RUDOLF STEINER - TTB 17 - VOM WIRKEN DER ENGEL

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Rudolf Steiner – Thementaschenbuch 17 – Vom Wirken der Engel 1

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Anthroposophie - Vorträge aus dem Gesamtwerk - Engelwirken - Engelkunde

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Dieses E-BOOK ist nurzum nichtkommerziellen Gebrauch bestimmt!

Rudolf Steiner – Thementaschenbuch 17 – Vom Wirken der Engel

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RUDOLF STEINER

Vom Wirken der Engel

und anderer hierarchischer Wesenheiten

Themen aus dem Gesamtwerk Band 17

Ausgewählt und herausgegeben von Wolf-Ulrich Klünker

VERLAG FREIES GEISTESLEBEN – 1991

Das Werk Rudolf Steiners gründet sich methodisch underkenntniswissenschaftlich auf die Darstellung der grundlegenden Schriften:Die Philosophie der Freiheit. Grundzüge einer modernen Weltanschauung;Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis undMenschenbestimmung; Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? undDie Geheimwissenschaft im Umriß. Diese bilden zusammen mit den übrigenSchriften und den Aufsatzbänden das geschriebene Werk von überschaubaremUmfang, rund 40 Bände.

Daneben ist die Fülle der nachgeschriebenen Vorträge außerordentlich, in derGesamtausgabe mehr als 250 Bände. Die Vorträge waren alle frei gehalten undnicht zum Druck bestimmt. Ihre Herausgabe erfolgt nach von Rudolf Steinernicht durchgesehenen Nachschriften. Sie enthalten jedoch den Ausbau und dieEntfaltung der in den Schriften entwickelten Grundkonzeptionen nach denverschiedensten Richtungen und Lebensbereichen. Sie stellen in ihrerthematischen Mannigfaltigkeit auch heute noch eine nicht bewältigte Aufgabedar.

So ist das Motiv dieser Taschenbuchreihe: unter den in unserer Zeit aktuellenGesichtspunkten den Zugang zu verschiedenen im Gesamtwerk verstreuten undnicht zusammenhängend ausgearbeiteten Themenkomplexen zu eröffnen unddamit zugleich den Ansatz der anthroposophischen Erkenntnismethode anbestimmten Problemkreisen zu verdeutlichen; die jeweilige Zusammenstellungbeansprucht dabei inhaltlich keine Vollständigkeit.

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Inhalt

Inhalt .....................................................................................................................................5

Einführung des Herausgebers ...............................................................................................6

Beziehung von Mensch und Engel.........................................................................................7

Erkenntnis des Engels ...........................................................................................................9

Geistige Selbsterkenntnis und Engelerkenntnis ...............................................................12

Der neue Zugang zum Wirken des Engels.....................................................................14

Vom Werk zum Wirkenden ..............................................................................................16

Zur vorliegenden Auswahl ................................................................................................19

Anmerkungen .............................................................................................................20

I. Geistige Hierarchien und menschliche Individualität..................................................21

Was tut der Engel in unserem Astralleib?......................................................................21

Die drei Begegnungen der Menschenseele .....................................................................38

mit den Wesen des Universums ......................................................................................38

Schicksalsgestaltung in Schlafen und Wachen ...............................................................52

Das Verhältnis des Menschen zu seinem Engelwesen..................................................69

und zu den höheren Hierarchien .....................................................................................69

II. Geistige Hierarchien in der Menschheitsentwicklung................................................82

Engel, Volksgeister, Zeitgeister ........................................................................................82

Der Michael-Impuls und das Mysterium von Golgatha.................................................97

Erkenntnis geistiger Wesenheiten in verschiedenen Epochen .....................................107

III. Geistige Hierarchien als kosmische Wirklichkeit ...................................................118

Die dritte und die zweite Hierarchie ............................................................................118

Die erste Hierarchie und die göttliche Trinität............................................................128

Das künftige Jupiterdasein und seine Wesenheiten .....................................................140

Anmerkungen....................................................................................................................151

Quellennachweis ...............................................................................................................154

Literaturhinweise...............................................................................................................155

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Einführung des Herausgebers

In der «Einteilung der Natur», dem Hauptwerk des irischen PhilosophenJohannes Scotus Eriugena (9. Jahrhundert), findet sich folgende interessanteBemerkung: «So glauben und erkennen wir nicht umsonst, daß die Inkarnationdes göttlichen Wortes nicht weniger den Engeln als den Menschen nützte. Sienützte den Menschen zu ihrer Erlösung und zur Wiederherstellung ihrer Natur,den Engeln aber nützte sie zur Erkenntnis.» (1) Die «Inkarnation desgöttlichen Wortes», also die Menschwerdung des Christus, hat für Menschenund Engel Bedeutung. Eriugena spricht diesen Satz wie selbstverständlich aus;demgegenüber hat sich die Neuzeit daran gewöhnt, Christus lediglich imHinblick auf den Menschen zu verstehen. Offenbar war es im 9. Jahrhundertnoch ganz anders möglich, den Zusammenhang von Mensch und Engel zudenken. In dem Textausschnitt kommt zum Ausdruck, daß die Menschendurch Christus erlöst wurden und daß ihre «Natur», also ihr Wesen, das derSünde verfallen war, durch diese Erlösung wieder frei werden konnte. DieEngel dagegen wurden durch die Inkarnation des göttlichen

