Reanimation in Bauchlage während einer Allgemeinanästhesie · Nadine Amsler, Anästhesie...

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Diplomarbeit im Rahmen des Nachdiplomstudiums HF Aargauische Fachschule für Anästhesie-, Intensiv- und Notfallpflege Reanimation in Bauchlage während einer Allgemeinanästhesie Reaktionen und Komplikationen bei der Verwendung von Knochenzement Nadine Amsler Anästhesie Kantonsspital Aarau Aarau, 6. Dezember 2017

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  • DiplomarbeitimRahmendesNachdiplomstudiumsHFAargauischeFachschulefürAnästhesie-,Intensiv-undNotfallpflege

    ReanimationinBauchlagewährendeinerAllgemeinanästhesie

    ReaktionenundKomplikationenbeiderVerwendungvonKnochenzement

    NadineAmslerAnästhesieKantonsspitalAarau

    Aarau,6.Dezember2017

  • Deklaration Diese Arbeit wurde im Rahmen des Nachdiplomstudiums an der Aargauischen Fachschule für Anästhesie-, Intensiv- und Notfallpflege der beiden Kantonsspitäler Aarau AG und Baden AG verfasst. Ich bestätige mit meiner Unterschrift, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig angefertigt und die mit ihr unmittelbar verbundenen Tätigkeiten selbst erbracht habe. Alle ausgedruckten, ungedruckten oder dem Internet im Wortlaut oder im wesentlichen Inhalt übernommenen Formulierungen sind durch genaue Quellenangaben angegeben. Ich nehme zur Kenntnis, dass im Falle von Plagiaten auf nicht erfüllt erkannt werden kann. Ort / Datum / Name / Unterschrift _______________________________________________________________________

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    Reanimation in Bauchlage während einer Allgemeinanästhesie

    Nadine Amsler, Anästhesie Kantonsspital Aarau Seite I

    1 Vorwort

    Seit Beginn meiner Ausbildung in der Anästhesie gerate ich immer wieder an Situationen, in denen ich mir viele Fragen stelle. So erging es mir auch, als ich von einem Fall im Operationssaal erfuhr, bei dem eine Patientin, die sich in Bauchlage befand, einen Herz-Kreislauf-Stillstand erlitt. An diesem Tag habe ich mit meiner Bezugsperson einen Termin abgemacht, um meine Ideen zu Themen meiner Diplomarbeit zu besprechen. Die meisten in meiner Klasse wussten zu diesem Zeitpunkt bereits, was sie für ein Thema wählen würden, und dies setzte mich zusätzlich unter Druck. Rückblickend bin ich froh, habe ich mich nicht für das erste Thema, das mir durch den Kopf ging, entschieden, sondern für eines, das mich interessiert und von dem ich vor der Bearbeitung noch viele offene Fragen hatte. Das Thema meiner Diplomarbeit betrifft Themen, mit denen man im Arbeitsalltag der Anästhesie zwar konfrontiert ist, wenn man jedoch selbst noch keine solche Situation erlebt hat, macht man sich wahrscheinlich aber keine grossen Gedanken dazu. Das Thema der Reaktion auf Zement und die Reanimation in Bauchlage sind Ereignisse, die sehr selten vorkommen, wenn sie es tun, stehen wir jedoch vor einer grossen Herausforderung.

    1.1 Danksagung

    Den grössten Dank möchte ich meiner Bezugsperson Helena Tucekova aussprechen, die mir während der Themensuche und meiner ganzen Arbeit immer zur Seite stand und mir wertvolle Tipps gab. Herzlichen Dank auch an meine Familie und Freunde, die mich bei Höhen und Tiefen meiner Arbeit unterstützt haben. Auch danke ich Verena Zobrist, die mir immer mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat, mir Feuer unter dem Hintern machte und mich ermutigt hat. Ebenfalls Florian Grütter für das Feedback zu meiner Arbeit. Herzlichen Dank auch an alle meine Interviewpartner Martin Brüesch, Martin Luginbühl, Angelina Reik und Roberta Christiano für ihre hilfreiche Beantwortung meiner Fragen. Gerne möchte ich auch Felix Borner danken, der mir noch Unterlagen zu meinem Thema zukommen liess, und Reto Basciani für die Unterstützung bei der Beschreibung meines Falles.

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    Reanimation in Bauchlage während einer Allgemeinanästhesie

    Nadine Amsler, Anästhesie Kantonsspital Aarau Seite II

    2 Abstract

    In meiner Diplomarbeit setze ich mich mit dem Thema der Bauchlage, der Verwendung von Knochenzement und möglichen Reaktionen sowie mit der Reanimation in Bauchlage auseinander. Es sind drei unterschiedliche Themen, die ineinander hineinfliessen. Es ist unumgänglich, eine korrekte Bauchlage durchzuführen, um verschiedene Probleme des Kreislaufs und der Beatmung zu vermeiden, gefolgt von Lagerungsschäden an unterschiedlichen Strukturen des Körpers, die irreversibel sein können. Obwohl Lagerungsexperten die korrekte Lagerung kennen und diese auch durchführen, ist es für Fachpersonen der Anästhesie unumgänglich, diese ebenfalls zu kennen, um die Patientensicherheit zu gewährleisten. Der Knochenzement aus Polymethylmethacrylat findet in unterschiedlichen chirurgischen Disziplinen seinen Einsatz. Erstmals gebraucht in der plastischen Chirurgie, wird er heute vor allem in der Orthopädie, Traumatologie und Neurochirurgie angewendet. Je nach Ort der Anwendung unterscheidet er sich in seiner Konsistenz und seinen Zusatzbestandteilen. Mithilfe einer sogenannten Zementpistole wird er unter Röntgenkontrolle an die gewünschte Stelle appliziert. Durch den Eintritt von Zement erhöht sich der intramedulläre1 Druck und das kann zum Abgang von Embolien2 wie Knochenmark, Fett, Luft oder Zement in den systemischen Kreislauf führen. Obwohl Mikroembolien oft vorkommen, sind diese meist asymptomatisch. Eine andere Komplikation, die bei der Verwendung von Knochenzement auftreten kann, ist der Zementaustritt, was zur Schädigung der Nerven und des umliegenden Gewebes, Infektion und Schmerzen führen kann. Schwerwiegende Komplikationen wie im Fall einer pulmonalen Embolie sind meist letal3 und führen zu Kreislaufveränderungen. Da wir im Operationssaal teilweise Extremlagerungen haben, gestaltet sich die kardiopulmonale Reanimation (CPR) nicht immer einfach. Wenn sich der Patient in Bauchlage befindet, wird empfohlen, ihn schnellstmöglich in Rückenlage zu drehen und dort mit der CPR zu beginnen. Falls dies aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich sein sollte, kann zur Minimierung der no-flow-time4 eine CPR in Bauchlage mit Druck auf die mediale Wirbelsäule gestartet werden. Unter Umständen muss unter das Sternum Lagerungsmaterial gelegt werden, um genügend Gegendruck zu erzeugen. Im Falle eines Herz-Kreislauf-Stillstands in Bauchlage muss man situationsbedingt und individuell entscheiden, was das Beste für den Patienten darstellt. Klar ist, dass sich ein verzögerter Start der CPR ungünstig auf das Outcome5 des Patienten auswirkt.

    1 „Innerhalb des Markes“ bezieht sich auf das Knochenmark (http://flexikon.doccheck.com/de/Intramedullär), abgerufen am 17.11.17 2 Teilweiser oder vollständiger Verschluss von Gefässen durch eingeschwemmtes Material (http://m.flexikon.doccheck.com/de/Embolie), abgerufen am 17.11.17 3 tödlich (http://m.flexikon.doccheck.com/de/Letal), abgerufen am 17.11.17 4 Zeit während einer Reanimation, bei der keine Herzkompression stattfindet (https://www.springermedizin.de/no-flow-time-reduzierung-durch-einsatz-des-larynxtubus/8003738), abgerufen am 17.11.17 5 Ergebnis einer Therapie/Resultat (http://m.flexikon.doccheck.com/de/Outcome), abgerufen am 17.11.17

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    Reanimation in Bauchlage während einer Allgemeinanästhesie

    Nadine Amsler, Anästhesie Kantonsspital Aarau Seite III

    3 Inhaltsverzeichnis

    1 Vorwort ................................................................................................................................. I

    1.1 Danksagung ..................................................................................................................................I

    2 Abstract ................................................................................................................................ II

    3 Inhaltsverzeichnis ................................................................................................................ III

    4 Einleitung.............................................................................................................................. 1

    4.1 BegründungderThemenwahl ......................................................................................................1

    4.2 Kernfrage .....................................................................................................................................1

    4.2.1 Leitfragen..................................................................................................................................... 14.3 Zielsetzung...................................................................................................................................2

    4.4 Abgrenzung..................................................................................................................................2

    4.5 Fallvorstellung .............................................................................................................................2

    5 Hauptteil............................................................................................................................... 4

    5.1 BauchlagewährendderAllgemeinanästhesie ..............................................................................4

    5.1.1 Bauchlagerung ............................................................................................................................. 45.1.2 PraktischesVorgehenbeimUmlagern ........................................................................................ 55.1.3 HämodynamischeAuswirkunginderBauchlage......................................................................... 65.1.4 PulmonaleAuswirkunginderBauchlage .................................................................................... 65.1.5 Lagerungsschäden ....................................................................................................................... 75.1.6 Perioperativevisusloss(POVL).................................................................................................... 8

    5.2 IntraoperativeAnwendungvonKnochenzement..........................................................................9

    5.2.1 ZusammensetzungvonKnochenzement ..................................................................................... 95.2.2 MöglicheNebenwirkungenbeiderVerwendungvonKnochenzement .................................... 105.2.3 Bonecementimplantationsyndrome(BCIS)............................................................................. 125.2.4 Fettembolie ............................................................................................................................... 125.2.5 VorbereitungderAnästhesievordemAnbringenvonKnochenzement ................................... 135.2.6 MassnahmenbeiKomplikationenwährend/nachderKnochenzementanwendung ................ 15

    5.3 KardiopulmonaleReanimation...................................................................................................16

    5.3.1 Herz-Kreislauf-Stillstand ............................................................................................................ 165.3.2 GrundlageneinereffizientenReanimation ............................................................................... 16

    5.4 DurchführungeinerCPRinBauchlage ........................................................................................17

    5.4.1 OptimaleHandpositionbeiCPRinBauchlage ........................................................................... 195.4.2 BlutdruckvariationeninBauchlageundRückenlage–Vergleich............................................... 205.4.3 DefibrillationinBauchlage......................................................................................................... 21

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    Nadine Amsler, Anästhesie Kantonsspital Aarau Seite IV

    6 Schlussteil ........................................................................................................................... 23

    6.1 SchlussfolgerungenundErkenntnisse ........................................................................................23

    6.1.1 Fazit ........................................................................................................................................... 236.2 BeantwortungderFragen ..........................................................................................................24

    6.2.1 Kernfrage ................................................................................................................................... 246.2.2 Leitfragen................................................................................................................................... 25

    6.3 ReflexiondesArbeitsprozessesunddespersönlichenLernprozesses .........................................27

    7 Anhang ................................................................................................................................. A

    7.1 Literaturverzeichnis .....................................................................................................................B

    7.2 Abbildungsverzeichnis................................................................................................................. D

