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Erganzungen zu Physik I Relativbewegungen

Relativbewegungen

Bei der Diskussion der Newtonschen Prinzipien wurde betont, dass diese nur in einem Inertialsystemgultig sind. Nach dem 1. Newtonschen Prinzip ist das ein solches Koordinatensystem, in dem ein isolier-ter, also keinen Kraften unterworfener Massenpunkt sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegt.1 AlsInertialsystem haben wir meist ein auf der Erdoberflache verankertes Koordinatensystem benutzt2. Diemit der Newtonschen Mechanik berechneten Bewegungen stimmten ausgezeichnet mit den Messungenuberein.

Es stellen sich dann die Fragen: Wie kann man verschiedene Inertialsysteme unterscheiden? Wie lautendie Bewegungsgleichungen in Nicht-Inertialsystemen? Insbesondere die Beantwortung der zweiten Frageist von grosser praktischer Bedeutung, da wir sehen werden, dass Rechnungen oft vereinfacht werdenkonnen, wenn man sie in einem beschleunigten Nicht-Inertialsystem ausfuhrt.

1. Relativitatsprinzip der Mechanik

Ein Koordinatensystem konnen wir uns immer durch Vektoren in einem starren Korper realisiert denken.In einem solchen Korper bleiben per definitionem die Abstande beliebiger Punktepaare konstant. Wirbetrachten zwei Systeme dieser Art, das S-System (z.B. Laborsystem) mit den xyz-Achsen und dasrelative Sr-System mit den xryrzr-Achsen (Abb. Seite 2). Der Ort eines Massenpunktes m wird durchdie Ortsvektoren ~r und ~rr festgelegt.

Dann gilt ~r = ~r + ~rr. (1)

Wir setzen voraus, dass in beiden Systemen die klassische, nicht-relativistische Mechanik gilt, d.h. alleGeschwindigkeiten sind klein gegenuber der Lichtgeschwindigkeit (v c). Dann gelten bis zu einer hohenGenauigkeit die klassischen Vorstellungen von Raum, Zeit und Masse:

a) In beiden Systemen werden die gleichen Massstabe zur Langenmessung verwendet. Das impliziert,dass die Standard-Massstabe von S und Sr verglichen werden konnen.

b) Beide Systeme benutzen die gleiche Zeit. Wenn in S eine Zeit ∆t zwischen zwei Ereignissen beob-achtet wird, so wird in Sr das gleiche Intevall ∆tr = ∆t gemesen.

c) Der Massenpunkt hat in beiden Systemen die gleiche Masse.

In der Relativitatstheorie sind diese drei Annahmen nicht mehr haltbar, sobald die Geschwindigkeitender Grosse nach mit c vergleichbar werden.

Wir wollen nun annehmen, durch Versuche habe sich erwiesen, dass S ein Inertialsystem sei. Dann lasstsich sofort zeigen, dass auch Sr ein Inertialsystem ist, falls es sich gleichformig geradlinig gegenuber Sbewegt, d.h. wenn gilt

d~rdt

= ~v = konst. (2)

Denn zweimalige Differenziation von Gl.(1) liefert

d~r

dt= ~v =

d~rdt

+d~rrdt

= ~v + ~vr undd2~r

dt2= ~a =

d2~rrdt2

= ~ar.

Aus ~a = ~ar folgt aber, dass die Krafte ~F = m~a und ~Fr = m~ar in beiden Systemen die gleichen sind;demzufolge gilt auch in Sr die Newtonsche Mechanik, Sr ist auch ein Inertialsystem. Alle Koordina-tensysteme, die sich gleichformig geradlinig gegenuber einem Inertialsystem bewegen, sind also ebenfallsInertialsysteme. Sie lassen sich nicht unterscheiden, und es ist daher unmoglich festzustellen, ob einesdieser Systeme “absolut in Ruhe” ist. Dies ist das Relativitatsprinzip der Mechanik.

1Vgl. Halliday, Kap. 5-3.2und dabei die Rotation der Erde als kleinen Effekt vernachlassigt. Ein Labor auf der Erde ist bei genauer Messung jedoch

ein beschleunigtes Nicht-Inertialsystem mit den entsprechenden Schein- oder Tragheitskraften.

