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Religiöse Auseinandersetzungen im 16. und 17. Jh. in Graubünden Reformation – Reform der katho- lischen Kirche – Bündner Wirren Siebenteilige Lektionsreihe für die 5.-7. Klasse Karin Last David Last

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Religiöse Auseinandersetzungen im 16. und 17. Jh.in Graubünden

Reformation – Reform der katho-lischen Kirche – Bündner Wirren

Siebenteilige Lektionsreihe für die 5.-7. Klasse

Karin LastDavid Last

A Didaktisch methodischer Teil 3Einleitung 31 Wie es zur Reformation kam 42 Beginn der Reformation in der Schweiz 53 Die Reformation kommt nach Graubünden 74 Die Ilanzer Artikel 105 Die Bibel in Rätoromanisch 126 Innere Reform der katholischen Kirche 137 Bündnerwirren 14Quellenangaben 15

B Materialien 17M1 Lied: Dona nobis pacem 17M2 Lateinischer Text (Lk 15,3-6) 17M3 Protest gegen den Ablasshandel 18M4 Luther auf der Wartburg 19M5 In der Schreibwerkstatt von Martin Luther! 20M6 Dem Teufel mit Tinte getrotzt 21M7 Ein feste Burg ist unser Gott (RG 32) 22M8 Von der Freske zur Lutherbibel 23M9 Die Reformation in Deutschland 24M10 Das Leben von Huldrych Zwingli, Reformator 25M11 Milch und Brot – und doch kein Friede (1529) 26M12 Das Zwinglilied 28M13 Zwingli Lied 29M14 Das Leben von Johannes Comander 30M15 Das Leben von Johannes Comander 31M16 Johannes Comander - Die Pest in Chur 1550 32M17 Buchstabensalat zum Leben von J. Comander 33M18 Zahlenbild: Hahn und Kreuz 34M19 Das Religionsgespräch in Ilanz 1526 35M20 Brief an Jakob 36M21 Karte Graubünden 37M22 Philipp Gallicius, Kurzbiographie 38M23 Eine Frau gewonnen, die Heimat (...) verloren 39M24 Karl Borromäus, Kurzbiographie 41M25 Karl Borromäus - ich will für die Menschen ... 42M26 Jörg Jenatsch, Kurzbiographie 43M27 Jenatsch – Pfarrer und Soldat zwischen ... 44M28 Eidg. Volkszählung 2000 GR 45F1 Kirche Sogn Gieri (St. Georg) Rhäzüns 46F2 Vatikan mit Petersdom 47F3 Schlosskirche von Wittenberg 48F4 Ansicht Maienfeld, Chur 49F5 Martinskirche, Comanderkirche 50F6 Die Konfessionsverhältnisse um 1620 51F7 Georg Jenatsch, Ölgemälde 52

Inhalt

Impressum:Autorin: Karin Last / David LastFachliche Begleitung: Romedi ArquintLayout: Albi Brun, Aldo Danuser© 2008 Kirchliche Mediothek GR, Chur

Einleitung

Der Lehrplan Religion Primarschule und Oberstufe der Volksschule des Kantons Graubünden formuliert für die Mittelstufe innerhalb des Themenfeldes «Sich als Glied der Kirche erleben» folgende Ziele und Inhalte:

– Die Anliegen der Reformation schildern: Reformation in Graubünden, Zwingli, Coman-der, Luther

– Wichtige Epochen der Kirchengeschichte Graubündens kennenlernen: Vorchristliche Zeugen, Christianisierung, Reformation

Mit der vorliegenden Lektionsreihe möchten wir wenigstens teilweise diesen Anliegen Rech-nung tragen. Die jeweiligen Einführungen wurden bewusst kurz gehalten, ausführlichere Ein-führungen in die jeweiligen Themenbereiche können dem Buch «Bündner Kirchengeschich-te», herausgegeben vom Evangelischen Kirchenrat in Graubünden oder dem fünfteiligen Werk «Geschichte der Kirche im Bistum Chur» entnommen werden.

Die Lektionsreihe versucht anhand sieben ausgewählter Personen, die diese Zeit nachhaltig prägten, facettenweise einen Überblick über die Reformation und die Reform der katho-lischen Kirche in Graubünden zu verschaffen.

Die SchülerInnen sollen dabei auch erkennen, wie im Laufe der Reformation – die die Bibel wieder ganz ins Zentrum des Glaubens stellte – Gottes Wort immer mehr dem Volk zugäng-lich gemacht wurde.

Sie begegnen den Anfängen der inneren Reformation der katholischen Kirche sowie den kriegerischen Auseinandersetzungen im Graubünden des 17. Jahrhunderts.

Diese Lektionsreihe besteht aus vielen einzelnen, kombinierbaren Elementen, so dass der Unterricht dem Alter und den Voraussetzungen der zu unterrichtenden Klassen und der zur Verfügung stehenden Zeit, als Einzel- oder Doppellektionen angepasst werden kann.

Lehrplan

Ziele

Aufbau

A Didaktisch methodischer Teil

3

A D i d a k t i s c h m e t h o d i s c h e r Te i l

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1 Wie es zur Reformation kam

Gestalt der Reformation: Martin Luther

Vor der Reformation wurden die Messen in lateinischer Sprache abgehalten. Ebenso gab es auch keine dem einfachen Volk zugängliche Bibelübersetzung ins Deutsche. Die Kirchenbe-sucher «lasen» die Bibel beim Betrachten der Fresken.1517 wollte Papst Leo X. die grösste Kirche der Welt in Rom errichten lassen. Um Geld ein-zutreiben, verkaufte die katholische Kirche sogenannte Ablassbriefe. Mit dem Erwerb eines solchen würden den betreffenden Personen oder ihren Angehörigen die Sündenstrafen (Fe-gefeuer) erlassen oder verkürzt.Der junge deutsche Mönch Martin Luther – geboren 10.11.1483 in Eisleben, gestorben 18.2. 1546 ebenfalls in Eisleben – wehrte sich gegen diese Praktiken. Er orientierte sich wieder ganz an Gottes Wort und machte es auch durch seine Übersetzungen der Bibel ins Deutsche dem gemeinen Volk zugänglich. Martin Luther löste die Reformation aus.

Bündner Kirchengeschichte, 2. Teil Die Reformation, S. 13 - 20Herausgeber: Evangelischer Kirchenrat Graubünden

Die Schülerinnen und Schüler:– erkennen, wie wichtig die Bibel für die Reformation war– lernen die Anfänge der Reformation und deren Auslöser kennen– lernen Martin Luther als Auslöser der Reformation kennen

Möglichkeiten:– Die SchülerInnen betrachten die Freske F1 und beschreiben, was darauf zu sehen ist.

– Die Lehrperson „inszeniert“ einen Gottesdienst mit einem lateinischen Lied, z.B. Dona nobis pacem M1 (RG 334, KG 597) und liest einen längeren lateinischen Text M2 vor. Die Farbfolie F1 liegt auf.Die SchülerInnen schildern ihre Gefühle, da sie ja nichts verstanden haben.Die SchülerInnen überlegen, was sie wohl während eines solchen Gottesdienstes in fremder Sprache gemacht hätten.

– Die Lehrperson vermittelt den SchülerInnen die Wichtigkeit der Fresken in der dama-ligen Zeit. Sie waren das Evangelium für das einfache Volk, das nicht lesen und schrei-ben konnte, denn die Bibel gab es damals nur in Latein.Die SchülerInnen suchen in EA das ihnen wichtigste Motiv für die Aussage des Evan-geliums. Z.B. Jesus am Kreuz, Auferstehung, Nächstenliebe, das sie sicherlich als eine Freske in der Kirche dargestellt hätten.

– Bilder vom Petersdom in Rom zeigen oder F2 aufl egen. Die SchülerInnen versetzen sich in die Zeit der Entstehung des Petersdoms. Damals gab es noch viele Menschen, die eher bescheiden lebten. Sie überlegen, woher die Kirche das viele Geld nahm, um so ein Bauwerk zu errichten

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LektionszieleLektionsziele

EinstiegeEinstiege

A D i d a k t i s c h m e t h o d i s c h e r Te i l

5

Gemeinsames Lesen der Texte M3 «Protest gegen den Ablasshandel» und M4 «Luther auf der Wartburg».Die Texte eignen sich auch gut als Lehrervortrag.

Möglichkeiten:– Die SchülerInnen sehen Ausschnitte aus dem Film: «Luther - Er veränderte das Leben für immer, von Eric Till, 2003», der Ablasshandel (Szene 2) und die Bibelübersetzung (Szene 13).

– Die SchülerInnen schreiben einen Bibelvers in griechischer, lateinischer und deutscher Sprache (Lutherübersetzung) ab und schreiben ihn neu in heutigem Deutsch M5.

– Bild der Schlosskirche in Wittenberg mit Spruch rund um den Turm zeigen F3. Text M6 «Dem Teufel mit Tinte getrotzt» lesen. Anschliessend das Lied M7 «Eine feste Burg ist unser Gott…» singen.

– Arbeitsblatt M8 von der Freske zur Bibel

ErarbeitungErarbeitung

VertiefungVertiefung

2 Beginn der Reformation in der Schweiz

Gestalt der Reformation: Huldrych Zwingli

Huldrych Zwingli, geboren am 1. Januar 1484 in Wildhaus, gestorben 11. Oktober 1531 in Kappel am Albis, ist der Zürcher Reformator. Aus der Zürcher Reformation und der Genfer Reformation ging die Reformierte Kirche in der Schweiz hervor.

Bündner Kirchengeschichte, 2. Teil Die Reformation, S. 20 - 30Herausgeber: Evangelischer Kirchenrat Graubünden

Die Schülerinnen und Schüler:– erfahren, wie die Reformation in der Schweiz Einzug hielt– begegnen dem Schweizer Reformator Huldrych Zwingli– erfahren, dass es neben der Lutherbibel auch eine Übersetzung von Zwingli gibt

Möglichkeiten:– Zur Repetition der letzten Stunde lösen die SchülerInnen das Rätsel M9 zum Reformator

Martin Luther.