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    4 Einleitung

    4.1 Begründung der Themenwahl

    Als ich mich auf ein Thema für meine Diplomarbeit festlegen musste, tat ich mich ein we-nig schwer. Ich hatte viele verschiedene Ideen, jedoch keine, die mich richtig überzeugte. Obwohl ich mich mit anderen Studierenden und Fachpersonen der Anästhesie austausch-te, konnte ich mich nicht festlegen. Immer noch auf der Suche nach einem geeigneten Thema, ereignete sich folgender Fall im Operationssaal: Als ich im Aufwachraum arbeitete und einen Patienten aus der Schleuse abholte, habe ich mitbekommen, dass zur gleichen Zeit eine Reanimation bei einer orthopädischen Patientin stattfand, welche an der Wirbelsäule operiert wurde. Schon in der Schleuse tauschte ich mich mit zwei Assistenzärzten darüber aus, ob die Patientin sofort in Rückenlage gedreht wurde und wie eine Reanimation bei einem Patienten, der sich in Bauchlage befindet, überhaupt abläuft. Die beiden Assistenzärzte der Anästhesie konnten mir keine klare Aus-kunft darüber geben, wie man dabei vorgeht. Beide haben nur angenommen, dass der Patient „irgendwann“ in Rückenlage gedreht wird. Im Nachhinein habe ich erfahren, dass besagte Patientin wenige Minuten nach dem Einbringen von Knochenzement einen plötz-lichen Abfall des endexspiratorischen CO2 und ein Kreislaufversagen erlitt. Die Patientin verstarb nach erfolgloser Reanimation. Wenn ich Anästhesien in Bauchlage mache, bin ich immer etwas nervös, da auf vieles geachtet werden muss und ich nie genau weiss, wie der Patient kardial und pulmonal auf die Lageveränderung reagiert. Da Patienten, die an der Wirbelsäule operiert werden, mei-stens älter sind und oft diverse Grunderkrankungen mitbringen, steigt das Risiko von Komplikationen. Nicht nur die Bauchlage an sich stellt ein Risiko dar, sondern auch das Benutzen des Knochenzements kann Komplikationen verursachen. Ich möchte mich in meiner Diplomarbeit mit dem Thema der Bauchlage und all seinen Folgen und Komplikationen beschäftigen. Speziell möchte ich mehr über die Verwendung von Knochenzement und dessen Risiken und Folgen herausfinden. Zudem möchte ich erfahren, wie sich eine Reanimation bei einem Patienten in Bauchlage gestaltet. Bauchla-ge und die Verwendung von Knochenzement sind Themen, denen ich im Arbeitsalltag immer wieder begegne, mit oder ohne Komplikationen.

    4.2 Kernfrage

    Wie wird eine effiziente Reanimation beim anästhesierten Patienten durchgeführt, wenn er sich in Bauchlage befindet? 4.2.1 Leitfragen

    - Welche Auswirkungen hat die Bauchlage auf Hämodynamik und die At-mung/Beatmung?

    - Welche Schäden kann eine falsch angewendete Bauchlage verursachen? - Welche anästhesiologischen Vorbereitungen müssen beim Zementieren getroffen

    werden? Sind diese Massnahmen überhaupt effektiv? - Woraus besteht Knochenzement? - Weshalb ist die Verwendung von Knochenzement ein Risiko für den Patienten? - Kann eine CPR in Bauchlage durchgeführt werden?

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    4.3 Zielsetzung

    Mein Ziel ist es, einen Ablauf für eine Reanimation bei einem Patienten in Bauchlage zu kennen. Ich möchte in Erfahrung bringen, welche Massnahmen ich ergreifen kann, bis der Patient so weit bereit ist, um ihn auf den Rücken zu drehen. In diesem Zusammenhang möchte ich mich mit der Bauchlagerung in der Anästhesie auseinandersetzen und die möglichen Komplikationen und Risiken sowie auch die Risiken der intraoperativen Anwen-dung von Knochenzement erläutern. In meinem Fallbeispiel kam es nach der Anwendung von Knochenzement zu kardiopulmonalen Zwischenfällen, aus diesem Grund will ich die Reanimationsabläufe in einer solchen Situation anschauen. Meine Arbeit richtet sich an Personen, die in der Anästhesie mit Patienten in Bauchlage und/oder mit der Verwendung von Knochenzement arbeiten.

    4.4 Abgrenzung

    Um den vorgegebenen Rahmen nicht zu sprengen, grenze ich mich von folgenden Themen ab oder erwähne diese nur am Rande:

    - Spezielle oder abgeänderte Bauchlage, z. B. die Knie-Ellenbogen-Lagerung, Bauchlage bei Schädeloperationen mit Mayfield

    - Allgemeine Lagerungskomplikationen - Medikamente werden nur am Rande erwähnt - Luftembolie, thrombusbedingte Lungenembolie - Reanimation in Rückenlage und anderen Lagerungen - Andere Komplikationen während der Narkose

    4.5 Fallvorstellung

    77-jährige, weibliche Patientin, 88 kg, 175 cm, kommt zu einem Elektiveingriff, Dekompression6 L1-3 und Spondylodese7 Th9 bis S1

    - ASA8 III - chronische Anstrengungsdyspnoe - hypertensive und koronare Herzkrankheit, STEMI9 im 2007, kardialer Stent, EF10

    60%, paroxysmales Vorhofflimmern/Flattern, unter Amiodaron11 und oralen Antikoagulanzien, Hypertonie

    - chronische Niereninsuffizienz - substituierte Hypothyreose

    6 Chirurgisch Entlastung eines Gewebes (Nerven), auf die Druck ausgeübt wird (http://m.flexikon.doccheck.com/de/Dekompression), abgerufen am 17.11.17 7 Operation zur Versteifung von Wirbelkörpern (https://de.wikipedia.org/wiki/Spondylodese), abgerufen am 18.11.17 8 Klassifikation der Anästhesie zur Abschätzung des perioperativen Risikos (http://m.flexikon.doccheck.com/de/ASA-Risikoklassifikation), abgerufen am 18.11.17 9 Myokardinfarkt mit ST-Hebung im EKG (http://m.flexikon.doccheck.com/de/STEMI), abgerufen am 18.11.17 10 Ejektionsfraktion Prozentsatz des Blutvolumens, der vom Ventrikel während einer Herzaktion ausgeworfen wird (http://m.flexikon.doccheck.com/de/Ejektionsfraktion), abgerufen am 18.11.17 11 Antiarrhythmikum (https://compendium.ch/prod/amiodaron-mepha-tabl-200-mg/de), abgerufen am 18.11.17

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    Der Patientin wurden von der Abteilung 2000 E Beriplex12 und 10 mg Konakion13 in die Operationsvorbereitung mitgegeben. Davon sollten 1500 E Beriplex und 10 mg Konakion präoperativ appliziert werden. Nach kritischem Hinterfragen und mit Rücksprache mit dem Dienstarzt der Orthopädie wurde die Gabe von Beriplex 1500 E bei einem Quick von 48% gewünscht. Die Patientin wurde intubiert, erhielt einen arteriellen Katheter und einen Blasenkatheter sowie zwei periphere Zugänge und einen jugulären Zentralvenenkatheter. Der Quick wurde um 8.55 kontrolliert und lag bei 57%. Um 9.25 wurde der Quick erneut kontrolliert und betrug 75%. Die Orthopäden wurden darüber informiert. Start der Operation um 9.40. Um 10.25 bei einem Blutverlust von 200 ml wurde eine weitere Applikation von 500 E Beriplex seitens der Chirurgen trotz kritischem Hinterfragen der Anästhesie gewünscht. Um 10.50 betrugt der Quick 82%. Während der Narkose wurde zur Kreislaufstabilisierung ein Noradrenalin-Perfusor verwendet. Dieser lief vor dem Kreislaufstillstand zwischen 0 bis 5 mcg pro Minute. Es wurden regelmässig arterielle Blutgasanalysen durchgeführt und die Werte der Beatmung befanden sich jederzeit im Normbereich. Der Blutverlust betrug beim Zeitpunkt des Zementierens etwa 800 ml. Intraoperativ waren bis zum Einbringen von Knochenzement keine Komplikationen aufgetreten. Während des Eingriffes schwankte der Blutdruck systolisch zwischen 90 und 120 mmHg. Beim Einbringen des Knochenzements um 14.50 betrug der Blutdruck 90/55 mmHg. Um 14.58 war ein plötzlicher Abfall des endexspiratorischen CO214 von 33 auf 27 mmHg mit begleitendem Kreislaufversagen, Blutdruck arteriell 64/44 mmHg festzustellen. Gleichzeitig wurde im EKG eine ST-Streckensenkung festgestellt. Es wurde daraufhin ein Volumenbolus Ringerlactat verabreicht und die Gabe von 30 mcg Noradrenalin. Im Anschluss keine Verbesserung der Kreislaufsituation, es folgte ein Herz-Kreislauf-Stillstand mit pulsloser elektrischer Aktivität (PEA). Die Patientin wurde auf den Rücken gedreht. Es wurde mit der mechanischen kardiopulmonalen Reanimation gestartet, Adrenalinboli wurden verabreicht und ein Adrenalinperfusor gestartet. Eine Rückkehr des Spontankreislaufes erfolgte nach drei Minuten. Man führte eine transösophagale Echokardiographie durch, welche folgenden Befund ergab: eine deutliche Rechtsherzbelastung mit mittelschwerer eingeschränkter Funktion des rechten Ventrikels. Deutlich dilatierter rechter Ventrikel, mittelschwere Trikuspidalklappeninsuffizienz, die linksventrikuläre Funktion war nur leicht eingeschränkt, die Pulmonalarterie bis zur rechten Pulmonalarterie war ohne sichtbare Thromben. Im Verlauf wurden Thromben im rechten Ventrikel sichtbar. Es wurde Milrinon15 als Bolus von 2 mg appliziert und ein Milrinonperfusor mit 3 mg/h gestartet. Zudem wurde Ilomedin16 20 mcg inhalativ verabreicht und 100 ml 8,4% NaBic17. Der Chefarzt der Kardiologie wurde über die Situation informiert und kam in den Operationssaal. Die Patientin erlitt intermittierende Episoden von Herz-Kreislauf-Stillständen mit mechanischer CPR. Keine Rückkehr des Spontankreislaufs ab 15.30. 16.12 erfolgte der Abbruch der CPR und die Patientin verstarb um 16.35.