1

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Erganzungen zu Physik I Relativbewegungen

Wenn Gl. (2) gilt, so lasst sich Gl. (1) auch in der Form der Galilei-Transformation

~r = ~rr + ~vt (3)

schreiben. Wenn diese Transformationsgleichung zwischen den Systemen S und Sr gultig ist, gilt dasRelativitatsprinzip der Mechanik, das man auch in folgenden Worten formulieren kann:

Es ist einem Beobachter unmoglich, mit Hilfe von mechanischen Experimenten her-auszufinden, ob sein Bezugssystem in Ruhe oder in gleichformiger Bewegung ist.

Mittels anderer Wechselwirkungen wie z.B. elektrodynamischen oder optischen Versuchen ist eine solcheUnterscheidung ebensowenig moglich.

2. Die Kinematik in einem bewegten Bezugssystem

Wir behandeln jetzt eine beliebige Bewegung (auch Rotationen und damit beschleunigte Systeme) desSystems Sr gegenuber dem Inertialsystem S (im Folgenden Ruhe- oder Laborsystem genannt. Ein aus-gedehnter Korper mit einer allgemeinen Bewegung hat sechs Freiheitsgrade, 3 der Translation und 3 derRotation. Es gelte wie oben die klassische Mechanik.

Das bewegte Bezugssystem sei ein starrer Raum Sr(xr, yr, zr) (Fahrzeug), dervom ruhenden System S(x, y, z) aus beschrieben wird mit ~r, ~v (Ortsvektorund Geschwindigkeit des Ursprungs von Sr) und ~ω (Winkelgeschwindigkeitvon Sr um eine Achse durch den Ursprung von Sr). Im relativen SystemSr(xr, yr, zr) wird eine Masse m mit ~rr, ~vr und ~ar gekennzeichnet. Im ruhen-den System beschreiben ~r, ~v und ~a die Masse m. Fur eine reine Translationvon Sr gilt: ~v = ~v. Fur eine reine Rotation von Sr gilt fur einen Massen-punkt: ~v = ~ω × ~rr.

6

-

1

S

z

x

y

6

-

1

Sr

zr

xr

yr

7~r

~r

~rrum

Der Koordinatenursprung von Sr liegt auf der Drehachse. Die Winkelgeschwindigkeit ist (im Gegensatz

zum Drehimpuls ~L und dem Drehmoment ~τ) unabhangig von der Wahl des Bezugspunktes.

Beweis: P und P seien zwei beliebige Bezugspunkte mit relativem Verbindungsvektor ~s.

~ω6

-

Sr

zr

xr

~rr

tmP

:@@I p P

~s

~r

Die Fuhrungsgeschwindigkeit des Fahrzeuges ist

~vF = ~v + ~ω × ~rr bzw. ~vF = ~v + ~ω × ~rr; weiter ist ~v = ~v + ~ω × ~s; ~rr = ~rr − ~s

⇒ ~vF = ~v + ~ω × ~rr = ~v + ~ω × ~s+ ~ω × ~rr − ~ω × ~s ⇒ (~ω − ~ω)× ~rr = (~ω − ~ω)× ~s.

Diese Vektorgleichung kann nur dann fur alle ~rr erfullt werden, wenn ~ω = ~ω gilt, qed.

Fur eine allgemeine Bewegung des Fahrzeuges ist die Geschwindigkeit eines beliebigen Punktes beschrie-ben durch die Addition3 der beiden oben angegebenen Terme fur reine Translation bzw. Rotation:~vF = ~v + ~ω × ~rr. Mit der absoluten Zeit4 t = tr und unter Beachtung der Tatsache, dass infolge

der Drehung dr~rrdt6=d~rrdt

ist5, gilt in den beiden Systemen fur den Ortsvektor, die Geschwindigkeit und

den Beschleunigungsvektor eines Punktes:

3Beachte, dass ~vF , ~v und ~ω× ~rr alle drei normale polare Vektoren sind, die addiert werden konnen. Axiale Vektoren wie~ω konnen nicht so einfach addiert werden.

4Dies gilt nur fur v c; sonst muss die Relativitatstheorie bemuht werden.5 d~rr

dtdifferenziert im ruhenden und dr~rr

dtim bewegten System. Wegen der relativen Bewegung und der Drehung konnen

diese beiden Ableitungen nicht identisch sein – wir mussen eine Beziehung zwischen beiden suchen.

