Reality-Soap „Das Glück dieser Erde“ aus EQUUS-03-11.pdfwie das meines guten Freundes Enrique...

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In letzter Minute erreicht uns dieser Lesebrief, den wir aus aktuellem Anlass ungekürzt zur Diskussion veröffentlichen: Beiträge in EQUUS sollen informieren und zur Diskussion anregen. Deshalb freut sich die Redaktion über Ihr Feedback. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir aus den eingegan- genen Leserbriefen eine Auswahl treffen und uns Kürzungen vorbehalten. Leserbriefe geben die Meinung des Autors, nicht die der Redaktion wieder. Emails richten Sie bitte an [email protected], Briefe an VVP Verlag, Postfach 09, D-34377 Calden 42 EQUUS – Magazin für barocke Pferde & Traditionen Ausgabe 03.2011 Reality-Soap „Das Glück dieser Erde“ Seit dem 21.6.11 läuft die 13-teilige Familienserie im ARD-Fernsehen. Wie viel Realität sich hinter der Serie verbirgt, kann der unbedarfte Zuschauer nicht ansatzweise erahnen. Man erzählt keine Geschichte um sondern über das berühmte Gestüt. Man erzählt vor allem die Geschichte der Ge- schäftsführerin des Unternehmens. Eine schwache und selbstgefällige Hommage unterer Güteklasse. In der TV-Serie avanciert eine junge Frau zur Retterin des Gestütes Piber. Der defizitäre Betrieb steht kurz vor dem Untergang. Die junge Frau steigt wie Phönix aus der Asche zur Gestütsleiterin empor. Ihre Maßnahmen: sparen... am Personal, am Futter, ... Rentabilität besitzt oberste Priorität. Was als TV-Event verkauft wird, ist eine eher traurige Wahrheit, die mitt- lerweile Lipizzanerliebhabern europaweit die Nackenhaare aufstellt. Das Gestüt und die Schule, Pferde und Schulphilosophie präsentierten sich in den letzten 50 Jahren niemals in einem derartigen Zustand. Die Leitung steht wegen der Haltungs- und Umgangsformen im Kreuzfeuer der Kritik und versucht dem mit Fundraising-Galas, imperialen Feten und sonsti- gem Tand entgegen zu wirken. Seinen Anfang nimmt das Wohl und Wehe der Lipizzaner in der Steier- mark. Über das Einst und Jetzt informieren (ehemalige) Bedienste bereit- willig; manch einer mit Tränen in den Augenwinkeln. „Unter Heinrich Lehrner kümmerten sich 32 Bedienste um rund 240 Pferde, heute spricht man von 12-14 Bediensten plus einigen Praktikanten/Lehrlinge bei +/- 280 Pferden“. Brachten einst 35-40 Mutterstuten hochkarätige Phänoty- pen für Wien zur Welt, braucht man heute doppelt so viele Zuchtstuten, um „faule Kompromisse für die Schule zu finden“. Masse statt Klasse. Wurden einst die Jungpferde auf den Almen feste zugefüttert, nagen sie sich heute eher mit Almgras durch den Sommer. „Die müssen sich erst von der Almphase erholen und wieder etwas auf die Rippen bekommen“. Wundert es, dass zahlreiche „Ponys“ auf der Verkaufsliste des Gestütes stehen? „Ein Lipizzaner ist ein Pferd, das im Alter von 3 Jahren ein Stock- maß von mindestens 150 cm hat“ stand einst in der Lipizzaner-Ursprungs- landregelung Österreichs zu lesen. Dieser Passus wurde zügig gestrichen. Aktuell stehen im Juni auf der Verkaufsliste Pferde drei-vierjährig, mit Stockmaßen von. 147,5 cm bis 149 cm. Genetische Inzuchtdepressionen mögen hier und da mal ein Grund für Ponymaße gewesen sein. Heute warten die Tiere mit klaren Aufzuchtdefiziten auf. Unlängst in Piber ge- kaufte Pferde schossen bei ihren neuen Besitzern völlig aus dem Leim. Das reichhaltige Futter sorgte für enormen Schub von 6 bis 8 cm. Katast- rophal für Bänder, Sehnen und Gelenke. Ein Pferdekäufer fragte nach der bisherigen Ernährung seines erworbenen Junghengstes und soll die Antwort „Wir füttern Heucobs“ erhalten haben. Die Optik vieler Jungpferde im Gestüt unterstreicht diese Aussage: kein Hals, kein Arsch, Heubauch. Das Feedback: „So sieht doch kein Barock- pferd aus“. Pensioniertes Stallpersonal berichtet von „Junghengsten, die in erbärmlichem Zustand den Winter im Matschkraal verbringen. Das hätte es früher niemals gegeben. An denen ist nur noch ein großer Kopf dran. Wo soll das noch enden?“ Verständlich, dass der Verkaufspreis eines solchen Pferdes in den Keller geht. Gegenüber ORF.at (16.3.11) gibt die Chefin zum Besten, dass ein Lipizzanerfohlen in Piber bereits ab 500 Euro zu haben ist. Zum Vergleich: ein Welpe des silbernen Labrador kostet 1500 Euro. Die Preispolitik ist völlig unverständlich, wobei die Dumpingpreise ungerittener Tiere ange- sichts der angebotenen Qualität tatsächlich noch überzogen wirken. Tauchen Hengste, die über Monate die Verkaufsseite des Gestütes zierten, als geritten im Ausbildungszentrum der Spanischen Hofreitschule auf, kostet das Tier plötzlich 17.000 Euro. Das Verkaufsvideo spottet jeder Beschreibung. Von klassischer Reitkunst weit und breit nichts zu sehen. Unübersehbare „Taktunreinheiten“ im Preis inbegriffen. Einst hatte Piber nur die Aufgabe, gute Hengste für Wien zu züchten. Heute ist es Touristenattraktion. Stichwort Rentabilität! Abenteuerspiel- platz, Verkaufsshop, ein Schaufenster, hinter dem man angeblich eine hochtragende Mutterstute beim Abfohlen beobachten kann. Für Touris- ten, die durch ein Drehkreuz „Marke Freibad“ in den Innenhof gelangen, werden einige Stuten und Fohlen im Hochsommer im Stall gehalten, statt auf Wiesen zu spielen. Und Wien? Erfahrene Angestellte, die es wagten, der aktuellen Vermark- tungspolitik im Interesse des Pferdes zu widersprechen, wurden aus dem Weg geräumt. So wurden die erfahrensten Reiter „vom Dienst freigestellt“. Widerworte, Klarstellungen im Interesse der Pferde, der Philosophie der Schule und der Tradition unerwünscht. Oberbereiter, die in ihrer Funkti- on Erfahrungen an junge Reiter und Pferde weiterreichen sollen, wurden geschasst. „Natürlich leidet das Ausbildungsniveau. Die Philosophie der Schule geht verloren. Das ganze mutiert zu einem Billigzirkus“. Wider- worte mit Suspendierungen unterbinden darf man ohne schlechtes Gewissen als ein Zeichen von Schwäche resultierend aus mangelnder Fach- und Sachkompetenz werten.