    12 Blutgerinnungsfaktoren, Faktor II, VII, X, IX Konzentrat (http://compendium.ch/prod/beriplex-p-n-500-trockensub-mit-solv/de), abgerufen am 18.11.17 13 Vitamin K (https://compendium.ch/prod/konakion-mm-inj-los-10-mg-ml-p-o---i-v-/de), abgerufen am 18.11.17 14 Kohlendioxid (https://www.energie-umwelt.ch/haus/oeffentlicher-verkehr-mobilitaet/co2-und-klima/1276), abgerufen am 18.11.17 15 Phosphodiasterase-Hemmer (https://compendium.ch/prod/milrinon-labatec-inj-los-1-mg-ml/de), abgerufen am 18.11.17 16 Thrombozytenaggregationshemmer (https://compendium.ch/prod/pnr/94928/de), abgerufen am 18.11.17 17 Natriumhydrogencarbonat, alkalisierende Lösung bei metabolischer Azidose (http://compendium.ch/prod/natrium-bicarb-bichsel-8-4--/de), abgerufen am 18.11.17

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    5 Hauptteil

    5.1 Bauchlage während der Allgemeinanästhesie

    Die Bauchlage wird bei unterschiedlichen Eingriffen angewendet, vor allem in der Orthopädie und Neurochirurgie bei Eingriffen an der Wirbelsäule. Es gibt verschiedene Typen der Bauchlage, die je nach Eingriffsort zum Einsatz kommen. Die Narkoseeinleitung findet in Rückenlage statt, danach wird der Patient in die Bauchlage gedreht. 5.1.1 Bauchlagerung Die korrekte Lagerung ist in vielerlei Hinsicht wichtig. Der Chirurg sollte eine optimale Sicht auf das Operationsfeld und gute Arbeitsbedingungen haben. Der Atemweg muss gut gesichert sein. Der Körper muss so gelagert sein, dass keine Druckstellen oder Nervenschäden entstehen. Die Sicherheit des Patienten sollte zu jedem Zeitpunkt der Lagerung gewährleistet sein. Die Narkose wird beim in Rückenlage liegenden Patienten eingeleitet. Erst wenn alle Installationen getätigt sind, wird der Patient mit Unterstützung von mindestens vier Personen in die Bauchlage gedreht. Eine Möglichkeit ist, den Patienten auf dem gleichen Tisch zu drehen, dies erfordert jedoch hohen Kraftaufwand. Die andere Möglichkeit besteht darin, dass man den Patienten auf einen zweiten Tisch dreht. Der Kopf wird in einem sogenannten Schutzhelm, der bereits in Rückenlage angelegt wird, gelagert. Die Halswirbelsäule befindet sich in diesem Fall in Neutralstellung. Dem Gesicht gegenüber befindet sich ein Spiegel, in dem man die Augen und die Nase auf mögliche Druckstellen kontrollieren kann. Der Beatmungsschlauch, Absaugkatheter und andere Installationen können unter dem Schutzhelm abgeleitet werden. Diese Vorrichtung wird auch ProneView Mirror Platform genannt. Alternativ kann der Kopf des Patienten seitlich auf einem Kopfring gelagert werden, dies ermöglicht den direkten Blick auf Druckstellen im Gesicht. Wichtig bei der Lagerung der Arme ist, dass die Oberarme nicht am Operationstisch anliegen, da die Gefahr von Druckstellen besteht. Die Unterarme werden kranial gelagert und die Schultern ein wenig abgesenkt. Alternativ wäre auch eine Anlagerung der Arme an den Körper möglich. Bei der Lagerung des Thorax und des Beckens ist darauf zu achten, dass diese ein wenig angehoben werden, damit keine Behinderung des venösen Rückstroms erfolgt und die Thoraxbewegungen nicht eingeschränkt werden, dafür werden spezielle Lagerungskissen verwendet. Hier bleibt das Schambein frei und die Genitalien müssen druckfrei gelagert werden. Beim Lagern der Beine wird darauf geachtet, dass keine Gelenke verletzt werden und keine Druckstellen entstehen. Unterhalb der Kniegelenke sollte ein Fixationsgurt befestigt werden. (Schmidt-Bräkling et al., 2017) (Auerhammer, 2008)

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    Abbildung 1: Bauchlage (Schmidt-Bräkling et al., 2017, S. 79) Neben der herkömmlichen Bauchlagerung gibt es noch die Möglichkeit, den Patienten in die Knie-Ellenbogen-Lagerung zu bringen. Bei Operationen an der Halswirbelsäule, bei denen der Kopf in eine Mayfield-Klemme eingespannt wird, erfolgt die Anbringung der Mayfield-Klemme in Rückenlage. Bei Zugang auf dorsalem Weg wird der Patient danach in die Bauchlage gedreht. (Schmidt-Bräkling et al., 2017) (Auerhammer, 2008) 5.1.2 Praktisches Vorgehen beim Umlagern Wichtig beim Umlagern des Patienten ist, dass genügend Personal zur Verfügung steht. Für die Umlagerung in die Bauchlage muss der Patient immer einen stabilen Kreislauf haben. Bei instabilen Patienten muss zuerst die Kreislaufstabilisierung erfolgen. Der zweite Operationstisch für die Bauchlagerung sollte schon mit dem korrekten Zubehör vorbereitet werden. Bei der Umlagerung muss darauf geachtet werden, dass es eine leichte Höhendifferenz zwischen den beiden Operationstischen gibt. Der Operationstisch für die Bauchlagerung sollte ein wenig tiefer sein als der Tisch, auf dem sich der Patient in Rückenlage befindet. Während des Drehens werden die Arme des Patienten seitlich an den Körper angelagert. Die zuständige Anästhesiefachperson befindet sich am Kopf des Patienten, um den Tubus zu sichern. Die Anästhesie bestimmt, wann der Patient bereit ist, auf den Bauch gedreht zu werden. Bei der Umlagerung, vor allem beim voll relaxierten Patienten, kann es ohne grossen Kraftaufwand zur Luxation der Schultergelenke oder Schäden an der Halswirbelsäule kommen. Alle Monitor- und Infusionsleitungen, die nicht zwingend während des Umlagerns benötigt werden, sollten für diese Zeit diskonnektiert werden, um deren Verlust und das Verletzungsrisiko für den Patienten zu minimieren. Wenn entschieden wird, die Überwachung, Infusionen und Beatmung angeschlossen zu lassen, müssen diese gut fixiert werden. Der Tubus muss so gesichert sein, dass keine versehentliche Extubation erfolgen kann. Nach dem Drehen muss mittels Stethoskop auskultiert werden, um eine seitengleiche Beatmung zu gewährleisten. Beim Umlagern kann die Herz-Kreislauf-Funktion durch Anästhetika beeinträchtigt werden, da Anästhetika die normale autonome kardiovaskuläre Reflexreaktion während des

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    Lagewechsels aufheben oder abschwächen. Durch Verlust des Muskeltonus, der normalerweise eine Schutzfunktion ausübt, können Schäden an Gelenken entstehen. Aus diesem Grund sollen für die Umlagerung die Narkose und die Muskelrelaxierung nicht zu tief gefahren werden, um diese beiden Funktionen nicht zu stark zu vermindern. (Schmidt-Bräkling et al., 2017) (Auerhammer, 2008) (Larsen, 2013) Bemerkung: In einer Notfallsituation, bei der der Patient schnellstmöglich in die Rückenlage gedreht werden muss, soll eine klare Kommunikation und Rollenverteilung erfolgen. Zu diesem Zeitpunkt ist es sinnvoll, die Personen, die über die meiste Erfahrung verfügen, am Drehvorgang teilnehmen zu lassen, und es muss genügend Personal zur Unterstützung angefordert werden. 5.1.3 Hämodynamische Auswirkung in der Bauchlage In Bauchlage steigt der intraabdominelle Druck, was zu einer Behinderung des venösen Rückstroms führen kann. Der Blutdruck und das Herzzeitvolumen können abfallen. Hauptgrund dafür ist wahrscheinlich die Kompression der Vena cava. Durch einen erhöhten venösen Druck kann es zudem zu einer verstärkten Blutung im Operationsgebiet wie der Wirbelsäule kommen. Durch den Druck auf die Vena cava sucht der Körper einen anderen Weg, das Blut zurück zum Herzen zu transportieren, dies geschieht in den meisten Fällen über den vertebralen Venenplexus18. Es entsteht ein Umgehungskreislauf. Dieser kann einen höheren Blutverlust aus den epiduralen Gefässen zur Folge haben. Durch die Lagerung können auch andere Blutgefässe in den oberen Extremitäten komprimiert werden. Aus diesem Grund ist ein freigelagertes Abdomen besonders wichtig. Bei Druck auf den Carotissinus19 kann es zu Herzrhythmusstörungen und Abfall des arteriellen Blutdrucks kommen. (Riesen, 2012) (Larsen, 2013) Fall: Nach dem Drehen in die Bauchlage wurde bei oben beschriebener Patientin ein Noradreanlin-Perfusor zur Kreislaufunterstützung angeschlossen. Dieser lief intraoperativ bis zum Zeitpunkt des Herz-Kreislauf-Stillstandes zwischen 1 bis 5 mcg pro min. Der Blutdruck befand sich während der Operation systolisch zwischen 90 und 120 mmHg. 5.1.4 Pulmonale Auswirkung in der Bauchlage In der Bauchlage lastet ein Teil des Körpergewichts auf der Bauchwand. Dadurch wird das Atemzugvolumen vermindert, da die Beweglichkeit des Diaphragmas eingeschränkt wird. Aus diesem Grund sollte der Patient, welcher sich während der Operation in Bauchlage befindet, intubiert und kontrolliert beatmet werden. Bei einer korrekten Lagerung – das heisst, wenn die Bauchwand frei bewegt werden kann – verringert sich die negative Auswirkung auf die Atmung. Bei falscher Lagerung kann es jedoch zu einer grossen Abnahme der funktionellen Residualkapazität20 (FRC) und der Compliance der Lunge kommen. Als Folge entstehen höhere Beatmungsdrücke. Es wird beschrieben, dass die Lungenperfusion in Bauchlage gleichmässiger verteilt ist als in Rückenlage. Verbessert wird dadurch das Ventilations/Perfusions-Verhältnis, was bei den meisten Patienten zu einer Verbesserung der Oxygenierung führt. (Riesen, 2012) (Larsen, Ziegenfuss, 2015) (Larsen, 2013)

    18 Venengeflecht aus untereinander verbundenen venösen Blutgefässen (https://de.wikipedia.org/wiki/Venenplexus), abgerufen am 18.11.17 19 Anfangserweiterung am Ursprung der Arteria carotis interna, hier befinden sich Barorezeptoren (https://de.wikipedia.org/wiki/Sinus_caroticus), abgerufen am 18.11.17 20 Volumen, das sich nach normaler Exspiration noch in der Lunge befindet (http://m.flexikon.doccheck.com/de/FRC), abgerufen am 18.11.17

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    Aus Untersuchungen ging hervor, dass sich die FRC beim wachen Patienten im Vergleich zum anästhesierten verkleinert. Wenn der Patient jedoch anästhesiert ist, ist die FRC in Bauchlage grösser als im Vergleich zur Rückenlage. (Edgcombe, Carter, Yarrow, 2008) Fall: Es wurden intraoperativ Blutgasanalysen gemacht, mit deren Unterstützung die Beatmung der Patientin angepasst wurde. Die Beatmungsparameter und die Sauerstoffsättigung waren während der Anästhesie stets im Normbereich. Das erste Zeichen des beginnenden Herz-Kreislauf-Stillstands war das schnell abfallende endexspiratorische CO2. 5.1.5 Lagerungsschäden Während der Bauchlage kann es zu unterschiedlichen Druckschäden kommen. Meistens kommt es durch Druck oder Zug zu Ischämien von Nerven. In Bauchlage sind periphere Nervenschäden am häufigsten. Des Weiteren sind Schäden an Gelenken, Weichteilen, Gefässen und den Augen ebenfalls möglich. Eine genügende und korrekte Polsterung ist bei der Bauchlage darum besonders wichtig. (Riesen, 2012) (Bund et al., 2005) Gefährdete Strukturen

    - Gesicht, Ohren, Nase - Genitalien, Brüste (Zug am Blasenkatheter vermeiden) - Druck auf abdominelle Organe kann zu hepatischen Ischämien führen - Gefässe: durch Druck auf Femoralarterie und Axillärarterie kann es zur

    Minderversorgung der Extremitäten kommen - Kompartmentsyndrom21 durch Abdrücken von Gefässen vor allem in den Beinen - Nervenschäden, die zum Teil irreversibel sein können. Folgende Nerven sind

    besonders gefährdet: Nervus brachialis und daraus resultierend Nervus ulnaris und radialis, weiter der Nervus fibularis und tibialis, Nervus femoralis cutaneus

