Referat Fäh Wiesli Rüegger Widmer 16.6 - curaviva.ch · bei gebrechlichen älteren Menschen sind...

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Gerontological Care Ein interdisziplinäres Konzept zur Betreuung pflegebedürftiger hochaltriger Menschen Prof. Dr. Barbara Fäh, Hochschule für Soziale Arbeit der FHNW Ursula Wiesli MSN, Institut Neumünster, Alters- und Spitexzentrum Wallisellen Dr. Heinz Rüegger MAE, Institut Neumünster, Wohn- und Pflegehaus Magnolia, Zollikerberg Dr. Werner Widmer, Stiftungsdirektor Diakoniewerk Neumünster, Zollikerberg CURAVIVA-Impulstag 16. Juni 2011, Olten Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 2 Inhaltsverzeichnis BLOCK 1: Entwicklungslinien Der Beitrag der medizinischen, pflegewissenschaftlichen und palliativen Perspektive (U. Wiesli) Der Beitrag der gerontologisch-sozialwissenschaftlichen Perspektive (H. Rüegger) BLOCK 2: Hochaltrigkeit als Herausforderung für Gesellschaft und Organisationen Die Einbettung in den gesellschaftlichen Kontext – eine ethische Perspektive (H. Rüegger) Innovative Betreuungskonzepte als Managementaufgabe in Altersorganisationen (W. Widmer) BLOCK 3: Hochaltrigkeit als Herausforderung für das Individuum und sein soziales Umfeld Bedürfnisse und Ressourcen der Hochaltrigkeit (B. Fäh / U.Wiesli )

Transcript of Referat Fäh Wiesli Rüegger Widmer 16.6 - curaviva.ch · bei gebrechlichen älteren Menschen sind...

Gerontological Care

Ein interdisziplinäres Konzept zur Betreuung pflegebedürftiger hochaltriger Menschen

• Prof. Dr. Barbara Fäh, Hochschule für Soziale Arbeit der FHNW

• Ursula Wiesli MSN, Institut Neumünster, Alters- und Spitexzentrum Wallisellen

• Dr. Heinz Rüegger MAE, Institut Neumünster, Wohn- und Pflegehaus Magnolia,

Zollikerberg

• Dr. Werner Widmer, Stiftungsdirektor Diakoniewerk Neumünster, Zollikerberg

CURAVIVA-Impulstag 16. Juni 2011, Olten

Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 2

Inhaltsverzeichnis

� BLOCK 1: Entwicklungslinien

� Der Beitrag der medizinischen, pflegewissenschaftlichen und palliativen Perspektive (U. Wiesli)

� Der Beitrag der gerontologisch-sozialwissenschaftlichen Perspektive (H. Rüegger)

� BLOCK 2: Hochaltrigkeit als Herausforderung für Gesellschaft und Organisationen

� Die Einbettung in den gesellschaftlichen Kontext – eine ethische Perspektive (H. Rüegger)

� Innovative Betreuungskonzepte als Managementaufgabe in Altersorganisationen (W. Widmer)

� BLOCK 3: Hochaltrigkeit als Herausforderung für das Individuum und sein soziales Umfeld

� Bedürfnisse und Ressourcen der Hochaltrigkeit (B. Fäh / U.Wiesli )

Block 1: Entwicklungslinien

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Inhaltsverzeichnis

� BLOCK 1: Entwicklungslinien

� Der Beitrag der medizinischen, pflegewissenschaftlichen und palliativen Perspektive (U. Wiesli)

� Der Beitrag der gerontologisch-sozialwissenschaftlichen Perspektive (H. Rüegger)

� BLOCK 2: Hochaltrigkeit als Herausforderung für Gesellschaft und Organisationen

� Die Einbettung in den gesellschaftlichen Kontext – eine ethische Perspektive (H. Rüegger)

� Innovative Betreuungskonzepte als Managementaufgabe in Altersorganisationen (W. Widmer)

� BLOCK 3: Hochaltrigkeit als Herausforderung für das Individuum und sein soziales Umfeld

