Aufga-ben antifaschistischer Politikdiskutiert wurden.

Der Landesbezirksvorsitzende desDGB Hessen-Thüringen, StefanKörzell, unterstrich in seinem aus-führlichen Grußwort die enge Ver-bundenheit von DGB und VVN-BdA im Handeln gegen Rechts. Erverwies auf die Bedrohung durchNeonazis, wie sie konkret in Nord-hessen in den vergangenen Mona-ten deutlich wurde. Gleichzeitigforderte er die VVN-Mitgliederauf, aktiv den gewerkschaftlichenProtest gegen die Demontage desSozialstaats zu unterstützen. In sei-nem Grußwort überraschte er dieGäste mit der Information, dass vorwenigen Tagen nach über 60 Jah-ren der SPD-Parteivorstand denUnvereinbarkeitsbeschluss mit derVVN aufgehoben habe.

Körzell forderte erneut ein Ver-bot neofaschistischer Parteien undOrganisationen, dazu zählten fürihn Parteien wie die NPD. »Grup-

pen wie die freien Kameradschaf-ten, die besonders in Ost und Nord-hessen ihr Unwesen treiben, gehö-ren ebenso dazu. Ihre Brutalitätmacht selbst vor Polizisten nichtHalt. Unerträglich waren und sindaber auch die Überfalle auf ein Ju-gendzeltlager in Nordhessen vorzwei Jahren und der Angriff auf ei-nen Gewerkschafter während sei-ner Heimreise von einer Demon-stration in Dresden auf einer Auto-bahnraststätte in Thüringen.«

Diesem Treiben müsse der Ge-setzgeber endlich ein Ende ma-chen. Innenminister Boris Rheinkönne hier einen Akzent setzen undsich damit von seinem Vorgänger,dem jetzigen Ministerpräsidenten,

abheben. In dem Zusammenhangäußerte sich Körzell besorgt überzunehmende rechtsextreme Ein-stellungen auch in der breiten Be-völkerung. Eine neue Studie derFriedrich-Ebert Stiftung zeige,dass immer mehr Deutsche eindeu-tig rechtsextreme und rassistischeMeinungen hätten.

»Wenn mehr als ein Drittel derdeutschen Bevölkerung sagt, Aus-länder kommen nur, um den Sozi-alstaat auszunutzen und müssenwieder nach Hause geschickt wer-den, wenn die Arbeitsplätze knappwerden, dann besteht dringenderHandlungsbedarf.«

In der derzeitigen Integrations-debatte können nach Körzells Mei-nung die Gewerkschaften eine Vor-bildrolle übernehmen. Nirgendshabe die Integration so gut funktio-niert wie in den Betrieben und Ver-waltungen. Dort hätten Migrantin-nen und Migranten auch aus Nicht-EU-Ländern schon seit 30 Jahrendas aktive und passive Wahlrecht.Das müsse auch in den Kommunenumgesetzt werden, so der DGB-Chef.

In der engagierten Debatte aufder Konferenz ging es um lokaleErfahrungen in der antifaschisti-schen Arbeit und um die Stärkungder Organisation. Dabei wurdenauch die Probleme der Aktivierungvom Mitgliedern und der Einbin-dung jüngerer Antifaschisten nichtausgeklammert. Ausführlich wur-de die Arbeit mit der Ausstellung»Neofaschismus in Deutschland«vorgestellt und die gedenkpoliti-sche Arbeit bilanziert.

Zum Abschluss verabschiedetendie Teilnehmenden die folgendeResolution:

»Die VVN-BdA Landesver-sammlung Hessen unterstützt dieInitiative zur Errichtung einer Ge-denkstätte KZ Katzbach/Adler-werke, Frankfurt am Main. Wirbringen in die Diskussion insbe-sondere die Entschließung desEuropäischen Parlaments vom11. Februar 1993 ›Konzentrati-onslager als historische Stätten‹ein und informieren die politischeVerantwortlichen und die hessi-schen EU-Abgeordneten dar-über.«

»»NNeeooffaasscchhiissttiisscchhee GGrruuppppeenn vveerrbbiieetteenn!!««DGB-Vorsitzender Stefan Körzell bei der Landesversammlung der VVN-BdA Hessen

In einer Zeit, in der Fremden-feindlichkeit und Rassismus zu-nehmend in der Mitte der deut-schen Gesellschaft Wirkung zei-gen, in der fremdenfeindlicheStraftaten, wie auch insbeson-dere antisemitische Hetzparolenund Übergriffe zunehmen, ist esbesonders wichtig eine so er-probte und erfahrene antifaschi-stische Organisation wie dieVVN-BdA an der Seite der Ange-griffenen zu wissen. Der großeMax Willner war bis zu seinem To-de Mitglied.Übergriffe und Hetze sind keinausschließlich deutsches Phä-nomen. Die Wahlerfolge rechterParteien in liberalen Ländern wieSchweden und den Niederlan-den, so wie auch die französi-schen Maßnahmen gegen Sinti

und Roma erfüllen uns gemein-sam mit Sorge und Empörung.So sicher wie Faschismus keineMeinung, sondern ein Verbre-chen ist, so wichtig ist es, auchim vereinten Europa, den Vertre-tern braunen Ungeistes keinenFußbreit Raum zu lassen. DasErbe des deutschen Widerstan-des ist Teil der stolzesten Tradi-tion der deutschen Geschichte.Ihr verwaltet das politische Erbevon Männern wie Emil Carle-bach, Peter Gingold und AlfredMarchand. Als Juden und Wider-standskämpfer bleiben sie Vor-bilder.

Dr. Jürgen Gideon RichterVorsitzender des Landes-

ausschusses der Jüdischen Gemeinden in Hessen

»Dem braunen Ungeist keinen Raum!«Grußwort der Jüdischen Gemeinden Hessens an die VVN-BdA-Konferenz

Mitglieder des Landes-sprecherinnen- und -Sprecher-Kreises (Landesvorstand):Peter Altmann, Dieter Bahn-dorf, Rolf Heinemann, KamranNemati, Barbara Leissing, Cor-nelia Roch, Peter ChristianWalther

KassiererinMonika Kanzler-Sackreuther

Mitglied im Bundesaus-schussPeter Christian Walther, stell-vertretend Dieter Bahndorf

RevisionskommissionPeter Lob, Jan Stemme

BeschwerdekommissionOttilia Altmann, Alexa Stolze,Horst Koch-Panzner

Alle Wahlen erfolgten einstim-mig.

Wahlergebnisse der LDK Hessen

Unsere Gäste aufder LDK: StefanKörzell (r.), Vorsit-zender des DGBHessen-Thüringen,neben ihm ThomasWillms, Bundesge-schäftsführer derVVN-BdA, der dieneue Neo-Faschis-musausstellungvorstellte. Bild: Kamran Nemati

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HESSENAUS DEN LANDESVEREINIGUNGEN UND MITGLIEDSVERBÄNDEN

BEILAGE · JANUAR/FEBRUAR 2011antifa 7

zum Faschismus ist auch auf öffentlichenGebäuden präsent – das Foto stammt aus Friedberg. Bild: HeinemannUUnnsseerree AAuussssaaggee

EErrffoollggrreeiicchheerr SSttaarrtt iinn NNoorrddhheesssseennNeue Neofaschismus-Ausstellung der VVNEtwa 50 Besucher aller Alters-gruppen fanden sich am 30.No-vember 2010 im Kasseler Ge-werkschaftshaus ein, um Infor-mationen über die aktuelle Si-tuation der faschistischen Kräf-te in Nordhessen zu erhalten.

Die Veranstaltung von Arbeit undLeben, DGB Region Nordhessenund VVN-BdA KreisvereinigungKassel, auf der Sozialwissen-schaftler Helge von Horn einenÜberblick zum Organisationsgradund zum Auftreten von Neonazis inStadt und Landkreis Kassel sowieim Schwalm-Eder-Kreis gab, wardie Eröffnungsveranstaltung fürdie Präsentation der Ausstellung»Neofaschismus in Deutschland«in verschiedenen Orten Nordhes-sens.

Auch wenn durch die gewalttä-tigen Übergriffe auf Jugendliche in

einem Solid-Sommercamp oderdie Überfälle auf nordhessischeGewerkschafter nach der Dresden-Demonstration im Februar 2008die regionale Nazi-Szene bundes-weit in die Schlagzeilen geratenwar, sind hier die Strukturen nochweniger entwickelt. Besorgnisdürften aber die engen Kontakte zufreien Kameradschaften in Nieder-sachsen und in Thüringen auslö-sen. Hier finden die nordhessi-schen Neonazis ihre Netzwerke.

In seiner Begrüßung erläuterteUlrich Schneider für die KasselerKreisvereinigung der VVN-BdAdie Entstehung dieser fünften Aus-gabe der Neofaschismus-Ausstel-lung und betonte die Bedeutungder Verbindung zu den Gewerk-schaften in dieser Frage. HolgerKindler unterstrich als Vertreterdes DGB-Nordhessen, dass diePräsentation im Kasseler Gewerk-

schaftshaus erst der Auftakt für ei-ne Präsentation in verschiedenenStädten der Region darstellen wer-de. Auch das Projekt »Gewalt gehtnicht! – Wir im Schwalm-Eder-Kreis. Gemeinsam. Tolerant. Ak-tiv.« formulierte ein großes Interes-se, die Ausstellung im Frühjahr inJugendzentren und ähnlichen Ein-richtungen zu präsentieren.

Anfang Februar dieses neuenJahres wird sich dazu auch das»Bündnis gegen Rechts« treffen,um politische Initiativen im Rah-men des hessischen Kommunal-wahlkampfes zu diskutieren. DieNeofaschismus-Ausstellung ist da-bei ein wichtiges Instrument derpolitischen Aufklärungsarbeit.

