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Reihe 1 Das Monatsmagazin der Staatstheater Stuttgart Staatsoper Stuttgart, Stuttgarter Ballett, Schauspiel Stuttgart September 2020

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Reihe 1

Das Monatsmagazin der Staatstheater Stuttgart Staatsoper Stuttgart, Stuttgarter Ballett, Schauspiel Stuttgart September 2020

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3Editorial

TitelmotivIm Malsaal betreibt Barbara Vogel Repertoire - pflege: Ein Prospekt aus John Crankos Onegin wird mit einem neuen Netz überklebt. Danach müssen die Löcher des Spitzenvorhangs ausgeschnitten werden

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Liebe Leserinnen und Leser,

leicht, reduziert, doch gehaltvoll starten wir in eine Spielzeit, die anders ist als geplant. Zuerst eröffnet im September das Schauspiel, im Oktober kommen dann Oper und später das Ballett hinzu.

Und so ist dieser tastende, unkonventionelle Start ein Abbild unserer Situation, die mal von Entschleunigung, dann wieder von Beschleunigung geprägt ist.

Die Zeit fährt Achterbahn – auch mit uns. Rund ein Dreiviertel­jahr lang schreiben Dramatiker*innen an einem Theaterstück. Sie erzielen einen Großteil ihrer Einkünfte durch den Kartenverkauf, an dem sie beteiligt werden. Wenn dann europaweit Theater schlie­ßen, bedroht das ihre Existenz als Autoren. Umso schöner, dass nun erstmals der Europäische Dramatiker*innenpreis verliehen wird (Seite 18). Was die Turbulenzen für das Stuttgarter Ballett be­deuten, erzählt Intendant Tamas Detrich (Seite 12) – neben Moment­aufnahmen der Premiere von RESPONSE I, einem Ballettabend, der in nur sechs Wochen auf die Beine gestellt wurde. Und auch der für Juni geplante Doppelabend Cavalleria rusticana / Luci mie traditrici – zwei italienische Opern, die sich um Liebe und Eifer­sucht drehen – musste neu konzipiert werden, damit die Premiere endlich im Oktober stattfinden kann (Seite 30).

Sie sehen, es bleibt spannend, auch für uns. Bleiben Sie uns gewogen. Die Staatstheater Stuttgart

Reihe 1 ⁄ September 2020

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4 Inhalt 5

3 Editorial 6 Spielplan8 Umdenken: Wie wir jetzt arbeiten

Was ist

10 Entdecken Die Lage: So teuer ist Stuttgart 12 Umplanen Tamas Detrich blickt nach vorn 14 Remixen Ist es Kino? Comic? Varieté? Nein, Die Zauberflöte!

Was kommt

18 Fördern Ein Preis für alle, die Theater schreiben 20 Lernen Die John Cranko Schule ist fertig 26 Spielen Evgenia Dodina im Porträt

Was bleibt

30 Hassen/Lieben Warum fließt so viel Blut auf der Opernbühne?

34 Anpassen Das neue Ding: Schilder im Nassraum 34 Impressum

Hier wird gleich getanzt! Aber zuerst den Boden mit Spiritus wischen, damit die Solisten des Balletts beim Theaterparcours nicht ausrutschen

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Liebes Publikum,

coronabedingt beginnt die Spielzeit 2020⁄21 anders, als Sie es gewohnt sind. Im September spielt ausschließlich das Schauspiel für Sie. Im Spielplan auf der rechten Seite finden Sie also zunächst die September-Stücke des Schauspiels. Da wir in diesem Heft jedoch auch auf Stücke der Oper und des Balletts hinweisen, finden Sie nachfolgend den Ausschnitt einer Vorschau auf den Oktober.

Den genauen Oktober-Spielplan mit allen Stücken, Orten und Zeiten entnehmen Sie bitte der nächs-ten Ausgabe von Reihe 1, die Ende September erscheint. Oder informieren Sie sich auf unserer Website www.staatstheater-stuttgart.de

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18Fr

UraufführungDie Lagevon Thomas Melle20 Uhr, Kammertheater, 25 €

Vor dem Umzug schlägt der Kapitalismus zu: eine Wohnungsbesichtigung als Castingshow

Weitere Termine: 19., 20., 22., 23., 24., 25., 26., 27., 29. September

Europäischer Dramatiker*innenpreisDie Durstigen / Wer hier wen? von Wajdi Mouawad19 Uhr & 19.15 Uhr, Treffpunkt vor dem Schauspielhaus, 10 €

Audiowalk & Interview-Performance-Abend mit dem Citizen.KANE.Kollektiv

19Sa

Europäischer Dramatiker*innenpreisStuttgarter PremiereSeulsvon und mit Wajdi MouawadEine Produktion des Théâtre national de la Collinemit deutschen und englischen Übertiteln19.30 Uhr, Schauspielhaus, 8–42 €anschl. Premierenfeier im Foyer Schauspielhaus

Studie über Flucht und Leiden der Vorfahren, ein großes Solo des Theaterstars Mouawad

Europäischer Dramatiker*innenpreisDie Durstigen / Wie wer was? von Wajdi Mouawad19 Uhr & 19.15 Uhr, Treffpunkt vor dem Schauspielhaus, 10 €

Audiowalk & Interview-Performance-Abend mit dem Citizen.KANE.Kollektiv

20So

Europäischer Dramatiker*innenpreisMatinée mit den Preisträger*innen Jasmine Lee-Jones und Wajdi Mouawad11 Uhr, Schauspielhaus, Eintritt frei

Panel: Europäischer Dramatiker*innenpreis Rewriting Europe Europäisches Theater heute15 Uhr, Kammertheater, Eintritt frei

Europäischer Dramatiker*innenpreisPreisverleihung 18 Uhr, Schauspielhaus

Europäischer Dramatiker*innenpreisDie Durstigen / Wo sich wer?von Wajdi Mouawad19 Uhr & 19.15 Uhr, Treffpunkt vor dem Schauspielhaus, 10 €

Audiowalk & Interview-Performance-Abend mit dem Citizen.KANE.Kollektiv

26Sa

Premiere Der Besuch der alten Damevon Friedrich Dürrenmattmit einem Text von Peter Michalzik19.30 Uhr, Schauspielhaus, 8–42 €anschl. Premierenfeier im Foyer Schauspielhaus

Milliardärin kehrt in ihr Heimatdorf zurück, will den Tod ihres Ex-Geliebten. Drama über Moral

Weitere Termine: 27. September, 16 & 19.30 Uhr; 28. September, 19.30 Uhr

30Mi

WiederaufnahmeBlack BoxPhantomtheater für 1 Personvon Stefan Kaegi / Rimini Protokoll18 Uhr, Schauspielhaus, 15/7 €

Audiotour durch das Schauspielhaus

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Reihe 1 ⁄ September 2020 Spielplan September