� Bedürfnisse und Ressourcen der Hochaltrigkeit (B. Fäh / U.Wiesli )

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Evidenz basierte Medizin (EbM) bei hochaltrigen Menschen

Wenig Forschung mit hochaltrigen Menschen ���� Gründe? – Forschung an alten hochbetagten Menschen ist schwierig– Lebensdauer– Energie der Population – Ökonomischer Nutzen– Logistische Gründe

� Resultat - Unterversorgung dieser Population? (Brenner & Arndt, 2006)

Medizin und Palliative Care: Wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Palliative Care bei gebrechlichen älteren Menschen sind spärlich � Ausgrenzung der Geriatrie aus Medizinlehrbüchern

���� In Palliativ-Einrichtungen überwiegt der Anteil der onkologischen Patienten

� Obwohl betagte, nichtonkologischen Patienten am häufigsten von chronischen oft tödlichen Krankheiten betroffen sind (Genz, Jenetzky, Hauser, Oster & Pfisterer, 2010)

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Resultate der Pflegeforschung

Erfahrungen und Bedürfnisse

des Patienten, Bewohners

Umgebungs-bedingungen

Wissen und Erfahrung der Pflegenden

PflegerischeEntscheidung

(Rycroft-Malone, Seers, Titchen, Harvey, Kitson & McCormack, 2004)

Entwicklungslinien der Pflegewissenschaft

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Prioritäten von Gerontological Care

� Relevante Phänomene identifizieren, beschreiben und systematisch beurteilen

� Dienstleistungen in einem sich verändernden Gesundheitssystem anbieten

� Zusammenhänge zwischen Arbeitsumgebung und Qualität erkennen

� Funktionen und Ressourcen familialer Systeme kennen und Massnahmen

einleiten

� Die Vielfalt individueller Lebensumstände berücksichtigen

� Ethischen Prinzipien kennen und in die Praxis einbauen

(Imhof, Naef, & Mahrer-Imhof (2008). Swiss Research Agenda for Nursing (SRAN): Forschungsprioritäten der

gerontologischen Pflege. Pflege 21, S. 435-451)

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Herausforderung der Gerontological Care

Die individuelle Betreuung:� unterstützt die Lebensqualität unserer Bewohner und vermindert so

Unzufriedenheit, Angst und Aggression

� beansprucht vertiefte Kenntnisse über die Gewohnheiten und Wünsche unserer

Bewohner, durch sie selber, ihren Lebenslauf oder durch die Angehörigen

� erfordert das Pflegen von Beziehungen

Für die professionelle Pflege müssen wir:� Krankheitsverläufe differenziert kennen und diese mit unseren Erfahrungen

vernetzen, um krankheitsspezifische Merkmale zu erkennen

� mit anderen Professionen zusammenarbeiten um unterschiedlichste Massnahmen

anzuwenden

� des Image der Langzeitpflege durch Professionalität verbessern

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Schwerpunkt: Palliative Care in Langzeitinstitutionen

o Abschiedskultur

o Angehörige

o Demenz

o End of Life Care / Terminale Pflege /Sterbebegeleitung

o Ethik / Autonomie / Würde

o Freiwillige

o Interdisziplinarität / Interprofessionalität / Multiprofessionalität

o Lebensqualität

o Öffentlichkeitsarbeit

o Qualitätsmanagement

o Schmerz- und Symptommanagement

o Spiritualität

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Inhaltsverzeichnis

� BLOCK 1: Entwicklungslinien

� Der Beitrag der medizinischen, pflegewissenschaftlichen und palliativen Perspektive (U. Wiesli)

� Der Beitrag der gerontologisch-sozialwissenschaftlichen Perspektive (H. Rüegger)

� BLOCK 2: Hochaltrigkeit als Herausforderung für Gesellschaft und Organisationen

� Die Einbettung in den gesellschaftlichen Kontext – eine ethische Perspektive (H. Rüegger)

� Innovative Betreuungskonzepte als Managementaufgabe in Altersorganisationen (W. Widmer)

� BLOCK 3: Hochaltrigkeit als Herausforderung für das Individuum und sein soziales Umfeld

� Bedürfnisse und Ressourcen der Hochaltrigkeit (B. Fäh / U.Wiesli )

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Gerontologische Perspektive

� In Medizin und (weniger stark) Pflege kommt Alter und v.a. Hochaltrigkeit primär einmal in der defizitären Perspektive in den Blick: wenn Krankheiten + Pflegebedürftigkeit zum Thema werden.