    (Riesen, 2012) (Bund, et al. 2005) (Schmidt-Bräkling et al., 2017) (Larsen, 2013) Falls der Kopf in Bauchlage zur Seite gedreht wird, besteht das Risiko, dass der Patient eine Hirnschädigung durch Verletzung oder Okklusion der hirnzuführenden Gefässe erleidet. Aus diesem Grund muss – wenn immer möglich – die Halswirbelsäule in Neutralstellung gelagert werden. Die Halswirbelsäule selbst kann durch zu starke Streckung oder Beugung ebenfalls beschädigt werden. (Larsen, 2013) (Riesen, 2012) Falls sich der Kopf des Patienten in Bauchlage unterhalb des Herzniveaus befindet, besteht die Gefahr von Lidödemen, Schwellung des Gesichtes und unter Umständen ein Anstieg des Hirndruckes. Der Hals des Patienten soll frei gelagert werden, ansonsten kann der venöse Rückstrom behindert werden. Bei einer Seitwärtsdrehung des Kopfes kann der Blutfluss in die Vertebralarterie behindert werden. Dies ist vor allem bei vorbestehender Karotisstenose zu beachten, da dort ein Umgehungskreislauf über den Circulus arteriosus Willisii zur Versorgung der Hirnareale essenziell ist. (Bund et al., 2005)

    21 Anstieg des Gewebedrucks mit Folge einer Störung der Mikrozirkulation und der neuromuskulären Funktion (http://m.flexikon.doccheck.com/de/Kompartmentsyndrom), abgerufen am 18.11.17

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    5.1.6 Perioperative visus loss (POVL) Eine schwerwiegende, seltene Komplikation ist der Visusverlust nach nichtophtalmologischen Eingriffen, welcher am häufigsten bei Operationen an Herz, Wirbelsäule, Schädel oder Hals auftritt. Erste Berichte darüber wurden 1950 veröffentlicht. 89% aller Fälle, in denen es zu einer Einschränkung des Sehvermögens kam, waren bei Operationen an der Wirbelsäule. Dies lässt sich erklären durch direkten Druck auf das Auge oder den Anstieg des intraokulären Drucks sowie die Beeinträchtigung des venösen Rückstroms bei Kopftieflage und einer Hypotonie. Ausgelöst wird diese Komplikation unter anderem durch direkten Druck auf das Auge. Der Visusverlust kommt durch einen zentralen Retinalarterienverschluss und eine ischämische optische Neuropathie22 zustande. Bei der Kopfstütze muss das Auge besonders geschützt werden, die Orbita muss frei liegen, damit kein Druck auf den Bulbus ausgeübt wird. Während der Operation soll durch Inspektion und Abtasten der Orbita überprüft werden, ob Druck darauf besteht. Schon nach zehn Minuten Druck auf das Auge kann es zum Visusverlust kommen. Grund dafür ist die Ischämie des Nervus opticus und der Retina. Ein Warnsignal für einen erhöhten Augeninnendruck können Bradyarrhythmien sein. Hinzu kommt, dass es beim narkotisierten Patienten zu einem verringerten Tränenfluss und einem fehlenden Lidschluss kommt. Um die Augen vor Hornhauterosion zu schützen, sollten die Augen mit Augensalbe gepflegt und dicht zugeklebt werden. Das Risiko eines Sehverlustes erhöht sich bei langer Operationsdauer in Bauchlage durch verminderten okulären Perfusionsdruck, ausgelöst durch Blutverlust, Anämie, Hypoxie, Hypotonie oder übermässige Flüssigkeitssubstitution. Bei Kopftieflage kann es auch zu Ödemen im Gesicht bis hin zum Kompartmentsyndrom der Augen kommen. (Bund et al., 2005) (Riesen, 2012) (Larsen, 2013) (Shmygalev, 2011)

    22 Umfasst eine Schädigung des Sehnervs aufgrund einer Blockierung der Blutzufuhr (https://www.msdmanuals.com/de/heim/augenkrankheiten/erkrankungen-des-sehnervs/ischämische-optische-neuropathie), abgerufen am 18.11.17

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    5.2 Intraoperative Anwendung von Knochenzement

    Knochenzement wird in unterschiedlichen Disziplinen zur Fixation und Stabilisierung von Frakturen oder Prothesen angewendet. Der Knochenzement besteht aus Polymethylmethacrylat. Expertenmeinung Angelina Reik, Produktmanagement bei Heraeus Medical: „Die Knochenzemente von Heraeus unterscheiden sich grundsätzlich in Aspekten wie Zusammensetzung, in Handhabung, den Rohstoffen, dem Produktionsprozess etc. Polymethylmethacrylate (PMMA) ist in allen unseren Zementen enthalten. Beim Anmi-schen des Zementes wird das Monomermethylmethacrylate (MMA) mit der Pulverkompo-nente vermischt. Durch radikale Polymerisation entsteht das PMMA.“ 5.2.1 Zusammensetzung von Knochenzement Knochenzement wurde in den 40er-Jahren zum ersten Mal in der plastischen Chirurgie eingesetzt. Heutzutage ist er ein essenzieller Bestandteil in der Orthopädie. Er dient dazu, die Kräfte, die vom Implantat auf den Knochen wirken, zu übertragen. Es ist ein Kunststoff, der sich Polymethylmethacrylat PMMA nennt und aus glasartigen, festen und harten Stoffen besteht. Er wird mithilfe einer Zementpistole an die richtige Stelle gespritzt. Der Knochenzement wird aus zwei Komponenten hergestellt: dem Pulver, dem sogenannten Polymer, und der Flüssigkeit, dem Monomer. Der flüssige Teil besteht hauptsächlich aus Methylmethacrylat MMA. Die Pulverkomponente besteht aus mehreren Polymeren. Nach der Aushärtung befindet sich der Zement in einem glasartig und zugleich spröden Zustand, der eine hohe Elastizität und Festigkeit aufweist. Nach Aushärtung besteht jedoch immer die Möglichkeit, dass der Knochenzement in Hohlräume eindringen kann. Im Produkt befindet sich zusätzlich ein Röntgenkontrastmittel und wahlweise Antibiotikum. Durch das Beifügen von Antibiotika wird die Infektrate deutlich vermindert, da künstliche Implantate für eine Keimbesiedlung besonders anfällig sind. Gentamicin23 ist bei Verwendung von Knochenzement das Antibiotikum der Wahl, in den ersten Tagen wird eine hohe Freisetzung dieses Wirkstoffs beobachtet. Es kann jedoch noch nach über fünf Jahren eine geringe Freisetzung von Gentamicin aus dem Knochenzement nachgewiesen werden. Diese Tatsache könnte die Entstehung von resistenten Bakterienstämmen begünstigen. Mittels Röntgenkontrastmittel, das beigemischt ist, kann die Lage des Zementes überprüft werden. Beim Vermischen des Pulvers mit der Flüssigkeit entsteht Wärme, vor allem während der Aushärtungsphase mit Temperaturspitzen um 40 bis 46 °C. Beim ausgehärteten Zement bleiben MMA-Moleküle, sogenannten Restmonomere, zurück. Aus Untersuchungen ging hervor, dass Monomere aus dem Zement freigesetzt werden können, von da ins Blut gelangen und von dort über die Atmung verstoffwechselt und in Kohlendioxid und Wasser gespalten und ausgeschieden werden. Von daher geht man davon aus, dass zementassoziierte Kreislaufreaktionen während der Verwendung von Zement nicht eine direkte toxische Folge sind. (Kühn et al., 2015) (Breusch et al., 2003) Expertenmeinung Roberta Christiano, Technische Operationsfachfrau, Fachverantwortliche Orthopädie: „Wir im Kantonsspital Aarau brauchen bei Eingriffen an der Wirbelsäule in der Orthopädie den Zement Kyphon Xpede von der Firma Medtronic. Beim Einsatz von Knochenzement bei Hüft- und Knieprothesen wird der Zement CemSys Genta 1 von der Firma Mathys be-

    23 Antibiotikum (http://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Gentamicin), abgerufen am 18.11.17

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    nutzt. Sie unterscheiden sich dadurch, dass der Zement für die Wirbelsäule flüssiger ist, da die gesetzten Pedikel-Schrauben oder ein frakturierter Wirbel intern zementiert werden. Der Zement CemSys Genta 1 ist wie eine Paste und hat noch das Antibiotikum Gentami-cin drin.” 5.2.2 Mögliche Nebenwirkungen bei der Verwendung von Knochenzement Bei den Verfahren zur Behandlung von Wirbelsäulenfrakturen wie der Kyphoplastie oder Vertebroplastie wird mit einem Zementaustritt in das epidurale Gefässsystem von etwa 70% gerechnet. Etwa 23% gelangen bis in die Lungenstrombahn. Von diesen 23% sind nur einzelne tödlich und die Mehrzahl dieser Zementembolien bleibt asymptomatisch. Im Rahmen von Zementanwendung verlaufen etwa 80% der thrombusbedingten Lungenembolien ohne Symptome. Als Folge von austretendem Zement kommen systemische Komplikationen mit einer Seltenheit von unter 2% vor und können zu lebensbedrohlichen Situationen führen. Im Vergleich zu Hüft- oder Kniegelenken wird weniger Zementmaterial benötigt und aus diesem Grund treten allergische oder toxische Reaktionen bei Wirbelsäulenoperationen in den Hintergrund. (Kessler et al., 2010) (Bach et al., 2017) (Pleser et al., 2004) (Kühn et al., 2015) Folgende Reaktionen werden bei der Verwendung von Knochenzement beobachtet:

    - Intraduraler Zementaustritt mit Rückenmarkskompression, Paraplegie, Querschnittssymptomatik, Schmerz und Infektionen

    - Paradoxe zerebral-arterielle Embolie24 bei offenen Foramen ovale25 - Pulmonalarterielle Embolie - Allergische Reaktion: Durch die einzelnen Bestandteile im Zement. Für solche

    Reaktionen ist vor allem der Zusatz Gentamicin verantwortlich. - Toxische Reaktion - Intramedulläre Druckerhöhung und Einschwemmung von Fett, Zement, Luft,

    Knochenpartikeln (Kessler et al., 2010) (Bach et al., 2017) (Pleser et al., 2004) (Kühn et al., 2015) Der genaue Mechanismus, der dazu führt, dass es nach Einbringen von Knochenzement zu Blutdruckabfall und Hypoxämie kommt, ist ungeklärt. Es wird diskutiert, dass die Freisetzung eines Monomers26 von Methylmethacrylat die Ursache sein könnte, ebenfalls eine Embolie, die meist durch eine intramedulläre Druckerhöhung ausgelöst wird. Eine andere Vermutung ist, dass es zur Lyse von Blutzellen und Fett kommt, ausgelöst durch die exotherme Reaktion27, die bei einer Zementanwendung entsteht. Eine weitere Vermutung ist, dass durch Umwandlung von Methylmethacrylat zu Methacrylsäure Kreislaufreaktionen ausgelöst werden können. Der genaue Mechanismus dieser Theorie ist jedoch nicht geklärt. (Breusch et al., 2003) (Larsen, 2013) Während Hüft-TP-Operationen wurde immer wieder der Nachweis von Emboli im rechten Vorhof, rechten Ventrikel und in der Pulmonalarterie festgestellt. Die meisten dieser Embolien verlaufen jedoch klinisch stumm und ohne hämodynamische Auswirkung. Diese Embolien setzen sich zusammen aus Fettpartikeln, Knochenpartikeln, Knochenmarkspartikel, Fibrin-Thrombozyten-Aggregaten, Luft- und

    24 Übertreten eines Embolus vom venösen in das arterielle System (http://m.flexikon.doccheck.com/de/Paradoxe%20Embolie), abgerufen am 18.11.17 25 Verbindung zwischen dem linken und dem rechten Vorhof des Herzens (https://de.wikipedia.org/wiki/Foramen_ovale_(Herz), abgerufen am 18.11.17 26 reaktionsfähige Moleküle, die Verbindungen eingehen können (https://de.wikipedia.org/wiki/Monomer), abgerufen am 18.11.17 27 Reaktion, bei der Wärme entsteht (https://de.wikipedia.org/wiki/Exotherme_Reaktion), abgerufen am 18.11.17

