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er 54-Jährige pensionierte Lokführer aus Eckelsheim in Rheinland-Pfalz wollte in Zukunft auf seinen Pkw ver- zichten und hauptsächlich mit seinem Traktor unterwegs sein. Doch bis es soweit war, musste erst eini- ges getan werden. Den passenden Schlepper dazu hatte er schon länger im Auge – den Hanomag R 16 seines ver- 60 TRAKTOR Restaurierungsbericht RESTAURIERUNG HANOMAG R 16 A, BAUJAHR 1956 Nah am Original sollte er sein und trotzdem tauglich für den Straßen- verkehr: der Hanomag R 16 A von Udo Wilbert. Das Wichtigste aber war, den kleinen Trecker auf jeden Fall kostengünstig fit zu bekommen Rund 14.000 Stück wurden gebaut, und Udo Wilbert hat einen davon gerettet: Hanomag R 16 Tausche Lok gegen Hanomag D storbenen Onkels. Der fristete schon ei- nige Jahre sein Dasein unter freiem Himmel. Ein Jammer, aber schon bald fasste Udo den Entschluss, ihn zu sich zu holen. Die Zeit im Freien hatte deut- liche Spuren hinterlassen: überall Rost, Teile fehlten, der Motor sprang mal an, dann wieder nicht, und die Reifen wa- ren auch alle zerstochen (s. Seite 61). Als Udo den R 16 nun auf einen ande- ren Platz schieben wollte, ließ dieser sich erstaunlicherweise keinen Milli- meter von der Stelle bewegen. Oh nein – ein Wasserschaden ... Die Hinterräder waren vollkommen blo- ckiert. Spontan fiel der erste Verdacht auf die Bremsen. Aber die waren es nicht, denn die Räder hatten ein klein wenig Spiel. Auch nach genauester In- spektion – und das in winterlicher Ei- seskälte – konnte die Ursache nicht lo- kalisiert werden. Erst als es wärmer wurde, konnte Udo sich wieder dem Problem widmen und packte sein Werkzeug aus. Doch jetzt ließ sich der Hanomag auf einmal wieder bewegen. Eine dunkle Vorahnung beschlich den ehemaligen Lokführer. Das konnte eigentlich nur bedeuten, dass das Getriebe über Winter eingefroren war und deswegen die Hin- terräder bewegungsunfähig waren. Es musste sich eine gehörige Menge Was- ser im Getriebe befinden, damit es über- haupt hatte zueisen können. Alles voller Schmodder Da die Ölablassschraube kaum Ge- brauchsspuren aufwies, konnte man darauf schließen, dass in der Vergangen- heit wohl selten Ölwechsel vorgenom- men wurden. Das bewies auch der In- halt: Nach Entfernen der Schraube liefen etwa sieben bis acht Liter Wasser aus dem Getriebe. Zurück blieben Öl- schmodder und Rost: Flugrost auf den Zahnrädern und ordentlich Rost in den Kugellagern (siehe unten). Udo wurde in dem Moment klar, dass er sich die nächsten Monate mit Demontage und Bestandsanalyse werde beschäftigen müssen. In seinem Beruf als Lokführer hatte er gelernt, Motoren oder Maschi- nen systematisch zu prüfen und zu kon- trollieren. Systematik war auch im Fall Hanomag angesagt, denn wenn man schon einmal bis zum Motor und Ge- triebe vorgedrungen war, wäre es ärger- lich gewesen, hätte man ein wichtiges Detail übersehen. Das viele Wasser im Getriebe war Be- weis genug dafür, dass der Traktor län- gere Zeit im Freien gestanden haben musste. Dass er auch ein Leben als Ar- beitstier hinter sich hatte, offenbarten die Einlaufspuren am Gasgestänge (Sei- te 62 oben links) und diverse Ver- schleißspuren an der Vorderachse (Sei- te 62). Außerdem wies der Kugelkopf vom Schräglenker deutlich Spiel auf, und der Schmiernippel war wohl selten genutzt worden. Am linken Rad war der Achsschenkel stark ausgeschlagen. Kein Wunder, denn dort wirkten ja auch die Lenkkräfte des rechten Rades und belasteten diese Seite somit doppelt. Bis zum Abfallen Eine komische Sache entdeckte der Bastler während seines Checks am vor- deren Radlager: Obwohl daran offen- sichtlich schon einmal gefeilt worden war, wies das Lager starke Riefen und Schleifspuren auf. Allem Anschein nach ist der Schlepper mit fast abgefal- lenem Rad gefahren worden, was leider nicht ohne Folgen für das Rollenlager blieb. Dessen innerer Ring hatte sich nämlich schon auf der Achse gedreht. Ein neues Lager half da nichts mehr, denn der Achsschenkel war in dem Zu- stand eigentlich ein Kandidat für den Schrottplatz. Merkwürdigerweise befanden sich Gummiteile an der Vorderachse, die laut Ersatzteilliste gar nicht dorthin ge- hörten – also, raus damit. Für den ent- standenen Zwischenraum (Seite 64 oben) konnte sich Udo auf einer großen traktorclassic.de 6|2010 ›› Allem Anschein nach ist der Schlepper mit fast abgefallenem Rad gefahren worden OBEN Blick ins geflutete Getriebe: Die Schaltkulisse ist bereits ausgebaut LINKS Als der R 16 zu Udo kam, stand er schon auf neuen Rädern, doch der Motor wollte nicht anspringen 61 OBEN Das vordere Lager vom Mähbalkenantrieb war mit Rost überzogen UNTEN Als der Deckel vom hinteren Lager des Mäh- balkenantriebs entfernt wurde, lief zuerst einmal der Schmodder raus NEU: HANOMAG R 16 RESTAURIERUNGSMEHRTEILER Folge 1 traktorclassic.de 6|2010