� Gerontologie als interdisziplinäre Alter(n)swissenschaft nimmt Alter − v.a. in sozialwissenschaftlicher Perspektive – ganzheitlicher, nicht-pathologischer wahr: als multidimensionales Phänomen des natürlichen Lebens.

� Es findet gegenüber der Medizin eine andere Perspektive Anwendung:statt primär Defizite > stärker Ressourcenstatt primär Grenzen > stärker Möglichkeitenstatt primär Abhängigkeit > stärker Selbstverantwortungstatt pathologischer Fall > Lebensganzes im Alter

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Gerontologische Perspektive

� Wichtig: Unterscheidung

- zw. geriatrischer Perspektive- und gerontologischer Perspektive

- zw. medizinisch-biologischem Verständnis des Alters- und sozialwissenschaftlichem Verständnis des Alters

Die zweite ist jeweils die umfassendere Perspektive, die die erste relativiert und angemessen positioniert!

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Sozialwissenschaftliche Perspektive

� Die Sozialwissenschaft nimmt den alten Menschen nicht nur als Individuum wahr, sondern als Teil- eines sozialen Gefüges- eines gesellschaftlichen Kontextes- einer lebensweltlichen Realität.

� Bedürfnisse werden nicht primär medizinisch definiert, sondern ganzheitlicher.In den Blick kommen- Lebensgewohnheiten- Beziehungsgeflechte / soziale Bedürfnisse- Fähigkeiten zur Selbstverwirklichung- Wohn- und Lebensraum-Bedürfnisse- gesellschaftliche Wertungen

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Sozialwissenschaftliche Perspektive

� Die Einbettung des Medizinisch-Pflegerischen in eine gerontologisch-sozialwissenschaftliche Perspektive ändert die Wahrnehmung des alten Menschen und seiner Situation:- seiner Bedürfnisse- der Anforderungen an die Gestaltung des Heimalltags- der architektonischen Anforderungen an altersgerechte Lebensräume- an das professionelle Kompetenz-Profil, das eine Altersinstitution nötig hat.

� Care ist mehr als Pflege!

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Thesen zu Block 1

1. Der entscheidende Bezugsrahmen und Denkhorizont im Umgang mit hochbetagten Menschen muss ein gerontologischer, nicht ein geriatrischer sein. Der medizinisch diagnostizierte und zu behandelnde „Fall“ ist immer Teil eines gesamten Lebens mit Grenzen und Möglichkeiten, Defiziten und Ressourcen, Abbau und Zugewinn an Entwicklung.

2. Bedürfnisse alter Menschen sind immer vielfältig: körperlich, psychisch, geistig, sozial, spirituell, kulturell. Nur in dieser Gesamtheit lässt sich der Stellenwert konkreter medizinisch-pflegerischer Probleme adäquat bestimmen.

3. Gerontological Care ist nichtonkologische Palliative Care, ihre Weiterentwicklung unterstützt die Langzeitinstitutionen in ihren zukünftigen Aufgaben.