Do, 1. Denk ich an Deutschland in der Nacht Premiere

Die Lage (UA) Weitere Termine: 2., 3., 4. Oktober

Der Besuch der alten Dame Weitere Termine: 2., 3., 5., 6., 7. Oktober

Sa, 3. Die Zauberflöte Premiere Weitere Termine: 4., 28. Oktober

So, 4. Black Box Weitere Termine: 8., 9. 11., 18. Oktober

Fr, 9. Die Grille und die Ameise JOiN Weitere Termine: 10., 12., 16., 20. Oktober

Sa, 10. Das Dschungelbuch Premiere JOiN Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel Wiederaufnahme Weiterer Termin: 17. Oktober

So, 11. Cavalleria rusticana / Luci mie traditrici Premiere Weitere Termine: 18., 20., 24. Oktober

Di, 13. Die Nacht kurz vor den Wäldern Wiederaufnahme

Weitere Termine: 14., 21., 22., 23., 25., 27. Oktober

Fr, 16. Ich seh’ Monster (UA) Wiederaufnahme Weiterer Termin: 17. Oktober

Sa, 17. Das kleine Ich-bin-Ich JOiN Weitere Termine: 22., 26. Oktober

Ballettabend: Response I Premiere Weitere Termine: 19., 25. Oktober

Sa, 24. Der Würgeengel Premiere Weitere Termine: 25., 26. Oktober

Di, 27. Das Ding aus dem Klangsumpf JOiN

Das Lied von der Erde Premiere Weiterer Termin: 29. Oktober

Fr, 30. Ballettabend: Response II Premiere Weiterer Termin: 31. Oktober

Sa, 31. La Fiesta Gastspiel Schäfchen im Trockenen (UA)

Wiederaufnahme

Vorschau Oktober

So erhalten Sie Ihre KartenAb 17. August können Sie Karten für alle Vorstellungen im September buchen, ab 15. September erhalten Sie Tickets für den gesamten Oktober.

Karten für alle Termine der Spielzeit können Sie jederzeit vorbestellen.

Bis Ende August gibt es Karten online und telefonisch, ab 1. September endlich auch wieder persönlich an der Theaterkasse!

OperBallettSchauspiel

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Kontakt & Öffnungszeiten30. Juli bis 28. August0711.20 20 90Montag bis Mittwoch und Freitag 10 bis 14 UhrDonnerstag 14 bis 18 Uhr

Ab 1. SeptemberTheaterkasse, Königstraße 1 D0711.20 20 90Montag bis Mittwoch 10 bis 14 UhrDonnerstag bis Freitag 14 bis 18 Uhr

www.staatstheater-stuttgart.de

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Onlineführung in der Modisterei: Hutmacherin Eike Schnatmann erklärt, wie Hüte unterschiedlicher Art entstehen

Der Schmetterling stammt aus einem alten Bühnenbild. Mitarbeiter fanden ihn schön und hängten ihn im Zentrallager auf

Reihe 1 ⁄ September 2020 Umdenken

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11Was ist ⁄ EntdeckenReihe 1 ⁄ September 2020

Wenn wir umziehen, begegnen uns die Ungleichheiten, an die wir uns so gewöhnt haben. Thomas Melles Stück Die Lage zeigt die Wohnungssuche als groteske Castingshow. 12 Fakten über Stuttgart, Deutschlands teuerste Wohnstadt

Stuttgart verstehen

Vergoldete Parkplätze Stuttgart ist Deutsch-lands teuerste deutsche Parkstadt, 2 Stunden auf einem öffentlichen Parkplatz kosten durchschnittlich 7 Euro

Kulturhauptstadt Mit 21 Plätzen je 1000 Einwohner hat Stuttgart die meisten Theater- und Opernplätze Deutschlands. Jeder Einwohner besucht 2,8 Mal im Jahr eine Vorstellung

Teuerste MietmetropoleDie Nettokaltmiete für eine mittelgroße Wohnung (65 m2) liegt bei 10,41 Euro pro Quadratmeter, 48 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Mit seinem Speck-gürtel ist Stuttgart, vor München, Deutschlands teu-erste Wohnstadt

Geld ist vorhandenDie Kaufkraft der Stuttgarter liegt 13 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Jeder Bewohner verdient im Jahr im Mittel 29 000 Euro

Die Kinder der Stadt Mehr als 13 000 Kinder in Stuttgart gelten als arm. Sie leben in Hartz-IV-Familien, die Hälfte bei Alleiner-ziehenden

Dicke LuftDie Messstation Am Neckartor lieferte 2018 die höchste Stick stoff-dioxid belastung bundesweit: 71 Mikro gramm NO2 pro Kubikmeter Luft – 75 Prozent über dem EU-Grenzwert

Wachstumssektor Drogen Drogendelikte haben sich in zehn Jahren verdoppelt, 2018 waren es 6000. Im Jahr 2019 starben 19 Menschen an ille-galen Substanzen, 4 mehr als im Vorjahr

Wenig Raum für FamilienDie Stadt hat 300 000 Wohnungen, in der Hälfte lebt nur eine Person. Ein weiteres Viertel sind Zwei-personenhaushalte. Den Rest teilen sich Familien und WGs

Menschen ohne Wohnsitz4200 Betten auf Zeit sind in Stuttgart von Obdachlosen belegt. Vergleich: Berlin zählte im Januar nur 2000 Obdachlose

Liegen verboten Das Liegen auf Parkbänken ist seit 1971 verboten

Die LageIn Thomas Melles Drama liefern sich Geringverdiener und reiche Erbinnen, Wegsanierte und Karrieristinnen einen gnadenlosen Konkurrenz- kampf um die immer teurere Bleibe.

Die Lage im September

1 im Spielplan

Stadt der MillionäreStuttgart ist die Großstadt mit der höchsten Millionärs-dichte. 12 von 10 000 Einwohnern verdie-nen pro Jahr mehr als eine Million Euro

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Juweliere und Pfandhäuser28 Juweliere und Goldschmiede gibt es in Stuttgart. Daneben bieten 7 Pfandhäuser Kre-dite an – 3 sind auf Autos spezialisiert. 60 000 Stuttgarter sind überschuldet

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Was ist ⁄ Umplanen

Reihe 1 ⁄ September 2020

»Diese Saison war jahrelang in Planung. Seit ich Intendant bin, überlege ich: Was darf zum Sechzigsten nicht fehlen? Wer muss dabei sein? Die erste große Premiere sollte ein Abend mit Stücken von Glen Tetley, Maurice Béjart und Uwe Scholz werden – Choreographen, die eng mit dem Stuttgarter Ballett verbunden sind. Und nun hat Corona alles auf den Kopf gestellt. So schnell wir konnten, haben wir für diese Spiel­zeit einen neuen Plan entwickelt, der auch unter Pandemiebedingungen funktioniert. Wir haben Uraufführungen für zwei Abende in Auftrag gege ben, RESPONSE I und RESPONSE II. Insgesamt haben acht Choreographin­nen und Choreographen, die gleich­zeitig Tänzerinnen und Tänzer unserer Compagnie sind, neue Werke kreiert.

