Regulatorische Anforderungen an Lagerung und Transport · PDF fileLager und Transport...

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LOGFILE Nr. 10 / August 2010 Maas & Peither AG – GMP-Verlag http://www.gmp-verlag.de © 2010 Maas & Peither AG – GMP-Verlag, Schopfheim, Deutschland, Alle Rechte vorbehalten Seite 1 Regulatorische Anforderungen an Lagerung und Transport Autor: Dr. Christoph Frick Hier stellt sich zunächst die Frage, wann spricht man von Transport, wann von der Lagerung eines Arzneimittels? Die Ge- fahrstoffverordnung vom 23. 12. 2004 (BGBl. IS 3758) schreibt dazu in §3 (4): „Lagern ist das Aufbewahren zur späteren Verwendung sowie zur Abgabe an andere. Es schließt die Bereitstellung zur Beförde- rung ein, wenn die Beförderung nicht binnen 24 Stunden nach der Bereitstellung oder am darauf folgenden Werktag erfolgt ..." Da sich in den Regularien, wie z. B. EU- GMP-Leitfaden, AMWHV, GDP oder USP hierzu keinerlei Definitionen finden, er- scheint die Definition der Gefahrstoffver- ordnung zunächst plausibel. Die Plausibili- tät hat jedoch schnell ein Ende, wenn man bedenkt, dass sich viele Transporte inner- halb der pharmazeutischen Industrie über Tage, ja Wochen erstrecken, die Distribu- tion zum Großhändler oder vom Groß- händler zur Apotheke oft aber nur wenige Stunden in Anspruch nimmt. Ganz offen- kundig hat man es bei länger andauern- den Transporten mit Prozessen zu tun, die einer Lagerhaltung gleichkommen und von daher auch den Anforderungen an die Lagerhaltung entsprechen sollten. Aber auch bei kurzfristigen Transporten können z. B. Hitze- und Frosteinwirkungen zu Produktschädigungen führen. Unwirksam- keit und Patientenschäden können die Folge sein. Im Hinblick auf die Arzneimittelsicherheit sollten daher kurz- und langfristige Trans- porte konsequenterweise nach den glei- chen Vorgaben ablaufen. Das bedeutet, dass für den Transport die gleichen Be- dingungen einzuhalten sind wie für die Lagerung. Konkrete Anforderungen hierzu finden sich in der WHO-Leitlinie Good Sto- rage Practice (GSP) sowie in den Arznei- büchern (Ph. Eur. und USP). Eine Zu- sammenfassung der dort genannten La- gerungsbedingungen zeigt Abbildung 11.H-1. Sichtet man im Detail die gängigen Re- gelwerke, sind folgende Aspekte auffällig: ¬ In Deutschland gibt es unterschiedli- che Vorgaben für pharmazeutische Hersteller einerseits und Großhändler (ggf. auch Apotheken) als Letzte in der Distributionskette andererseits. ¬ Die internationalen Richtlinien der WHO, USP sowie der kanadischen Behörde sind erheblich detaillierter und aufschlussreicher als die Vorga- ben des EU-GMP-Leitfadens oder der AMWHV. Anforderungen an Pharmazeutische Hersteller EU-GMP-Leitfaden Angaben zum Transport finden sich ledig- lich in Teil II des EU-GMP-Leitfadens (sie- he Kapitel H.5 EU-GMP-Leitfaden: Teil II Mindestanforderungen für Wirkstoffe, die als Ausgangsstoffe eingesetzt werden), die sich hier logischerweise auf Wirkstoffe und Zwischenprodukte, nicht hingegen auf Arzneimittel beziehen (siehe Abbildung 11.H-2). Abbildung 11.H-2 Anforderungen des EU- GMP-Leitfadens Teil II Anforderungen des EU-GMP-Leitfadens Teil II 10.21 Wirkstoffe und Zwischenprodukte sollten so transportiert werden, dass ihre Qualität nicht beeinträchtigt wird. 10.22 Spezielle Transport- oder Lage- rungsbedingungen für einen Wirkstoff oder ein Zwischenprodukt sollten auf dem Eti- kett angegeben werden. 10.23 Der Hersteller sollte sicherstellen, dass das mit dem Transport der Wirkstoffe oder Zwischenprodukte beauftragte Un- ternehmen die erforderlichen Transport- und Lagerbedingungen kennt und sie be- folgt.