4. Care ist umfassender als medizinisch-therapeutische Behandlung oder Pflege im engen Sinn des Wortes.

Block 2: Hochaltrigkeit als Herausforderung für Gesellschaft und Organisationen

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Inhaltsverzeichnis

� BLOCK 1: Entwicklungslinien

� Der Beitrag der medizinischen, pflegewissenschaftlichen und palliativen Perspektive (U. Wiesli)

� Der Beitrag der gerontologisch-sozialwissenschaftlichen Perspektive (H. Rüegger)

� BLOCK 2: Hochaltrigkeit als Herausforderung für Gesellschaft und Organisationen

� Die Einbettung in den gesellschaftlichen Kontext – eine ethische Perspektive (H. Rüegger)

� Innovative Betreuungskonzepte als Managementaufgabe in Altersorganisationen (W. Widmer)

� BLOCK 3: Hochaltrigkeit als Herausforderung für das Individuum und sein soziales Umfeld

� Bedürfnisse und Ressourcen der Hochaltrigkeit (B. Fäh / U.Wiesli )

Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 18

Die Einbettung in den gesellschaftlichen Kontext – eine ethische Perspektive

� Die Praxis der Langzeitpflege Hochbetagter ist stark ‚Fall‘-fokussiert, mit Einbezug der unmittelbaren Angehörigen. Der gesellschaftliche Horizont ist (ausser bei Fragen der Finanzierung) eher wenig präsent.

� Dabei werden in der Langzeitpflege fundamentale gesellschaftliche Herausforderungen virulent, die zu thematisieren wichtig ist.

� Diese Herausforderungen sind u. a. ethischer Natur. Einige sollen im Folgenden kurz benannt werden.

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Ethische Herausforderungen

� Langlebigkeit in einer Juvenilitäts-orientierten Anti-Aging-Kultur:

- Schizophrenie: lang leben wollen aber nicht alt werden

- Würdigung des hohen Alters als wichtiger Lebensphase eigenerbiographischer Bedeutung

- Bewältigung von Grenzen/Verlusten/Sterben als grosse Leistung

� Würde in Situationen der Krankheit/Abhängigkeit/Demenz:

- gängiges Verständnis einer empirisch bedingten Würde mit Möglichkeiten des Würdeverlustes

- Bedeutung eines normativ unbedingten Würdeverständnisses

- kritische Warn-Funktion gegenüber gesellschaftlichen Prozessen der Ent-Würdigung z.B. demenzkranker Menschen

Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 20

� Umgang mit Grenzen menschlichen Lebens:

- nicht Grenzen des Menschseins, sondern Grenzen als zu menschlichem Leben gehörend

- Infragestellung des gängigen Menschenbildes, das ganz auf Selbstständigkeit (Autonomie), Leistung und Rationalität fixiert ist

- zur Humanität gehört Autonomie in Abhängigkeit

� Gerontological Care meint nicht nur Arbeit mit/für hochbetagte Menschen, sondern Reflexion und Einbindung dieser Tätigkeit in den gesellschaftlichen Diskurs und die gesellschaftliche Selbstverständigung!

Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 21

Inhaltsverzeichnis

� BLOCK 1: Entwicklungslinien

� Der Beitrag der medizinischen, pflegewissenschaftlichen und palliativen Perspektive (U. Wiesli)

� Der Beitrag der gerontologisch-sozialwissenschaftlichen Perspektive (H. Rüegger)

� BLOCK 2: Hochaltrigkeit als Herausforderung für Gesellschaft und Organisationen

� Die Einbettung in den gesellschaftlichen Kontext – eine ethische Perspektive (H. Rüegger)

� Innovative Betreuungskonzepte als Managementaufgabe in Altersorganisationen (W. Widmer)

� BLOCK 3: Hochaltrigkeit als Herausforderung für das Individuum und sein soziales Umfeld

� Bedürfnisse und Ressourcen der Hochaltrigkeit (B. Fäh / U.Wiesli )

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Innovative Betreuungskonzepte als Managementaufgabe in Altersorganisationen (1)

Die Nachfrage nach Pflegeheimplätzen wird zunehmen.

Das Angebot an Arbeitskräften wird aber stagnieren.

Millionen Einwohner Alter 2010 2030

25-64 4,298 4,249 - 1% (= potentielle MA)65-79 0,952 1,360 +43%80+ 0,381 0,627 +65% (= potentielle Kunden)

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Innovative Betreuungskonzepte als Managementaufgabe in Altersorganisationen (2)

Herausforderung für das Management: Als Arbeitgeber attraktiver sein als andere, auch als andere ausserhalb des Gesundheitswesens.