Natürlich schmerzt es, große Pläne abzusagen oder zu verschieben. Was war das für eine lange Vorfreude! Aber dann habe ich mir die Proben zu den neuen Stücken angeschaut und gespürt: Das ist kein Notprogramm, das ist wunderschön und berührend. Auch wenn die Tänzerinnen und Tänzer sich auf der Bühne nicht nahekom­men dürfen, spüre ich die Leidenschaft,

die Emotionen, die Tiefgründigkeit. Diese jungen Choreographinnen und Choreographen haben etwas zu sagen.

Letztlich ist es wie eine Fügung. Denn jungen Talenten die Chance zu geben, neue Stücke zu entwickeln: Das ist in unserer DNA. Als Marcia Haydée 1976 das Ballett übernahm, hat sie den jungen William Forsythe gefördert, später Uwe Scholz; Reid Anderson hat Talente wie Christian Spuck, Marco Goecke und Demis Volpi aufgebaut. An diese Tradition knüpfen wir. Durch diese besondere Situation ist etwas aus den Nachwuchskünstlern herausge­brochen, das sonst vielleicht noch lange in ihnen geschlummert hätte.

Ich bin stolz, dass wir alles in so kurzer Zeit bei uns im Haus fertigen konnten, den Tanz, das Bühnenbild, die Beleuchtung, die Musik. Es ist erstaunlich, wie schnell alle gearbeitet haben. Binnen drei Wochen waren einige Stücke fast fertig. Alles sprudelte nur so vor Schaffenslust. Es beeindruckt mich, was wir auf die Beine stellen können – wenn wir zusammenhalten.«

Wie eine FügungDas Stuttgarter Ballett feiert in diesem Jahr sein sechzigjähriges Jubiläum. Was tun, wenn alles anders ist als geplant? Junge Talente machen lassen

Ballettabend RESPONSE I im Oktober im Spielplan

PetalsLouis Stiens’ neue Choreo-graphie zu Klaviermusik

Everybody needs some/bodyIn Roman Novitzkys Stück wird Einsamkeit überwunden

Empty HandsLeere Hände, Fabio Adorisios Antwort auf die aktuelle Situation

Wir dürfen jetzt nicht stillstehen. Ich habe den Choreographen gesagt: Geht Risiken ein, experimentiert! Alles ist erlaubt

Tamas Detrich, Intendant

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Die Londoner Künstlergruppe 1927 hat aus der Zauberflöte ein irres Ereignis gemacht. Anleihen aus Stummfilm, Varieté, Animation und Comics verschmelzen in einem großen Bühnenrausch

Die Welten der Gruppe 1927: der VogelfängerPapageno als Gentleman. In der Szene davor trank er einen magischen Cock-tail, jetzt sieht er Elefanten

Was haben

die denn geraucht?

Reihe 1 ⁄ September 2020 Was ist ⁄ Remixen

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17Reihe 1 ⁄ September 202016 Was ist ⁄ Remixen

Der finstere Monostatos, als Vampir geschminkt, steht auf der Bühne und singt – doch die Höllen­hunde, die er an der Leine führt, sind nur proji­ziert. Genau wie das Netz der Königin der Nacht, die als Spinne fünf Meter hoch an der Wand zu kleben scheint. Diese Zauberflöte ist ein Spiel der Bilder. Aufzüge rasen in die Unterwelt, Monstren speien Feuer. Sehen wir einen Stummfilm? Ei­nen animierten Comic? Ein Videospiel? In dieser Mozart­ Inszenierung ist nichts so, wie man es kennt. Ein Klassiker wird Pop.

Die Zauberflöte ist die meistgespielte Oper Deutschlands, seit Jahrzehnten führt sie das Ranking an. Sie wird oft für Kinder gespielt und manchmal sehr traditionell inszeniert, mit dem Vogelfänger im Federkostüm. Es gab natürlich auch schon Zauberflöten im U­Bahnhof, mit Pa­pageno als Müllsammler, oder in einem sterilen Internat – und siebzehn Jahre lang auch Peter Konwitschnys Stuttgarter Version als vielschich­

tiges Spiel mit Kunst und Klischees. Aber noch nie wurde die Form so aufgebrochen wie von der britischen Gruppe 1927 und Barrie Kosky.

Der Australier übernahm 2012 die Intendanz der Komischen Oper Berlin. Die Klassiker von Wagner, Verdi und Puccini zeigt er nicht. Statt­dessen Überraschungen. Drei Monteverdi­Opern an einem Tag, zwölf Stunden lang. Die letzte Ope­rette der Weimarer Republik, wiederbelebt. Aber sein größter Hit ist Die Zauberflöte, die nun nach Stuttgart kommt. In einer von ihm angepassten Version, die später auch nach Berlin geht. Die Arbeit von 1927 hat er bei einem Festival gese­hen und entschieden: Die sollen es machen; die Zauber flöte in die Gegenwart holen.

Die Theatertruppe hat sich mit Shows einen Namen gemacht, die an Kabarett und Stummfilm der Zwanziger erinnern. Mit absurden Propor tio­nen, fantastischen Bildern und typografischen Kunststückchen. »Unsere Shows scheinen der

Die Königin der Nacht klebt an der Wand, ihre Spinnenbeine sind projiziert. Wie das Netz, das Tamino hält

Allegro con fuoco: Pamina und Taminomüssen drei Prü-fungen bestehen. Bei einer wird es heiß

Welt der Träume, bisweilen der Albträume ent­sprungen. Sie erinnern aber immer wieder auch an die Welt des Stummfilms«, erzählen Suzanne Andrade und Paul Barritt, die kreativen Köpfe der Gruppe. Alles bewegt sich, die Körper, die Bilder, die Bühne wird ein Wimmelbild.

Zwei Jahre lang zeichnete Barritt die Fantasien, die nun projiziert werden. Ein Bildtechniker passt bei jeder Aufführung flexibel das Tempo an. Die Darsteller auf der Bühne müssen zentimeterge­nau mit den Elementen arbeiten – eine gezeich­nete Eule auf der Hand halten, einem Uhrpendel ausweichen, durch einen Tunnel rennen.

Das Ergebnis wurde so originell, dass diese In­szenierung um die Welt ging, nach Los Angeles, Schanghai, Paris, Madrid und Helsinki. Eine hal­be Million Menschen waren drin. Dabei wird der Stoff überraschend erzählt. Papageno sieht aus wie der junge Buster Keaton, steif in einen Frack

gezwängt. So singt er »stets lustig, heißa, hopsas­sa!« und zieht dazu ein todtrauriges Gesicht. Die Oper wurde gekürzt, es werden Mozart­Klavier­fantasien eingespielt, die gar nicht zur Zauber-flöte gehören. Wenn dann rosafarbene Elefanten als Varieté-Damen durch das Bild fliegen, erleben wir ein altes Werk auf einmal ganz neu. Es wirkt respektlos. Lebendig. Und sehr bunt. Mozart hätte seine Freude gehabt.