Wortes weder erlöst noch in ihrem ursprünglichen Wesen wiederhergestellt,sondern sie wurden in einer anderen, höheren Weise erkennend, als sie eszuvor waren.

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Beziehung von Mensch und Engel

Man kann sich nun fragen, welcher Unterschied oder welche Beziehungzwischen Engel und Mensch in der Aussage Eriugenas angedeutet wird. [7] Esfällt sofort auf, daß der Engel als ein Erkenntniswesen, der Mensch aber alserlösungs- und erneuerungsbedürftig erscheint. Was zur Erlösung undWiederherstellung des Menschen beiträgt, ermöglicht dem Engel eineweiterreichende Erkenntnis. Offenbar ist beim Engel auf der Erkenntnisebeneanzusiedeln, was für den Menschen auf ganz anderen ExistenzgebietenBedeutung besitzt. Denn die Erlösung und Wiederherstellung der menschlichenNatur bezieht sich nicht nur auf das Erkennen des Menschen, also auf seinenGeist, sondern auch auf sein leibliches und seelisches Dasein. Durch dieInkarnation Christi wird der Mensch an Leib, Seele und Geist wiederhergestellt;er kann von Krankheiten, seelischen Verstrickungen und von frühererErkenntnislosigkeit genesen. Für den Engel gilt nur letzteres – daraus ergibt sichals ein erstes wichtiges Merkmal der Beziehung von Engel und Mensch: daß fürden Engel stets auf der Erkenntnis- bzw. geistigen Ebene anzusiedeln ist, wasim Menschen auch in leiblicher oder seelischer Gestalt erscheinen kann. Um inden Bereich des Engels überzugehen, muß man alles, was im Menschenbegegnet, als ein geistiges Phänomen verstehen lernen. Denn die Geistebene istder einzige Wirklichkeitsbereich, in dem der Engel existiert. In dieser Hinsichtsind Mensch und Engel verschieden und doch gleich: sie sind verschieden, weilder Mensch nicht nur in der Region der Erkenntnis lebt; sie sind gleich, weilalles, was der Mensch leiblich und seelisch erlebt und ist, für den Engel geistigeWirklichkeit sein kann.

In diesem Sinne könnte man die folgende Aussage des Johannes ScotusEriugena verstehen: «Gott wohnt nicht anderswo als in der Natur des Menschenund des Engels, denen allein die Betrachtung der Wahrheit geschenkt wird. Undwir dürfen diese beiden Naturen nicht als zwei Häuser auffassen, sondern alsein und dasselbe Haus, das aus zwei geistigen Materien erbaut ist.» (2) DerBegriff «Natur» meint hier wieder das Wesen des Engels bzw. des Menschen.Beide werden deutlich unterschieden; aber es wird zugleich klar, daß die Naturdes Menschen und des Engels «nachbarschaftlich» zusammengehören. [8] Siewohnen in demselben Haus, d. h. sie begegnen sich ständig. Ihre Nähe bestehtdarin, daß sie die Wahrheit betrachten, also Erkenntnis gewinnen können.Dennoch sind beide Naturen nicht identisch; sie werden als «zwei geistige(intelligibiles) Materien» bezeichnet: der Mensch ist geistig erkennend wie derEngel, aber in anderer Weise. Diese andere Art der Geistigkeit entsteht aus dernicht allein erkennenden, sondern auch leiblich-seelischen Existenz desMenschen.