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In letzter Minute erreicht uns dieser Lesebrief, den wir aus aktuellem Anlass ungekürzt zur Diskussion veröffentlichen:

Beiträge in EQUUS sollen informieren und zur Diskussion anregen. Deshalb freut sich die Redaktion über Ihr Feedback. Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir aus den eingegan-genen Leserbriefen eine Auswahl treffen und uns Kürzungen vorbehalten. Leserbriefe geben die Meinung des Autors, nicht die der Redaktion wieder.

Emails richten Sie bitte an [email protected], Briefe an VVP Verlag, Postfach 09, D-34377 Calden

42 EQUUS – Magazin für barocke Pferde & Traditionen Ausgabe 03.2011

Reality-Soap „Das Glück dieser Erde“Seit dem 21.6.11 läuft die 13-teilige Familienserie im ARD-Fernsehen. Wie viel Realität sich hinter der Serie verbirgt, kann der unbedarfte Zuschauer nicht ansatzweise erahnen. Man erzählt keine Geschichte um sondern über das berühmte Gestüt. Man erzählt vor allem die Geschichte der Ge-schäftsführerin des Unternehmens. Eine schwache und selbstgefällige Hommage unterer Güteklasse.

In der TV-Serie avanciert eine junge Frau zur Retterin des Gestütes Piber. Der defi zitäre Betrieb steht kurz vor dem Untergang. Die junge Frau steigt wie Phönix aus der Asche zur Gestütsleiterin empor. Ihre Maßnahmen: sparen... am Personal, am Futter, ... Rentabilität besitzt oberste Priorität.

Was als TV-Event verkauft wird, ist eine eher traurige Wahrheit, die mitt-lerweile Lipizzanerliebhabern europaweit die Nackenhaare aufstellt. Das Gestüt und die Schule, Pferde und Schulphilosophie präsentierten sich in den letzten 50 Jahren niemals in einem derartigen Zustand. Die Leitung steht wegen der Haltungs- und Umgangsformen im Kreuzfeuer der Kritik und versucht dem mit Fundraising-Galas, imperialen Feten und sonsti-gem Tand entgegen zu wirken.