U. Schneider

Nachhilfe gegen extreme RechteAufsätze zur Lehrerbildung in Sachen NeofaschismusIn der Vergangenheit haben wiruns als Antifaschisten mehrfachkritisch mit der hessischen Bil-dungspolitik beschäftigt. Dies-mal haben wir Grund zu loben.Das Amt für Lehrerbildung, dasfür die Ausbildung der Referen-dare, aber auch für die Fortbil-dung der Lehrkräfte zuständigist, veröffentlichte im Oktober2010 eine Aufsatzsammlungmit dem Titel »Schule mit Cou-rage – Rechtsextremismus alspädagogische Herausforde-rung«.

In dem Vorwort des Leiters desAmtes für Lehrerbildung heißt es

über die Entstehung dieses Buches:Es »ist das Ergebnis der intensivenArbeit einer 50-köpfigen Arbeits-gruppe aus Lehrkräften, Lehrkräf-ten im Vorbereitungsdienst, Aus-bilderinnen und Ausbilder der Stu-dienseminare, Lehramtsstudieren-den und Schülervertretern.«

Eingeleitet durch einem Beitragvon Klaus Moegling, der das The-ma in den Kontext der schulischenpolitischen Bildung einordnet, fin-den sich hier 16 Unterrichtsanre-gungen von der Klasse 8 bis zurgymnasialen Oberstufe. Die the-matische Bandbreite ist auffällig:Es geht um Spurensuche und Zeit-zeugeninterviews, wobei sowohldie Verfolgten, als auch die Mitläu-fer zum Reflexionspunkt werden.Zwei Beiträge beschäftigen sichmit der literarischen Verarbeitungder Thematik, so dass der Zugangnicht allein über das Fach Politik,sondern auch in Deutsch möglichist. Andere Unterrichtsentwürfe re-flektieren die Thematiken Men-schenrechte, Migration und Inte-

gration, Nahost-Konflikt oderStrukturen, Symbole und Musikder extremen Rechten.

Alle Projekte wurden praktischmit Klassen erprobt, bevor sie indiesem Sammelband aufgenom-men wurden. Der Sammelbandrichtet sich an den Praktiker in denSchulen, der Anregungen und Vor-schläge für die Umsetzung diesesThemas für den Unterricht sucht.

Die eigentlichen Motoren desProjekts waren Frank Ernemannund Geert Platner. Letzterer istmanchen noch ein Begriff, da ervor vielen Jahren mit Schülern dasThema »Schule im Dritten Reich«bearbeitete. In dem gleichnamigenBuch findet man u.a. die ein-drucksvollen Erinnerungen vonEmil Carlebach über Lernen im KZBuchenwald. Ulrich Schneider

Schule mit Courage – Rechtsextremis-mus als pädagogische Herausforderung,194 S., hrsg. vom Amt für LehrerbildungHessen, 2010ISBN 978-3-88327-586-4

Redaktion: Peter AltmannLandesverband der VVN-BdA-Hessen,Eckenheimer Landstr. 93, 60318 FfM,Tel. und Fax: (069) 5970524

Wir bitten um Spenden fürden Landesverband Hessen!Spendenkonto: VVN-BdA Hessen Postbank Frankfurt Kto-Nr. 49330-602 BLZ 5001006

Bei einer öffentlichen Anhörungim Innenausschuss des Hessi-schen Landtages ergab eine offi-zielle Bestandsaufnahme für dasvergangene Jahr rund 800rechtsextreme Straftaten.

Der Rechtsextremismus bei Ju-gendlichen sei zu einem dauerhaf-ten Problem geworden, erläuterteProfessor Benno Hafeneger vonder Uni Marburg. RechtsextremeGruppen, wie Kameradschaftenund die »Freien Kräfte Schwalm-Eder« treten inzwischen seit überzehn Jahren auf. Vornehmlich aufkommunaler Ebene gelinge es denRechten, Fuß zu fassen.

Der Wissenschaftler zitierte eineUmfrage, nach der rund ein Viertelder Befragten fremden- undschwulenfeindliche Einstellungenvertreten und sich gegen Obdach-lose und Langzeitarbeitslose wen-den.

RReecchhttsseexxttrreemmiissmmuussDDaauueerrpprroobblleemm uunntteerr JJuuggeennddlliicchheenn

800 Straftaten pro Jahr

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NORDRHEIN-WESTFALENAUS DEN LANDESVEREINIGUNGEN UND MITGLIEDSVERBÄNDEN

BEILAGE · JANUAR/FEBRUAR 2011 8 antifa

Die Entwicklung im Lande NRW,insbesondere in den Hochbur-gen der so genannten »Autono-men Nationalisten« in Aachenund Dortmund, hat zur alltägli-chen rechten Gewalt geführt,ohne dass die Polizei ausrei-chend darauf reagiert hätte.Jetzt schrecken uns Vorfälle ausDortmund, Düsseldorf und Wup-pertal erneut auf.

In Dortmund überfielen Nazis dieBesucher des Innenstadtlokals»HirschQ«. Aus Düsseldorf wirdmörderischer nazistischer Telefon-terror gemeldet. Und in Wuppertalmussten gewalttätige Nazis aus ei-

ner Kinoveranstaltung junger Leu-te entfernt werden. Da auch linkeAntifaschistinnen und Antifaschi-sten unter den Opfern waren, gabendie Polizeibehörden die skandalö-sen Darstellungen an die Medien,die diese dann auch treu und bravübernahmen: Dass es nämlich umRechts-Links-Zusammenstöße ge-gangen sei. Nach dem Motto: Packschlägt sich und Pack verträgt sichauch wieder?

Die VVN-BdA in Dortmund er-klärte dazu: »Es ist nicht längerhinnehmbar, dass Opfer aus NRWvon den Behörden nicht wenig-stens die Hilfe bekommen, wie sieandernorts üblich ist. Es sind Bera-tungsstellen zu schaffen, die derbesonderen Situation der Betroffe-nen nach einem rechten Angriff ge-recht werden.«

Darüber hinaus müsse die neueLandesregierung endlich umden-ken, sie müsse der Polizei klare An-weisungen geben, gegen den Nazi-terror vorzugehen. Denn Nord-rhein-Westfalen nehme seit vielenJahren den ersten Platz der absolu-ten Zahlen bei rechter Gewalt ein.Zu fordern ist die finanzielle Absi-cherung einer spezifischen Bera-tungseinrichtung für Opfer neofa-schistischer Gewalt in Nordrhein-Westfalen. Entsprechende Forde-rungen hat die Fraktion DIE LIN-KE jüngst auch im Landtag erho-ben.

Ulrich Sander

Die Premiere des Anti-Neonazi-Films »Das braune Chamäleon«des Medienprojekts im Cine-maxx in Elberfeld war Ziel einerNaziattacke. Die Veranstal-ter/innen und der Hausherrdes Kinos wollten die Präsenzder Nazis durch ein Hausverbotbeenden und riefen die Polizeian. Da diese nicht erschien,übernahm das Security-Teamdas Herausdrängen der Nazis,weitere antifaschistische Kino-gänger/innen schlossen sichan. Mit Erfolg: Nazis wurden an-gemessen abgewehrt. DieNachwuchsnazis um Mike Das-berg und Fabian Meyer holtenihre Waffen raus, Pfeffergaslö-scher und Schlagstöcke kamenzum Einsatz. Ein festgehalte-ner Nazi konnte der Polizeiübergeben werden.

Trotz des Misserfolges derNazis ist das Auftreten der Na-zis in dieser Größenordnungbesorgniserregend. Sie versu-chen seit einigen Monaten indie Offensive zu kommen. Anti-faschist/innen aus Wuppertalund Umgebung erklärten in ei-ner Mitteilung: »Daher wird dieantifaschistische Selbsthilfeimmer notwendiger.«

Was geschah in Wuppertal?

An einem Tag marschierten dieNazis für ihre »Meinungsfrei-heit« und kurz darauf mar-schierten sie gegen dieHirschQ-Besucher und verlet-zen sechs Menschen. Die Poli-zei kam sehr verspätet undstellte den Überfall auf das Lo-kal und seine Gäste als Ausein-andersetzung zwischen »Extre-misten« dar. Selbst die Teilnah-me eines vorzeitig freigelasse-nen Mörders an dem Angriffwurde verniedlicht. Verständ-lich, dass Antifa-Gruppen nachSelbstschutz rufen und den Rufnach § 129 und § 129a StGBwegen Bildung einer kriminel-len bzw. terroristischen Vereini-gung laut werden lassen. DieseParagraphen wurden allerdingsnicht gegen Nazis gemacht,sondern gegen die Rote Armee-Fraktion. Nur gegen angebliche»Linke« werden diese Paragra-phen angewendet. Dazu einSprecher der VVN-BdA: »Manstelle sich mal vor, die RAF be-anspruchte das Demonstrati-onsrecht wie die Nazis und grif-fe noch öffentlich ein Lokal undseine Gäste an – die würdenauf Nimmerwiedersehen imKnast sitzen.«

Was geschah in Dortmund?

AAnnttiiffaasscchhiisstt//iinnnneenn ffoorrddeerrnn eennttsscchhlloosssseenneess VVoorrggeehheennNach den Naziüberfällen von Wuppertal und Dortmund

Der Überfall auf das Lokal »HirschQ« wird im winterlichen Dortmund miteiner spontanen Demo beantwortet.

Sie wurde nie geworfen: Die Torte,die jetzt in Bochum zum viertenGerichtsprozess führte. Der linkeAktivist und Medienmacher Mar-tin Budich soll im Internet zu Ge-walttaten gegen Nazis aufgerufenhaben. Und zwar mittels einer Co-micfigur, die – je nach Sichtweise– eine Torte oder eine Bombe in derHand hält. Doch im vierten Prozessmachte das Landgericht demstaatsanwaltlichen und amtsrich-terlichen Unfug ein Ende. ZumFreispruch erklärte VVN-BdA-Aktivist und Ratsmitglied GünterGleising: »Das skandalöse Urteileiner Amtsrichterin hatte vor demBochumer Landgericht keinen Be-stand. Eine breite Protestbewegunghat mitgeholfen, dass ein Angriffauf die Meinungsfreiheit und aufpolitisches Engagement verhindertwurde.« Gefordert wird, dass dieStaatsanwaltschaft nun endlich aufRevisionen verzichtet.