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Ein Viertel Jahrtausend nach Eriugena beschreibt Alanus ab Insulis, einLehrer der Schule von Chartres (12. Jahrhundert), diesen Unterschied zwischenEngel und Mensch genauer. Er weist in seiner Schrift «Quoniam homines» intypisch mittelalterliche Ausdrucksweise darauf hin, daß der Mensch dem Engelnicht unmittelbar gleich ist, sondern ihm erst in der Erkenntnis ebenbürtigwerden kann: «Es ist überliefert, daß der Glaube in Zukunft überflüssig seinund seine Nachfolge die Wissenschaft sein wird, also die sichere Erkenntnis. Sowird das Verständnis ein anderes sein als das heutige rätselhafte ...»Anschließend erläutert Alanus, was er unter «Wissenschaft» versteht:«Wissenschaft (scientia) ist die Wahrnehmung der Wahrheit der Dinge mitinnerer Zustimmung und mit Erkenntnis der Ursachen.» (3) Alanus ab Insulisdeutet hier darauf hin, daß sich die Erkenntnisfähigkeit der Menschen verändernwird. Er verbindet diesen Zukunftsblick mit dem Hinweis, daß dann der Glaubeüberholt sein und durch Wissenschaft ersetzt werden wird – eine für dasausgehende 12. Jahrhundert unerhörte Aussage, die die damals ganz vomGlauben geprägte Lebenshaltung der Menschen sicherlich zutiefst erschütternkonnte. Alanus charakterisiert die neue Erkenntnisfähigkeit genauer: sie wird«sicher» sein und damit die Form der Wissenschaft besitzen; dieser Begriff istumfassender zu verstehen, als er heute üblicherweise verwendet wird. EinKennzeichen der Erkenntnis besteht in der «inneren Zustimmung» zu demErkannten und in der Einsicht in die «Ursachen» des Erkenntnisgegenstandes;diese Formulierung geht auf Aristoteles zurück. [9] Der Mensch wird sich alsoinnerlich mit seiner Erkenntnis bzw. mit dem Erkenntnisgegenstand verbindenund ihn nicht einfach so nehmen, wie er ist, sondern ihn in seinemHerkommen, in seiner Entwicklung begreifen. Im Kontext dieserAusführungen des Alanus wird deutlich, daß der Mensch dem Engel gleichwerden wird, wenn er diese Erkenntnisart erreicht hat. Damit weist Alanus aufeinen Zusammenhang der Erkenntnisentwicklung beim Menschen mit seinerBeziehung zu den höheren Hierarchien hin.

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Erkenntnis des Engels

Zwei Generationen später greift Thomas von Aquin (1225 – 1274) eineFormulierung des Matthäus-Evangeliums (22, 30) mit den Worten auf. «DenMenschen wird nicht weniger versprochen als die Gleichheit mit den Engeln.»(4) Auch Thomas blickt hier also auf eine Zukunft derMenschheitsentwicklung, in der der Mensch nicht nur die gleiche Erkenntniswie der Engel, sondern auch das Sein des Engels erreicht haben wird.Anschließend schreibt Thomas: «So lehrten die Philosophen, daß die höchsteGlückseligkeit des Menschen darin besteht, die von der Materie getrenntenWesenheiten zu denken.» (5) Im philosophischen Sprachgebrauch bezeichneteman die Engel mit dem Begriff «von der Materie getrennte Wesenheiten»(substantiae separatae a materia), denn die Engel haben keine direkteBeziehung zur materiellen Welt.

Welche Bedeutung in dieser Aussage liegt, zeigt sich, wenn man eineweitere Formulierung aus demselben Zusammenhang hinzunimmt: «InBereichen, die von der Materie getrennt sind, ist das Denkende und dasGedachte ein und dasselbe.» (6) Damit knüpft Thomas an eine entsprechendeAussage in dem «Buch über die Seele» des Aristoteles an. [10] Die«Bereiche, die von der Materie getrennt sind» verweisen wieder auf dieExistenzsphäre der Engel; hier sind der Erkenntnisvorgang und derErkenntnisgegenstand nicht zu trennen: denkendes Subjekt und gedachtesObjekt unterscheiden sich nicht. Bezieht man diesen Satz auf die Aussageüber die «höchste Glückseligkeit» des Menschen, die in der Erkenntnis desEngels besteht, so ergibt sich: Wenn der Mensch zur Erkenntnis des Engelsgelangt, betritt er einen Bereich, in dem er mit dem Erkenntnisgegenstandgleich wird. Die Erkenntnis des Engels führt also den Menschen zu einerSeinsgleichheit mit dem Engel. Erkenntnis und Sein bewegen sich hieraufeinander zu, werden gleich: die Erkenntnis des Engels und dasGleichwerden mit ihm gehören zusammen. Anders formuliert: Wenn derMensch sich dahin entwickelt, den Engel wesenhaft denken zu können, bleibtder Engel für ihn nicht ein «äußeres» Erkenntnisobjekt, sondern der Menschverwandelt sich dem Engel an. Der Mensch wird also in dem Maße demEngel gleich, indem er ihn erkennen lernt – genau in diesem Sinne sindDenkendes und Gedachtes im Bereich der höheren Wesenheiten «ein unddasselbe». – Selbstverständlich bezieht sich die Gleichheit von Engel undMensch auf den Menschen als ein erkennendes oder Geistwesen; in seinemseelischen und leiblichen Dasein bleibt er vom Engel, der leibfrei existiert,unterschieden.