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er 54-Jährige pensionierteLokführer aus Eckelsheim inRheinland-Pfalz wollte inZukunft auf seinen Pkw ver-zichten und hauptsächlich

mit seinem Traktor unterwegs sein.Doch bis es soweit war, musste erst eini-ges getan werden. Den passendenSchlepper dazu hatte er schon länger imAuge – den Hanomag R 16 seines ver-

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T R A K T O R Restaurierungsbericht

RESTAURIERUNG HANOMAG R 16 A, BAUJAHR 1956

Nah am Original sollte er sein und trotzdem tauglich für den Straßen-verkehr: der Hanomag R 16 A von Udo Wilbert. Das Wichtigste aber war,den kleinen Trecker auf jeden Fall kostengünstig fit zu bekommen

Rund 14.000 Stück wurden gebaut, und Udo Wilbert hat einen davon gerettet: Hanomag R 16

Tausche Lok gegen Hanomag

Dstorbenen Onkels. Der fristete schon ei-nige Jahre sein Dasein unter freiemHimmel. Ein Jammer, aber schon baldfasste Udo den Entschluss, ihn zu sichzu holen. Die Zeit im Freien hatte deut-liche Spuren hinterlassen: überall Rost,Teile fehlten, der Motor sprang mal an,dann wieder nicht, und die Reifen wa-ren auch alle zerstochen (s. Seite 61).Als Udo den R 16 nun auf einen ande-

ren Platz schieben wollte, ließ diesersich erstaunlicherweise keinen Milli-meter von der Stelle bewegen.

Oh nein – ein Wasserschaden ...Die Hinterräder waren vollkommen blo-ckiert. Spontan fiel der erste Verdachtauf die Bremsen. Aber die waren esnicht, denn die Räder hatten ein kleinwenig Spiel. Auch nach genauester In-

spektion – und das in winterlicher Ei-seskälte – konnte die Ursache nicht lo-kalisiert werden. Erst als es wärmerwurde, konnte Udo sich wieder demProblem widmen und packte seinWerkzeug aus.

Doch jetzt ließ sich der Hanomag aufeinmal wieder bewegen. Eine dunkleVorahnung beschlich den ehemaligenLokführer. Das konnte eigentlich nurbedeuten, dass das Getriebe über Winter

eingefroren war und deswegen die Hin-terräder bewegungsunfähig waren. Esmusste sich eine gehörige Menge Was-ser im Getriebe befinden, damit es über-haupt hatte zueisen können.