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    Knochenzementpartikeln. Diese werden in das peridurale und paravertebrale Venengeflecht eingeschwemmt und von dort gelangen diese Partikel in das rechte Herz oder in den Lungenkreislauf. Bei Verschluss des Lungenkreislaufes kann es zu kardiorespiratorischen Veränderungen bis hin zum Tode kommen. Die Erhöhung des intramedullären Druckes kann eine Folge der Zementeinfüllung oder der exothermen Reaktion des Zements mit Ausdehnung durch Verfestigung zwischen Prothese und Knochen sein. Bei einem offenem Foramen ovale kann eine paradoxe Embolie entstehen, gefolgt von neurologischen Störungen. Bei neu auftretenden Symptomen kurz nach der Operation wie Herzrhythmusstörungen, Dyspnoe oder Fieber könnte die Verwendung von Knochenzement die Ursache sein. In den meisten Fällen führt eine pulmonale Zementembolie zu unmittelbaren Kreislaufveränderungen. Die Verlegung eines Lungengefässes hat zur Folge, dass die rechtsventrikuläre Nachlast erhöht wird und es zu einer akuten Rechtsherzbelastung kommt. Pulmonale Embolisationen können zur Ausschüttung von Mediatoren wie Histamin führen. Dies wiederum kann zu peripherer Vasodilatation durch Relaxation der glatten Gefässmuskeln führen. Die Gerinnung wird durch das eingeschwemmte Material aktiviert. Als Folge tritt ein Rechtsherzversagen bis zum kardiogenen Schock auf. Dies ist in etwa 0,3% der Fälle. Es zeigt sich eine akute Rechtsherzinsuffizienz, die zu kardialen Arrhythmien bis hin zur Asystolie führen kann. Ein Anstieg des pulmonalvaskulären Widerstandes führt zur Einschränkung der rechtsventrikulären Funktion und damit zur Hypoxämie. Erkennen kann man dies an einem Abfall des endexspiratorischen CO2, des arteriellen Blutdrucks, Tachykardie und einem Anstieg des CO2-Partialdrucks. Symptome beim wachen Patienten können Dyspnoe, Unruhe und thorakale Schmerzen sein. Möglich ist, dass es erst postoperativ zu einer Reaktion auf Knochenzement kommen kann, aus diesem Grund wird die Gabe von Sauerstoff über 24 Stunden nach Eingriffen, bei denen Knochenzement angewendet wurde, empfohlen. (Kessler et al., 2010) (Bach et al., 2017) (Borner, 2016) (Brökling, 2011) (Heck et al., 2015) (Rossaint et al., 2008)

    Abbildung 2:

    A) normale Zirkulation B) Kombiniertes Modell mit peripherer Vasodilatation, reduziertem venösem Rückstrom, erhöhtem

    pulmonal vaskulärem Widerstand und pulmonaler Embolisation, reduziertem Cardiac output, reduziertem systemisch vaskulärem Widerstand (Präsentation F. Borner, 2016, Seite 13)

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    Fall: Zum Zeitpunkt des Zementierens um 14.50 hatte die Patientin einen Blutverlust von 800 ml. Bei einem Blutverlust von 600 ml war die Volumenbilanz folgende: Man verabreichte ihr bis zu diesem Zeitpunkt 2400 ml Ringerlactat zur Korrektur des Blutverlustes. In Zusammenhang mit der Ausscheidung befand sie sich in einer Plusbilanz von 2165 ml. 5.2.3 Bone cement implantation syndrome (BCIS) Das Konchenzementsyndrom wird dann beobachtet, wenn ein Hohlraum mit Masse gefüllt wird. Die Luft, die sich in diesem Hohlraum befindet, entweicht und es entsteht eine Erhöhung des intramedullären Drucks. (Kühn et al., 2015) Für das Bone cement implantation syndrom gibt es keine Standarddefinition, es kann jedoch in drei unterschiedliche Stufen eingeteilt werden. Das BCIS ist unabhängig vom Schweregrad ein häufiges Phänomen, das in 25% bis 30% der Fälle vorkommt, wobei bei einem Grad 2 bis 3 eine hohe Sterblichkeit in den ersten 48 Stunden postoperativ auftritt. (Borner, 2016) Grad Symptome 1 SaO2 20% 2 SaO2 40% Bewusstlosigkeit

    3 Herz-Kreislauf-Versagen und Reanimation Einteilung des Bone cement implantation syndroms in Schweregrade (Borner, 2016) In der Packungsbeilage von Osteopal® der Firma Heraeus ist beschrieben, dass es beim Verwenden von Knochenzement in Einzelfällen zu schweren Komplikationen wie einem Herzstillstand oder einem anaphylaktischen Schock kommen kann. Diese respiratorischen und kardiovaskulären Nebenwirkungen werden als Knochenzementsyndrom oder Implantationssyndrom bezeichnet, welche aus dem Einschwemmen von Knochenmarksbestandteilen ins Gefässsystem resultieren. In diesem Dokument werden keine präventiven Massnahmen vor dem Anbringen des Knochenzement empfohlen. (Packungsbeilage Heraeus Medical GmbH, Osteopal® V) 5.2.4 Fettembolie Eine Fettembolie wird ausgelöst durch Manipulation am Markraum. Durch Erhöhung des intramedullären Druckes kann die Einschwemmung von Knochenmark, Zelltrümmern und Koagel in venöse Kapillaren begünstigt werden. Wie viel Material austritt, hängt von der Höhe des intramedullären Drucks und der Zusammensetzung der Fettsäuren und des Knochenmarks ab. Bei einer Fettembolie kann die Lungenstrombahn verlegt werden, was ein akutes Rechtsherzversagen zur Folge hat. Im weiteren Verlauf kann es durch Aktivierung von Entzündungsprozessen bis hin zum Lungenödem kommen. Andere Fettpartikel können in den systemischen Kreislauf und somit in Gehirn, Haut, Schleimhaut und Retina gelangen und dort ortspezifische Beschwerden machen. Das sogenannte Fettembolie-Syndrom kommt vor allem bei Operationen an den langen Röhrenknochen und des Beckens vor. Im Gegensatz zur Fettembolie ist das Fettembolie-Syndrom nur sehr selten, hat jedoch eine hohe Mortalität. Vor allem bei zementiertem Hüftgelenkersatz tritt im Vergleich zu einem nicht zementierten Hüftgelenkersatz häufiger eine Fettembolie auf. Man nimmt an, dass dies aufgrund des hohen intramedullären Drucks geschieht, der

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    beim Anbringen von Knochenzement entsteht. Die Fettembolie tritt innerhalb von zwölf Stunden bis drei Tage nach Frakturen der langen Röhrenknochen oder des Beckens und zwar in 50–60% der Fälle auf. Viele Zeichen werden daher gerne übersehen. In schweren Formen kann es jedoch zu Erscheinungsbildern wie respiratorischer Insuffizienz, Lungenödem, Petechien sowie Unruhe und Verwirrtheit kommen. Die genaue Ursache einer Fettembolie ist unbekannt. Man geht jedoch davon aus, dass Fetttropfen über den Knochen durch verletzte Gefässe zur Lunge transportiert werden, wo dann eine Mirkoembolie entsteht. Eine andere Theorie ist, dass mit dem Trauma innerhalb weniger Sekunden Fettsäuren freigesetzt werden, die zur Thrombozyten- und Erythrozytenaggregation und damit zur Hyperkoagulabilität führen. (Larsen, 2013) (Rossaint et al., 2008) Expertenmeinung Angelina Reik, Produktmanagement bei Heraeus Medical: „Durch den Druck beim Einführen der Prothese in den Knochenschaft kann es zum Ein-schwemmen von Knochenmarkbestandteilen kommen. Dies führt zu einer kurzfristigen Vielzahl kleiner ,Embolienʻ, die in der Echokardiographie wie kleine Partikel im rechten Vorhof und rechten Ventrikel gesehen werden können. Diese Mikroembolien können zu Gasaustauschstörungen führen, in der Regel bessert sich dieser Gasaustausch aber rasch wieder. Auch das Einschwemmen von Zement ist nicht auszuschliessen, spielt aber eine untergeordnete Rolle.“ Thromboembolische Komplikationen, die das Fettemboliesyndrom miteinschliessen, sind bekanntere Auswirkungen der zementierten sowie zementfreien Prothesenimplantation. Vor allem bei unzementierten Implantaten ist der intramedulläre Druck während der Applikation am grössten. Um diese Art von Prothese zu verankern, ist im Vergleich zu einem zementierten Implantat ein weitaus grösserer Druck erforderlich. Wenn sich der Druck zu schnell aufbaut, kann Fett oder Knochenmark aus dem Spongiosa in das Venensystem gedrückt werden. Dies könnte eine Embolie verursachen. Die sorgfältige Markraumpräparation ist generell sehr wichtig.“ „Ob eine Komplikation bei der Anwendung von Zement bei Hüft- oder Knieprothesen im Vergleich zur Wirbelsäule häufiger vorkommt, darüber liegt bei uns keine Inzidenz der Häufigkeit vor.“ Verwendete Literatur: (Kretz, Schäffer, Terboven. [2016]. Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin, Schmerztherapie) (Heisel, Mau, Borchers, Müller, Breusch. Fettembolie bei der Hüftendoprothesenimplanta-tion) (Orsini et al. [1987]. Cardiopulmonary function and pulmonary micoremboli during arthroplasty using cemented or non-cemented components) (Breusch, Malchau. [2005]. The well-cemented total hip arthro-plasty. [S. 119ff., S. 160ff., S. 321ff.]) 5.2.5 Vorbereitung der Anästhesie vor dem Anbringen von Knochenzement In dem meisten Fällen ist das Knochenzementmonomer für eine Reaktion verantwortlich. Aus diesem Grund sollte der Zement erst nach guter Durchmischung – das heisst, nach Polymerisierung – in die Knochenmarkshöhle eingebracht werden. Aus anästhesiologischer Sicht sollte sich der Patient in einer ausgeglichenen Volumenbilanz befinden und hämodynamisch und respiratorisch stabil sein. Eine Anämie sollte rechtzeitig korrigiert werden. Ebenfalls ist ein ausgeglichener Säure-Basen-Haushalt anzustreben. Eine Beatmung mit Sauerstoffkonzentration von 100% wird während des Zementeinbringens empfohlen. Da während des Zementierens Luft in den Knochen eingebracht werden kann, sollte in dieser Phase die Zufuhr von Lachgas gestoppt werden. (Larse, 2013) (Heck et al., 2015) (Rossaint et al., 2008) In Zusammenhang mit den Nebenerkrankungen des Patienten ist eine invasive Blutdruckmessung mit der Gabe von Vasoaktiva indiziert, um die hämodynamische Stabilität zu gewährleisten. Vor der Zementinjektion sollten 250 bis 500 ml Kolloide

