Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Spezialeinsatzkräften

18

Click here to load reader

description

Es konnte mittels empirischer Erhebung aufgezeigt werden, dass sich Unterschiede inbeiden beobachteten Teilbereichen, Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung bei SOF undNon-SOF abzeichnen. Ob die Ursache für diese Differenzen im Ausbildungsweg von SOFbegründet liegt, oder ob sich SOF aufgrund einer schon vorher angeeignetenRisikoakzeptanz überhaupt erst für diesen Berufszweig entscheiden, könnte Thema einerausführlicheren Arbeit in diesem Bereich werden. Der Subjektive Eindruck des Autors ist der,dass die Art und Weise der SOF Ausbildung sehr wohl zu einer Veränderung der Akzeptanzund Wahrnehmung von Risiken führt. Aufgrund der ermittelten Daten, kann man einenUnterschied im Sinne einer umfassenden Risikosensibilisierung erkennen.These 1 und These 2 konnten somit bestätigt werden. Es wurde allerdings nicht erfasst, wiesignifikant die Unterschiede zwischen SOF und Non-SOF sind.

Transcript of Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Spezialeinsatzkräften

Page 1: Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Spezialeinsatzkräften

Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Spezialeinsatzkräftenmilitärischen Spezialeinsatzkräftenmilitärischen Spezialeinsatzkräftenmilitärischen Spezialeinsatzkräften

Von

Aldric Ludescher

Guéréda, 15. August 2008

Im Rahmen der Lehrveranstaltung Grundlagen der Risikoanalyse

Bei Dr. MMag. André Gazsó

Im Bachelorstudiengang Integriertes Sicherheitsmanagement

FH Campus Wien im Sommersemester 2008

Page 2: Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Spezialeinsatzkräften

2

1. Inhaltsverzeichnis Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen SpezialeinsatzkräftenSpezialeinsatzkräftenSpezialeinsatzkräftenSpezialeinsatzkräften.......................................................................................................... 1

1. Inhaltsverzeichnis.............................................................................................................. 2

2. Erkenntnisinteresse, Erkenntnisweg und Motivation...................................................... 3

3. Definitionen....................................................................................................................... 4

4. Statistiken zu den befragten Personen ............................................................................. 4

5. Hypothesen ........................................................................................................................ 5

6. Eigene Gedanken und Erläuterungen zur den Thesen ................................................... 5

6.1 Risikoakzeptanz ................................................................................................................... 5 6.1.1 Risikoakzeptanz als individuelle Entscheidung .............................................................................. 5 6.1.2 Furchtassoziation als zusätzliche Dimension im Entscheidungsfindungsprozess am Beispiel der SOF Selektion................................................................................................................................................ 6 6.1.3 Der individuelle Entscheidungsfindungsprozess............................................................................. 8 6.1.4 Veränderte Risikoakzeptanz als erwünschter Ausbildungsnebeneffekt .......................................... 9

6.2 Risikowahrnehmung.......................................................................................................... 10 6.2.1 Von der Ausbildung zum Einsatz: Die Veränderung der Risikowahrnehmung............................ 10 6.2.2 Von Laien und Experten ............................................................................................................... 11 6.2.3 Mögliche Ursachen für die Diskrepanz der Risikowahrnehmung von SOF und Non-SOF .......... 12

7. Auswertung der Daten..................................................................................................... 13

8. Resümee........................................................................................................................... 17

9. Literatur ........................................................................................................................... 18

Page 3: Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Spezialeinsatzkräften

3

2. Erkenntnisinteresse, Erkenntnisweg und Motivation

Das Erkenntnisinteresse für diese Arbeit ist kausal. Der hier verfolgte Erkenntnisweg basiert

stark auf eigenen, subjektiven Erfahrungen und einer Umfrage unter Spezialsoldaten und

konventionellen Soldaten des österreichischen Bundesheeres in einem von der Bevölkerung

als „sehr gefährlich“ wahrgenommenen Einsatzraum.

Als Soldat in der Spezialeinheit des österreichischen Bundesheer, dessen tägliche Arbeit

sowohl im Training als auch im Einsatz von vielen als äußerst „riskant“ angesehen wird,

interessiert mich, wie sehr sich die eigene Wahrnehmung des gelebten Risikos von der

Wahrnehmung anderer Personen unterscheidet. In Abhängigkeit möglicher Unterschiede in

der Wahrnehmung, suche ich auch eine Antwort auf die Frage wie sehr sich die

Risikoakzeptanz des Spezialsoldaten von der eines konventionellen Soldaten unterscheidet.

Die Grundlagen dieser Arbeit bilden ein Fragebogen, der Fragen zur Erfassung der

Risikowahrnehmung, der Risikoakzeptanz, des persönlichen Umfeldes und das sog. „asian

disease problem“ (Kahnemann/Tversky)1, beinhaltet.

Diese Arbeit entstand im Herzen Afrikas unter widrigen Umfeldbedingungen und kaum

vorhandenen Recherchemöglichkeiten. Der befragte Personenkreis lässt sich in 2 Gruppen

gliedern: Spezialsoldaten (SOF) und konventionelle (Non-SOF) Soldaten2.

1 Kahnemann/Tversky stellten in ihrer Studie „(cumulative) prospect theory (CPT)“ fest, dass indifferente

Situationen unterschiedlich beurteilt werden, je nachdem ob sie als negativ oder als positiv beschrieben werden.