Eine auf gerontologischem Wissen basierende Entwicklung des Pflegeheims

• fördert die Qualität der Dienstleistungen (nicht nur von Pflege und Betreuung)

• erhöht die Attraktivität des Heims als Arbeitgeber.

► gerontologische Weiterbildung = Investition in eine erfolgreiche Zukunft des Pflegeheims

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Innovative Betreuungskonzepte als Managementaufgabe in Altersorganisationen (3)

Von einer medizinisch-pflegerischen zu einer mehr sozial-lebensweltlichen Betriebskultur

Entwicklungsprozess beginnt in den Köpfen und betrifft alle Elemente und Aspekte des Betriebs

z.B. fachliche Zusammensetzung des Personals, Schulung der Mitarbeitenden, die Infrastruktur

Neubauprojekte bieten Chancen: weniger Spital – mehr Wohnung, aktive Öffnung zur Gesellschaft

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Innovative Betreuungskonzepte als Managementaufgabe in Altersorganisationen (4)

Wer bezahlt gerontologischen Ansatz?

Die Krankenversicherungen versichern die wirtschaftlichen Folgen von Krankheit. Pflegebedürftigkeit beinhaltet auch anderes, besonders, wenn man sie gerontologisch und nicht ausschliesslich medizinisch versteht.

Gerontological Care als Haltung, die von den Bewohnerinnen positiv erlebt wird, verursacht wenig Zusatzkosten, führt aber dazu, dass vorhandene Gelder besser eingesetzt werden.

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Thesen zu Block 2

1. Gerontological Care reflektiert Arbeit mit und für Hochbetagte im Blick auf den organisationalen/institutionellen und gesellschaftlichen/politischen Kontext.

2. Dabei macht sie sich für die Bedürfnisse und Anliegen von hochbetagten Menschen stark und setzt sich dafür ein, dass diese − schon gar angesichts der demographischen Entwicklung! − gesamtgesellschaftlich den ihnen zustehenden Stellenwert bekommen.

3. Altersinstitutionen, die gerontologisches Wissen nicht nutzen für ihre Entwicklung, werden für ihre Kunden an Attraktivität verlieren und als Arbeitgeber Mühe bekommen, qualifizierte Mitarbeitende zu gewinnen. Wer den Anschluss nicht verpasst, hat in Zukunft grosse Vorteile.

Block 3: Hochaltrigkeit als Herausforderung für das Individuum und sein soziales Umfeld

Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 28

Inhaltsverzeichnis

� BLOCK 1: Entwicklungslinien

� Der Beitrag der medizinischen, pflegewissenschaftlichen und palliativen Perspektive (U. Wiesli)

� Der Beitrag der gerontologisch-sozialwissenschaftlichen Perspektive (H. Rüegger)

� BLOCK 2: Hochaltrigkeit als Herausforderung für Gesellschaft und Organisationen

� Die Einbettung in den gesellschaftlichen Kontext – eine ethische Perspektive (H. Rüegger)

� Innovative Betreuungskonzepte als Managementaufgabe in Altersorganisationen (W. Widmer)

� BLOCK 3: Hochaltrigkeit als Herausforderung für das Individuum und sein soziales Umfeld

� Bedürfnisse und Ressourcen der Hochaltrigkeit (B. Fäh / U.Wiesli )

Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 2929

Wissenschaftliche Paradigmen in Medizin und Gesundheitswissenschaften

Biomedizinisches Krankheitsmodell: konzentriert sich auf Krankheiten, erfasst mit naturwissenschaftlichen Methoden, somatische Behandlung

Biopsychosoziales Krankheitsmodell: psychische und soziale Dimension werden integriert, weil das Erleben des kranken Menschen und seine sozialen Zusammenhänge wesentliche Determinanten für die Entstehung , den Verlauf und die Behandlung von Krankheiten darstellen

