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Rolf Gloël/Kathrin Gützlaff Gegen Rechts argumentieren lernen

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Rolf Gloël ist Professor für Methoden der Sozialen Arbeit und Jugend-arbeit an der Fachhochschule Merseburg.

Kathrin Gützlaff ist Professorin für Medienpädagogik am FachbereichSoziale Arbeit an der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-West-falen-Lippe.

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VSA-Verlag Hamburg

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© 2. Auflage, VSA-Verlag 2010, St. Georgs Kirchhof 6, 20099 Hamburg© 1. Auflage: VSA-Verlag 2005Umschlagkarikatur: Thomas PlaßmannAlle Rechte vorbehaltenDruck- und Buchbindearbeiten: Idee, Satz & Druck, HamburgISBN 978-3-89965-414-1

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Inhalt

Vorwort zur 2. Auflage .......................................................................... 9

Einleitung ............................................................................................10

1. Warum werden Jugendliche rechtsradikal?Fünf gängige Antworten und (Gegen-)Thesen ...............................16

Gängige Antwort 1: ›Mangelnde Bildung‹ .....................................19Thesen .........................................................................................20

Gängige Antwort 2: ›Arbeits- und Perspektivlosigkeit‹ .................22Thesen .........................................................................................24

Gängige Antwort 3: ›Alkohol, Clique, Langeweile undAbenteuerlust‹ – unpolitische Bedürfnisse als Grund fürrechtsradikale Gewalt .................................................................26Thesen .........................................................................................29

Gängige Antwort 4: ›Falsche Erziehung‹ –zu viel/zu wenig Autorität ...........................................................31Variante 1: Macht autoritäre Erziehung rechtsradikal? ..............31Variante 2: Macht nicht-autoritäre Erziehung rechtsradikal? ....33Thesen .........................................................................................34

Gängige Antwort 5: ›Verführer und Rattenfänger‹ ........................37Thesen .........................................................................................38

Inhalte, Quellen und Motive rechtsradikalerÜberzeugungen bei Jugendlichen ...................................................40

Thesen zu den politischen Quellen des jugendlichenRechtsextremismus .....................................................................43

Fazit .................................................................................................45

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2. Argumente gegen Nationalismus:Fünf Grundelemente des Nationalismus und (Gegen-)Thesen ......48

Grundelement 1: Abstrakte Identitätund parteiliche Weltanschauung.................................................49Thesen .........................................................................................51

Grundelement 2: Stolz aufs Vaterland ............................................53Thesen .........................................................................................54

Grundelement 3: Nationale Scham.................................................56Thesen .........................................................................................57

Grundelement 4: Liebe zum Vaterland ...........................................58Thesen: Vaterlandsliebe, Chauvinismusund Opferbereitschaft ..................................................................60Thesen: Vaterlandsliebe und nationale Befangenheit ................63

Grundelement 5: Die ›soziale Frage‹ ............................................65Thesen .........................................................................................67

Fazit .................................................................................................70

3. Argumente gegen Rassismus:Drei Formen des Rassismus und (Gegen-)Thesen .........................72

Form 1: Biologistischer Rassismus .................................................73a) Biologistischer Rassismus ›von oben‹:

Legitimation von Herrschaft ...................................................73Thesen .....................................................................................75

b) Biologistischer Rassismus ›von unten‹:Der Wahn von der eigenen Überlegenheit .............................77Thesen .....................................................................................78

Form 2: Nationalistischer Rassismus .............................................80a) Wer ›hierher gehört‹ und wer nicht ........................................81

Thesen .....................................................................................82b) »Leitkultur« und »Parallelgesellschaften« .............................84

Thesen .....................................................................................85c) Rechtsradikale und »Leitkultur« ............................................88

Thesen .....................................................................................89Form 3: Rassismus der Nützlichkeit ...............................................91

a) Die Nützlichkeit als entscheidende ›Eigenschaft‹ .................92Thesen .....................................................................................93