Alles voller SchmodderDa die Ölablassschraube kaum Ge-brauchsspuren aufwies, konnte mandarauf schließen, dass in der Vergangen-heit wohl selten Ölwechsel vorgenom-men wurden. Das bewies auch der In-halt: Nach Entfernen der Schraubeliefen etwa sieben bis acht Liter Wasser

aus dem Getriebe. Zurück blieben Öl-schmodder und Rost: Flugrost auf denZahnrädern und ordentlich Rost in denKugellagern (siehe unten). Udo wurdein dem Moment klar, dass er sich dienächsten Monate mit Demontage undBestandsanalyse werde beschäftigenmüssen. In seinem Beruf als Lokführerhatte er gelernt, Motoren oder Maschi-nen systematisch zu prüfen und zu kon-trollieren. Systematik war auch im Fall

Hanomag angesagt, denn wenn manschon einmal bis zum Motor und Ge-triebe vorgedrungen war, wäre es ärger-lich gewesen, hätte man ein wichtigesDetail übersehen.

Das viele Wasser im Getriebe war Be-weis genug dafür, dass der Traktor län-gere Zeit im Freien gestanden habenmusste. Dass er auch ein Leben als Ar-beitstier hinter sich hatte, offenbartendie Einlaufspuren am Gasgestänge (Sei-te 62 oben links) und diverse Ver-schleißspuren an der Vorderachse (Sei-te 62). Außerdem wies der Kugelkopf

vom Schräglenker deutlich Spiel auf,und der Schmiernippel war wohl seltengenutzt worden. Am linken Rad war derAchsschenkel stark ausgeschlagen.Kein Wunder, denn dort wirkten ja auchdie Lenkkräfte des rechten Rades undbelasteten diese Seite somit doppelt.

Bis zum AbfallenEine komische Sache entdeckte derBastler während seines Checks am vor-deren Radlager: Obwohl daran offen-sichtlich schon einmal gefeilt wordenwar, wies das Lager starke Riefen undSchleifspuren auf. Allem Anscheinnach ist der Schlepper mit fast abgefal-lenem Rad gefahren worden, was leidernicht ohne Folgen für das Rollenlagerblieb. Dessen innerer Ring hatte sichnämlich schon auf der Achse gedreht.Ein neues Lager half da nichts mehr,denn der Achsschenkel war in dem Zu-stand eigentlich ein Kandidat für denSchrottplatz.

Merkwürdigerweise befanden sichGummiteile an der Vorderachse, dielaut Ersatzteilliste gar nicht dorthin ge-hörten – also, raus damit. Für den ent-standenen Zwischenraum (Seite 64oben) konnte sich Udo auf einer großen

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›› Allem Anschein nach ist der Schlepper mit fast abgefallenem Rad gefahren worden

OBEN Blick ins geflutete Getriebe: DieSchaltkulisse ist bereits ausgebaut

LINKS Als der R 16 zu Udo kam, stand erschon auf neuen Rädern, doch der Motorwollte nicht anspringen

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OBEN Das vordere Lagervom Mähbalkenantriebwar mit Rost überzogen

UNTEN Als der Deckel vomhinteren Lager des Mäh-balkenantriebs entferntwurde, lief zuerst einmalder Schmodder raus

NEU: HANOMAG R 16RESTAURIERUNGSME

HRTEILER

Folge 1

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verdreht aufmontiert. Noch heute kannes der 54-Jährige nicht fassen: „Das isteigentlich gar nicht möglich, diesesZahnrad falsch einzubauen, so etwasbekommt man nur mit äußerster Gewalt

hin“. Doch unabhängig davon hätte dieEinspritzpumpe schon alleine wegender defekten Lager überholt werdenmüssen, die dafür verantwortlich wa-ren, dass weder Einspritzmenge noch

Drehbank zwei passgenaue Messingrin-ge anfertigen – das sah viel besser ausund war noch dazu näher am Original.

Eine der typischen Schwachstellendes R 16 ist der nach oben offene Aus-puff. Längere Zeit und ohne Abdeckungim Freien läuft das Rohr bei Regen vollmit Wasser. Dieses steht dann dauerhaftauf den Auslassventilen, was zur Rost-bildung und später zu Undichtigkeitenam Ventilsitz führen kann.

Auspuff-FontäneBeim ersten geglückten Anziehen desMotors spritzte Udo eine regelrechteWasserfontäne aus besagtem Auspuff-rohr entgegen. Von der Methode, unten

in den Krümmer ein Loch zu bohren,um das Wasser abfließen zu lassen, hältUdo nichts. Für ihn war das noch nieeine ernstzunehmende Alternative. DerAuspuff würde seiner Meinung nachdadurch nur lauter werden, und durchdas kleine Loch würde sowieso nicht al-les Wasser abgeleitet werden können.So oder so würde sich Wasser in dem

Rohr sammeln, es sei denn, man mon-tierte eine passende Abdeckung auf dasRohr oder ließe den Schlepper einfachnie im Freien stehen.

