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pbnetz - das politische Bildungsnetz http://www.pbnetz.de Seite 1 [Religionsfreiheit] M 01 Fallbeispiel "Streit um Gebetsruf in Ahlen" Seit einiger Zeit wünscht sich die islamische Gemeinde in Ahlen/Westfalen einmal wöchentlich in der Mit- tagszeit zum Freitagsgebet vom Minarett (Moschee- turm) rufen zu können. Die Moschee ist als Verein eingetragen und wird von der türkischen Religionsbe- hörde "DITIB" , mit Sitz in Köln, unterhalten. Die Moschee befindet sich im südlichen Stadtteil, der "Kolonie", wo der Bergbau noch gegenwärtig ist und sich der Großteil der ausländsichen, überwiegend türkischen Wohnbevölkerung konzentriert. Bisher hat die Stadt dem Wunsch noch nicht entspro- chen . Die Meinungen unter den Betroffenen (Mo- schee, Anwohner, Kirchen und Stadtverwaltung) sorgen immer wieder für Kontroversen . Während sich die muslimische Gemeinde , Vertreter der beiden christlichen Kirchen und der Stadtverwaltung auf die in Artikel 4 des Grundgesetzes garantierte Glaubens-, Gewissens-, und Bekenntnisfreiheit berufen, die auch die ungestörte Religionsausübung beinhaltet, wird von Gegnern des Gebetsrufes Lärmbelästigung und die angeblich verfassungsfeindlichen Absichten der islamischen Religion in den Vordergrund gestellt. Zudem wurde der Moschee bei ihrer Errichtung im Jahre 1989 als Auflage eine akustische Nutzung des Minaretts untersagt, was wiederum die islamische Gemeinde als ungerecht empfindet, da Kirchen auch ihre Glocken läuten dürfen. Ein "Runder Tisch" im Jahre 1995 verlief ergebnislos. Die Frage ist, soll die Stadtverwaltung , an ihrer Spitze der Bürgermeister, dem Wunsch der islamischen Gemeinde stattgeben oder eher den Antrag ablehnen. Wie würden Sie als Bürgermeister entscheiden? (Autorentext) M 02 Alpentraum (Tomi Ungerer) M 03 Rollenkarten Rollenkarte 1 - Islamische Gemeinde Ihr vertretet die islamische Gemeinde der Stadt Ahlen, die seit 1985 als Glaubensgemeinschaft besteht und als Verein eingetragen ist. 1989 konntet ihr die Eröffnung der "Grünen Moschee" im Zechenviertel feiern. Für den Bau habt ihr mehrere Jahre Spendengelder ge- sammelt. Öffentliche Fördermittel gab es dafür nicht. Der Bau der Moschee wurde von einigen Anwohnern heftig kritisiert. Um das Bauvorhaben doch noch realisieren zu können, habt ihr zum Kompromiss dem Bauamt der Stadt einen Verzicht auf eine akustische Nutzung des Minaretts versprechen müssen. Im Laufe der Jahre wurde aber der Wunsch nach einem Gebets- ruf vom Minarett seitens eurer Mitglieder immer stärker. Daher habt ihr einen Antrag auf die Durchfüh- rung des Rufes zum Freitagsgebet, das der Sonntags- messe der Christen nahekommt, gestellt. Ihr seht Ahlen schon lange als euren Lebensmittelpunkt an. Dazu gehört es, dort auch eure Religion ausüben zu können. Ihr betrachtet euch als Bürger dieses Landes, in dem ihr Rechte und Pflichten habt und somit u.a. Steuern zahlt. Da die Ausübung der Religion in Artikel 4 des Grundgesetzes garantiert ist, seht ihr euch im Recht. Dieses Recht gilt es nun möglichst glaubwürdig zu erstreiten. Dabei müsst ihr: a) euren Gegnern möglichst sachlich den Wind aus den Segeln nehmen und b) Verbündete in den christlichen Gemeinden finden. Das kann z.B. durch Aufklärung gesche- hen, in dem ihr euch als Glaubensgemeinschaft zeigt, die den interkulturellen Dialog sucht. Diese Rolle ist von einer hohen Emotionalität gekenn- zeichnet, die in der geplanten Diskussion aber nicht zu stark überhand nehmen darf. Ihr müsst euren Stand- punkt klar und sachlich vertreten und die Regeln des Dialogs einhalten. Rollenkarte 2 - Anwohner (Befürworter) Ihr lebt schon seit vielen Jahren im Zechenviertel und habt ein gutes Verhältnis zu euren türkischen Nach- barn. Ihr pflegt nachbarschaftliche Kontakte, in dem ihr euch gegenseitig einladet und euch Hilfe leistet. Ein Teil von euch kennt auch das Heimatland eurer Nachbarn, vor allem aus dem Urlaub, wo man euch große Gastfreundschaft entgegen gebracht hat. Für euch ist der Wunsch der islamischen Gemeinde berechtigt und akzeptabel. Schließlich haben eure muslimischen Nachbarn auch am Wohlstand Deutschlands mitgearbeitet und stellen eine kulturelle Bereicherung für euch da. Ihr könnt die Gegner nicht verstehen und haltet deren Ansichten für unüberlegt, ängstlich und teilweise sogar fremdenfeindlich. Ob- wohl einigen von euch fast derberühmte Kragen platzen könnte, gilt es in dieser Debatte möglichst die Ruhe zu bewahren und mittels eurer Argumente zu überzeugen. Rollenkarte 3 - Anwohner (Gegner1) Ihr lebt schon seit vielen Jahren im Zechenviertel und habt zu der ausländischen Wohnbevölkerung selten

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[Religionsfreiheit]M 01 Fallbeispiel "Streit um Gebetsruf inAhlen"Seit einiger Zeit wünscht sich die islamische Gemeindein Ahlen/Westfalen einmal wöchentlich in der Mit-tagszeit zum Freitagsgebet vom Minarett (Moschee-turm) rufen zu können. Die Moschee ist als Vereineingetragen und wird von der türkischen Religionsbe-hörde "DITIB" , mit Sitz in Köln, unterhalten. DieMoschee befindet sich im südlichen Stadtteil, der"Kolonie", wo der Bergbau noch gegenwärtig ist undsich der Großteil der ausländsichen, überwiegendtürkischen Wohnbevölkerung konzentriert.Bisher hat die Stadt dem Wunsch noch nicht entspro-chen . Die Meinungen unter den Betroffenen (Mo-schee, Anwohner, Kirchen und Stadtverwaltung)sorgen immer wieder für Kontroversen . Während sichdie muslimische Gemeinde , Vertreter der beidenchristlichen Kirchen und der Stadtverwaltung auf diein Artikel 4 des Grundgesetzes garantierte Glaubens-,Gewissens-, und Bekenntnisfreiheit berufen, die auchdie ungestörte Religionsausübung beinhaltet, wird vonGegnern des Gebetsrufes Lärmbelästigung und dieangeblich verfassungsfeindlichen Absichten derislamischen Religion in den Vordergrund gestellt.Zudem wurde der Moschee bei ihrer Errichtung imJahre 1989 als Auflage eine akustische Nutzung desMinaretts untersagt, was wiederum die islamischeGemeinde als ungerecht empfindet, da Kirchen auchihre Glocken läuten dürfen. Ein "Runder Tisch" imJahre 1995 verlief ergebnislos.Die Frage ist, soll die Stadtverwaltung , an ihrer Spitzeder Bürgermeister, dem Wunsch der islamischenGemeinde stattgeben oder eher den Antrag ablehnen.Wie würden Sie als Bürgermeister entscheiden?

(Autorentext)

M 02 Alpentraum

(Tomi Ungerer)

M 03 RollenkartenRollenkarte 1 - Islamische GemeindeIhr vertretet die islamische Gemeinde der Stadt Ahlen,die seit 1985 als Glaubensgemeinschaft besteht und alsVerein eingetragen ist. 1989 konntet ihr die Eröffnungder "Grünen Moschee" im Zechenviertel feiern. Fürden Bau habt ihr mehrere Jahre Spendengelder ge-sammelt. Öffentliche Fördermittel gab es dafür nicht.Der Bau der Moschee wurde von einigen Anwohnernheftig kritisiert. Um das Bauvorhaben doch nochrealisieren zu können, habt ihr zum Kompromiss demBauamt der Stadt einen Verzicht auf eine akustischeNutzung des Minaretts versprechen müssen. Im Laufeder Jahre wurde aber der Wunsch nach einem Gebets-ruf vom Minarett seitens eurer Mitglieder immerstärker. Daher habt ihr einen Antrag auf die Durchfüh-rung des Rufes zum Freitagsgebet, das der Sonntags-messe der Christen nahekommt, gestellt. Ihr sehtAhlen schon lange als euren Lebensmittelpunkt an.Dazu gehört es, dort auch eure Religion ausüben zukönnen. Ihr betrachtet euch als Bürger dieses Landes,in dem ihr Rechte und Pflichten habt und somit u.a.Steuern zahlt. Da die Ausübung der Religion in Artikel4 des Grundgesetzes garantiert ist, seht ihr euch imRecht.

Dieses Recht gilt es nun möglichst glaubwürdig zuerstreiten. Dabei müsst ihr:a) euren Gegnern möglichst sachlich den Wind aus

den Segeln nehmen undb) Verbündete in den christlichen Gemeinden

finden. Das kann z.B. durch Aufklärung gesche-hen, in dem ihr euch als Glaubensgemeinschaftzeigt, die den interkulturellen Dialog sucht.

Diese Rolle ist von einer hohen Emotionalität gekenn-zeichnet, die in der geplanten Diskussion aber nicht zustark überhand nehmen darf. Ihr müsst euren Stand-punkt klar und sachlich vertreten und die Regeln desDialogs einhalten.

Rollenkarte 2 - Anwohner (Befürworter)Ihr lebt schon seit vielen Jahren im Zechenviertel undhabt ein gutes Verhältnis zu euren türkischen Nach-barn. Ihr pflegt nachbarschaftliche Kontakte, in demihr euch gegenseitig einladet und euch Hilfe leistet. EinTeil von euch kennt auch das Heimatland eurerNachbarn, vor allem aus dem Urlaub, wo man euchgroße Gastfreundschaft entgegen gebracht hat. Füreuch ist der Wunsch der islamischen Gemeindeberechtigt und akzeptabel. Schließlich haben euremuslimischen Nachbarn auch am WohlstandDeutschlands mitgearbeitet und stellen eine kulturelleBereicherung für euch da. Ihr könnt die Gegner nichtverstehen und haltet deren Ansichten für unüberlegt,ängstlich und teilweise sogar fremdenfeindlich. Ob-wohl einigen von euch fast derberühmte Kragenplatzen könnte, gilt es in dieser Debatte möglichst dieRuhe zu bewahren und mittels eurer Argumente zuüberzeugen.

Rollenkarte 3 - Anwohner (Gegner1)Ihr lebt schon seit vielen Jahren im Zechenviertel undhabt zu der ausländischen Wohnbevölkerung selten

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Kontakt; es sei denn samstagmittags bei "Aldi" an derKasse, wo ihr euch schon fast wie auf einem orientali-schen Basar vorkommt. Überhaupt erkennt ihr euerViertel fast gar nicht mehr wieder. Überall Dönerbu-den und herumlungernde ausländische Jugendliche.Einige von euch trauen sich sogar nachts kaum nochauf die Straße. Überhaupt regen euch die vielenKopftücher einiger türkischen Frauen pausenlos auf,zudem sie es noch nicht mal für nötig erachten,Deutsch zu sprechen. Den Bau der Moschee musstetihr noch hinnehmen, ein Gebetsruf in einer fremdklingenden Sprache seht ihr als den Gipfel der Unver-schämtheiten. Ihr meint, dass sich Ausländer denGegebenheiten des Gastlandes anpassen müssen. Ihrhabt Angst "fremd" im eigenen Land zu werden.

Bei eurer Rolle gilt, da sie sehr durch Emotionen wieÄngste und Ablehnung gekennzeichnet ist, sich nichtvon diesen zu stark lenken zu lassen. Bedenkt, dass ihrdurch Argumente überzeugen müsst, wollt ihr in derDiskussion erfolgreich sein.

Rollenkarte 4 - Anwohner (Gegner 2)Ihr lebt schon seit langer Zeit im Zechenviertel undseid froh, wenn ihr sonntags eure Ruhe habt. Kir-chenglocken haben euch schon immer genervt, damuss jetzt nicht noch der Muezzin mit Lautsprechernvom Minarett rufen. Ihr sorgt euch schon seit langemum die zunehmende Lärmbelästigung im Viertel, sei esdurch Verkehr oder spielende Kinder. Da einige voneuch schon etwas älter sind, ist Ruhe für euch absolutunerlässlich. Ihr verlangt auf jeden Fall Rücksicht, egalwelche Art von Lärm das auch sein mag.

In dieser Rolle müsst ihr vor allem mit Untersuchun-gen zu euren Lebensumständen und zu vorgeschriebe-nen Richtlinien in der Lärmbelastung argumentieren.

Rollenkarte 5 - Kirchen (Befürworter)Als Vertreter einer im Zechenviertel ansässigen Kircheunterstützt ihr das Vorhaben der islamischen Gemein-de, am Freitag den Gebetsruf ertönen zu lassen. Ihrseht den Islam als Schwesterreligion an, deren Mittel-punkt ein und derselbe Gott ist. Für euch ist derDialog mit den Muslimen sehr wichtig, da ihr in ihmdie Chance seht, Vorurteile abzubauen und mehr überandere und sich selber kennen zu lernen. Nur so kanneurer Meinung nach die viel diskutierte Integrationfunktionieren. Eure gemeinsamen Bemühungen umeinen Dialog können auch noch dazu beitragen, derReligion im Alltag wieder eine spürbare Resonanz zuverleihen.

Diese Rolle ist von einer hohen Emotionalität gekenn-zeichnet, die in der geplanten Diskussion aber nicht zustark überhand nehmen darf. Ihr müsst euren Stand-punkt klar und sachlich vertreten und die Regeln desDialogs einhalten.

Rollenkarte 6- Kirchen (Gegner)Ihr vertretet eine weitere Kirche im Viertel, die gegeneinen Gebetsruf vom Minarett ist. Eure Meinung stütztihr dabei besonders auf die Ansicht, dass der Islam einFeind der christlich-abendländischen Kultur sei undden Anspruch erhebt, die einzig wahre Religion zu

sein. Ihr schreibt dem Islam aggressive Eroberung-stendenzen zu, der keinen Platz für andere Religionenlasse. Zudem leugne der Islam bestimmte Inhalte desChristentums, wie die Dreifaltigkeit ( Gott als dreige-teiltes Wesen "Vater, Sohn und Heiliger Geist").Moscheen und Koranschulen sind euch ein Greuel, dasie als Zentren der Eroberung des Christentumsfungieren sollen, deren Gegenwart eine gewisseBedrohung darstelle. Eine Ausdehnung dieser Religionauf akustischer Ebene (Gebetsruf) ist für euch undeure Gläubigen untragbar.

Diese Rolle ist von einer hohen Emotionalität gekenn-zeichnet, die in der geplanten Diskussion aber nicht zustark überhand nehmen darf. Ihr müsst euren Stand-punkt klar und sachlich vertreten und die Regeln desDialogs einhalten.

Rollenkarte 7- Parteien (Befürworter)Als politische Partei vertretet ihr die Interessen eurerWähler. Euch ist die Situation im Zechenviertel bereitsseit längerer Zeit vertraut (hoher Ausländeranteil,Arbeitslosigkeit, schlechte wirtschaftliche Lage). Ihrseid an der Integration der ausländischen Wohnbevöl-kerung natürlich sehr interessiert. Die Forderung derislamischen Gemeinde ist für euch berechtigt, daDeutschland für viele Muslime zur Heimat gewordenist und immer mehr Angehörige der zweiten unddritten Generation ehemaliger Gastarbeiter deutscheStaatsangehörige werden. Das im Grundgesetz garan-tierte Recht auf freie Religionsausübung gilt nach eurerAuffassung auch für die Muslime. Dadurch, dass derGebetsruf thematisiert wird, seht ihr eine großeChance für einen besseren Dialog zwischen denKulturen. Damit könnte ein wichtiger Beitrag zur vieldiskutierten Integration geleistet werden.

Rollenkarte 8- Parteien (Gegner)Als politische Partei vertretet ihr die Interessen eurerWähler. Ihr seid mit der Situation im Zechenviertelbereits seit längerer Zeit vertraut (hoher Ausländeran-teil, Arbeitslosigkeit, schlechte wirtschaftliche Lage).Eurer Meinung nach ist die Integration der ausländi-scher Bewohner des Zechenviertels derzeit wenigfortgeschritten und ihr seht in einer Zunahme dereigenen Infrastrukturen (Geschäfte, Moscheen, Verei-ne usw.) mehr und mehr eine Ghettoisierung, die indem Maße nicht akzeptiert werden kann. Ihr meint,dass man sich in Deutschland den hiesigen Lebensbe-dingungen anzupassen habe. Die Muslime sollen hierzwar ruhig ihrem Gebet nachgehen können, einenGebetsruf über Lautsprecher könnt ihr jedoch unterkeinen Umständen akzeptieren. Da ihr den Ruf nichtals zwingenden Bestandteil des Gebets seht, ebensowenig wie den Bau von hohen Kuppeln und Minaret-ten, seid ihr nicht der Ansicht, dass mit dem Grund-recht der Religionsfreiheit argumentiert werden kann.Diese Rolle ist teilweise durch eine hohe Emotionalitätgekennzeichnet, die im Verlauf der Diskussion nichtüberhand nehmen soll. Euer Anliegen muss klar undsachlich formuliert sein.