Diese Ungereimtheiten versuchen die Autoren mittels des „asian disease problem“ darzustellen.

2 Im Gegensatz zum konventionellen Soldaten durchläuft der Spezialsoldat einen langwierigen

Selektionsprozess, in dem er auf physische und psychische Belastbarkeit sowie psychologische Eignung geprüft

wird. Der Durchschnittswert für das Bestehen dieses Auswahlprozesses im Zeitraum von 2002-2008 liegt bei

18%. Von diesen 18% entschieden sich im Durchschnitt ein Drittel dafür den Beruf des Spezialsoldaten in der

Einsatzorganisation auch wirklich auszuüben. Somit ergibt sich vom Zeitpunkt der Anmeldung zur Selektion bis

hin zum Eintritt in den Beruf des Spezialsoldaten eine Drop-Out Rate von durchschnittlich 94%.

Der weitere Alltag besteht aus zielgerichtetem Training für bevorstehende Einsätze in fixen Teams.

Der konventionelle Soldat im Auslandseinsatz, ist meistens Milizsoldat, d.h. Zivilist mit abgeschlossenem

Grundwehrdienst und freiwilligen Waffenübungen der sich freiwillig für einen Auslandeinsatz in

Unterstützungsfunktion gemeldet hat. Unmittelbar vor dem Einsatz durchläuft er eine 8wöchige

Einsatzvorbereitung, bei der die soldatischen Grundkenntnisse unter Berücksichtigung der speziellen

Bedingungen im Einsatzraum aufgefrischt werden.

Page 4: Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Spezialeinsatzkräften

4

3. Definitionen Unter „Risiko“ versteht sich als Unsicherheit hinsichtlich der Konsequenzen einer Aktivität,

so dass diese in einem aversiven Zustand enden kann.

„Risikoakzeptanz“ soll in dieser Arbeit als der Grad einer positiven oder negativen

Bewertung von wahrgenommenen Risiken verstanden werden.

4. Statistiken zu den befragten Personen

Von den 60 (30 SOF, 30 Non-SOF) ausgeteilten Fragebögen kamen 48 zurück, davon 26

SOF und 22 Non-SOF.

Der Großteil der SOF und Non-SOF ist unverheiratet und ohne Kinder (62% bzw. 68%).

Der Anteil der Akademiker ist bei den Non-SOF mit 18% (im Vergleich zu 8% bei den SOF)

höher, allerdings ist der Anteil der Maturanten bei den SOF mit 27% signifikant höher als bei

den Non-SOF (5%).

Die befragten Non-SOF haben im Durchschnitt 14 Dienstjahre vorzuweisen3, die SOF im

Durchschnitt 9 Dienstjahre.

3 Erhoben wurde das Datum der Einrückung. Da die Gruppe der Non-SOF großteils aus Milizpersonal besteht,

kann kein Vergleich zu den Dienstjahren der SOF angestellt werden, die sich ausschließlich aus Berufssoldaten

zusammensetzt, d.h. SOF Dienstjahre sind Effektiv-Dienstjahre.

Familienstand SOF Non-SOF

Verheiratet mit Kind 15,38% 13,64%

Verheiratet ohne Kind 3,85% 4,55%

Unverheiratet ohne Kind 61,54% 68,18%

Unverheiratet mit Kind 15,38% 18,18% Tabelle 1: Statistik zum familiären Umfeld der befragten Personen

Page 5: Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Spezialeinsatzkräften

5

5. Hypothesen Folgende Thesen und Antithesen sollen empirisch (mittels Fragebogen) untersucht werden:

Hypothese 1.0: Die Risikoakzeptanz von SOF liegt höher als die Risikoakzeptanz von

Non-SOF.

Hypothese 1.1: Es ist kein Unterschied in der Risikoakzeptanz von SOF und Non-SOF.

Hypothese 2.0: Die Risikowahrnehmung von SOF unterscheidet sich von der von

Non-SOF.

Hypothese 2.1: SOF und Non-SOF unterscheiden sich nicht hinsichtlich ihrer

Risikowahrnehmung.

6. Eigene Gedanken und Erläuterungen zur den Thesen

6.1 Risikoakzeptanz

6.1.1 Risikoakzeptanz als individuelle Entscheidung

In der klassischen Risikoforschung können zwei Hauptrichtungen unterschieden werden, die

sich dem Problem der Risikoakzeptanz widmen. Dies ist zum einen der Ansatz der

verdeckten Präferenzen nach Starr und zum anderen der Ansatz der offenbarten

Präferenzen nach Fischhoff et al. (Slaby/Urban 2002)

Starr geht in seinem Ansatz der verdeckten Präferenzen von einem tradeoff zwischen

gesellschaftlichem Nutzen und gesellschaftlichen Risiken aus, d.h. dass mit steigendem

Nutzen einer Aktivität die Bereitschaft zur Akzeptanz der damit verbundenen Risiken steigt.

Gemäß Slaby/Urban kommt Starr mittels Analyse historischer Daten zu folgenden

Schlussfolgerungen:

1. zwischen Risiken und Nutzen einer Aktivität gibt es einen tradeoff, wobei die

Annehmbarkeit eines Risikos ca. der dritten Potenz des Nutzens entspricht.