Im Oktober lud der Förderkreis derMahn-und Gedenkstätte Düssel-dorf zu einer Exkursion zur We-velsburg nahe Paderborn ein.

Als Nebenresidenz der Pader-borner Fürstbischöfe erbaut, wurdedas Dreiecksschloss 1934 vonHimmler gepachtet und sollte dasideologische Zentrum der SS wer-den. Nur wenig davon entfernt be-fand sich das KZ Niederhagen, womindestens 1285 Menschen an dengrausamen Lebens- und Arbeitsbe-dingungen und den Misshandlun-gen der SS starben.

Die Wevelsburg ist ein Ort derOpfer ebenso wie ein Ort der Täter.Nachfolger der Letzteren »wallfah-ren« gelegentlich dorthin, nicht zu-letzt wegen der in der Nazimystikbekannten »Schwarzen Sonne«,ein Symbol, das in den Boden desSchlossturms eingelassen ist.

Die neue Dauerausstellung prä-sentiert auf 850 qm Ausstellungs-fläche weltweit zum ersten Mal dieGesamtgeschichte der SS. Der Hi-storiker Oliver Nickel gestaltet dieFührungen mit großer Sachkennt-nis und viel Engagement.

BBiizzaarrrreerr PPrroozzeessssggiinngg iinn vviieerrttee RRuunnddee

Landgericht Bochum:

AAuusssstteelllluunngg zzuurr GGeesscchhiicchhttee ddeerr SSSS

Gedenkstätte Wevelsburg:

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NORDRHEIN-WESTFALENAUS DEN LANDESVEREINIGUNGEN UND MITGLIEDSVERBÄNDEN

BEILAGE · JANUAR/FEBRUAR 2011antifa 9

Klaus Wallow, Mitglied desGeschäftsführenden Landes-ausschusses aus Brecker-feld, hat uns im Alter von 72Jahren für immer verlassen.

Jürgen Schuh sagte in seinerRede bei der Trauerfeier: »Sei-ne Freundinnen und Freundevon der VVN-BdA NRW trauernmit seiner Familie um den Ver-lust eines nicht zu ersetzendenMenschen. Klaus hat spät zurFriedens- und Antifa-Bewegungund zur VVN-BdA gefunden,aber dann als entschiedenerAntifaschist und Antimilitarist.Wir werden unsere gemeinsa-men Erlebnisse in Mittenwaldnicht vergessen. Dort, bei un-seren Aktionen gegen den al-ten und neuen deutschen Mili-tarismus – an denen Klausmaßgeblich mitwirkte – wurdeuns der ganz große Schritt vonKlaus Wallow vom ehemaligenBerufssoldaten zum Antifaschi-sten und Antimilitaristen klar.«

Trauer um Klaus Wallow †

In Dülmen hat der Stadtrat am 16.Dezember 2010 die Ehrenbürger-schaften von Adolf Hitler, Franzvon Papen und Paul von Hinden-burg auf Antrag der SPD-Fraktioneinstimmig aberkannt. Vorange-trieben hatte dies Ortwin Bickho-ve-Swiderski, ein VVN-BdA-Akti-vist und Verdi-Sekretär. Anders alsdie Ortspresse schrieb darüber dieNeue Zürcher Zeitung, auch badi-sche und schwäbische Zeitungenberichteten.

Redaktion: Ulrich SanderLandesbüro der VVN-BdA NRW,

Gathe 55, 42107 Wuppertal,Tel.: (0202) 450629

Unser Spendenkonto: Pbk Essen,Konto 28212-435, BLZ 36010043

Interessierte Gäste sindgern gesehen. Wir bittenherzlich um Anmeldung.

VVN-BdALandesvereinigung NRWGathe 55,42107 Wuppertal,Tel.: (02 02) 45 06 29 und (02 11) 23 18 22E-Mail: [email protected] www.nrw.vvn-bda.de

Landesdelegierten-konferenz der VVN-BdA NRW

Samstag26. Februar, 10 Uhr

ver.di-Haus,Düsseldorf,Karlstraße 123-124

Bitte vormerken:

»Feldrabbiner in den deutschenStreitkräften des ersten Welt-krieges« lautete der Titel einerAusstellung der Stiftung NeueSynagoge in Berlin–Centrum Ju-daicum und dem VolksbundDeutsche Kriegsgräberfürsorgee.V. im Rathaus der Stadt Düs-seldorf.

Das ganze Projekt mutete selt-sam an. Die kaiserlichen Mord-brenner trugen auf ihren Koppel-schlössern mit Billigung der»christlichen« Kirchen »Für Gott,Kaiser und Vaterland«. Die Kir-chen segneten die Waffen, mit de-nen der »Erbfeind« zu erledigenwar: »Jeder Stoß ein Franzos…«.Die »Betreuung« tausender psy-chisch und physisch erledigterjunger Männer durch »Militärseel-sorger« hatte nur einen Sinn: Siewieder ins Maschinengewehrfeu-er zu jagen! Sonst hätten diese

»Menschenfreunde« den Dienstverweigern oder zur Desertion auf-rufen müssen.

Ausgerechnet nun »Feldrabbi-ner«, deren Aufgabe keine andereals der der »christlichen Militär-seelsorger« war, jetzt als Beweisfür ein »bis dahin nieerreicht(es)…Maß an Integrationund Emanzipation der jüdischenMinderheit…« zu bewerten, istschlicht pervers. Am 12.12.2010schrieb Kurt Pätzold zum 75. To-destag von Kurt Tucholsky in derJungen Welt: Denn »für einen an-ständigen Menschen gibt es inBezug auf seine Kriegshaltungüberhaupt nur einen Vorwurf:dass er nicht den Mut aufgebrachthat, Nein zu sagen«. Bekämpftwerden müssten alle, die für den»falschen Kollektivwahn« verant-wortlich gewesen waren, darunterdie »Feldprediger, Feldpastoren,Feldrabbiner«. J.Sch.

HHiittlleerr nniicchhtt lläännggeerrEEhhrreennbbüürrggeerr

Stadtrat Dülmen:

Der designierte neue Leiter derMahn- und Gedenkstätte Düs-seldorf, Dr. Bastian Fleermann,konnte anlässlich der Jahres-hauptversammlung des Förder-kreises der Gedenkstätte beru-higen: Die Gedenkstätte wirdnicht geschlossen.

Die Umbaumaßnahmen, die sichaus der bedauerlichen Übernahmedes Stadthauses Mühlenstraße 29durch einen Hotelkonzern ergeben,sind zeitlich nicht einzugrenzen.Sie sollen aber die wichtige Arbeitder Gedenkstätte nicht zum Erlie-gen bringen. Die seit der Gründungvor 25 Jahren für die Gedenkstätteverantwortliche Angela Gengerwurde mit herzlichen und anerken-nenden Worten verabschiedet.

Die VVN-BdA Düsseldorf, diebereits die Initiative zur Gründungder Gedenkstätte nach Kräften un-terstützte, will dieser auch künftignach Kräften helfen.

Dr. Bastian Fleermann stellte einvielfältiges inhaltliches Programm

der Mahn- und Gedenkstätte in derUmbauphase vor. Benannt wurdeneinige Schwerpunkte. Unter ande-ren der 30. Juni 1980, der Tag derUrteilsverkündung im Majdanek-Prozess im Landgericht Düssel-dorf.

Damals wollte der VorsitzendeRichter das Verfahren mit den er-sten Freisprüchen den langwieri-gen Prozeß »im Namen des Vol-kes« beenden. Jürgen Schuh rief:»Im Namen des Volkes erkläre ichdieses Gericht für abgesetzt!«Schließlich besetzten 500 Antifa-schistInnen den Gerichtssaal undmit dem Moorsoldatenlied (dieScheiben klirrten im Gerichtsge-bäude Mühlenstraße) und zogenunter den Augen total entnervterPolizisten zur Gedenktafel der ehe-maligen Synagoge in der Kaser-nenstraße. Am nächsten Tag be-richtete die Weltpresse – u.a. dieWashington Post – über die peinli-che Beendigung der Urteilsverkün-dung im Majdanek-Prozess.

J. Sch.

Als der Rabbi hetzen halfSeltsam: Ausstellung über Feldrabbiner

Mahn- und Gedenkstättebleibt erhaltenAusstellung zum Majdanek-Prozess geplant

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NIEDERSACHSENAUS DEN LANDESVEREINIGUNGEN UND MITGLIEDSVERBÄNDEN

BEILAGE · JANUAR/FEBRUAR 2011 10 antifa

AAnnttiiffaasscchhiisstt ssttaatttt KKoolloonniiaalliisstt::NNeeuueerr NNaammeennssggeebbeerr ffüürr WWiißßmmaannnnssttrraaßßee64 Stolpersteine zieren ehemaliges jüdisches Viertel in Hannovers SüdstadtDie Wissmannstraße in Hanno-vers Süden liegt in einem be-schaulichen Viertel und ist mitReihenhäusern mit Klinkerfassa-den aus den 1920er-Jahren be-baut. Zwei davon, die Hausnum-mern 11 und 13, gehörten einerjüdischen Stiftung. Hier lebten132 jüdische Menschen. Allewurden von den Nazis darausvertrieben, 64 von verschlepptund ermordet oder flüchtetensich in den Tod.

Zum Gedenken an diese Bewohnerspendete die Deutsch-IsraelischeGesellschaft 64 Stolpersteine, dieam 20. Oktober durch den Bildhau-er Gunter Demnig vor den Häusernverlegt wurden. Anwesend warauch Ruth Gröne. Sie verlebte ihreKindheit in Nr. 11 als Ruth Klee-

berg. Ihr Va-ter war dortals Haus-meister tä-tig. Er wurde 1944 deportiert undverstarb 1945, vermutlich ohne dieBefreiung noch zu erleben. Sieselbst blieb als »Halbjüdin« vordem Schlimmsten verschont, da ih-re Mutter wieder zum Christentumübergetreten war.