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Rollenkarte 9- Der Bürgermeister und seineBeraterDer Bürgermeister der Stadt sowie seine Beratermüssen in der ganzen Diskussion sowohl ein Ohr fürdie Befürworterseite als auch für die Gegnerseitehaben. Dabei müsst ihr eine Lösung finden, die einemöglichst hohe Akzeptanz erreicht und dabei auch denGrundsätzen des modernen Rechtsstaates entspricht.Beachtet auch, dass eine Lösung in der Debatte sowohllangfristig als auch kurzfristig zu sehen ist und klarentschieden werden muss.

Rollenkarte 10- Die PresseAls Mitglied der Tageszeitung "Stadtnachrichten"versuchst du dir einen Überblick über die Diskussi-onslage zu verschaffen und schreibst über die einzel-nen Ereignisse .Als neutraler Bericht dient dein Text in erster Linie zuInformationszwecken. Möchtest du mehr deine eigeneMeinung zu dem Thema einbringen, schreibst du einenKommentar, der zudem noch Diskussionsbeitrag seinkann.

(Autorentext)

M 04 Bilder aus Ahlen[alle Gruppen]Einkaufsszene

Förderweg

Ghettograffiti

Glückaufplatz

Hansastrasse (1)

Hansastrasse (2)

Kesselstrasse

Koloniegärten

Moschee (1)

Moschee (2)

Spielende Kinder

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Rottmannstrasse

Sattelstrasse

St. Josef Kirche

Stapelstrasse

Gartenzwerge

Wetterweg

Zeche Westfalen

M 05 Der Gebetsruf (Ezan)[alle Gruppen]Der islamische Gebetsruf lautet:• Allah ist der Allergroesste (4 mal)• Ich bezeuge, dass es keinen Gott ausser Allah gibt

(2 mal)• Ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte

Allahs ist (2 mal)• Kommt her zum Gebet (2 mal)• Kommt her zum Heil (2 mal)• Allah ist der Allergroesste (2 mal)• Es gibt keinen Gott ausser AllahIm Morgengebet wird eingefuegt:• Gebet ist besser als Schlaf (2 mal)Unmittelbar vor Eroeffnung des eigentlichen Pflicht-gebets folgt ein zweiter Gebetsruf, die iqama. In diesenzweiten Ruf wird eingefuegt:• Das Gebet hat begonnen (2 mal).Der zweite Gebetsruf wird innerhalb der Moscheegerufen.Die Sprache ist arabisch.

(Quelle: Evangelische Stadtgemeinde Marl.)

M 06 Wat soll dä Zoff?[alle Gruppen]Erich Wiedemann über Toleranz und Militanz inden deutschtürkischen Vierteln des RuhrpottsAuf der Straßenbahn, Linie 127, im Essener StadtteilSchonnebeckshöfe ist es für einen Muslim nicht leicht,ein vorschriftsmäßiges Gebet zu verrichten. Zwischender Haltestelle an der Zeche Zollverein und demKaternberger Markt macht die Straße nämlich ein paarverwegene Serpentinen. Die heilige Stadt Mekka liegtmal links und mal rechts von der Straßenbahn undmanchmal achteraus. So schnell kann sich jemandbetend gar nicht drehen und wenden. Der bärtigeAfghane, der wohl noch nicht lange im Lande ist,versucht erst, auf dem Gelenkplafond zwischenVorder- und Hinterwagen niederzuknien. Weil er dakeinen Halt findet, rappelt er sich auf, stemmt sich mitdem Rücken gegen die Haltestange, an der der Fahr-kartenentwerter befestigt ist, um nunmehr im Stehenzu beten. Das ist aber wegen des variablen Bezugs-punktes ein schlingerndes Unterfangen. Kurz vor demZechentor wirft eine rabiate Bodenwelle den altenMann aus der Senkrechten. Er taumelt, kriegt geradenoch die Stange zu fassen und schwingt wie einKaffeemühlenschwengel zur Seite.

Daraufhin brüllende Heiterkeit von seiten der zweiSchlakse, die vor ihren Mädels am Nachweis derIdentität von Lautstärke und Mannbarkeit arbeiten. Sieschmeißen die Jeansbeine hoch, klatschen sich au dieSchenkel und kreischen respektloses Zeug.

Das gefällt dem alten Mann mit Mütze und Rentner-blouson nicht, der zwei Reihen hinter den Lümmelssitzt. Er nimmt pädagogische Haltung an und ruft:"Äh, watt soll dä Zoff. Ich gipp euch gleich, dä Herrhier auffe Rolle nehm." Dann wackelt er auf denBärtigen zu und greift nach seiner Hand. "Laß dichvon die Bengels nich verkackeiern Kollege." Bevor er

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sich wieder zu seiner Aktentasche setzt, dreht er sichnoch mal zum Publikum und raunzt: "lss do wahr ... "Jeder kann sehen: Im Ruhrpott hat die Freiheit derReligionsausübung Rückhalt im Volk.

Die Regel hat aber Ausnahmen. Sie gilt uneinge-schränkt nur dort, wo die Einheimischen klar in derMehrheit sind. Das ist so in Bottrop, Gladbeck,Gelsenkirchen und in den nördlichen Stadtteilen vonEssen, Dortmund und Bochum. Im DuisburgerNorden, wo der Türkenanteil über dem hier gültigenEichstrich liegt, ist das nicht so. Die Toleranzfragestellt sich nicht, weil es stellenweise mehr Türken alsDeutsche gibt.

Wo das deutsch-türkische Verhältnis klemmt, ist imDuisburger Lautsprecherstreit besonders deutlichgeworden. Die muslimischen Gemeinden der StadtteileLaar und MarxIoh haben bei der Stadtverwaltungeinen Antrag auf Installierung von Lautsprechern anden Duisburger Moscheen eingereicht, über die derMuezzin künftig die Muslime zum Gebetrufensoll.Dagegen machen Pastor Dietrich Reuter, derSeelsorger der evangelischen Kirchengemeinde Laar,und seine Bekenntnisbewegung "Kein anderes Evan-gelium" Front. Was wieder-um den Sprecher derDuisburger Moscheevereine zu der düsteren Erklärungveranlaßt hat, es sei mit "unkontrollierbaren Reaktio-nen" zu rechnen, wenn dem Antrag nicht stattgegebenwerde.

Pfarrer Reuter ist kein Kreuzritter. Er glaubt imPrinzip daran, daß alle Kinder Gottes gleich sind. Erhört wohl auch nicht ohne Wohlgefallen, daß estürkische Kinder in Laar gibt, die ihn "unser HerrPastor" nennen. Nur daß für ihn der Gott der Muslimeund der Christengott eben nicht identisch sind und daßin seinem Wertekatechismus die christlichmuslimischeVerständigung einen niedrigeren Stellenwert hat als beiden progressiven jungen Pastoren von der rheinischenLandeskirche.Reuters katholischer Amtsbruder PaterPatrick Daumann von der St.-Ewaldi-Gemeinde an derFriedrich-Ebert-Straße sieht das so ähnlich. Er meidetdie offene Konfrontation. Doch in der Sache ist er mitReuter so einig, wie ein katholischer und ein prote-stantischer Geistlicher miteinander einig sein können."Wir kommen mit den Muslimen aus, aber wir schmu-sen nicht", sagt Daumann.

Es sei vorgekommen, daß Laarer Katholiken vor demFreitagsgebet von türkischen Gläubigen aufgefordertwurden, auf die andere Straßenseite zu gehen, weil derBürgersteig vor der benachbarten Moschee islamischesTerritorium sei. Eigentlich müsse man über so was malreden, sagt Pater Daumann. Aber er kann kein Tür-kisch, und der Hodscha von nebenan kann keinDeutsch.

Das Toleranzdefizit ist keine rein deutsche Angelegen-heit. Nach dem Fall der Mauer wurden in Laar türki-sche Flugblätter verteilt, in denen es hieß: "Der Kom-munismus ist zerstört, jetzt werden wir die Demokratiebesiegen." Derlei Radikalismen, sagt Daumann, seienaber untypisch für die Türken in Duisburg. Es habehier zwar Straßenschlachten zwischen rivalisierenden

Türken-Gangs von rechts und links gegeben. Aber dieDeutschen seien dabei nicht belästigt worden.

Juristisch gesehen haben die Reuter Fundamentalistenin der Lautsprecher-Frage kein gutes Blatt. Glaubens-freiheit gilt in Deutschland für Muslime ebenso wie fürChristen und zwar auch dort, wo sie mit Geräuschent-wicklung verbunden ist. Das Grundrecht auf freieReligionsausübung (Artikel 4) hat theoretisch nur daseine Grenzen, wo es mit dem Recht auf körperlicheUnversehrtheit (Artikel 2) kollidiert. Aber Reuter siehtsein Grundrecht schon dadurch bedroht, daß anderedas gleiche Recht haben. Deshalb beansprucht er fürsich und die Seinen eine "negative Religionsfreiheit".Deutsche sollen in Deutschland freier sein als Türken.Es gibt noch kein höchstrichterliches Urteil zur Sache.Doch die Amts- und Landgerichte, die sich damitbefassen mußten, haben alle entschieden, daß Kir-chenglocken und Minarettlautsprecher spirituell unddamit vor dem Gesetz gleichwertig sind. Die Duisbur-ger könnten es natürlich auch so machen wie dieBayern und sich zur Abwehr des schallverstärktenGebetsrufs mit dem Immissionsschutzgesetz behelfen,das den Ausstoß von Schall und Rauch regelt. Es istaber fraglich, ob diese Regelung einem Rechtsstreitstandhalten würde. Denn der Heavymetal-Sound vonden Kirchtürmen bringt es auf durchweg doppelt soviele Dezibel wie das Geplärre aus den Moscheelaut-sprechern.

Es ist tragisch: Deutsche und Türken leben seit 30Jahren nebeneinander her, ohne sich wirklich kennen-gelernt zu haben. Neuerdings scheinen sie sich sogarwieder auseinanderzuleben. Man hatte gedacht, dieZeit werde es schon richten, spätestens die dritteGeneration Türken werde voll integriert sein - so wiedie Nachkommen der polnischen Bergleute, die Mittedes letzten Jahrhunderts auf der Suche nach Arbeit insRevier fluteten. Aber die Hoffnung hat sich nichterfüllt. Die Almancilar, die Deutschländer, wie sie inAnatolien heißen, haben heute zwei Heimatländer-. dasLand, in dem sie leben und Geld verdienen, und dasLand ihrer Vorfahren, das sie sich virtuell über dieSatellitenschüssel ins Haus holen.

Um die Verwandten in der alten Heimat zu besuchen,brauchen sie nicht mehr 2000 Kilometer über Auto-bahn und Autoput zu trecken. Vom Rhein-Ruhr-Flughafen in Düsseldorf kann man schon für 500Mark nach Istanbul fliegen. Und zwischendurch ruftman mal an. Auch weit hinten in der Türkei gibt esTelefone in allen Dörfern. Die Frage, welche Heimatdie richtige ist, kann offenbleiben. Die Bonner Regie-rungskoalitionhabe kein Konzept für die Integrationder Türken, hat der Dichter Günter Grass gesagt. Daswird wohl so sein. Aber Günter Grass hat auch keinKonzept. Selbst wenn er eines hätte, wären die Inte-grationsaussichten wohl nicht besser. Mythen habenkurze Beine, die Verwirklichung der multikulturellenGesellschaft ist nicht in Sicht. Die Jungtürken wollensich nicht mehr integrieren. Sie halten Integration füreine Art Unterwerfung. Sie wollen auch nicht mehrdafür gelobt werden, daß sie gut Deutsch sprechen.Und sie wollen auch nicht mehr nur als Hilfsarbeiter,Aldi-Kunden und NatoSoldaten geschätzt werden.

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Deshalb sind selbst Türken, die selten oder nie in dieMoschee gehen, so vehement für die Lautsprecher amMinarett. Die hörbarePräsenz der Religion ist für sieauch Ausdruck des kollektiven Selbstbewußtseins.Dietrich Reuter und sein Presbyterium sehen hinterdem Ruf des Muezzin „den Machtanspruch aufDurchsetzung des Willens Allahs". Die Islamistenwollten dadurch die öffentliche Ordnung untergraben.Wo das endet, ist für Reuter klar: bei der Kujonierungvon Christenmenschen durch Muselmanen. Im Koransteht ja geschrieben, daß man die Ungläubigen be-kämpfen soll, "bis sie ihren Tribut in Demut entrichtenund sich unterwerfen". Soweit es die Flut von Leser-briefen an die Lokalzeitungen ermessen läßt, hat PastorReuter viel Rückhalt im roten Duisburg.

Die deutsche Bevölkerung in den sogenannten Misch-gebieten hat weniger Angst vor dem Heiligen Krieg alsvor dem sozialen Abstieg. Wo Ausländer dominieren,da sinken die Immobilienpreise. Und wo die Immobili-enpreise sinken, da steigt der Ausländeranteil. Das istdas Gesetz des Ghettos. Die Integrationspolitik derRuhr-Städte und der nordrhein-westfälischen Landes-regierung hat durchaus redliche Ansätze. Die Kulturre-ferenten fördern Bauchtanzkurse an Volkshochschu-len. Deutsche Polizisten lernen Türkisch. Das Arbeits-und Sozialministerium in Düsseldorf unterstützt dieForderung nach einem Wort zum Freitag im Fernse-hen. Lauter gute Gesten. Doch den Durchbruch zurdeutsch-türkischen Akkulturation werden sie nichtbringen, ebensowenig wie die Koranlesungen inevangelischen Kirchen und das neue christlich islami-sche Altersheim in Duisburg. Soviel ist sicher: Zur Zeitgeht der Trend weg von der Integration. Die Verdros-senheit ist ein guter Acker für die militanten Islamistenund Nationalisten. Pater Daumann aus Laar sagt: "Wirhaben mehr Probleme, seit in der Türkei die Erbakan-Islamisten so stark sind." Die Popgruppe Yarinistanhat ihre Verachtung für den braven Malocher Ali mitder Aldi-Tüte in klingende, Satire gefaßt: "Zigeunersind lustig, / die Türken sind froh, / trinken viel Raki/ und putzen das Klo." Nein, das wollen sie nichtmehr.

Weil sie eine schlechtere Schulbildung haben als dieDeutschen, sind 25 bis 30 Prozent der jungen Türkenim Ruhrgebiet arbeitslos. Sie sind die Hauptzielgruppeder nationalistischen und islamistischen Ultras. RalfMeinert, der an der AnneFrank-Schule in DortmundSozialarbeit unter türkischen Schülern verrichtet, sagt,er sei erschrocken über die "kleinen wegweisendenZeichen", die osmanischen Kriegswimpel an denAutos, die Symbole der radikalen Milli Görüs und derGrauen Wölfe auf T-Shirts, die pantürkischen Parolenauf den Wänden in den Klassenzimmern. Nein, dermilitante und inhumane Islam in Deutschland ist keineErfindung. Die Radikalen sind gegen die Gleichbe-rechtigung der Frau und für die Hinrichtung vonSalman Rushdie. Sie träumen von der Wiederauferste-hung des Osmanischen Reiches und von der Vertrei-bung der Juden aus Israel. Der Verfassungsschutzbrachte 1996 viel diplomatische Gelassenheit auf, umdie Ausfälle gegen die Demokratie und die Deutschen,mit denen der Milli-Görüs-Vorsitzende, Ali Yüksel, dieDortmunder Westfalenhalle zum Brodeln brachte,

nicht als Volksverhetzung zu werten. Liberale Pastorenempfehlen für den Umgang mit der "islamischenGefahr" die Lektüre des Vorwortes, das Doktor MartinLuther Anfang des 16. Jahrhunderts zu dem "Jürken-büchlein des Ungenannten Mühlbachers" verfaßte. Esheißt dorten: "Siele Theologen zwacken zu viel hitzigund hefftig allein das allerschendtlichst und ungeheu-rest aus dem Alkoran heraus", jedoch "was gut darinist, das verschweigen sie". Und Luther war alles andereals ein Türkenfreund.

(Erich Wiedemann)

M 07 Stellungnahme zum Gebetsruf[Gruppe 1 - islamische Gemeinde]I. Stellungnahme des ZMD-Vorsitzenden Dr.Nadeem ElyasKöln, den 10. Februar 19981. Der Gebetsruf ist ein wichtiger Bestandteil der

islamischen Gottesdienstlehre. Er wurde schon imersten Jahr der islamischen Zeitrechnung durchdirekte Anweisung des Propheten vorgeschrieben.In den islamischen Rechtsschulen gilt der Gebets-ruf als "obligatorische Pflicht" oder zumindest als"Bestandteil der prophetischen Tradition".

2. Zur Praxis des Gebetsrufs gehört das lauteAusrufen aus einer erhöhten Stelle. Dies pflegteBilal, der Rufer des Propheten, zu tun. Die spätererrichteten Ruftürme (Minarette) und das laut-sprecherverstärkte Ausrufen stellen eine durch alleZeiten hindurch gepflegte islamische Tradition inder ganzen Welt dar.