– Die Lehrperson repetiert anhand der Folien F1-3 der ersten Lektion das Erlernte der letzten Stunde

– Singen des erlernten Liedes M7 von Martin Luther: «Eine feste Burg ist unser Gott»

InhaltlicheKurzinformationInhaltlicheKurzinformation

AusführlichereInformationenAusführlichereInformationen

LektionszieleLektionsziele

EinstiegeEinstiege

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Lehrervortrag über Zwinglis Leben:

Zwinglis Leben

Geburt und AusbildungHuldrych Zwingli wurde am 1. Januar 1484 – zwei Monate nach Martin Luther – in Wildhaus im Toggenburg, als drittes von elf Kindern geboren. Bereits im Alter von sechs Jahren verliess Zwingli für seine Ausbildung sein Heimatdorf. Er begann als Fünfzehnjähriger sein Studium an den Universitäten Wien und Basel.1506, also mit 22 Jahren, wurde Zwingli zum Pfarrer in Glarus gewählt.Als Feldprediger begleitete er die Glarner Soldaten zweimal nach Oberitalien. In der Schlacht bei Novara erlebte er den Sieg der Eidgenossen und bei Marignano deren Niederlage.Zwingli wechselte nach 10 Jahren Tätigkeit in Glarus nach Einsiedeln, wo er ein intensives Bibelstudium betrieb. Zwingli beherrschte sowohl die griechische wie auch die hebräische Sprache.

Zwingli als Priester am Grossmünster in Zürich / Beginn der BibelauslegungenAm ersten Januar 1519 trat Zwingli die Pfarrerstelle am Grossmünster in Zürich an. Zwingli erkannte mit der Zeit immer mehr, dass sich die Lehre der Kirche nicht in allen Dingen an der Bibel orientierte. So begann er selber mit fortlaufenden Auslegungen der Evangelien. Während dieser Zeit erkrankte Zwingli an der Pest und wurde von seiner späteren Frau, der Witwe Anna Reinhart, gepfl egt. Ein Ereignis bewegte 1522 ganz Zürich. Der Buchdrucker Froschauer erhielt einen dringenden Auftrag. Zur Stärkung seiner Arbeiter brach Froschauer das Fastengebot und veranstaltete ein Wurstessen in der Fastenzeit. Zwingli verteidigte den Entscheid Froschauers.

1. Zürcher Disputation 1523Zwinglis Auslegungen der Evangelien, widersprachen in vielen Bereichen der Lehre der Kir-che und so wurde er von der Kirche als Ketzer bezeichnet. Doch der Rat der Stadt Zürich, der hinter Zwingli stand, lud 600 Geistliche und politisch einfl ussreiche Personen zu einem Streitgespräch (Disputation) nach Zürich ein. Zwingli war, wie auch Martin Luther, der Über-zeugung, dass die einzige Grundlage für den Glauben und die Kirche die Bibel sein solle. Zwingli setzte sich durch und die Reformation hielt auch in Zürich Einzug.

Heirat mit Anna Reinhart1524, als Anna Reinhart mit dem ersten Kind von Ulrich Zwingli schwanger war, heiratete er sie öffentlich im Grossmünster. Auch dies war ein starkes Zeichen der Reformbewegung in der Kirche, da Zwingli als Priester eigentlich an das Zölibat gebunden war.

Die Zürcher BibelZwingli gründete 1525 eine theologische Hochschule, die Prophezei. In enger Zusammenar-beit mit Leo Jud, seinem engstem Mitarbeiter und Pfarrer an der Kirche St. Peter in Zürich, übersetzte Zwingli in fünf Jahren die Bibel neu in ein stark schweizerisch gefärbtes Deutsch. Diese Übersetzung ist heute als die Zürcher Bibel bekannt. Während Luther Wert auf eine volksnahe Übersetzung legte (den Leuten aufs Maul schauen), hält sich die Zürcher Bibel stärker an den griechischen und hebräischen Originaltext.

DarbietungDarbietung

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3 Die Reformation kommt nach Graubünden

Gestalt der Reformation: Johannes Comander

Johannes Dorfmann – geboren um 1484 in Maienfeld, gestorben Januar 1557 in Chur – war ein Schweizer Theologe und Reformator der Stadt Chur. Er benannte sich selbst mit dem griechischen Namen Comander, was auf Deutsch übersetzt „Dorfmann“ heisst.

– Bündner Kirchengeschichte, 2. Teil Die Reformation, S. 40 - 48; 90 - 93 Herausgeber: Evangelischer Kirchenrat Graubünden

– Wege zum Kind L53: Menschen des Glaubens S. 57 - 65

Die Schülerinnen und Schüler:– lernen die Person Johannes Comander kennen– erfahren, wie auch in Graubünden die Reformation schon früh Einzug hält– lernen das Pfarramt als das Hirtenamt kennen

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AusführlichereInformationenAusführlichereInformationen

LektionszieleLektionsziele

Die zwei Kappeler Kriege und Zwinglis TodInnerhalb weniger Jahre breitete sich die Reformation in der Schweiz immer mehr aus, vor allem auch in den grösseren Städten wie St. Gallen, Bern, Basel, Schaffhausen und Chur. Die Innerschweizer Kantone wehrten sich sehr gegen diese Neuerungen in der Kirche und schützten sich, indem sie sich mit den Österreichern verbündeten. Zwingli, der sich sehr vor einem Angriff der katholischen Innerschweizer und deren Verbündeten fürchtete, sah nur noch die Möglichkeit, durch einen Krieg seine Position zu stärken. Als sich die beiden Parteien 1529 in Kappel am Albis gegenüber standen, brauchte der Glarner Landamman Ae-bli seine ganze Überredungskunst, um einen Krieg zu verhindern. Beide Parteien schlossen wieder Frieden und assen noch am Schlachtfeld Milchsuppe miteinander. Zwei Jahre später kam es an derselben Stelle doch noch zum Krieg, den die Zürcher verloren. Zwingli starb in dieser Schlacht am 11. Oktober 1532.

Variante:Vortrag mit Dias aus dem Tonbild «Zwinglis Reformation in Zürich» ergänzen oder ganzes Tonbild zeigen.

Die SchülerInnen lösen in Partnerarbeit den Lückentext M10 (Lösung siehe Text: Zwinglis Leben S. 6)

Möglichkeiten:– Text M11 «Milch und Brot» mit verteilten Rollen lesen– Arbeitsblatt M12 «Zwinglilied» in Gruppen- oder Einzelarbeit lösen– Gemeinsames Besprechen und Erlernen des Zwingliliedes M12 «Herr, du nun selbst den

Wagen halt» (RG 792)

VerarbeitungVerarbeitung

VertiefungVertiefung

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Möglichkeiten:– Die Folie mit den Bildern Maienfeld und Chur aufl egen F4 LehrerIn: Wer kennt die

beiden Orte?– Die Folien Martinskirche F5.1 und Comanderkirche F5.2 aufl egen, diese beiden Kirchen

haben einen wichtigen Bezug zu der Person die wir heute kennenlernen

Die SchülerInnen schneiden die Textteile vom Blatt M14 aus und kleben sie in der richtigen Reihenfolge auf ein leeres Blatt (Lösung siehe M15)Danach gemeinsames Lesen des Textes

Variante: Text lesen M15Variante: Lehrervortrag über das Leben von Johannes Comander

Das Leben von Johannes Comander

Johannes Dorfmann wurde 1482 in Maienfeld geboren. Comander, wie sich Dorfmann später nannte, besuchte die städtische Lateinschule in St. Gallen und studierte von 1502 – 1506 in Basel. Dort lernte er Hulrych Zwingli, den späteren Zürcher Reformator kennen.Über die folgenden Jahre weiss man wenig. Einige Zeit war Comander Pfarrvikar in Esch-holzmatt LU.1523 wurde Comander nach Chur an die städtische Pfarrkirche St. Martin berufen. Er gehörte schon damals zu den Anhängern der Reformation.An einem Religionsgespräch 1526 in Ilanz trat Comander als Hauptredner vor die Abgeord-neten der Kirche, die ja noch ganz katholisch war.Danach setzte sich die Reformation, mit Ausnahme des bischöfl ichen Schlosses, in Chur durch. Die Messe wurde abgeschafft und die Bilder entfernt.Comander förderte auch den Schulunterricht, zunächst über die Churer Stadtschule und spä-ter, 1539, durch die Gründung einer Lateinschule (heutiges Nicolai-Schulhaus).Zusammen mit seinem Pfarrkollegen Johannes Blasius verfasste Comander 1535 einen Kate-chismus. Ein Buch mit den wichtigsten Glaubensaussagen aus der Bibel unter anderem das Glaubensbekenntnis, das Unser Vater, die zehn Gebote, Gedanken zur Taufe und zum Abend-mahl. Diesen Katechismus liess er auch drucken und er war für das Volk erschwinglicher als eine ganze Bibel.Durch seinen Einfl uss wurde 1547 die rätische Synode, der Zusammenschluss der reformier-ten Bündner Pfarrerschaft gegründet.1557 starb Comander an der Pest in Chur.

EinstiegeEinstiege

ErarbeitungErarbeitung

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Möglichkeiten:– Text M16 «Die Pest in Chur» gemeinsam lesen– Buchstabensalat M17 in Einzel- oder Partnerarbeit lösen

Lösung zu M17:

I K A T E C H I B R O T U L D E R T S WN L M M A R T I E N G A D I N S D G H JS K A T E C H I S M U S Z W I N G I K LE K R N F L R E I H H G F D S E R L W EL E T T Z C O M A C E R F R H K L G L OO I I U J K L O K Ä I B I E N E Z N F GB N N Q W E R T Z R E F O R M A T I O NZ U S U I O K J H P R F D G H J K W L SB E K N E D O N Y S L J J P O I U Z Z IT L I M A I E N F E O Z H N B V R T Z MG U R R O N J A N G E C H E R E R E R OH H C W E R T R E S S T Z U I P O L K NJ C H H I M M E L N E T Z U I L N G H JR S E M A I E N F O R L A S N F I I E RR N R T Z V D S W I K T G Z U H Z M R UT I M O S E G Z H G I O A S E I D E A TP E S T G R O S S I R D F R G Z S H H FH T M A I E N F R L C H J M U J H A Z TM A I E N F E L D E H W E R T H T R L EE L R T A S D V G R E R T H G T C G H B

Lösungsworte: Blasius, Chur, Familie, Ilanz, Katechismus, Lateinschule, Maienfeld, Martins-kirche, Pest, Reformation, Religionsgespräch, Synode, Zwingli

VertiefungVertiefung

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4 Die Ilanzer Artikel

Johannes Comander aus Chur hatte für das Ilanzer Religionsgespräch, das der Bischof von Chur organisierte, seine reformatorischen Gedanken in 18 Thesen zusammengefasst. Er konnte sie so überzeugend vertreten, dass die Reformation daraufhin auch in Graubünden Einzug hielt.