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b) »Alte, gebt den Löffel ab!« ....................................................95Thesen zur rassistischen Attacke auf ›unnütze‹ Mitgliederder Gesellschaft ......................................................................96

c) Nützlichkeits-Rassismus als Argument gegenAusländerfeindschaft? ............................................................98Thesen zur Nützlichkeit als ausländerfreundlichesArgument ............................................................................. 100Thesen zum Versuch, rassistische Gewalt mit Hinweisauf ›Nützlichkeit‹ zurückzuweisen ...................................... 103

Fazit .................................................................................................. 105

4. Argumente gegen Ausländerfeindlichkeit:Markenzeichen der extremen Rechten und (Gegen-)Thesen ..... 107

Feindschaft gegen Ausländer – Gründe und Begründungen....... 108Thesen ...................................................................................... 110

Satire und Realität ........................................................................ 111Thesen zu Chauvinismus, Führersehnsuchtund Ausländerfeindschaft ........................................................ 114

Die Ausländer nehmen den Deutschen die Arbeitsplätze weg! ..... 116Thesen: a) »Arbeitsplätze wegnehmen« ................................. 119Thesen: b) ›Ausländer‹ und ›Deutsche‹ .................................. 121

»Das Boot ist voll« – die Angst vor Überfremdung .................... 124Thesen zu »Überfremdung« und »Das Boot ist voll« ............. 128

Wie viele Ausländer muss ein Fremdenhasser kennen? ............. 131Thesen zum Hass auf Ausländer ............................................. 132

Fazit .............................................................................................. 134

5. Plädoyer: Für eine politische Pädagogik gegen Rechts ............. 135

Politische Pädagogik – Aufgabe und Prinzipien ......................... 136Das (immer noch) übliche Vorgehen:

Verharmlosung und/oder Repression ...................................... 137Politisch-Pädagogischer Ansatz ................................................... 138Falsche Alternativen – Kritik und Konsequenzen ....................... 140›Täter‹ oder ›Opfer‹? ................................................................... 140»Akzeptieren« oder »Diskutieren«? ............................................ 141Grenzen und Möglichkeiten politischer Pädagogik .................... 145

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Kommt man mit Argumenten gegen Überzeugungen an? .......... 146Wie holt man verkehrte Gedanken aus den Köpfen? .................. 148Schließen sich pädagogische Partnerschaft

und politische Gegnerschaft aus? ............................................ 150Methoden politischer Pädagogik – zur konstruktiven Kritik

von Holzwegen ......................................................................... 152Zum Beispiel ›Aufklärungskampagnen‹ an Schulen .................. 153Zum Beispiel Kleidervorschriften

bzw. Uniformierungsverbote an Berliner Schulen .................. 155Zum Beispiel Besuche von Gedenkstätten, Konfrontation

mit Zeitzeugen, Erzeugen von Betroffenheit .......................... 160

Literatur ............................................................................................ 168

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Vorwort zur 2. Auflage

»Gegen Rechts argumentieren lernen« geht in die zweite Auflage. Dashat für uns, die Autoren, eine erfreuliche und eine unerfreuliche Seite.Unerfreulich ist, dass die Phänomene, die uns 2005 zur Arbeit an die-sem Buch motivierten, unvermindert fortbestehen:■ Nationalistisches und rassistisches Gedankengut ist weiterhin in brei-

ten Bevölkerungsschichten verankert,■ je nach Bedarf wird es von Politikern und Multiplikatoren abgeru-

fen oder gedämpft, zurückgewiesen oder gerade in Zeiten der Krise(Rüttgers, Sarrazin) kräftig angeheizt,

■ für viele Jugendliche sind rechtsextreme Positionen weiterhin attrak-tiv, bis dahin, dass sie von gewaltbereiten »rechtsextremen Kame-radschaften« fasziniert sind – in welch erschreckendem Ausmaß, hatdie jüngste Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Nie-dersachsen vor kurzem wieder deutlich gemacht (vgl. Baier/Pfeiffer2009: 113ff.),

■ die Gewaltaktionen rechtsextremer Gruppierungen gegen Auslän-der, Fremde, Linke und alle, die dafür gehalten werden, haben nichtnachgelassen, auch wenn sie derzeit von den Medien etwas wenigerals Stoff für veröffentlichte Aufregung genommen werden.