3. Die Definition von Glaubensinhalten und Glau-benspraxis ist das alleinige Recht der jeweiligenReligionsgemeinschaft. Wir Muslime verwahrenuns davor, daß manche Nichtmuslime sich dasRecht nehmen, den Muslimen vorzuschreiben,was als Bestandteil ihrer religiösen Praxis gilt, undwas nicht als solcher gelten soll.

4. Das im Grundgesetz verbriefte Recht auf freieReligionsausübung beinhaltet in Bezug auf denIslam das Errichten der Moscheen mit allen dazugehörenden Einrichtungen und das Verrichten derGottesdienste mit allen dazu gehörenden Be-standteilen.

5. Bei der Wahrnehmung dieser Grundrechte gehendie Muslime von dem Prinzip der Gleichbehand-lung aus und respektieren selbstverständlich diegeltenden Gesetze und Bestimmungen.

6. Daß manche Moscheegemeinden diese Rechtenicht in Anspruch nehmen, bedeutet nicht, daß siegrundsätzlich darauf verzichten, und gibt nieman-dem das Recht, ihnen oder gar der gesamten isla-mischen Religionsgemeinschaft diese Rechte ab-zuerkennen.

II. "Streitpunkt Gebetsruf"Eine Veröffentlichung der Beauftragten der Bundesre-gierung für Ausländerfragen, zusammengefaßt undkommentiert von Dr. jur. Wilfried Murad Hofmann,Beiratsmitglied des ZMD1. Als eine ihrer "Mitteilungen" veröffentlichte die

Beauftragte der Bundesregierung für die Belangeder Ausländer ein 36-seitiges, vorzügliches und

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völlig neutrales Rechtsgutachten des StudentenMartin Völpel "zu rechtlichen Aspekten im Zu-sammenhang mit dem lautsprecherunterstütztenRuf des Muezzins". Er kommt dabei zu folgendenErgebnissen:• Lautsprecheranlagen an Moscheen sind keine

genehmigungsbedürftigen Anlagen im Sinnedes Bundesimmisionsschutzgesetzes(BImSchG).

• Der Gebetsruf fällt unter den Schutz desGrundgesetzartikels über die Religionsfreiheit(Art.4, Abs.2) und kann daher nur bei Kolli-sion mit anderen Rechten im Verfassungs-rang eingeschränkt werden; dabei könnenLärmschutzrichtlinien Hinweise geben.

• Bei Einhaltung der Richtwerte stellt der Ge-betsruf in der Regel keine schädliche Um-weltseinwirkung auf Gesundheit oder Ei-gentum, auch von Anwohnern, dar. Nach al-lem sollte der Gebetsruf nicht anders als dassakrale Glockengeläut behandelt werden.

2. Dieses die Rechtsauffassung der Muslime bestäti-gende Gutachten hat natürlich keine Behördenoder Gerichte bindende Wirkung; aber keine Be-hörde und kein Gericht kann künftig an seinerArgumentation vorbeigehen. Wichtig ist dabei vorallem die Feststellung, daß Geräuscheinwirkungregelnde Vorschriften - wie das BImSchG, dieStraßenverkehrsordnung oder sonstige ordnungs-rechtliche Vorschriften - nicht unmittelbar aufden Gebetsruf anwendbar sind, weil dessenSchutz Verfassungsrang hat. Eine Einschränkungdes adhan hinsichtlich Häufigkeit, Dauer und In-tensität ist daher nur rechtens, wenn andere vomGrundgesetz geschützte Güter (wie Gesundheitund Eigentum) gefährdet werden.

3. Erst bei dieser Güterabwägung im Verfassungs-rahmen können Erfahrungswerte aus dem techni-schen Lärmschutz nach BImSchG eine Rollespielen. Noch wichtiger ist allerdings der von denKirchen gesetzte Maßstab: Wenn plötzlich früh-morgens oder unter Tag einsetzende, kilometer-weit zu hörende Glockengeläute nicht zu einerunzumutbaren Wertminderung der Nachbar-grundstücke, Gefährdung der Gesundheit ihrerBewohner oder Unfällen im Straßenverkehr führt,dann kann ähnliches auch nicht vom Gebetsrufbehauptet werden. Daß sich jemand über denGebetsruf aus ideologisch Gründen ärgert, ist ge-genüber dem Grundrecht auf die rituelle Aus-übung des Islam jedenfalls ohne Belang.

4. Nun haben die Muslime ja schon die Erfahrunggemacht, daß man sie bewußt der Ungleichbe-handlung aussetzt (siehe die den Juden, aber nichtden Muslimen gestattete halal - Schlachtung). Esgilt sich also darauf einzustellen, daß man die eta-blierten Kirchen möglicherweise mit einem öf-fentlichrechtlichen Gewohnheitsrecht für Lär-mimmission privilegiert. Dies wäre verfassungs-rechtlich bedenklich.

5. Auch müssen sich die Muslime auf ein Gegenar-gument einstellen, das von stud. jur. Völpel zuRecht vernachlässigt wurde: daß es nämlich desGebetsrufs garnicht bedürfe, weil viele Muslimejedenfalls das fajr-Gebet zuhause beten und sich

dafür den Wecker stellen. Dieser Einwand ist un-maßgeblich, weil man mit "Bedarfserhebungen"das gesamte Grundrecht auf Religionsfreiheit aus-hebeln könnte. Entscheidend ist, daß die Mosche-en - wo immer sich Muslime aufhalten - seit Jahr-hunderten zum Gebet gerufen haben, dies alsozum Ritual des Islam gehört. (Übrigens ist dieMorgenmesse für Christen keine kanonischePflicht; trotzdem wird dafür geläutet.)

6. Da Moscheelautsprecher nicht genehmigungsbe-dürftig sind, sollten unsere Moscheegemeindennun einfach mit Gebetsrufen nach außen begin-nen, maßvoll und probeweise nur unter Tag, umdie Akzeptanz zu testen. Sollten sich dann Behör-den mit Totalverbot einschalten wollen, könntemit ihnen auf Grundlage des Rechtsgutachtensverhandelt werden, wonach der Gebetsruf nichtausgeschlossen sondern nur auf ein bestimmtesMaß beschränkt werden darf. Eine gültliche Beile-gung der Meinungsverschiedenheiten auf lokaler(Verwaltungs-)Ebene ist im Zweifel einer gericht-lichen Durchsetzung unserer Rechte vorzuziehen.

M 08 "Werls Bourgeoisie hat sich als intole-rante Clique entpuppt"[Gruppe 7 - Parteien (Befürworter)]Deutliche KritikGrüne befürworten Antrag des Islamischen Kul-turvereins auf GebetsrufWerl. (tab) Cornelia Wiberg ist neue Sprecherin desOrtsverbandes der Bündnis 90 / Die Grünen. ImRahmen der Jahreshauptversammlung in der Stadthalleam Dienstagabend wurde sie gewählt, löst somitWilhelm Menze in seinem Amt ab. WeitererSprecherdes Ortsverbandes bleibt nach Wiederwahl LotharDrewke. Bei den drei Beisitzern wurde Kemal Fejzicwiedergewählt. Neu im Amt sind Ludger Kottmannund Cornelia Gerbling-Fiedrich, die ab jetzt dieAufgaben und Tätigkeiten von Alfons Nabers undHeinz Wolter übernehmen werden. Kassiererin ist undbleibt Gertraud Menze. Auch die beiden Kassenprüfe-rinnen Hildegard Hill-Green und Bernhild Schröerwerden weiterhin ihren Aufgaben auf diesem Gebietnachgehen.

Neben den Vorstandswahlen standen noch die Regula-rien auf der Tagesordnung. Ein weiterer Programm-punkt war hier der Rechenschaftsbericht des Vor-stands, der von Lothar Drewke vorgelegt wurde.Drewke zog ein Resumee der vielen Aktionen, die derOrtsverband Werl mit dem alten Vorstand initiierthatte und sprach viele Themen an, die die Hellwegstadtbetreffen.

Die "Sache Münstermann" beispielweise, der eine"eigene Straße für seine Kunden beansprucht" und mitdem die Grünen im vergangenen Jahr aufgrunddessenheftige Debatten führte, die Erinnerung an die jüdi-schen Werler im Deutschen Reich zur Reichskristall-nacht auf dem jüdischen Friedhof, die Abschiebungder Ausländer und auch die Ablehnung der Grünengegenüber Garzweiler II waren nur einige Aktionenund Themenkomplexe, die die BündnisGrünenbehandelt hatten. Außerdem äußerte sich der Sprecher

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der Grünen zu dem Antrag des Islamischen Kulturver-eins, den Muezzin fünfmal am Tag ohne Verstärkerausrufen zu lassen. "Die Werler Bourgeoisie hat sichals intolerante Clique entpuppt. Die Grünen befür-worten diesen Antrag, sindwir doch dem Grundgesetztreu", meint Lothar Drewke.

Fraktionsvorsitzende Elke Hübner gab einen Rechen-schaftsbericht der Fraktion ab. "Alles tagt hinterverschlossenen Türen, es muß mehr Öffentlichkeitsar-beit gemacht werden", plädierte Elke Hübner undsprach ebenfalls über die gelaufenen Themen undAktionen. Sie schnitt unter anderem die Befürwortungder Grünen für den Bau der Nordspange, die Bebau-ung des Wulf-Hefe-Platzes und die Ansiedlung desKonzerns Aldi an. Einer Diskussion folgte dann einBericht aus dem Bundestag von Manfred Such.

Bei den Terminen für Aktionen der Grünen sollte mansich den 8. November vormerken. Am kommendenSamstag nämlich wird der Ortsverband mit einemInfostand zum Thema "Eurofighter, Notwendigkeitoder Wahnsinn?" in der Fußgängerzone vertreten sein.Die BündnisGrünen vertreten hierbei die Meinung,daß es angesichts der horrenden Staatsschuldenunverantwortlich sei, "soviel Geld (23 Milliarden) fürein technisch veraltetes Flugzeug auszugeben, über dassich die amerikanischen Flugzeugbauer schon heutetotlachen würden." Für den 28. November ist danneine Kreismitgliederversammlung der Bündnis 90 /Grünen in Soest terminiert.

(Soester Anzeiger, 06.11.1997.)

M 09 "Schutz der Religionsfreiheit gilt auchden Muslimen"[Gruppe 5 - Kirchen (Befürworter)]Gemeinsame Stellungnahme der EvangelischenKirche im Rheinland und Evangelische Kirchevon Westfalen: Zum öffentlichen islamischenGebetsrufGegen die Ablehnung eines lautsprecherverstärktenislamischen Gebetsrufes haben sich die Kirchenleitun-gen der Evangelischen Kirche im Rheinland und derEvangelischen Kirche von Westfalen in einer gemein-samen Stellungnahme ausgesprochen. Die Religions-freiheit sei in unserer Rechtsordnung als Grundrechtbesonders geschützt. Dieses Menschenrecht stehe allenMenschen in Deutschland zu, ungeachtet ihrer Staats-bürgerschaft. Die Religionsfreiheit schütze aber nichtallein die individuelle Religionsausübung, sondernsichere, daß die Gläubigen ihren Glauben in derÖffentlichkeit ausüben und ihr Leben nach denGeboten und Verboten der Religion ausrichten, heißtes in der Stellungnahme. "Wenn auch der Islam bei derVerabschiedung des Grundgesetzes nicht im Blick war,gilt der Schutz der Religionsfreiheit auch den Musli-men in Deutschland und den juristischen Vereinigun-gen, die sie hier in Übereinstimmung mit der hiesigenRechtsordnung bilden", so das Papier.

Hinter der Ablehnung des lautsprecherverstärktenGebetsrufes könne eine Ablehnung der sich herausbil-denden multireligiösen Gesellschaft in Deutschland

stehen, wird vermutet. Obwohl mittlerweile nahezudrei Millionen Muslime in Deutschland leben, vielebereits in der dritten Generation, habe sich die deut-sche Gesellschaft noch kaum auf eine dauerhaftePräsenz des Islam eingestellt.

In der Stellungnahme wird der öffentliche islamischeGebetsruf mit dem Glockenläuten der christlichenKirchen verglichen, zugleich wird aber auf Unterschie-de hingewiesen. "Vergleichbar sind Glockenläuten undöffentlicher islamischer Gebetsruf darin, daß in beidenFällen eine Religionsgemeinschaft mit ihrer Einladungzum Gebet sich an die Öffentlichkeit wendet", beto-nen die Kirchen. Der erste Unterschied liege darin, daßdie Glocken die Gemeinde zum Gottesdienst und zumGebet einladen, der islamische Gebetsruf aber auchdas islamische Glaubensbekenntnis enthalte. Einzweiter Unterschied wird darin gesehen, daß dasöffentliche Glockenläuten zum kulturellen ErbeDeutschlands gehöre, dessen heutige Rechts- undGesellschaftsordnung ohne den maßgeblichen Beitragdes Christentums nicht vorstellbar wäre.

Mit der Stellungnahme wollen die beiden evangeli-schen Kirchen die Auseinandersetzungen um denöffentlichen islamischen Gebetsruf und die Motive derAblehnung in den Gemeinden ernst nehmen. DieFrage, ob ein öffentlichlicher, islamischer Gebetsrufdie Christenheit in Deutschland gefährde, verneint dasPapier: "Unsere Gemeinden sollten sich hier keineAngst machen lassen. Christinnen und Christenkönnen überzeugt sein, daß sie mit dem Evangeliumvon Jesus Christus eine gute Sache fröhlich und ohneZukunftsangst vertreten dürfen. Die frohe Botschafthat eine solche Kraft, daß Kirchengemeinden nicht vordem öffentlichen Auftreten anderer Religionsgemein-schaften Angst haben sollten."

In der Stellungnahme wird auf positive Wirkungen desKontaktes mit anderen Religionsgemeinschaftenhingewiesen: "Die Erfahrung lehrt eher, daß Christin-nen und Christen, die sich auf Begegnungen mitMenschen anderen Glaubens einlassen, in ihremGlauben gestärkt werden. Sie können mit Freudeerkennen, wie Gott auch an anderen Menschenhandelt, sie können aber auch manchmal deutlicher alsbisher die Besonderheiten christlichen Bekenntnissesentdecken und mit Wort und Tat bezeugen."

Beide Kirchen danken allen, die in der Auseinanderset-zung um den öffentlichen islamischen GebetsrufGeduld und Toleranz aufgebracht haben. In denKirchengemeinden wachse das Interesse an Informa-tionen über den Islam und die Bereitschaft zur Begeg-nung mit Muslimen. "Es gibt ermutigende Erfahrun-gen: An einigen Orten konnten runde Tische gebildetwerden, an denen Kirchengemeinden und Moschee-vereine mitwirken. Sie können Feinbilder aufarbeitenund Vertrauen herstellen", betont das Papier. Hinge-wiesen wird darauf, daß auch in gemischten Wohnge-bieten weitgehend "die gute Nachbarschaft" und nichtder Konflikt "das Normale" sei. Moscheevereinehätten bisher fast immer den Konsens mit der Nach-barschaft gesucht, wenn sie sich um eine Genehmi-gung des lautsprecherverstärkten Gebetsruf bemühten.

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Der Rechtsweg sei bisher fast nie beschritten worden.

Gleichwohl setzen sich die Kirchen in der Stellung-nahme dafür ein, daß Christen auch in islamischgeprägten Ländern das Recht haben, Kirchen zu bauenund zum Gottesdienst die Glocken zu läuten. Hiergebe es in einigen Ländern Benachteiligungen, ja sogarVerfolgungen, "die wir nicht hinnehmen können. Wirhaben Verständnis dafür, daß diese Benachteiligungenund Verfolgungen für Christen in unserem Lande einÄrgernis sind." Gewarnt wird jedoch davor, deshalbrestriktiv auf Muslime in Deutschland zu reagieren."Allerdings verdunkelt es das christliche Zeugnis, wennin Reaktion auf solche Vorkommnisse gegenüberMuslimen in unserem Land eine harte Haltung gefor-dert wird. Vielmehr sollten unter uns lebende Muslimedazu ermuntert werden, auf ihre Glaubensgeschwisterin den islamisch geprägten Ländern in positiver Weiseeinzuwirken", wird gefordert.

(Pressestelle Evangelische Kirche im Rheinland, Landeskirchenamt ©1999.)

M 10 Zum öffentlichen islamischen Gebets-ruf[Gruppe 5 - Kirchen (Befürworter)]Um den Wunsch einiger islamischer Vereine, mit demöffentlichen Gebetsruf über Lautsprecher zum Gebeteinzuladen, hat sich eine Debatte entwickelt. In vielenGesprächen in unseren Gemeinden konnten wirwahrnehmen, wie sehr diese Frage Menschen bewegt.

Nach einer im Mai 1997 von der LandesregierungNordrhein-Westfalen vorgelegten Übersicht erklingtder islamische Ruf zum Gebet über Lautsprecher aneiner stattlichen Anzahl von Orten, teilweise bereitsseit Jahren. Dies war dort ohne Konflikte möglich,denn die geltenden Immissionsschutzgesetze begren-zen Lautstärke und Uhrzeit des Gebetsrufes. Wennnun in jüngerer Zeit Anträge auf lautsprecherverstärk-ten islamischen Gebetsruf an anderen Orten heftigeAbwehr ausgelöst haben, sind wohl nicht allein diemöglichen Belästigungen der Nachbarschaft Motiv derAblehnung, sondern auch andere Gründe. Diese sindernst zu nehmen.