– Bündner Kirchengeschichte, 2. Teil Die Reformation, S. 46 - 54 Herausgeber: Evangeli-scher Kirchenrat Graubünden

Die Schülerinnen und Schüler:– erkennen die Bedeutung der Person Johannes Comander für die Reformation in Grau-

bünden– erfahren, weshalb ein Teil der Dörfer im Kanton Graubünden reformiert und die anderen

Dörfer katholisch sind– erfassen und verstehen das Kernstück der Reformation: 1. These der Ilanzer Artikel

Möglichkeiten:– Die SchülerInnen verbinden die Zahlen der Bilder auf dem Arbeitsblatt M18– Die Symbole Hahn und Kreuz mit den SchülerInnen betrachten.

Klassengespräch: «Wo habt ihr diese beiden Symbole schon gesehen? Wo in der Bibel begegnen wir diesen Symbolen? Was könnten diese Symbole bei uns in der Schweiz auf den jeweiligen Kirchtürmen bedeuten?»Der Hahn kündet die aufgehende Sonne, den neuen Tag an. Er erinnert aber auch an die Verleugnung Jesu durch Petrus. Er ist ein Aufruf zur Wachsamkeit. Das Kreuz erinnert uns an das zentrale Geschehen am Kreuz zu Golgatha.

Gemeinsam den Text M19 «Religionsgespräch in Ilanz» lesen und besprechen

Lösung der ersten These:

Die christliche Kirche ist aus dem Wort Gottes geboren; im selben soll sie bleiben und nicht hören die Stimme eines andern.

Möglichkeiten:– Einleitung: «Auf dem Arbeitsblatt M20 seht ihr die Papierstücke abgebildet, welche

vor einigen Jahren auf dem Dachboden eines alten Pfarrhauses im Kanton Graubünden gefunden wurden. Wenn ihr die Stücke ausschneidet und zusammensetzt, entsteht ein Brief, der vor ca. 450 Jahren geschrieben worden ist.»Die SchülerInnen schneiden die Textteile aus und kleben sie auf ein leeres Blatt,Gemeinsam den Brief lesen und besprechen

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LektionszieleLektionsziele

EinstiegeEinstiege

ErarbeitungErarbeitung

VertiefungVertiefung

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Lösung des «Puzzles»: Luven, 14. Februar 1536 anno DominiMein lieber JakobDu weißt ja sicher, seit dem Religionsgespräch in Ilanz mit Pfarrer Comander aus Chur geht es nun hoch her im Tal. Sie halten allerorten Gemeindeversammlungen ab. An denen wird heftig gestritten, ob das Dorf beim alten Glauben bleiben oder ob es sich nach Gottes Wort reformieren soll. Ein Wechsel zum neuen Glauben ist natürlich für jede Gemeinde eine riesige Umstellung und will gut überlegt sein.So streiten alle heftig. Fäuste fl iegen selten, Worte dafür umso mehr. Wenn die gebildeten Herren reden, dann schweigen die Bauern nicht. Nein, im Gegenteil, sie sprechen kräftig mit.Wenn es am Schluss einer Versammlung zur Abstimmung kommt, dann entscheidet schon die einfache Mehrheit. Manche Versammlungen dauern bis in die Nacht hinein, bis es zu einer Entscheidung kommt.Von Vals kann ich Dir etwas Drolliges erzählen: Die Abstimmung ergab ein Unentschieden. Man wollte nach Hause gehen – die Turmuhr hatte schon Mitternacht geschlagen – da kam der Geissenhirt vom Berg. Ihn bedrängten sie, und seine Stimme gab dann den Ausschlag. Das Dorf bleibt nun beim alten Glauben.Bei uns fi ndet die Gemeindeversammlung am Sonntag, dem ersten Advent in der Kirche statt.Ich wünsche und bete, dass auch unser Dorf sich dem neuen Glauben anschliesst.Grüsse Frau und Kinder.

Dein Bruder Andreas

– Die SchülerInnen zeichnen ab Folie F6 die Gebiete der Konfessionen im Kanton Grau-bünden des 16. Jahrhunderts in die Karte M21 ein

– Die SchülerInnen erkundigen sich beim reformierten Pfarramt, bis wohin zurück das Kirchenbuch reicht, oder sie lassen sich die Geschichte ihrer Kirchgemeinde erzählen

– Erste These Comanders als Wandbild (Collage) gestalten

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5 Die Bibel in Rätoromanisch

Gestalt der Reformation: Philipp Gallicius

Philipp Gallicius (1504 – 1566) war der Engadiner Reformator, ein enger Mitarbeiter von Johannes Comander. Er wirkte zuerst im Engadin, danach unter anderem auch in Chur, wo er Teile der Bibel ins Rätoromanische übersetzte.

– Bündner Kirchengeschichte, 2. Teil Die Reformation, S. 84 - 89 Herausgeber: Evangeli-scher Kirchenrat Graubünden

Die Schülerinnen und Schüler:– lernen Philipp Gallicius kennen, der als Pfarrer in sechs Gemeinden wirkte– erfahren, dass die Bibel schon wenige Jahre nach Zwinglis Tod sogar ins Rätoroma-

nische übersetzt wurde

Fragestellung:– Was ist Heimat? Wo ist Heimat?– Wofür würde ich meine Heimat aufgeben?– Wo kann Heimat auch sein, wenn ein Mensch durch seinen Beruf immer wieder an

verschiedenen Orten arbeiten muss

Die SchülerInnen lesen den Text M22 «Philipp Gallicius» und suchen die 10 Fehler heraus. Die Berichtigungen schreiben sie direkt in die Zeilen hinein.

Lösung für die Lehrperson:

Philipp Gallicius

Philipp Saluz wird 1504 als Kind der Eltern Adam Saluz und Uorschla Gallicius im Münstertal geboren. Nach dem Religionsgespräch in Ilanz 1526 übernahm Gallicius die Pfarrstelle in Chamues-ch. Danach führte er die Reformation in Guarda und Lavin im Unterengadin ein. Hier wurden seine reformierten Predigten freundlich angenommen, aber als er heiratete, erschraken viele, und er musste das Engadin mit der ganzen Familie verlassen. Danach wirkte er in Langwies im Schanfi gg, in Scharans, Malans in der Bündner Herrschaft und dann in Chur. Während dieser Zeit übersetzte er wichtige Texte der Bibel in die rätoro-manische Sprache. 1551 wurde Gallicius an die Regulakirche in Chur berufen. Er wurde so ein enger Mitarbeiter von Johannes Comander. 1566 starb Gallicius. Beim Abendmahl in der Kirche wurde er von einem Pestkranken, der auch daran teilgenommen hatte, angesteckt und starb am folgenden Sonntag. Auch seine Frau und zwei seiner Söhne starben an dieser Krankheit.

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LektionszieleLektionsziele

EinstiegEinstieg

ErarbeitungErarbeitung

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6 Innere Reform der katholischen Kirche

Gestalt der Gegenreformation: Karl Borromäus

Karl Borromäus (1538 - 1584) ist ein Heiliger der katholischen Kirche. Er war Erzbischof von Mailand und setzte sich für die Rekatholiserung in Graubünden ein.

– Bündner Kirchengeschichte, 3. Teil Die Gegenreformation, S. 11 - 40 Herausgeber: Evan-gelischer Kirchenrat Graubünden

– Geschichte der Kirche im Bistum Chur, Heft 4 Das Bistum Chur zwischen Reformation und Säkularisation, Albert Fischer, Theologische Hochschule Chur (in Vorbereitung)

Die Schülerinnen und Schüler:– erfahren, dass die Reformation in Graubünden auch auf Widerstand stiess– lernen mit Karl Borromäus eine Person kennen, die sich für eine Reform in der katho-

lichen Kirche einsetzte– erfahren, dass es in der katholischen Kirche eine innere Erneuerung gab

Fragestellung:– Wieviele Schüler und Schülerinnen in eurer Klasse sind katholisch und wie viele sind

reformiert?– Weshalb gibt es trotz Reformation eine katholische Konfession?

Lehrervortrag oder lesen des Textes M24 «Karl Borromäus»

Lesen des Textes M25 «Karl Borromäus - ich will für die Menschen da sein»

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LektionszieleLektionsziele

EinstiegEinstieg

DarbietungDarbietung

VertiefungVertiefung

Möglichkeiten:– Zeichne in der Bündnerkarte M21 den Weg ein, den Gallicius in seinem Leben gegan-

gen ist– Lesen des Textes M23 «eine Frau gewonnen, die Heimat fürs erste verloren» mit ver-

teilten Rollen

VertiefungVertiefung

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7 Bündner Wirren

Gestalt der Gegenreformation: Jörg Jenatsch

Georg Jenatsch (auch Jörg oder Jürg genannt) war ein Bündner Pfarrer und Politiker. Er lebte von 1596 – 1639. Im Dreissigjährigen Krieg galt er als Retter Graubündens.

– Bündner Kirchengeschichte, 3. Teil Die Gegenreformation, S. 95 - 107 Herausgeber: Evangelischer Kirchenrat Graubünden

– Geschichte der Kirche im Bistum Chur, Heft 4 Das Bistum Chur zwischen Reformation und Säkularisation, Albert Fischer, Theologische Hochschule Chur (in Vorbereitung)

Die Schülerinnen und Schüler:– erfahren, dass es als Folge der Kirchenspaltung blutige Kriege gab– erfahren, dass Graubünden in die kriegerischen Auseinandersetzungen der europä-

ischen Grossmächte geriet– lernen die Person Jörg Jenatsch kennen

Möglichkeiten:– Fragestellung: Ist Euch schon einmal der Name Jenatsch begegnet? (Restaurantname,

Bergname e.t.c.). Warum ist wohl nicht der ganze Kanton Graubünden reformiert ge-worden?

– Bildbetrachtung Porträt Jörg Jenatsch Folie F7. Fragestellung: Welche Tätigkeiten oder welchen Beruf übte diese Person auf dem Bild wohl aus?

