Ringvorlesung Konflikte in Gegenwart und Zukunft ... · “Jus sanguinis ” Heirat ... Einklang...

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01.02.2016 Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst Staatenlosigkeit Ringvorlesung "Konflikte in Gegenwart und Zukunft" Staatenlosigkeit & die weitreichenden Folgen am Beispiel des Syrienkonflikts Marburg, 01.02.2016 Sophia Wirsching Referentin Migration und Entwicklung Brot für die Welt Caroline-Michaelis-Str. 1 10115 Berlin [email protected]

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01.02.2016

Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst Staatenlosigkeit

Ringvorlesung "Konflikte in Gegenwart und Zukunft"

Staatenlosigkeit & die weitreichenden Folgen am Beispiel des Syrienkonflikts Marburg, 01.02.2016 Sophia Wirsching Referentin Migration und Entwicklung Brot für die Welt Caroline-Michaelis-Str. 1 10115 Berlin [email protected]

01.02.2016

Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst Staatenlosigkeit

Vorbemerkung

"Daß es so etwas gibt wie ein Recht, Rechte zu haben - und dies ist gleichbedeutend damit, in einem Beziehungssystem zu

leben, in dem man aufgrund von Handlungen und Meinungen beurteilt wird -, wissen wir erst, seitdem Millionen von

Menschen aufgetaucht sind, die dieses Recht verloren haben und (…) nicht imstande sind, es wiederzugewinnen.“

Hannah Arendt,

Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft

01.02.2016

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Staatsangehörigkeit

zwei Prinzipien

Verbindung zum Staat

Abstammungs-prinzip

Eltern

“Jus sanguinis”

Heirat

Territorial-prinzip

Geburt auf Staatsgebiet

“Jus soli” Wohnort

01.02.2016

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Staatsangehörigkeit

Als Gegensatz von Staatenlosigkeit

Durch Staatsangehörigkeit entsteht ein bes. Rechtsverhältnis einer Person zum jeweiligen Staat, das durch gegenseitige Rechte und Pflichten gekennzeichnet ist.

Einzelheiten nach jeweils nationalem Recht bestimmt – aber im Einklang mit Völker (-gewohnheits)recht!

01.02.2016

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Definition

Staatenlosigkeit

Art. 1, Absatz 1 des Übereinkommens von 1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen: ein „Staatenloser“ ist „eine Person, die kein Staat auf Grund seines Rechtes als Staatsangehörigen ansieht.“

Kernprinzip des Abkommens:

Staatenlose dürfen nicht schlechter gestellt werden als Ausländer, die eine Staatsangehörigkeit besitzen.

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Staatenlosigkeit

De-jure-Staatenlos Personen, bei denen feststeht, dass sie nach dem Recht keines in Betracht kommenden Staates jeweils dessen Angehörige sind.

De-facto-Staatenlos

Personen, die zwar eine Staatsangehörigkeit besitzen, die aber von ihrem eigenen Staat rechtswidrig so behandelt werden, als wären sie nicht seine Staatsangehörigen.

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Ursachen von Staatenlosigkeit

Diskriminierung: Gender, Rasse, Ethnische Zugehörigkeit, Religion

Lücken im Staatsangehörigkeitsgesetz z.B. restriktive Einbürgerungsverfahren Aberkennung der Staatsangehörigkeit ohne alternative Anerkennung

Staatszerfall/ Unabhängigkeit: Gesetze des neuen Staates schließen bestimmte Gruppen aus

keine Registrierung bei Geburt: Kein Beleg über Geburtsland oder Elternschaft

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Ursachen von Staatenlosigkeit

27 Staaten haben Gesetze, die es Müttern verbieten ihre Nationalität an ihre Kinder zu vererben

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Ursachen von Staatenlosigkeit

Instrument staatlicher Verfolgung

Aberkennung von Staatsbürgerschaft z.B. von in Exil lebenden Oppositionellen, extremer Nationalismus gegenüber Minderheiten, Staatsfeinden… Bsp.: Ajanib und Maktumin: 1962 wurden im Zuge der Arabisierung ca. 150.000 Kurdinnen und Kurden die syrische Staatsangehörigkeit aberkannt

01.02.2016

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Völkerrechtlicher Rahmen

Menschenrechtlicher Schutz

1954 1961 Konventionen Schutz Vermeidung

1954 - über die Rechtsstellung der Staatenlosen zum Schutz von Staatenlosen, die nicht auch Flüchtlinge sind legale Definition des Begriffs staatenlos 1(1) Rechte und Ansatz ähnlich der GFK 1951 Kein Schutz gegen refoulement, Strafbarkeit des illegalen Eintritts

1961 - zur Verminderung der Staatenlosigkeit Staaten sind verpflichtet, innerstaatliche Rechtsvorschriften zu erlassen, im

Einklang mit den vorgeschriebenen Standards für Erwerb /Verlust der Staatsangehörigkeit.