Häufig konzentrieren sich die Auseinandersetzungenauf Stadtviertel, in denen mehrere Faktoren zusam-menkommen: ein hoher Anteil von Migranten ausmuslimischen Ländern, hohe Arbeitslosigkeit mitsteigender Tendenz, allgemeine soziale Probleme derdeutschen Bevölkerung, Verkehrs- und Umweltbela-stungen. So äußern sich dann in der Auseinanderset-zung um den öffentlichen lautsprecherverstärktenislamischen Gebetsruf auch Zukunftsängste derdeutschen Bevölkerung in solchen Stadtteilen: Wird ihrStadtteil nicht in Zukunft als Ausländerstadtteil stig-matisiert? Wird er in Zukunft von der Kommunevernachlässigt? Droht eine Ghettoisierung, wenn sicheine eigene Infrastruktur der Migranten verselbststän-digt?

Die evangelischen Gemeindeglieder sollen wissen, daßihre Kirche ihre Sorgen ernst nimmt und Verständnis

dafür hat. Wie ihre Zukunft und die ihrer Kinderaussehen wird, ist eine Frage an die ganze Kirche. Ausdiesem Grund engagieren sich viele Kirchengemeindengerade in den Stadtteilen mit hohem Anteil vonMigranten, bleiben als Gemeinden vor Ort und haltensoziale Dienste bereit.

Hinter der Ablehnung des lautsprecherverstärktenislamischen Gebetsrufes kann eine Ablehnung der sichherausbildenden multireligiösen Gesellschaft inDeutschland stehen. Obwohl mittlerweile nahezu 3Millionen Muslime in Deutschland leben, viele bereitsin der dritten Generation, hat die deutsche Gesellschaftsich noch kaum auf eine dauerhafte Präsenz des Islameingestellt.

Wir stehen vor der Aufgabe, die entstandene multireli-giöse Gesellschaft noch viel gründlicher wahrzuneh-men, sie anzunehmen und uns auf einen ernsthafteninterreligiösen Dialog einzulassen.

Die Religionsfreiheit ist in unserer Rechtsordnung alsGrundrecht besonders geschützt. Dieses Menschen-recht der Religionsfreiheit steht allen Menschen inDeutschland zu, ungeachtet ihrer Staatsbürgerschaft.Die Religionsfreiheit schützt nicht allein die individu-elle Religionsausübung, sondern sichert, daß dieGläubigen ihren Glauben in der Öffentlichkeit aus-üben und ihr Leben nach den Geboten und Verbotender Religion ausrichten.

Wenn auch der Islam bei der Verabschiedung desGrundgesetzes nicht im Blick war, gilt der Schutz derReligionsfreiheit auch den Muslimen in Deutschlandund den juristischen Vereinigungen, die sie hier inÜbereinstimmung mit der hiesigen Rechtsordnungbilden.

Im Grundsatz ist auch der öffentliche islamischeGebetsruf durch das Grundrecht auf Religionsfreiheitgestützt. Die Ausübung dieses Grundrechts findet ihreGrenzen in den Grundrechten anderer, z.B. demGrundrecht auf körperliche Unversehrtheit, das durchdie Immissionsschutzgesetzgebung geschützt wird.Von allen Beteiligten ist hier Toleranz gefordert.

Die Kirchen setzen sich dafür ein, daß Christen auchin islamisch geprägten Ländern das Recht haben,Kirchen zu bauen und zum Gottesdienst die Glockenzu läuten. Hier gibt es in einigen Ländern Benachteili-gungen, ja sogar Verfolgungen, die wir nicht hinneh-men können. Wir haben Verständnis, daß dieseBenachteiligungen und Verfolgungen für Christen inunserem Lande ein Ärgernis sind. Allerdings verdun-kelt es das christliche Zeugnis, wenn in Reaktion aufsolche Vorkommnisse gegenüber Muslimen in unse-rem Land eine harte Haltung gefordert wird. Vielmehrsollten unter uns lebende Muslime dazu ermuntertwerden, auf ihre Glaubensgeschwister in den islamischgeprägten Ländern in positiver Weise einzuwirken. Inanderen islamisch geprägten Ländern kann selbstver-ständlich mit Glockenläuten zum Gottesdienst gerufenwerden, und Christen können dort ihren Glaubenoffen leben.

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Gelegentlich wird der öffentliche islamische Gebetsrufmit dem Glockenläuten der christlichen Kirchenverglichen. Vergleichbar sind Glockenläuten undislamischer Gebetsruf darin, daß in beiden Fällen eineReligionsgemeinschaft mit ihrer Einladung zum Gebetsich an die Öffentlichkeit wendet.

Ein Unterschied liegt in Folgendem: Die Glockenladen die Gemeinde zum Gottesdienst und zum Gebetein. Der islamische Gebetsruf enthält auch das islami-sche Glaubensbekenntnis.

Ein weiterer Unterschied liegt darin, daß das öffentli-che Glockenläuten zum kulturellen Erbe Deutschlandsgehört, dessen heutige Rechts- und Gesellschaftsord-nung ohne den maßgebenden Beitrag des Christen-tums nicht vorstellbar wäre.

Gefährdet ein öffentlicher, islamischer Gebetsruf dieChristenheit in Deutschland? Unsere Gemeindensollten sich hier keine Angst machen lassen. Christin-nen und Christen können überzeugt sein, daß sie mitdem Evangelium von Jesus Christus eine gute Sachefröhlich und ohne Zukunftsangst vertreten dürfen. Diefrohe Botschaft hat eine solche Kraft, daß Kirchenge-meinden nicht vor dem öffentlichen Auftreten andererReligionsgemeinschaften Angst haben sollten. DieErfahrung lehrt eher, daß Christinnen und Christen,die sich auf Begegnung mit Menschen anderen Glau-bens einlassen, in ihrem Glauben gestärkt werden. Siekönnen mit Freude erkennen, wie Gott auch ananderen Menschen handelt, sie können aber auchmanchmal deutlicher als bisher die Besonderheitenchristlichen Bekenntnisses entdecken und mit Wortund Tat bezeugen.

Im übrigen ist es ein Merkmal der freiheitlichenRechts- und Gesellschaftsordnung der BundesrepublikDeutschland, daß sie eine Mitwirkung der Religions-gemeinschaften am öffentlichen und sozialen Lebenfördert und schützt. Deutschland als ein konfessionellnicht einheitliches Land hat seit dem WestfälischenFrieden, der sich in diesem Jahr zum 350. Mal jährt, ineiner langen, konfliktreichen Entwicklung eine frei-heitliche Gesellschaft herausgebildet. Sie unterscheidetzwischen Staat und Religionsgemeinschaften, lädtgleichzeitig aber die religiösen und andere Gemein-schaften ein, sich am öffentlichen und sozialen Lebenaktiv zu beteiligen. Dieses Modell bietet Möglichkeitenzur Integration und Beteiligung von Muslimen amöffentlichen Leben, die streng laizistischen Gesell-schaften nicht zur Verfügung stehen.

Die Auseinandersetzung um den öffentlichen islami-schen Gebetsruf hinterläßt Verletzungen. Möglicher-weise öffnet sie aber auch neue Wege. In unserenKirchengemeinden wächst das Interesse an Informa-tionen über den Islam und die Bereitschaft zur Begeg-nung mit Muslimen. Es gibt ermutigende Erfahrungen:an einigen Orten konnten runde Tische gebildetwerden, an denen Kirchengemeinden und Moschee-vereine mitwirken. Sie können Feindbilder aufarbeitenund Vertrauen herstellen.

Ermutigend ist auch die Toleranz und Geduld, die von

den meisten Beteiligten seit Jahren aufgebracht wird:auch in gemischten Wohnvierteln ist gute Nachbar-schaft weitgehend "das Normale", nicht der Konflikt.Moscheevereine haben bisher fast immer den Konsensmit der Nachbarschaft gesucht, wenn sie sich um eineGenehmigung des lautsprecherverstärkten islamischenGebetsrufes bemühen. Der Rechtsweg wurde bisherfast nie beschritten. Kirchengemeinden haben oftgeholfen, das Gespräch zwischen den Betroffenen inGang zu bringen.

Für solche Geduld und Toleranz aller Beteiligten ist zudanken. Sie können uns Mut machen, mit Zuversichtan der Gestaltung einer offenen, sozialen und freienGesellschaft der Zukunft mitzuwirken.

(Pressestelle Evangelische Kirche im Rheinland, Landeskirchenamt ©1999.)

M 11 Moscheebau in PulheimAnwohner sind beunruhigt wegen eines Bauvor-habens[Gruppe 1 - islamische GemeindeGruppe 7 - Parteien (Befürworter)Gruppe 8 - Parteien (Gegner)]PULHEIM (Roes) Von einer Moschee samt Minarettund einem Muezzin, der ueber Lautsprecher fuenfmaltaeglich die Glaeubigen zum Gebet ruft, ist die Rede.In einem Flugblatt behauptet eine Buergerinitiative,dass auf dem Eckgrundstueck Escher Stra-sse/Sinnersdorfer Strasse ein solches Vorhabenverwirklicht werden soll.Der Stadt liegt ein Bauantrag eines tuerkischen Kultur-vereins fuer ein Wohngebaeude mit vier Wohneinhei-ten, einem Ladenlokal und einem etwa 100 Quadrat-meter grossen Gebetsraum vor. Weil es, wie schoneinmal in der Vergangenheit, massive Bedenken beiBuergern und Politikern gibt, pruefen die staedtischenAemter derzeit penibel die Vorgaben hinsichtlichSchallschutz und Stellplatzfrage sowie Alternativenzum Standort. Sobald die Untersuchungen abgeschlos-sen sind, wird das Projekt in den zustaendigen Aus-schuessen vorgestellt. Moeglicherweise wird es aberschon im naechsten Hauptausschuss am Dienstag,26.Mai, 17 Uhr, zur Sprache gebracht. Vor allem mitdem Argument, es handele sich um ein reines Wohn-gebiet, sagen einige Kommunalpolitiker, dass dasKulturzentrum besser im Gewerbegebiet unterge-bracht sei. Gerd Kossow (Buendnis 90/Gruene) siehtdas anders: "Ich frage mich, ob die Buerger bei einemKulturzentrum einer anderen Religionsgemeinschaftauch so reagieren wuerden." Immerhin sei im Grund-gesetz die Religionsfreiheit garantiert.Ismail Sarp, Vorsitzender des Auslaenderbeirats,betont, dass es in Pulheim keine radikale Moslemgrup-pe gebe. Fuer die Sorgen der Anlieger zeigt er Ver-staendnis, man solle daher die Interessengruppen aneinen Tisch bringen. Mit grossen Besucherstroemenrechnet Sarp kaum. Wer koenne schon fuenfmal amTag beten, schliesslich arbeiten die meisten Menschen.Auch sei der vorhandene Gebetsraum in Pulheim eherspaerlich besucht.Pulheimer Stadtblatt, Woche 21, 23.Mai 1998, Seite 3.

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Katholischer Pfarrgemeinderat[Gruppe 5 - Kirchen (Befürworter)]PULHEIM. Mit den Forderungen einer Buergerinitia-tive gegen ein geplantes Gebetshaus der IslamischenGemeinde hat sich der Pfarrgemeinderat St.Kosmasund Damian auseinandergesetzt. In einer oeffentlichenErklaerung verweist das Gremium darauf, dass auchfuer Moslems die grundgesetzlich geschuetzte Religi-onsfreiheit gilt.Katholische) Kirchenzeitung Koeln, 12.Juni 1998, Seite 32.

Das Thema "Moschee" zieht nun Kreise[Gruppe 7 - Parteien (Befürworter)Gruppe 3 - Anwohner (Gegner 1)Gruppe 4 - Anwohner (Gegner 2)]PULHEIM.(Roes) Ein Dialog kommt langsam inGang: Nachdem sich die in Koeln ansaessige Tuer-kisch-Islamische Union (Ditib) als Eigentuemer desEckgrundstuecks Escher Strasse/Sinnersdorfer Strassezu Wort gemeldet hat, antwortete nun die Buergerin-itiative, die sich gegen das Bauvorhaben an dieser Stellewendet.Darin machen die Buerger deutlich, dass sie keinesfallsals "auslaenderfeindlich" abgestempelt werdenmoechten. Nach einem ersten Gespraech mit einemVertreter des oertlichen tuerkischen Kulturvereins,Ibrahim Basar, trafen sich nun auf Einladung desAuslaenderbeirates Pulheim Vertreter der Initiative,des tuerkischen Kulturvereins und ihres Dachverban-des Ditib sowie einige interessierte Buerger im Rat-haus. In dieser Runde fand man einige Punkte, wo einbeiderseitiges Entgegenkommen fuer ein weiteresfriedliches Miteinander gut moeglich erscheint, be-richtet der stellvertretende Vorsitzende des Auslaen-derbeirates, Arnold Golger. So habe man von Seitendes tuerkischen Vereins den Verzicht auf eine Be-schallungsanlage in Aussicht gestellt. Grundsaetzlichzeigte sich auch der Verein nicht abgeneigt, durchGrundstueckstausch den Standort zu verlagern.Allerdings, so die Einschaetzung Golgers, scheint denInvestoren ein Standort im Industriegebiet als nichtakzeptabel.Auch die Politiker nehmen sich des Themas an. DieRatsfraktion der Gruenen hat sich beim Tuerkisch-Islamischen Kulturverein wie auch bei der Buergerin-itiative bedankt fuer die beiderseitige Gespraechsbe-reitschaft. "Wir hoffen", so Fraktionssprecher GerdKossow, "dass bald eine fuer beide Seiten befriedigen-de Loesung des Problems zustandekommt."Der Buergerverein Pulheim, dessen "Stammgebiet"von den Plaenen unmittelbar beruehrt ist, hat zu einerausserordentlichen Mitgliederversammlung zumThema eingeladen. Eine entsprechende Anzahl vonMitgliedern habe die Versammlung verlangt, erklaerteVorsitzender Ekkehard Guth auf Anfrage. Die Veran-staltung am Mittwoch, 24.Juni 1998 im "Ahl HaereStueffje" am Buschweg ist offen fuer alle Interessier-ten. "Wir wollen das Thema ganz sachlich diskutiertwissen", stellt Ekkehard Guth klar. Seine Fraktionhabe, wie auch die FDP, bereits im Mai von derVerwaltung gefordert, dass entsprechende Fakten imzustaendigen Ausschuss vorgestellt werden. Derzeitlaufen Pruefverfahren hinsichtlich der Laermemission.Eine Vorstellung der Plaene im Bau- oder Stadtpla-nungsausschuss wird es erst nach der Sommerpause

geben. Die grossen Fraktionen aeusserten sich bislangnicht.Pulheimer Stadtblatt, 13.Juni 1998, Seite 3.

Tuerkisches Kulturzentrum[Gruppe 7 - Parteien (Befürworter)]PULHEIM.(Roes) Fuer geeignet haelt die Fraktion derGruenen den geplanten Standort fuer den Bau einestuerkischen Kulturzentrums an der Escher Strasse.Bisher seien keine planungsrechtlichen Bedenkengeaeussert worden. Ratsmitglied Axel Nawrath erkenntin der Suche nach alternativen Standorten das Bemue-hen, das Kulturzentrum in eine "unkritische Randlage"abzudraengen. Die Gruenen, so Nawrath, wuerdeneinen alternativen Standort nur dann befuerworten,wenn dieser staedtebaulich integriert waere und invertretbarer Naehe zu den Wohnstandorten dertuerkischen Gemeindemitglieder laege.Quelle: Pulheimer Stadtblatt, 25.Juli 1998, Seite 4.

Auslaender-Beirat diskutiert[alle Gruppen]Pulheim.(Roes) Auf der Tagesordnung des Auslaen-derbeirats der Stadt Pulheim steht eine Diskussionueber den tuerkisch-islamischen Kulturverein. Vonbesonderem Interesse duerfte dabei dessen Bauvorha-ben eines Kulturzentrums an der Escher Strasse sein.Die Sitzung findet am kommenden Mittwoch,19.August 1998, 19:00 Uhr im Sitzungssaal 46 desRathauses statt.Quelle: Pulheimer Stadtblatt, 15.August 1998, Seite 9.