Wie kann der Mensch zur Erkenntnis des Engels gelangen? In der «Summeder Theologie» führt Thomas von Aquin drei mögliche Antworten auf dieseFrage an. Dabei greift er auf drei geistesgeschichtliche Strömungen zurückund charakterisiert zunächst die Position des Platonismus:

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«Der Meinung Platons zufolge werden die nichtmateriellen Wesenheitennicht nur von uns erkannt, sondern sie sind auch das Erste, das von uns erkanntwird. Platon behauptet nämlich, die nichtmateriellen, für sich bestehendenFormen, die er als Ideen bezeichnet, seien die eigentlichen Gegenständeunseres Geistes; und deshalb würden sie zuerst und durch sich selbst von unserkannt. Die Erkenntnis der Seele wende sich aber den materiellen Dingen zu,weil dem Geist Vorstellungen und Sinneswahrnehmung beigemischt seien. Jemehr daher der Geist gereinigt sei, desto mehr erfasse er die geistige Wahrheitdes Nichtmateriellen.» (7) [11]

Thomas beschreibt hier die platonische Geistanschauung amBerührungspunkt von Menschen- und Engelgeist. Er weist darauf hin, daßPlaton die «nichtmateriellen Wesenheiten», also die Engel für dieentscheidenden Gegenstände der menschlichen Erkenntnis hält. Allerdings seider menschliche Geist nicht rein, sondern vermischt mit Sinneswahrnehmungund Vorstellungen des Irdischen; deshalb sei dem Menschen die Erkenntnisder höheren Wesen nicht selbstverständlich. Wenn der Geist aber frei werdevon diesen irdischen Bezügen, dann könne er seinen eigentlichen Gegenstand,die höheren Wesenheiten, auf das Klarste erkennen. – Es wird deutlich, daßPlaton zufolge Menschengeist und Engel kaum zu unterscheiden sind. Esbesteht nur der eine Unterschied: der Mensch ist an die Sinneswahrnehmungund damit an irdische Vorstellungen zunächst gebunden. Gelingt es ihm, sichdavon zu befreien, so kann er den Engelgeist als seinesgleichen erkennen. Dervon den irdischen Existenzbedingungen befreite Menschengeist erkennt alsoim Engel gleichsam sich selbst in seinem Idealzustand.

Dann beschreibt Thomas die Position des Aristoteles: «Aber nach derAnsicht des Aristoteles, die unserer Erfahrung mehr entspricht, hat unserGeist, dem Stand des gegenwärtigen Lebens entsprechend, eine natürlicheHinwendung zu den Naturen der materiellen Dinge. Daher erkennt er nichtsohne Vorstellungen. Somit ist deutlich, daß wir die nichtmateriellenWesenheiten, die nicht unter die Sinneswahrnehmung und die Vorstellungfallen, als erste und durch sich selbst aufgrund der Erkenntnisweise, in der wirErfahrung besitzen, nicht erkennen können.» (8) Thomas gibt die aristotelischeAnschauung also folgendermaßen wieder: Unter irdischenExistenzbedingungen gewinnt der Mensch nur Erkenntnisse, wenn erSinneswahrnehmungen von den Dingen der Welt hat und sich aus diesenSinneswahrnehmungen Vorstellungen bildet, beispielsweise in der Form vonErinnerungen. Der Mensch denkt nun über solche Sinneseindrücke undVorstellungen nach – darin besteht seine Erkenntnis. [12] In der irdischenExistenz hat er also eine bestimmte Erkenntniserfahrung, die nicht auf diehöheren Wesenheiten übertragen werden kann; denn sie gehören nicht dersinnlich wahrnehmbaren und den Vorstellungen zugänglichen Welt an. –

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Offenbar gibt Thomas Aristoteles gegenüber Platon in gewisser Hinsicht denVorzug. Thomas weist darauf hin, daß der menschliche Geist andersstrukturiert ist als der Engelgeist und deshalb gegenüber dem EngelSelbständigkeit besitzt. Das hat allerdings zur Folge, daß der Engel zunächstder menschlichen Erkenntnis entzogen ist.