Die Zauberflöte war schon immer die Einstiegs­oper schlechthin, nahbar, musikalisch unglaublich schön. Die Gruppe 1927 hat etwas sehr Besonde­res geschaffen: Sie hat aus einer Oper, die sich bestens dafür eignet, Menschen ans Genre Oper heranzuführen, ein Sprungbrett gemacht – hin­ein in eine Welt, die so fasziniert, dass man noch Tage von ihr träumt. Thomas Lindemann

Die Zauberflöte im Oktober im Spielplan

Wir wollten der Zauberflöte zeit-gemäßen Humor einhauchen. Das ist schon alles, was wir an Modernisierung vorgenommen haben. Und obendrauf eine große Ladung verrückte Anima-tionen gepackt

Paul Barritt, Gruppe 1927

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Was kommt ⁄ Fördern18

Geld spielt eine Rolle!Erstmals wird der Europäische Dramatiker*innenpreis verliehen. Denn Menschen brauchen Dramen. Ein Manifest

Wer bringt Menschen zusammen? Wer legt Finger in die Wunden? Wer hält uns einen Spiegel vor? Das Theater. Anders als der Film, anders als der Roman entfaltet das Theater im Monolog und im Dialog seinen Bann. Es lebt für eine Dichtkunst, die sich nicht zwischen Buchdeckeln, sondern leibhaftig entfaltet.

Der Treibstoff des Theaters ist Drama. Menschen verhandeln vor mitfüh­lenden Zuschauern einen ästhetisch überhöhten Konflikt – der Einzelne im Zwist mit der Familie, dem Staat, mit sich selbst. In der Kraft der dramatischen Sprache erkennen wir Zuschauer, worunter wir leiden, was wir wünschen.

Dramatiker und Dramatikerinnen sind die Menschen, die uns diese Erleb­nisse ermöglichen. Sie spüren Bruchstellen der Gesellschaft und Nöte der Men­schen auf, reflektieren und verarbeiten sie in ihren Texten. Dramatiker*innen beherrschen die Kunst der Bühnensprache. Durch sie sehen wir die Tragödie der Welt, in immer wieder neuem Licht. Wir brauchen sie.

Dramatiker*innen brauchen uns Zuschauer, brauchen uns Leute vom Theater, sie brauchen Freiheit für ihre Arbeit, und sie brauchen Geld. Wir vom Schauspiel Stuttgart geben ihnen all das. Und verleihen zudem ab die­sem Jahr den Europäischen Dramatiker*innenpreis. Er ist mit insgesamt 100 000 Euro dotiert und ehrt herausragende Dramatiker*innen.

Wajdi Mouawad, der Hauptpreisträger in diesem Jahr, kratzt immer wie­der am Schorf des Nahostkonflikts, bohrt in Wunden, die nicht verheilen, beschreibt die ewige Suche nach Identität. Jasmine Lee­Jones, die Nach­wuchspreisträgerin, sucht nach Gendergerechtigkeit und der Identität von Persons of Color. Mit Mouawad arbeiten wir schon länger zusammen, beide machen zeitgenössisches Autorentheater mit internationaler Ausrichtung.

Wir freuen uns über diesen hoch dotierten Preis für Dramatiker*innen und finden, er war längst überfällig. Es gilt, was Heiner Müller und andere Kollegen sagten und vor ihnen Mephistopheles in Faust II: »Hier aber fehlt das Geld.«

Rund acht Monate lang schreiben Dramatiker*innen an einem Stück. Bei einem Auftrag bekommen sie ein paar Tausend Euro Honorar, später Anteile am Eintrittsgeld. Oft reicht das kaum für ein Grundeinkommen. Der Europäische Dramatiker*innenpreis erlaubt, eine Zeit lang finanziell unab­hängig und frei von Theateraufträgen zu schreiben.

Das Schauspiel Stuttgart und sein Publikum unterstützen Drama­tiker*innen aus aller Welt nach Kräften. Wir freuen uns auf Geschichten vieler verschiedener Kulturen. Wir inszenieren das Drama der Vielfalt.Burkhard C. Kosminski, Intendant des Schauspiels Stuttgart

Der Hauptpreis ist mit 75 000 Euro dotiert und geht an Wajdi Mouawad (Bild oben). Den Nachwuchspreis über 25 000 Euro erhält Jasmine Lee-Jones (links).

Der Europäische Dramatiker*innen preis wird künftig alle zwei Jahre vom Schauspiel Stuttgart verliehen, gefördert durch das Kunstministerium Baden-Württemberg und den Förderverein der Württembergischen Staatstheater e. V. Schirmherr ist Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Ein international besetzter Beirat und eine Expertenjury ermitteln in einem mehrstufigen Verfahren die Preis trä - ger*innen. Der Nachwuchspreis wird ermöglicht durch die SRH Holding (Stiftung bürgerlichen Rechts), Vorstands- vorsitzender Professor Christof Hettich.

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Europäischer Dramatiker*innenpreis im September 2 im Spielplan

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Jedes Detail der neuen John Cranko Schule dient nur einem Zweck: den Ballettnachwuchs zu fördern

Transparenz als Prinzip: Durch die bodentiefen Fenster des Innenhofs blickt man in einen Ballettsaal hinein – und durch ihn auf die Stadt

Der Hof mit der runden Dachöffnung gehört zur Kantine, darüber liegen drei Stock-werke des Internats mit 41 Zimmern

bauen eine Schule für

Reihe 1 ⁄ September 2020

den Tanz

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23Reihe 1 ⁄ September 202022 Was kommt ⁄ Lernen

Der große Saal, benannt nach Crankos Muse. Die Spiegel so zu befestigen, dass sie kein verzerrtes Abbild liefern, war ein Meisterstück

Rechts: Der getreppte Betonbau fügt sich in die Hanglage, seine sieben Stockwerke überbrücken zwanzig Höhenmeter

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25Was kommt ⁄ Lernen

Ballettleute können improvisieren, darin sind sie Profis. »Gib uns irgendeinen Ort«, hat Tadeusz Matacz einmal gesagt, der Direktor der John Cranko Schule. »Wir holen Spiegel und Stange und machen daraus einen Ballettsaal.« Vielleicht deshalb steht er jetzt fast ungläubig vor dem Neubau der John Cranko Schule: Jeder Kubikzentimeter Beton war von Anfang an für die Ballettschule geplant, jede Steckdose wurde mit ihm, Matacz, abgestimmt.