2. Die freiwillige Risikoakzeptanz ist ca. 1000-mal größer, als die Bereitschaft

unfreiwillig ein Risiko einzugehen.

3. Je mehr Personen einem Risiko ausgesetzt sind, desto weniger akzeptabel wird es.

Die Aussage 1, wonach zwischen Risiko und Nutzen ein tradeoff besteht wird im

allgemeinem als die Zentrale Aussage dieser Arbeit gesehen.

Page 6: Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Spezialeinsatzkräften

6

Im Gegensatz dazu, werden bei Slovic (1992) und Fischhoff et al. (1978) im Ansatz der

offenbarten Präferenzen die Wahrnehmung von Risiken und die Einschätzung von

akzeptablen Risikoniveaus in direkter Weise empirisch erhoben (z.B. in Form von

Befragung). Gemäß Slaby/Urban weisen allerdings beide Ansätze erhebliche theoretische

und methodische Mängel auf, weshalb diese sich in ihrer Studie eng an die Ausführungen

von Derby/Keeney (1993) orientieren. Demnach ist in einer Risikosituation diejenige

Alternative zu wählen, die sich durch die beste Kombination von negativen und positiven

Konsequenzen auszeichnet. Das Risiko, das mit der gewählten Alternative einhergeht ist

demnach akzeptabel: „… the risk associated with the best alternative is safe

enough.“(Derbey/Keeney 1993)

In jeder Entscheidung gibt es zumindest 2 Handlungsalternativen: durchführen oder nicht

durchführen. Wird eine Handlung durchgeführt, können Risiken entstehen, allerdings kann

das Nichtdurchführen einer Aktion ebenfalls negative Konsequenzen, d.h. indirekte Risiken,

mit sich bringen (Bsp.: Entscheidung für oder gegen eine medizinische Operation).

Was wir als Risikoakzeptanz bezeichnen („Wie sicher ist sicher genug?“) steht also am Ende

eines Entscheidungsfindungsprozesses, der sich nach Derby/Keeney (1993) durch fünf

unabhängige Schritte charakterisieren lässt:

1. Define the alternatives

2. Specify the objectives and measures of effectiveness to indicate the degree to which

they are achieved

3. Identify the possible consequences of each alternative

4. Quantify the values for the various consequences

5. Analyze the alternatives to select the best choice “

Einen wesentlichen Einfluss auf die Entscheidungsfindung haben der Informationsstand

zum Zeitpunkt des Entschlusses und die individuellen Präferenzen des

Entscheidungsträgers.

6.1.2 Furchtassoziation als zusätzliche Dimension i m Entscheidungsfindungsprozess am Beispiel der SOF Se lektion

Der Weg eines Special Operation Forces (SOF) Soldaten beginnt mit der wohl größten

Hürde für zukünftige Aspiranten: Die persönliche Entscheidung sich dem Selektionsprozess

zu stellen. Das Wissen, um die bevorstehenden Strapazen, Verletzungsgefahren, Angst- und

Stresssituationen und die sehr reale Möglichkeit an den hohen Anforderungen zu scheitern

und somit seinen eigenen Erwartungen und denen des persönlichen Umfelds nicht gerecht

Page 7: Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Spezialeinsatzkräften

7

geworden zu sein, scheinen viele davon abzuhalten sich überhaupt dem Auswahlverfahren

zu stellen.

Die Entscheidung sich der Selektion zu unterziehen, stellt gemäß der oben angeführten

Definition, ein nicht unbeträchtliches Risiko dar. Der Dienstweg, den die offizielle Anmeldung

zum Auswahlverfahren zurücklegt, durchläuft alle unmittelbaren Vorgesetzten des Soldaten

und erreicht somit auch unweigerlich dessen direktes Arbeitsumfeld. Zusätzlich zur

Erwartungshaltung der Mitarbeiter kommt in den meisten Fällen die noch größere

Erwartungshaltung aus dem persönlichen Umfeld: Im Falle des Ausscheidens aus dem

Selektionsprozess müsste der Soldat seinem Umfeld erklären, dass er den Ansprüchen der

SOF Einheit nicht gerecht geworden ist. Für einen Soldaten der, unabhängig seiner

Dienstfunktion, in gewisser Weise „Kämpfer“ sein möchte/sollte, hat diese Aussicht eine nicht

zu unterschätzende psychologische Hemmwirkung auf den Entscheidungsfindungsprozess.

Häufig hat es dabei den Anschein, dass die Worte von Niklas Luhmann: „Die Tür zum

Paradies bleibt versiegelt. Durch das Wort Risiko.“, den Sachverhalt sehr treffend

veranschaulichen.

Dieser Faktor im Entscheidungsprozess wird im theoretischen Modell von Borcherding et al.

(1986) als die Dimension der Furchtassoziation beschrieben. Zusätzlich unterscheiden

Borcherding at al. zwischen persönlichen und gesellschaftlichen Vorteilen sowie zwischen

persönlicher und gesellschaftlicher Akzeptanz und vor allem postulieren sie eine direkte

Verbindung zwischen Risikoakzeptanz und Handlungsabsicht.