Die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit nationalistischem,rassistischem und rechtsextremem Gedankengut besteht also weiterhin– insofern ist dieses Buch leider immer noch aktuell.

Erfreulich an einer zweiten Auflage ist, dass die Nachfrage nach Ar-gumenten, nach Bausteinen einer diskursiven Auseinandersetzung mitRassismus und Nationalismus ungebrochen ist. Und da sich an den Prin-zipien des rassistischen und nationalistischen Denkens nichts geänderthat, bleiben auch die in diesem Buch versammelten Versuche, sie zuwiderlegen, weiterhin gültig. Wir haben also keine Notwendigkeit ge-sehen, etwas an unseren »Argumente(n) gegen Rechts« zu verändern.Allerdings haben wir in die folgende Einleitung Verweise auf die inzwi-schen erschienene relevante Literatur zum Thema aufgenommen.

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Einleitung

Rechtsextreme Positionen gelten einerseits als unvereinbar mit demSelbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland und werden zurück-gewiesen, verfolgt, geächtet und bekämpft. Dem steht andererseits ge-genüber, dass rechte Standpunkte in weiten Kreisen der Bevölkerungsalonfähig werden: Es sind eben nicht nur die ›bildungsfernen‹, glatz-köpfigen, arbeitslosen ostdeutschen Jugendlichen ohne Perspektive, dierechtem Gedankengut anhängen. Wie Wahlerfolge für rechtsextremeParteien belegen, ist es beileibe keine Selbstverständlichkeit mehr, als›anständiger Deutscher‹ Berührungsängste gegenüber rechtsextremenParteien und Gruppierungen zu haben bzw. zu zeigen, von einer Di-stanz zu rechtem Gedankengut ganz zu schweigen. Einschlägige Paro-len und Insignien haben längst Einzug gehalten in die ›unpolitische‹Popkultur, wie u.a. die Brutalisierung von Liedtexten aus der Hip-Hop-Szene zeigt. Auch wenn die Zuwachsraten rechter Parteien in Kommu-nen und Landtagen stagnieren, ist dies nicht als Schwinden rechter Po-sitionen zu deuten, vielmehr ist endgültig deutlich geworden, dass esein erhebliches Potenzial an nationalistischem und rassistischem Den-ken in Deutschland gibt, das sich nicht ›auswächst‹ oder durch sonstigeEntwicklungen quasi von allein erledigt.

Die nach wie vor in der Politik geforderte »politische Auseinander-setzung mit dem Rechtsextremismus« findet unverändert in erster Linieals das öffentliche Abwägen zwischen dem Für und Wider eines NPD-Verbotes bzw. als Verschärfung des Versammlungsrechts und des Volks-verhetzungsparagraphen statt.

In dieser Art der »politischen Auseinandersetzung mit dem Rechtsex-tremismus« wird dieser nicht als ein verkehrter und schädlicher politi-scher Standpunkt begriffen, dem entsprechende politische Überlegun-gen zugrunde liegen und dem man auf der Ebene kritisch-argumentati-ver Auseinandersetzung zu begegnen hätte, sondern als ein Verstoß ge-gen Sitte und Recht, der durch rechtsstaatliche Repression zu verfolgensei. Und wenn einmal eine politische Auseinandersetzung mit rechtsra-

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dikalen Positionen begonnen wird, gerät sie häufig zu einer Konkurrenzbezüglich der Frage, wer glaubwürdiger die Themen Nation, Patriotis-mus, Ausländer etc. ›besetzt‹. Dies geschieht u.a. dadurch, dass den rech-ten Parteien vorgeworfen wird, nicht wirklich so vaterlandsliebend undpatriotisch zu sein, wie sie vorgeben, vielmehr mit ihren Auftritten dasBild Deutschlands in der Welt nachhaltig zu beschädigen. An die Stelleeiner Kritik am Nationalismus tritt so die Konkurrenz darum, wer ihnglaubwürdiger und wählerwirksamer vertritt.