Personen sollen nicht erst staatenlos werden: Jede/r sollte immer mind. eine Staatsangehörigkeit erlangen bzw. erhalten können

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Staatenlose und Flüchtlinge

Unterschiede und Überschneidung

Sind alle Flüchtlinge staatenlos? Flüchtlinge verfügen meist über eine Staatsangehörigkeit.

Flüchtlinge und Staatenlose sind international schutzbedürftig, aber es greifen unterschiedliche Konventionen.

Sind alle Staatenlosen Flüchtlinge? Staatenlosigkeit kann zu Vertreibung führen & aus Verfolgung

resultieren, aber die meisten Staatenlosen sind keine Flüchtlinge & haben ihr Land nie verlassen.

Staatenlose Flüchtlinge werden unter der GFK geschützt. Warum? Garantie von Non-refoulement (Art. 33), keine Ahndung illegaler

Einreise (Art. 32), höhere Standards bzgl. Recht auf Arbeit

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Staatenlosigkeit im Nahen und Mittleren Osten

Syrien

ca. 70.000 Kinder von Flüchtlingen aus Syrien wurden seit 2011 in den Nachbarländern geboren - Ägypten, Libanon, Türkei, Jordanien

in den Nachbarstaaten gilt weder „Ius solis“ noch die Genfer Flüchtlingskonvention

c UNHCR

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Staatenlosigkeit im Nahen und Mittleren Osten

Staatenlose aus Syrien

mindestens 75 % der syrischen Kinder, die seit 2011 im Libanon geboren wurden, sind nicht angemessen registriert

Familien sind sich der Folgen nicht bewusst,

vielen Geflohenen fehlen die richtigen Dokumente, sie wurden vergessen, verloren oder existieren nicht (z.B. Geburts- /Heiratsurkunden).

selbst wenn die Kinder eine Geburtsurkunde erhalten, wird diese durch die syrischen Botschaften nicht anerkannt

c UNHCR

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Staatenlosigkeit im Nahen und Mittleren Osten

palästinensische Flüchtlinge in Jordanien und Libanon

• Ausweisdokumente für palästinensische Flüchtlinge

• aber kein internationaler Flüchtlingsschutz

• viele Palästinenser sind nicht registriert • Palästinenser erhalten keine

Staatsangehörigkeit in arabischen Staaten um, „Recht auf Rückkehr“ zu wahren.

• mind. 80.000 staatenlose Palästinenser im Libanon

• außerdem staatenlose Kurden, Beduinen und Libanesen

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Die Folgen

Staatenlos: ausgegrenzt, unsichtbar und fremd

weil die nötigen Dokumente fehlen, werden Rechte vorenthalten: kein Wahlrecht oder Reisefreiheit fehlender Zugang zum

Gesundheitssystem, zu Bildung (keine Schul- oder Universitätsabschlüsse)

formaler Arbeitsmarktzugang verschlossen,

kein fester Wohnsitz bzw. Landrecht, kein Konto…

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Keine legale Existenz

Die Folgen von Staatenlosigkeit

Individuell: Armut, Analphabetismus, Verletzlichkeit gegenüber Ausbeutung/Misshandlung /Menschenhandel

Familiär: Staatenlosigkeit wird von Eltern an Kinder vererbt, Familien werden auseinandergerissen durch Haft oder Abschiebungen

Staatlich: behindert wirtschaftliche Entwicklung, soziale und politische Stabilität

Regional / Transnational: Staatenlosigkeit kann zu Vertreibung, Menschenhandel und regionalen Spannungen führen.

01.02.2016

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Maßnahmen zur Beendigung von Staatenlosigkeit

Kindern muss die Nationalität des Geburtslandes gewährt werden, wenn sie andernfalls staatenlos wären.

Gesetze reformieren, die nicht die gleichen Rechte für die Übertragung der Staatsbürgerschaft auf das Kind durch Mutter und Vater vorsehen.

Gesetze und Verfahren abschaffen, wonach Kindern die Staatsbürgerschaft aufgrund ihrer Ethnie, Rasse oder Religion verwehrt bleibt.

Die Registrierung der Geburt jedes Kinders muss sichergestellt werden.

01.02.2016

Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst Staatenlosigkeit

Vielen Dank für Ihre

Aufmerksamkeit!

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welt.de/thema/migration-entwicklung