Salutogenese: Gesundheit ist das zu erklärende Phänomen. Grundfrage: Was hält Menschen gesund? Im Mittelpunkt stehen nicht die pathogenen Kräfte, sondern die salutogenen Einflüsse und Ressourcen (Faltermeier 2005)

Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 3030

Anforderungs-Ressourcen-Modell

Bel

aste

nde

Situ

atio

n

Becker 2006, verändert BF

Verhalten

Interne Ressourcen

(Psychosoziale

Merkmale,

Physische

Merkmale)

Externe

Ressourcen

(sozioökologische,

sozioökonomische

, soziokulturelle

Eigenschaften)

Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 3131

Begriffsklärungen

Ressourcen: Schutzfaktoren, die die Gesundheit erhalten bzw. schützen. Ziel ist das Wohlbefinden (Lattmann & Rüedi, 2003)

Anforderungen: Bedürfnisse an sich und an die Umwelt (Becker 2006)

Lebewesen haben Bedürfnisse, auf die ihre Umgebung mit der Bereitstellung von Ressourcen antworten muss. Dies geschieht in wechselseitiger Abhängigkeit. Lebewesen stellen Anforderungen aneinander und treten in Austausch von Ressourcen . Entwicklung des Ressourcen-Anforderung-Modell nach Becker (Becker 2006)

Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 3232

Herausforderungen im hohen Alter

Psychosoziale Merkmale

–Auseinandersetzung mit der Entwicklungsaufgabe „Sterben und Tod“

–Abnahme von Anerkennung

–Verlust von Bezugspersonen

–Abnahme von aktiver Gestaltung

–Änderung des sozialen Umfeldes und des Sozialen Netzwerkes

interne und externe

Anforderungen

Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 3333

Herausforderungen im hohen Alter

Physische Merkmale

–Körperliche Funktionseinbussen

–Schmerzen und Beeinträchtigungen

–Demenz

–Depression

Soziokulturelle Herausforderungen

–Materielle Einschränkungen

–Kultureller Hintergrund

interne und externe

Anforderungen

Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 3434

Externe Ressourcen

Sozioökologische Ressourcen: Umfeld, Wohnen, Ortsgrösse

Sozioökonomische Eigenschaften: Finanzielle Mittel, Bildungsstand

Soziokulturelle Eigenschaften: Soziale Beziehungen, Familie, Ausserfamiliale Beziehungen, Soziale Isolation und Einsamkeit, Zivilstand, Aktivitäten, Migration

Externe Ressourcen

Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 3535

Interne Ressourcen

�Wissen, Intelligenz, Fertigkeiten, Persönlichkeitseigenschaften, Rollen

�Fähigkeit, Veränderungen zu akzeptieren

�Soziale Beziehungen und soziale Beziehungsgestaltung

Interne Ressourcen

Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 3636

Die verschiedenen Aspekte beeinflussen sich gegenseitig, lösen eine Dynamik aus – wie können die Hochaltrigen die verschiedenen Aspekte in Balance halten, welches sind die Anforderungen an die Umwelt als externe Ressource.

Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 3737

Anforderungs-Ressourcen-Modell

Bel

aste

nde

Situ

atio

n

Becker 2006, verändert BF

Verhalten

Interne Ressourcen

(Psychosoziale

Merkmale,

Physische

Merkmale)

Externe

Ressourcen

(sozioökologische,

sozioökonomische

, soziokulturelle

Eigenschaften)

Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 3838

Praxisbeispiel

� Frau Schmid, 92 Jahre alt

� Mangel- / Unterernährung 36.7 kg,

� Mobilitätsstörungen: Gangunsicherheit, Angst

� Tochter geht in die Erholung ���� Aufenthalt im Pflegeheim für 3 Wochen, dann nochmals verlängert um 3 Wochen

� Ziel: Rückkehr nach Hause

Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 3939

Anforderungen 1

Psychosoziale Merkmale

� Auseinandersetzung mit der Entwicklungsaufgabe „Sterben und Tod“ – In Betracht ziehen, dass sie nicht mehr nach Hause kann