Schließlich stellt Thomas den averroistischen Standpunkt neben denplatonischen und den aristotelischen. Die averroistische Geistanschauungging zurück auf Averroes, einen arabischen Philosophen des 12.Jahrhunderts, der als Aristoteles-Ausleger für das christliche Mittelalteraußerordentlich große Bedeutung besaß. Die averroistische Anschauungkonnte als dritte Möglichkeit erscheinen, das Verhältnis von Menschengeistund Engel zu verstehen; tatsächlich wurde sie von vielen mittelalterlichenDenkern übernommen. Thomas von Aquin jedoch erschien sie gefährlich:«Averroes hat behauptet, der Mensch könne letztlich in diesem Leben dazugelangen, die von der Materie getrennten Wesenheiten zu erkennen, und zwardurch einen Anschluß oder eine Vereinigung einer von der Materiegetrennten Wesenheit mit uns; diese [Geistwesenheit] bezeichnet er als<tätigen Geist>. Der <tätige Geist> ist ebenso geistige Wesenheit und kanndaher natürlicherweise andere geistige Wesenheiten erkennen. Wenn erdeshalb vollkommen mit uns vereint ist, so daß wir durch ihn vollkommenerkennen können, dann können wir auch die von der Materie getrenntenWesenheiten erkennen.» (9) Die von Thomas so beschriebene Position desAverroes bedeutet: Der Mensch gelangt in seiner Erkenntnisentwicklungnicht zu einem eigenen individuellen Geist, sondern er erhält Anteil an einemkosmischen Engelgeist. Ein solcher Engelgeist in ihm ist dannselbstverständlich in der Lage, andere Engelgeister zu erkennen. [13] Soerkennt der Mensch nicht als menschliches Geistwesen den Engel, sondernindem er selbst geistig Engel wird, indem er Anteil gewinnt an demEngelgeist. Also erkennt der Mensch höhere Wesenheiten gerade dann, wenner nicht individueller Menschengeist ist. Es fällt auf, daß dieGeistanschauung des Averroes der platonischen ähnlich ist, obwohl sie vonAristoteles ausgeht.

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Geistige Selbsterkenntnis und Engelerkenntnis

Thomas lehnt die averroistische Position sehr ausführlich ab. Dabei lauteteine wichtige Begründung, daß der Mensch den Engel durchwissenschaftliches Denken erkennen soll; nicht durch den «von einigenLeuten erdichteten» Anteil, den der Mensch an einem kosmischen Engelgeisthat. Thomas spricht von einer Erkenntnis der geistigen Wesenheiten durch die«spekulativen Wissenschaften». Bei diesem wissenschaftlichen Vorgehen sollder menschliche Geist durch Selbsterkenntnis zu einer Erkenntnis höhererWesenheiten gelangen. In diesem Sinne folgt für Thomas aus der Anschauungdes Aristoteles, daß die «Wissenschaft von der menschlichen Seele einesichere Grundlage» für die Erkenntnis höherer Wesenheiten sei. «Denndadurch, daß sich unsere Seele selbst erkennt, gelangt sie zu einer gewissenErkenntnis der nichtkörperlichen Wesenheiten, soweit sie eine solche erhaltenkann: sie erkennt sie nicht einfach und vollkommen, sondern indem sie sichselbst erkennt.» (10)

Der Menschengeist ist nicht mehr mit dem Engel identisch, sondern imMenschen individuell. Deshalb kann der Mensch den Engel nicht «einfach undvollkommen» erkennen. Die menschliche Seele kann sich aber dem Engelnähern, indem sie sich geistig selbst erkennt. Man kann hinzufügen: ImMenschen lebt der Geist in der menschlichen Seele; dadurch unterscheidet ersich vom Geist des Engels, der nicht in einer Seele und leibfrei existiert. Nurdurch Verbindung mit einem Leib und in der Seele kann der Geist individuellwerden. [14]

Die Individualität des Geistes soll sich Thomas zufolge im Menschenentwickeln und gerade nicht durch allmähliche Überwindung irdischerErkenntnisbedingungen und durch Teilhabe am Engelgeist verhindert werden.Dies sind nicht die richtigen Wege zur Erkenntnis des Engels; vielmehr sollder Mensch eine «Wissenschaft von der Seele» ausbilden, indem er sichgeistig selbst erkennt. Diese Position der Individualität des menschlichenGeistes sieht Thomas als aristotelisch an. Er bekämpft die averroistischeAnschauung, weil sie die Erkenntnis des Engels nicht an eine individuelle,sondern an eine kosmische Geistigkeit im Menschen knüpfte. Im Anschluß anAristoteles spricht Thomas von einer Wissenschaft, die sich aus zweiElementen zusammensetzt: aus der Selbsterkenntnis des Geistes in dermenschlichen Seele und, darauf aufbauend, aus einer Erkenntnis höhererGeistwesen.

Mit einer solchen Auffassung von der Erkenntnis des Engels richteteThomas von Aquin den Blick gleichsam in eine geistesgeschichtliche Zukunft,denn die «Wissenschaft von der Seele» und die daraus resultierende realeDenkmöglichkeit höherer Hierarchien konnte das Mittelalter nur ansatzweiseerreichen. Erst die anthroposophische Geisteswissenschaft hat diesen Ansatzfortgeführt.

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Die Ausführungen Rudolf Steiners zu höheren Hierarchien setzen diegeistige Individualität des Menschen an jeder Stelle voraus – allerdings in demBewußtsein, daß der Mensch nicht geistig individuell ist, sondern daß er sichzu geistiger Individualität hinentwickeln kann. In diesem Sinne steht dieHierarchienanschauung Rudolf Steiners in aristotelischer und thomistischerTradition. Doch handelt es sich nicht um eine direkte Anknüpfung, diephilologisch nachweisbar wäre, sondern um eine geistesgeschichtlicheFortführung unter völlig anderen historischen Voraussetzungen.