Page 8: Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Spezialeinsatzkräften

8

Abbildung 1: Determinanten von Risikoakzeptanz und Verhaltensintention

Quelle: Borcherding/ Rohrmann/ Eppel 1986: 247

6.1.3 Der individuelle Entscheidungsfindungsprozess Überwiegt für den Entscheidungsträger der mögliche Nutzen4 (Selbstbestätigung!) über den

möglichen indirekten Schaden, den er durch das Nichtdurchführen der Handlungsalternative

(in diesem Fall die Teilnahme am Selektionsprozess) erleiden würde, beginnt die Phase der

körperlichen und psychischen Auswahltestung. Während des gesamten Zeitraumes steht der

Kandidat unter psychischen Stress, Schlafentzug, Nahrungs- und Flüssigkeitsentzug,

Kälteeinwirkung und körperlichen Leistungsdruck. Ständig wird ihm beinahe schon

penetrant die Möglichkeit angeboten sich abzumelden. Der Abmeldevorgang an sich stellt

hier wiederum eine Entscheidungsmöglichkeit dar, die vom Kandidaten gemäß den 5

Schritten nach Derbey/Keeney einer Beurteilung unterzogen wird. Durch den öffentlichen

Charakter der Abmeldung (der Kandidat muss für alle anderen Teilnehmer hörbar eine

4 Angehörige von Spezialeinsatzkräften genießen in Militärkreisen und auch außerhalb ein hohes Ansehen.

Weiters erhalten SOF-Soldaten in der Regel bessere Ausrüstung und Infrastruktur und genießen gewisse

Freiheiten im täglichen Dienstbetrieb, die dem restlichen Militär entsagt bleiben.

Page 9: Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Spezialeinsatzkräften

9

Glocke oder ähnliches läuten und die Gründe seiner Abmeldung dem Leiter der Selektion

bekanntgeben), werden die negativen Folgen dieser Handlungsalternative offensichtlich.

Geschieht dies, hat er sich unwiderruflich abgemeldet und kann sich wärmen, Nahrung und

Flüssigkeit zu sich nehmen, seine Sachen packen und zurück in die Stammeinheit fahren.

Bei einer freiwilligen Abmeldung hat der Kandidat jede Möglichkeit auf einen weiteren Antritt

vergeben, es ist eine definitive Entscheidung.

Da die wenigsten Teilnehmer bis zum Zeitpunkt des Auswahlverfahrens jemals in einer

ähnlich belastenden Situation waren, herrscht vor Beginn der Selektion bei den Kandidaten

große Unsicherheit über das eigene Verhalten zum Zeitpunkt der Belastung. Permanent wird

der Teilnehmer vor die Entscheidung gestellt: Abmelden und zurück in die Bequemlichkeit

oder weiter leiden und die Möglichkeit auf das begehrte Abzeichen, die Eintrittskarte in die

„SOF-Community“ weiter leben zu lassen. Denn sich nicht abmelden, heißt noch lange nicht

durchzukommen. Davor liegen noch 7 gefährliche, da verletzungsintensive Monate.

Jederzeit kann der Teilnehmer ohne Angabe von Gründen und Widerspruchsrecht

ausgeschieden werden. Jeder Tag bietet neue Gelegenheiten sich zu verletzen, und

natürlich kann sich der Kandidat jederzeit abmelden und dem Ganzen selbst ein Ende

setzen. Permanent ist der SOF-Anwärter also vor eine sehr persönliche und individuelle

Entscheidung gestellt, deren positive Konsequenzen im Fall der Handlungsalternative „nicht

abmelden“ nur Möglichkeiten darstellen. Nutzen und Schaden werden an jedem Tag von

neuem abgewogen und miteinander verglichen, bis zu einem gewissen „point of no return“,

an dem zumindest eine der Handlungsalternativen, die freiwillige Abmeldung, bei den

meisten entfällt. Ähnlich dem „runners high“ von Marathonläufern scheinen an diesem Punkt

die (möglichen!) positiven Konsequenzen (Nutzen) die sicheren negativen Konsequenzen im

Falle einer Abmeldung eindeutig zu überwiegen („Jetzt wo ich schon so weit bin, pack ich

den Rest auch noch!“). Dies entspricht zum Teil auch dem Leitspruch der Österreichischen

Spezialeinsatzkräfte: „Numquam Retro!5“ („Niemals zurück!“).

6.1.4 Veränderte Risikoakzeptanz als erwünschter Ausbildungsnebeneffekt Nachweisbar ist, dass durch die tägliche geistige und körperliche Belastung im Rahmen der

Ausbildung, eine mentale und physische Abhärtung erfolgt. Möglich wäre, dass es im

Rahmen dieser mentalen Abhärtung auch zu einer Desensibilisierung, oder anders gesagt,

einer Anhebung der Risikoakzeptanzschwelle und der Frustrationstoleranz kommt, d.h. dass

in weiterer Folge wahrgenommene Risiken aufgrund der gemachten Erfahrungen und

5 Der Leitspruch ist der legendären Payer-Weyprecht-Expedition der k.u.k. Marine entliehen, welche von 1872-

1874 auf der „Tegetthoff“ in der Arktis festsaß. Um zu überleben mussten die Expeditionsteilnehmer ihr Schiff

verlassen und sich unter widrigsten Bedingungen durch die Arktis kämpfen.