2

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Erganzungen zu Physik I Relativbewegungen

S(x, y, z) Sr(xr, yr, zr)

RelativbewegungOrt: ~r(t) = ~r + ~rr ~rr(tr) = ~rr(t)

Geschwindigkeit: ~v = d~rdt

~vr = dr~rrdtr

= dr~rrdt

Beschleuigung: ~a = d~vdt

= d2~rdt2

~ar = dr~vrdt

=d2r~rrdt2

Spezialfall: nur Fuhrungsgeschwindigkeit m mit Fahrzeug verbunden

~vF = ~v + ~ω × ~rr ~rr = konst

~aF = d~vFdt

∣∣∣~vr=0

~vr = ~ar = 0

Gefragt wird nach den Beziehungen zwischen den beiden Systemen. Fur den allgemeinen Fall mit derMasse m und ~vr 6= 0 gilt:

~v = ~vF + ~vr = ~v + ~ω × ~rr + ~vr = ~v + ~ω × ~rr +dr~rrdt

::::::::::::::::::

=d

dt(~r + ~rr) = ~v +

d~rrdt

::::::::

(4)

Mit diesen beiden Gleichungen kann die gesuchte Beziehung ddt

= drdt

+ ~ω×als Transformation vom System S in das System Sr z.B. fur ~rr aufgestellt werden:

d~rrdt

=dr~rrdt

+ ~ω × ~rr , und mit allgemeinem Vektor ~A :d ~A

dt=dr ~A

dt+ ~ω × ~A (5)

Anschaulich fehlt in Sr die Drehbewegung ~ω × ~rr. Fur die Beschleunigungen gilt:

• Absolutbeschleunigung: ~a = d~vdt = d2~r

dt

• Relativbeschleunigung: ~ar = dr~vrdt =

d2r~rrdt2

• Fuhrungsbeschleunigung: ~aF = d~vFdt

∣∣∣dr~rrdt =~vr=0

Mit den Gleichungen (4) kann ein Zusammenhang zwischen den Beschleunigungen gefunden werden:

Es istd~ω

dt:::

=dr~ω

dt+ ~ω × ~ω︸ ︷︷ ︸

=0

=dr~ω

dt::::

und ~a =d~v

dt=d~vdt

+d

dt(~ω × ~rr) +

d

dt

(dr~rrdt

).

Wende den Operatord

dtvon Gl.(5) auf

dr~rrdt

an:d

dt

(dr~rrdt

)=drdt

(dr~rrdt

)+ ~ω × dr~rr

dt

⇒ ~a =d~vdt

+d~ω

dt× ~rr + ~ω × d~rr

dt+d2r~rrdt2

+ ~ω × dr~rrdt

,

und mit Gl.(5) ist ~a =d~vdt

+d~ω

dt× ~rr + ~ω × dr~rr

dt+ ~ω × (~ω × ~rr) +

d2r~rrdt2

+ ~ω × dr~rrdt

~a =d~vdt

+d~ω

dt× ~rr + ~ω × (~ω × ~rr)︸ ︷︷ ︸

~aF

+ 2 · ~ω × dr~rrdt︸ ︷︷ ︸

~aC

+d2r~rrdt2︸ ︷︷ ︸~ar .

(6)

~a = + +

Denn ~aF kann identifiziert werden zu ~aF =d~vFdt

∣∣∣~vr= dr~rr

dt =0=

d

dt[~v + ~ω × ~rr]

∣∣∣~vr=0

=

3

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Erganzungen zu Physik I Relativbewegungen

~aF =

[d~vdt

+d~ω

dt× ~rr + ~ω × d~rr

dt

]~vr=0

=

[d~vdt

+d~ω

dt× ~rr + ~ω × dr~rr

dt+ ~ω × (~ω × ~rr)

]~vr=0

und damit

ergibt sich fur ~vr =dr~rrdt

= 0 : ~aF =d~vdt

+d~ω

dt× ~rr + ~ω × (~ω × ~rr) – wie in Gl.(6) bereits benannt.

(7)

Also: ~a = ~aF + ~ar + 2 · ~ω × ~vr = ~aF + ~ar + ~aC , wobei (8)

~aC := 2 · ~ω × ~vr Coriolisbeschleunigung genannt wird. (9)

Eine Coriolisbeschleunigung ~aC tritt nur dann auf, wenn das bewegte System eine Drehung ~ω ausfuhrtund der Massenpunkt eine Relativgeschwindigkeit ~vr 6= 0 hat sowie ~vr nicht parallel zu ~ω liegt. ~ar ist dieRelativbeschleunigung und ~aF die Fuhrungsbeschleunigung.