Der Mensch kann sich von der Sphäre kosmischer Geistigkeit emanzipieren,er kann geistig eigenständig werden. Dabei steht er in der Gefahr, dasBewußtsein von geistiger Wirklichkeit zu verlieren, höhere Wesen nicht mehrals Realität anerkennen zu können. [15] Tatsächlich hat ihn sein geistigerEmanzipationsschritt in Distanz zu den höheren Hierarchien gebracht. DerAusweg kann aber nicht darin bestehen, ältere Zugangsweisen zum Engelwiederbeleben zu wollen: dies würde die geistige Eigenständigkeit desMenschen gefährden. Der Ansatz Rudolf Steiners besteht demgegenüber darin,Wege aufzuzeigen, auf denen sich der Mensch geistig selbst erkennen, d. h. zugeistiger Individualität und Eigenständigkeit entwickeln kann. So ergeben sichgeistesgeschichtlich völlig neue Möglichkeiten, wieder einen Zugang zurWirklichkeitssphäre des Engels zu gewinnen.

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Der neue Zugang zum Wirken des Engels

Wenn die Wirklichkeit höherer Wesenheiten gerade durch geistigeSelbstentwicklung und Eigenständigkeit des Menschen erreicht werden kann,liegt auf der Hand, daß dabei keine Glaubens- oder Theologietradition leitendsein darf. Die Orientierung an einer älteren Überlieferung würde denMenschen geistig unfrei lassen. Es darf dann auch keine Systematik derhöheren Hierarchien geben, die als eine Lehre vermittelt würde, denn auchdadurch würde die geistige Eigenständigkeit des Menschen eingeschränkt. Sokann man im Werk Rudolf Steiners beobachten, wie er zwar gelegentlich andie Hierarchienlehre des Dionysius Areopagita (5. Jahrhundert) (11) anknüpft,sie aber nie seinen Darstellungen zugrundelegt. Manchmal verwendet RudolfSteiner die Gliederung des Bereiches höherer Wesenheiten, wie sie beiDionysius erscheint (drei Hierarchien mit jeweils drei Ordnungen). DieHerangehensweise Rudolf Steiners aber ist eine völlig andere, was etwa auchin der zumeist von Dionysius abweichenden Benennung der hierarchischenGeister zum Ausdruck kommt.

Wenn die geisteswissenschaftlich mögliche neue Erkenntnis des Engelswirklich auf geistige Individualität des Menschen gegründet ist, darf keineAussage über höhere Hierarchien im Sinne einer Lehre verstanden werden.[16] Vielmehr besitzen die Darstellungen Rudolf Steiners Hinweischarakter,sie dürfen keine autoritative Geltung beanspruchen. Die neueEngelanschauung kann sich nicht auf Glauben und Autorität, sondern nur nochauf das eigenständige Denken stützen. Deutlich ist allerdings, daß dasherkömmliche Denken zunächst nicht in der Lage ist, die Wirklichkeit desEngels zu erreichen; es muß sich also verwandeln. Dies ist möglich, indem esdurch die geistige Selbsterkenntnis des Menschen hindurchgeht. Die geistigeSelbsterkenntnis kann für jeden Menschen nur individuell sein, und einDenken, das an sie anschließt, bleibt auch dann individuell, wenn es von derSelbsterkenntnis zur Erkenntnis anderer geistiger Wesen übergeht. Hier liegtder eigentliche Grund, warum es heute keine Lehren mehr von höherenHierarchien geben kann: die Individualität der Selbsterkenntnis muß sich auchin diesen geistigen Gegenstandsbereich des Denkens hinein fortsetzen. Auchin diesem Sinne kann die oben wiedergegebene Aussage des Thomas vonAquin verstanden werden, im Bereich höherer Hierarchien seien das Denkendeund das Gedachte ein und dasselbe.

Es gibt eine zweite Grundlegung und Sicherung menschlicherErkenntniseigenständigkeit für den Bereich höherer Wesenheiten: das Denken,das den Engel denkt, muß sich selbst stets mitdenken. Es darf also seineAufmerksamkeit nicht völlig auf den Gegenstandsbereich wenden, sondern esmuß die eigene Denkaktivität gleichzeitig im Bewußtsein behalten. DieErkenntnis gibt sich nicht ausschließlich dem Gegenstand hin, sie ist nichtallein auf ihr Objekt gerichtet, sondern sie entwickelt allmählich eine immergrößere Aufmerksamkeit auf die eigene Tätigkeit.