Weiteres Opfer eines Regenwasser-staus ist oftmals auch der Kühlerträger,der beispielsweise bei Udos Hanomagtotal verrostet war (oben rechts).

Behämmerte EinspritzpumpeSo viel zu den Äußerlichkeiten. Nachder Geschichte mit dem eingefrorenenGetriebe war klar, dass es mit eineroberflächlichen Inspektion nicht getansein würde. Als erste große Aktion imInnern stand die Kontrolle der Ein-spritzpumpe bevor: Waren alle Düsen

funktionstüchtig und die Einspritzzei-ten korrekt eingestellt? Bei offener Ab-deckung wurde der Blick frei auf dasZahnrad, das die Einspritzpumpe an-treibt. Unglaublich – es war übersät mitHammerspuren. Beim zweiten Hinse-hen wusste Udo auch, warum da je-mand wie wild gehämmert haben muss-te, denn das Zahnrad war um 180 Grad

Einspritzzeit stimmten. Das Überholender Pumpe inklusive Düsentest über-nahm die Firma Bosch, was Udo 500Euro kostete. Ganz schön bitter für denFrührentner, wollte er doch die Restau-rierung so kostengünstig wie möglichvornehmen.

Punkt zwei auf der Kontrollliste warder Motor. Aus Erzählungen war be-kannt, dass der Schlepper immerschlecht angesprungen war. Natürlichmuss da ein Blick auf die Zylinder ge-worfen werden: Nach Demontage desZylinderkopfes kamen verschlisseneVentile und Laufbuchsen zum Vor-schein (oben). Jetzt war auch noch eineGeneralsanierung des Motors angesagt.Mehr dazu später.

Die KupplungWenn man, wie unser Hobbyrestaura-tor, einen Oldtimer-Traktor intensivnutzen und mit ihm größere Streckenzurücklegen möchte, gehört die Kon-trolle der Kupplung zum Pflichtpro-gramm – zumal Motor und Getriebe oh-nehin zerlegt werden sollten. In UdosFall hatte die Kupplung erhebliche

Das Ergebnis von 50 Jahren Vibrationen amGasgestänge

Vorderachse mit Blattfeder: Das sah nachviel Arbeit aus

T E C H N I S C H E D A T E N

Hanomag R 16 ABaujahr 1956Motor D14SVerfahren Zweizylinder-

Viertakt-Diesel, Vorkammersystem

Kühlung WasserHubraum (cm3) 1.400 Leistung (PS) 16Nenndrehzahl (U/min) 1.600 Bohrung (mm) 90Hub (mm) 110 Verdichtung 1:22Kupplung Einscheiben-

Trockenkupplung Getriebe v/r 5/1Höchstgeschw. (km/h) 19Lenkung ZF-RossAnlasser 1,8 PS LeistungBatterie 2 V 70 AhLänge (mm) 2.680Breite (mm) 1.470Höhe bis Lenkrad (mm) 1.590Spurweite v/h 1.250/1.375Radstand (mm) 1.600Leergewicht (kg) 1.230Zul. Ges.-Gewicht (kg) 1.550 zul. Achsdruck (kg) 600 (vorne),

950 (hinten)Reifen vorne 4.50-16Reifen hinten 8,3x32

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Restaurierungsbericht

›› Es ist eigentlich nicht möglich, das Einspritzpumpen-zahnrad falsch aufzumontieren – und doch war es so

OBEN Diese „Laufspuren“ imoberen Bereich der Zylindersind für einen 54 Jahre alten Motor typisch. Ver-mutlich stammen sie vomlangen Laufenlassen

Der R 16 erschien 1950 und erweiterteHanomags Produktpalette nach unten

Ein Konstruktionsfehler?Der „Gleitbolzen“ verfügtzwar über einen Schmier-nippel, doch dahinter istein Blindloch. Also kommtkein Fett unter die Feder.Diese eingelaufene Federist das Ergebnis

Der Kugelbolzen vom Schräglenker(Achslenker), heißt laut Ersatzteilliste Vorderachsstrebe

Hier kann man die flach geschliffenenRollen und die Laufspuren auf der Achseerkennen

