Rolls Royce Twenty h · 2020. 2. 18. · Vorbild die Nike von Samothrake war. Als Modell diente...

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Der Hühnerhabicht ROLLS ROYCE Twenty (20 HP) All-Wheater-Cabriolet 1923 1904 war der Geschäftsmann Charles Rolls in das bereits bestehende Unternehmen des Konstrukteurs Frederick Henry Royce eingestiegen. 1905 war ihr erstes Produkt auf den Markt gekommen, mit dem Anspruch erste Wahl zu sein, wenn es um Qualität, Komfort und höchsten Standard ging. Rolls Royces wurden auch allgemein gerühmt für die Laufruhe ihrer Motoren (wobei man „Ruhe“ wörtlich nehmen kann), die Wartungsarmut und den perfekten Service des Unternehmens, sollte doch einmal eine Panne vorkommen. Die 40/50 HP Modelle Silver Ghost und Phantom verkauften sich an den Hochadel weltweit (man erinnert sich heute noch an die Fuhrparks der indischen Maharadjas und Mogule), aber auch an Industriemagnate und Neureiche. Deren Chauffeure erfuhren im Rolls Royce Werk in Derby eine profunde Ausbildung. Lediglich die britische Queen ließ sich von der RR Reputation nicht beeindrucken und ließ sich weiterhin ausschließlich im Daimler kutschieren. Zu Beginn der 20er Jahre sollte die RR Produktpalette um ein etwas kleineres Modell erweitert werden, das auf die Selbstfahrer zielte, die aus sportlichen Gründen auf einen Chauffeur verzichten wollten (letztendlich sich meist dann aber doch wieder fahren ließen). 1922 kam für diese Käufergruppe das Modell 20 HP. „Twenty“ taufte ihn deshalb Rolls Royce in nüchterner Umwandlung der PS-Zahl in einen Namen. Ursprünglich hätte er eigentlich Goshawk - also Hühnerhabicht - heißen sollen. Der Twenty hatte einen Sechszylinder OHV Reihenmotor mit 3127 ccm Hubraum, die Leistung von 55 PS genügte für eine Spitze von ca. 85 Km/h. Erstmals war der Zylinderblock aus einem Stück gegossen und der Zylinderkopf war abnehmbar. Optisch ist der Twenty am kürzeren Radstand (der ihn wendiger machte) und vor allem an den waagerechten Kühlerlamellen erkennbar. Man wollte damit einen auf den ersten Blick erkennbaren Unterschied zu den überteuren Upper Class Modellen schaffen.

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  • Der HühnerhabichtROLLS ROYCE Twenty (20 HP) All-Wheater-Cabriolet 1923

    1904 war der Geschäftsmann Charles Rolls indas bereits bestehende Unternehmen desKonstrukteurs Frederick Henry Royceeingestiegen. 1905 war ihr erstes Produkt aufden Markt gekommen, mit dem Anspruch ersteWahl zu sein, wenn es um Qualität, Komfortund höchsten Standard ging. Rolls Royceswurden auch allgemein gerühmt für dieLaufruhe ihrer Motoren (wobei man „Ruhe“wörtlich nehmen kann), die Wartungsarmut undden perfekten Service des Unternehmens, solltedoch einmal eine Panne vorkommen. Die 40/50HP Modelle Silver Ghost und Phantomverkauften sich an den Hochadel weltweit (manerinnert sich heute noch an die Fuhrparks derindischen Maharadjas und Mogule), aber auchan Industriemagnate und Neureiche. DerenChauffeure erfuhren im Rolls Royce Werk inDerby eine profunde Ausbildung. Lediglich diebritische Queen ließ sich von der RR Reputationnicht beeindrucken und ließ sich weiterhinausschließlich im Daimler kutschieren.

    Zu Beginn der 20er Jahre sollte die RRProduktpalette um ein etwas kleineres Modellerweitert werden, das auf die Selbstfahrer zielte,die aus sportlichen Gründen auf einenChauffeur verzichten wollten (letztendlich sichmeist dann aber doch wieder fahren ließen).1922 kam für diese Käufergruppe das Modell 20HP. „Twenty“ taufte ihn deshalb Rolls Royce innüchterner Umwandlung der PS-Zahl in einenNamen. Ursprünglich hätte er eigentlichGoshawk - also Hühnerhabicht - heißen sollen.Der Twenty hatte einen Sechszylinder OHVReihenmotor mit 3127 ccm Hubraum, dieLeistung von 55 PS genügte für eine Spitze vonca. 85 Km/h. Erstmals war der Zylinderblockaus einem Stück gegossen und der Zylinderkopfwar abnehmbar. Optisch ist der Twenty amkürzeren Radstand (der ihn wendiger machte)und vor allem an den waagerechtenKühlerlamellen erkennbar. Man wollte damiteinen auf den ersten Blick erkennbarenUnterschied zu den überteuren Upper ClassModellen schaffen.