Page 10: Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Spezialeinsatzkräften

10

Erfolgserlebnisse, eine positive Bewertung erfahren, während die selben Risiken von

anderen Personen (Non-SOF) negativ beurteilt werden.

6.2 Risikowahrnehmung

6.2.1 Von der Ausbildung zum Einsatz: Die Veränderu ng der Risikowahrnehmung Als neutraler Staat, der weder NATO noch einem anderen Militärbündnis (ausgenommen

EU) angehört, konnte sich Österreich von 1945 bis zum heutigen Tag aus den großen

kriegerischen Auseinandersetzungen der Weltpolitik heraushalten. Auch von den kleinen

Konflikten die andere ehemalige Kolonialstaaten führen, blieb Österreich aufgrund seiner

nicht-kolonialen Vergangenheit verschont. Somit blieben als einzige größere außenpolitisch-

militärisches Betätigungsfelder humanitäre Hilfseinsätze im Rahmen von

Katastropheneinsätzen oder Friedenserhaltende und auch Friedensschaffende Einsätze

unter UN-Mandat.

Dementsprechend gestaltet sich auch bis heute die Ausbildung im österreichischen

Bundesheer. Einzig ein kleiner Anteil des Bundesheeres, nämlich Einheiten die der

Nachrichtengewinnung oder Spezialaufgaben dienen, legen in deren Ausbildung großen

Wert auf ein den militärischen Kernaufgaben entsprechendes Training und schicken ihre

Leute in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen in Einsätze, um die Soldaten nicht zu

reinen „Trainingsweltmeistern“ verkommen zu lassen. Aufgrund der antrainierten höheren

Risikoakzeptanz solcher Soldaten, lassen sich solche Einsätze mit einem Freiwilligen-Heer,

wie es das österreichische Bundesheer ist, erst durchführen. Nach mehreren solchen

Einsätzen lassen sich bei Spezialsoldaten bestimmte Änderungen im Bereich der

Risikowahrnehmung feststellen. Einerseits verändert sich die Risikowahrnehmung von einem

theoretischen „Trainings-Risikobewusstsein“, welches hochsensibel und dauernd alle

möglichen Risiken und Gefahren identifiziert zu einem, den echten Einsatzbedingungen

angepassten „No-Nonsense“ Risikobewusstsein, welches sich vom antrainierten durch

Praxistauglichkeit, Zielgerichtetheit und somit wesentlich höherer Ökonomie und Effektivität

auszeichnet. Diese Art der „situational awareness“ oder des „combat mindset“ wird in ihrer

vollkommensten Form auch als „high speed“ bezeichnet:

„Developing „controlled agression“ is a key factor in combat mindset. That is, channelizing

their fear, anger and anxiety into a focused mental package. Channelizing and controlling

this energy is routinely what military individuals term as “high speed”. They use it to describe

the calibre, efficiency or speed a soldier or team operates.”

Quelle: Howe R. Paul MSG, Leadership And Training For The Fight, Final Edition, 2005

Page 11: Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Spezialeinsatzkräften

11

6.2.2 Von Laien und Experten Als Hinweis auf eine mögliche Differenz der Risikowahrnehmung von SOF und Non-SOF

weisen Slaby/Urban auf empirische Befunde von Slovic/Jungermann (1993) und Kraus

(1992) hin, die zeigen, dass zwischen der Anzahl der Todesopfer, die eine Aktivität jährlich

fordert, und dem Grad der Beunruhigung über entsprechende Risiken in der Öffentlichkeit

deutliche Differenzen bestehen, während das Risikourteil von ExpertInnen hoch mit der

Anzahl der Todesopfer korrespondiert. Diese Diskrepanz zwischen Risikowahrnehmung von

Laien und Experten zeigt, dass noch andere Eigenschaften die Risikowahrnehmung

determinieren. Die wichtigsten wären:

1. die Schrecklichkeit einer Gefahr

2. die Bekanntheit einer Gefahrenquelle

3. die Anzahl der Personen, die einer Gefahrenquelle ausgesetzt sind

(Jungermann/Slovic 1993)

Dementsprechend wurden auch nachfolgende Eigenschaften der Risikowahrnehmung in den

Fragebogen integriert:

Abbildung 2: Eigenschaften der Risikowahrnehmung

Quelle: Hartenian et al. 1993

Gemäß Slaby/Urban (2002) erweisen sich dabei als Hauptdimensionen der

Risikowahrnehmung die Schrecklichkeit und die Bekanntheit eines Risikos. „Je höher die

Position einer Aktivität hinsichtlich der Dimension Schrecklichkeit und je unbekannter eine

Aktivität, desto höher ist das mit dieser Aktivität verbundene wahrgenommene Risiko.“

(Slaby/Urban 2002)

Page 12: Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Spezialeinsatzkräften

12

6.2.3 Mögliche Ursachen für die Diskrepanz der Risi kowahrnehmung von SOF und Non-SOF

Umgemünzt auf das Thema dieser Arbeit kann der Wahrnehmungsunterschied zwischen

SOF und Non-SOF durch folgende Punkte erklärt werden:

1. Strenge Geheimhaltungsbestimmungen und die Durchführung verdeckter

Operationen sind Markenzeichen von SOF Kräften. Nur wenn sichergestellt ist, dass

operational security und personal security gegeben sind, lassen sich

Spezialoperationen erfolgreich durchführen. Diese berufsbedingte Verschwiegenheit

weckt dementsprechend Neugier bei Non-SOF und ein dementsprechender Mythos

aus Halbwahrheiten und Hollywood Fantasien umgibt SOF Kräfte wohin sie gehen.