Seinen Anfang nimmt das Wohl und Wehe der Lipizzaner in der Steier-mark. Über das Einst und Jetzt informieren (ehemalige) Bedienste bereit-willig; manch einer mit Tränen in den Augenwinkeln. „Unter Heinrich Lehrner kümmerten sich 32 Bedienste um rund 240 Pferde, heute spricht man von 12-14 Bediensten plus einigen Praktikanten/Lehrlinge bei +/-280 Pferden“. Brachten einst 35-40 Mutterstuten hochkarätige Phänoty-pen für Wien zur Welt, braucht man heute doppelt so viele Zuchtstuten, um „faule Kompromisse für die Schule zu fi nden“. Masse statt Klasse.

Wurden einst die Jungpferde auf den Almen feste zugefüttert, nagen sie sich heute eher mit Almgras durch den Sommer. „Die müssen sich erst von der Almphase erholen und wieder etwas auf die Rippen bekommen“. Wundert es, dass zahlreiche „Ponys“ auf der Verkaufsliste des Gestütes stehen? „Ein Lipizzaner ist ein Pferd, das im Alter von 3 Jahren ein Stock-maß von mindestens 150 cm hat“ stand einst in der Lipizzaner-Ursprungs-landregelung Österreichs zu lesen. Dieser Passus wurde zügig gestrichen. Aktuell stehen im Juni auf der Verkaufsliste Pferde drei-vierjährig, mit Stockmaßen von. 147,5 cm bis 149 cm. Genetische Inzuchtdepressionen mögen hier und da mal ein Grund für Ponymaße gewesen sein. Heute warten die Tiere mit klaren Aufzuchtdefi ziten auf. Unlängst in Piber ge-kaufte Pferde schossen bei ihren neuen Besitzern völlig aus dem Leim. Das reichhaltige Futter sorgte für enormen Schub von 6 bis 8 cm. Katast-rophal für Bänder, Sehnen und Gelenke.

Ein Pferdekäufer fragte nach der bisherigen Ernährung seines erworbenen Junghengstes und soll die Antwort „Wir füttern Heucobs“ erhalten haben.

Die Optik vieler Jungpferde im Gestüt unterstreicht diese Aussage: kein Hals, kein Arsch, Heubauch. Das Feedback: „So sieht doch kein Barock-pferd aus“. Pensioniertes Stallpersonal berichtet von „Junghengsten, die in erbärmlichem Zustand den Winter im Matschkraal verbringen. Das hätte es früher niemals gegeben. An denen ist nur noch ein großer Kopf dran. Wo soll das noch enden?“

Verständlich, dass der Verkaufspreis eines solchen Pferdes in den Keller geht. Gegenüber ORF.at (16.3.11) gibt die Chefi n zum Besten, dass ein Lipizzanerfohlen in Piber bereits ab 500 Euro zu haben ist. Zum Vergleich: ein Welpe des silbernen Labrador kostet 1500 Euro. Die Preispolitik ist völlig unverständlich, wobei die Dumpingpreise ungerittener Tiere ange-sichts der angebotenen Qualität tatsächlich noch überzogen wirken.

Tauchen Hengste, die über Monate die Verkaufsseite des Gestütes zierten, als geritten im Ausbildungszentrum der Spanischen Hofreitschule auf, kostet das Tier plötzlich 17.000 Euro. Das Verkaufsvideo spottet jeder Beschreibung. Von klassischer Reitkunst weit und breit nichts zu sehen. Unübersehbare „Taktunreinheiten“ im Preis inbegriffen.

Einst hatte Piber nur die Aufgabe, gute Hengste für Wien zu züchten. Heute ist es Touristenattraktion. Stichwort Rentabilität! Abenteuerspiel-platz, Verkaufsshop, ein Schaufenster, hinter dem man angeblich eine hochtragende Mutterstute beim Abfohlen beobachten kann. Für Touris-ten, die durch ein Drehkreuz „Marke Freibad“ in den Innenhof gelangen, werden einige Stuten und Fohlen im Hochsommer im Stall gehalten, statt auf Wiesen zu spielen.