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Erkenntnisgegenstand und Erkenntnistätigkeit gehören für den Bereich derhöheren Wesenheiten untrennbar zusammen. Wird nur das Erkenntisobjekt imDenken beachtet, so ergibt sich keine Wirklichkeitserkenntnis, sondernlediglich die Vorstellung eines Bildes höherer Hierarchien, das mit der Realitätnicht gleichgesetzt werden kann. [17] Wird aber die Denktätigkeit als imAugenblick angewendete Kraft mitberücksichtigt, so kann das Bild inWirklichkeit übergehen. Schließlich tritt noch hinzu, was ein entscheidendesKennzeichen der geistigen Selbsterkenntnis ausmacht: sie ist in ständigerEntwicklung begriffen. Geistig erkennt sich der Mensch nicht, wie er ist,sondern wie er sich weiterentwickelt. Dies gilt auch für dieGegenstandserkenntnis, die sich auf Selbsterkenntnis gründet. Das Denken, dasden Engel denkt, nimmt sich in ständiger Weiterentwicklung wahr.

Eine solche durch das Denken vermittelte Zugangsmöglichkeit zum Bereichhöherer Hierarchien war bisher in der Bewußtseinsgeschichte der Menschheitnicht gegeben. Man kann eigentlich erst seit Beginn der Neuzeit davonsprechen, daß der Mensch allmählich geistige Eigenständigkeit ausbildet. Zudieser Entwicklung von Selbständigkeit im Denken gehört auch, daß sich dasBewußtsein von höheren Wesen zunächst verdunkelt – andernfalls hätte sich derMensch in seiner Erkenntnis nicht auf eigene Füße stellen können, sondern erhätte sich weiterhin (wie es noch im früheren Mittelalter der Fall war) ingeistiger Abhängigkeit vom Engel erlebt. So ist die in der Neuzeit allmählichzunehmende Schwierigkeit, den Engel als Wirklichkeit zu erleben, als einnotwendiger Schritt auf dem Weg zu verstehen, den Engel in geistigerEigenständigkeit schließlich denken zu können. Die HierarchienanschauungRudolf Steiners setzt an diesem geistesgeschichtlichen Entwicklungszeitpunktan. Sie geht davon aus, daß die geistesgeschichtliche Entwicklung inzwischenan einem Punkt angelangt ist, von dem aus die Wirklichkeit des Engels wiedererschlossen werden kann.

So ist die Berücksichtigung des eigenen Denkens bei der Erkenntnis desEngels zweifach zu verstehen: erstens muß das Denken, das den Engel denkt,stets selbst mitgedacht werden; darüber hinaus aber muß es auch in der Lagesein, seine eigene Verwandlung in der menschlichen Geistesgeschichte zubegreifen. [18] Denn indem das menschliche Denken in demgeistesgeschichtlichen Prozeß allmählich eigenständig wurde, veränderte sichauch sein Verhältnis zu den höheren Hierarchien. Der Mensch, der geistigeigenständig geworden ist, hat eine andere Beziehung zum Engel als diebewußtseinsgeschichtlich ältere Menschheit. Damit ist aber die Wirklichkeit desEngels für den Menschen eine andere geworden – denn im Bereich höhererWesenheiten können Denkendes und Gedachtes nicht gegeneinander isoliertwerden; die Veränderung der einen Seite bedingt die Entwicklung auch deranderen (vgl. oben).

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Vom Werk zum Wirkenden

Der Zusammenhang von Menschheit und höheren Hierarchien hat sich alsoim Laufe der Bewußtseinsgeschichte verändert. In der neueren Zeit kann imstrengen Sinne nicht mehr von der Beziehung der Menschheit zu höherenWesenheiten die Rede sein, sondern nur noch vom Verhältnis des einzelnenMenschen zu den Geistwesen. Damit ist die Wirklichkeit der Hierarchien fürden Menschen in Gegenwart und Zukunft auf die Grundlage geistigerIndividualität angewiesen. Wie die Menschheit insgesamt, so befindet sich auchder einzelne Mensch dem Engel gegenüber stets in Entwicklung. DieseEntwicklung oder Bewegung, die keine abgeschlossene Situation zuläßt, kannals entscheidendes Kennzeichen geistiger Wirklichkeit gelten. Hier ist nichts«fertig» oder zu Ende gekommen; alles stellt sich als Werdendes, nicht aber alsGewordenes dar. Auch der Mensch kann sich als geistiges Wesen niemals alsein Gewordener, sondern stets nur als ein Werdender verstehen – in dieserEinstellung kann er sich dann auch den höheren Hierarchien zuwenden. Dieneue Erkenntnismöglichkeit steht also vor der Aufgabe; den Übergang von derBetrachtung des Gewordenen oder des Werkes zur Erkenntnis des Werdendenzu vollziehen. Und hinter dem Werdenden kann dann das Wirkende sichtbarwerden, die Ursache des Werdenden und damit schließlich auch desGewordenen. [19] Diese Ursache könnte man auch als Kraft bezeichnen, dieunsichtbar hinter der Welt des Gewordenen oder des Werkes wirkt.