Die neue John Cranko Schule ist ein Tempel des Lernens, ein Palast des Tanzes – und ein Mo­nument für den Gründer der Schule selbst, John Cranko. Das Haus verkörpert seine Philosophie. Cranko hat die Schule 1971 gegründet, um in Westdeutschland eine umfassende Ballettaus­bildung anzubieten und Tänzerinnen und Tänzer für seine Compagnie auszubilden. Alles lenkt auf dieses Ziel: Von Fenstern und Terrassen blicken die Elevinnen und Eleven auf das Opernhaus, die gesamte Konstruktion des Hauses fußt auf einer riesigen Bühne mit Opernbühnenmaßen, auf der die Compagnie proben wird. Beinahe fünfzig Jahre nach Gründung der Schule, nach fast 25 Jahren

Planung, Verhandlungen, Standortsuche und Ak­quise und fünf Jahren Bauzeit ist die neue John Cranko Schule bezugsfertig. Im September wird sie eröffnet.

Es ist das erste Gebäude seiner Art, noch nie wurde in der Bundesrepublik eine staatliche Ballett schule von Grund auf errichtet. Wie überall wurden auch in Stuttgart Räume geerbt, umfunk­tioniert, angepasst. Als Matacz und Reid Anderson 2002 mit dem Finanzministerium über den Schul­bau verhandelten, gab es keine Richtlinien, nichts. Matacz konnte das Ideal einer Schule frei ent­wickeln. Wie hoch müssen die Räume sein? Welche Böden werden gebraucht? Welche Akustik? Wie ein Schwimmbad gebaut wird und eine Turnhal­le: Dazu gibt es Informationen. Aber eine Ballett­schule? Niemand hatte je darüber nachgedacht.

Matacz wusste allerdings, was er nicht wollte. Das alte Schulgebäude reichte hinten und vorn nicht, die Ballettsäle waren viel zu klein, man­che Decken so niedrig, dass die Damen beim Pas de deux oben anstießen und die Herren bei ho­hen Sprüngen. Die Zimmer der Internatsschüler

gibt einen Richard­Cragun­Saal, einer trägt den Namen der Muse John Crankos, Marcia Haydée, einer den der früheren Ersten Solistin Birgit Keil. Im Gymnastikraum steht eine Geräteanlage für Prävention und Rehabilitation, entwickelt für eine Eliteeinheit des US­Militärs. In der Bibliothek hat Matacz’ Frau 1200 Bände katalogisiert, Portfolios und Monografien.

Die Geschichte des neuen Hauses füllt ein Re­gal in Matacz’ Büro, vollgestopft mit Zeitungsarti­keln und Korrespondenz. Es war mühsam. In den knapp 25 Jahren der Entwicklung wechselten in den Ministerien die Ansprechpartner, jedes Mal gingen die Verhandlungen von vorn los. Mehr­mals wurden dem damaligen Intendanten Reid Anderson Grundstücke am Rande der Stadt an­geboten, die er alle ablehnte, weil er die Schule fußläufig zum Opernhaus brauchte. Stets verzö­gerte sich so der Bau um Jahre. Als dann end­lich ein Entwurf gekürt war, wurde immer wieder verhandelt, rückgesprochen, beraten – vor allem, weil es keine Vorbilder gab. »Ich musste alles Mögliche entscheiden, etwa die Temperatur al­ler Zimmer und Säle, wie viele Duschen, sogar zur Sichtbetonprüfung war ich eingeladen.« Eine große Herausforderung war das Hängen der drei Meter hohen Spiegel, die bis zu zwanzig Meter breit sind, aus Einzelspiegeln zusammengesetzt. Sie müssen wie aus einem Guss wirken, damit keine optischen Sprünge entstehen, die Eleven, Tänzer und Ballettmeister irritieren könnten. »Das ist eine Wissenschaft für sich.«

Bei aller Teilhabe gibt es für Matacz einen Wermutstropfen: Die Sichtbetonwände dürfen nicht mit Bildern oder Plakaten behängt werden. Das ist schwer durchzusetzen in einem Um­feld, das seine Identifikation aus Ballettikonen zieht. Das ist schwer zu vermitteln an einem Ort, in dem Kinder und Jugendliche aus vielen Teilen der Welt leben und sich zu Hause fühlen sollen.

Ob er schon einen Lieblingsplatz hat? Matacz schüttelt den Kopf, lacht und zeigt auf den Schritt­zähler in seinem Smartphone. »Ich gehe ständig rauf und runter. 8000 Schritte brauche ich durchs Haus.« Aber dann fällt ihm doch etwas ein: der Richard­Cragun­Saal, der einzige Saal, der nur Oberlicht hat, kein Fenster. Nichts lenkt hier ab von Körpern und Bewegungen. Diese Konzentra­tion! Diese Akustik! Eins wird er allerdings vermis­sen, sagt Matacz: den braunroten Ballettboden aus der alten Schule. Den hat John Cranko noch höchstpersönlich bestellt. Jana Petersen

waren winzig, im Kostümfundus wurden Stangen direkt unter die niedrige Kellerdecke geschraubt. »Wir haben uns jahrzehntelang beholfen«, sagt Matacz, »und trotzdem haben wir auch in der al­ten Schule Tänzerinnen und Tänzer von Weltrang ausgebildet.« Kunst lebt von Improvisation und Begegnung, von der Chemie zwischen Meister und Schüler. Zwischen ihnen entsteht der Raum, in dem sie lernen. Und doch: Nicht alle Talente konnte die Schule für sich gewinnen. Manche El­tern, deren Kinder auch Einladungen nach London oder Paris hatten, reagierten so: »Sie sahen den schäbigen Bau und sind an der Tür umgedreht.«

Der Kontrast zwischen alter und neuer Schule könnte größer nicht sein. »Wir wurden aus dem tiefen 19. ins späte 21. Jahrhundert katapultiert«, sagt Matacz. Der Betonbau des Münchner Archi­tekturbüros Burger Rudacs schmiegt sich in die beste Stuttgarter Hanglage, verschwindet im Ge­fälle und fällt dennoch auf.

Die Schule ist ein Ort der Transparenz, boden­tiefe Fenster öffnen sich zu Innenhöfen, Drinnen und Draußen gleiten ineinander. Von einigen Fluren aus kann man in die Ballettsäle blicken, hier können die jüngeren Eleven sitzen und den älteren beim Training zuschauen. Das Haus er­streckt sich über 11 000 Quadratmeter Grundflä­che, es hat zehn Geschosse, zwanzig Höhenme­ter überbrückt das Haus. Es gibt acht Ballettsäle, der kleinste ist mit 130 Quadratmetern fast so groß wie der größte Saal des alten Hauses. Die Säle sind nach Stuttgarter Granden benannt. Es

Jeder der insgesamt acht Ballettsäle ist nach einer Größe aus der Historie des Stuttgarter Balletts benannt

Die Garderoben für das Corps de ballet bieten Platz für die 41 Gruppen tänzerinnen und Gruppentänzer

Die Probebühne bildet exakt die Maße der Bühne des Opernhauses ab. In den Saal passen 198 Zuschauer

24 Reihe 1 ⁄ September 2020

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In Wajdi Mouawads Vögel spielte sie die Großmutter als eine Frau mit Borsten, doch voller Ironie, Tiefe, Zartheit