Fuer Kulturzentrum steht jetzt die Frage derGenehmigung an. Ausschuss beraet Vorlage -Verwaltung: Errichtung zulaessig[Gruppe 5 - Kirchen (Befürworter)]PULHEIM,(Roes) Auf gute Nachbarschaft? - DieseFrage stellt das Presbyterium der EvangelischenGemeinde Pulheim als Leitthema ihrer Podiumsveran-staltung zum Bauvorhaben tuerkisch-islamischesKulturzentrum. Viele Nachbarn laufen - wieder einmal- Sturm gegen das an der Ecke Sinnersdorfer/EscherStrasse geplante Zentrum.Die evangelische Gemeinde will nach eigenem Bekun-den einen Beitrag zur Versachlichung der Auseinan-dersetzungen leisten und laedt fuer Dienstag, 24.November, 20 Uhr zur Podiumsdiskussion ein. AlsTeilnehmer wurden dazu eingeladen Vertreter destuerkisch-islamischen Kulturvereins Ditib aus Pulheimund Koeln, Stadtdirektor Karl August Morisse, Mit-glieder der Buergerinitiative gegen den Bau einerMoschee an der Escher Strasse sowie jeweils einVertreter der evangelischen und der katholischenGemeinde. Die Moderation hat Marten Marquardt,Leiter der Melanchthon-Akademie.Die Diskussionrunde findet genau einen Tag vor der- moeglicherweise - entscheidenden Sitzung desStadtplanungsausschusses statt. Dieser tritt am Mitt-woch, 25. November 1998, 17 Uhr, im Ratssaalzusammen. Der Auslaenderbeirat, der am gleichen TagSitzungstermin hat, wird dem Planungsausschussbeiwohnen. Die Kommunalpolitiker muessen sich miteiner zehnseitigen Beschlussvorlage nebst 53 SeitenAnlage befassen. Das Fazit der Stadtverwaltung: DieErrichtung des tuerkischen Kulturzentrums auf dem

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Eckgrundstueck Eschen Sinnersdorfer Strasse istzulaessig. Es ist nicht ersichtlich, dass oeffentlich-rechtliche Abwehransprueche von Nachbarn durchden Bau und die Nutzung des Bauvorhabens tangiertsind. Die Baugenehmigung ist zu erteilen. Der Bauherrhat nach der Bauordnung einen Anspruch. Dierechtswidrige Ablehnung des Baugesuchs loest ebensowie die rechtswidrige Verzoegerung der Baugenehmi-gung Schadenersatz aus.Schlechte Karten also fuer die Gegner des Bauvorha-bens an dieser Stelle, die bislang bis zum Petitionsaus-schuss des Landtages gegangen sind. Ihre Argumenta-tion bezog sich vor allem auf zu erwartende Verkehrs-belastung und erhoehte Laermbelaestigung. Dagegenumfasst der Bauantrag des tuerkischen Kulturvereinsmehr Stellplaetze als vorgeschrieben. Zudem wirdversichert, dass kein Minarett errichtet wird und dasskein Gebetsruf durch einen Muezzin - sei es mit oderohne Lautsprecheranlage - beabsichtigt sei.Das Presbyterium der Evangelischen KirchengemeindePulheim hatte bereits im Juni seine Solidaritaet mitdem tuerkischen Kulturverein bekundet, der seitJahren eine kleine Versammlungsstaette an der OrrerStrasse unterhaelt. Es entspricht dem Grundgedankenchristlichen Glaubens, gegenueber AndersglaeubigenToleranz zu ueben und sich fuer ihre Rechte einzuset-zen, hiess es in der Stellungnahme.Quelle: Pulheimer Stadtblatt, 21.November 1998, Seite 3.

Moeglichen Problemen aus dem Wege gehenAlternativer Standort fuer Kulturzentrum[alle Gruppen]Pulheim.(Ros) Der Bau eines tuerkisch-islamischenKulturzentrums an der Escher Strasse waere rechtlichzulaessig. Dies wurde im Stadtplanungsausschuss amMittwoch von der Verwaltung dargelegt. Allerdingswill man moeglichen Problemen mit der Nachbar-schaft durch Laerm oder erhoehten Verkehr aus demWege gehen. Mit Zustimmung des tuerkischen Kultur-vereins werden jetzt Verhandlungpn ueber einen neuenStandort an der Albrecht-Duerer-Strasse gefuehrt. Fuerdieses Grundstueck, auf dem sich derzeit noch einBolzplatz befindet, muss innerhalb eines Jahres einentsprechender Bebauungsplan aufgestellt werden.Ansonsten will der Kulturverein sein Baurecht amurspruenglichen Standort wahrnehmen.Die Mehrheit im Ausschuss will nun das Verfahrenzuegig zum Abschluss bringen. Begruesst wurde, dassam neuen Standort der Abstand zur vorhandenenWohnbebauung.Bereits am Abend vor der Ausschusssitzung legteStadtdirektor Karl August Morisse den aktuellenSachstand bei einer Podiumsdiskussion dar. Entspre-chend sachlich und entspannt verlief das Gespraech,zu dem die evangelische Gemeinde eingeladen hatte.Auf dem Podium diskutierten ausserdem Vertretereiner Buergerinitiative, der Kirchengemeinden und destuerkisch-islamischen Kulturvereins.Quelle: Pulheimer Stadtblatt, 28.November 1998, Seite 12.

Kulturzentrum stoesst weiterhin auf massivenBuergerprotest Viele Anwohner kamen zur Rats-sitzung - Beschluss gefasst[Gruppe 3 - Anwohner (Gegner 1)Gruppe 4 - Anwohner (Gegner 2)]Pulheim.(Roes) Der Bau eines tuerkisch-islamischenKulturzentrums in Pulheim bereitet nach wie vorgrosse Probleme. Nachdem sich die Stadtverwaltungund der tuerkische Kulturverein auf eine Alternativebereits einigten, um moegliche Konflikte mit Anwoh-nern zu vermeiden, regt sich erneut der Widerstand derBuerger.Wehren Sie sich! war dieser Tage auf einem anonymenFlugblatt zu lesen. Es richtete sich gegen den Bau einestuerkisch-islamischen Kulturzentrums an der Albrecht-Duerer-Strasse in Pulheim. Mit Falschinformationen,wie etwa, dass hier ein Versammlungsort fuer Hun-derte, wenn nicht Tausende von islamischen Glaeubi-gen entstehe sowie - ebenfalls falsch - groesste Mo-schee in NRW, wurden viele Anwohner verunsichert.Viele Buerger aeusserten im Ratssaal vor allem Sorge,weil sie noch mehr Verkehr und parkende Fahrzeugevor ihrer Haustuere befuerchten. Informationsdefizitoffenbarten manche, indem sie glaubten, beim tuerki-schen Kulturverein handele es sich um die radikaleOrganisation der Nachfolger des Cemalettin Kaplan(tatsaechlich ist es der Verein Ditib, der als weltoffenund gemaessigt gilt, die Red.). Der Stadtverwaltungwurde vorgeworfen, Entscheidungen ueber die Koepfeder Buerger hinweg zu treffen.Dem widersprach Stadtdirektor Karl August Morisseenergisch. Bislang seien alle Informationen zu demVerfahren oeffentlich verlautbart worden. Im uebrigenbefinde man sich am Beginn eines Verfahrens zurAnderung des Flaechennutzungsplanes. Der Ratbeschloss anschliessend einstimmig, ein Bebauungs-planverfahren und ein Verfahren zur Aenderung desFlaechennutzungsplanes fuer die derzeitige Gruen-flaeche einzuleiten. Dabei wird den Anwohnern nochhinreichend Gelegenheit gegeben, sich zu aeussern.Eine Entscheidung faellt erst im naechsten Jahr.Sollte an der Albrecht-Duerer-Strasse keine allgemeinvertraegliche Loesung gefunden werden, hat derKulturverein ein Baurecht fuer ein Eckgrundstueck ander Escher Strasse. Hier allerdings liegen die Nachbar-haeuser wesentlich dichter am geplanten Neubau.Sieben Meter waeren es dort, waehrend es am Aus-weichort 75 Meter waeren.

Kommentar von Heribert Roesgen[Gruppe 2 - Anwohner (Befürworter)]Sicher kann man Verstaendnis dafuer aufbringen,wenn Buerger besorgt sind, dass in ihrer Nachbar-schaft der Bau eines Kulturzentrums angekuendigtwird.Aber es faellt auch schwer mit dem Verstaendnis,wenn man weiss, dass die Buerger sich besonders lautartikulieren, weil es um ein tuerkisch-islamischesKulturzentrum geht. Zu befuerchten ist naemlich, dassausserhalb der Stadtgrenzen der Name Pulheims ineinem Atemzug mit anderen Orten genannt wird, indenen sich Auslaenderfeindlichkeit massiv zeigte. Diebetroffenen Buerger sollten deutlich machen, dass siedamit nichts zu schaffen haben. Bereitschaft zumGespraech - auch mit den tuerkischen Nachbarn -

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stuende ihnen ohnehin gut an.Quelle: Pulheimer Stadtblatt, 19.Dezember 1998, Seite 13.

Tuerkisches Kulturzentrum Die Entscheidungfaellt erst nach der Wahl[Gruppe 7 - Parteien (Befürworter)Gruppe 8 - Parteien (Gegner)]Pulheim.(Roes) Die planungsrechtlichen Vorausset-zungen fuer den Bau eines tuerkischen Kulturzentrumsjetzt durch den Stadtplanungsausschuss geschaffen.In der Sitzung am Mittwochabend wurde auch eineerneute Auslegung der Plaene beschlossen. Von MitteAugust bis Mitte September haben die Buerger dannwieder die Moeglichkeit, sich zu den Plaenen zuaeussern. Nach wie vor sind zahlreiche Anwohnergegen das Projekt an der Albrecht-Duerer-Strasse.Einige Ratsmitglieder zeigten sich in der Sitzungueberrascht, dass nun doch ein Minarett-Turm vorge-sehen sei. Dieser sei symbolisch zu verstehen, erklaertedie Verwaltung. Dennoch wird nun befuerchtet, dassder Turm unter Berufung auf freie Religionsausuebungspaeter doch fuer Gebetsrufe genutzt werden koennte.Quelle: Pulheimer Stadtblatt, 22.Mai 1999.

(Christlich Islamischen Gesellschaft e.V.. URL: http://home.t-online.de/home/chrislages/welcome.htm.)

M 12 Trennung von Kirche und Staat[Gruppe 2 - Anwohner (Befürworter)Gruppe 7 - Parteien (Befürworter)]In letzter Zeit häufen sich in der Presse Berichte überden Versuch muslimischer Mitbürger in Duisburg,einmal wöchentlich zum Freitagsgebet den im Islamüblichen öffentlich vernehmbaren Gebetsruf desMuezzins zu Gehör zu bringen. Dieses Begehrenerfüllt nun die christliche Mehrheit mit Unruhe undtiefsitzenden Überfremdungsängsten. Die Rede ist garvon einem "Ausverkauf des Abendlandes", undVertreter von CDU und Kirchen, allen voran der sichdoch sonst so tolerant gebenden evangelischen Kir-chen, schreien Zeter und Mordio ob der Zumutung,den Lebensäußerungen einer anderen Religion ausge-setzt zu sein. Offensichtlich betrachten christlicheLobbyisten das Recht, in Ausübung ihrer Religionauch andere zu behelligen, als ihr exklusives Privileg.

Zu Unrecht wird hier gar das Kruzifix-Urteil bemühtund behauptet, den Christen könne eine Konfrontati-on mit der ihnen fremden Religion des Islam nichtzugemutet werden. Übersehen wird dabei -bewußtoder unbewußt- der Unterschied zwischen privaterReligionsausübung und der staatlich angeordnetenZurschaustellung religiöser Symbole. Im Kruzifix-Urteil nämlich ging es nicht um -private- Glaubensäu-ßerungen der Kirche, sondern um vom Staat zwangs-weise aufgehängte Klassenkruzifixe. Vergleichbar wäresomit allenfalls eine staatliche Anordnung, in jedemKlassenzimmer habe ein Halbmond zu hängen, undselbstverständlich könnte keinem Christenkind zuge-mutet werden, im Klassenzimmer einem solchenzwangsverfügten Halbmond ausgesetzt zu sein - allein,die Einführung eines solchen ist in Duisburg auchüberhaupt nicht beabsichtigt, sondern lediglich der injeglicher Hinsicht dem sonntäglichen Glockengeläute

der christlichen Kirchen entsprechende Ruf desMuezzin.

Was den Christen recht ist, hat aber den Muslimenbillig zu sein, denn vor dem Gesetz sind alle Göttergleich! Wenn Christen mit Kirchenglocken läutendürfen, so ist es nur konsequent, wenn Muslimeentsprechend einen Muezzin rufen lassen dürfen, undzwar in genau derselben Lautstärke, was in der Regelauf den Einsatz eines Lautsprechers hinauslaufendürfte. Ob der Duisburger Pfarrer Reuter den Muslim-gott für ein Zerrbild des -für ihn!- "wahren" Gotteshält, ist dabei ebenso unerheblich, wie ob der Muezzinden Christengott für ein Zerrbild des seinen oder obein Atheist beide für Ausgeburten einer krankenPhantasie hält. In diesem Lande herrscht Religionsfrei-heit für alle, und wenn der CDU-Bundestagsabgeordnete Günther Recht hat, daß inSachen Gebetsruf die Toleranzgrenze der "deutschen"Bevölkerung überschritten werde, so belegt dieslediglich die Intoleranz seiner christlichen Mitbürgersowie seine eigene weltanschauliche Arroganz, mit derer deutsch und christlich gleichsetzt.

In einem Punkt freilich haben die christlichen Gegnerdes Gebetsrufes durchaus recht: Nichtmuslime werdendurch diesen möglicherweise belästigt - der Internatio-nale Bund der Konfessionslosen und Atheisten, der füreine strikte Trennung von Staat und Kirche eintritt unddie privilegierten Machtpositionen der christlichenGroßkirchen seit vielen Jahren kritisiert, schlägt zurVermeidung derartiger Konflikte folgende, vergleichs-weise einfache Lösung vor, die auch anderen, nachähnlichen Privilegien und Machtpositionen strebendenGlaubensgemeinschaften, wie etwa die Zeugen Jehovasoder die Scientology Church, Gerechtigkeit widerfah-ren läßt: Die Belästigung andersgläubiger Nachbarndurch allzu lautstarke religiöse Inbrunst wird, wie jedeandere übermäßige Lärmemission auch, als Ruhestö-rung geahndet, und unschuldige Mitbürger bleibenvom Gebetsruf des Muezzins ebenso verschont wievon dem ebenso melodischen, ebenso lauten, undebenso lästigen Gebetsgebimmel der Kirchenglocken.

Eine Ungleichbehandlung von Glockengeläut undMuezzin kann dabei auch der Hinweis auf die angeb-lich christlichen Fundamente unseres Staates nichtrechtfertigen. Allen gegenteiligen Behauptungen zumTrotz ist Deutschland, bei mittlerweile rund 30%Nichtchristen, keineswegs ein christliches Land, nochsind die Grundwerte unserer Gesellschaft, Demokratieund Menschenrechte, christlichen Ursprungs, sondernmußten gegen den erbitterten Widerstand der Kirchenerstritten werden. Die Grundlage, auf der diese Gesell-schaft ruht, sind Menschen, die diese Werte um ihrerselbst Willen achten, und nicht ein Christentum, dassich -Nichtchristen herabsetzend- anmaßt, diese Werte"begründen" zu müssen.

(Presseerklärung des Internationalen Bundes der Konfessionslosen undAtheisten, Landesverband Nordrhein-Westfalen, vom 19.1.1997.)

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M 13 Artikel 4 Grundgesetz[alle Gruppen]Freiheit des Glaubens und Gewissens1. Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die

Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Be-kenntnisses sind unverletzlich.

2. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährlei-stet.

3. Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegs-dienst mit der Waffe gezwungen werden. DasNähere regelt ein Bundesgesetz.

(Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949(BGBl. S.1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 2000(BGBl. I S. 1755).)

M 14 Islamischer GebetsrufDer islamische Gebetsruf lautet:[alle Gruppen]• Allah ist der Allergroesste (4 mal)• Ich bezeuge, dass es keinen Gott ausser Allah gibt

(2 mal)• Ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte

Allahs ist (2 mal)• Kommt her zum Gebet (2 mal)• Kommt her zum Heil (2 mal)• Allah ist der Allergroesste (2 mal)• Es gibt keinen Gott ausser AllahQuelle: Evangelische Stadtgemeinde Marl. Fast gleich-lautend Arbeitsgemeinschaft Islamische ErziehungHdI 1984.Im Morgengebet wird eingefuegt:• Gebet ist besser als Schlaf (2 mal)Unmittelbar vor Eroeffnung des eigentlichen Pflicht-gebets folgt ein zweiter Gebetsruf, die iqama. In diesenzweiten Ruf wird eingefuegt:• Das Gebet hat begonnen (2 mal).Der zweite Gebetsruf wird innerhalb der Moscheegerufen. Die Sprache ist arabisch.