Umrahmt wurde die Verlegungder Steine durch eine Feierstundeu.a. mit Ansprachen des Oberbür-germeisters und des Bezirksbür-germeisters. Ein jüdischer Kantorbeschloss die Stunde mit dem tra-ditionellen Totengebet.

Bezirksbürgermeister LotharPollähne kündigte in diesem Zu-sammenhang an, dass am 8. No-vember eine »Umwidmung« desStraßennamens Wissmannstraßevorgenommen werden solle. Damithat es die folgende Bewandtnis: ImZentrum des Viertels lag der Carl-Peters-Platz, benannt nach dem be-rüchtigten Kolonialverbrecher, derin Ostafrika sein Unwesen getrie-ben hatte. Die Faschisten hattenihm zusätzlich ein Denkmal errich-tet, das zur Erneuerung des deut-schen Kolonialismus aufrief. Erstnach zähen Auseinandersetzungenmit einigen Anwohnern, die sogardas Oberlandesgericht beschäftig-ten, war es gelungen, diesen Platznach Bertha von Suttner zu benen-nen.

Nun gab es in der Nachbarschaftnoch zwei Straßen, in denen dieeinstigen kolonialen Ambitionender deutschen Imperialisten gefei-ert wurden, die Nachtigalstraße,

benannt nachdem »Afrikafor-

scher« und Kolonial-beamten Gustav Nachti-

gal und eben die Wissmannstraße,benannt nach Hermann von Wiss-mann, der sich u.a. in »Deutsch-Ostafrika« durch besondere Bruta-lität hervorgetan hatte.

Die Bezirksratsmehrheit ausSPD und Grünen suchte nun nacheinem Weg zur »Entkolonialisie-rung« dieser Straßen ohne solchenjuristischen Aufwand. Sie fand ihndurch die Forschung nach namens-gleichen honorablen Personen. ImFalle Nachtigal stieß sie auf denTheologen und Volksmärchen-sammler Johann Karl ChristophNachtigal (1753-1819).

Bei Wissmann wurde sieschließlich in Ludwigsburg fündig:Hermann Wissmann, Kommunistund Arbeitersportler, geboren 1902wurde im März 1933 zusammenmit anderen Genossen von KPDund SPD verhaftet und in das KZHeuberg bei Stetten am kaltenMerkt auf der schwäbischen Albverschleppt. Dort verstarb er unterdem brutalen Regime der SA. InLudwigsburg erinnert ein Stolper-stein an ihn. Seit dem 8. Novemberist die gleichnamige HannoveranerStraße nach dem württembergi-schen Naziopfer benannt.

Reinold Weismann-Kieser

Artikel und Fotos für die antifa-Nie-dersachsenseite bitte bis zum 8. ingeraden Monaten immer an [email protected] Landesvereinigung Niedersachsen Rolandstraße 16, 30161 Hannover,Tel.: (0511) 331136Fax: (0511) 3360221E-Mail: [email protected].

Redaktion: Michael Rose-GilleWenn Ihr weiterhin Informationen derVVN-BdA erhalten wollt, teilt uns bittenach einem Umzug o.ä. Eure neueAdresse mit. Danke!Wir würden uns über Spenden für dieArbeit unserer Landesvereinigungauf das Konto mit der Nr. 7510-307bei der Postbank Hannover, BLZ250 100 30, sehr freuen.

NRW

Die VVN-BdA-Aktivisten vonDüsseldorf hofften, die PariserKralik-Ausstellung im Mai 2011in Düsseldorf zum 111ten Ge-burtstag von Hanns Kralik prä-sentieren zu können. Die Mehr-heitsfraktion von CDU/FDP imDüsseldorfer Rat verweigerte je-doch die Förderung der von Süh-nezeichen und VVN-BdA in Parisgezeigten Ausstellung.

Die versprochene Zahlung von3000 Euro wurden mit der fal-schen Begründung, die VVN-BdAwürde vom Verfassungsschutz be-obachtet, abgelehnt. Den Antragder Fraktionen von SPD, Bündnis90/Die Grünen und DIE LINKE,dies überprüfen zu lassen, ließBürgermeister Conzen (CDU) erstgar nicht zu. Ein Blick in den Ver-fassungsschutz-Bericht NRW von2009 hätte genügt, dass dort dieVVN-BdA keine Erwähnung findet.In einem Brief des Innenministeri-ums wurde der VVN-BdA aus-drücklich versichert, eine solche

Erwähnung sei auch nicht geplant.Jürgen Schuh von der VVN-BdAsagte dazu: »Unseren PariserFreundinnen und Freunden wirdschwer erklärbar sein, dass dieStadt Düsseldorf für ihren erstenKulturdezernenten nach 1945und seine Frau Lya – beide Rési-stance-Kämpfer – keine 3000Euro übrig hat. Da werden maleben am Rande 1,5 MillionenEuro für ein provisorisches Fortu-na-Stadion locker gemacht, damitder Jodel-Wettbewerb – ›Eurovisi-on Song Contest‹ – in Düsseldorfstattfinden kann. Und 3000 Eurofür antifaschistische Kunst sindnicht drin? Peinlich,peinlich! Dochauch ohne die Stadt Düsseldorfhaben wir mit Hilfe der evangeli-schen Kirche des Rheinlands undder Rosa-Luxemburg-Stiftung diePariser Ausstellung geschultert.«

J. Sch.

Der Katalog der Pariser Ausstellung,DIN A4, 70 Seiten, 5 Euro, ist über dasVVN-BdA-Landesbüro erhältlich.

Kralik-Schau nicht in Düsseldorf?Affront gegen das Andenken an den Widerstand

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BEILAGE · JANUAR/FEBRUAR 2011antifa 11

»»DDiiee DDeeuuttsscchheenn uunndd ddiiee ZZwwaannggssaarrbbeeiitteerr««Peiner Gruppe besucht Ausstellung in Berlin

23 Peinerinnen und Peiner be-suchten die Ausstellung»Zwangsarbeit. Die Deutschen,die Zwangsarbeiter und derKrieg« im Jüdischen Museum inBerlin. Sachkundiger Führer warDr. Jens Binner, der an der Er-stellung mitgewirkt hatte. Orga-nisiert hatten die Fahrt der DGBPeine, die VVN-Bund der Antifa-schistinnen und Antifaschisten,der Kreisheimatbund und dasBündnis für Zivilcourage und To-leranz.

Im Zweiten Weltkrieg wurden inDeutschland auf nahezu jeder Bau-stelle und jedem Bauernhof, in je-dem Industriebetrieb und auch inPrivathaushalten Zwangsarbeiterausgebeutet. Dort wie in den be-setzten Gebieten mussten insge-samt über 20 Millionen Männer,Frauen und Kinder aus ganzEuropa als »Fremdarbeiter«,Kriegsgefangene oder KZ-Häftlin-ge Zwangsarbeit leisten.

Die Exponate zeigen, dass dieZwangsarbeit von Beginn an Teilder rassistischen Gesellschaftsord-nung des NS-Staates war: Die pro-pagierte »Volksgemeinschaft« unddie Zwangsarbeit der Ausländer –beides gehörte zusammen.

Die Arbeitskräfte galten alsKriegsbeute. Für den Bau des uto-pischen Atlantikwalls, der nie fer-tig gestellt wurde, hatten deutscheFirmen 39 Lager für französischeund sowjetische Zwangsarbeitererrichtet. Der Alltag war lebensbe-

drohlich. Im Osten war jedes Mit-tel recht, die Arbeitskräfte insReich zu holen. Dazu zählten bru-tale Razzien und systematischeGewalt.

In der zweiten Kriegshälftemussten z.B. in den Kölner Sidol-Werken auch 70 sowjetische Kin-der und Jugendliche arbeiten. Esgab eine Altersgrenze von zehnJahren, manchmal wurde diesenoch unterschritten.

Doris Wanke sagt: »Ich bin er-griffen und bewegt. Ich wusste z.B.nicht, dass es in Braunschweig ei-nen Friedhof der toten Kinder vonZwangsarbeiterinnen gab.« Und Ir-mela Nowacki folgerte: »Es ist un-begreiflich, was Menschen ande-ren Menschen angetan haben. Esfreut mich, dass die europäischenLänder heute gut zusammenarbei-ten.« Und der ehemalige VöhrumerPastor Gerhard Williges brachte es

auf den Punkt: »Zwangsarbeit fandin aller Öffentlichkeit statt. Dasganze Volk war schuldig.«

Die Ausstellung bringt eineüberraschende Zahl von Fotodoku-menten an den Tag, die in ihren hi-storischen Kontext eingebettetwerden und zugleich die Würde derOpfer wahren. Besondere Auf-merksamkeit legt die Ausstellungauf die Beziehung der Deutschenzu den Zwangsarbeitern. Sie zeigt,dass Deutsche sich entscheidenmussten, wie sie den Zwangsarbei-tern entgegen treten sollten: mit derUnerbittlichkeit und Kälte einerrassistisch motivierten Ideologieoder mit einem Rest an Mit-menschlichkeit.

Die Dokumentation wird nochbis Ende Januar 2011 gezeigt, an-schließend wird sie in den europäi-schen Hauptstädten ausgestellt.

Peter Baumeister

»Nie wieder Faschismus – Niewieder Krieg« so lautet die hi-storische wie aktuelle Bot-schaft der Vereinigung der Ver-folgten des Naziregimes – Bundder Antifaschisten – und zwarauch zum »Volkstrauertag«. Wiein den letzten Jahren richtetedie Lüneburger Kreisvereinigungder VVN-BdA eine Gedenkveran-staltung am Ehrenmal im Tier-garten aus, um dort aller Opferdes Faschismus zu gedenken.