Zahlen, Daten und Fakten zu SOF Einheiten, Einsätzen, Techniken usw. sind jedoch

kaum bekannt. Das daraus entstehende Informationsloch wirkt sich direkt auf die

Bewertung der Schrecklichkeit von SOF Einsätzen durch Non-SOF aus.

2. Da SOF Soldaten signifikant mehr Verantwortung als Non-SOF in deren Einsätzen

übertragen wird, haben diese auch Zugriff auf wesentlich mehr und detailliertere

Informationen über die Mission und somit mehr Möglichkeiten zum Asessment des

Risikos, welches sie eingehen.

Betrachtet man nun den Informationsvorsprung von SOF und bezeichne man diese gemäß

Slovic/Jungermann/Kraus als Experten , und bezeichne man weiters Non-SOF als Laien,

was durch den wesentlich höheren Bereitschaftsgrad und Ausbildungsstand von SOF

durchaus legitim erscheint, erklärt sich auch die Diskrepanz in der Risikowahrnehmung von

SOF verglichen mit Non-SOF, und somit auch die höhere Bereitschaft von SOF für

gefährliche Auslandseinsätze. Der fehlende Informationsgehalt zu Getöteten/Verwundeten

SOF Soldaten, lässt Non-SOF Vermutungen anstellen, die die Realität in punkto

Schrecklichkeit vermutlich übertrifft. Auch die Bekanntheit des Risikos ist durch fehlende

Einsicht in SOF Einsätze und SOF Verfahren sehr gering.

Ein möglicher Erklärungsansatz für die Diskrepanz der Risikoperzeption von SOF und Non-

SOF Kräften wäre also im Unterschied des Informationsgehaltes der beiden

Hauptdimensionen der Risikowahrnehmung, Schrecklichkeit und Bekanntheit, zu finden.

Page 13: Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Spezialeinsatzkräften

13

7. Auswertung der Daten Anhand der empirisch ermittelten Daten ist ersichtlich, dass die Wahrnehmung der

beruflichen Gefährdung von SOF und Non-SOF in großen Bereichen korrelieren. Bei

genauerer Betrachtung fällt allerdings auf, dass SOF in der Beurteilung der eigenen, aber

auch der Non-SOF Berufsgefährdung risikosensibler zu sein scheinen, und in beiden Fällen

das Risiko höher bewerten, als die Non-SOF.

Abbildung 3

0,00%

10,00%

20,00%

30,00%

40,00%

50,00%

60,00%

70,00%

80,00%

Gefährdung im SOF Berufsalltag

SOF über SOF 3,85% 23,08% 73,08% 0,00% 0,00%

Non-SOF über SOF 13,64% 27,27% 54,55% 4,55% 0,00%

Überhaupt nicht gefährlich

Ein bisschen gefährlich

Gefährlicher als ein Durchschnittsberuf

Sehr gefährlich selbstmörderisch

Abbildung 4

0,00%

10,00%

20,00%

30,00%

40,00%

50,00%

60,00%

Gefährdung im Non-SOF Berufsalltag

SOF über Non-SOF 50,00% 50,00% 0,00% 0,00% 0,00%

Non-SOF über Non-SOF 59,09% 36,36% 9,09% 0,00% 0,00%

Überhaupt nicht gefährlich

Ein bisschen gefährlich

Gefährlicher als ein Durchschnittsberuf

Sehr gefährlich selbstmörderisch

Page 14: Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Spezialeinsatzkräften

14

Risiko SOF

8%

92%

0%Gleiches Risiko, da bessereAusbildung

Höheres Risiko

Kein Höheres Risiko

Risiko Non-SOF

43%

48%

9%Gleiches Risiko, da bessereAusbildung

Höheres Risiko

Kein Höheres Risiko

Das höhere Risiko für SOF wird gemäß

deren Einschätzung auch nicht durch den

besseren Ausbildungsstand wett gemacht.

92% sehen ein auf jeden Fall höheres

Risiko, während nur 48% der Non-SOF dies

auch so beurteilen und sogar 9% der

Meinung sind, dass SOF keinem höheren

Risiko ausgesetzt wären.

Auch im Bereich des Freizeitverhaltens

zeichnet sich für die Gruppe der SOF ein

eher risikophiles Verhaltensmuster ab.

Während sich doch 18% der Non-SOF

freiwillig keiner Gefahr aussetzen würden,

trifft dies für SOF gar nicht zu (0%). Im

Bereich der beruflichen Gefahrenaussetzung stimmen SOF und Non-SOF wieder überein,

was auch der Gefährdungseinschätzung des Berufes (Abbildung 3 und 4) entspricht. Am

oberen Ende der Skala („Ich brauche es mich Gefahren auszusetzen, um zufrieden zu sein“)

finden sich erwartungsgemäß ausschließlich SOF mit 8%.

