Repetenten-AG §§ 437 I Nr. 3, 280 ff, 823 - uni- · PDF fileSchaE statt der Leistung...

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Repetenten-AG (ZivR) WS 02/03 §§ 437 I Nr. 3, 280 ff., 823 BGB Dr. Martin Ebers Seite 1 Fälle Fall 1: A kauft beim Hersteller B einen fabrikneuen Traktor. Das Fahrzeug wird am 1.2.02 übergeben. Am 10.4.2004 verliert A auf einer Fahrt die Kontrolle über das Fahrzeug und dieses kippt zur Seite. A bleibt unverletzt, aber an dem Traktor entsteht ein Schaden iHv 5.000 Euro, der nicht mehr repariert werden kann. Darüber hinaus wird auch noch ein von A mitgeführter Anhänger beschädigt (2.000 Euro). Ein Sachverständigengutachten ergibt, dass bei der Montage des Fahr- zeugs ein fehlerhaftes Einzelteil im Lenkungsbereich eingebaut wurde. Dies führte zur vollstän- digen Blockierung der Lenkung. A verlangt Schadensersatz. B beruft sich dagegen auf Verjäh- rung. Fall 2: B ist Veranstalter von Theater-Aufführungen in Münster. A kauft eine Karte zum Preis von ins- gesamt 200,- Euro. Da er in Hamburg wohnt, bucht er Flugtickets erster Klasse für 500 Euro und reserviert einen Luxussuite für 600 Euro. Einen Tag vor der Aufführung erfährt A, dass das The- ater ausfült, da sich aufgrund Unachtsamkeiten des technische Personals von B Sicherheritsmän- gel im Bereich der Bühne ergeben. A storniert seine Reise und seinen Hotelaufenthalt und bleibt jeweils zu 75% auf seinen Kosten sitzen. A will Erstattung der Musicalkarten (200) und Storno- gebühren (600,- Euro).

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Repetenten-AG (ZivR) WS 02/03 §§ 437 I Nr. 3, 280 ff., 823 BGB Dr. Martin Ebers Seite 1

Fälle

Fall 1:

A kauft beim Hersteller B einen fabrikneuen Traktor. Das Fahrzeug wird am 1.2.02 übergeben.

Am 10.4.2004 verliert A auf einer Fahrt die Kontrolle über das Fahrzeug und dieses kippt zur

Seite. A bleibt unverletzt, aber an dem Traktor entsteht ein Schaden iHv 5.000 Euro, der nicht

mehr repariert werden kann. Darüber hinaus wird auch noch ein von A mitgeführter Anhänger

beschädigt (2.000 Euro). Ein Sachverständigengutachten ergibt, dass bei der Montage des Fahr-

zeugs ein fehlerhaftes Einzelteil im Lenkungsbereich eingebaut wurde. Dies führte zur vollstän-

digen Blockierung der Lenkung. A verlangt Schadensersatz. B beruft sich dagegen auf Verjäh-

rung.

Fall 2:

B ist Veranstalter von Theater-Aufführungen in Münster. A kauft eine Karte zum Preis von ins-

gesamt 200,- Euro. Da er in Hamburg wohnt, bucht er Flugtickets erster Klasse für 500 Euro und

reserviert einen Luxussuite für 600 Euro. Einen Tag vor der Aufführung erfährt A, dass das The-

ater ausfült, da sich aufgrund Unachtsamkeiten des technische Personals von B Sicherheritsmän-

gel im Bereich der Bühne ergeben. A storniert seine Reise und seinen Hotelaufenthalt und bleibt

jeweils zu 75% auf seinen Kosten sitzen. A will Erstattung der Musicalkarten (200) und Storno-

gebühren (600,- Euro).

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Lösungsskizzen:

Fall 1 (nach Grigoleit, ZGS 2002, 78)

I. Schaden am Traktor (5.000 Euro)

1. §§ 437 I Nr. 3, 280 I, 281/ 283 BGB• Schaden betrifft die Kaufsache selbst, daher ist SchaE statt der Leistung einschlägig.• Pflichtverletzung (+), da mangelhafte Lieferung (§§ 433, 434 I 2 Nr. 2 BGB)• Verschulden (§ 280 I 2 BGB)• Erfolgloser Ablauf der Nacherfüllungsfrist (fraglich, da keine Frist gesetzt wurde); ent-

behrlich gem. §§ 440, 281 II BGB (Unzumutbarkeit? Verweigerung des Verkäufers?Fehlschlagen?).

• § 283 BGB (Unmöglichkeit!)• Verjährung gem. § 438 I Nr. 3 BGB (zwei Jahre ab Ablieferung!) ist eingetreten. Etwas

anderes könnte sich nur dann ergeben, wenn man mitWagner(JZ 2002, 475ff und 1092)davon ausgeht, dass Mangelfolgeschäden, die sich als Beeinträchtigung des „Integritätsin-teresses“ darstellen, nicht der Verjährung des § 438 BGB, sondern der allgemeinen Ver-jährung unterfallen (hiergegen aber Gsell, JZ 2002, 1089).