Mekka - Der Muezzin kommt wieder zu Ehren[alle Gruppen]Die Aufforderung zum Gebet (Azan) ist ein funda-mentaler Bestandteil des islamischen Ritualgebets undmuss daher grundsaetzlich von einem dazu ausgebil-deten Muezzin ausgerufen werden. Das hat jetzt inMekka der Rat der Akademie fuer islamisches Rechtfestgestellt. Der Rat sprach sich damit ausdruecklichgegen die Verwendung von Tonkassetten und Schall-platten aus, die in den letzten Jahrzehnten an vielenMoscheen in- und ausserhalb der islamischen Welt denMuezzin verdraengt hatten. Diese Art der Aufforde-rung zum Gebet sei respektlos und entspreche inkeiner Weise der Intention des Propheten Mohammad,der den ersten Muezzin der islamischen Gemeinschaftselbst berufen hatte. Es handelt sich um Bilal, einenfreigekauften afrikanischen Sklaven, der auch der ersteBannertraeger des Islam war. Der Rat befasste sich aufseiner 9.Jahreskonferenz auch mit dem Einsatz vomKomputern bei der Speicherung von Korantexten undFremdsprachenuebersetzungen. Trotz erheblicherBedenken stimmte er diesem Verfahren zu, fallsgewaehrleistet sei, dass die Speicherung der staendigen

Aufsicht durch dafuer ausgebildete islamische Theolo-gen und Rechtsgelehrte unterliege. Der saudi-arabischeKoenig Fahd hatte die Gelehrten zuvor aufgefordert,unablaessig nach glaubenskonformen Loesungen zusuchen, um den Glaeubigen das Leben in der moder-nen Welt zu erleichtern und sie faehig zu machen, diezahllosen Probleme, mit denen sie in der gegenwaerti-gen geschichtlichen Epoche konfrontiert seien, zubewaeltigen. Die Akademie fuer Islamisches Recht inMekka ist eine Einrichtung der Islamischen Welt-Liga(Rabita al-Alam al-Islami).Quelle: Islam-Nachrichten Nr.20/16, 1.Mai 1986

In Leiden und Birmingham ruft der Muezzin zumGebet[alle Gruppen]Leiden/Birmingham - Mit gerichtlicher Hilfe haben dieMoslems in der niederlaendischen UniversitaetsstadtLeiden durchgesetzt, dass der Muezzin kuenftig dieGlaeubigen per Lautsprecher vom Minarett zum Gebetrufen kann. Die Moslems hatten das Gericht angeru-fen, nachdem die Behoerden ein entsprechendesGesuch der islamischen Ortsgemeinde abgelehnthatten. Mit dem Richterspruch von Leiden ist ein Tabudurchbrochen worden. Bisher war es den Moslems inWesteuropa nicht gestattet, fuer den Gebetsruf einenLautsprecher zu benutzen. In vielen Laendern durftezudem nur innerhalb der moslemischen Einrichtungender Gebetsruf ertoenen.Wie in diesem Zusammenhang zu erfahren war, hatauch der Stadtrat von Birmingham den Behoerdenempfohlen, den moslemischen Gebetsruf mittelsLautsprecher zuzulassen. Gegen diese Empfehlunghatte lediglich ein christlicher Geistlicher protestiert.Er befuerchtet, dass der moslemische Gebetsrufkuenftig lauter sein wird als eine startende Concorde.Quelle: Islam-Nachrichten Nr.18/16 vom 24.April 1986

Von Amsterdamer Moscheen wird oeffentlich zumGebet gerufen[alle Gruppen]Amsterdam (in). Die niederlaendische MetropoleAmsterdam ist die einzige westeuropaeische Gross-Stadt, in der freitags von allen Moscheen zum Gebetgerufen werden darf. Wie die Sprecherin der Stadtver-waltung, Maria Quartes, in diesen Tagen mitteilte, hatder Stadtrat einem Antrag der Moscheevereine aufZulassung des oeffentlichen Gebetsrufes entsprochen.In Amsterdam leben 10.000 Moslems. Es gibt in derStadt 40 Moscheen. Bisher konnte in Westeuropa nurin drei Moscheen oeffentlich zum Gebet gerufenwerden: es handelt sich um die Zentralmoschee in derniederlaendischen Universitaetsstadt Leiden, in Bir-mingham und in Dueren im Rheinland.Quellen: Islam-Nachrichten vom 11.August 1987, AktuelleFragen, Heft 3/1987, Seite 119

In Dueren ruft der Muezzin zum Gebet[Gruppe 2 - Anwohner (Befürworter)Gruppe 5 - Kirchen (Befürworter)Gruppe 7 - Parteien (Befürworter]Dueren/Koeln - Was den christlichen Kirchen rechtist, sollte der Moschee billig sein, meinte der Imam derTuerkisch-Islamischen Union in der rheinlaendischenStadt Dueren und liess den Muezzin oeffentlich zum

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Gebet rufen. Es gab vereinzelte Proteste aus derBevoelkerung und Klagen wurden angedroht. AberImam Lebib Kaya blieb standhaft. Seither ist Duerendie erste Stadt in der Bundesrepublik, in der derMuezzin die Glaeubigen taeglich dreimal oeffentlichzum Gebet auffordert. Aehnliche Versuche in anderenStaedten der Bundesrepublik waren bislang am Ein-spruch aus Kreisen der Bevoelkerung gescheitert.Imam Kaya in einem Gespraech mit der DeutschenWelle: Nach meiner Rechtsauffassung gehoert dieoeffentliche Aufforderung zum Gebet zur garantiertenReligionsfreiheit. Einer musste in der Bundesrepublikschliesslich ernst damit machen. Imam Kaya ist auchleitender Geistlicher am Zentrum der Tuerkisch-Islamischen Union der Anstalt fuer Religion in Koeln.Erst im Fruehjahr vergangenen Jahres hatten dieMoslems im niederlaendischen Leiden und in Bir-mingham das Recht auf die oeffentliche Aufforderungzum Gebet gerichtlich erstreiten muessen.Quelle: Islam-Nachrichten vom 19.Februar 1987. Die Moscheehat ein Minarett.

Wesseling - Rathausuhr als Muezzin[Gruppe 2 - Anwohner (Befürworter)Gruppe 5 - Kirchen (Befürworter)Gruppe 7 - Parteien (Befürworter]Die Moslems in der rheinischen Industriestadt Wesse-ling zwischen Koeln und Bonn, werden jeden Morgenpuenktlich um sechs Uhr mit dem islamischen Aufrufzum Gebet - Allahu akbar (Gott ist gross) - geweckt.Quelle dieses allmorgendlichen Gebetsrufes ist nunkeineswegs der Muezzin einer Moschee, sondern einekinetische Uhrenplastik, die am Rathaus der Stadtmontiert ist. Dass gleich nach dem Allahu akbar einchristlicher Choral erschallt, mag fuer viele einheimi-sche Buerger und Besucher der Stadt ein Zeichendafuer sein, dass gerade in diesem Raum die Begeg-nung von Christen und Moslems eine lange Traditionhat und zu einer Selbstverstaendlichkeit geworden ist.Die Uhrenplastik besteht aus zwei uebereinanderangeordneten Raedern aus Aluminium, die auf zwoelfEdelstahlsegmenten die Zeit anzeigen. Die Plastik istsechs Meter breit und drei Meter hoch. Sie hat einGewicht von 1.200 Kilogramm und wurde von demBildhauer Wolfgang Goeddertz aus Pulheim entwor-fen. Wenn der Stadtdirektor von Wesseling, ReinhardKonda (CDU), feststellte, dieses Kunstwerk werdeWesseling weit ueber die Grenzen der Stadt hinausbekanntmachen, dann liegt er damit richtig: die Uhr isteinmalig - auch fuer die islamische Welt.Quelle: Islam-Nachrichten vom 11.August 1987

Nach ueber dreissig Jahren: Muezzin ruft inTirana zum Gebet[alle Gruppen]Tirana/London (in). Zum ersten Mal seit dem Verbotreligioeser Betaetigung im Jahre 1967 hat in diesenTagen in Albanien der Muezzin zum Gebet gerufen.Dafuer hatte die albanische Regierung sogar eineMoschee in der Hauptstadt Tirana zur Verfuegunggestellt. Bei den Betern, die dem Ruf des Muezzinfolgten, handelte es sich allerdings um eine Gruppemoslemischer Geistlicher der Jama'at-i-Tabligh ausPakistan. Die einheimische Bevoelkerung, die sich umdie Moschee draengte, um das historische Ereignis

mitzuerleben, war auf die Rolle des Zuschauersbeschraenkt. Nur eine junge Frau loeste sich aus derMenschenmenge und schloss sich den Betern an.Mitglieder der Gruppe berichteten einem Korrespon-denten des islamischen Nachrichtenmagazins CrescentInternational, dass die Mehrzahl der Moscheen inAlbanien noch geschlossen sei. Viele islamischeGotteshaeuser seien verfallen, andere in Museenumgewandelt worden. Waehrend nach ihren Feststel-lungen die aelteren Menschen noch den rituellenVerpflichtungen des Islam in ihren Wohnungennachkaemen, herrsche unter der Jugend eine totaleUnkenntnis ueber die Religion ihrer Eltern undGrosseltern. Die Jugend sei ohne Gott erzogenworden und es werde grosser Muehen beduerfen, siefuer religioese Fragen zu interessieren. Albanien ist daseinzige europaeische Land mit ueberwiegend moslemi-scher Bevoelkerung (70 Prozent). Das Land war vordem Religionsverbot die letzte Zufluchtsstaette desberuehmten Ordens der Bektaschi-Derwische.Quelle: Islam-Nachrichten vom 28.November 1990

Glocken der evangelischen Pauluskirche Huelsblieben stumm[Gruppe 5 - Kirchen (Befürworter)]Marl. Die Glocken der evangelischen Pauluskirche inMarl-Huels blieben am Sonntag vor dem Gottesdienststumm. Die Kirchengemeinde reagiere mit demVerzicht auf ihr Sonntagsgelaeut darauf, dass denMuslimen zuvor aus ordnungsrechtlichen Gruendendie Einladung zum Freitagsgebet vom Minarett derneuen Moschee verwehrt worden sei, sagte PfarrerHartmut Dreier vor cirka 200 Christen und Muslimenbei einer christlich-islamischen Begegnungstagung. DieTeilnehmer der Tagung, zu der die EvangelischeKirche von Westfalen eingeladen hatte, setzten sich ineiner Botschaft aus Marl fuer Religionsfreiheit undFrieden unter uns ein. Woertlich heisst es in derBotschaft: Als Ausdruck von Religionsfreiheit undgegenseitiger Achtung freuen wir - Christen undMuslime - uns ueber jeden gelungenen Bau einerMoschee.Sprecher sowohl der Muslime wie auch der Christenbegruessten vor Journalisten, dass der Buergermeisterder Stadt Marl, Lothar Henschel, versprochen habe,sich fuer den Abbau der Widerstaende in der MarlerOeffentlichkeit gegen die Gebetseinladungen vomMinarett der neuen Moschee einzusetzen. Pastor inRuhe Gerhard Jasper, bis zu seiner Emeritierung vorwenigen Wochen Leiter der Beratungsstelle fuerIslamfragen bei der Vereinigten Evangelischen Missionin Wuppertal, wertete es als einen Vorgang von Rang,dass die Christen zu der ersten grossen Veranstaltungin der soeben erbauten Moschee eingeladen wordenseien. Er wies darauf hin, dass die Moschee (... einSchmuckstueck fuer ganz Nordrhein-Westfalen)kuenftig auch ein Ort der Begegnung zwischen Musli-men und Christen sein solle.Das Freitagsgebet in der Moschee und Gottesdienstein evangelischen und katholischen Gemeinden, indenen muslimische Gaeste Grussworte entboten,waren die Eckpfeiler dieser dritten Begegnungstagungder westfaelischen Landeskirche. In neun Arbeitsgrup-pen ging es um Probleme, die den Alltag von Musli-men bestimmen. Einzelprobleme waren dabei offen-

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sichtliche Benachteiligungen von Tuerken bei derVergabe von (Werks-)Wohnungen. Fuer die Schulenwurde die Einrichtung eines Schulsozialdiensteseingefordert. Besondere Probleme wurden fuer dietuerkischen Maedchen benannt, denen bei weitemnicht alle Berufe offenstuenden. NationalhomogeneKlassen in den Schulen sollte es nach Auffassung derTagungsteilnehmer nicht mehr geben.Kritisiert wurde die Praxis kirchlicher Kindergarten-traeger, die Anstellung nichtchristlicher Erzieherinnenin Kindergaerten abzulehnen. Fuer die deutschenSchulen wurde unter Berufung auf die grundgesetzlichgarantierte Religionsfreiheit islamischer Religionsunter-richt als ordentliches Lehrfach gefordert. Dringenderforderlich ist, wie gesagt wurde, auch eine Klaerungder Frage der Bestattungen nach islamischem Ritus aufdeutschen Friedhoefen. Den Muslimen, von deneninzwischen viele bis zu ihrem Tode bei ihren Familienin Deutschland bleiben, sollten eigene Graeberfelderauf kirchlichen wie kommunalen Friedhoefen zugewie-sen werden. Das Friedhofsamt Marl habe Gespraechenin dieser Richtung zugestimmt.Quelle: epd REGION WEST - Seite II 27/92

Konferenz der Islambeauftragten der Evangeli-schen Kirche von Westfalen den 05.07.1993[Gruppe 5 - Kirchen (Befürworter)Gruppe 6 - Kirche (Gegner)]An die im Christlich-Islamischen Dialog stehendenPersonen und Gemeinden/Einrichtungen in derEv.Kirche von WestfalenLiebe Schwestern und Brueder!Auf der letzten Sitzung der Konferenz der Islambe-auftragten der Ev.Kirche von Westfalen am 04.Juni1993 in Dortmund haben wir ein ausfuehrlichesReferat von Rechtsanwalt und Pastor Sibrand HeinrichFoerster (Juristischer Mitarbeiter im Amt des Beauf-tragten der Ev.Kirche bei Landtag und Landesregie-rung Nordrhein-Westfalen) gehoert und ausfuehrlichdiskutiert. Anlass dieser Sitzung waren Berichte ausverschiedenen Orten in Westfalen, wo Moscheen denGebetsruf (Ezan-Ruf) oeffentlich ausrufen lassen(moechten) und es darueber zu Auseinandersetzungengekommen ist.In der Diskussion ist uns deutlich geworden, dass dieseThematik unter verschiedenen Gesichtspunktenbetrachtet werden muss. Deshalb ist unseres Erachtensauch eine differenzierte Stellungnahme notwendig.Die Kommunen/staatlichen Organe sind unter demGesichtspunkt des Rechts daraufhin anzusprechen,dass sie auch gegenueber den Muslimen das Grund-recht auf freie Religionsausuebung nach Artikel 16,2des Grundgesetzes zu achten und zu schuetzen haben.Fuer den Erhalt der demokratischen Substanz unseresStaates ist es notwendig, im Blick zu behalten, dass esnicht ins Belieben des Staates gestellt ist, dieses Grund-recht zu gewaehren oder auch nicht, sondern dass esdurch den Staat (und alle staatlichen Organe) geachtetund geschuetzt wird. Wegen Inanspruchnahme einesGrundrechts darf in unserer Gesellschaft niemandemein Nachteil erwachsen beziehungsweise niemandangefeindet werden. Spezifisch fuer islamischesVerstaendnis ist, dass der Ezan-Ruf als ritueller Rufzum Gebet selbst schon Bestandteil des islamischenPflichtgebetes ist. Unter rechtlichem Gesichtspunkt ist

unseres Ermessens unstrittig, dass der oeffentlicheEzan-Ruf Teil der rechtlich geschuetzten freienAusuebung der Religion ist. Fuer diese Religionsau-suebung in der Oeffentlichkeit gilt im uebrigen derRahmen der allgemeinen Gesetze (Bundesimmissions-schutzgesetz und andere).Die Kirchengemeinden sind unter dem Gesichtspunktder nachbarschaftlichen Verstaendigung ueber dieseislamische Religionspraxis daraufhin anzusprechen,alles zu tun, den Gemeindemitgliedern zu helfen, denSinn des Ezan-Rufes zu verstehen und das Recht aufoeffentliche Ausrufung zu achten. Nach unsererErfahrung wirkt die Ausrufung des Ezan auf vieleMenschen befremdend und weckt Bedrohungsge-fuehle; andere Menschen erfreuen sich an diesemSprechgesang in arabischer Sprache - auch in kulturell-aesthetischer Hinsicht. Fuer eine Wuerdigung unterreligioesem Gesichtspunkt ist es wichtig, den Wortlautdes Ezan-Rufes zu verstehen: (Text in deutscher undarabischer Sprache siehe beiliegendes Blatt -3-). Fernerist es gut zu wissen, dass die bisherige Praxis des Ezan-Rufes innerhalb der Moschee unter islamisch-religioesem Gesichtspunkt fuer die Muslime einunbefriedigender Notbehelf ist. Wir moechten ausser-dem dazu ermutigen, alle Gelegenheiten zur Begeg-nung zwischen Christen und Muslimen wahrzunehmenund zu nutzen - speziell dort, wo sie von Muslimenangeboten werden. Wo Kirchengemeinden RundeTische initiiert haben oder daran teilnehmen, sollten siedarauf achten, dass Vertreter der Moschee-Gemeindenzur Teilnahme eingeladen werden.Unter dem Gesichtspunkt der angestrebten gutenNachbarschaft moechten wir auch die Moschee-Gemeinden bitten, ein nachbarschaftliches Einver-nehmen und Miteinander zu gestalten. Es ist das Rechtder Moschee-Gemeinden, den Ezan-Ruf oeffentlichauszurufen. Freilich waere sorgfaeltig zu ueberlegen, zuwelchen Tageszeiten und wie oft im Jahr und mitwelcher Lautstaerke dieses Recht in Anspruch ge-nommen werden soll. Diesbezuegliche Absprachenmuessen genau eingehalten werden. Im Bewusstseinunserer eigenen Versaeumnisse bitten wir die Mo-schee-Gemeinden darum, Ruecksicht zu nehmen aufdie Schwierigkeiten der nicht-islamischen Nachbar-schaft fuer eine fuer sie immer noch neue, nochunbekannte Religionspraxis. In Wuerdigung der in derVergangenheit unternommenen Versuche regen wiran, dass die Moschee-Gemeinden auch in Zukunft sichdurch Tage der Offenen Tuer der Moschee undanderes bekanntmachen und durch Teilnahme amgemeinsamen gesellschaftlichen Leben Verstaendnisund Vertrautheit in der Bevoelkerung wachsen lassen.So weit ist der Stand unserer Ueberlegungen gediehen.Wir sind angewiesen auf Rueckmeldungen und Erfah-rungsberichte. Wir sind bereit, Anregungen zu beden-ken.Wir gruessen sehr herzlichgezeichnet Hartmut Dreier, Pfarrer und Islambeauf-tragter im Kirchenkreis Recklinghausen, 45770 Marl-Huels, Bachstr.7a, Tel.02365/42256 gezeichnet BerndNeuser, Pfarrer und Islambeauftragter im KirchenkreisDortmund-Nordost, Hessische Str.141, Dortmund-Eving, Tel.0231/850587 gezeichnet Johannes Weissin-ger, Pastor und Islambeauftragter im KirchenkreisLuenen, Kuemperheide 4, Luenen, Tel.02306/44861

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Siegen ...[Gruppe 1 - islamische GemeindeGruppe 4 - Anwohner (Gegner 2)]In Siegen hingegen entspricht die Regelung fuer denGebetsruf, so der Mainzer Rechtsprofessor Hans-Werner Laubinger, dem Grundgesetz und der Recht-sprechung zum Glockenlaeuten. Dort darf der Muez-zin dreimal taeglich ueber Lautsprecher rufen, aber -analog einem hoechstrichterlichen Urteil ueber Glok-kengelaeut - nicht lauter als mit 69 Dezibel. Dasentspricht etwa einem lauten Staubsauger.