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http://www.gmp-verlag.de

© 2010 Maas & Peither AG – GMP-Verlag, Schopfheim, Deutschland, Alle Rechte vorbehalten Seite 1

Regulatorische Anforderungen an Lagerung und Transport

Autor: Dr. Christoph Frick

Hier stellt sich zunächst die Frage, wann spricht man von Transport , wann von der Lagerung eines Arzneimittels? Die Ge-fahrstoffverordnung vom 23. 12. 2004 (BGBl. IS 3758) schreibt dazu in §3 (4):

„Lagern ist das Aufbewahren zur späteren Verwendung sowie zur Abgabe an andere. Es schließt die Bereitstellung zur Beförde-rung ein, wenn die Beförderung nicht binnen 24 Stunden nach der Bereitstellung oder am darauf folgenden Werktag erfolgt ..."

Da sich in den Regularien, wie z. B. EU-GMP-Leitfaden, AMWHV, GDP oder USP hierzu keinerlei Definitionen finden, er-scheint die Definition der Gefahrstoffver-ordnung zunächst plausibel. Die Plausibili-tät hat jedoch schnell ein Ende, wenn man bedenkt, dass sich viele Transporte inner-halb der pharmazeutischen Industrie über Tage, ja Wochen erstrecken, die Distribu-tion zum Großhändler oder vom Groß-händler zur Apotheke oft aber nur wenige Stunden in Anspruch nimmt. Ganz offen-kundig hat man es bei länger andauern-den Transporten mit Prozessen zu tun, die einer Lagerhaltung gleichkommen und von daher auch den Anforderungen an die Lagerhaltung entsprechen sollten. Aber auch bei kurzfristigen Transporten können z. B. Hitze- und Frosteinwirkungen zu Produktschädigungen führen. Unwirksam-keit und Patientenschäden können die Folge sein.

Im Hinblick auf die Arzneimittelsicherheit sollten daher kurz- und langfristige Trans-porte konsequenterweise nach den glei-chen Vorgaben ablaufen. Das bedeutet, dass für den Transport die gleichen Be-dingungen einzuhalten sind wie für die Lagerung. Konkrete Anforderungen hierzu

finden sich in der WHO-Leitlinie Good Sto-rage Practice (GSP) sowie in den Arznei-büchern (Ph. Eur. und USP). Eine Zu-sammenfassung der dort genannten La-gerungsbedingungen zeigt Abbildung 11.H-1.

Sichtet man im Detail die gängigen Re-gelwerke, sind folgende Aspekte auffällig:

¬ In Deutschland gibt es unterschiedli-che Vorgaben für pharmazeutische Hersteller einerseits und Großhändler (ggf. auch Apotheken) als Letzte in der Distributionskette andererseits.

¬ Die internationalen Richtlinien der WHO, USP sowie der kanadischen Behörde sind erheblich detaillierter und aufschlussreicher als die Vorga-ben des EU-GMP-Leitfadens oder der AMWHV.

Anforderungen an Pharmazeutische Hersteller

EU-GMP-Leitfaden

Angaben zum Transport finden sich ledig-lich in Teil II des EU-GMP-Leitfadens (sie-he Kapitel H.5 EU-GMP-Leitfaden: Teil II Mindestanforderungen für Wirkstoffe, die als Ausgangsstoffe eingesetzt werden), die sich hier logischerweise auf Wirkstoffe und Zwischenprodukte, nicht hingegen auf Arzneimittel beziehen (siehe Abbildung 11.H-2).

Abbildung 11.H-2 Anforderungen des EU-GMP-Leitfadens Teil II

Anforderungen des EU-GMP-Leitfadens Teil II 10.21 Wirkstoffe und Zwischenprodukte sollten so transportiert werden, dass ihre Qualität nicht beeinträchtigt wird. 10.22 Spezielle Transport- oder Lage-rungsbedingungen für einen Wirkstoff oder ein Zwischenprodukt sollten auf dem Eti-kett angegeben werden. 10.23 Der Hersteller sollte sicherstellen, dass das mit dem Transport der Wirkstoffe oder Zwischenprodukte beauftragte Un-ternehmen die erforderlichen Transport- und Lagerbedingungen kennt und sie be-folgt.