Im Lüneburger Tiergarten wurden1945 über 230 KZ-Häftlinge be-graben, die in Lüneburg ermordetwurden oder bei einem Luftangriffums Leben kamen.

Mit der Veranstaltung am»Volkstrauertag« soll an die Men-schen erinnert werden, die bei denoffiziellen Veranstaltungen zu-meist verschwiegen oder mit dendeutschen Soldaten – den Tätern –in einem Atemzug genannt werden.Die Lüneburger VVN-BdA wendetsich entschieden gegen die Verdre-hung der Täter zu Opfern. Auch solldie Veranstaltung ein Zeichen ge-gen Kriege – gestern wie heute –sein und ein Aufruf gegen Nationa-lismus, Rassismus und Antisemi-tismus in den heutigen Tagen dar-stellen.

Rund 40 Menschen nahmen indiesem Jahr an der Veranstaltungteil. Für die Landesvereinigung derniedersächsischen VVN-BdAsprach die LandessprecherinMechthild Hartung aus Wolfsburg.Für die Stadt Lüneburg und die Lü-neburger SPD sprach die Ortsver-eins-Vorsitzende und Ratsfrau Hil-trud Lotze.

Olaf Meyer von der LüneburgerKreisvereinigung der VVN-BdAbedankte sich bei der Therapeuti-schen Gemeinschaft Wilschen-bruch, deren Bewohnerinnen undBewohner seit Jahren das Geländedes Ehrenmals pflegen.

In diesem Jahr wurden außer-dem Bilder von Helga Weissováausgestellt, die die Pragerin als 10-bis 13-Jährige im KZ Theresien-stadt gezeichnet hat. Traditionellwurde die Veranstaltung mit demHäftlingslied »Die Moorsoldaten«abgeschlossen.

www.vvn-bda-lg.de

VVoollkkssttrraauueerrttaagg iimmTTiieerrggaarrtteenn

Gedenken in Lüneburg:

Heimatforscher, Gewerkschafter und Antifaschisten aus Peine besuchten das Jüdische Museum. Bild: Peter Lenz

Landesdelegiertenkonferenz der VVN-BdA Niedersachsen

Samstag/Sonntag,19./20. Februar,in HustedtDie Kreisvereinigungen, die dies bisher noch nicht getan haben,melden bitte bis zum 15. Januar die Namen ihrer Delegierten ansLandesbüro, damit wir Einladung und Unterlagen fristgemäß zu-senden können. Der Delegiertenbeitrag wird 30 Euro betragen.

Bitte vormerken:

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BEILAGE · JANUAR/FEBRUAR 2011 12 antifa

Im ersten Stock des früherenRathauses Kreuzberg in derYorckstrasse hängt, wenig be-achtet, eine große Gedenktafelaus Holz mit den Namen von100 Kreuzberger Opfern des Fa-schismus. Sie entstand 1947auf Initiative des KreuzbergerOdF-(Opfer des Faschismus)-Be-zirksausschusses.

Die darauf verzeichneten Personenmit deren Sterbedaten und -ortengehen auf Angaben von 1946/47 inKreuzberg wohnenden Hinterblie-benen ermordeter und verstorbenerVerfolgter des Naziregimes zu-rück. Es gab viel mehr Opfer desFaschismus in Kreuzberg. Manweiß nicht, nach welchen Ge-sichtspunkten die Auswahl der Na-men vorgenommen wurde.

Die Gedenktafel als ein bedeut-sames (zeit)geschichtliches Doku-ment bedurfte, soll sie heute denBesuchern etwas sagen, einer zeit-gemäßen Erläuterung. Dafür ent-wickelten wir gemeinsam mit»Lehmann & Werder Museums-medien« ein Projekt, das neue Me-dien einbezieht und an aktuelle Re-zeptionsgewohnheiten anknüpft.Über einen neben der Gedenktafelinstallierten Touchscreenmonitorerscheint durch Berühren der Na-men auf dem Bildschirm eine Bio-grafie und, falls vorhanden, einPorträtfoto sowie bis zu drei Fotosbzw. Dokumente. Als jugendge-mäßes Medium aber auch als Me-dium, das leicht zugänglich ist, bie-tet es Informationen in übersichtli-cher Form an und erlaubt es denzahlreichen Besuchern des Bürger-amtes, auch nur wenige Minutenein bisschen »durchzuzappen«.

Unsere langwierigen Nachfor-schungen in Archiven und Gedenk-

stätten, Gespräche mit Angehöri-gen, das Stöbern in Adress- und Te-lefonbüchern und im Internet ha-ben sich gelohnt. Bis auf wenigeAusnahmen verfügen wir nun überInformationen zum Lebensweg derauf der Gedenktafel abgebildetenPersonen.

Ihre nunmehr erarbeiteten Bio-grafien verdeutlichen, dass Kreuz-berg in der Weimarer Republik ei-ne Hochburg der Arbeiterbewe-gung und nach 1933 ein Zentrumvon Selbstbehauptung und vielfäl-tigem Widerstand gegen das Nazi-regime ist. Fast zwei Drittel derGenannten kommen aus dem Ar-beitermilieu. Über die Hälfte ge-hört vor 1933 Arbeiterparteienund/oder Organisationen in derenUmfeld an: überwiegend der KPD,aber auch der SPD, SAP, den Ge-werkschaften und dem Arbeiter-sport. Sie lassen sich von dem Ter-ror nicht entmutigen und führen imUntergrund ihren politischenKampf gegen das Naziregime wei-ter.

Aus Gefängnissen, Zuchthäu-sern und Konzentrationslagern ent-lassen, suchen sie häufig Kontaktzu früheren Gefährten, gewinnenneue Mitstreiter, einige werden inden Gruppen um Robert Uhrig,Herbert Baum, Anton Saefkow undHarro Schulze-Boysen aktiv.

Wir dokumentieren auch dasSchicksal von Wehrmachtsdeser-teuren, Zeugen Jehovas, Opfernder NS-»Euthanasie« und vonMenschen, die von ihren Nachbarnoder Kollegen denunziert wurden.

Die Tafel ist auch ein Dokumentdes Holocaust. Über ein Drittel derauf der Gedenktafel genanntenPersonen sind Juden: Angestellte,Gerber, Apotheker, Monteur, De-stillateur, Kaufleute, Schneider, In-genieur, Rechtsanwalt, Buchhalte-rin, Gewerbetreibende, Maurerund Schriftsetzer.

Ihre Wege in den Tod zeigen:Entrechtet, diskriminiert und stän-dig staatlicher Willkür ausgesetztsind sie vogelfrei, ihrer Existenzberaubt, arisiert ihre Geschäfte undGewerbe, zu Zwangsarbeit ver-pflichtet, müssen sie den Juden-stern tragen. Schließlich werdensie aus den Häusern geholt und indie Konzentrations- und Vernich-tungslager deportiert und ermor-det.

Mit den Biografien, den Fotosund Dokumenten, möchten wirnicht nur an den gewaltsamen Todder 100 Kreuzberger Opfer des Fa-schismus, sondern auch an ihr Le-ben in einer schweren Zeit erin-nern, ihnen wieder ein Gesicht ge-ben und sie dem Vergessen entrei-ßen.

Die Gedenktafel bzw. der sie er-läuternde Touchscreen bieten An-knüpfungspunkte für Informati-onsaustausch und -verbreitungnicht nur unter Jugendlichen undjungen Erwachsenen. Die biografi-schen Beispiele vermitteln Mecha-nismen und Dimensionen rassisti-scher, religiöser und politischerUnterdrückung und Verfolgungund können darüber zu einer Sen-sibilisierung für ähnliche Entwick-lungen heute anregen. Die Ausein-andersetzung mit der NS-Ge-schichte, die zeigt, welche Konse-quenzen Zuschauen, Mitlaufenund Ignoranz hatten, kann zur Stär-kung von Zivilcourage gegenRechts beitragen.

Unser Dank gilt der Stiftung»Evangelische Hilfsstelle für ehe-mals Rasseverfolgte«, dem Loka-len Aktionsplan Friedrichshain-Kreuzberg im Rahmen des Bun-desprogramms »Vielfalt tut gut –Jugend für Vielfalt, Toleranz undDemokratie« des Bundesministeri-ums für Familie, Senioren, Frauenund Jugend und der Stiftung Men-schenwürde und Arbeitswelt, diemit ihrer Förderung dieses Projekterst ermöglicht haben.

Hans Coppi, Frieder Böhne,Evelin Schmidt, Nicole Warm-

bold für die Berliner VVN-BdA

PPrroojjeekktt ggiibbtt NNaazzii--VVeerrffoollggtteenn eeiinn GGeessiicchhttEinladung zur Einweihung: Terminal informiert künftig über Kreuberger Naziopfer

Redaktion: Dr. Hans CoppiFranz-Mehring-Platz 1, 10243 BerlinTel.: (030) 29784178Fax: (030) 29784378Internet: http://berlin.vvn-bda.orgE-Mail: [email protected]

Wir bitten sehr um Spendenfür die Berliner VVN-BdAPostbank BerlinKonto-Nr: 315 904 105BLZ: 100 100 10

Arbeiterbewegung contra Naziregime

Unterdrückungsapparatwird verdeutlicht

Dank an Förderer des Projekts

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BEILAGE · JANUAR/FEBRUAR 2011antifa 13

»»DDaammaallss wwaarr ddiiee cchhrriissttlliicchh--jjüüddiisscchhee TTrraaddiittiioonn aabbrruupptt dduurrcchhbbrroocchheenn««72. Jahrestag der Pogromnacht 1938Etwa 500 Menschen, zahlreichejunge Antifaschist/innen, ältereund jüngere Mitglieder der Berli-ner VVN-BdA, fanden sich amfrühen Abend des 9.November2010 am Deportationsmahnmalan der ehemaligen Synagoge inder Levetzowstraße in Moabitein, um an die antisemitischenNovemberpogrome von 1938 inDeutschland und Österreich zuerinnern.