Nun wohnt Evgenia Dodina für ein Jahr in Stuttgart und spielt demnächst die Hauptrolle in Dürrenmatts Besuch der alten Dame

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Ihre größte RolleClaire Zachanassian sei ein Monster, das aus Liebe tötet, sagt Evgenia Dodina und wird die Figur in Stuttgart spielen, vermengt mit Szenen aus ihrem eigenen Leben. Die Geschichte einer Grenzüberschreitung

27Was kommt ⁄ SpielenReihe 1 ⁄ September 2020

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Reihe 1 ⁄ September 2020 Was kommt ⁄ Spielen 29

Kantine des Schauspiels Stuttgart, erste Sitz­bank, wenn man reinkommt, gleich links; es ist knapp vor der Sommerpause. Intendant Burkhard C. Kosminski hat Evgenia Dodina für ein Jahr nach Stuttgart eingeladen. Seit Kurzem ist sie aus der Quarantäne entlas­sen, vor ein paar Tagen begannen die Vor­proben zum Besuch der alten Dame, Dodina wird die Titelrolle übernehmen. »Lass uns unbedingt wieder was zusammen machen«, hatten sie einander nach Vögel versprochen. »Let’s make a deal«, sagte Kosminski: »Ich überleg mir was. Und du lernst Deutsch.« Im Februar rief Kosminski an, fragte, was sie von Der Besuch der alten Dame halte.

Dodina kannte das Stück, natürlich. Sie weiß, dass westdeutsche Babyboomer mit Dürrenmatt, Frisch und Schiller groß wur­den, »in Russland lasen wir eher Puschkin und Dostojewski«, erzählt sie und spricht das Wort »Russia« in diesem typischen »Nun ja«­Ton, verlangsamtes Schulter zucken in der Stimme. Fünfundzwanzig Jahre alt war sie, als sie Moskau verließ und 1990 mit weiteren Künstlern, Musikern, Regisseuren, Schauspielern nach Israel auswanderte.

»Ich dachte, wow, was für ein Part, habe sofort zugesagt«, »alles an diesem Stück ist groß. Die Geschichte ist groß, die Liebe, das Drama.« Friedrich Dürrenmatts Stück stammt aus den Fünfzigerjahren, es handelt von der Rache einer Frau, die als Mädchen schwanger wurde von ihrem Geliebten, der sie daraufhin verstieß. Sie wanderte aus, heiratete einen Industriemagnaten und kehrt nach dessen Tod als Milliardärin in die nun verarmte Stadt ihrer Kindheit zu­rück, setzt ein Preisgeld auf ihre Jugendliebe aus – und das Drama nimmt seinen Lauf. »Diese Claire Zachanassian ist natürlich ein

Monster«, erklärt Evgenia Dodina, »aber im Gegensatz zu anderen monströsen Figuren, etwa bei Shakespeare, weiß sie, dass sie ein Monster ist. Sie manipuliert, feilt an ihrer Rache, doch sie liebt ihn noch immer, die ganze Zeit. Dieses Wissen um sich selbst macht die Figur so groß«, sagt Dodina, wie­derholt dreimal »big, big, big« und pumpt damit den inneren Raum dieser Figur auf, den sie nun erforscht, beprobt, bespielt; fünf Flugstunden von Tel Aviv entfernt, in einer fremden Stadt, einer neuen Wohnung, in einer fremden Sprache.

Wie ist das? Zweiter großer Umzug ihres Lebens? »Nein«, sagt sie, lächelt, kein Ver­gleich: »Ich ziehe ja von Theater zu Theater; man wechselt in einen anderen Organis­mus, aber sobald man drin ist, kennt man sich wieder aus.« Und sowieso, sie sei hier umgeben von Freunden, kenne die gesamte Crew, »Stuttgart fühlt sich an wie ein halbes Zuhause«, sagt sie, greift zum Smartphone, sagt »drasdi!« – »drastic«, sagt die Überset­zungs­App – »drastisch war es, von Moskau nach Tel Aviv zu gehen. Ich hatte Hebräisch vorher nie gehört und habe kein Wort ver­standen. Alles klang wie ein einziger Ton. Nicht mal einzelne Wörter konnte ich un­terscheiden, alles hat sich angehört wie …«, sagt sie und macht ein Geräusch, das klingt wie eine Ente, der was im Hals steckt.

»Aber alles andere war wundervoll. Ich habe es vom ersten Moment an geliebt. Die Menschen haben gelächelt. Ich fühlte mich sofort wie zu Hause. Vielleicht, weil ich jü­disch bin?«, sagt Dodina. Sie sei nie religiös erzogen worden, »aber meine Mutter und meine Großmutter haben daheim, wenn ich als Kind was nicht hören sollte, immer jiddisch miteinander gesprochen«.

Die israelische Regierung gab den Emi­granten Starthilfe, damit gründeten sie in Tel Aviv ein Theater, spielten zunächst nur russisch, ab dem zweiten Jahr auch auf Hebräisch. »Ich habe mir eigene Zeichen ausgedacht, um die Sprache lernen. Und so lerne ich jetzt auch Deutsch, mit einer Geheimschrift aus kyrillischen und hebrä­ischen Buchstaben. Eine Sprache zu kon­trol lieren bedeutet Ausdauer und Fleiß«, sagt Dodina und erzählt, wie sie sich durch das Sprechen den Charakter ihrer Rollen erschließe – Laut für Laut, Satz für Satz, bis Bedeutung und Betonung passen, ne­ben sich Notizen in einer Schrift, die außer ihr kein Mensch der Welt entziffern kann. Dann wechselt sie in die Rolle der Claire Zachanassian, spricht, sehr langsam, »mei­ne roten Haare lockten ihn an, den alten, goldenen Maikäfer«, und es ist, als würde sich über Tisch und Zuhörer eine sehr große, sehr rote Orchidee öffnen.

So könnte man noch eine Weile plaudern über Räume, die sich auftun, allein durch Sprache und Stimme, doch es gibt noch andere Räume, die sich über der Inszenie­rung aufspannen, und auch über die soll ge­sprochen werden. Die Rolle der Claire wird jüdisch angelegt sein, da kehrt also mehr zurück als eine Frau, der Unrecht geschah; ein Dreh, der den Resonanzraum des Stücks vergrößern dürfte. Zusätzlich führt Evgenia Dodina seit Wochen Gespräche mit dem Autor Peter Michalzik über ihre Kindheit, ihre Mutter. Michalzik zeichnet auf, tran­skribiert, textet, und manches wird sie spä­ter auf der Bühne sprechen, manches mag verfilmt werden, um als »backstory« zu die­nen, als Vorgeschichte für Claire Zachanas­sian, mit Erinnerungen von Evgenia Dodina.

Langes Schweigen auf die Frage, wie das nun sei, über ihre eigene Geschichte zu re­den. »Ich möchte einfach nur weinen«, sagt

sie, sichtlich bewegt, schiebt ein trotziges »und zwar total!« hinterher. Nimmt das Handy, sagt »etgar!« – »challenge«, sagt das Telefon –, und Dodina erzählt von ihrer aktuellen Herausforderung, die nichts mit einem Umzug zu tun hat, sondern damit, dass sie als Schauspielerin eine Grenze überschreitet. Statt einen fremden Raum zu entdecken, erforscht sie erst den eigenen.