Abbildung 5

0,00%

5,00%

10,00%

15,00%

20,00%

25,00%

30,00%

35,00%

40,00%

45,00%

50,00%

Risikoverhalten SOF vs Non-SOF

SOF 0,00% 42,31% 50,00% 7,69%

Non-SOF 18,18% 45,45% 36,36% 0,00%

Freiwillig setze ich mich keinen Gefahren aus

Ich setze mich rein aus beruflichen Gründen

Gefahren aus

Ich setze mich gerne Gefahren aus, auch in

meiner Freizeit

Ich brauche es, mich Gefahren auszusetzen, um zufrieden zu sein

Die Vermutung, dass dieser Unterschied im Risikoverhalten auf Schicksalsergebenheit von

Seiten der SOF beruht kann nicht bestätig werden, da bei SOF (12%) als auch bei Non-SOF

(14%) nur ein kleiner Anteil der Befragten daran glaubt, keinen Einfluss auf das eigene

Schicksal zu haben.

Page 15: Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Spezialeinsatzkräften

15

Was die Gefährdungsbeurteilung des Einsatzraumes angeht, weisen SOF und Non-SOF

große Ähnlichkeiten auf. Lediglich ein Befragter (Non-SOF) gab an, dass die Gefährdung im

Einsatzraum geringer als die Gefährdung im Heimatland sei.

Von großen Teilen beider Gruppen wird die Situation im Einsatzraum als wesentlich

gefährlicher als in Österreich eingestuft.

Abbildung 6

0,00%

5,00%

10,00%

15,00%

20,00%

25,00%

30,00%

35,00%

40,00%

45,00%

50,00%

Gefährdungsbeurteilung des Einsatzraumes

SOF 0,00% 11,54% 46,15% 42,31%

Non-SOF 4,55% 9,09% 50,00% 40,91%

weniger gefährlich als zu Hause

gleich gefährlich wie zu Hause

ein bisschen gefährlicher als zu

Hause

wesentlich gefährlicher als zu

Hause

Deutliche Unterschiede lassen sich bei den Motivationsfaktoren für die Teilnahme am

Auslandseinsatz der Befragten aufzeigen. Während für die SOF der Erfahrungsgewinn

(60%) ausschlaggebend ist, und das Geld (12%) erst an dritter Stelle nach der beruflichen

Erfüllung (24%) kommt, ist bei den Non-SOF eindeutig der finanzielle Anreiz (52%) der

Hauptmotivator für die Freiwilligenmeldung zum Einsatz. Danach kommen ebenfalls die

Erfahrungen (29%) und die berufliche Erfüllung (14%).

Der unterschiedliche Motivationsfaktor zeigt sich auch in der Antwort auf die Frage: „Für das

gleiche Gehalt würde ich auch in einen Einsatz fahren, der ____-mal gefährlicher ist.“ Für

Motivatoren SOF

12% 0% 4%

60%

24%Das Geld

Die Karriere

Die Kameraden

Die Erfahrungen

Die berufliche Erfüllung

Motivatoren Non-SOF

52%

5%0%

29%

14%

Das Geld

Die Karriere

Die Kameraden

Die Erfahrungen

Die berufliche Erfüllung

Page 16: Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Spezialeinsatzkräften

16

den durchschnittlichen SOF wäre ein Einsatz der nach subjektiver Einschätzung 1,9mal

gefährlicher wäre, durchaus vorstellbar. Für Non-SOF liegt der Wert im Durchschnitt bei 1,2.

Als mögliche Erklärung für die angegebene höhere Risikoakzeptanz der SOF in diesem

Bereich kann die bessere Ausbildung von SOF generell und die bessere Einsatzvorbereitung

im speziellen erwähnt werden. Nur 12% der SOF fühlen sich schlecht auf die Gefahren des

Einsatzes vorbereitet, während dies für fast ein Drittel (30%) der Non-SOF zutrifft.

Im Bezug auf die determinierenden Faktoren der Risikowahrnehmung, Schrecklichkeit und

Bekanntheit bestätigt sich die Annahme, dass SOF besser über die möglichen Gefahren und

Risiken informiert sind und generell ein detailliertes Lagebild haben als Non-SOF.

Auch die Kontrollierbarkeit der Gefahr wird von den SOF höher bewertet als Non-SOF, was

einerseits den Faktor der Schrecklichkeit mindert und andererseits wieder auf ein mehr an

Information gegenüber den Non-SOF hindeutet.

Der Großteil der Befragten SOF (47%) beurteilt die Gefahr als „genau bekannt“, während

dies nur für 9% der Non-SOF zutrifft.

Auf einer 7-teiligen Skala liegt für 30% der SOF die Kontrollierbarkeit bei 6 (wobei 1=nicht

kontrollierbar und 7=kontrollierbar). 30% der Non-SOF beurteilen dir Kontrollierbarkeit auf

derselben Skala mit 3.