Auch Einwohner/innen aus demKiez – diese kennen die MoabiterDemonstration seit 20 Jahren – wa-ren dabei. Die Nazis hatten seit1941 die Synagoge als Sammella-ger für Berliner Jüdinnen und Ju-den auf dem Weg zu ihrer Deporta-tion in die Vernichtungslager miss-braucht. Aufgerufen hatten die An-tifaschistische Initiative Moabit(AIM) und die Berliner VVN-BdA, unterstützt von zahlreichenBerliner Antifa-Gruppen.

Seit 1990 setzt die AIM ein Zei-chen gegen den überschäumendenneuen deutschen Nationalismus,der die Erinnerung an die Opfer desNationalsozialismus zu überblen-den droht. Auch 20 Jahre später ste-hen in Berlin am 9. November dieFeierlichkeiten zum Jahrestag des»Mauerfalls« ganz oben auf derGedenk-Agenda. Sie vermittelndas Gefühl, das sich die Deutschenerst mit dem Wegfall des sichtbar-sten Menetekel des verloren Krie-ges befreit fühlten. Dies wäre aber

eine Befreiung ohne die Befreierder Anti-Hitler-Koalition, erklärteein Vertreter der AIM, und vor al-lem ohne die Menschen, die am8.Mai 1945 befreit wurden, dieÜberlebenden des Holocaust undder Besatzungspolitik der Deut-schen in den überfallenen LänderEuropas.

Marianne Kaufhold schilderteihre Erinnerungen an ihr Lebenund Überleben unter dem NS-Re-gimes: »1938 dann, ich war elf,

wurde ich abrupt aus der Klasse ge-holt und musste im Flur stehen,wusste gar nicht so richtig was loswar. Die offizielle Begründunglautete, dass deutschen Lehrernnicht zugemutet werden darf oderkann, jüdische Kinder zu unter-richten. Ebenso kann deutschenKindern nicht zugemutet werden,mit jüdischen Kindern in einemKlassenraum zu sitzen. […] Da-mals war die christlich-jüdischeTradition, auf die sich der Bundes-präsident Wulf kürzlich berief, ab-rupt durchbrochen. Entweder war

man deutsch, oder war man jü-disch.«

Kurt Hillmann berichtete: »Ge-boren 1933. Ja, ich bin einer vondenen. Ich musste einen Stern aufder Brust tragen, damit jeder sehenkonnte, dass ich Jude war. Die we-nigen Freunde, die man hatte, wur-den abgeholt, man stand allein ...Juden waren in allen Lebenslagen

ausgestoßen und so fühlte ich michauch. Man war nicht nur ein Frem-der, man war ein Feind. Elf Ange-hörige meiner Familie wurden inden Lagern ermordet. Ich bin dereinzige von ihnen, der überlebte,meine Mutter nicht.

Ich wurde von Freunden meinesVaters versteckt. Viele von denen,die die Vernichtung der Juden orga-nisierten und durchführten, habenüberlebt. Die meisten wurden niedafür zur Verantwortung gezogen.Wie auch – wenn die ehemaligenKameraden in einflussreichenStellungen in der Politik, der Wis-senschaft, der Justiz und Wirt-schaft saßen. Unser Außenmini-ster wundert sich heute über dasAusmaß der Verstrickung desAuswärtigen Amtes in den Juden-mord. Das wundert wiederummich. Was hat der Minister für ei-nen Geschichtsunterricht gehabt?Es gilt immer noch der Schwur vonBuchenwald, er ist noch nicht er-füllt.«

Zwischen den Redebeiträgenspielte das Berliner Klezmer Duo,und es wurden Blumen am Mahn-mal niedergelegt. Der Vorsitzendeder Berliner VVN-BdA, HansCoppi, erinnerte zum Abschlussder Gedenkkundgebung, dass sichan den Pogromen viele Menschenbeteiligen oder dem ungeheuerli-chen Treiben zusahen. Heute wür-den viele, die sich selbst in der»Mitte« der Gesellschaft verorte-ten, den rassistischen Thesen einesThilo Sarrazin zustimmen und da-mit, die Grundlagen eines friedli-chen Zusammenlebens fahrlässigzerstören. Erschreckend sei, wiesich mit medialer Unterstützungund Zustimmung aus weiten Teilender mehrheitsdeutschen Bevölke-rung ein gesellschaftlicher Rechts-ruck vollzieht. Dieses Deutschlandgehöre wahrlich abgeschafft.

Der Kundgebung schloss sicheine Demonstration durch Moabitan, die sich an dem Weg orientiert,den die Berliner Jüdinnen und Ju-den damals auf ihrem Weg zum De-portationsbahnhof Putlitzstraßegehen mussten.

Arthur Nähring

... immer am 3. Montag, ab 18.30 Uhr, immer im Café Sibylle.Karl-Marx-Allee 72, Berlin (U 5 zw. Strausberger Platz und Weberwiese)

Montag, 17. Januar 2011 Dr. Irene Runge, *1942 New York

»Mein Herz war halb Manhattan, halb Berlin«

Antifa - Jour FixeEin Abend mit der Berliner VVN-BdA...

»Kommunistenkind«, die Eltern kehren aus McCarthys USA nachDeutschland zurück, »fremd« war ein Gefühl, das Irene Runge alsKind von Westemigranten, in der jungen DDR, als Kind von Antifa-schisten unter Kindern von ehemaligen Nazis, und später als »Os-si« unter Wessis begleitet hat.

1990 gründete sie mit anderenden Jüdischen Kulturverein, der(West-) Berliner Jüdischen Ge-meinde oft zu unbegreiflich undauch zu links. Mit dem Vereinengagierte sie sich für die Ein-wanderung jüdischerMigrannt/innen aus der ehema-ligen Sowjetunion und empörtsich seither über jede Art vonFremdenfeindlichkeit.

Die Soziologin und Publizistinwird im Gespräch mit HansCoppi (*1942 Berlin) über sich,übers Altern, über Jüdisches,den Fremdenhass, das Kopftuchverbot, die Großstadt und dieKneipen erzählen. Wenn Zeit bleibt, gehen wir auf ihre Ankunft ausden USA 1949 in der DDR ein, auf das Leben und die Problemeder »zweiten Generation«, der »Kommunistenkinder«, mit denendie Eltern oftmals weder über ihre Vergangenheit noch die Proble-me und Widersprüche des realen Sozialismus reden konnten.

Unvergessen: Befreiungdurch Antihitlerkoalition

Täter blieben zumeist unbehelligt

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HAMBURGAUS DEN LANDESVEREINIGUNGEN UND MITGLIEDSVERBÄNDEN

BEILAGE · JANUAR/FEBRUAR 2011 14 antifa

»»AAbbsscchhiieeddsskkoonnzzeerrtt««mmiitt SScchhllääggeerreeii

Nazitreffen in Moorburg:

Die Moorburger Gaststätte»Zum alten Moorkathen« ist inVerruf geraten, weil dort regel-mäßig Konzerte mit der Hooli-gan-Band »Kategorie C« statt-fanden. Bis zu fünfhundert Leuteliefen dort auf, auch aus derNeonazi-Szene.

Jedesmal gab es Gegendemonstra-tionen und Polizeieinsätze. Nachdem letzten Auftritt der Hooligan-Band kündigte die städtische Woh-nungsbaugesellschaft SAGA, derdie Gaststätte gehört, den Pachtver-trag mit dem Wirt zum 31. Dezem-ber. Dieser verabschiedete sich aufseine Art: Am 10. Dezember tratdie Gruppe »Kneipenterroristen«vor rund 120 Gästen auf. Sie spiel-te überwiegend Lieder der inzwi-schen aufgelösten Band »BöhseOnkelz«. Gegen Mitternacht gab eseine Schlägerei, drei Personenwurden verletzt. Die Polizei löstedaraufhin das Konzert in Moorburgauf.

Jetzt wird befürchtet, dass dieseKonzerte nach Wöhrden bei Stadeverlegt werden. Dort hat im Juniein bekannter Neonazi aus Tostedt(Kreis Harburg) ein Anwesen er-worben, das nach Meinung des nie-dersächsischen Innenministeriumsauch von der Neonazi-Szene ge-nutzt werden könnte. hjm

WWaannddggeemmäällddee eeiinnggeewweeiihhttKunstwerk an Wolgast-Schule erinnert an den WiderstandAm 14. November wurde an derWolgast-Schule in St. Georg eingroßes Wandgemälde zur Erin-nerung an Helmuth Hübener ein-geweiht.

Die Schule steht an der KreuzungKirchenweg / Helmuth-Hübener-Gang. Das Gemälde von Hilde-gund Schuster zeigt das bekannteBild von Helmuth Hübener, RudolfWobbe und Karl-Heinz Schnibbe,dann ein Gruppenbild von Hübe-ners Mormonen-Gemeinde, denEingang zu Hübeners ArbeitsstelleBieberhaus und Hübeners Todes-urteil. Unten sind die Schreibma-schine, ein Radio und Flugblätterabgebildet.

Helmuth Hübener und seineGruppe hatten den RadiosenderBBC London abgehört und dieNachrichten auf Flugblättern ver-breitet. Am 27. Oktober 1942 wur-de er im Alter von erst 17 Jahren inBerlin-Plötzensee enthauptet.

Der frühere Hamburger Bürger-meister Ortwin Runde berichtete,dass er im Bieberhaus in der Nähedes Hamburger Hauptbahnhofs ge-arbeitet habe, im gleichen Haus,wo auch Helmuth Hübener zumVerwaltungslehrling ausgebildetwurde. Alljährlich werden am 27.Oktober an der dortigen Gedenkta-fel für die jugendlichen Wider-

standskämpfer Blumen niederge-legt.