Lehrervortrag oder lesen des Textes M26

Möglichkeiten:– Gemeinsames Lesen des Textes M27 «Jenatsch- Pfarrer und Soldat zwischen allen

Fronten». Dieser Text kann auch sehr gut in ein Theaterstück umgeschrieben werden– Ergänzen die Bündnerkarte M21 mit den Konfessionsverhältnissen von heute, Hilfsmit-

tel dazu M28 Statistische Werte Graubünden

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LektionszieleLektionsziele

EinstiegeEinstiege

DarbietungDarbietung

VertiefungVertiefung

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Quellenangaben

M1, M7, M13, alle Lieder entnommen dem Gesangbuch der Evangelisch-reformierten Kir-chen der deutschsprachigen Schweiz (RG). Basel und Zürich 1998/2006. Die Übernahme des Notensatzes erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Liturgie- und Gesangbuchkonferenz Zürich.M4, M6, M7, M10, M24, F2.1, F2.2, F2.3, F3 alle Bilder aus Wikipedia, lizenzfreie BilderM21, F6, Karten vom Amt für Natur und Umwelt, Geoinformatik, Kanton Graubünden, Norbert DanuserF1.1, F1.2, Bilder Denkmalpfl ege GraubündenF4.1 aus Begrüssungsbroschüre MaienfeldTitelblatt, M15, F4.2, F5.1, F5.2, Albi Brun, Kommunikation, ChurF7, M26 aus Bündner Kirchengeschichte, Evang. Kirchenrat GR, Verlag Bischofberger Chur, Teil 3 S. 95

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B Materialien

Et ait ad illos parabolam istam, dicens:Quis et vobis homo, qui habet centum oves,et si perdiderit unam ex illis, nonne dimittit nonaginta novem in desertoet vadit ad illam, quae perierat,donec inveniat eam? Et cum invenerit eam,imponit in humeros suos gaudens, et veniens domum convocat amicos et vicinos, dicens illis:Congratulamini mihi, quia inveni ovem meam quae perierat.

(Lk 15,3-6)

M2M2

Dona nobis pacem (RG334)M1

Die Übernahme des Notensatzes erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Liturgie- und Gesangbuchkonferenz Zürich

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C M a t e r i a l i e n

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Protest gegen den Ablasshandel

Papst Leo X. hatte im Jahr 1517 grosse Pläne. Über dem Grab des Apostels Petrus in Rom wollte er die mächtigste und prachtvollste Kirche der damaligen Welt errichten. Gewaltige Summen Geld kostete dies, aber die Schatztruhen des Vatikans gaben bei weitem nicht so viel her. Um Gelder einzutreiben, schrieb er einen Ablass aus. Wer einen Ablassbrief kaufte, erhielt das päpstliche Versprechen, dass nach seinem Tod für ihn die Zeit im Fegefeuer ver-kürzt würde.

Das Fegefeuer war im damaligen Glauben der Ort, wo alle Menschen, die keine Heiligen sind – diese gelangten nach dem Tod direkt in Gottes Gegenwart – und auch keine Todsünder – diese waren auf ewig verloren – gereinigt und geläutert werden, um so auf die Begegnung mit Gott vorbereitet zu werden.

Die Menschen glaubten an die Lehre der Kirche. Sie kauften Ablassbriefe, nicht nur für sich selbst, nein, oftmals auch für ihre schon verstorbenen Verwandten. Sie waren sich sicher, dass sie sich mit dem Kauf der Ablassbriefe nicht nur von den Sündenstrafen «loskauften», sondern sich auch die Gnade Gottes erkauften.

Ein Mönch namens Tetzel tat sich beim Verkauf der Ablassbriefe besonders eifrig hervor. Wo er auf seinem Esel und mit einer kleinen Geldtruhe als Gepäck in die Dörfer geritten kam, machte er auch gute Einnahmen.Bald machte ein Sprüchlein die Runde und verbreitete sich immer weiter: «Wo das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegfeuer springt».

Ein junger Mönch in Deutschland, Martin Luther, hatte den Mut und fi ng an, dagegen zu protestieren. Die Frage, die ihn seit langem beschäftigte und umtrieb: «Wie bekomme ich einen gnädigen Gott ?», liess es nicht zu, dass das Verhältnis zwischen Gott und Mensch mit Geld geregelt werden konnte.

Am 31.Oktober 1517 ging Luther im mitteldeutschen Wittenberg, wo er in einem Kloster lebte, mit Hammer und Nägeln zur Schlosskirche. Dort rollte er ein langes Papier auf, das 95 Behauptungen, sogenannte Thesen enthielt, und schlug es neben das Tor. Dieser «The-senanschlag in Wittenberg» machte rasch in Deutschland und Europa die Runde. Die Leute diskutierten darüber, zuerst die Gelehrten, bald aber auch das einfache Volk.

Die erste der Thesen lautete: «Christus spricht: Tut Busse! Kehrt um! – Er will aber, dass man wirklich von ganzem Herzen Busse tue und umkehre und seine Sünden bereue. Man kann sich nicht einfach mit Geld von der Sünde loskaufen».Eine andere These erklärte indirekt, dass die Ablassbriefe nur vom Wichtigen und vom Ent-scheidenden ablenken: «Der Christ, der wahre Reue hat, hat völligen Erlass von Strafe und Schuld durch Jesus Christus. Dieser Erlass steht ihm auch ohne Ablassbrief zu».

Der Papst wurde von Luther kaum erwähnt, auch nicht kritisiert. Aber seine Macht wurde deutlich beschränkt, wenn es in der sechsten These heisst: «Der Papst kann keine Schuld vergeben, ausser sofern er erklärt und bestätigt, sie sei von Gott vergeben».

Die Thesen sollten eine Diskussion anregen. Doch sie lösten eine Lawine von Ereignissen aus, die Luther so nicht voraussehen konnte.

M3

C M a t e r i a l i e n

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Luther auf der Wartburg

Da Luther durch die Veröffentlichung seiner reformatorischen Gedanken viele Feinde hatte, liess ihn sein Freund, Kurfürst Friedrich der Weise, im Frühjahr 1521 von seinen Soldaten entführen und versteckte ihn auf der Wartburg bei Eisenach.

Auf der Wartburg blieb Luther fast ein ganzes Jahr; zu seinem Schutz war er verkleidet als «Junker Jörg». Hier verwirklichte er seinen Traum. Er wollte die Bibel dem einfachen Volk zu-gänglich machen und so übersetzte er das Neue Testament in nur elf Wochen ins Deutsche. Als Vorlage diente ihm eine griechische und eine lateinische Bibel. Luthers Uebersetzung erschien ab September 1522. Ein Jahr später übertrug Luther auch Teile des Alten Testaments in die deutsche Sprache. Seine Übersetzungen verbreiteten sich sehr rasch unter dem Volk und bis 1525 besassen bereits ein Drittel aller Deutschen, die lesen konnten, diese Bibel. 1534 übersetzte Luther auch den Rest des Alten Testaments. All diese Schriften zusammen bilden die berühmte Lutherbibel.

Luther übersetzte nicht alles genau Wort für Wort, sondern er versuchte, biblische Texte nach ihrem Sinn und ihrer Aussage ins Deutsche zu übertragen. Er wollte «dem Volk aufs Maul schauen» und verwendete daher eine bilderreiche, volkstümliche und allgemein ver-ständliche Ausdrucksweise.

Auch in seinen Predigten und Schriften bemühte sich Luther um eine kräftige und volksnahe Sprache. Bekannt wurden viele deftige Zitate wie z. B.: «Aus einem glücklichen Arsch kommt ein fröhlicher Furz».

M4

Luther übersetzt die Bibel in die deutsche Sprache

Wartburg bei Eisenach

C M a t e r i a l i e n

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M5 In der Schreibwerkstatt von Martin Luther!

Hier fi ndest du den Bibeltext Johannes 1,1-2 zuerst im griechischen Ursprungstext, dann in lateinischer Übersetzung und dann in der Übersetzung nach Martin Luther.Schreibe die Texte in schöner Handschrift ab und versuche zum Schluss den Text im heutigen Deutsch oder in Dialekt zu schreiben.

En archä än ho logos, kai ho logos än pros ton theon, kai theos än ho logos. Hutos än en archä pros ton theon.

In principo erat Verbum, et Verbum erat apud Deum, et Deus erat Verbum. Hoc erat in prin-cipo apud Deum.

Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei dem Gott, und Gott war das Wort. Dieses war am Anfang bei dem Gott.

GriechischGriechisch

LateinischLateinisch

Übersetzung nachMartin LutherÜbersetzung nachMartin Luther

Eigene ÜbersetzungEigene Übersetzung

C M a t e r i a l i e n

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Dem Teufel mit Tinte getrotzt

Schweiss lief ihm über die Stirn. Doch Martin Luther nahm dies kaum wahr. Seine Augen hefteten sich auf die gegenüber liegende Wand. Gerade erst aus dem Schlaf gerissen, war er dennoch hellwach. Halb im Bett aufgerichtet, sah er ihn dort drüben - den dunklen Fleck an der Wand. Doch gerade dieser Fleck beruhigte ihn - denn seit der dort war, war ein anderer nicht mehr da.Der Geruch fl üssiger Tinte lag in der Luft. Die Kerze brauchte Luther nicht zu entzünden, um am Boden die Scherben und Splitter auszumachen. Das Fässchen war an der Wand in Stücke gesprungen.«Ein satter Wurf – und ein rechter Treffer», sagte sich Luther und musste unwillkürlich schmunzeln. «Da habe ich den Teufel wohl noch mehr erschreckt, als er mich soeben in der Nacht geängstigt hat.»Und dann, als er den Kloss im Hals weggeschluckt hatte, stieg ihm, während er auf der Bett-kante sass, etwas anderes in der Kehle hoch, etwas, dem er nichts entgegenstellen konnte und auch nicht wollte. Ein Lied kam ihm über die Lippen, und er liess ihm freien Lauf:

«Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen, er hilft uns frei aus aller Not, die uns jetzt hat betroffen. Der alt böse Feind, mit Ernst er’s jetzt meint, gross Macht und viel List, sein grausam Rüstung ist, ein Wörtlein kann ihn fällen.»

Luther fi xierte wieder den Tintenfl eck. Und so wie die Farbe sich verlief, so verschwand auch seine Angst. Luther sagte und wunderte sich dabei, wie kräftig seine Stimme schon wieder klang: «So ist’s, mein lieber Teufel, wenn Gott spricht, so schwinden dir deine Kräfte, und mit deiner Macht ist es dann aus.»Luther ging langsam durchs Dunkel zur Wand, die geziert war vom wüsten Tintenfl eck. Er strich mit dem Finger leicht über die Farbe. Er roch die Tinte, und dann sagte er sich: «Nein, mit einem Tintenfass, und sei es noch so gut geworfen, werde ich den Teufel nicht verjagen. Soll nur Gott zu mir sprechen, dann weiss ich, dass es gut kommt.» Und er tastete sich zurück zum Bett. Dort entzündete er nun endlich doch die Kerze. Er brauchte jetzt Licht. Und dann schrieb er mit dem tintenverschmierten Finger auf einen Fetzen Papier:

DENN DU BIST MEIN FELS UND MEINE BURG (Psalm 32)

Und wie Luthers Augen das Psalmwort einsogen, sagte er leise zu sich: «Mein lieber Teufel, die Tinte hat doch ihr Gutes. Sie wird dich noch das Fürchten lehren.» Aber in der Kammer war er, der Teufel, nicht mehr.