Der verrostete Kühler-träger

Bei Bosch wurde dieEinspritzpumpe über-holt

OBEN Das Auslassventil war starkverkrustet und an einer Stelledurchgebrannt. Vermutlich wardas der Grund dafür, dass der Hanomag beim Onkel so schlechtansprang

LINKS Die Verzahnung an der Kupplung war so stark abgenutzt, dass sienicht optimal auf der Getriebewelle saß. Das hatte ein äußerst ruppigesFahrverhalten zur Folge

OBEN Frisch geschliffener Zylinderkopf mit neuen Auslassventilen

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schrauben am Zylinderkopf abmontiertwerden. Drei davon ließen sich ohneweiteres lösen, die übrigen zwei hattenanscheinend jahrelang im Wasser ge-standen und waren festgerostet (Seite65 rechts). Da ging absolut gar nichts.Um zu verhindern, dass sich dieSchrauben beim Hochheben des Motorsverbiegen, hat sich der kreative Bastlermit einem Wasserrohr beholfen, das erauf 10,5 Zentimeter kürzte und damit

die Tragehalter seines selbstgebautenFlaschenzugs auf den Block schraubenkonnte (Seite 64 Mitte).

Udo verstand zwar etwas von Diesel-motoren, doch alleine den Motor sei-nes Hanomag auseinanderzunehmenwar ihm dann doch eine Nummer zugroß. Er brachte den Motor zu einer In-standsetzungsfirma in Mainz, die denganzen Komplex erst einmal komplettzerlegte. Udo bekam einen Kostenvor-anschlag über 3.500 Euro für die Repa-

seines neuen Gefährtes zu widmen undden Problemen per Demontage auf denGrund zu gehen.

MotorpuzzleNach anfänglichem Zögern entschlosssich Udo für eine Komplettzerlegungdes Motors. Es waren einfach zu vieleVerschleißspuren an verschiedenenStellen sichtbar. So zeigten, wie bereitserwähnt, die Laufbuchsen deutliche Al-

terserscheinungen. Kolben und Ventilehatten auch gehörig etwas abbekom-men: Die Kolben waren fertig undmussten gegen neue getauscht werden,die Auslassventile waren nicht mehr zugebrauchen (Seite 63 oben), das Einlass-ventil war gerade noch so gut, dass manes noch einmal einschleifen konnte,und die Pleuellagerschalen musstenkonsequenterweise auch erneuert wer-den. Um an die Kurbelwelle heranzu-kommen, mussten die Stehbolzen-

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ratur. Das war eindeutig zu viel Geld,und so schleppte er die ganzen Einzel-teile, verteilt auf drei randvoll gefüllteKartons, wieder zu sich nach Hause. Be-zahlen musste er am Ende nur die De-montage und die Ersatzteile. Immerhinwaren die Teile jetzt einmal gereinigtund fix und fertig für den Zusammen-bau vorbereitet.

Ein wenig mulmig wurde es demHobbyschrauber trotzdem, als er inmit-ten der Kisten auf die unzähligen Ein-zelteile blickte und sich fragte, ob er dasalles je wieder richtig zusammenbe-kommen würde. Hinzu kam, dass nichteinmal er selbst den Motor demontierthatte und somit nicht aus der Erinne-rung heraus hätte „puzzlen“ können.

Mit Ewalds HilfeZum Glück bekam er Unterstützungvon seinem Bekannten Ewald, einemMotorenkenner, der mit professionel-lem Rat und reichlich Tat zur Seitestand. Ohne ihn hätte Udo beispielswei-se erst sehr viel später herausgefunden,dass man ihm versehentlich falsche La-gerschalen zurückgegeben hatte. Udo

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Hat bei der Restaurierung viel gelernt: Udo Wilbert

Mängel: Die Beläge waren bis auf dieNieten runter und die Verzahnung hattelocker zwei Millimeter ihrer Stärke ein-gebüßt (Seite 63 unten).

Normalerweise gehört zu einer voll-ständigen Bestandsaufnahme auch einTraktor-Check bei laufendem Motorund im Idealfall bei einer Probefahrt.Dummerweise war beides in Udos Fallnicht möglich. So konnte er weder dieFunktionstüchtigkeit der Bremsenprüfen, noch den Geradeaus-Lauf desFahrzeugs und den Auspuffqualmkontrollieren oder aus etwaigen Getrie-begeräuschen irgendwelche Rück-schlüsse ziehen.