Wer dem Rechtsradikalismus wirkungsvoll entgegentreten will, kommtaber um zwei Aufgaben nicht herum: Rechte Parolen und Taten müssenerstens als das ernst genommen werden, was sie sind – Äußerungeneiner politischen Gesinnung, die man nicht einfach durch Verbote ausder Welt schaffen kann. Es gilt, in politischer Überzeugungsarbeit jün-geren wie älteren Anhängern rechtsradikaler Gedanken Argumente ge-gen Rassismus und Nationalismus nahe zu bringen, ihnen also zu erklä-ren, wie dumm und schädlich der Rechtsextremismus in Theorie undPraxis ist. Der vorliegende Band will diese argumentative Auseinander-setzung befördern, d.h. einige brauchbare und stichhaltige Argumentegegen die Inhalte von nationalistischem, rassistischem und ausländer-feindlichem Gedankengut präsentieren.

Zweitens muss sich die politische Auseinandersetzung mit dem Rechts-radikalismus davor hüten, nationalistische Positionen dadurch zu affir-mieren, dass sie um deren glaubwürdigere ›Besetzung‹ konkurriert. Wenndie immer wieder zu hörende Feststellung zutrifft, dass sich nationali-stische und rassistische Gedanken und Einstellungen auch in der so ge-nannten Mitte der Gesellschaft tummeln, dann müssen sich Argumenta-tionshilfen gegen Nationalismus und Rassismus auch mit diesen For-men des ›alltäglichen‹ Nationalismus befassen. Nicht nur die »uner-wünschten Zuspitzungen und Radikalisierungen«, sondern auch die inTeilen der demokratischen Politik, Öffentlichkeit und Gesellschaft ak-zeptierten Formen von Nationalismus, Rassismus und Fremdenfeind-lichkeit müssen Gegenstand kritischer Auseinandersetzung werden.

Wer sich als Lehrer, Sozialpädagoge oder in der politischen BildungTätiger die kritische Auseinandersetzung mit rechtsextremen Positio-nen vornimmt, braucht neben seinem ›üblichen‹ fachspezifischen Hand-werkszeug eine klare argumentative Basis: ein Wissen um die Grund-elemente nationalistischen und rassistischen Denkens sowie Argumen-

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tationsmuster, die geeignet sind, dessen Dummheit und Schädlichkeitnachzuweisen.

An diesen Bedarf knüpfen etliche Handreichungen und Argumentati-onshilfen zu den Themen Rechtsextremismus, Rassismus und Natio-nalsozialismus an. Ohne alle einschlägigen Veröffentlichungen über ei-nen Kamm scheren zu wollen, lassen sich exemplarisch zwei Mängelkonstatieren: Manche Argumentationshilfen legen dermaßen viel Wertauf Selbsterfahrung, Selbstreflexion und das Einüben kommunikativerMuster, dass vor lauter Rollenspielen und Übungen in Gesprächsfüh-rung die Auseinandersetzung mit den politischen Inhalten zu kurz kommt.Als Beispiele hierfür können Teile von Hufers »Argumente am Stamm-tisch« (Hufer 2006; zur Kritik vgl. Schiffer-Nasserie 2006: 216.) unddas »Lern- und Arbeitsbuch gegen Rechtsextremismus« (Hrsg.: Molt-hagen u.a. 2008) gelten.

Andere Veröffentlichungen wenden sich explizit der Auseinanderset-zung mit rechtsradikalen Positionen zu, setzen sich dabei aber oftmalsnur mit Teilaspekten des Themenbereichs auseinander, die zudem dieTendenz haben, vom politischen Gehalt rechtsextremer Überzeugun-gen wegzuführen. Als ein Beispiel hierfür soll die Auseinandersetzungmit rechtsextremen Positionen unter dem Aspekt des »Vorurteils« er-wähnt werden. Dass diese Behandlung des Themas nicht unbedingt eineinhaltliche Kritik entsprechender Positionen erleichtert, tritt dann zuta-ge, wenn Vorurteile nicht einfach inhaltlich geprüft und gegebenenfallsals falsch kritisiert und verworfen werden, vielmehr das Vorurteil alssolches in seiner Funktion für die Orientierungs- und Handlungssicher-heit einer Person gewürdigt wird (stellvertretend für eine ganze Rich-tung der Auseinandersetzung mit rechtsradikalen Standpunkten als Vor-urteile vgl. Ahlheim/Heger 2001, Informationen zur politischen Bildung»Vorurteile« 2005 und der Reader von Ahlheim »Die Gewalt des Vorur-teils« 2007).