M6

Am Kirchturm der Schloss-kirche von Wittenberg, erkennt man unter der Turm-haube ein mit Mosaikstein gestaltetes Spruchband, auf dem in metergroßen Buch-staben die Worte des Kir-chenliedes Martin Luthers «Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen» zu lesen sind.

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M7 Ein feste Burg ist unser Gott (RG 32)

Wartburg bei Eisenach Schlosskirche von Wittenberg

Die Übernahme des Notensatzes erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Liturgie- und Gesangbuchkonferenz Zürich

C M a t e r i a l i e n

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M8 Die Bibel im Wandel der Zeit: Von der Freske zur Bibel

Zeichne zu einem Bibeltext, den du besonders magst, eine Freske.

Suche den entsprechenden Text in der Bibel und schrei-be ihn mit schöner Schrift auf dieses Stück Pergament.

C M a t e r i a l i e n

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M9 Die Reformation in Deutschland

Z

1 W

2 M

3 M

4 G

5 A

6 W

1 An diesem Ort übersetzte Luther die Bibel2 Vorname Luthers3 Für diesen Beruf entschied sich Luther in jungen Jahren4 In dieser Sprache war die Bibel geschrieben, die Luther als Vorlage diente5 Brief, der zur Vergebung der Sünden dienen sollte6 An diesem Ort heftete Luther seine 95 Thesen ans Schlosstor

Wenn du vom Z aus nach unten liest, ergibt das Lösungswort den Namen eines Schweizer Reformators.

Lösung:

Z

1 W A R T B U R G

2 M A R T I N

3 M O E N C H

4 G R I E C H I S C H

5 A B L A S S

6 W I T T E N B E R G

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M10 Das Leben von Huldrych Zwingli, Reformator

Geburt und AusbildungHulrych Zwingli wurde am 1. Januar _____ in Wildhaus im ___________________ als drittes von elf Kindern geboren. Bereits im Alter von sechs Jahren verliess Zwingli für seine Ausbildung sein Heimatdorf. Er begann als Fünfzehnjähriger sein Studium an den Universi-täten Wien und Basel.1506, also mit 22 Jahren, wurde Zwingli zum Pfarrer in ___________ gewählt.Als Feldprediger begleitete er die Glarner __________ zweimal nach Oberitalien. In der Schlacht bei _________ erlebte er den Sieg der Eidgenossen und bei ____________ deren Niederlage.Zwingli wechselte nach 10 Jahren Tätigkeit in Glarus nach Einsiedeln, wo er ein intensives ___________________ betrieb. Zwingli beherrschte sowohl die _______________ wie auch die _________________ Sprache.

Zwingli als Priester am Grossmünster in Zürich / Beginn der BibelauslegungenAm ersten Januar 1519 begann Zwingli als Pfarrer am Grossmünster in Zürich. Zwingli er-kannte mit der Zeit immer mehr, dass die Kirche sich nicht in allen Dingen an der Bibel orien-tierte. So begann er selber mit fortlaufenden Auslegungen der ____________. Während dieser Zeit erkrankte Zwingli an der ______ und wurde von seiner späteren Frau, der Witwe Anna Reinhart gepfl egt.

2. Zürcher Disputation 1523Zwinligs Auslegungen der Evangelien gefi el der Kirchenleitung nicht und er wurde als Ketzer bezeichnet. Doch der Rat der Stadt Zürich, der hinter Zwingli stand, lud 600 Geistliche und politisch einfl ussreiche Personen zu einem _______________ (Disputation) nach Zürich ein. Zwingli war, wie auch Martin Luther der Überzeugung, dass die einzige Grundlage für den Glauben und die Kirche die ______________ sein solle. Zwingli setzte sich durch und die Reformation hielt auch in Zürich Einzug. 1524 heiratete er Anna Reinhart.

Die ZürcherbibelZwingli gründete 1525 eine theologische Hochschule, die Prophezei. In enger Zusammenar-beit mit Leo Jud, seinem engstem Mitarbeiter und Pfarrer an der Kirche St. Peter in Zürich übersetzte Zwingli in fünf Jahren die Bibel neu in ein stark schweizerisch gefärbtes Deutsch. Diese Übersetzung ist heute als die _______________________ bekannt.

Die zwei Kappeler Kriege und Zwinglis TodInnerhalb weniger Jahre breitete sich die Reformation in der Schweiz immer mehr aus. Die Innerschweizer Kantone wehrten sich sehr gegen diese Neuerungen in der Kirche und schützten sich, indem sie sich mit den Österreichern verbündeten. Zwingli, der sich sehr vor einem Angriff der katholischen Innerschweizer und deren Verbündeten fürchtete, sah nur noch die Möglichkeit, durch einen Krieg seine Position zu stärken. Als sich die beiden Par-teien 1529 in _________________ gegenüberstanden, brauchte der Glarner Landamman Aebli seine ganze Überredungskunst, um einen _________ zu verhindern. Beide Parteien schlossen wieder Frieden und assen noch am Schlachtfeld ____________________ mit-einander. Zwei Jahre später kam es an derselben Stelle doch noch zum Krieg, den die Zürcher verloren. Auch Zwingli _________ in dieser Schlacht. Am 11. Oktober 1532.

Wörter zum Einsetzen:MilchsuppeBibelNovarastarbZürcher BibelKriegKappel am AlbishebräischeStreitgesprächgriechischePestEvangelienMarignanoBibelstudiumSoldatenGlarusToggenburg1484

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M11

Spielszene zur Kapeller Milch-suppe

Die Personen:LandknechtSprecherJachenZwingli

Milch und Brot – und doch kein Friede (1529)

Landknecht: «Brot – hier hat’s noch Brot – jede Menge.»

Sprecher: Ein lachender Landknecht eilte lärmend vorbei. Er schleppte einen grossen Korb, vollgestopft mit einigen Laibern Brot. Sein Degen schleifte leichtfertig seitlich am Boden.Huldrych Zwingli sah dem Mann, dessen Kleid an vielen Nahtstellen im Weiss und Blau der Farben Zürichs geschmückt war, nachdenklich hinterher. Und er zuckte zusammen, als der den Hügel bei Kappel am Albis hinabbrüllte:

Landknecht: «Hoffentlich ist die Milch der Zuger auch so fein wie das Brot von uns Zür-chern. Ansonsten setzt es etwas!»

Sprecher: Von unten drang lautes Gelächter und Gejohle hinauf.

Jachen: «Warum so nachdenklich, Herr?»

Sprecher: Ein junger Mann trat an Zwingli heran.

Zwingli: «Ach Jachen!»

Sprecher: Zwingli seufzte und lächelte müde.

Zwingli: «Du siehst immer das Gute im Menschen, nicht wahr?»

Sprecher: Er legte freundschaftlich den Arm um den jungen Bündner, der seit Jahren in Zürich lebte und der nun hineingeraten war in den Krieg der Zürcher, die sich Reformierte nannten, gegen die Innerschweizer, die die Altgläubigen hiessen. Ein Krieg, der im letz-ten Augenblick abgewendet werden konnte. Die einfachen Soldaten hüben wie drüben auf beiden Seiten der Front feierten ausgelassen. Sie verbrüderten sich, tanzten und sangen gemeinsam. Und sie bereiteten ein gewaltiges Essen vor. Milchsuppe wollten sie essen, alles Kämpfer, die nicht mehr kämpfen wollten.

Jachen: «Ist dies denn kein schönes Bild?»

Sprecher: Zwingli antwortete nicht gleich.

Zwingli: «Ich fürchte, mein junger Freund, dass wir nicht zum letzten Mal hier stehen. Die Entscheidung ist wohl nur hinausgeschoben.»

Sprecher: Zwingli spürte, dass Jachen nicht glücklich war mit der Antwort.

Zwingli: «Schau, nach menschlicher Gerechtigkeit ist es wunderbar, was sich hier vor un-seren Augen abspielt. Schwerter werden wieder zurückgesteckt, und Menschen liegen sich in den Armen. Aber neben der menschlichen Gerechtigkeit gibt es auch die göttliche. Und die verändert unser Herz und macht es ganz neu.»

Sprecher: Und während Zwingli Jachen schlucken hörte, fügte er hinzu:

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Zwingli: «Weißt du, was den Soldaten dort vorne oder aber den Soldaten da drüben bewegt – ob diese beiden im Herzen wirklich friedlich gesinnt sind oder ob sie Böses im Schilde führen. Wenn die göttliche Gerechtigkeit sie nicht erreicht – und deshalb predige ich doch! – bleiben sie nach aussen hin vielleicht friedlich, doch im Herzen böse: Neidisch gegen den anderen, aufbrausend, wenn es nicht recht läuft, argwöhnisch, wenn es dem anderen gut geht. So sind wir Menschen wohl. Doch Gott will uns anders.»

Sprecher: Jachen erwiderte nichts. Zwingli liess die Worte wirken. So standen sie eine Weile und schauten dem bunten Treiben zu.

Und dann schmeckten sie es. Der Geruch gekochter Milch und gebackenen Brotes wehte langsam den Hügel hinauf. Und Zwingli sagte:

Zwingli: «Aber jetzt, Jachen, ist es Zeit, die Freude auszukosten. Morgen mag es wieder anders aussehen. Doch heute soll es ein Friedensessen geben. Lass uns gehen.»

Sprecher: Und so reihten sie sich ein in die wilde Schar feiernder Eidgenossen.Zwei Jahre sollte es noch dauern, bis sich die Heere 1531 wieder begegneten. Aus den Freunden des Milchsuppenessens waren wieder Feinde geworden. Zwingli blieb tot auf dem Schlachtfeld liegen. Seine Asche wurde zerstreut, ein Grab ihm verweigert.Die Fusspuren des Jachen verlieren sich im Dunkel der Geschichte. Vielleicht hat er sich durchgeschlagen zurück bis nach Chur. Die Gedanken von der göttlichen Gerechtigkeit hat er wohl mitgenommen und weitererzählt.

Die Kappeler Milchsuppe, Lithografi e von Jules Mercier, 1919

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M12

Melodie und Text Huldrych Zwingli, 1529

Das Zwinglilied

Das bekannte Zwingli-Lied «Herr, du nun selbst den Wagen halt» entstand unter dem Ein-druck des Ersten Kappelerkriegs.