Und Wien? Erfahrene Angestellte, die es wagten, der aktuellen Vermark-tungspolitik im Interesse des Pferdes zu widersprechen, wurden aus dem Weg geräumt. So wurden die erfahrensten Reiter „vom Dienst freigestellt“. Widerworte, Klarstellungen im Interesse der Pferde, der Philosophie der Schule und der Tradition unerwünscht. Oberbereiter, die in ihrer Funkti-on Erfahrungen an junge Reiter und Pferde weiterreichen sollen, wurden geschasst. „Natürlich leidet das Ausbildungsniveau. Die Philosophie der Schule geht verloren. Das ganze mutiert zu einem Billigzirkus“. Wider-worte mit Suspendierungen unterbinden darf man ohne schlechtes Gewissen als ein Zeichen von Schwäche resultierend aus mangelnder Fach- und Sachkompetenz werten.

EQUUS 02.2011 Interview Jaime Guardiola

Liebe EQUUS-Redaktion,

nachdem ich das Interview gelesen habe, möchte ich die Autorin beglückwünschen: zu der Zusammenstellung der Fakten, zur Art und Weise der Darstellung und wie rund der Autorin das Ganze gelungen ist. Es ist nicht

nur eine Würdigung unseres Gestütes Hrdos. de D. Salvador Guardiola Fantoni und meiner Geschichte als Züchter, sondern die Autorin bringt auch das PRE als Rasse nach vorne, was stets auch mein Ziel war, ebenso wie das meines guten Freundes Enrique de Benito. Es bleibt mir nur noch übrig für diese Darstellung meiner Familie zu danken.

Jaime Guardiola, Sevilla/Spanien

EQUUS 02.2011, Menorca – Insel der Pferde

Liebe EQUUS-Redaktion,

mit Interesse habe ich den Bericht über die Menorquiner gelesen und fand ihn sehr informativ. Ergänzend möchte ich von einem Besuch eines Me-norquinergestüts berichten, der mich sehr bewegt hat. Die Hengste stan-den dort in dunklen ungemisteten Boxen und viele hatten heftige Serreta-Narben auf der Nase. In einige Boxen trauten sich die Reiter nur mit Gerte und Geschrei. Stuten und Fohlen hatten teilweise kahle Stellen im Fell, was Räude oder Pilzbefall vermuten lässt. Das Heu müsste normaler-weise sofort auf dem Misthaufen landen. Der Gestütsleiter sprach erstaun-lich offen über den fi nanziellen Druck, unter dem diese kleine Rasse steht, und das er sich von privaten Sponsoren abhängig machen muss, weil es an staatlicher Unterstützung zum Erhalt der Rasse mangelt. Um die Pfer-de möglichst jung und teuer verkaufen zu können, müssen sie schnell eingeritten und möglichst weit ausgebildet werden, auch wenn sie körper-lich eigentlich noch gar nicht bereit für schwere Lektionen sind. Spätere gesundheitliche Probleme sind dadurch vorprogrammiert. Insbesondere die berühmten Bots werden vom Kunden erwartet. Doch wie lehrt man den Pferden eigentlich das steigen? Die Antwort erhielt ich von einem

Bekannten, der auf der Insel lebt und dies selbst beobachtet hat: den Pfer-den wird eine Stange vor die Brust gehauen, um als Abwehrreaktion das Steigen zu provozieren. Es gibt aber auch weniger brutale Methoden, z.B. wird dem angaloppierenden Pferd abrupt durch eine Stange der Weg ver-sperrt und das Pferd gerät durch die Vollbremsung automatisch auf die Hinterhand. Die jungen und noch unausbalancierten Pferde verlieren da-bei anfangs oft das Gleichgewicht und überschlagen sich.

Der schlecht Ruf, den die Menorquiner in Bezug auf Aggressivität und schweres Handling haben, ist also sicher nicht auf eine grundsätzliche Charaktereigenschaft zurückzuführen, sondern ein Resultat solcher Haltungs- und Ausbildungsbedingungen. Ansonsten sieht man auf der Insel viele Privatpferde, die ein einsames und trostloses Dasein auf einem Hinterhof fristen und die wohl nur zu den Ferias genutzt werden. Wie bei jedem Pferdekauf sollte man sich also nicht nur von der Schönheit und dem Können der Pferde blenden lassen, sondern auch immer die Haltungs- und Ausbildungsbedingungen hinterfragen, insbesondere, wenn einem junge Pferde mit hohem Ausbildungsstand angeboten werden. So kann jeder einen Beitrag dazu leisten, die schwarzen von den weißen Schafen zu trennen.