Eine Großmutter Dodinas kam im Zwei­ten Weltkrieg um, auf der Flucht vor den Deutschen. Dodinas Mutter starb vergan­genes Jahr, sie selbst war noch unterwegs von Stuttgart nach Hause, kam zu spät. »Ich war nie ein Familienmensch«, sagt Dodina, »aber wenn wir jetzt die Texte lesen, die wir bislang erarbeitet haben, ist es, als befände sie sich im Zimmer.«

Nein, sagt sie, »Der Besuch wird keine jüdische Rachegeschichte«, und weiß doch auch, dass sich diese Lesart ihrem Zugriff entziehen wird. Alles an der Geschichte ist groß, sagt sie. Es geht um Liebe, Rache, Geld, Gier und Moral, vor allem anderen sei die Geschichte der Claire doch eine »große Lie­besgeschichte«, und während der Zuhörer denkt, dass ja genau dieses Volumen erst durch den Raum entstehen kann, den sie selbst in sich geöffnet hat, greift sie nach dem Päckchen Tabak, Bali Shag, es ist ihr letztes, das sie noch aus Israel hat, und be­ginnt, sich eine Zigarette zu drehen.

»Komisch«, sagt Evgenia Dodina, »wir haben exakt am 22. Juni mit den Proben begonnen«, und fügt, als Reaktion auf den leeren Gesichtsausdruck ihres Gegenübers, hinzu: »Der Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion. Jedes russische Kind kennt das Datum«, erklärt sie und rezitiert ein Kinder­lied: »Um vier Uhr nachmittags, so gaben sie bekannt, begann der Krieg im ganzen Land.«

Die Zigarette ist fertig. »Komm«, sagt sie »lass uns rauchen gehen.« Ralf Grauel

Als Schauspielerin ziehe ich von Theater zu Theater. Man wechselt in einen anderen Organismus. Sobald man drin ist, kennt man sich wieder aus

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1964 Mahiljou SowjetunionEvgenia Dodina wird in Weißrussland geboren

1981 Moskau Mit 16 zieht sie nach Moskau, studiert Schauspiel und geht ans Majakowski-Theater

1990 Tel AvivIsraelAls sich der Eiserne Vorhang öffnet, wandert sie nach Israel aus, gründet in Tel Aviv das Gesher-Theater mit. Dodina spielt in rund zwanzig Kino filmen, etwa bei dem Regisseur Ari Folman (Waltz with Bashir). 2020 tritt sie in der BBC-Serie Killing Eve auf

2020 StuttgartDeutschlandAm Schauspiel spielt sie 2018 in dem mehrfach preisgekrön-ten Stück Vögel. Seit März 2020 lebt Dodina in Stuttgart

Der Besuch der alten DamePremiere am 26. September

3 im Spielplan

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Reihe 1 ⁄ September 2020

Was bleibt ⁄ Hassen

Die zwei Gesichter der LiebeWarum töten wir, was wir lieben? Wieso fließt in der italienischen Oper so viel Blut? Ein Therapiegespräch

Frau Stahl, Eifersucht ist ein echter Treiber, wenn es um Oper geht. In Cavalleria rusticana und Luci mie traditrici fließt sogar Blut deswe- gen. Warum hält die Eifersucht uns Menschen so im Bann?Sie ist ein zutiefst menschliches Gefühl. Die Evolution hat nur ein Interesse, das ist die Fortpflanzung. Dafür hat sie uns viele Gefühle gegeben: erotische Anziehung, Liebesgefühle, Verlustangst – und Eifersucht. Sie ist so stark, weil die Verlustangst dahintersteht.Wie hängt sie mit Angst zusammen?Wir können ohne Bindung nicht überleben. Das lernt schon das Baby, und auch Erwachsene bekommen Angst, wenn sie verlassen werden oder das befürchten müssen. Der Selbst­ wert leidet dann übrigens auch. Und die Erhöhung des Selbstwerts gehört immerhin zu den vier psychologischen Grundbedürfnissen.

Was sind die anderen drei?Der Wunsch nach Autonomie und Kontrolle. Das Bedürfnis nach Bindung und Zugehörigkeit. Und das Bestreben, Unlust zu vermeiden und Lust zu gewinnen. Alle vier sind angeknackst, wenn wir verlassen werden.Wie entstehen Wut und dann Gewalt?Der Mord aus Eifersucht ist zum Glück selten. Wut aber nicht: Aggression ist die einzige Emotion, die nicht auf Bindung zielt, sondern die Autonomie stärkt. Sie hilft, sich zu behaupten. Die Gewalt ist die äußerste Maßnahme, die hässliche Extremform. Man muss aber psychisch eine Vorschädigung mitbringen, wenn man dann wirklich mordet.Das würde ja heißen, dass die großen Opern voll von Irrsinnigen sind!Ja. Sie haben die gleichen Probleme wie wir alle, aber wie unter dem Vergröße­ rungsglas. Das funktioniert besser, wenn sie nicht ganz normal sind.

Stefanie Stahl ist eine der bekanntesten Psychologinnen Deutschlands. Ihre Bücher Das Kind in dir muss Heimat finden und Jeder ist beziehungsfähig wurden 1,7 Millio-nen Mal verkauft. Sie lebt in Trier

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Reihe 1 ⁄ September 2020

Was bleibt ⁄ Lieben

Es gibt zurzeit im ganzen Land so- genannte Polyamorie-Stammtische …(Stahl lacht)… jetzt lachen Sie schon. Aber manche Menschen finden, dass man Eifersucht abtrainieren könne!Ich glaube, um die Eifersucht aus seinem Alltag zu verbannen, muss man sehr distanziert leben und ein emotionaler Einsiedler werden, dem persönliche Bindungen wenig bedeuten. Oder man ist alt, weise und abgeklärt, und der Hormonspiegel ist bereits im Keller. Hat Eifersucht einen Zweck?Ja, weil es bei Menschenkindern so lange dauert, bis sie erwachsen sind. Andere Tiere, Vögel etwa, haben es leichter, die werden sehr schnell groß – da können die Eltern sich auch schnell wieder trennen. Wir nicht. Die Eifersucht, aber natürlich auch das Gefühl der Liebe, hat die Natur uns mitgegeben, damit wir uns länger­ fristig binden. Kinder gedeihen am besten in festen Familienverbänden. Nach der aktuellen Forschung lautet unser geneti­ sches Programm wohl so: eine langfristige Bindung mit gelegentlichen Seitensprün­ gen – das ist die Natur des Menschen. In Cavalleria rusticana geht der Fuhrmann Alfio viel auf Reisen, da fängt seine Frau Lola eine Affäre mit ihrer Jugendliebe Turiddu an. Was raten Sie dem Paar?Lola hätte kommunizieren müssen. Es ist nicht fair, sich zu Hause zu langweilen und sich dann einfach einen Liebhaber zu nehmen. Wenn sie sich mehr Nähe wünscht und mehr Aufregung im Leben, muss sie das sagen. Dann müssen die beiden ein Modell finden. Etwa, dass sie mitgeht auf seine Reisen. Alfio ist treu. Als er betrogen wird, dreht er durch. Was könnte er besser machen? Vielleicht hat er zu blind vertraut? Es gab vorher schon Hinweise, dass er sich nicht auf seine Partnerin verlassen kann.