Wenn schließlich die Hartnäckigkeit unliebsamer Vorurteile mit de-ren psychologischem Nutzen für Persönlichkeiten mit »autoritäremCharakter« (Ahlheim/Heger 2001:79ff.) erklärt wird, dann tritt die Ten-denz zu Tage, Kritik am Inhalt rechtsextremer Positionen hinter einersozial-psychologischen Einordnung von Vorurteilen überhaupt zurück-treten zu lassen (ausführlichere Kritik an der ›Vorurteils-Richtung‹ sie-he Mönter/Schiffer-Nasserie 2007: 41f.).

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So gut wie alle veröffentlichten Argumentationshilfen gegen Rechtsweisen den Mangel auf, dass Nationalismus, Rassismus und Fremden-feindlichkeit lediglich in ihrer rechtsextremen Zuspitzung und Radika-lisierung thematisiert werden, während ihre in weiten Kreisen akzep-tierte ›weichere‹ Fassung weitgehend unberücksichtigt bleibt. DiesenMangel will die hier vorliegende Arbeit dadurch beheben, dass Paralle-len zwischen dem rechtsradikalen Nationalismus und Rassismus einer-seits und deren Entsprechungen im bundesdeutschen Alltagsbewusst-sein andererseits gezogen, d.h. Gemeinsamkeiten wie Unterschiedekenntlich gemacht werden.

Dabei wird nicht der Anspruch erhoben, alle Bereiche und Aspektevon Nationalismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu erfassen,zu analysieren und zu kritisieren. Vielmehr sollen anhand einiger aus-gewählter Elemente die zentralen Grundmuster und die verhängnisvol-le ›Logik‹ von Ideologien offengelegt und argumentativ bekämpft wer-den, die in rechtsextremen Kreisen gang und gäbe sind, die aber überdiese Kreise hinaus zum Bestand des Alltagsbewusstseins breiter Be-völkerungskreise gehören.

Was die Gründe und Motive Jugendlicher angeht, rechtsextreme Po-sitionen zu übernehmen und sich rechtsradikalen Gruppen anzuschlie-ßen, so gibt es ein breites Spektrum von großenteils defizitären Erklä-rungen. Trotz einer in der Fachliteratur zunehmenden kritischen Sicht-weise auf sozialpädagogisierende und psychologisierende Deutungsmu-ster (vgl. Mönter/Schiffer-Nasserie 2007; Melter/Mecheril [Hrsg.] 2009)überwiegen immer noch Erklärungen, in denen »Rechtsextremismus beiJugendlichen nicht als eine genuin politische Orientierung«, sondern»als Folge von Individualisierungsprozessen und sozialen Desintegrati-onsprozessen« (Scherr 2003: 258) bzw. als Folge falscher Erziehungwahrgenommen wird. Dabei soll hier der behauptete Zusammenhangvon sozialen Desintegrationsprozessen und rechten Überzeugungen nichteinfach bestritten werden – aber zum einen wird er als Argument füreine Nichtbefassung mit deren politischem Gehalt zurückgewiesen, zumanderen muss der Zusammenhang zwischen prekären Erfahrungen bzw.Freizeitbedürfnissen Jugendlicher einerseits und rechtsextremen Über-zeugungen andererseits ausgeführt und erklärt werden, anstatt den be-haupteten Zusammenhang schon für eine Erklärung von jugendlichemRechtsradikalismus zu halten.

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Im ersten Kapitel dieses Buches werden fünf in der Literatur vor-zugsweise verwandte Argumente – von mangelnder Bildung und Ar-beits- und Perspektivlosigkeit über Verführung durch Musik bis hin zueiner wahlweise zu strengen oder zu nachsichtigen Erziehung – vorge-stellt und einer kritischen Würdigung unterzogen. Im Anschluss wer-den thesenartig Alternativerklärungen angeboten.