Ruf des Muezzin in Bayern unwahrscheinlich[Gruppe 1 - islamische GemeindeGruppe 3 - Anwohner (Gegner 1)Gruppe 6 - Kirchen (Gegner)Gruppe 8 - Parteien (Gegner)]MUENCHEN. In Oldenburg hat jetzt eine tuerkischeGemeinde die Erlaubnis erhalten, die muslimischenGlaeubigen am Freitag per Muezzin-Ruf vom Minarettder Moschee herab zum Gebet einzuladen. In Bayerngibt es keine Anzeichen dafuer, dass diese PraxisSchule machen koennte. Juristisch waere der Gebetsrufjedoch kaum zu verhindern, wie Nachfragen in dreiMuenchner Ministerien ergaben. Der Verzicht aufdiese Praxis wird von Muslimen vor allem mit Rueck-sicht auf die religioesen Gefuehle der christlichenBevoelkerungsmehrheit begruendet. Es gibt aber auchdas Argument, dass der Ruf des Muezzin mit demLaeuten von Kirchenglocken vergleichbar sei unddeshalb im Rahmen der freien Religionsausuebunggeduldet werden muesse. Das Muenchner Innenmini-sterium sieht keine grundsaetzliche Handhabe gegenden Ruf des Muezzin.Quelle: (katholische) Kirchenzeitung Koeln, 2.August 1996,S.3.

Oldenburg - Freitags erschallt der Gebetsruf[alle Gruppen]Die tuerkische Diyanet-Gemeinde in Oldenburg hat alseine der wenigen islamischen Vereine in Deutschlanddie Genehmigung zum freitaeglichen Gebetsruferhalten. Wie der Auslaenderbeauftragte der nieder-saechsischen Stadt, Werner Vahlenburg, bestaetigte,darf der Moscheeverein freitags um 12.30 Uhr zweiMinuten lang den Gebetsruf per Lautsprecher erschal-len lassen. Nach Ansicht Vahlenburgs gehoert dieMoschee zu den moderaten islamischen Richtungen,die unterstuetzt werden muessten. Der Gebetsrufgehoere zur freien Religionsausuebung. Eine Anwoh-nerbefragung habe es nicht gegeben: Schliesslich mussein Atheist die Kirchenglocken ja auch ertragen. InOldenburg leben rund 3000 Muslime, von denen etwa100 Familien dem Moscheeverein angehoeren.Nach Einschaetzung Mohammed Salim Abdullahsvom Soester Zentralinstitut Islam-Archiv in Deutsch-land ist die Oldenburger islamische Gemeinde die ersteniedersaechsische, die eine Genehmigung fuer denGebetsruf erhalten hat. In Deutschland gebe es rund2400 Gebetsraeume sowie 27 Moscheen mit Minarettund Kuppel. Das Essener Islaminstitut fuer Tuerkei-studien teilte mit, vermutlich haetten rund zwei Dut-zend Moscheevereine einen Antrag auf Verkuendigungper Lautsprecheranlage gestellt. Die meisten Kommu-nen verweigerten aber eine Genehmigung. Haeufig

verzichteten die Moscheen von sich aus auf einenAntrag, weil sie den Gebetsruf in einer ueberwiegendchristlichen Welt nicht als sinnvoll ansaehen. AndereMuslime wiederum fuerchteten Konfrontationen mitder Nachbarschaft. In Deutschland sei es ueblich, denGebetsruf innerhalb der Moschee verkuenden zulassen. KNAQuelle: (katholische) Kirchenzeitung Koeln, 16.August 1996,S.8.

Gebetsruf in Dortmund[Gruppe 1 - islamische Gemeinde]Dort wurde bereits 1993 per Ordnungsverfuegung derGebetsaufruf von zahlreichen Moscheen genehmigt.

Gebetsruf in Hamm[Gruppe 1 - islamische Gemeinde]In Hamm ist die oeffentliche Preisung Allahs schonseit drei Jahren selbstverstaendlich.

Kleine Anfrage Landtag NRW vom 17.Maerz 1997Landtag Nordrhein-Westfalen Drucksache12/1876 12.Wahlperiode[Gruppe 8 - Parteien (Gegner)]Kleine Anfrage 656 der Abgeordneten Tanja Braken-siek, Thomas Mahlberg und Klaus Stallmann CDUMuezzin-RufDie Bevoelkerung in vielen Teilen des Landes istderzeit stark verunsichert ueber die massive undoffenbar koordinierte Ausbreitung der Muezzin-Rufean islamischen Moscheen. Anders als das Glockenge-laeut christlicher Kirchen beinhaltet der Muezzin-Rufeine religioese Aussage, naemlich ein Bekenntnis zuAllah und zu Mohammed, also zum Islam. Der Rufsoll teilweise bis zu fuenfmal am Tag ueber Lautspre-cher verbreitet werden.Weite Teile der Bevoelkerung befuerchten dadurchnicht nur eine erhebliche Laermbelaestigung, sondernauch eine Beeintraechtigung ihrer kulturellen Identi-taet, ihrer (negativen) Religionsfreiheit und des Grund-rechts auf koerperliche Unversehrtheit.Das Neben- und Miteinanderleben zwischen deutscherund auslaendischer Bevoelkerung wird hierdurchnachhaltig gestoert. Es waere sicher im Zuge einesguten Zusammenlebens sinnvoller, von seiten derMuslime auf den Ruf zu verzichten, als Zeichen derRuecksichtnahme gegenueber den Gefuehlen der hierlebenden deutschen Bevoelkerung.Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregie-rung:• Welche Grenzen sieht die Landesregierung

hinsichtlich der Haeufigkeit und Lautstaerke die-ser Rufe?

• In welchen Staedten in Nordrhein-Westfalen wirdder Ruf ueber Lautsprecher bereits durchgefuehrtund wie oft am Tage?

• Welche Erkenntnisse hat die Landesregierungueber Proteste aus der Bevoelkerung?

• Welche Moeglichkeiten sieht die Landesregierung,die Grundrechte, insbesondere die (negative) Reli-gionsfreiheit der Bevoelkerung zu schuetzen?

Tanja Brakensiek Thomas Mahlberg Klaus StallmannDatum des Originals: 11.03.1997/Ausgegeben:18.03.1997

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Kleine Anfrage Landtag NRW vom 21.Maerz 1997Duesseldorf, den 21.03.1997[Gruppe 1 - islamische GemeindeGruppe 7 - Parteien (Befürworter)]Kleine Anfrage (Dr.Hisham Hammad; Jamal Karsli,Buendnis 90/Die Gruenen)ReligionsfreiheitMit fast 3 Millionen Muslimen ist die IslamischeGemeinde nach der Evangelischen und der Katholi-schen Kirche die drittgroesste Religionsgemeinschaftin der Bundesrepublik Deutschland. Dass die Moslemseigene Rituale, Symbole und religioese Beduerfnissehaben, wie jede andere Religionsgemeinschaft auch, istzum einen eine Selbstverstaendlichkeit, zum anderenentspricht es den Grundprinzipien eines freiheitlichdemokratischen Rechtsstaats. Leider besteht nochimmer eine grosse Unkenntnis innerhalb der christli-chen Bevoelkerungsmehrheit der BRD, was zu grobenFehlinterpretationen und dadurch wiederum zuAengsten fuehrt. So kommt es, dass der Islam immerwieder in Verbindung gebracht wird mit Horrorvisio-nen von Fundamentalismus, Rueckstaendigkeit undEroberung. Er wird somit zu einem neuen Feindbildhochstilisiert. Dies widerspricht dem tatsaechlichenGeist des Islam, der gepraegt ist von Toleranz undFrieden.Opfer von alldem werden viele Menschen, die zumTeil schon in der zweiten und dritten Generation, inDeutschland zu Hause sind. Es erschwert ihre Integra-tion, durch ihr religioeses Bekenntnis werden siemarginalisiert. Ausgrenzung statt Dialog und gegensei-tigem Verstaendnis.Der bessere Weg zu einer Entkrampfung und einerNormalisierung des Verhaeltnisses zum Islam ist dasAufeinander zugehen, das Kennenlernen, der Dialogmit dem unbekannten Nachbarn, gleich welchenGlaubens dieser ist.Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:• Gilt der Artikel 4 des Grundgesetzes zur freien

Religionsausuebung allein fuer das Christentum,oder auch fuer andere Religionen wie Judentumund Islam?

• Sieht die Landesregierung im Ruf eines Muezzins(im Islam ein Bestandteil des Gebets) eine Bedro-hung oder Belaestigung fuer Nicht-Moslems inNRW?

• Welche Erkenntnisse hat die Landesregierungueber Gespraeche und Dialoge, die das friedlicheZusammenleben von Christen und Moslems fo-erdern?

• Beeintraechtigt die freie Religionsausuebung vonMoslems oder Juden die Grundrechte der Bevoel-kerung?

• Wie kann das Grundrecht auf freie Religionsau-suebung gegenueber negativer Polemik und Auf-hetzung durch gesellschaftliche Gruppierungenund Einzelpersonen in diesem Zusammenhanggeschuetzt werden?

gezeichnet: 2 Unterschriften

Gebetsruf verteidigt[Gruppe 5 - Kirchen (Befürworter)]Duesseldorf - Der oeffentliche islamische Gebetsrufgefaehrdet das Christentum in Deutschland nicht. Diesunterstreicht ein gestern in Duesseldorf veroeffent-

lichtes gemeinsames Papier der Evangelischen Kircheim Rheinland und der Evangelischen Kirche vonWestfalen. Als Einladung zum Gebet seien der Ruf desMuezzin und christliches Glockengelaeut vergleichbar.Quelle: Koelner Stadt-Anzeiger, 21.Oktober 1998, Seite 8.(katholische) Kirchenzeitung Aachen 1.November 1998 Seite7.

(Christlich Islamischen Gesellschaft e.V.. URL: http://home.t-online.de/home/chrislages/welcome.htm.)

M 15 Religionsfreiheit - Was erfordert sie vonden Religionen und von der Gesellschaft?[alle Gruppen]"Jeder Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewis-sens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfaßt dieFreiheit, seine Religion oder seine Überzeugung zuwechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seineÜberzeugung allein oder in Gemeinschaft mit anderen,in der Öffentlichkeit oder privat, durch Lehre, Aus-übung, Gottesdienst und Vollziehung von Riten zubekunden."

So lautet Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung derMenschenrechte der Vereinten Nationen, der dieReligionsfreiheit als Menschenrecht anerkennt. DiesesRecht auf Religionsfreiheit beinhaltet sowohl dasRecht des Einzelnen, eine Religion frei zu wählen undöffentlich auszuüben, als auch das Recht der Religio-nen, sich frei und eigenständig zu entfalten.

Die Entwicklung der Religionsfreiheit in der Ge-schichte der verschiedenen Religionen ist komplex.Heute ist Religionsfreiheit gefestigt durch die UN-Menschenrechtserklärung ebenso wie durch zahlreicheErklärungen von Religionsgemeinschaften, unter ihnendie katholische Kirche. So erklärt das Zweite Vatikani-sche Konzil, "daß die menschliche Person das Rechtauf religiöse Freiheit hat. Diese Freiheit besteht darin,daß alle Menschen frei sein müssen von jedem Zwangsowohl von seiten Einzelner wie gesellschaftlicherGruppen, wie jeglicher menschlichen Gewalt, so daßin religiösen Dingen niemand gezwungen wird, gegensein Gewissen zu handeln, noch daran gehindert wird,privat und öffentlich, als Einzelner oder in Verbindungmit anderen - innerhalb der gebührenden Grenzen -nach seinem Gewissen zu handeln" (Erklärung überdie Religionsfreiheit "Dignitatis Humanae", 2).

Religion wird als eine eigenständige Größe verstanden,die sowohl das persönliche als auch das gesellschaftli-che Leben weitgehend mitbestimmt. Das erkennt auchdie Allgemeine Erklärung der Menschenrechte derUNO an, wenn sie in ihrem 2. Artikel Religion nichteinfach mit politischer oder sonstiger Überzeugunggleichsetzt, sondern sie nach der Rasse, der Farbe, demGeschlecht und der Sprache als einen eigenständigenUnterscheidungsfaktor erwähnt und in Artikel 18ausdrücklich das Recht auf Religionsfreiheit zugesteht.

Daneben hat weltweit in den letzten 20 Jahren derpolitische, soziale und kulturelle Einfluß der Religionenzugenommen. Fast alle geopolitischen Änderungen derletzten Jahrzehnte stehen direkt oder indirekt auch in

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Beziehung mit den Weltreligionen (siehe z. B. Iran,Afghanistan, Naher Osten, Sudan, Brasilien, Philippi-nen, Polen und der Ostblock, Indien, Pakistan ...).Diese Tatsache kann man von Fall zu Fall, oder auchallgemein, je nach Einstellung als positiv oder negativbewerten; man darf sie aber auf keinen Fall übergehen.

Im Folgenden sollen nun einige spezifische Aspekteder Religionsfreiheit etwas näher untersucht werden.

1. Religionsfreiheit - ein grundlegendes Men-schenrechtDas Recht auf Religionsfreiheit wird des öfteren als eingrundlegendes Menschenrecht bezeichnet. Eine solcheWertung geht zunächst auf das Wesen der Religionselbst zurück, die sich als Antwort der Menschen aufden Anspruch einer transzendenten Wahrheit versteht.Da der Mensch, mit Vernunft und Gewissen begabt(Artikel 1 der UN-Menschenrechtserklärung), alsPerson es als seine Pflicht empfindet, nach der Wahr-heit zu suchen, muß ihm auch das Recht zustehen, diein den Religionen offenbarte Wahrheit zu bekunden.Das Recht auf Religion ist somit in der Würde desMenschen begründet, so wie alle anderen Menschen-rechte. Insofern Religionen die Menschenwürde, die inder Allgemeinen Menschenrechtserklärung zwarerwähnt (Präambel), aber nicht begründet wird,ihrerseits begründen, sind sie ein zusätzlicher Garantder Menschenrechte, und ist Religionsfreiheit eingrundlegendes Menschenrecht.

2. Religionsfreiheit - Religionen haben Recht aufÖffentlichkeitArtikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschen-rechte zeigt verschiedene Dimensionen der Religions-freiheit auf. So wird festgehalten, daß jeder Mensch dasRecht hat, seine Religion "allein oder in Gemeinschaftmit anderen, in der Öffentlichkeit oder privat, durchLehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung vonRiten zu bekunden". Es widerspricht also dem Rechtauf Religionsfreiheit, wenn aus ideologischen oderanderen Gründen Religion einfach mit individuellerMoral oder persönlicher Meinung gleichgesetzt und inden Bereich des Privaten verdrängt wird. Religionsfrei-heit beinhaltet Recht auf Öffentlichkeit für den Ein-zelnen und für die religiösen Gemeinschaften. - DiesesThema wird im dritten Kapitel ausführlicher behandelt.

3. Religionsfreiheit - Schutz gegen TotalitarismusDa Religionen in ihrem Selbstverständnis eine höhere,übergeordnete Wahrheit zur Sprache bringen, könnensie auch in gewisser Weise das Verhältnis des Einzel-nen zum Staat prägen. Nicht der Staat ist die Quelleder Menschenrechte, sondern die menschliche Person.Darüber hinaus können Religionen in ihrer Eigenstän-digkeit die Menschenrechte begründen. Sie dürfendaher nicht vom Staat für seine Zwecke vereinnahmt,domestiziert oder instrumentalisiert werden. Religions-freiheit - in ihrer positiven Bedeutung - ist somit einSchutz gegen Totalitarismus, politischen (z. B. Kom-munismus) ebenso wie religiösen (z. B. Fundamenta-lismus).