2. § 823 I BGB• Verjährung? – Dreijahresfrist (§ 195 BGB). Verjährungsbeginn mit Entstehung des An-

spruchs und Kenntnis/Kennenmüssen (§ 199 BGB). Maximal: 30 Jahre (§ 199 III BGB).Hier: Noch keine Verjährung eingetreten!

• Eigentumsverletzung problematisch, da (1) A bereits Eigentümer des Traktors war (2)Soderregeln des Kaufrechts ausgehebelt werden könnten.

• Bisherige Rspr. bejahte Eigentumsverletzung, wenn (wie hier) ein Weiterfresserschadenan einem funktional abgrenzbaren Einzelteil vorlag.

• Es besteht ein praktisches Bedürfnis, an dieser Rspr. weiter festzuhalten, da ein unter-schiedliches Verjährungsregime zwischen Vertragsrecht und Deliktsrecht nach wie vorbesteht (s.o.).

• Teilweise wurde nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vorgeschla-gen, die Verjährungsregeln des Kaufrechts auf das Deliktsrecht zu übertragen (so Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring-Mansel, a.a.O., § 195 BGB, Rn. 50 ff.). Dies ist allerdings unterdem Gesichtspunkt des EG-Rechts problematisch, denn die Produkthaftungs-RiLi enthält(ebenso wie § 12 ProdHaftG) eine dreijährige Verjährungsfrist mitsubjektiver Anknüp-fung.

• Neu ist allerdings ggü. dem alten Recht, dass das Nacherfüllungsrecht des Verkäufersnicht einfach umgangen werden darf (so insb.Foerster, ZRP 2001, 342 (342);Grigoleit,ZGS 2002, 78 (79); HK-BGB-Staudinger, Vor 823-853 BGB Rn. 13). Im vorliegendenFall ist dieses Argument allerdings nicht einschlägig, daUnmöglichkeitvorliegt!

• Somit ist die Rspr. zum Weiterfresserschaden weiterhin anwendbar.• Verschulden wird vermutet (Fabrikationsfehler).• Es besteht ein Schadensersatzanspruch iHv 5000 Euro.

3. § 1 Abs. 1 ProdHaftG• (-), da gem. § 1 I 2 1. Alt. nur für Schäden an einer anderen Sache als dem fehlerhaften

Produkt selbst.

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Repetenten-AG (ZivR) WS 02/03 §§ 437 I Nr. 3, 280 ff., 823 BGB Dr. Martin Ebers Seite 3

II. Schaden am Anhänger (2.000 Euro)

1. § 437 Nr. 3, 280 I BGB• Einschlägig, da ein Mangelfolgeschaden vorliegt und der Anhänger nicht Gegenstand der

Leistungspflicht war.• Kaufvertragliche Pflicht gem. §§ 433, 434 I Nr. 2 BGB verletzt.• Verschulden wird vermutet (§ 280 I 2 BGB)• Kausalität (+)• Umfang gem. § 251 I BGB• Verjährung gem. § 437 BGB!!

2. § 823 I BGB• Eigentumsverletzung• Verschulden wird vermtutet• Kein Verjährungsproblem

3. § 1 I ProdHaftG• Dreijahresfrist des § 12 I ProdHaftG

Fall 2 (nach Grigoleit, ZGS 2002, 122)

I. Erstattung der Musicalkarten gem. §§ 326 I1, IV, 346 I (200 Euro)• Kaufvertrag (gemischt: auch Werkvertrag und Mietvertrag)• Nachträgliche Unmöglichkeit (§ 275 I), da absolutes Fixgeschäft.• Ohne Fristsetzung.

II. SchaE statt der Leistung aus §§ 280 I, III, 283 S. 1 (200 Euro + 600 Euro)• Voraussetzungen (+), da Unmöglichkeit von B zu vertreten (§§ 278, 276)• §§ 251, 253 BGB: Wertersatz• Schaden iHv 200 Euro entstanden.• Problem: Hinsichtlich der Stornokosten (600 Euro) ist kein Schaden nach der Differenz-

theorie entstanden. Auch die Rentabilitätsvermutung hilft hier nicht weiter.

III. §§ 280 I, III, 284 BGB (600 Euro) (+/-)• B hat Aufwendungen für Flug/Hotel im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht.• Keine Anhaltspunkte bestehen, dass der Zweck der Aufwendungen auch ohne die

PflichtV verfehlt worden wäre (etwa durch Krankheit des A).• Billigerweise machen durfte? – A hat durch die sofortigen Stornierungen den Schaden

gemindert (§ 254 II 1 1.Alt. BGB). Es könnten allerdings Luxusaufwendungen vorliegen(+/-)