Versucht, die drei Verse des Originaltextes von diesem Lied in ein für uns verständlicheres Deutsch zu übersetzen.Vergleicht anschliessend eure Übersetzung mit der Variante im reformierten Kirchengesang-buch, Lied Nr. 792 oder M13

Herr, nun heb den Wagen selb.

Schelb wird sunst all unser Fart

Das brächt Lust der Widerpart,

Die dich veracht so freventlich.

Gott erhöh den Namen din

In der Straf der bösen Böck!

Dine Schaf wiederum erweck,

Die dich liebhabend inniglich.

Hilf, dass alle Bitterkeit

Scheide fern, und alle Trüw

Wiederkehr und werde nüw,

dass wir ewig dir!lobsingend

C M a t e r i a l i e n

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M13 Zwingli Lied (RG792)

Die Übernahme des Notensatzes erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Liturgie- und Gesangbuchkonferenz Zürich

C M a t e r i a l i e n

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M14

Arbeitsanweisung:Das Leben von Johannes Com-mander ist ein wenig durch-einander geraten. Schneide die einzelnen Textabschnitte aus und klebe sie in der rich-tigen Reihenfolge auf ein lee-res Blatt!

Das Leben von Johannes Comander

An einem Religionsgespräch 1526 in Ilanz trat Comander als Hauptredner vor die Abgeord-neten der Kirche, die ja noch ganz katholisch war.

1557 starb Comander an der Pest in Chur.

Zusammen mit seinem Pfarrkollegen Johannes Blasius verfasste Comander 1535 einen Katechismus. Das ist ein Buch mit den wichtigsten Glaubensaussagen aus der Bibel unter anderem das Glaubensbekenntnis, das Unser Vater, die zehn Gebote, Gedanken zur Taufe und zum Abendmahl. Diesen Katechismus liess er auch drucken und er war für das Volk er-schwinglicher als eine ganze Bibel.

1523 wurde Comander nach Chur an die städtische Pfarrkirche St. Martin berufen. Er gehörte schon damals zu den Anhängern der Reformation.

Comander förderte auch den Schulunterricht, zunächst über die Churer Stadtschule und spä-ter, 1539, durch die Gründung einer Lateinschule. (Heutiges Nicolai-Schulhaus)

Durch seinen Einfl uss wurde 1547 die rätische Synode (Zusammenschluss der reformierten Bündner Pfarrerschaft) gegründet.

Johannes Dorfmann wurde 1482 in Maienfeld geboren. Comander, wie sich Dorfmann später nannte, besuchte die städtische Lateinschule in St. Gallen und studierte von 1502 – 1506 in Basel. Dort lernte er Ulrich Zwingli, den späteren Zürcher Reformator kennen.Über die folgenden Jahre weiss man wenig. Einige Zeit war Comander Pfarrvikar in Esch-holzmatt LU.

Nach den Ilanzer Gesprächen setzte sich die Reformation, mit Ausnahme des bischöfl ichen Schlosses, in Chur durch. Die Messe wurde abgeschafft und Bilder wurden aus den Kirchen entfernt.

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M15 Das Leben von Johannes Comander

Johannes Dorfmann wurde 1482 in Maienfeld geboren. Comander, wie sich Dorfmann später nannte, besuchte die städtische Lateinschule in St. Gallen und studierte von 1502 – 1506 in Basel. Dort lernte er Hulrych Zwingli, den späteren Zürcher Reformator kennen. Über die folgenden Jahre weiss man wenig. Einige Zeit war Comander Pfarrvikar in Eschholzmatt LU.

1523 wurde Comander nach Chur an die städtische Pfarrkirche St. Martin berufen. Er gehörte schon damals zu den Anhängern der Reformation.

An einem Religionsgespräch 1526 in Ilanz trat Comander als Hauptredner vor die Abgeord-neten der Kirche, die ja noch ganz katholisch war.

Nach den Ilanzer Gesprächen setzte sich die Reformation, mit Ausnahme des bischöfl iche Schlosses, in Chur durch. Die Messe wurde abgeschafft und die Bilder wurden aus den Kir-chen entfernt.

Comander förderte auch den Schulunterricht, zunächst über die Churer Stadtschule und spä-ter, 1539, durch die Gründung einer Lateinschule. (Heutiges Nicolai-Schulhaus)

Zusammen mit seinem Pfarrkollegen Johannes Blasius verfasste Comander 1535 einen Katechismus. Das ist ein Buch mit den wichtigsten Glaubensaussagen aus der Bibel unter anderem das Glaubensbekenntnis, das Unser Vater, die zehn Gebote, Gedanken zur Taufe und zum Abendmahl. Diesen Katechismus liess er auch drucken und er war für das Volk er-schwinglicher als eine ganze Bibel.

Durch seinen Einfl uss wurde 1547 die rätische Synode (Zusammenschluss der reformierten Bündner Pfarrerschaft) gegründet.

1557 starb Comander an der Pest in Chur.

Der Bischofssitz und der Wirkungsort des Reformators Johannes Comander, die Martinskir-che, liegen nahe beieinader.

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M16 Johannes Comander - Die Pest in Chur 1550

Johannes Comander schrak zurück. Der schwarze Fleck auf dem Arm der alten Frau, die er gerade noch gegrüsst hatte, sprang ihm regelrecht ins Auge. Eine kleine schwarze Beule nur, doch sofort wusste er Bescheid. Und da war es wieder, das unheimliche Wort in seinem Kopf: «Pest!»Er straffte seinen langen schwarzen Predigermantel und hastete wieder zurück die Stufen zur Wohnung hoch.Bevor er zu seiner Frau ging, klammerte er sich an dem Buch fest, das ihn durchs Leben be-gleitet hatte. Die Bibel, die er eigentlich soeben hatte in die Kirche tragen und dort auf die Kanzel legen wollen, lag in seiner Hand. Und da merkte er, wie er zitterte.«Was soll ich tun, mein Gott?», murmelte er, «die Pest ist nun also auch in Chur. Mir sind so viele Menschen anvertraut. Ihnen zu helfen, habe ich mich verpfl ichtet. Sie erwarten von mir, dass ich bleibe. Du bist doch der Gute Hirte aller Menschen und lässt uns nicht alleine. Wie könnte ich da als kleiner Hirte all diese Vielen im Stich lassen? Doch meine Frau und Sarah, unsere Tochter? Wenn sie bleiben, so werden sie wohl nicht lange leben: meine Frau ist zu alt, das Kind noch zu jung, um dem Schwarzen Tod zu trotzen. Mein Gott, komm und sprich doch ein Wort, das mir den Weg leuchtet! Wohin soll es gehen mit uns?»

Als er nach einer Weile die Stube betrat, war er schon wieder etwas gefasst und seine Stim-me fest, als er zu seiner Tochter sagte : «Es ist Zeit, Sarah, dass du die Stadt verlässt.» Und zu seiner Frau gewandt, die mit grossen Augen auf ihn schaute, meinte er: «Sie ist da. Du weisst, was ich meine. Mach’ für Sarah alles parat. Morgen fährt sie ab nach Zürich. Ich werde einen Begleitbrief schreiben und ihr mitgeben. Meine Freunde in der Stadt Zwinglis werden sie beherbergen. Es wird wohl Wochen dauern, bis hier alles vorüber ist. Möge Gott uns ein Wiedersehen schenken.»

Als das Kind am nächsten Tag die Kutsche bestieg, mit wenig Gepäck versehen und einigen Münzen im Beutel, sprach der Vater noch einen kurzen Abschiedssegen und strich ihm über den Kopf. Ein letztes «Bhüet di Gott», und dann setzte sich die Kutsche in Bewegung. Als Comander den Arm um seine Frau legte und sie in sorgenvollen Gedanken versunken zurückwanderten zum Pfarrhaus dicht an der mächtigen Martinskirche, ahnte es der altge-wordene Prediger: es würde für einen von ihnen beiden kein Wiedersehen mit der Tochter geben.Als seine Frau die Türe zur Pfarrwohnung aufschloss, sah er ihn dann: den Fleck am ihrem unteren Arm.

Als sie die Stege hinaufgingen, staunte er über sich selbst, wie ruhig er war. Und er sagte leise: «Ich werde sie pfl egen bis zum Ende.»

C M a t e r i a l i e n

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M17 Buchstabensalat zum Leben von Johannes Comander

I K A T E C H I B R O T U L D E R T S W

N L M M A R T I E N G A D I N S D G H J

S K A T E C H I S M U S Z W I N G I K L

E K R N F L R E I H H G F D S E R L W E

L E T T Z C O M A C E R F R H K L G L O

O I I U J K L O K Ä I B I E N E Z N F G

B N N Q W E R T Z R E F O R M A T I O N

Z U S U I O K J H P R F D G H J K W L S

B E K N E D O N Y S L J J P O I U Z Z I

T L I M A I E N F E O Z H N B V R T Z M

G U R R O N J A N G E C H E R E R E R O

H H C W E R T R E S S T Z U I P O L K N

J C H H I M M E L N E T Z U I L N G H J

R S E M A I E N F O R L A S N F I I E R

R N R T Z V D S W I K T G Z U H Z M R U

T I M O S E G Z H G I O A S E I D E A T

P E S T G R O S S I R D F R G Z S H H F

H T M A I E N F R L C H J M U J H A Z T

M A I E N F E L D E H W E R T H T R L E

E L R T A S D V G R E R T H G T C G H B

In diesem Buchstabensalat befi nden sich 13 Wörter, die im Leben von Johannes Comander eine wichtige Rolle gespielt ha-ben. Achtung, das ist eine kniffl ige Aufgabe, denn die Worte können von rechts nach links, von links nach rechts, von oben nach unten, unten nach oben, diagonal auf und abwärts geschrieben sein

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M18

Arbeitsanweisung:Wenn ihr die Punkte verbindet entstehen zwei Symbolbilder. Was könnten die Symbole be-deuten?

1/85

1/70

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M19 Das Religionsgespräch in Ilanz 1526

Seit 1523 versah Johannes Comander an der Martinskirche in Chur sein Pfarramt. Auch er war einer der Bündner Pfarrer, die sich nach einer Erneuerung der Kirche sehnten. Comander schlug dem Bischof von Chur ein Religionsgespräch vor, dem dieser widerwillig zustimmte. Selbstbewusst trat nun Comander bei diesem Gespräch in Ilanz auf. In diesem Ort, der sich selbst nicht ohne Stolz «erste Stadt am Rhein» nennt, präsentierte Comander den versam-melten Geistlichen und Politikern 18 Thesen. Darin äusserte er sich zur Lage der Kirche. Das tat er nicht aus dem hohlen Bauch und nicht aufs Geratewohl, sondern er orientierte sich immer wieder an der Bibel. Indem er so vorging, ging er in den Spuren von Martin Luther und Huldrych Zwingli.