3. Die Dynamik in einem bewegten Bezugssystem

Das Aktionsprinzip der Bewegung eines Korpers mit Masse m im System S ist

m~a =

n∑i=1

~Fi = ~F mit ~F gleich den resultierenden ausseren Kraften. Dann gilt auch (mit Gl.(8)):

m~a = m(~ar + ~aF + ~aC) = ~F .

Ein in Sr mitbewegter Beobachter registriert nur die Relativbeschleunigung ~ar und findet deshalb furdas Aktionsprinzip m~ar = ~F − m~aF − m~aC bzw. (mit −m~aF =: ~Z sowie −m~aC = −2 · m(~ω × ~vr) =

2 ·m(~vr × ~ω) =: ~C)

m~ar = ~F + ~Z + ~C (Aktionsprinzip im bewegten System). (10)

~Z (die Fuhrungskraft, in der die Zentrifugalkraft −m~ω× (~ω×~rr) enthalten ist) und ~C (die Corioliskraft)haben die Dimension einer Kraft; sie sind jedoch in S keine wahrhaft existierenden Krafte, sondern Schein-oder Tragheitskrafte, die ein bewegter Beobachter als Korrektur in die Newtonsche Bewegungsgleichungeinfuhren muss, wenn er dort an Stelle der Beschleunigung ~a die Relativbeschleunigung ~ar einsetzt.Sie haben keine Reaktionskrafte. Obwohl sie nur Schein- oder Tragheitskrafte sind, existieren sie alsreale Kraft im bewegten System Sr. Ein beschleunigtes Bezugssystem ist kein in sich abgeschlossenesInertialsystem, es mussen von aussen Krafte wirken, um das System mit Massen zu beschleunigen.

4. Beispiele und Spezialfalle fur bewegte Systeme

4.1. Gleichformig bewegtes System Sr

Es ist ~vF = ~v = konst, folglich ~aF = ~aC = 0 und somit ~ar = ~a. Dann ist auch Sr ein Inertialsystem, wiewir schon in Abschnitt 1 diskutiert haben.

4.2. Rein translatorisch beschleunigtes System Sr

In einem rein translatorisch beschleunigten Bezugssystem gilt ~ω = 0, ~C = 0 und damit m~ar = ~F +~Z = ~F − m~aF . Mit ~vF = ~v(t) folgt ~aF = d~v

dt = ~a. Damit spurt z.B. der Insasse eines mit ~abeschleunigten Fahrzeuges die Kraft m~ar = ~F −m~a. Wenn die auf ihn wirkende Kraft ~F = 0 ist, erfahrter die beschleunigende Tragheitskraft m~ar = −m~a. S und Sr sind nicht mehr aquivalent, in den beidenSystemen werden unterschiedliche Beschleunigungen gemessen.

4

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Erganzungen zu Physik I Relativbewegungen

Beispiel: Mathematisches Pendel auf einer vertikal beschleunigten Plattform

6

-x

z AAAAAAu`

?Z

AAAK

F ∗

ϕ

?G6

a

Es ist ~Z = −m~a = −ma~k und damit die Bewegungsgleichung furdie Tangentialkomponente

m`d2rϕ

dt2= −(mg +ma) sinϕ.

Fur kleine Ausschlage ist sinϕ ' ϕ, also

d2rϕ

dt2+

(g + a`

)ϕ = 0. Mit dem Ansatz

ϕ(t) = ϕ cos(Ωt− δ) ist Ω =

√g + a`

die Kreisfrequenz des Pendels.

Fallt die Plattform frei, so ist g = −a, also Ω = 0, d.h. die Schwingungsdauer T = 2πΩ ist unendlich.

Der freie Fall merkt keine Gravitationskraft.

4.3. Gleichformig rotierendes System Sr

Die translatorische Bewegung verschwindet. Wir behandeln zwei Experimente auf dem Drehtisch.

a) Ein Massenpunkt m sei auf einer mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ~ω sich drehenden, hori-zontalen Unterlage durch eine Feder mit der Drehachse verbunden. m sei relativ zur Unterlage inRuhe. Es herrscht scheinbares Gleichgewicht. Im ruhenden System beschreibt m eine Kreisbahn.Die wahren Krafte sind, wenn keine Reibungen vorhanden sind,

6~ω

-~rr u∼∼∼∼∼ -6

?