Wäre dabei beispielsweise weißerQualm aus dem Öleinfüllstutzen ge-kommen, hätte man davon ausgehenkönnen, dass die Kolbenringe defektsind. Solche und ähnliche Kriterien zurBestimmung des Funktionszustandswaren dem Rheinhessen verwährt. Esblieb ihm also nichts anderes übrig, alssich Schritt für Schritt dem Innenleben

OBEN Die soge-nannten Anlauf-scheiben, diezwischen Lenk-hebel und Achs-schenkel gehören,wurden neu an-gefertigt

LINKS Auch imZylinderkopf hattesich Schmodderbreitgemacht

RECHTS Mit demFlaschenzug Marke

Eigenbau wurdeder Motor hoch-

gehoben

LINKS Mit dieser Notlösung konn-te vermieden werden, dass sichdie Stehbolzen beim Hochhebenverbiegen

UNTEN Eine Kiste voll mit Motor-teilen – das Puzzle konntebeginnen

›› Die Laufbuchsen zeigten deutliche Alterserscheinungenund die Kolben mussten getauscht werden

Restaurierungsbericht

Der schwierigste Teil war geschafft: Die Burgmanndichtungpasste endlich und die seitlichen Dichtschläuche saßen auch gut

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erinnert sich: „Wir bauten die Kurbel-welle ein, montierten das Pleuel vomzweiten Zylinder, dann das Pleuel vomersten Zylinder, und der Motor drehtesich auf einmal nicht mehr. Schon beimZusammenschrauben meinte Ewald,dass da etwas nicht stimmen könne.Wir haben stundenlang nach dem Feh-ler gesucht, doch alles war auf demrichtigen Platz und richtig eingebaut.Immer dann, wenn wir den ersten Zy-linder festgezogen hatten, rührte sichder Motor nicht mehr. Dann begannenwir, mit der Schieblehre die Teile aus-zumessen. Und siehe da, es stellte sichtatsächlich bei einer Lagerschale eineminimale Differenz heraus. Da hattendie mir doch drei Lagerschalen in Nor-malmaß geschickt und eine in Über-maß. Nachdem ich dann die richtigeLagerschale bekommen und diese ein-gebaut hatte, lief alles wieder wie amSchnürchen.“

Als nervenzehrender Höhepunktkristallisierte sich die sogenannte„Burgmanndichtung“ (TC 1/2010, Sei-te 19), die der hinteren Kurbelwellenab-

dichtung dient, heraus. Die kann nur ge-wechselt werden, wenn der Motor zer-legt ist. Gottlob war das beim R 16 janoch der Fall. Ärger gab es trotzdem:

Burgmann-ÄrgerIm käuflich erworbenen Motor-Dich-tungssatz waren drei verschiedeneDichtungen beigelegt, aber nicht einepasste in die vorgesehene Nut! Die war5,8 Millimeter breit und sieben tief. Da

durfte die Dichtung nur maximal sechsMillimeter breit sein. Die geliefertenStandard-Dichtungen hatten jedoch alleein anderes Maß. Über eine Nachbestel-lung kam kurioserweise noch eine wei-tere falsche Dichtung hinzu.

Auf diverse Aussagen von „Spezia-listen“, wonach man eine Dichtungflachklopfen könne, damit sie passte,wollte man sich dann doch nicht stüt-zen und versuchte es ein drittes Mal.

Bei Theopold-Parts, einem Internet-Händler, hatte das Restaurations-Duoschließlich Glück und bekam endlichdie richtige Dichtung geliefert.

Dem Spaltfilter widmete Udo beson-dere Aufmerksamkeit (s. Bild unten):Zum einen wollte er zukünftig weitermit Einbereichsöl fahren, zum anderenwar es eine Kostenfrage, dieses Teil ge-gen einen teuren Umbausatz, also einenmodernen Ölfilter, zu tauschen. Und in

den alten Motor mit Spaltfilter moder-nes 15w40-Mehrbereichsöl hineinzu-kippen, geht ja gar nicht, außer man hatLust auf einen Austauschmotor: diesehr wirksamen Additive des moder-nen Öls würden im Handumdrehen dieteils erheblichen (aber nicht störenden)Schmutz-Ablagerungen im Motor lösenund den Ölkreislauf ungünstigenfallsan anderer Stelle verstopfen. Auchwenn Udo den Motor bei seiner Demon-

tage schon gut gereinigt hatte: Der Spalt-filter kann die feinen Partikel, die voneinem modernen Öl in Schwebe gehal-ten werden, nicht filtern, daher würdedas Öl sehr schnell verschmutzen. Also:nur klassisches Motoröl und Spaltfilterarbeiten gut zusammen. Das Öl lässt diekleinen Schmutzpartikel absinken, sielagern sich ab. Der Spaltfilter filtert nurdas gröbste heraus.