B. Hörner, Essen

Liebe EQUUS-Redaktion,

ich habe selbst vor 2 Jahren ein Pferd der Guardiola-Linie bei Enrique de Benito gekauft und kann sein Gestüt wärmstens empfehlen. Jenízaro ist ein robustes Pferd, das sowohl den Transport als auch die Umstellung auf fette deutsche Weiden, gemischte Herdenhaltung und klimatische Verän-derungen problemlos weggesteckt hat. Mit seinem klaren Kopf, seinem freundlichen Charakter und seiner Noblesse macht er mir jeden Tag nur Freude. Vor Kühen hat er allerdings Angst, insofern ist die Eignung als Stierkampf- oder Rinderhütepferd eingeschränkt :-)

B. Hörner, Essen

43Ausgabe 03.2011 EQUUS – Magazin für barocke Pferde & Traditionen

Das hemmungslose Ausschlachten der Tiere macht vor den Mauern der Hofburg nicht halt. In der Sommerpause der Hengste werden Stuten mit Fohlen nach Wien verfrachtet, damit Touristen etwas zum Anschauen haben. Vielleicht sollte man die Hengste im Wechsel in die Pause schicken? Wenn man den Zahlen im Internet glauben schenken darf, stehen derzeit in Wien 72 Hengste und 30 Pferde in Heldenberg. Wenn Heldenberg über 82 Boxen verfügt, greift man unwillkürlich nach dem Rechenschieber. Das geht irgendwie eh nicht auf. Man könnte also mit der traditionellen Form der Sommerpause brechen, oder? Wenn schon Frauen auf dem Pferderücken und Stuten in der Hofburg, warum dann nicht im Wechsel die Hengste in Pause schicken? Der in Wien verbleibende Teil könnte weiter Geld ranschaffen, während die High Society imperiale, türkis-lime gefärbte Partys feiert.

Ein neues Highlight und ein weiterer Bruch mit Traditionen wurde un-längst publiziert: die Spanische Hofreitschule bietet Ausbildungsplätze für Pferdewirte an. Musste der Eleve sich früher über Jahre an der Longe herumquälen und dauerte die „Lehrzeit“ meist neun oder 10 Jahre, ist der moderne Weg die dreijährige Ausbildung. Ob allerdings diese Lehrlinge nach Abschluss ihrer Lehrzeit als Bereiter fungieren sollen, ist unbekannt. Vielleicht nur eine weitere Option, Kosten einzusparen...

Dass die Leiterin nichts mit Traditionen am Hut hat, hat sie selbst in einem Interview zum Besten gegeben: „Tradition? Was ist Tradition?“. Tradition, ein Wort aus dem Lateinischen: tradere. Es bezeichnet die Weitergabe von Gepfl ogenheiten, Konventionen, Bräuche oder Sitten- nur mal so zu Er-klärung: , Dabei lautet derzeit der leitungseigene Slogan: „Die Traditionen zu leben und dennoch offen zu sein für die Zeichen der Zeit, ist unabdingbar um auch in Zukunft ein attraktives und modernes Unternehmen zu sein“.

Man kann Traditionen nicht leben, wenn man mit allen Gepfl ogenheiten und Konventionen bricht. Eine Aussage, die in sich so widersprüchlich ist, wie der aktuelle Umgang mit der anvertrauten Aufgabe.

Auch der Chef d’Equipe, Ernst B., steht scharf in der Kritik, nachdem er auf einem kolikerkrankten Hengst in eine Vorführung einritt. Eine gewisse Hemmungslosigkeit war in dieser Hinsicht auch bei dem Gastspiel der Schule im saarländischen St. Wendel erkennbar. Ernst B. ritt auf einem sichtbar lahmenden Hengst die Begrüßungsrunde.

Der Grundstein für dieses ausnahmslos profi torientierte Denken und Handeln wurde mit der Privatisierung der Institutionen im Jahr 2001 ge-legt. Das Gewinnstreben auf dem Rücken und auf Kosten der Lipizzaner auszutragen ist, das muss in aller Deutlichkeit einmal gesagt werden, verachtenswert. Es bleibt zu wünschen und zu hoffen, dass die Verant-wortlichen die vielen kritischen Stimmen im Interesse und zum Wohle des Lipizzaners endlich zur Kenntnis nehmen. Vielleicht entdeckt die Leiterin ja auch persönliche Parallelen zu ihrer Zeit als Organisatorin des Wiener Opernballes und stellt ihren Posten wie damals „mangels Ideen“ zur Verfügung. Zeitig genug, bevor auch den Lipizzanerfreunden „der Spaß“ genommen wird.

Der Lipizzaner hat Kriege und Seuchen überwunden. Jetzt stehen er und die Philosophie der Spanischen Hofreitschule vor der wohl größten Hürde seit Bestehen! Kommt es zur Vertragsverlängerung, sollte man konsequen-terweise an der Hofburg und im Gestüt eine überdimensional große Leuchtreklame montieren: „Willkommen im Zirkus Sachersani“

Ilona Kirsch, Essingen