Ulrich Sander, Buchautor überHübener, referierte über die Arbeitder Hamburger Geschwister-Scholl-Jugend, die vor rund fünf-zig Jahren begonnen hatte, den Wi-derstand der Hübener-Gruppe undder „Weißen Rose Hamburg“ umHans und Katharina Leipelt zu er-forschen. Damals sei es sehrschwierig gewesen, an die Aktenheranzukommen, weil die Richter,Staatsanwälte, Polizisten und Ge-stapo-Leute, die Hübeners Leben

auf dem Gewissen hatten, nochlebten. Der NDR solle endlich eineFernsehdokumentation über dieHübener-Gruppe erstellen. Außer-dem forderte Sander den Bundes-gerichtshof auf, sich zu entschuldi-gen, weil dieser nach 1945 Hübe-ners Todesurteil gerechtfertigt hat-te.

Von der Hamburger Tagespres-se, die fast ganz vom Springer-Konzern beherrscht wird, wurdedie Einweihung des Kunstwerkstotgeschwiegen.

Hans-Joachim Meyer

Filme und Gedenkveranstaltungen:Hamburger VVN-Termine im Winter

Sonntag, 20. JanuarAntifa-Filmreihe»Zwei oder drei Dinge, die ichvon ihm weiß«Malte Ludin, D 2004/05, 85min. Als Botschafter in Bratislava warHans Elard Ludin verantwortlichfür die Deportation und Ermor-dung tausender slowakischer Ju-den. Er wurde dafür in der Tsche-choslowakei zum Tode verurteiltund hingerichtet. Der Regisseurund Sohn Malte Ludin zeichnetdas Verhältnis der Familie zumNazi-Verbrecher und Vater nach.17 Uhr, Kino Metropolis

Sonntag, 13. FebruarAntifa-Filmreihe»Die drei Fotografinnen«Antonia Lerch, 1992, 3 x 55 min. Ilse Bing, Grete Stern und EllenAuerbach – alle um 1900 gebo-ren, jüdischer Abstammung, inDeutschland studiert, in den1930ern emigriert. Jede von ih-nen eine außergewöhnliche Foto-grafin. 1992 besuchte die Berliner Doku-mentarfilmmacherin AntoniaLerch die drei Künstlerinnen inNew York und Buenos Aires ...

17 Uhr, Kino Metropolis

präsentiert von den Töchtern.19 Uhr, Kulturpalast Billstedt

Samstag, 19. MärzErinnerung an den HamburgerZweig der Weißen Rose11 Uhr, Weiße Rose, Volksdorf

Sonntag, 20. MärzAntifa-Filmreihe»Ein Lied für Argyris«S. Haupt, CH 2006, 105 min. In dem griechischen BauerndorfDistomo findet am 10.6.1944eine »Sühnemaßnahme« einerSS-Division zur Vergeltung einesPartisanenangriffes statt. Sierichten 218 Menschen hin – un-ter ihnen die Eltern und 30 Ange-hörige des vier Jahre alten Argy-ris, der das Massaker überlebt.17 Uhr, Kino Metropolis

Sa/So, 26. und 27. FebruarLandesdelegiertenkonferenzDelegierte erhalten eine geson-derte Einladung; alle Mitgliedersind herzlich willkommen!Kulturpalast Billstedt Sa ab 11 Uhr: Vormittag: Polit. Be-richt/Diskussion, Nachmittag: Ar-beitsgruppen; So ab 10 Uhr; Be-ratung der Anträge und Vorschlä-ge aus den AGs, Wahlen

5. MärzVeranstaltungen zum Internationalen Frauentag:Überführung der Urne von HedwigVoegt aus Leipzig15 Uhr, Ehrenfeld Geschwister-Scholl/Friedhof Ohlsdorf»Widerständiges Frauenleben«Erinnerungen an Hedwig Voegtund ihre Hamburger Freundinnen,

Foto der Hübener-Widerstandsgruppe nun großformatig in Hamburg-St.Georg an der Häuserwand. Bild: Traute Sander

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BEILAGE · JANUAR/FEBRUAR 2011antifa 15

»»ZZiiggeeuunneerr iimm ZZuugg!!««Skandal in U-Bahnlinie 3:

Fahrgäste der U-Bahnlinie U3staunten nicht schlecht, als siekürzlich gegen Mittag vom Zug-führer per Lautsprecher gewarntwurden: »Sehr geehrte Fahrgäste,bitte passen Sie auf Ihre Wertsa-chen auf. Es sind Zigeuner imZug.« Gemeint war wohl eineGruppe Musiker, die an der Halte-stelle Landungsbrücken eingestie-gen war. Hochbahnsprecher Chri-stoph Kreienbaum kündigte an,den Fall zu untersuchen und gege-benenfalls Konsequenzen zu zie-hen. Mopo/hjm

Erna Mayer, viele Jahre im Vor-stand der Hamburger VVN-BdA,wurde jetzt 85 Jahre alt.

Auf einer Feier in Ohlsdorf am 21.November in der Willi-Bredel-Ge-sellschaft wurde das kämpferischeLeben der Antifaschistin und Kom-munistin gewürdigt. Erster Gratu-lant war Wolfgang Kopitzsch, Be-zirksamtsleiter von Hamburg-Nord. Es gebe nicht viele Men-schen, so Kopitzsch, die sich wieErna Mayer bis ins hohe Alter füreine gerechte Sache einsetzten. DerSozialdemokrat bekannte sich da-zu, keine Berührungsängste mitParteien links von der SPD zu ha-ben. Schließlich hätten sie eine ge-meinsame Wurzel: die Arbeiterbe-wegung. Kopitzsch kündigte an,dass er auch künftig alle Hebel inBewegung setzen werde, um NPD-Infostände im Bezirk Nord zu ver-hindern. Gert Hinnerk Behlmer,ehemals Staatsrat in der Kulturbe-hörde, würdigte Erna Mayers Ge-denkstättenarbeit. Noch bis vorkurzem hat sie die Gäste durch dieKZ-Gedenkstätte Fuhlsbüttel ge-führt. hjm

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Würdigung im November:

Esther Bejarano, Vorsitzendedes Auschwitz-Komitees undEhrenvorsitzende der VVN-BdA,erklärte anlässlich des Reichs-pogromnacht-Jahrestages:

»Wir, die letzten Zeugen des fa-schistischen Terrors, rufen auf:Gedenkt der Pogromnacht vor 72Jahren, am 9. November 1938!Damals wurden in ganz Deutsch-land durch die SA-Sturmkolon-nen die Synagogen demoliert,geplündert und in Brand gesetzt.Unter Berufung auf die ›kochen-de Volksseele‹ wurden die Woh-nungen tausender jüdischer Fa-milien zertrümmert und ausge-raubt, wurden dreißigtausend jü-dische Menschen in Konzentrati-onslager verschleppt. Dieser Tagwar eine Station auf dem Weg zurVernichtung der europäischenJuden. Der Rauch der brennen-den Synagogen ging dem Rauchvon verbrannten Menschen aus

benden des faschistischen Ter-rors, viele Gründe, alarmiert zusein!

Der Antisemitismus, der nach1945 das Tageslicht scheute, istwieder gesellschaftsfähig gewor-den. Parolen werden zu Taten.Jüdische Grabstätten und Ein-richtungen werden fortwährendgeschändet. Die Nazis mar-schieren wieder, und obersteRichter geben dafür die Straßefrei. Tagtäglich erleben wir rassi-stische Gewalt. Erschreckend istdie gesellschaftliche Zustim-mung zur Ausgrenzung, Diskrimi-nierung und Entrechtung vonMenschen, die als »Ausländer«wahrgenommen werden. Da-mals waren es jüdische Men-schen, die ausgegrenzt, diskrimi-niert, entrechtet und schließlichermordet wurden. Aus der Erfah-rung unseres Lebens sagen wir:

Nie mehr schweigen und weg-sehen, wie und wo auch immerAntisemitismus, Antiziganis-mus, Rassismus und Ausländer-feindlichkeit hervortreten! Erin-nern heißt handeln!«

dem Krematorium von Auschwitzvoraus.

Dieser Tag kündigte aber auchden kommenden barbarischenVernichtungskrieg an. Mit ihm soll-te getestet werden, wie weit dieBevölkerung kriegsbereit ist, in-dem sie mitten im Frieden Gewalt,Raub, Brandschatzung und Mordhinnimmt.

Es geschah unter aller Augen.Deshalb lasst uns immer wiederdie Frage stellen: Wo blieb der mil-lionenstimmige Aufschrei: Dasdürfen wir nicht zulassen? Warumläuteten nicht die Kirchenglockezum Protest? Was hat die Men-schen so gleichgültig oder passivund teilnahmslos gemacht? Wietief war doch dieser Antisemitis-mus in der Bevölkerung verwur-zelt! Auschwitz darf sich nie mehrwiederholen – das muss unsereVerpflichtung für die Zukunft sein!

An diesem Jahrestag der Po-gromnacht haben wir, die Überle-

Erinnern heißt handeln!Erklärung von Esther Bejarano

WWiiee jjüüddiisscchhee KKiinnddeerr ggeerreetttteettwwuurrddeennBerichte von Zeitzeugen wie Peggy Parnass und Eberhard ZamoryDie Transporte jüdischer Kindernach England und anderen Län-dern standen im Mittelpunktder Gedenkwochen der Initiative»Gedenken in Harburg« im No-vember 2010. Eine Ausstellungzum Thema wurde in der Harbur-ger Bücherhalle gezeigt.

Höhepunkt war ein Gespräch mitZeitzeugin, Schauspielerin und Pu-blizistin Peggy Parnass. Ihre Mut-ter hatte 1939 sie und ihren BruderGady in Hamburg in einen Zugnach Stockholm gesetzt. Der Bru-der kam in ein Waisenhaus, sieselbst hielt es sechs Jahre lang beizwölf Gastfamilien aus. Sie emp-fand das Leben in Schweden nochschlimmer als in Deutschland, weildie elterliche Geborgenheit fehlte.Ihre Eltern wurden 1939 ins War-schauer Getto deportiert und 1942im Vernichtungslager Treblinka er-mordet. Als Peggy Parnass nach

Hamburg zurückkam, hatte sie – soerzählte sie – nicht nur ihre Eltern,sondern auch den Glauben an Gottund die Menschheit verloren.