Ein Nachteil ist jedoch der höhereWartungsaufwand – häufigerer Ölwech-sel, Motorspülung und Demontage derÖlwanne zum Reinigen sind dann an-gesagt. Bei der Bestandsaufnahme stell-te der Restaurator fest, dass die „Rat-sche“, die den Filter eigentlich bei jederKupplungsbetätigung Stück für Stückdrehen soll, wie festbetoniert war.

Fest wie BetonEs musste Jahre her sein, in denen sichder Filter das letzte Mal gedreht hatte.Eine neue Ratsche hätte 39 Euro gekos-tet. Auf dem Gebrauchtmarkt wurdenauch komplette Filter für etwa 130 Euroangeboten. Doch unnötig Geld ausgeben

ist Udos Sache nicht, und daher ver-suchte er zunächst, den Filter zu retten.Also legte er ihn eine Nacht lang insBenzinbad, mit der Hoffnung, derSchmutz würde sich lösen. An einerStelle, wo die Metallscheiben oxidiertwaren, war die Verkrustung allerdingszu stark. Da half nur noch Schleifpapier.So musste der Filter mit seinen unzähli-gen Schichten von Abstreifern ausei-nandermontiert werden.

FleißarbeitDie Abstreifer bestehen aus sehr dün-nem Metall und verbiegen sich sehrleicht (Seite 66). Mit Gewalt konnteman da gar nichts ausrichten. Ein Knickin einer der dünnen Scheiben hätte ge-reicht, um den Filter unbrauchbar zumachen. Mit 400er-Schleifpapier undviel Geduld konnte Udo die Verkrustun-gen und Oxidationen an den einzelnenRingen entfernen. Es war die reinsteFummelei, die einzelnen Lagen wiederaufeinander zu bringen. Teilweisemusste mit der Pinzette gearbeitet wer-den. Immer wieder hüpften die Schei-

ben von der Welle. Zwei Hände warenfür diese Arbeit definitiv zu wenig. Mitder Klemme mussten die Schichten nie-dergedrückt werden, damit manSchicht für Schicht auflegen undschließlich den Deckel zuschraubenkonnte. In der Ratsche selbst hatte dasWasser ebenfalls ganze Arbeit geleistet.Die beiden Mitnehmer waren völligfest. Da diese schräg saßen, musste manbeim Rausziehen sehr vorsichtig sein,weil sich darunter jeweils eine Federmit drei Millimetern Stärke befand.Wenn man da – wie Udo – mangels Er-fahrung hart anpackte, konnte es passie-ren, dass man eine Feder lang zog undverbog oder dass sie sogar aus Versehenweg „witschte“. Nachdem die Ratscheentrostet war und zwei neue Federn be-kommen hatte, wurde sie verzinkt. DasErgebnis war zufriedenstellend: Der Fil-ter ließ sich wieder drehen.

Daniela Trauthwein

L E S E N S I E I N D E R N Ä C H S T E N F O L G E :– Zähneknirschen im Getriebe– Original, aber günstigFo

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LINKS Nach Jahrender Inaktivität warder Öl-Spaltfiltervöllig verkrustetund fest

RECHTS Jede Lagedes Spaltfilters

besteht aus dreiTeilen, die Udo als

Ring, Stern undAbstreifer

bezeichnet

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›› Es musste Jahre her sein, dass sich der Spaltfilter dasletzte Mal gedreht hat. Er war wie festbetoniert

Restaurierungsbericht

LINKS In mühevollerKleinarbeit wurdeLage für Lagegereinigt

RECHTS Die verrosteteRatsche war der

Grund dafür, dasssich der Filter nicht

mehr drehen konnte

Ein Klassiker des Traktorenbauswartet hier noch auf seine Haubeund diverse andere Aufbauten

Ein Klassiker des Traktorenbauswartet hier noch auf seine Haubeund diverse andere Aufbauten