Abbildung 7

0,00%

5,00%

10,00%

15,00%

20,00%

25,00%

30,00%

35,00%

Kontrollierbarkeit

SOF 0,00% 11,54% 15,38% 7,69% 23,08% 30,77% 11,54%

Non-SOF 4,55% 9,09% 27,27% 13,64% 18,18% 0,00% 4,55%

1 2 3 4 5 6 7

Skala von 1 bis 7, wobei 1 = nicht kontrollierbar und 7 = kontrollierbar

Als letztes soll noch die Auswertung des „asian disease problem“ erwähnt werden. Bei dieser

Fragestellung handelt es sich um 2 Szenarien mit jeweils 2 Handlungsalternativen, welche

sich allerdings nur in der Formulierung unterscheiden. Kahnemann/Tversky (1992) stellten

fest, dass wenn die Situation als Verlustsituation wahrgenommen wird, sich die Probanden

Page 17: Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Spezialeinsatzkräften

17

risikoavers verhielten. Wird die Situation insgesamt als Gewinnsituation gekennzeichnet, so

entschieden sich die Probanden risikofreudig. Dies trifft auch für die Probanden dieser Arbeit

zu. Im ersten Szenario müssen sich die Probanden entscheiden, ob (a) 200 Personen

(p=1.0) gerettet werden sollen, oder ob (b) alle 600 Personen sollen gerettet werden

(p=0,33), wobei die Wahrscheinlichkeit, dass niemand gerettet wird mit p=0,66 vorgegeben

wird. In dieser Situation entscheiden sich 65% der SOF und 74% der Non-SOF für die

risikoaverse Variante (a).

Im zweiten Szenario besteht die Alternative (a) darin, dass 400 Personen mit Sicherheit

(p=1,0) sterben werden, und die Alternative (b) darin, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von

p=0,33 niemand stirbt, während 600 Personen mit einer Wahrscheinlichkeit von p=0,66

sterben

werden. In diesem Szenario entscheiden sich 69% der SOF und 72% der Non-SOF für die

risikoreiche Variante.

Ein signifikanter Unterschied lässt sich in der Konsequenz der durchzuführenden Alternative

feststellen: 35% derjenigen SOF, die sich im ersten Szenario für die risikophile Alternative

entschieden, wählten auch im Szenario 2 die risikoreiche Variante. Dies trifft nur für 20% der

Non-SOF zu. Die meisten Non-SOF verhielten sich gemäß den Ergebnissen von

Kahnemann/Tversky (1992) und entschieden sich bei der „Gewinnsituation“ risikofreudig und

bei der „Verlustsituation“ risikoavers.

8. Resümee Es konnte mittels empirischer Erhebung aufgezeigt werden, dass sich Unterschiede in

beiden beobachteten Teilbereichen, Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung bei SOF und

Non-SOF abzeichnen. Ob die Ursache für diese Differenzen im Ausbildungsweg von SOF

begründet liegt, oder ob sich SOF aufgrund einer schon vorher angeeigneten

Risikoakzeptanz überhaupt erst für diesen Berufszweig entscheiden, könnte Thema einer

ausführlicheren Arbeit in diesem Bereich werden. Der Subjektive Eindruck des Autors ist der,

dass die Art und Weise der SOF Ausbildung sehr wohl zu einer Veränderung der Akzeptanz

und Wahrnehmung von Risiken führt. Aufgrund der ermittelten Daten, kann man einen

Unterschied im Sinne einer umfassenden Risikosensibilisierung erkennen.

These 1 und These 2 konnten somit bestätigt werden. Es wurde allerdings nicht erfasst, wie

signifikant die Unterschiede zwischen SOF und Non-SOF sind.

Page 18: Risikoakzeptanz und Risikowahrnehmung von militärischen Spezialeinsatzkräften

18

9. Literatur Borcherding, K./Rohrmann, B./Eppel, T. (1986): A Psychological Study on the Cognitive Structure of Risk Evaluation. In: Brehmer, Berndt/Jungermann, Helmut/Lourens, Peter/Sevón, Guje (Hg.), New Directions in Research on Decision Making. Amsterdam u.a., Elsevier Science Publishers B.V.: 245-262. Depenau, J.: Männlichkeit als Risiko bei Lawinenunglücken, Furtwangen, 2003 Derby, S.L./Keeney, R.L. (1993): Risk Analysis. Understanding "How safe is safe enough?". In: Glickman, Theodore S./Gough, Michael (Hg.): Readings in Risk. 3. Ed. Washington, Resources of the Future: 43-49. Grossman, D., LtCol (Ret.): On Killing, The Psychological Cost of Learning to Kill in War and Society, Back Bay Books, 1996 Howe R. Paul MSG: Leadership And Training For The Fight, Final Edition, 2005 Jungermann, H./Slovic, P. (1993): Charakteristika individueller Risikowahrnehmung. In: Krohn, Wolfgang/Krüken, Georg (Hg.): Riskante Technologien: Reflexion und Regulation. Einführung in die sozialwissenschaftliche Risikoforschung. Frankfurt, Suhrkamp: 79-100. Kahnemann, D./Tversky, A. (1992): Advances in Prospect Theory: Cumulative Representation of Uncertainty. Journal of Risk and Uncertainty, 5: 297-323. Kraus, N./Torbjörn, M./Slovic, P. (1992): Intuitive Toxicology: Expert and Lay Judgements of Chemical Risks. Risk Analysis, 12: 215-232. Luhmann, N.,: Soziologie des Risikos, 1991, de Gruyter, Berlin, S.26 Slaby, M.,Urban, D.: Risikoakzeptanz als individuelle Entscheidung: Zur Integration der Risikoanalyse in die nutzentheoretische Entscheidungs- und Einstellungsforschung, Schriftenreihe des Instituts für Sozialwissenschaften der Universität Stuttgart, No.1/2002