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Abbildung 11.H.-1

AMWHV und AMBO

Konkrete Anforderungen hinsichtlich der Aufzeichnung und Kontrolle von Daten während des Transports sowie die Forde-rung nach validierten Verfahren finden sich in der für Deutschland geltenden AMWHV (Arzneimittel- und Wirkstoffher-stellungsverordnung, siehe GMP-BERATER Kapitel E.1). Auch in Österreich müssen seit 2005 durch die Vorgabe in der AMBO (Arzneimittelbetriebsordnung, siehe GMP-BERATER Kapitel G.1) beim Transport von Arzneimitteln kritische Fak-toren wie die Temperatur gemessen und dokumentiert werden (siehe Abbildung 11.H-3).

Abbildung 11.H-3

Anforderungen der AMWHV und der AMBO AMWHV §7 (1) [...] Kritische Parameter der Lagerung und des Transports müssen kontrolliert und aufgezeichnet werden, um die Über-einstimmung mit den Anforderungen zu bestätigen. (5) Die Verfahren für die Lagerung und den Transport sind schriftlich festzulegen. Soweit sie einen Einfluss auf die Qualität der Ausgangsstoffe und Zwischenproduk-te für die Arzneimittelherstellung oder für die Arzneimittel haben können, ist die

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Geeignetheit der Verfahren nachzuwei-sen. AMBO § 34 (7) Die Lieferungen sind bei der Annahme darauf zu prüfen, ob die validierte Trans-portdauer und Transporttemperatur ein-gehalten wurden (...)" (10) Arzneimittel, die bei kontrollierter Temperatur gelagert werden müssen, sind mit geeigneten validierten Vorkeh-rungen zu befördern."

Für eine konkrete Umsetzung ist dies aber zu wenig. Wichtige Aspekte, wie z. B. der mögliche Einfluss von Gefrierakkus auf das Packgut oder die Verwendung geeig-neter, d.h. kalibrierter Datenlogger zur Temperaturerfassung, fehlen.

WHO Richtlinien

Dahingehend sind die internationalen Vor-gaben wesentlich umfassender und detail-lierter, wie z. B. die WHO Richtlinie Good Distribution Practices (GDP) for Pharma-ceuticals, die viele Aspekte im Rahmen der Distribution und des Transports an-spricht. Bei allem Positiven gibt es aber auch hier Verbesserungspotenzial: So wird in der GDP-Richtlinie zwar auf die potenzielle Gefahr beim Verpacken mit Trockeneis hingewiesen, jedoch nicht auf die Auswirkungen von Gefrierakkus oder der Außentemperatur auf das Arzneimittel. Zudem erscheint eine Vorgabe der acceptable limits recht schwammig und generiert keine Sicherheit der Prozesse, wie im Weiteren noch gezeigt wird. Auch auf ein Alarmsystem sowie Qualifizierung wird nicht näher eingegangen.

Zum Teil sehr ähnliche Vorgaben sind in dem WHO-Leitfaden für gute Lagerungs-praxis von Arzneimitteln (Guide to Good Storage Practices (GSP) for Pharmaceuti-cals, siehe Kapitel L.1 Leitfaden für gute Lagerungspraxis von Arzneimitteln) ent-halten. So wird auch hier im Abschnitt 7 „Versand und Transport" geschrieben, dass Materialien und Arzneimittel so transportiert werden sollten, dass deren Unversehrtheit nicht beeinträchtigt wird und die Lagerungsbedingungen eingehal-ten werden. Des Weiteren wird auf die

potenzielle Gefährdung durch Trockeneis (d. h. ein Gefrieren, welches die Produkt-qualität negativ beeinflussen könnte) so-wie auf die erforderlichen Geräte zur Überwachung und Aufzeichnung der La-gerungsbedingungen während des Trans-ports, wie z. B. der Temperatur, einge-gangen.