4. Religionsfreiheit - Beitrag zu einer gerechterenGesellschaftDen Religionen das Recht auf öffentliche Ausübungzugestehen, bedeutet Demokratie fördern, wennentsprechende Religionen auf die in der Transzendenzbegründete Gleichheit aller Menschen hinweisen. Sokönnen sie andere Möglichkeiten des Zusammenle-bens aufweisen, beispielsweise sich in Diktaturen fürdemokratische Strukturen einsetzen (Chile, Brasilien,Ost-Timor ...) oder in Demokratien aus religiösenWerten heraus alternative Wege für eine gerechtereGesellschaft aufzeigen (soziales Engagement religiöserGemeinschaften ...). International können Religionenandere Gesichtspunkte geltend machen und ihreStimme für die Stimmlosen erheben (UN-Weltkonferenzen ...). Religionen können ebenfallsandere Wege für Konfliktlösungen finden helfen(Friedenstreffen in Sarajevo, Papstbesuch in Kuba ...).Vor allem aber können sie den Sinn für Menschen-rechte schärfen (Kolumbien, Südafrika ...). Nicht zuvergessen ist in diesem Zusammenhang der Einsatzvieler religiös geprägter Gruppen und Vereinigungenfür Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung derSchöpfung.

Viele kommen zur Überzeugung, "daß man ohne dieHilfe der traditionellen Religionen nicht zu einerVeränderung des menschlichen Verhaltens kommenwird, denn die Antriebssysteme [Motivationen] desEinzelnen sind stark mit den von den Religionenvermittelten Wertsystemen korreliert; und daß diesäkulare spätmoderne Religion des rationalen Egois-mus nicht in der Lage sein wird, die drängendenProbleme in den Griff zu bekommen, liegt auf derHand" (Vittorio Hösle: Moral und Politik, S. 1069).

5. Religionsfreiheit - unverzichtbarer Wert fürplurikulturelle GesellschaftenDurch das Recht auf Religionsfreiheit können diegroßen Weltreligionen sich in plurikulturellen Gesell-schaften frei entfalten. So werden religiöse und kultu-relle Gemeinsamkeiten und Unterschiede in allerÖffentlichkeit klar erkennbar; Toleranz, interkulturellerDialog und Verständigung werden gefördert. Aufdiesen positiven Beitrag der Weltreligionen kann keineplurikulturelle moderne Gesellschaft verzichten. DerPluralismus beinhaltet aber das Risiko, daß Unter-schiede verwischt anstatt respektiert werden. IndemReligionen gegenseitiges Verständnis, Akzeptanz undRespekt propagieren sowie Möglichkeiten des Zu-sammenlebens aufzeigen, können anstehende kultu-relle Konflikte gelöst werden. Eine Bedingung hierfürist allerdings, daß die Religionen selbst in ihremeigenen Denken und Handeln Religionsfreiheit gewäh-ren und fördern.

Wenn Religionen die Religionsfreiheit begründen undfördern, kann das nicht mit Gleichgültigkeit oderRelativismus (Relativierung ihrer selbst) verwechseltwerden. Im Gegenteil, nur die gegenseitige Anerken-nung gesteht den verschiedenen Religionen ihr eigen-ständiges Dasein im plurikulturellen Kontext zu.

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6. Religionsfreiheit - auch ein religiöser WertDamit Religionen positiv befreiend wirken können,sowohl individuell als auch gesellschaftlich, sowohlprivat als auch öffentlich, ist es ihre Pflicht, Religions-freiheit für sich selbst und für die anderen Religionenzu beanspruchen; Religionsfreiheit haben sie dabeinicht nur zu tolerieren, sondern auch von innen her zubejahen. Nur wenn die Entscheidung für eine be-stimmte Religion aus freien Stücken und aus innererÜberzeugung geschieht, hat sie für diese Religion einenWert und ist sie sinnvoll. Zu Recht beinhaltet dieReligionsfreiheit, daß jeder Mensch "die Freiheit (hat),seine Religion oder seine Überzeugung zu wechseln"(Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschen-rechte). Wenn die Freiheit, die Religion zu wechseln,nicht aus dem religiösen Verständnis der Religionenselbst begründet wird, verfallen diese leicht in ideologi-sche Intoleranz, die persönliche und gesellschaftlicheKonflikte herbeiführen oder verschärfen kann.

Religionsfreiheit schließt ihrerseits die Möglichkeit mitein, keiner Religion anzuhängen; dies ergibt sich unteranderem auch aus der Meinungs- und der Gewissens-freiheit. Auch die Position der Areligiosität muß seitensder Religionen akzeptiert werden können.

7. Religionsfreiheit - positiv für die Entwicklungder MenschheitEntgegen verschiedenen Theorien haben die Religio-nen eine Rolle in der Gesellschaft zu spielen. Sie tragennämlich zu deren Entwicklungen und Umwälzungenbei, ähnlich wie Wirtschaft und Kultur. Soll die Ent-wicklung weltweit in Richtung größerer Achtung derMenschenrechte gehen, dann müssen die Religionenals eigenständige Größen in Staat und Gesellschaftanerkannt und gefördert werden. Religionsfreiheit mußverlangt, geschützt und verteidigt werden, denn unserJahrhundert hat klar gezeigt, daß Religionen, trotz allernicht zu leugnenden negativen Aspekte, immer nocheine menschenwürdigere Welt erwarten bzw. anstre-ben.

(Commission luxembourgeoise "Justice et Paix". URL:http://www.restena.lu/justpaix/)

M 16 Allgemeine Erklärung der Menschen-rechte (Vereinte Nationen, 1948)[alle Gruppen]Artikel 18:Jeder Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewis-sens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfaßt dieFreiheit, seine Religion oder seine Überzeugung zuwechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seineÜberzeugung allein oder in Gemeinschaft mit anderen,in der Öffentlichkeit oder privat, durch Lehre, Aus-übung, Gottesdienst und Vollziehung von Riten zubekunden.

(Commission luxembourgeoise "Justice et Paix". URL:http://www.restena.lu/justpaix/)

M 17 Religionsfreiheit und Staat-Kirche-Beziehung[alle Gruppen]Historisch hat sich die Religionsfreiheit in Europa imKampf gegen Staatskirchen und Staatsreligionenherausgebildet. Im säkularen, weltanschaulich neutra-len Staat aber ist die Religionsfreiheit die Basis auchder korporativen Rechte der Kirchen im weltlichenBereich, denn nach christlichem Verständnis drängtReligion nach Gemeinschaft, öffentlicher Verkündi-gung und Dienst am Gemeinwesen und in all demnach Organisation und Selbstbestimmung der Religi-onsgemeinschaften.Aus der Religionsfreiheit folgt aber nicht ein be-stimmtes institutionelles Verhältnis von Staat undKirche. Auch ein System der vollkommenen (abernicht feindlichen) Trennung von Staat und Kirche(Kirchen als Vereine, keine staatliche Förderung) kannReligionsfreiheit gewährleisten. Umgekehrt kann ausder Religionsfreiheit auch nicht abgeleitet werden, derStaat müsse dem Bereich des Religiösen uninteressiertund indifferent gegenüberstehen. Die Religionsfreiheitverbietet dem Staat aber jedenfalls die Schlechterstel-lung (Diskriminierung) der Religionsgemeinschaftenim Vergleich zu anderen Verbänden (bezüglich derRechtsstellung, der Förderung, der Teilhabe amallgemeinen pluralistischen Prozeß der Meinungs- undWillensbildung).[Klaus Schlaich, Evangelisches Soziallexikon]

Der Genuß der bürgerlichen und politischen Rechtesowie die Zulassung zu den öffentlichen Ämtern istvom Religionsbekenntnis unabhängig. Niemand darfzu einer kirchlichen Handlung oder zur Teilnahme aneiner religiösen Übung oder zur Benützung einerreligiösen Eidesformel gezwungen werden. Anderseitsdarf aber den staatsbürgerlichen Pflichten durch dasReligionsbekenntnis kein Abbruch geschehen; eineAusnahme hiervon bildet [der deutsche] Grundgesetz-Artikel 4 III, wonach niemand gegen sein Gewissenzum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werdendarf. (...) Die Kultfreiheit im engeren Sinne ist nichtschrankenlos. Sie darf aber nicht Gegenstand andererals vom Gesetz vorgesehener Beschränkungen sein,die in einer demokratischen Gesellschaft notwendigeMaßnahmen im Interesse der öffentlichen Sicherheit,der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral oderfür den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sind.Keinesfalls darf die Religionsübung gegen die öffentli-che Ordnung oder die guten Sitten verstoßen.Die Kultfreiheit steht auch den Religionsgesellschaftenals Kollektivrecht zu. Der Staat gewährleistet dieungestörte Religionsübung und sichert die rechtmäßigeReligionsübung durch strafrechtliche Bestimmungen.- Die religiöse Vereinigungsfreiheit hindert den Staatnicht, den Religionsgesellschaften je nach ihrer Be-deutung eine verschiedene Rechtsstellung zuzuerken-nen, insbesondere ihnen z. T. die Stellung eineröffentlich-rechtlichen Körperschaft einzuräumen. (...)Den Religionsgesellschaften wird für die innerenAngelegenheiten Autonomie gewährt, sie sind jedochden für alle geltenden Staatsgesetzen unterworfen. Siekönnen aber dem Staat durch Vereinbarung eineMitwirkung (etwa bei der Besetzung von Kirchenäm-tern) zugestehen.

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[Erwin Melichar, Lexikon für Theologie und Kirche]

(Commission luxembourgeoise "Justice et Paix". URL:http://www.restena.lu/justpaix/)

M 18 Muslimischer Gebetsruf per Lautspre-cher?[Gruppe 6 - Kirchen (Gegner)]Muslime fordern, dass auch in Deutschland die Einla-dung zum rituellen Gebet per Lautsprecher ertönendarf. Geht es dabei um ein "Stück Heimat" im fremdenLand, um Gleichbehandlung mit den christlichenKirchen im Blick auf das Glockenläuten oder ummehr?

1. Das muslimische Gebet (arab. salaat) hat wenig mitdem christlichen Verständnis vom Gebet gemeinsam.Es ist vielmehr eine - möglichst öffentliche - Demon-stration der Unterwerfung unter Gott (wie ihn Musli-me verstehen) und seinen Willen. Die betende Ge-meinschaft ist nach traditionellem Verständnis immerauch zugleich eine politische Gemeinde. Mit demGebet können deshalb, vor allem beim Hauptgebet amFreitag, gesellschaftspolitische Themen und Aufrufeverbunden werden.

2. Der Aufruf (arab. adhaan) zum Gebet gehört nachallgemeiner muslimischer Auffassung zum Gottes-dienst hinzu. In der modernen Welt ist es aber letztlichnicht mehr sinnvoll, den Gebetsruf außerhalb derMoschee ertönen zu lassen. Denn normalerweise trägtjeder Mensch eine Uhr, und die muslimischen Gebets-zeiten liegen zeitlich fest. Für konservative Muslime istder Gebetsruf aber mehr als nur die Einladung zumGebet. Er ist ein öffentliches Bekenntnis zum Islamund zu seiner Überlegenheit. Da das Gebet einegesellschaftliche Dimension hat, gilt dies auch für denRuf zum Gebet.

3. Dies wird am Inhalt des islamischen Gebetsrufesdeutlich: Er beginnt mit einem mehrmaligen "AllahuAkbar", d.h. "Gott ist der Größte". Damit wird derAnspruch Gottes (im islamischen Verständnis) überdie Gesellschaft betont: Die (in diesem Fall: deutsche)Gesellschaft hat sich den Geboten Gottes unterzuord-nen! Dies wird unterstrichen durch das ebenfalls imGebetsruf zitierte Glaubensbekenntnis "Es gibt keineGottheit außer Gott, und Muhammed ist der GesandteGottes". - Der Gebetsruf muss auf arabisch gerufenwerden, weshalb ihn Deutsche nicht verstehen undvielleicht als "exotisch und interessant" empfindenmögen. Er ist aber ein öffentliches Bekenntnis zu Gott(im islamischen Sinne) und bekundet damit einenMachtanspruch auf Durchsetzung des Willens Gottesin der Gesellschaft. Der Gebetsruf ist also nicht rein"religiös" (im modernen, westlichen Verständnis),sondern hat eine politische Komponente.

4. Der Gebetsruf kritisiert indirekt - für Muslime abersehr bewusst - den christlichen Glauben an die Dreiei-nigkeit Gottes und an die Gottessohnschaft JesuChristi. Das "Es gibt keinen Gott außer Gott" ist eineöffentliche Kritik am christlichen Bekenntnis zur"Dreieinigkeit Gottes". Das Ausrufen Muhammeds als

eines Gesandten Gottes, welcher nach Christus lebte,degradiert Jesus Christus öffentlich zu einem "Ge-sandten unter vielen" und Vorläufer Muhammeds undleugnet ihn als den endzeitlichen Christus und Erlöser,wie er von Christen bekannt wird. Der islamischeGebetsruf ist deshalb ein öffentlicher Affront gegenglaubende Christen.

5. Man kann dagegen einwenden, dass in einer multire-ligiösen Gesellschaft jeder Bürger die öffentlicheDemonstration einer anderen Glaubensweise duldenmuss. Dem sind jedoch Grenzen gesetzt, wie das"Kruzifix-Urteil" des Bundesverfassungsgerichtesdeutlich gemacht hat. Der säkulare Staat beruhtgrundsätzlich auf der Trennung von staatlicher Ord-nung und religiösen Überzeugungen. Zwar hat derStaat die Aufgabe, die Ausübung der Religion in einemdafür bestimmten "Rahmen" zu garantieren, abersobald Religionen öffentliche Macht beanspruchenund öffentlich lautstark den Glauben anderer Bürger inFrage stellen, wird es problematisch, weil damit dieFreiheit der Anhänger anderer Glaubensweisenberührt wird.

6. Zwischen der Darstellung des christlichen und desmuslimischen Glaubens in der Öffentlichkeit ist einwesentlicher Unterschied. Wenn Christen in einergenehmigten Demonstration auf Plakaten bekennen,dass "Jesus der Herr ist", so ist damit kein politischerAnspruch verbunden. Auch die christlichen Symbolewie das Kreuz beinhalten keinen öffentlichen An-spruch. Das Glockenläuten hat nicht einmal eineinhaltliche Aussage, sondern erinnert an Gott und lädtzum Gottesdienst ein. Der islamische Gottesdienstund die Einladung zu ihm beinhalten dagegen imtraditionellen islamischen Verständnis immer einenAnspruch auf Veränderung der öffentlichen Ordnung.

7. Das Ausrufen des Gebetsrufes durch Lautsprecherist eine moderne Sitte, die erst durch die neuzeitlicheTechnik möglich geworden ist. Sie ist auch in mehr-heitlich islamischen Ländern nicht sehr sinnvoll,abgesehen vielleicht von ländlichen Gebieten, in denender Bauer auf dem Feld keine Uhr trägt. Das Ausrufenper Lautsprecher ist letztlich eine öffentliche Demon-stration des islamischen Glaubens und gehört zurislamischen Verkündigung ("Ruf" zum Islam unddamit zur islamischen Ordnung).

8. Der muslimische Aufruf zum Gebet per Lautspre-cher ist für einen islamischen Gottesdienst eindeutignicht konstitutiv und sollte deshalb keine staatlicheUnterstützung finden. Er ist eindeutig ein Mittelislamischer Propaganda, welches bei aller Toleranz denRahmen des Zumutbaren sprengt. In einer deutschenStadt, in der Muslime eine Minderheit sind und esvielleicht einige verstreute Moscheen gibt, ist es nichtsinnvoll, per Lautsprecher zum Gebet aufzurufen, dadoch nicht alle Muslime es hören könnten. Auch dasGlockenläuten dient heute letztlich nicht mehr seinemursprünglichen Sinn, da alle Menschen eine Uhr habenund wissen, wann sie zum Gottesdienst zu gehenhaben. Wohl nur noch ganz wenige Menschen lassensich durch die Glocken zu einem persönlichen Gebetrufen. Sirenen haben die Glocken auch als Signale im

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Falle von Gefahren (Brand usw.) abgelöst. Das Glok-kenläuten ist ein Restbestand einer christlichen Kultur.Angesichts der zunehmenden Zurückdrängung dieserSitte ist es nicht sinnvoll, eine neue Lärmbelästigung inForm von Gebetsruf per Lautsprecher einzuführen. Esist auch darauf hinzuweisen, dass praktisch alle neue-ren christlichen Gemeinden auf Glocken verzichten.

9. Nach konservativer muslimischer Auffassung solltenChristen nicht öffentlich durch Glocken zu ihrenGottesdiensten einladen oder neue Kirchen in islami-schen Ländern bauen dürfen. Im Laufe der Geschichteist das Glockenläuten auch in Ländern, die einstmalsganz christlich waren (wie z.B. Ägypten) von denRegierenden über weite Strecken verboten worden.Erst unter dem Einfluss der Kolonialmächte erlangtendie Christen wieder mehr Freiheiten, welche heute aberSchritt für Schritt eingeschränkt werden. In Saudi-Arabien ist es sogar streng verboten, christlicheGebetsräume einzurichten. Diese Situation ist zwarkein Grund, im Gegenzug auch Muslimen inDeutschland die Ausübung ihres Glaubens zu verwei-gern, aber die Rede von der "islamischen Toleranz"erscheint auf diesem Hintergrund in einem anderenLicht. Auch die Aussage, dass Muslime in DeutschlandGlaube und Politik trennen würden, ist nicht glaubhaft.Dies mag für viele fromme Muslime gelten, aber nichtfür den Islam an sich, in welchem Glaube und öffentli-che Ordnung grundsätzlich zusammengehören.

(Troeger, Eberhard: Muslimischer Gebetsruf per Lautsprecher?Lausanner Bewegung Deutschland. URL:http://www.lausannerbewegung.de/index.php?p=17)