~Z

~N

~G~FF

G = N und FF = mv2

r= mrrω

2.

Ein mitbewegter Beobachter muss eine Scheinkraft einzufuhren,um sich die relative Ruhe erklaren zu konnen. Es ist

~vF = ~ω × ~rr, ~vr = 0, also ~C = 0

sowie ~v = 0 und d~ωdt = 0. Damit ergibt sich die Fuhrungskraft

aus Gl.(7) zu

~Z = −m~aF = −m[~ω × (~ω × ~rr)] , der Zentrifugalkraft6. Ihr Betrag ist gerade Z = mrrω2 (da ~ω

⊥ ~rr steht). ~Z und ~FF erfullen also die Gleichgewichtsbedingung im beschleunigten Relativsystem.

b) Vom Ursprung des ruhenden Systems S aus bewegt sich eine Masse m mit konstanter Geschwindig-keit v, es wirken keine ausseren Krafte. Der Beobachter in Sr sieht eine spiralformig nach aussenbewegte Masse, fur welche die Geschwindigkeit direkt angegeben werden kann; in Polarkoordinatenhat sie die Komponenten vrr = drrr

dt = v und vrϕ = rrdrϕrdt = −ωrr. Nach einer einfachen Integra-

tion erhalt man hieraus auch die Ortskoordinaten rr = vt und ϕr = −ωt. Gemass Gl.(10) gilt furden Beobachter das Aktionsprinzip

m~ar = ~Z + ~C = −m~aF −m~aC = −m · ~ω × (~ω × ~rr)− 2m · ~ω × ~vr,

d.h. er beobachtet eine Zentrifugalkraft und eine Corioliskraft. Letztere sucht die Richtung derGeschwindigkeit dauernd zu andern ohne den Betrag zu beeinflussen, wie dies auf der Erde bei denMonsunen, Passatwinden und dem Golfstrom ebenfalls beobachtet wird. Versucht der Beobachterin Sr die Masse festzuhalten, so muss er eine Reaktionskraft zu ~Z + ~C aufbringen.

6Zur Zentrifugalkraft: vgl. Formel (6-35) im Halliday, Kap.6-5.

5

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5. Tragheitseffekte auf der Erde

In den vorausgegangenen Beispielen spielte der Horsaal und damit die Erde die Rolle des ruhenden Sys-tems. Diese Wahl fuhrte zu keinen Widerspruchen mit der Erfahrung, obwohl die Erde ein bewegtesBezugssystem ist. Der Grund liegt darin, dass auf der Erde Z und C viel kleiner als mg sind. Es konnenaber terrestrische Versuche ausgefuhrt werden, die eindeutig die Tragheitseffekte als Folge des Bewe-gungszustandes der Erde zeigen.

Ein Beispiel: Nachweis der Erdrotation mit dem Foucaultpendel

N

S

mEin schwingendes Pendel behalt infolge der Tragheit seine Schwin-gungsebene im Raum bei. Dieses eigentumliche Verhalten offenbartsich beim Foucault-Versuch7(1850/51 in Paris). Ein Ort auf der Erdemit der geographischen Breite β rotiert mit der Winkelgeschwindig-keit ω · sinβ um eine zur Erdoberflache senkrechte Achse; mit dieserWinkelgeschwindigkeit dreht sich die Erde unter dem schwingendenPendel hinweg. Die effektive Umlaufszeit der Horizontalebene relativzur Schwingungsebene des Pendels in der geographischen Breite βist T = 2π/ω sinβ mit ω = 2π/24 Stunden. Zur Berechnung wurdehier ~ω bei der geographischen Breite β in die Komponenten senkrecht(ω⊥) und parallel (ω‖) zur Erdoberflache zerlegt.8

Die Pendelebene bleibt bei der Drehung im Raum S erhalten, es gilt die Drehimpulserhaltung und dieDrehung ist direkt durch ω⊥ gegeben. Es gilt fur die Corioliskraft ~C = 2m(~vr×~ω) = 2m(~vr×ω⊥+~vr×ω‖),wobei nur der erste Term zu einer Auslenkung fuhrt. Fur Zurich mit β ≈ 47 ist T = 34h, am Pol erhaltenwir T = 24h und am Aquator T = ∞.

7Fur eine ausfuhrlichere Darlegung siehe Halliday, Kap.16-10.8Dies ist nur deshalb moglich, weil es sich bei ~ω um einen axialen Vektor handelt.

6