Die Art, wie Comander für seine Sache stritt, und der klare Inhalt der 18 Leitsätze blieben nicht ohne Wirkung. Es sprach sich rasch in der ganzen Schweiz herum, was sich im Bünd-nerland zugetragen hatte.

1528 trafen Katholiken und Reformierte sich in Bern. Um nicht bei Null zu beginnen, wurden Comanders Thesen als Grundlage für die Verhandlungen genommen.Schon die erste der 18 Thesen kommt ohne Umschweife auf den Punkt:

«D—e c—ristl—c—e K—r—he

i—t aus d—m

W—rt G—tt—s g—bor—n;

i— s—lben s—l— s—e ble—b—n u—d

n—c—t hör—n d—e Sti—m— e—n—s

a—der—n.»

Da sehen wir ihn wieder: den Fingerzeig auf die Grundlage und den Quell des Glaubens, die Bibel.Die altehrwürige Tradition erzählte davon, was Päpste und Konzilien vor Jahrzehnten und Jahrhunderten beschlossen hatten. Doch diese Beschlüsse verloren ihren Wert und ihre Gel-tung, wenn sie der Bibel widersprachen. Es war die Stärke der Reformation, dass sie sich so konsequent auf die Bibel berief. Dies gab ihr kräftigen Schwung in den Anfangsjahren.

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M20

C M a t e r i a l i e n

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M21

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Philipp Gallicius

Philipp Saluz wird 1504 als Kind der Eltern Adam Saluz und Uorschla Gallicius

im Münstertal geboren.

Nach dem Religionsgespräch in Landquart 1526 übernahm Gallicius die Pfarr-

stelle in Chamues-ch. Danach führte er die Reformation in Guarda und Lavin

im Bergell ein. Hier wurden seine katholischen Predigten freundlich angenom-

men, aber als er heiratete, erschraken viele und er musste das Schanfi gg mit

der ganzen Familie verlassen.

Danach wirkte er in Langwies im Schanfi gg, in Scharans, Malans im Bündner

Oberland und dann in Chur. Während dieser Zeit übersetzte er wichtige Texte

der Märchen der Gebrüder Grimm in die italienische Sprache.

1551 wurde Gallicius an die Sonjakirche in Chur berufen. Er wurde so ein enger

Mitarbeiter von Josua Comander.

1566 starb Gallicius. Beim Abendmahl in der Gaststätte, wurde er von einem

Pestkranken, der auch daran teilgenommen hatte, angesteckt und starb am

folgenden Sonntag. Auch seine Frau und zwei seiner Söhne starben an dieser

Krankheit.

In diesen Text haben sich 10 Fehler eingeschlichen. Streiche jeweils das falsche Wort durch und schreib das Richtige dazu.

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Eine Frau gewonnen, die Heimat fürs erste verloren

Gallicius: «Mo bain, apparaintamaing faja dabsögn» – «nun gut, es scheint so, dass es halt sein muss».

Sprecher: Philipp Gallicius liess seine Augen noch einmal über das Tal schweifen. Da lag es vor ihm: das Engadin. Sein Tal. Sein Tal, das ihn nun aber fortschickte. Die Leute ertrugen es nicht, dass er – ein Pfarrer – geheiratet hatte. Deshalb schickten sie ihn jetzt fort, über die Berge.

Bauer: «Gut hast du gepredigt!»

Sprecher: Dies hatte ihm noch am letzten Sonntag vor der Kirche in Lavin ein kräftiger Bauer zugerufen.

Bauer: «Aber die Heirat – die hättest du dir sparen sollen. Das tut man einfach nicht als Pfarrer.»

Sprecher: Gallicius hatte daraufhin noch geantwortet:

Gallicius: «Aber davon, dass die Ehe uns Pfarrern verboten ist, steht nichts im Evangelium geschrieben».

Sprecher: Und Gallicius hatte die Bibel aufgeschlagen und hatte angefangen, dem ein-fachen Mann vorzulesen. Auf Deutsch stand es in der Bibel, doch Gallicius übersetzte, wäh-rend er sprach, in einem Atemzug frei ins Romanische. Er war ein Sprachgenie.Doch so gut er dies auch jetzt wieder tat, es war umsonst. Der Bauer glättete seine Engadi-ner Sonntagstracht und rief:

Bauer: «Avuonda, signur ravarenda, basta – es reicht nun, Herr Pfarrer !»

Sprecher: Der Bauer schüttelte dem verdutzten Prediger die Hand und ging rasch davon.O ja, so waren und dachten noch viele. Stolze Menschen, die einen Teil der neuen Predigt und der neuen Lehre sich zu Herzen nahmen, doch mit so mancher Neuerung ihre liebe Mühe hatten. Dass sich kein Verbot für Pfarrer zu heiraten in der Bibel fand: gut, das war das Eine. Doch wenn ein Pfarrer hinging und sich eine Frau nahm und sie durch den Kranz über dem Kirchen-eingang hindurchführte – das war das Andere, das ging zu weit!

Gallicius: «Zu weit ? Muss ich nun so weit weg von allem, was mir bislang lieb und teuer war, woran mein Herz hängt ? Die Heimat – werde ich sie eines Tages wieder sehen?»

Sprecher: Während er im Lärchenwald mit festem Schritt höher und höher gelangte und die Baumgrenze in Sichtweite kam, dachte er angestrengt über dieses kleine Wort Heimat nach.

Gallicius: «Dort will ich zuhause sein.»

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Spielszene zum Leben von Philipp Gallicius

Die Personen:GalliciusSprecherBauer

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Sprecher: Dies sagte Gallicius vor sich hin und schnaubte leicht, weil der Weg nun steil anstieg.

Gallicius: «Wo Gottes Wort etwas gilt und wo ich es frei verkünden kann, da will ich zu Hause sein!»

Sprecher: Oben auf der Bergkuppe angekommen, setzte er sich auf einen grossen fl a-chen Stein. Er atmete schwer. Und noch einmal überkam ihn mit der stechenden Lunge der Schmerz. Er empfand wieder die ganze Not und die unsichere Zukunft. Die Ungerechtigkeit, die er erfahren hatte, brannte in seinem Herzen.

Und in seinem Kopf formte sich ein Satz, ein Vers, dem Psalm 130 mitten in der Bibel ent-nommen. Doch es drängte Gallicius zu singen. Das Gedicht, das sich in ihm bildete, sollte der Beginn eines Liedes sein. Viele Jahre später erst sollte er es niederschreiben:

Gallicius: «Our’d bsögn chafuol sbraj eu pro tai» – «aus tiefer Not ruf ich zu dir».

Sprecher: Die romanischen Gemeinden singen es noch heute, mehr als 440 Jahre, nachdem Gallicius, seine Frau und zwei seiner Söhne der Pest in Chur zum Opfer fi elen und ihr gemein-sames Grab fanden.

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Karl Borromäus

Karl Borromäus (italienisch: Carlo Borromeo) wurde am 2. Oktober 1538 am Lago Maggiore (Italien) geboren. Er stammte aus einem Adelsgeschlecht und war zudem der Neffe von Papst Pius IV.1565 wurde er Erzbischof von Mailand.Durch verschiedene Reisen in die Schweiz stellte Borromäus Kontakte mit führenden Katho-liken in Rätien her.Karl Borromäus führte die Gegenreformation, den Kampf gegen den Protestantismus, der in regelrechte Verfolgungen bis in die entlegensten Täler Rätiens entartete.Sein Vorgehen war selbst beim Klerus so umstritten, dass er 1569 beinahe Opfer eines Mord-anschlages wurde, den vier Geistliche gegen ihn ausführten.In den Jahren der Pest 1576-1578 setzte er sich aufopferungsvoll für die Bevölkerung ein. Er organisierte Hilfsdienste, die die Erkrankten sowohl materiell wie auch seelsorgerlich unter-stützten.Borromäus bemühte sich sehr um eine innere Erneuerung der katholischen Kirche. Er setzte sich auch für die Abschaffung verschiedener entarteter Traditionen und Bräuche in der ka-tholischen Kirche ein, wie z.B. der Reliquienkult oder der Verkauf von Ablassbriefen.1579 gründete er mit Hilfe des Papstes Gregor XIII. das «Collegium Helveticum» in Mailand, eine neue Ausbildungsstätte für Priester. Borromäus hielt auch Studienplätze für Bündner Theologen bereit.Karl Borromäus verstarb im Alter von 46 Jahren und wurde 1610 heilig gesprochen.

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M25 Karl Borromäus - ich will für die Menschen da sein!

Die Ratte huschte davon. Karl Borromäus zuckte zusammen und schnaufte dann tief durch. «Heilige Muttergottes, hilf!», entfuhr es ihm. Das eine Tier war fort, doch stand es für hun-derte und aberhunderte seiner Art. Und das Tier allein tat ja nichts, doch die Viren in ihm waren Boten des Todes. Die Pest war wieder da. Sie frass sich durch die enggebauten Gassen Mailands und raffte von Haus zu Haus die Schwächsten dahin.

Borromäus eilte durch die Vorhalle seines Bischofspalastes. Hier roch nichts nach den Lei-chen in den Armutsvierteln. Doch Borromäus sah sie vor seinem geistigen Auge. In seinen Ohren klang das Stöhnen der Sterbenden nach. Und in seiner Nase hatte sich der Geruch von Verwesung und Feuer festgesetzt. Er fühlte sich elend und müde.