USA und Kanada

Von allen Regelwerken geht die aktuelle USP in <1079> wohl am dezidiertesten auf die Umsetzung von Distributions- und Aus-lieferungsmodalitäten unter kontrollierten Temperaturbedingungen ein. Gesichts-punkte zum Einsatz kalibrierter Messgerä-te sowie Qualifizierungs- und Validie-rungsmaßnahmen werden angesprochen. Selbst die Kooperation zwischen Herstel-ler und Spediteur, die Abgabe und der Versand u.a. thermolabiler Präparate von der Apotheke an den Patienten oder die Lagerung von Arzneimittelmustern in der Obhut von Pharmaberatern werden näher beleuchtet.

Mit Einführung und Definition der Controlled Cold Temperature stellt die Monographie <1079> der USP 32 eine positive Weiterentwicklung gegenüber der Vorläuferversion dar. Es wird nun ganz klar umrissen, dass Temperaturschwan-kungen allein im Bereich 0-15 °C tolerabel sind. Der als äußerst negativ zu bewer-tende Einfluss durch äußere Frosttempe-raturen wird somit erstmalig ausgeschlos-sen. Allein dadurch erscheint die Auswer-tung einer MKT (Mittlere Kinetische Temperatur) jetzt auch zielführend. Zu-dem erwähnt die USP für den 2-8-°C-Bereich den möglichen, negativen Einfluss von Gefrierakkus auf das Arzneimittel.

Jedoch gibt es zu <1079> der USP 32 auch kritische Anmerkungen:

Mit Blick auf die Controlled Room Temperature erscheint die propagierte Ermittlung der MKT nicht immer sinnvoll. Die tolerable 24-stündige Erwärmung auf 40 °C kann bei „unter Raumtemperatur zu lagernden" Präparaten mitunter zu quali-tätsmindernden Erscheinungen führen,

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wie z. B. Farbveränderungen bei einigen festen Darreichungsformen oder Konsis-tenzveränderungen bei Suppositorien. Des Weiteren erscheint die Zeitvorgabe von zwei Stunden zur Warenverbringung in geeignete Lagerbereiche für Kühlketten-arzneimittel als zu lange. Zudem ist anzu-merken, dass es keine Vorgaben zur Qua-lifizierung von Spediteuren gibt. Bedauerli-cherweise weist die überarbeitete Mono-graphie <1079> einige Redundanzen auf. Bereits Geschriebenes wird in mehreren Abschnitten, mitunter sogar im gleichen Abschnitt, in sehr ähnlicher Weise noch-mals aufgeführt. So wird z. B. etliche Male erläutert, dass „geeignet ausgestattete Fahrzeuge für den Transport temperatur-empfindlicher Arzneimittel einzusetzen und entsprechend zu überwachen sind", anstatt dass diese Thematik einmalig und umfassend vorgestellt wird. Das trägt nicht zum Verständnis bei und macht es müh-sam, neue Aspekte von bereits bekannten zu trennen.

2005 wurde von der kanadischen Gesundheitsbehörde Health Canada eine Richtlinie veröffentlicht, die recht interes-sant und umfassend erscheint, aber offen-sichtlich noch keine größere Verbreitung gefunden hat (Guidelines for Temperature Control of Drug Products during Storage and Transportation (GUIDE-0069), 2005). Kritisch anzumerken ist bei dieser Richtli-nie, dass u. a. weder auf das Thema Alarmsystem noch auf die Qualifizierung näher eingegangen wird.

Betrachtet man im Weiteren die für Groß-händler und Apotheken geltenden Vor-schriften zum Transport, ergibt sich der Eindruck, dass es gerade beim tempera-turgeführten Transport zwei unterschiedli-che Ansprüche der Auslieferung und damit zwei unterschiedliche Qualitätsstandards gibt. Autor Dr. Christoph Frick kohlpharma GmbH Merzig, Deutschland

Lesen Sie mehr zum Thema Transport in folgenden Kapiteln des GMP-BERATER Paperback Band 9 Lager und Transport: Regulatorische Anforderungen an La-gerung und Transport - Anforderungen an Pharmazeutische Hersteller - Anforderungen an Großhändler - Anforderungen an Apotheken - Bewertung der offiziellen Vorgaben Transportarten - Transporte bei Normaltemperatur - Kühltransporte - Tiefkühltransporte Validierung einer Kühlkette - Lagerung bis zum Versand - Versand Qualifizierung von Speditionen - Auditfragen für Spediteure Resümee und Ausblick GMP-BERATER Paperback Band 9 Lager und Transport

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