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    infundiert werden, um eine Normovolämie mit einem genügenden Preload zu gewährleisten. (Luginbühl, 2008) Felix Borner beschreibt in seiner Präsentation für das intraoperative Anästhesiemanagement zur Reduktion eines Bone cement implantation syndrome Folgendes: Vor Anästhesieeinleitung und während der Anästhesie soll der Patient normovoläm sein. Wenn das Operationsteam ankündigt, am Femoralkanal zu arbeiten, gilt erhöhte Bereitschaft für kardiovaskuläre Störungen. Beim Verwenden von Zement soll dies der Operateur ankündigen und die Anästhesie soll es bestätigen. Während der ganzen Operation sollen Blutdruckwerte innerhalb von 20%-Abweichungen gehalten werden, diese sollen mit Vasopressoren und Volumen wenn nötig therapiert werden. Im Falle von kardiovaskulären Störungen sollen Reanimationsmedikamente bereitgehalten werden. (Borner, 2016) Bemerkung: Im Kantonsspital Aarau haben wir keine Standards diesbezüglich. Jedoch achten wir vor dem Anbringen des Knochenzements darauf, dass die inspiratorische Sauerstoffkonzentration 100% beträgt und sich der Patient in einem ausgeglichenen Volumenstatus mit Blutdruck im Normbereich befindet. Expertenmeinung Martin Brüesch, Leitender Arzt Anästhesie am Universitätsspital Zürich: „Patient soll zum Zeitpunkt des Zementierens normovoläm sein, eine Evidenz bezüglich Massnahmen, die die Anästhesie zur Vorbeugung einer Zementembolie unternehmen könnten, gibt es keine.“ Martin Luginbühl, Chefarzt Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin am Spital Tiefenau Bern: „Achten auf Normovolämie, ggf. erhöhen des FiO2 auf 80% (nicht 100% wegen der Atelektasen): Das Problem ist die akute Rechtsherzbelastung, welche sich stärker auswirkt, wenn der Preload des rechten Herzens ungenügend ist. Ausserdem grosszügig invasives Monitoring bei Verteberoplastik, damit ein Blutdruckabfall rasch erkannt werden kann. Vertebroplastik-Patienten werden bei uns grundsätzlich intubiert. Bei Sedation hat man im Falle einer Zementreaktion zusätzlich einen ungesicherten Atemweg und die Schwierigkeit der Beatmung in Bauchlage. Falls man sich trotzdem für eine Sedation entscheidet, müsste in diesem Fall eine Larynxmaske notfallmässig eingelegt werden.“ Angelika Reik, Produktmanagement bei Heraeus Medical: „Wichtig ist selbstverständlich stets die Bereitstellung üblicher Wiederbelebungsausrüstung sowie die Kreislaufsituation besonders beim Einfüllen des Zements streng zu beobachten. Hierzu gibt Heraeus darüber hinaus keine Empfehlungen ab.“

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    5.2.6 Massnahmen bei Komplikationen während/nach der Knochenzementanwendung Die Behandlung bei einer Komplikation während und nach dem Zementieren richtet sich nach den Symptomen. Bei Kreislaufreaktionen sollte eine Gabe von 100% Sauerstoff erfolgen. Je nachdem, wie ausgeprägt die Reaktion ist, müssen kreislaufunterstützende Massnahmen angewendet werden. Dazu gehört die Gabe von Katecholaminen und Volumen. In manchen Fällen ist der Einsatz von Adrenalin als Bolusgabe zu empfehlen. Wenn mit diesen Massnahmen keine Stabilisierung des Kreislaufes erfolgt und es sich um eine Embolie handelt, muss der Embolus operativ ausgeräumt werden, unter Umständen mit Einsatz der Herz-Lungen-Maschine. Der Patient sollte auf jeden Fall postoperativ auf einer Intensivstation überwacht werden. (Kessler et al., 2010) (Heck et al., 2015) (Rossaint et al., 2008) Als Basismassnahmen bei einer Lungenembolie, egal welcher Genese, sollte eine leichte Hyperventilation erfolgen und eine Azidose ausgeglichen werden. Die Hypotension wird mit Noradrenalin behandelt, um die rechtsventrikuläre Perfusion zu verbessern. Bei weiteren hämodynamischer Instabilität sollten Medikamente zur Steigerung der Inotropie verabreicht werden. Zur Therapie der Rechtsherzbelastung kann Stickstoffmonoxid oder Iloprost (Ilomedin) verwendet werden. Falls davon ausgegangen werden muss, dass die hämodynamische Instabilität aufgrund eines anaphylaktischen Schocks zustande kommt, sollte dieser spezifisch behandelt werden. Im Falle einer Reanimation kann eine systemische Thrombolyse in Erwägung gezogen werden, dies ist jedoch wegen der starken Blutungsgefahr umstritten. (Brökling, 2011) Fall: Wenige Minuten nach dem Beginn des Einbringens von Knochenzement erlitt die Patientin einen Herz-Kreislauf-Stillstand, diesen behandelte man medikamentös mit Noradrenalin, Adrenalin und einem Volumenbolus, ebenfalls mit Milrinon, Ilomedin und NaBic. Expertenmeinung Martin Luginbühl, Chefarzt Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin am Spital Tiefenau Bern: „Daran denken und darauf gefasst sein. Arzt in der Nähe, wenn die Pflege allein im Saal ist, damit rasch reagiert werden kann. Vorgehen insbesondere bei Patienten in Bauchlage durchdenken: Sofort zweiten OP-Tisch in den Saal, Chirurg entfernt alle Nadeln und Trokars aus der Wirbelsäule, bei offener Wunde Hautverschluss mit Clips. Drehen auf den Rücken so rasch wie möglich, ohne Leitungen und Tubus herauszureissen. Bei Vertebroplastien wird die Zementembolie meist erst gegen Ende des Eingriffs beobachtet. Das Risiko steigt bei Zementierung auf mehreren Höhen.“

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    5.3 Kardiopulmonale Reanimation

    Zu jedem Zeitpunkt der Operation und der Narkose kann es aus unterschiedlichen Gründen zu einem Herz-Kreislauf-Stillstand kommen. 5.3.1 Herz-Kreislauf-Stillstand Ein Herz-Kreislauf-Stillstand wird definiert als ein unerwarteter Stillstand der Herz-Kreislauf-Funktionen, der Atem- und der Hirnfunktion. Durch Wiederbelebungsmassnahmen kann der Funktionszustand des Gehirns wiedererlangt werden. Der Zeitraum zwischen dem Herzstillstand und dem Funktionsausfall der Organe ist die Zeit, in der die Organfunktion noch aufrechterhalten werden kann mit dem vorhandenen Sauerstoff, der sich im Blut befindet. Für das Gehirn handelt es sich um eine Zeit von etwa zehn Sekunden. Die Wiederbelebungszeit, das heisst die Zeit, die nach Eintritt eines Herz-Kreislauf-Stillstands bis zu irreversibler Schädigung gewisser Organe vergeht, ist je nach Organ unterschiedlich. Sie beträgt für das Gehirn etwa vier bis sechs Minuten, für das Herz deutlich mehr, fünfzehn bis dreissig Minuten. Diese Wiederbelebungszeit kann durch andere Faktoren wie Körpertemperatur, Alter, Stoffwechsel und Vorschädigung der Organe verkürzt oder verlängert werden. Wird diese Wiederbelebungszeit überschritten, treten irreversible Zellschädigungen auf. (Larsen, 2013) 5.3.2 Grundlagen einer effizienten Reanimation Das Zielorgan der Reanimationsmassnahmen ist das Gehirn. Die Wiederbelebung ist nur dann erfolgreich, wenn unverzüglich gehandelt wird. Die Reanimation kann in drei Phasen unterteilt werden: die Basismassnahmen BLS28, die erweiterten Reanimationsmassnahmen ACLS29 und zum Schluss die Intensivtherapie. Zu den Basismassnahmen gehört das CAB, das heisst Herzkompression, Atemwege frei machen und beatmen. Ziel der Basismassnahmen ist es, eine ausreichende Atem- und Herz-Kreislauf-Funktion herzustellen, bis man die Ursache des Herzstillstandes beseitigt hat. In manchen Fällen beheben die Basismassnahmen selbst jedoch schon den Herzstillstand. Zum ACLS gehören der Einsatz von Medikamenten, die EKG-Diagnostik und der Einsatz des Defibrillators. Mit Kompressionen auf die untere Sternumhälfte, mit Frequenzen von 100 bis 120 in der Minute kann ein Blutfluss, der etwa 10 bis 40% des normalen Herzzeitvolumens beträgt, erzeugt werden. Dies reicht aus, um den Hirntod etwa für ein bis zwei Stunden zu verhindern. Im Falle eines Kreislaufstillstands beim kontrolliert beatmeten Patienten fällt die endexspiratorische CO2-Konzentration in kurzer Zeit gegen null. Bei der Reanimation stammt die exspiratorische CO2-Menge nur aus den Körperpartien, die dadurch auch durchblutet werden. Bei einer Verbesserung oder einer Zunahme des Herzzeitvolumens steigt dementsprechend auch das endexspiratorische CO2 an. Daher hat das exspiratorische CO2 eine hohe Aussagekraft über die Effizienz der Reanimation. Für die Kompression soll sich der Patient auf dem Rücken befinden, optimalerweise soll die Unterlage hart und flach sein, damit die Wirbelsäule bei Kompression nicht zurückweichen kann. (Larsen, 2013) (Leitlinien American Heart Association, 2015)

    28 Basic-Life-Support, Sicherung der lebenswichtigen Funktionen wie Atmung und Kreislauf (http://m.flexikon.doccheck.com/de/Basic%20Life%20Support), abgerufen am 18.11.17 29 Advanced Cardiovascular Life Support, erweiterte Massnahmen der kardiovaskulären Reanimation (http://www.k10.ch/REA2000/acls---aha.html), abgerufen am 18.11.17

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    5.4 Durchführung einer CPR in Bauchlage

    Ein Herzstillstand in einer ungewöhnlichen Position ist eine grosse Herausforderung für das Fachpersonal der Anästhesie. Aus Fallberichten lassen sich Erfahrungen bezüglich einer Reanimation in Bauchlage hervorbringen. Die übliche Empfehlung bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand ist, den Patienten so schnell wie möglich in Rückenlage zu bringen und die Standardreanimation einzuleiten. Um schnellstmöglich bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand die Rückenlage wiederherzustellen, sollte sich ein zweiter Operationstisch für eine schnelle Umlagerung in der Nähe befinden. Nach Lösung der Fixation an Armen und Beinen lässt sich der Patient auf den anderen Tisch zurückrollen. Die Operationswunde sollte provisorisch zugeklebt werden. Die Beatmung sollte nicht getrennt werden und nach erfolgreichem Drehen sofort mit der Reanimation begonnen werden. Die Rückenlage ist daher zu empfehlen, weil man so Sicht auf die Atemwege hat und genügend Druck erzeugen kann. Von der American Heart Association wird empfohlen, wenn keine schnelle Umlagerung erfolgen kann, soll die CPR in Bauchlage begonnen werden. Jedoch nur wenn die Atemwege gesichert sind. Situationen, in denen eine rasche Umlagerung des Patienten nicht möglich ist, können starre Operationsinstrumente im Operationsgebiet oder eine starke Blutung im Operationsfeld sein. In solchen Fällen sind erfolgreiche Kompressionen in Bauchlage beschrieben. Wenn der Kopf des Patienten in einer Mayfield-Klemme eingespannt ist, kann bereits in Bauchlage mit der Herzdruckmassage begonnen werden. Jedoch sollte vorher die Mayfield-Klemme aus der Fixierung am Operationstisch gelöst werden. Auch hier gilt, den Patienten schnellstmöglich auf den Rücken zu drehen. (Edgcombe, Carter, Yarrow, 2008) (Nanjangud, Nileshwar, 2017) (Schmidt-Bräkling et al., 2017) (Brooks et al., 2015) Mehrere Fallberichte haben beschrieben, dass eine Thoraxkompression auf den Rücken einen suffizienten Cardiac output gewährleistet. Die erste erfolgreiche CPR in Bauchlage wurde 1992 beschrieben. Im Bericht wurden zwei Fälle beschrieben, in denen eine Herzdruckmassage in Bauchlage stattfand. Es wurde eine Hand auf dem Rücken der mittleren Brustwirbelsäule und die andere Hand im unteren Drittel des Sternums als Gegendruck platziert. In diesem Fall beschrieb der Autor, wenn sich ein starrer Gegenstand unter dem Thorax befindet, muss die zweite Hand nicht auf das Sternum als Gegendruck gedrückt werden. Seit 1992 wurden verschiedene Techniken beschrieben: mit Kompressionen auf die Brustwirbelsäule oder mit Druck beidseitig der Brustwirbelsäule, wenn ein Hautschnitt vorliegt. Eine Recherche ergab, dass zwischen 1966 und 1999 in der Literatur 22 Fälle beschrieben wurden, bei denen eine CPR in Bauchlage durchgeführt wurde. 10 von diesen 22 Patienten überlebten. Ein Fall wurde beschrieben, bei dem eine neurochirurgische Patientin im Mayfield in Bauchlage fixiert war, bei dieser kam es zu einem hämorrhagischen Schock. Die Patientin verlor innerhalb von fünf Minuten etwa drei Liter ihres Blutvolumens. Da eine schnelle Drehung der Patientin unmöglich war, startete man die Herzdruckmassage in Bauchlage. Man komprimierte dabei den medialen Teil der Brustwirbelsäule mit 100 Kompressionen in der Minute. Das endexspiratorische CO2 war immer über 15 mmHg und nach zwei Minuten kam es zu einer Rückkehr des Spontankreislaufs (ROSC). Eine ausreichende Volumengabe erfolgte ebenfalls in dieser Zeit. Ein Start der CPR in Bauchlage verringert die no-flow-time und es kann zu einer Rückkehr des Spontankreislaufs vor dem Drehen in die Rückenlage kommen. (Daiana de Souza Gomes et al., 2012) Ein anderer Fall, bei dem ein neurochirurgischer Patient einen Herz-Kreislauf-Stillstand in Bauchlage erlitt, wurde Folgendes beschrieben: Um die no-flow-time zu verringern, wurde hier eine Reanimation in Bauchlage mit Kompression zwischen den Schulterblättern