Er sank auf einen Stuhl und griff sich an den Bischofsring. Die Worte kamen ihm wieder in den Sinn, die ihm bei seiner Bischofsweihe zugesprochen worden waren, als er sich damals in dem gewaltigen Mailänder Dom den Ring übergestreift hatte. Der Ring trug die Inschrift: «Nimm den Ring, das Siegel der Treue, damit du Gottes heilige Braut, die Kirche, geschmückt durch unwandelbare Treue, unverletzt behütest.»Der Ring hatte ihn weit begleitet, auf allen seinen Reisen, durch Norditalien und bis hinein ins Engadin. Überall hatte er gekämpft für die Sache der Kirche, seiner Kirche. Mit den Ket-zern, die sich selbst Protestanten nannten, war er nicht zimperlich umgegangen. Doch hatte er nicht so handeln müssen? Waren sie nicht erklärte Feinde Roms und des Papstes?Gedankt hatten es ihm die Seinen nicht immer. Sogar Mordanschläge hatte man auf ihn ver-übt. Die Täter waren – Gott sei’s geklagt! – nicht Protestanten gewesen, sondern Anhänger der heiligen katholischen Religion, ja sogar Kleriker!Er, Borromäus, hatte anders sein wollen als die Bischöfe vergangener Generationen, über die das Volk verächtlich sprach, weil sie abgehoben vom Volk und ungerührt von aller Not als «hohe Herren» residierten, nicht selten gar nie in der Stadt anzutreffen waren, die ihnen anvertraut war.Nein, er wollte für die Menschen da sein, die ihm anvertraut waren. Die Pesttoten sprachen zu ihm und riefen mitten hinein sein Gewissen: «Hilf den Lebenden, solange Zeit ist und soviel in deiner Macht steht!» Die Pesttoten, die da riefen, hatten Gesichter, doch ob sie katholisch oder protestantisch in ihrem Herzen dachten, liess sich nicht erkennen.

Borromäus erhob sich. Er merkte, wie ihm wieder Kraft zufl oss. Ein Kammerdiener näherte sich und fragte, ob er etwas tun könne. Borromäus sagte: «Geh und hole den Finanzverwal-ter und den obersten Arzt unserer Stadt. Sag’ ihnen, es gehe um die Pest. Wir wollen tun, was möglich ist.»

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Jörg Jenatsch

Georg Jenatsch wurde 1596 im Engadin geboren. Seine Kinderjahre verbrachte er im Pfarr-haus von Silvaplana. 1616 besuchte er die reformierte, theologische Fakultät der Universität Basel. Nach Studienabschluss wirkte er ab 1617 als Prädikant in Scharans im Domleschg.Ab 1618 beteiligte sich Jenatsch an den wilden Parteikämpfen innerhalb der Drei Bünde. Er war ein fanatischer Gegner der spanisch-katholischen Partei. Er selbst war beim Strafgericht in Thusis dabei, wo auch ein katholischer Priester umgebracht wurde. Im gleichen Jahr tritt Jenatsch eine Pfarrstelle bei Sondrio im katholischen Veltlin an. 1620 entkommt er knapp einem Veltliner Protestantenmord und kann nach Silvaplana fl iehen. Aus Rache ermordet Jenatsch mit einigen Helfern den Führer der spanisch-katholischen Partei in den Drei Bünden, Pompejus Planta.Nach dem Einmarsch der Spanier und Österreicher in den Drei Bünden 1620 wird das Land in die Wirren des Dreissigjährigen Krieges hineingezogen. Jenatsch zieht in den Kriegsdienst. Als 1634 der reformierte Herzog Henri II de Rohan im Auftrag des Kardinals Richelieu Grau-bünden besetzte, war Jenatsch seine rechte Hand. Da aber Richelieu Absichten zeigte, Grau-bünden als Pfand für den Friedensschluss zu behalten, führte Jenatsch zur Befreiung seiner Heimat Verhandlungen mit Österreich-Spanien. Zu diesem Zweck trat er 1635 im Kapuziner-kloster in Rapperswil SG zur katholischen Kirche über. Es gelang ihm in meisterhafter Weise, Rohan zu täuschen und zugleich die beim französischen Heer befi ndlichen Bündner sowie das ganze Land für seinen Plan zu gewinnen. Er wurde zum General der Drei Bünde ernannt und war mit der Unterstützung Spaniens in der Lage, die Franzosen um 1637 zum Abzug zu zwingen. Zugleich gelang es ihm mit diplomatischem Geschick, von Spanien die Rückgabe des Veltlins an Graubünden zu erwirken. Von da an war Jenatsch der politische und militä-rische Lenker seines Landes.Bei einem nächtlichen Gelage in Chur wurde er im «Staubigen Hüetli» am 21. Januar 1639 von einer Gruppe von Verschwörern ermordet. Die Mörder konnten nie gefasst werden.

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M27 Jenatsch – Pfarrer und Soldat zwischen allen Fronten

Aus der Churer Wirtsstube «Zum Staubigen Hüetli» im bitterkalten Januar des Jahres 1639 hingen unter der Decke über dem langen Tisch dicke Tabakschwaden, so, dass man kaum vom einen Ende zum anderen schauen konnte. Eine muntere Runde von acht Männern sass beisammen und hatte es fröhlich. Wein fl oss in Strömen und fand nicht immer in die Becher. Ein langes rotes Rinnsal lief über den Tisch und tropfte auf den Boden.

«Brüder, was waren das doch für Zeiten!», rief der stattliche Mann und rieb sich den unterm Kinn spitz zulaufenden Bart, in dem auch schon so mancher Rotweinfl eck prangte. «Jörg, du hast sie alle übers Ohr gehauen!», brüllte einer vom anderen Ende des Tischs. Und er hob den Becher und schrie: «Auf dich, den Retter Graubündens, alter Halunke, du!»Jörg Jenatsch blies den Qualm vor seinen Augen kräftig fort und schaute dem Schreihals drüben ins Gesicht. «Übers Ohr gehauen? … das ist nicht richtig… ich wollte keinem scha-den, sondern wollte nutzen … und Halunke? Nein, nicht für mich, nicht für die eigene Tasche hab’ ich alles getan… sondern für die Heimat… für alt fry Rhätien tat ich, was andere sich nicht trauten und nur Sprüche klopften.» Jenatsch wischte eine Lache Wein vom Tisch, dass es nur so spritzte, «vielleicht ist zuviel Blut gefl ossen, das mag sein … ja, da war einiges … Pompejus Planta, den Verräter, den wir umgebracht haben.» Er lachte kurz auf: «Wisst ihr noch, wie er sich im Kamin versteckte. Und dann winselte der Hund …» Und er erinnerte sich weiter: «Der Priester Nicolò Rusca, der in Thusis unter der Folter starb… doch was Recht war und was Unrecht, das soll der Herrgott entscheiden und sonst keiner… kein Spanier soll mich richten, kein Venezier, kein Franzose, kein Deutscher, keiner von all denen, denen ich doch schon als Soldat gedient habe … die Mehrheit meiner Bündner sollen mich verstehen, mein Leben, meine Taten… das will ich für mich hoffen.»Ein anderer rückte krachend seinen Stuhl und warf ein: «Bei den Reformierten unter den Bündnern hast du jetzt aber nichts mehr zu lachen. Sogar aus dem Synodalbuch, wo sich alle Prediger mit Unterschrift eintragen, haben sie dich gestrichen.»Jenatsch rutschte sichtlich unwohl auf seinem Platz. «Verfl ucht!», rutschte es ihm heraus, «sie haben mich nicht verstanden. Als ich, der weitherum bekannte reformierte Prediger, katholisch wurde, ging es mir nicht um katholisch oder reformiert, sondern um Bünden, um die Freiheit unserer Heimat. Die konnte ich – erinnert euch doch! – damals nur mit Spanien erringen. Und…» Weiter kam er nicht.«Was reden wir denn hier nur?», fi el ihm ein anderer ins Wort, «ist das nicht Schnee von gestern? Wollten wir heute Nacht nicht feiern? Haben wir es nicht gemeinsam geschafft, dass Graubünden heute nach schweren Jahren frei ist?»Doch es kam keine Antwort. Nach einer langen Pause sagte Jenatsch: «Hört ihr draussen die vielen Schritte? Jeder zweite wohl gehört zu einem, der mir nicht wohlgesonnen ist, jeder dritte, so schätze ich, einem, der mich hasst, und jeder vierte – das lasst mich mal freimütig so sagen – kommt von einem, der mich töten würde, wenn er nur könnte.»«Nun hör’ doch auf, so schwermütig daherzureden. Du verdirbst uns noch den ganzen Abend.» Und sie streckten ihre Hände mit den Bechern und liessen sie gegeneinanderstos-sen. «Auf das Leben! Auf Bünden! Auf dich, Jörg!» Und auch der, dem der letzte Trinkspruch galt, Jörg Jenatsch, nahm einen tiefen Schluck. Und draussen hallten wieder Schritte durch die Gassen.

Noch in der gleichen Nacht fand er den Tod und lag in seinem Blut, ermordet von Unbe-kannten. Gerüchte sagten, er sei den Spaniern, mit denen er paktiert hatte, doch zu mächtig geworden.

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M28 Eidg. Volkszählung 2000 GR: Wohnbevölkerung nach Konfessionszugehörigkeit

Gemeinden mit mehr als 1000 Einwohner A-Z

Evangelisch Katholisch

Arosa 1‘150 1‘140

Bonaduz 654 1‘457

Breil/Brigels 57 1‘044

Brusio 91 1‘052

Cazis 488 840

Celerina 532 641

Chur 12‘199 14‘713

Churwalden 476 483

Davos 5‘321 3‘950

Disentis/Mustér 79 1‘954

Domat/Ems 1‘285 4‘061

Felsberg 1‘304 535

Flims 1‘239 932

Grüsch 878 172

Igis 3‘046 2‘735

Ilanz 562 1‘577

Jenaz 862 146

Klosters-Serneus 2‘587 895

Laax 240 788

Luzein 895 91

Maienfeld 1‘384 689

Malans 1‘137 528

Mesocco 37 1‘093

Pontresina 713 1‘055

Poschiavo 283 2‘774

Rhäzüns 280 741

Roveredo 58 1‘829

Samedan 1‘510 1‘180

Schiers 1‘755 389

Scuol 1‘176 700

Seewis i. Pr. 923 186

St.Moritz 1‘679 3‘137

Sumvitg 35 1‘199

Tamins 633 365

Thusis 1‘096 1‘085

Trimmis 1‘237 1‘177

Trin 624 251

Trun 38 1‘199

Tujetsch 142 1‘222

Untervaz 640 1‘270

Vaz/Obervaz 655 1‘694

Zizers 1‘303 1‘286

Zuoz 667 476

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F1.1 Kirche Sogn Gieri (St. Georg) Rhäzüns, Innenansicht Richtung Chor

F1.2 Innenansicht Westwand: Jesus inmitten der Tempelschüler, Rhäzünser Meister, zweite Hälfte des 14. Jh.

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F2.1 Vatikan mit Petersdom

F2.2 Petersdom Kuppel (Janine Pohl) F2.3 Petersdom: Papstaltar

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F3 Schlosskirche von Wittenberg

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F4.1

F4.2

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F5.1 Martinskirche

F5.2 Comanderkirche

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F7 Georg Jenatsch, Ölgemälde von Paul Martig um ca. 1935. Kopie nach einem Originalbild von 1636.