Ringvorlesung DarstellungsRäume: Schrift, Bild, Tanz, Klang , 8. Juli 2009

Ringvorlesung DarstellungsRäume: Schrift, Bild, Tanz, Klang, 8. Juli 2009

Die Verräumlichung der Zeit

Kristóf Nyíri

Ungarische Akademie der WissenschaftenTechnische und Wirtschaftswissenschaftliche Universität Budapest

http://www.fu-berlin.de/

Mein Vortrag endete mit den Worten: „Der Fluß der Zeit ist die Metapher, so möchte ich meinen Gedankengang zusammenfas-sen, die die Erfahrung vom Vergehen der Zeit als einer physi-schen Kraft einerseits und als des Dahinschwindens der Gegen-wart andererseits vereinigt. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.“

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit – möchte dieselbe aber etwas nochin Anspruch nehmen, indem ich vom Text zum bewegten Bild übergehe. Das Vergehen der Zeit ist eine physische Kraft: meine Hypothese ist,daß durch spezifische Zeiterlebnisse spezifische Muskelspannungen ge-neriert werden. Ich kann diese Hypothese hier freilich nicht beweisen, wohl aber entsprechende Erlebnisse durch einige Filmausschnitte zuvermitteln versuchen. In meinem Vortrag zitierte ich zuletzt Tarkowski.Schauen wir uns die Anfangsszene seines Films Spiegel an; es wird dort die Heilung, durch Hypnose, eines stotternden Jünglings gezeigt.

Kristóf Nyíri




Tarkowski,

Spiegel

Kristóf Nyíri




Die Szene, die wir eben gesehen haben, wird, für meine Begriffe, sehr ein-leuchtend analysiert in dem unlängst erschienenen Buch von Jennifer M. Barker, The Tactile Eye: Touch and the Cinematic Experience (Berkeley: University of California Press, 2009). Wie es auf S. 1 heißt: “The therapist touches the boy repeatedly, pushing, pulling... By drawing the tension from his mind into his hands, she says, she can remove that physical tension and, with it, the mental tension that stifles his speech. ‘Concentrate! Your attention is on your hands. Your hands are becoming tense. You are concentrating your will, your great desire to succeed, on your hands. ... Look at your fingers. They’re becoming tense. ... I’ll remove the tension now and you will speak clearly and effortlessly. You will speak loudly and clearly all your life. One. Two. Three!’ ” Es geht hier um Muskelspannungen und um zeitliche Vorbereitung bzw. zeitlichen Ablauf.

Kristóf Nyíri




Barker widmet eine eingehende Analyse auch dem Film RUN LOLA RUN, also Lola rennt. Der Film, schreibt sie, “contains a slow-motion shot in which Lola races toward her boyfriend, Manni, in the last seconds before he has told her he will stop waiting for her and take matters into his own hands. ... The shot goes to split screen, with Manni in one third of the screen, Lola in another, and an enor-mous ticking clock in the bottom third. ... we want both Lola and the movie to go faster, and we may lean forward in our seats, in hopes of spurring the images on to a speed that will appease us” (The Tactile Eye, S. 118).

Kristóf Nyíri




Kristóf Nyíri



Tom Tykwer,

"Lola rennt"


Und nun der Höhepunkt der Spannung im Film Achtzehn Stunden bis zur Ewigkeit, aus welchem ich einen Ausschnitt im Laufe meines Vortrags bereits gezeigt habe. Achten Sie hier auf die Entspannung der Gesichter am Ende der Szene...

Kristóf Nyíri




"Achtzehn Stunden bis zur Ewigkeit" ("Juggernaut")

Kristóf Nyíri



Läßt sich die Ex-

plosion der Bombe

an Board noch ver-

hindern...?


Abschließend etwas eher Heiteres... Der Hauptakteur des Films Clockwise zwingt sich und seiner Umgebung eine eiserne Zeitdisziplin auf, als er jedochbeim Antritt einer wichtigen Dienstreise in den falschen Zug steigt, beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, deren Druck der Held, und mit ihm wir Zuschauerebenfalls, ausgiebig zu spüren bekommen...

Kristóf Nyíri




Kristóf Nyíri


Clockwise (1986) ist eine briti-sche Film-komödie, mit John Cleese in der Haupt-rolle


www.hunfi.hu/nyiri

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Kristóf Nyíri


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