Im zweiten, dritten und vierten Kapitel wird das Vorhaben »GegenRechts argumentieren lernen« praktisch. In drei Themenschwerpunk-ten werden die Grundmuster rechtsradikalen Denkens herausgearbeitet.Der Stolz auf die eigene nationale Identität und die Liebe zum Vater-land (2. Kapitel), rassistische Einstellungen gegenüber allem ›Anders-artigen‹ (3. Kapitel) und der Hass auf Angehörige anderer Nationen,Ethnien und Kulturen (4. Kapitel) gehören zum Kernbestand rechtsra-dikalen Denkens und sind in anderer Ausprägung auch in Teilen derGesellschaft und der demokratischen Öffentlichkeit präsent. Als Mate-rial für diese Elementarformen rechter Gesinnung werden unter ande-rem Karikaturen, Zitate von Politikern und Sozialwissenschaftlern, Texterechtsradikaler Lieder, empirisch-wissenschaftliche Studien, Verlautba-rungen der NPD bis hin zu Zitaten aus »Mein Kampf« herangezogen.Damit erfassen die Materialien ein sehr weit gefasstes und streckenwei-se heterogenes Spektrum. Sie haben die Funktion, das jeweils zu behan-delnde Thema anschaulich zu präsentieren, um auf dieser Basis kriti-sche Argumente gegen Nationalismus, Rassismus und Fremdenfeind-lichkeit zu entwickeln. In der inhaltlichen Auseinandersetzung wird –dort, wo dies geboten ist – auf die Unterschiede zwischen den verschie-denen Positionen eingegangen. Auf die Vorstellung des Materials fol-gen jeweils erkenntnisleitende Fragen, die als erste Denkanstöße fürden Leser gedacht sind und von den Autoren thesenartig beantwortetwerden. Die Themenbereiche »Nationalismus«, »Rassismus« und »Aus-länderfeindlichkeit« haben dabei nicht ausschließlich Jugendliche bzw.die pädagogische Arbeit mit ihnen im Blick, sondern widmen sich denjeweiligen Erscheinungsformen rechtsradikalen Denkens generell, d.h.ohne Bezugnahme auf eine besondere Zielgruppe. Zugleich steht jederdieser Themenbereiche für sich und kann getrennt von den anderen be-arbeitet werden.

Das fünfte Kapitel widmet sich der pädagogischen Arbeit auf demGebiet der Prävention von bzw. der Auseinandersetzung mit bereits vor-

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handenen rechtsextremen Einstellungen. Auf Basis der vorangegange-nen Kapitel soll nach Prinzipien und Methoden für eine politische Päd-agogik im Sinne anti-nationalistischer und anti-rassistischer pädagogi-scher Arbeit mit Jugendlichen gefragt werden. Damit eignet sich dasBuch »Gegen Rechts argumentieren lernen« sowohl als Material- undArgumentsammlung für die Fortbildung von Pädagogen oder in politi-scher Bildung Tätigen als auch für das Selbststudium von Lesern, diean einer kritischen Auseinandersetzung mit Nationalismus und Rassis-mus in all ihren Spielarten interessiert sind.

Zu den verschiedenen Begriffen, mit denen in der Literatur ›rechte‹Positionen gekennzeichnet werden, ist festzustellen, dass sich die ent-sprechende Diskussion zumeist weniger um Unterschiede in der Sache,also Unterscheidungen von verschiedenen Gruppierungen von Rech-ten, als vielmehr um die unterschiedlichen Standpunkte derjenigen dreht,die den jeweiligen Begriff – rechts, rechtsextrem, rechtsradikal, rechts-orientiert, neofaschistisch etc. – benutzen (zur Begriffsdiskussion vgl.Lynen von Berg u.a. 2003: 9 sowie Minkenberg 1998). In diesem Buchwerden meist die Begriffe Rechtsextremismus bzw. Rechtsradikalismusverwendet. Sie machen deutlich, dass sich viele rechte Überzeugungenals Radikalisierung bzw. als extreme Zuspitzung von Positionen betrach-ten lassen, die auch im demokratischen Spektrum vertreten sind.