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    durchgeführt. Die Kapnometrie zeigte während der ersten Kompression einen Anstieg des paCO2 auf 33 mmHg, was eine suffiziente Reanimation widerspiegelt. Nach fünf Minuten CPR mit Gabe von Adrenalin kehrte der Spontankreislauf noch vor Drehung des Patienten zurück. Der Patient konnte stabilisiert und die Operation beendet werden. (Haffner et al., 2010) Fall: In die offene Operationswunde wurden sofort Tücher eingelegt und diese mit einer sterilen Folie verschlossen. Man verabreichte der Patientin 30 mcg Noradrenalin, es erfolgte keine Verbesserung der Kreislaufsituation. Danach drehte man die Patientin auf den Rücken und startete die mechanische Reanimation. Mehrere Male kehrte der Spontankreislauf der Patientin wieder zurück bis um 15.30. Um 16.07 war in der arteriellen Blutgasanalyse festzustellen, dass der PH 7,15, pCO2 58. pO2 53 und das Lactat 6,4 betrug. Um 16.12 entschied man, die Reanimation abzubrechen. Zeitpunkt des Todes 16.35. Expertenmeinung Roberta Christiano, Technische Operationsfachfrau, Fachverantwortliche Orthopädie, Kantonsspital Aarau: „Bei einem Vorfall, in dem der Patient schnellstmöglich gedreht werden soll, wird die Wunde mit Bauchtüchern oder Kompressen tamponiert und mit einer Folie zugeklebt.” Martin Brüesch, Leitender Arzt Anästhesie am Universitätsspital Zürich: „Wenn eine Drehung des Patienten ohne Verzögerung möglich ist, sollte der Patient auf den Rücken gedreht werden. Ansonsten sollte die Reanimation in Bauchlage gestartet werden, dazu gibt es jedoch wenig Daten. Wenn eine invasive arterielle Druckmessung etabliert ist, kann man aber recht gut die Effizienz der Massnahme abschätzen und auf deren Basis entscheiden. Um die no-flow-time zu verkürzen, bis der Patient in Rückenlage gedreht ist, kann unter Umständen ein genügender Perfusionsdruck mit REA in Bauchlage erzeugt werden – Voraussetzung ist allerdings, dass ein invasives Druckmonitoring arteriell vorhanden ist.“ Martin Luginbühl, Chefarzt Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin am Spital Tifenau Bern: „Ja, sicher so schnell wie möglich auf den Rücken zurückdrehen. Die CPR in Bauchlage ist schlecht untersucht und möglicherweise weniger effektiv als in Rückenlage. CPR in Bauchlage ist jedoch beschrieben und ist besser als eine lange low- oder no-flow-Zeit. Bei Verzögerung CPR in Bauchlage beginnen. Wichtig: Bei Vertebroplastien beobachtet man normalerweise kleine Zement- oder Knochenmarksemboli im ECHO (TEE). Je mehr Segmente zementiert werden, desto mehr Emboli und Rechtsherzbelastung.“

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    5.4.1 Optimale Handposition bei CPR in Bauchlage

    Abbildung 3: Zeigt, in welchem Bereich sich die grösste linksventrikuläre Querschnittsfläche befindet (Min-Ji, 2017, S. 521) Es wurde eine Untersuchung durchgeführt, um die optimale Handposition bei einer Reanimation in Bauchlage zu ermitteln. Ermittelt wurde die Hautoberfläche, die die grösste Querschnittsfläche des linken Ventrikels aufweist. Man wollte den optimalen Standort ermitteln für einen maximalen Cardiac output. Die optimale Handposition bei einer Reanimation in Rückenlage, welche die American Heart Association empfiehlt, ist die untere Hälfte des Sternums bei Erwachsenen und Kindern. Eine solche Empfehlung in Bauchlage gibt es nicht. Der Mechanismus besteht darin, einen Cardiac output durch direkte Kompression des Herzens zu erlangen. Die optimale Stelle dafür wurde anhand von CT-Bildern evaluiert. Es wurden dafür 100 Aufnahmen von Patienten in Bauchlage verwendet. Dabei wurde festgestellt, dass das grösste linksventrikuläre Querschnittsareal zwischen T8 und T9 liegt. Bei 86% dieser Patienten befand sich das Areal 0 bis 2 Wirbelsäulensegmente unter der Linie der unteren Ecke der Scapula (Angulus inferior). Ebenfalls werden zwei Techniken der Kompression beschrieben. Die eine ist die Kompression der mittleren Wirbelsäule und die andere eine Kompression mit beiden Händen unter der Scapula seitlich der Wirbelsäule. In Fallberichten wurde öfter die direkte Kompression der Wirbelsäule verwendet. Wenn jedoch ein offenes Operationsfeld besteht, wird die Kompression neben der Wirbelsäule unterhalb der Scpaula vorgezogen. (Min-Ji, 2017)

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    Abbildung 4: Optimale Handposition für eine kardiopulmonale Reanimation in Bauchlage. Zeigt die grösste linksventrikuläre Querschnittsfläche mit anatomischen Strukturen. (Min-Ji, 2017, S. 522) 5.4.2 Blutdruckvariationen in Bauchlage und Rückenlage – Vergleich Man startete diese Pilotstudie mit der Hypothese, dass Kompressionen der Wirbelsäule mit einem Gegendruckgerät des Sternums den systolischen und diastolischen Blutdruck sowie den mittleren arteriellen Druck verbessern würden. Man untersuchte am Columbia Presbyterian Medical Center’s auf einer kardialen und medizinischen Intensivstation Folgendes: Nachdem eine Reanimation in Rückenlage während dreissig Minuten keine Rückkehr des Spontankreislaufs aufwies und der verantwortliche Arzt ein Weiterführen der kardiopulmonalen Reanimation als zwecklos deklarierte, führte man die Standard-CRP noch für 15 weitere Minuten in Rückenlage durch. Nach diesen 15 Minuten drehte man die Patienten und startete die CPR in Bauchlage. Alle Patienten waren endotracheal intubiert. Es wurde auf einem Reanimationsbrett ein 4,5 kg schwerer Sandsack platziert, der als Gegendruck des Sternums diente. Die Hände wurden auf Höhe des 7. bis 10. Brustwirbels platziert. Es wurde mit einer Frequenz von 60 bis 100 Kompressionen pro Minute eine Herzdruckmassage durchgeführt. Bei den Patienten wurde der systolische und diastolische Druck gemessen und der MAP errechnet. Man kam zum Resultat, dass sich bei sechs von sechs Personen der systolische Blutdruck in Bauchlage im Vergleich zur CPR in Rückenlage verbesserte, hingegen der MAP nur in fünf von sechs Fällen. Alle diese Patienten wurden nicht erfolgreich wiederbelebt. (Mazer et al., 2003)

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    Auf einer Intensivstation im Taiwan machte man eine ähnliche Studie. Zuerst eine Herzdruckmassage während einer Minute in Rückenlage, danach drehte man die Patienten in Bauchlage. Bei acht Patienten verglich man den Blutdruck in Rückenlage und Bauchlage. Bei sieben Patienten war der Blutdruck in Bauchlage höher. Bei einem war der Blutdruck in Rückenlage und Bauchlage gleich. (Wei et al., 2006) 5.4.3 Defibrillation in Bauchlage Es wurden Fälle beschrieben, bei denen Patienten in Bauchlage erfolgreich defibrilliert wurden und eine Rückkehr des Spontankreislaufs erfolgte, ohne den Patienten auf den Rücken zurückzudrehen. Bei Patienten mit gesichertem Atemweg sollte eine Defibrillation in Bauchlage durchgeführt werden, denn wenn der Patient erst auf den Rücken gedreht wird, reduziert das den Erfolg der Defibrillation aufgrund der Zeitverzögerung. In einem Fallbericht wurde eine neurochirurgische Patientin beschrieben, die im Mayfield eingespannt war und sich in Bauchlage befand. Aufgrund hoher Kaliumwerte erlitt sie ein Kammerflimmern. Da das Drehen in die Rückenlage längere Zeit in Anspruch genommen hätte, wurde die Patientin in Bauchlage erfolgreich defibrilliert. Es wird empfohlen, bei Hochrisikopatienten die selbstklebenden Paddles zur Defibrillation vor dem Drehen in die Bauchlage anzubringen. Die Paddles können an drei unterschiedlichen Orten angebracht werden, diese wären anterior-lateral, anterior-posterior oder apex-posterior. Alle drei Arten sind gleichermassen erfolgreich für die Defibrillation. (Nanjangud, Nileshwar, 2017) (Edgcombe, Carter, Yarrow, 2008) (De Souza Gomes et al. 2012) (Miranda, Newton, 2001) Fall: Die Patientin litt an einer pulslosen elektrischen Aktivität (PEA)

    Abbildung 5: Platzierung Defibrillations-Paddles anterior-lateral und anterior-posterior http://heart.bmj.com/content/82/6/726 (13.11.2017)

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    Abbildung 6: Platzierung Defibrillations-Paddles apex-posterior http://accessmedicine.mhmedical.com/Content.aspx?bookId=496&sectionId=41304104 (13.11.2017)