Und er hat diese Wahrheit verdrängt. Das passiert oft. Wenn Menschen in einer schweren Krise zu mir kommen, und ich frage: Gab es keine Anzeichen? – dann ist die Antwort meist: eigentlich schon. Auch Alfio könnte sich vor Augen führen, dass es für Lola nicht angenehm ist, wenn sie immer allein zu Hause hockt. Sich in den anderen hineinzuversetzen, das wirkt oft Wunder.Die Oper ist, wie das Leben, komplizierter: Turiddu, der Lover von Lola, betrügt mit der Affäre wiederum seine Verlobte, Santuzza. Sie verrät ihn, er stirbt im Duell mit Alfio. Ist die Intrige die Waffe der Frau?Im Gegenteil: Mehr Männer neigen zu Intrigen. Die setzen nämlich eine langfristige und kalt geplante Strategie voraus. Frauen reagieren meist emo­ tionaler und spontaner. Sie haben den Begriff vom plötz- lichen Gefühlstod erfunden. Daran stirbt die Liebe. Aber warum?Manchmal verliert einer der Partner ganz plötzlich alle Liebesgefühle. Das ist ein typisches Symptom von Bindungsangst. Menschen, die unter Bindungsangst leiden, sind am Anfang schwer verliebt, sobald sie jedoch ihre Zielperson fest an der Angel haben, fühlen sie sich von deren Erwartungen eingeengt, und ihre Gefühle erkalten. Auf einer tieferen Ebene verbergen sich dahinter massive, häufig unbewusste Verlustängste.Wie führt man eine gute Beziehung?Mit Verantwortung, aber ohne zu drängen. Ich empfehle den Satz: Mir ist es wichtig, dass es dir gut geht, und ich tu keine Dinge, die dich verletzen. Warum fließt nun so viel Blut auf der Bühne?Der Mensch liebt Drama und Konflikte, auch das ist erwiesen. Es sollen nur nicht seine eigenen sein. Zusehen bei anderen – das genießen wir. Interview: Thomas Lindemann

Cavalleria rusticana/ Luci mie traditrici Ein Abend, zwei Kurzopern: die eine ein Klassiker von 1890, die andere zwanzig Jahre alt. In beiden führen Zweifel und Eifer-sucht zum Mord. Cavalleria von Pietro Mascagni ist ein Drama in einem sizilianischen Dorf, Salvatore Sciarrinos Luci erzählt in An-deutungen von einer Beziehungstat.

im Oktober im Spielplan

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Wir haben etwas gegen Hunger und Durst an Vorstellungstagen.

Wir sind für Sie vor Ort!Vorbestellung unter www.listundscholz.de/vorbestellung

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Reihe 1 ⁄ September 2020

Impressum

Herausgeber Die Staatstheater Stuttgart Geschäftsführender Intendant Marc­Oliver Hendriks Intendant Staatsoper Stuttgart Viktor Schoner Intendant Stuttgarter Ballett Tamas Detrich Intendant Schauspiel Stuttgart Burkhard C. Kosminski

Konzept Bureau Johannes Erler & Grauel Publishing GmbHBeratung der Herausgeber Johannes Erler, Ralf GrauelRedaktion Thomas Lindemann (Ltg.), Carsten Jasner, Jana Petersen; Christoph Kolossa Redaktion für Die Staatstheater Stuttgart Johannes Lachermeier, Ingo Gerlach, Claudia Eich­Parkin (Oper); Vivien Arnold, Pia Boekhorst (Ballett); Carolina Gleichauf, Ingoh Brux (Schauspiel)Gestaltung Anja Haas; Lina Stahnke

Anzeigen Sandra Lackingeranzeigen@staatstheater­stuttgart.deDruck W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart Erscheinungsweise 1 × monatlich

Hausanschrift Die Staatstheater Stuttgart Oberer Schlossgarten 6 70173 Stuttgart www.staatstheater-stuttgart.de

Hauptsponsor des Stuttgarter Balletts

Partner der Staatsoper Stuttgart

Fränzi Günther: »Laut Vorgabe der Landesregierung müssen die Duschen nach jeder Nutzung gereinigt werden. Im Corps de ballet der Herren teilen sich 26 Tänzer fünf Duschen – und normalerweise duschen Tänzer mehrmals am Tag, weil sie viel schwitzen. Damit alle jederzeit duschen können, müsste eine Person den ganzen Tag zum Putzen bereit sein. Das wäre sehr aufwendig. Darum waren die Duschen geschlossen. Je wärmer es wurde, desto mehr lit­ten die Tänzer darunter. Mit den Reinigungskräften

haben wir uns darauf geeinigt, dass sie einmal morgens und einmal nachmittags sauber machen – und ein Schildsystem eingeführt: Hängt der grüne Haken, darf geduscht werden; beim roten Kreuz nicht. Aktuell können täglich zehn Tänzer duschen. Jeder neuen Regelung müssen das Sozialreferat, der betriebsärztliche Dienst und der Sicherheitsbeauf­tragte zustimmen. Da zieht schnell eine Woche ins Land. Doch es kann getanzt werden! Deshalb be­schwert sich niemand, dass seltener geduscht wird.«

Das neue Ding: Duschenschilder

Wir tanzen – aber mit neuen Hygienevorschriften. Eine davon lautet: Nur in gereinigten Kabinen darf geduscht werden. Um die zu erkennen, gibt es einen Wegweiser

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Die Nachfrage nach Duschen war groß – da mussten wir uns was einfallen lassen

Fränzi Günther, Persönliche Referentin des Bal lett intendanten

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EIN VINTAGE GANZ IM GEIST VON HERRN VON KESSLER.

DEUTSCHLANDS ÄLTESTE SEKTKELLEREI H GEGRÜNDET 1826 VON GEORG CHRISTIAN VON KESSLER

In diesem Jahrgangssekt aus Trauben des Jahres 2015

steckt nicht nur die ganze Erfahrung von Deutschlands

ältester Sektkellerei. Sondern er wird auch nach der

»méthode traditionnelle« erzeugt, die der Firmengründer

Georg Christian von Kessler 1826 aus Frankreich mit-

brachte und in Deutschland einführte. Seitdem machen

wir nichts anderes als Sekt von höchster Qualität. Wie

z.B. den KESSLER Blanc Réserve Vintage 2015.