Auf einer anderen Veranstaltungging es um Eberhard Zamory, lang-jähriges Vorstandsmitglied derVVN-BdA Hamburg. Leider konn-te er nicht mehr selbst aus seinemLeben erzählen, denn er starb imFrühjahr dieses Jahres. Somit be-richtete Cornelia Kerth (VVN-BdA). Eberhard Zamory, schonkein Kind mehr, sondern fast einjunger Mann, kam von Breslau ausmit dem Zug über Hamburg nachEngland. Und hier spielte sich et-was ab, was bei uns kaum bekanntist. Die Freie Deutsche Jugend(FDJ), die es ab 1945 in allen vierBesatzungszonen gab, wurde imKrieg in Großbritannien von deut-schen Jugendlichen gegründet, undEberhard Zamory war eines ihrerGründungsmitglieder. Nach

Kriegsausbruch 1939 wurden diemeisten Deutschen interniert, eini-ge sogar nach Kanada oder Austra-lien. Eberhard Zamory kam ver-mutlich auf die Insel Man in der Iri-schen See. Dass der Transport nachEngland ihm vielleicht das Lebengerettet hatte, spielte dabei über-haupt keine Rolle. Die FDJ hatteallen Mitgliedern empfohlen, indie britische Armee zu gehen. AuchEberhard Zamory tat das nach demEnde der Internierung. Er hattedeutsche Kriegsgefangene zu über-wachen und zu verhören. 1945 kamer nach Hamburg zurück und wur-de sogleich als Kommunist poli-tisch aktiv. 1968 nach den Ereig-nissen in Prag sagte er sich vomKommunismus los, blieb aber linkseingestellt. Zuletzt bekannte ersich zum Zen-Buddhismus. Allesin allem: eine spannende und farbi-ge Persönlichkeit. Schade, dass ernicht mehr am Leben ist. hjm

Redaktion: H.- J. Meyer Nächster Redaktionsschluss ist Donnerstag, 10. Februar. Zuschriften bitte an die Landesgeschäftsstelle VVN-BdALandesvereinigung HamburgHein-Hoyer-Str. 41, 20359 Hamburg,Tel.: (040) 314254E-Mail: [email protected]

Page 16: Rückblick 2010 und Ausblick 2011 – von Cornelia Kerth und ... · esse an dem Buch bekundet,das in der Landtagsverwaltung am 17. Dezember übergeben wurde. neute Verbotsforderung

BRANDENBURGAUS DEN LANDESVEREINIGUNGEN UND MITGLIEDSVERBÄNDEN

BEILAGE · JANUAR/FEBRUAR 2011 16 antifa

Vor einem Jahr verstarb der An-tifaschist und Überlebende meh-rerer Konzentrationslager WilliFrohwein in Potsdam.

Die vielen Trauergäste und ihre un-terschiedliche politische Herkunftbezeugten, welche Ausstrahlungs-kraft Willi Frohwein in seinemUmfeld hatte. Sogar eine Gruppevon jungen Menschen aus Lenge-de (Niedersachen), wo eine Schuleseit 2008 den Namen Frohweinträgt, reiste zur Beerdigung an.

Bis zuletzt war das Gründungs-mitglied der brandenburgischenLandesvereinigung der VVN-BdApolitisch aktiv, unermüdlich war erunterwegs, um die Fragen jungerMenschen zu beantworten.

Das Erzählen war zuletzt WilliFrohweins Lebenssinn geworden.Es erleichterte ihm ein wenig dieLast der traumatischen Erlebnisse,der Bilder, die er nicht mehr loswürde, wie er es selber formulier-te. Frohweins Erzählstil erschöpftesich aber nicht in Monologen. Erwollte den Dialog und sprach inseinem berlinerischen Dialekt:»Ich möchte nicht, dass Euch dieBeene einschlafen und darum sageick immer, es ist besser euern Wis-sensbedarf abzudecken, dass ihrFragen stellt, denn ihr habt ja über-haupt keine Beziehung zu dem Sy-stem, ihr hört nur immer von denSchrecken, und ich vermeide ochbrutal zu sein, die Wahrheit istselbst brutal. Aber man kann esauch so wiedergeben, dass sie an-kommt, nachdenklich stimmt. Unddas ist für mich sehr wesentlich.[...] Wir wollen versuchen, Fragenzu stellen, so stelle ich es mir vor,auf der Basis von Fragen.«

Zur Frage, wie die Erinnerungender Überlebenden an die NS-Zeitweitergetragen werden können oh-ne Menschen wie ihn, sagte WilliFrohwein 2008 in einem Interview:»Wenn derjenige, der das macht[erzählt], emotional selber berüh-rend ist, kann er es auch wiederge-ben, ja. Natürlich ist das Wissen-schaftliche ne Sache. Aber wissen-schaftlich... von hier kommst dunicht nach hier.« (Willi zeigt mit

der Hand auf seinen Kopf und dannauf seinen Bauch.) »Aber von hierkommst du nach da.« (Und dann inumgekehrter Richtung.) »Dumusst ans Herz, dann macht derKopf schon weiter. Und wenn dieSchüler merken, der, der ihnen waserzählt, ist selber emotional ir-gendwie berührt, dann wird er ‘nenganz anderes Gehör kriegen, alswenn er das rational alles kriegt.Dann kann man die Schüler, auchwenn man selber nicht im Lagerwar, dazu bringen richtig zu zuhö-ren.«

Willi Frohwein wurde am 27.März 1923 in Spandau geboren. Erwuchs in einer Arbeiterfamilie mitdrei Geschwistern auf. Seine Mut-ter war Katholikin. Sein Vater waraus der jüdischen Gemeinde ausge-treten, um die Ehe von der katholi-schen Kirche anerkennen zu las-sen. Willi wurde katholisch erzo-gen.

Nach den antisemitischen Nürn-berger Gesetzen zum so genanntenHalbjuden gemacht, verlor der 12-jährige Willi Frohwein von einemTag zum anderen seine Freunde inder Schule. Nach der Pogromnacht

1938 in Spandau, wurden er undseine Familie zunehmend ausge-grenzt und verfolgt. Seine Ausbil-dung zum Wäscher und Plätterdurfte er nicht abschließen. EineFlucht war der Familie aus finan-ziellen Gründen nicht möglich.1942 wurde Willi Frohwein zur

Zwangsarbeit in die Werkzeugma-schinenfabrik Sasse, wo er Muniti-on polierte, dienstverpflichtet. Ab-sichtlich produzierte er Ausschuss.Nach mehrmaliger Abmahnungdurch die Firmenleitung entschlosser sich zur Flucht über die Schwei-zer Grenze.

Die Flucht misslang. Willi Froh-wein wurde festgenommen undüber Graz in das so genannte Ar-beitserziehungslager Berlin-Wuhl-heide gebracht. Von dort wurde ernach Auschwitz deportiert. Hiermusste er in der »neuen Wäsche-rei« arbeiten, wo er mit dem Mit-häftling Bruno Baum bekannt wur-de, der in der benachbarten Elek-trowerkstatt tätig war. FrohweinsÜberlebenswille und die Verket-tung mehrerer glücklicher Um-stände retteten ihm das Leben. Sei-ne Familie entkam dem Abtrans-port in ein Lager nur zufällig. Ver-

mutlich durch einen Brief der Mut-ter an den Lagerkommandantenwurde er selbst vor dem Abtrans-port zur Gaskammer in Birkenaubewahrt.

Im Januar 1945 musste Willi aufden so genannten Todesmarsch ge-hen. In offenen Kohlewaggonswurde er zusammen mit anderenHäftlingen in das KZ Mittelbau-Dora deportiert, wo er an der»Wunderwaffe« V2 mitbauen soll-te. Er wurde schließlich in Bergen-Belsen von britischen Soldaten be-freit.

Nach 1945 arbeitete Willi Froh-wein zunächst als Kriminalkom-missar in Potsdam und war Mit-glied der SED. Er beteiligte sich ander Gründung der Volkssolidarität,engagierte sich in der Vereinigungder Verfolgten des Naziregimes(VVN) und später im Kreiskomiteeder antifaschistischen Wider-standskämpfer.

1966 sagte Willi Frohwein alsHauptbelastungszeuge im Prozessgegen den SS-Lagerarzt Dr. HorstFischer aus, der ihn zweimal inAuschwitz selektiert hatte. Seitdieser Zeit sprach Willi Frohweinöffentlich von seinen Erlebnissen.

Die Stadt Potsdam ehrte ihn imJahr 2005 gemeinsam mit OttoWiesner durch einen Eintrag in dasGoldene Buch der Stadt. Nach sei-nem Tod beschloss die Stadtver-ordnetenversammlung Potsdamseine Straße in der Nähe seinesWohnhauses nach ihm zu benen-nen. Der Beschluss muss aller-dings noch umgesetzt werden.

Marcus Pilarski

Redaktion: LandesvorstandVVN-BdA Land Brandenburg

Jägerstr. 36, 14467 Potsdam,Tel.: (01 51) 53 62 44 40

Fax: (0331) 28058 81E-Mail: [email protected]

www.brandenburg.vvn-bda.de

Unser Spendenkonto: GLS Bank,BLZ 43060967, Konto 1102861500

»»DDuu mmuusssstt aannss HHeerrzz,, ddaannnn mmaacchhtt ddeerr KKooppff sscchhoonn wweeiitteerr««Gedanken eines Überlebenden zur Geschichtsvermittlung nach ihm

V.l.: Willi Frohwein, Günter Pappenheim und Rudi Slonina bei der Grün-dungskonferenz der VVN-BdA Brandenburg 2007.

Jugend, Ausgrenzung und Widerstand

Verhaftung und KZ

Befreiung und Antifa nach 1945