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    6 Schlussteil

    6.1 Schlussfolgerungen und Erkenntnisse

    Da es in meiner Arbeit um drei Themen geht, die ineinanderfliessen, werde ich zu den einzelnen jeweils etwas bemerken. Bauchlage Der Drehvorgang selbst ist eine kritische Situation und erfordert immer Konzentration und genügend Personal. Dabei ist es wichtig, dass die Person, die am Kopf steht, die Führung übernimmt und den Zeitpunkt des Drehens den anderen Personen laut und deutlich kommuniziert. Es gibt viele verschiedene Punkte, die wichtig sind, damit der Patient von der Lagerung keine Schäden davonträgt. Visusminderung oder -verlust kommen nicht nur wegen Druckstellen der Augen vor, sie können auch andere Ursachen haben, wobei Operationen an der Wirbelsäule in Bauchlage die grösste Risikogruppe darstellen. Während in der Literatur empfohlen wird, die Anästhesie und Muskelrelaxation während des Drehvorganges nicht zu tief zu fahren, erlebe ich das in der Praxis eher umgekehrt. Knochenzement Es kommt sehr häufig zu Embolien bei der Verwendung von Knochenzement, diese bleiben jedoch in einer grossen Zahl asymptomatisch. Im Falle einer systemischen Reaktion sind die Folgen jedoch meist letal. In Bezug auf die Fettembolie widersprechen sich die Aussagen der Literatur denjenigen der Expertenmeinung, ob ein höherer intramedullärer Druck bei der Verankerung von Prothesen mit Zement grösser ist als ohne. Einer der wichtigsten Aspekte bei der Verwendung von Knochenzement ist, dass der Chirurg uns über den Zeitpunkt informiert und wir von der Anästhesie ihm diese Information bestätigen. Ich habe es schon oft in der Praxis erlebt, dass ich als Anästhesiefachperson nicht darüber informiert worden bin, und möchte an dieser Stelle anmerken, wie wichtig dies ist, um in einer solchen Situation auf eine mögliche Kreislaufreaktion vorbereitet zu sein. Dass Komplikationen in Zusammenhang mit Knochenzement auch nach der Operation auftreten, war mir neu so wie auch, dass eine Gabe von Sauerstoff über 24 Stunden empfohlen wird. Reanimation in Bauchlage Hier beruht die Literatur hauptsächlich auf Fallbeispielen, bei denen in einer grossen Zahl erfolgreich in Bauchlage reanimiert werden konnte. Richtlinien und konkrete Vorgehensweisen zu diesem Thema wurden jedoch noch nicht veröffentlicht. Bis zum jetzigen Zeitpunkt gilt es, wenn immer möglich den Patienten auf den Rücken zurückzudrehen. Nur in Ausnahmesituationen soll der Patient in Bauchlage reanimiert werden. 6.1.1 Fazit Ich nehme für mich mit, dass ich bei Patienten mit kardialen Grunderkrankungen und hoher ASA-Klassifikation mit dem Anästhesieteam bespreche, ob es sinnvoll ist, Defibrillations-Paddles vor dem Drehen in die Bauchlage zu kleben. Ebenso möchte ich die Chirurgen darauf aufmerksam machen, dass sie uns informieren, wenn sie mit dem Anbringen von Knochenzement starten. Wichtig ist, zu diesem Zeitpunkt auf Kreislaufreaktionen vorbereitet zu sein. Vorsicht ist besser als Nachsicht.

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    6.2 Beantwortung der Fragen

    6.2.1 Kernfrage Meine Kernfrage lautet: Wie wird eine effiziente Reanimation beim anästhesierten Patienten durchgeführt, wenn er sich in Bauchlage befindet?

    - Kreislauf mit Vasoaktiva wie Noradrenalin und Adrenalin unterstützen - Den Chirurgen über die Situation informieren - Zusätzliches Personal der Anästhesie und Lagerungspflege anfordern - Defibrillierbare Herzrhythmusstörung: Defibrillator anfordern (Defibrillation kann

    auch in Bauchlage durchgeführt werden ! ist situationsabhängig) - Ein zweiter Operationstisch sollte sich in der Nähe befinden, um den Patienten

    rasch auf den Rücken zu drehen - Wunde provisorisch mit Tüchern, Folie verschliessen - Patient schnellstmöglich in Rückenlage drehen - Alle Beteiligten sollen darauf achten, dass keine Katheter und Tubus

    herausgerissen wird - Die Anästhesiefachperson, die am Kopf des Patienten ist, gibt das Kommando, um

    den Patienten zu drehen - Befindet sich der Patient in Rückenlage, soll unverzüglich mit der kardiopulmonalen

    Reanimation begonnen werden, dies soll mit erweiterten Massnahmen (Defibrillator, Medikamente) unterstützt werden

    Falls der Patient nicht schnellstmöglich gedreht werden kann, wenn z. B. der Schädel im Mayfield eingespannt ist oder eine starke Blutung aus dem Operationsfeld vorliegt. Falls der Atemweg durch einen Endotrachealtubus gesichert ist, kann zur Minimierung der no-flow-time, bis der Patient bereit ist, um auf den Rücken gedreht zu werden, die CPR in Bauchlage gestartet werden.

    - Kompression der Wirbelsäule auf Höhe Th8 bis Th9, das heisst wenig unterhalb der Ecke des Schulterblattes mit 100 bis 120 Kompressionen in der Minute

    - Kompressionsort ist abhängig vom Operationsgebiet (ob Druck seitlich der Wirbelsäule oder direkt auf die Wirbelsäule)

    - Falls man ein invasives Blutdruckmonitoring hat, wird direkt ersichtlich, ob man einen ausreichenden Perfusionsdruck mit der Kompression des Rückens erzeugen kann

    - Bei ungenügendem Druck kann eine harte Unterlage unter das Sternum gelegt werden

    - Falls kein invasives Blutdruckmonitoring vorhanden ist, kann anhand des endexspiratorischen CO2, das beim intubierten Patienten immer gemessen wird, die Effizienz der Reanimation in Bauchlage eingeschätzt werden

    Alles in allem ist es wichtig, dass die Entscheidung für ein sofortiges Drehen oder den Start der CPR in Bauchlage immer individuell angepasst und vom Kaderarzt getroffen wird.

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    6.2.2 Leitfragen Meine Leitfragen lauten: Welche Auswirkungen hat die Bauchlage auf Hämodynamik und die At-mung/Beatmung?

    - Beim Drehen eines anästhesierten Patienten in die Bauchlage gehen kardiovasku-läre Reflexreaktionen verloren

    - Die Veränderung der Körperposition kann eine Hypo- oder Hypertonie verursachen - Korrekte Lagerung wichtig, da sonst Gefässe wie die vena cava abgedrückt werden

    und dies verringert den Preload = Hypotonie - Durch die Bauchlage können andere Gefässe abgedrückt werden, aus diesem

    Grund kann es zu erhöhtem Blutverlust im Operationsgebiet durch entstehende Umgehungskreisläufe kommen

    - Falls das Abdomen durch Material in seiner Bewegung eingeschränkt ist, kann es zu erhöhten Beatmungsdrücken, einer verminderten Compliance und FRC kommen = Dies kann zu einer Ventilations-Perfusions-Störung führen

    - Wenn jedoch der Patient korrekt in Bauchlage gelagert wird, verbessert sich die funktionelle Residualkapazität und die Oxigenation des anästhesierten Patienten im Vergleich zur Rückenlage

    Welche Schäden kann eine falsch angewendete Bauchlage verursachen? Sie kann zu Druckstellen bis hin zum Kompartmentsyndrom, Nervenschäden, Visusver-lust, Verletzungen an der Halswirbelsäule und Schäden an Gefässen kommen. Ebenfalls kann eine falsche Lagerung wie oben erwähnt auch zu hämodynamischen Veränderungen und zur Beeinträchtigung der Beatmung führen. Welche anästhesiologischen Vorbereitungen müssen beim Zementieren getroffen werden? Sind diese Massnahmen überhaupt effektiv?

    - Inspiratorische Sauerstoffkonzentration auf 80–100% erhöhen, um im Falle einer Kreislaufreaktion mehr Sauerstoffreserve zu haben

    - Blutdruck soll mit Abweichungen von +/–20% des Ausgangsblutdrucks angestrebt werden

    - Patient soll während der Operation und auch zum Zeitpunkt des Zementierens nor-movoläm sein

    Über die Effektivität dieser Massnahmen und den Nutzen gibt es in der Literatur keine An-gaben. Auch die Expertenmeinungen geben darüber keine Auskunft. Besonders wichtig ist, dass der Zement von den Chirurgen korrekt nach Gebrauchsanweisung des jeweiligen Produkts angewendet und gemischt wird.

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    Weshalb ist die Verwendung von Knochenzement ein Risiko für den Patienten?

    - Verwendung von Knochenzement erhöht den intramedullären Druck, was das Ein-schwemmen von Partikeln wie Fett, Zement, Luft oder Knochenmarksbestandteilen in den systemischen Kreislauf begünstigt

    - Dies kann zu einer pulmonalen oder paradoxen Embolie mit letalem Ausgang füh-ren

    - Das Verwenden von Knochenzement kann eine allergische Reaktion auslösen, Ur-sache ist meist der Gentamicin-Zusatz im Zement

    - Durch einen Zementaustritt kann es zu Schmerzen, Infektion oder Querschnitts-symptomatik nach Wirbelsäulenoperationen kommen

    Woraus besteht Knochenzement? Knochenzement besteht aus Polymethylmethacrylat, das heisst aus einem Pulver, dem Polymer und aus einer flüssigen Komponente, dem Monomer. Diese beiden werden vor der Anwendung vermischt. Die unterschiedlichen Arten des Knochenzements unterschei-den sich hauptsächlich in ihrer Konsistenz und dem Einsatzgebiet. Ebenfalls sind Zusätze wie Antibiotika und Röntgenkontrastmittel wahlweise in den einzelnen Zementarten vor-handen. Falls eine Unverträglichkeit gegen diese vorliegt, sind immer alternative Produkte denkbar. Kann eine CPR in Bauchlage durchgeführt werden? Ja, es gibt aber wenig Erfahrung und keine Richtlinien zu diesem Thema. Aus Fallberich-ten und Studien diesbezüglich geht hervor, dass eine CPR in Bauchlage möglich ist, je-doch in diesem Zusammenhang immer die Effektivität überprüft werden soll. Ebenfalls soll die CPR in Bauchlage nicht zum Standard gehören und nur in Ausnahmesituationen, bei denen es nicht möglich ist, den Patienten rasch zu drehen, angewendet werden.

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    6.3 Reflexion des Arbeitsprozesses und des persönlichen Lernprozesses

    Als ich mich endlich für das Thema meiner Diplomarbeit entschieden hatte, fiel mir ein Stein vom Herzen. Als ich mit meiner Bezugsperson die Ideen für meine Diplomarbeit besprochen hatte, fing ich während der Diskussion über das Thema „Reanimation in Bauchlage“ Feuer und Flamme. Es ist ein Thema, das aus unterschiedlichen Themen besteht, und jedes einzelne davon ist auf seine eigene Weise interessant. Im Verlauf stellte sich jedoch heraus, dass mein Thema mit den drei Unterthemen nicht ganz so einfach zu bearbeiten war, wie ich mir das vorgestellt hatte. Am Anfang meiner Literaturrecherche war ich frustriert, da ich zu Hause viele Artikel, die ich interessant fand, nicht öffnen konnte. Mithilfe der vielen Abonnements des Kantonsspitals Aarau und der wissenschaftlichen Bibliothek haben sich diese Probleme dann gelöst. Da mir das Schreiben einer solchen Arbeit schon immer etwas schwerfiel, habe ich auch viel Zeit damit verschwendet, mich abzulenken, obwohl ich das Interesse an meinem Thema nie verlor. Somit kam ich auch mit meiner Zeitplanung ein wenig in Verzug. Mit der Bearbeitung von Zementreaktionen während einer Operation habe ich mich am schwersten getan. Aus diesem Grund habe ich Fachärzte der Anästhesie, Firmen, die Knochenzement vertreiben, und eine technische Operationsfachfrau befragt. Diese Hilfestellung unterstützte mich sehr dabei, einen roten Faden durch die Arbeit zu ziehen und mein eigentliches Thema nicht aus den Augen zu verlieren. Ich habe Firmen bezüglich Informationen und Spitäler angeschrieben, jedoc