  • Genau wie bei den größeren Modellenentstanden bei Rolls Royce lediglich dasChassis, die mechanischen Teile, der Kühlerund die Räder. Die Fertigung des Kühlerserforderte spezielle Fertigkeiten, den dieKühlerlamellen mussten etwas versetztangeordnet werden, ein optischer Trick, um siedann tatsächlich 100% parallel wirken zulassen! Der Kunde brachte dann das „RollingChassis“- so nennt das der Engländer – zueinem Coachbuilder seiner Wahl, der denAufbau nach seinen speziellen Wünschenvollendete. Deshalb gleicht kein Wagen demanderen bis ins Detail.

    Der Twenty war für Selbstfahrer gedacht, diesich einen Chauffeur ersparen wollten – wasaber die wenigsten auch taten. Und es war vonRR beabsichtigt, keine Emily am Kühler zumontierten - die Kundschaft verlangte es abervehement. Zu sehr war diese Figur eben schonseit 1911 mit dem Mythos Rolls verwoben.Damals ließ sich Lord Montagu of Beaulieuvom Bildhauer Charles Sykes für seinen RollsRoyce eine Bronzefigur anfertigen, derenVorbild die Nike von Samothrake war. Als

    Modell diente Sykes Lord Montagues SekretärinEleanor Thornton. Die Figur hieß „the whisper“(das Flüstern). Lord Montagu vermittelte denKünstler an die Firma Rolls Royce (obwohlHenry Royce keine Fühlerfiguren mochte), unddort kreierte der dann die „Spirit of Ecstasy“,die der „whisper“ sehr ähnlich sah. Das ist auchnicht verwunderlich, denn wiederum saß bzw.stand Eleanor Thornton Modell. Irrtümlich istheute die „Spirit of Ecstasy“ im Volksmund als„Emily“ bekannt, wo sie doch eigentlich„Eleanor“ heißen müsste! Frühe Emilies sindbegehrte Sammelobjekte, die bei AuktionenPreise von 10.000,- Euro und mehr erringen!Kein Wunder, dass sie eine geradezu magischeAnziehungskraft auf langfingrige Interessentenausstrahlen, weshalb bei modernen Rolls RoyceFahrzeugen die Skulptur automatisch imWageninneren verschwindet, sobald der Wagenzum Stillstand kommt.

    Der Twenty ist 1929 wieder aus dem Programmverschwunden, im folgte der etwas stärkere20/25 HP. Bis zur Einstellung der Produktionsind aber immerhin 2940 Exemplare entstandenund auch verkauft worden.

  • In den 20er Jahren war es bei Fahrzeugen dergehobenen Kategegorie – anders als heute –noch die Regel, dass der Hersteller lediglichdas Fahrgestell, den Motor, den Kühler unddie Motorhaube anbot. Das Chassis wurdedann vom Kunden in die bewährten Händespezieller Karosseriebauer übergeben, die ihreErfahrung teilweise noch aus Zeiten derPferdekutschen ins moderne Motorzeitaltermitgebracht hatten. Bekannte britischeAufbauhersteller waren zB Hooper, Parker,Mulliner, Park Ward, Thrupp & Maberly,Vanden Plas, und viele mehr.

    Der hier portraitierte Rolls Royce vom Typ 20HP (Twenty) wurde bei Rolls Royce im Jahr1923 gebaut, die Endkontrolle fand am 18.Januar 1924 statt. Exakt einen Monat späterfand GAK 30 (seine Chassisnummer, die annahezu allen Teilen des Autos aufgebrachtwurde und so seine Originalität bis ins letzteDetail belegt) einen Käufer, einen sehrwohlhabenden Gentleman aus Malaysia. Dererstand das Chassis und ließ es zu derCUNARD Motor Carriage Company Limited,135 Lower Richmond Road in Putney,London, S.W. England bringen, wo es miteinem sogenannten Allwetter-Cabriolet-Aufbau versehen wurde. Der GAK 30 ist

    einer von insgesamt nur fünf Twentys, die beiCunard mit einer Karosserie versehen wurden, undoffenbar der einzige, der bis heute überlebt hat.Verschollen sind zwei Limousinen, ein Salon undein Landaulet. Die Cunard Twentys zählen zu denaufwändigsten Rolls Royces und zeigen Details,wie man sie sonst nur an den luxuriösesten Ghostsund Phantoms findet.

    Der Käufer nahm das Auto mit in seine Heimat,wo es vier Jahre im Fuhrpark der Familie veblieb.Nach einem Unfall im Jahr 1927 kam es zurücknach Europa, wurde bei Rolls Royce in Derbyrepariert, dann an einen Herrn in Werksnäheverkauft und von dem erstmals in Englandzugelassen. Ab da wechseln die Besitzverhältnisse(sind aber allesamt dokumentiert) und auch dieKarosseriefarbe. Während die Kotflügel immerschwarz glänzen, wechselt das ursprünglichaufgetragene Blau über ein Grün mit goldenenBeschneidungen zu dem Bordeuaxrot, dass GAK30 heute noch ziert. Im Laufe der Jahre war dasFahrzeug von England über die Schweiz nachDeutschland, und von dort nach Österreichgekommen, wo es heute noch steht. Nein, nichtnur steht, denn der Twenty ist heute zuverlääsigerdenn je und beweist das bei Ausflugs- undUrlauibsfahrten ebenso wie beiOldtimerveranstaltungen.

  • Der HühnerhabichtROLLS ROYCE Twenty (20 HP) All-Wheater-Cabriolet 1923