� Abnahme von Anerkennung – Familienkonflikt: Tochter (67) macht zu wenig, Sohn (61) macht alles

� Verlust von Bezugspersonen – Witwe

� Abnahme von aktiver Gestaltung – kann nicht mehr alleine nach draussen, hat keinen Hunger, kann nicht mehr kochen, was sie gerne hat (Aufwand)

� Änderung des sozialen Umfeldes und des Sozialen Netzwerkes – subjektive Wahrnehmung i.o., objektiv wenig Besuch

Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 4040

Anforderungen 2

Physische Merkmale

� Körperliche Funktionseinbussen – Frailty = Gebrechlichkeit, Mangelernährung – Muskelschwäche – Gehproblematik - Angst

� Schmerzen und Beeinträchtigungen - altersbedingt

� Demenz – altersbedingt, wenig

� Depression - Risiko

Soziokulturelle Herausforderungen

� Materielle Einschränkungen – einkaufen, Anlässe

� Kultureller Hintergrund – Schweizerin, Zürich, zum Sohn ziehen in den Thurgau ist keine Option

Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 4141

Interne Ressourcen

� Starker Wille

� Gutes Durchsetzungsvermögen

� Psychosoziales Wohlbefinden in ihrem Umfeld

� Fähigkeit, Veränderungen zu akzeptieren

� Fähigkeit Beziehungen zu gestalten

� Bereit zu lernen

� Bereit sich mit der eigenen Funktionsbeeinträchtigung auseinander zu setzen und zu integrieren

� Gute kognitive Fähigkeiten

� Nimmt eigene Ängste wahr, kann sie formulieren

Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 4242

Externe Ressourcen

� Sozioökologische Eigenschaften:

� Wohnung im 4 Stock mit Lift und einer Treppen nach draussen

� 2 cm Schwellen vom Korridor aus

� Im Quartier seit 1961

� Sozioökonomische Eigenschaften:

� In der Wohnung kann sie gut leben, Sollte sie ins Pflegeheim einziehen, ist ein 1er Zimmer möglicherweise zu teuer

� Soziokulturelle Eigenschaften:

� Schon seit längerer Zeit verwitwet – allein sein, ist für sie soweit normal

� Tochter im gleichen Haus, Sohn im Thurgau � gute Beziehung

� Gute Nachbarschaft

� Keine Integration im Pflegeheim – Unterstützung des gemeinsamen Essens in Anspruch genommen und erlebt

Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 4343

Fazit ���� Frau Schmid möchte nach Hause !

Welche Unterstützung braucht sie und ihre Angehörigen

Abklärungen

� Meinung der Frau

� Gespräche mit Tochter (was will und kann sie übernehmen, psychische Belastung)

� Unterstützungsmassnamen abklären (Wohnungseinrichtung, Spitex)

� Übergabe an Spitex (Essen, Spazieren, Duschen)

� Frage nach Gesprächspartnern, Auseinandersetzung und Gestaltung des weiteren Lebens, Entwicklungsaufgabe?

Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 44

Thesen zu Block 3

1. Menschen im hohen Alter haben Ressourcen!

2. Ressourcen sind aufgrund der Lebenserfahrungen individuell . Die Kunst besteht darin, diese Ressourcen zu entdecken, zu aktivieren, zu fördern und weiter zu entwickeln in Hinblick auf die Entwicklungsaufgaben, welche vorwiegend in der Auseinandersetzung mit Verlust besteht.

3. Das Umfeld ist für die Person einzigartig und vielfältig sowie eine wichtige Ressource für den alten Menschen und für die Gesellschaft. Dieses Umfeld ist einerseits sehr gefordert, andererseits sehr fragil und deshalb ist dessen Unterstützung notwendig.

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Curaviva-Impulstag vom 16. Juni 2011 - Gerontological Care 45

Diskussion

Welche Thesen finden Sie nützlich und sinnvoll?

Welche unnötig oder unrelevant?

….