Zunächst ist dem menschlichen Bewußtsein nur die Welt des Gewordenenzugänglich. Durch die Sinneswahrnehmung stellt sich ihm Fertiges,Abgeschlossenes gegenüber: In Natur und sozialer Wirklichkeit begegnenTatsachen, die unveränderlich erscheinen. Die Dinge werden so betrachtet, wiesie sind, nicht aber, wie sie werden, also wie sie sich entwickeln. Auch imVerhältnis zu anderen Menschen und zu sich selbst ist man zunächst eherdarauf eingestellt, den Menschen so zu betrachten, wie er schon ist, nicht aber,wie er sich entwickelt. Geistige Wirklichkeit aber kann erst ins Bewußtseintreten, wenn der Übergang vom Gewordenen zum Werdenden vollzogen wird;es ist geistige Selbsterkenntnis erst durch die Wahrnehmung eigener geistigerEntwicklung möglich. Nur so kann der Mensch frei werden von einerweitreichenden Vergangenheitsverhaftung, ohne daß er diese Vergangenheitpreisgibt – in der Perspektive der Entwicklung kann er seine Vergangenheitals Grundlage des Werdens in die Zukunft hinein begreifen. Ähnliches giltauch für den Umgang mit anderen Menschen und mit der Natur. – Der zweiteSchritt wäre dann der Übergang vom Werdenden zum Wirkenden, also zu derKraft, die das Werdende bewirkt. Im Falle geistiger Selbsterkenntnis bedeutetdies, daß sich der Mensch als geistige Individualität selbst gewahr wird; diesegeistige Individualität ist die Ursache oder Kraft, die eigene geistigeEntwicklung hervorbringt.

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Dieser Übergang zum Wirkenden oder zur Kraft, die der Mensch als geistigesWesen exemplarisch an sich selbst vollziehen kann, eröffnet ihm denWirklichkeitsbereich höherer Hierarchien. Denn diese wirken in ihrerBeziehung zu der Welt, in der der Mensch existiert, als wirkende Kräfte.

Man darf sich beide Übergänge nicht zu einfach vorstellen. Durchtiefsitzende Gewohnheit ist jeder zunächst an die Welt des Gewordenengebunden. Man neigt stets dazu, Tatsachen, nicht Werdeprozessewahrzunehmen. [20] Im Verhältnis des Menschen zur Natur kann dieskatastrophale Folgen haben, weil ein Denken, das am Gewordenen orientiert ist,immer erst dann reagieren kann, wenn bereits Folgenreiches «passiert» ist – esist nicht in der Lage, Zukunftsentwicklung zu durchschauen. Auch imzwischenmenschlichen Bereich wird die Verhaftung im Gewordenen immerproblematischer. Soziale Verhaltensweisen versagen zunehmend, wenn stets nurder Ist-Zustand des Anderen oder von Gruppen, nicht aber ihreEntwicklungsmöglichkeit in die Zukunft hinein beachtet werden. Das Gemeinteläßt sich am ehesten für die Erziehung verdeutlichen (es gilt aber im Prinzip füralle Wirklichkeitsbereiche): Jede Pädagogik muß scheitern, die im Kind nichtdas werdende Wesen, seine Entwicklung in die Zukunft hinein sieht, sondernsich ausschließlich daran orientiert, was das Kind bereits ist.

Durch Übung kann man allmählich dahin gelangen, nicht nur den Aspektdes Gewordenen, sondern auch den des Werdenden in der Wirklichkeit zubeachten. Damit wird die Grundlage geschaffen, schließlich auch in dieRegion des Wirkenden oder der Kraft überzugehen. Dieser zweite Schritt sollabschließend an einem Beispiel aus dem Werk des Thomas von Aquinerläutert werden; das Beispiel macht auch die Beziehung zur Engelanschauungdeutlich. – In seiner «Summe der Theologie» stellt Thomas die Frage, wie dieBeziehung des Engels zum Raum zu denken sei. Eine Antwort lautet: «Mansagt, der Engel sei in gewisser Hinsicht an einem körperlichen Ort durch dieHinwendung der Kraft des Engels zu diesem Ort. ... Eine nichtkörperlicheWesenheit, die durch ihre Kraft ein körperliches Ding berührt, hält dieses undwird nicht von ihm gehalten. ... So sagt man, der Engel sei an einemkörperlichen Ort nicht als Gehaltener, sondern in gewisser Weise alsHaltender.» (12)

Der Engel ist also nicht räumlich an einem bestimmten Ort anwesend,sondern indem er seine Kraft auf diesen Ort anwendet. Dabei «hält» die Kraftdes Engels die Dinge an dem Ort – gemeint ist nicht ein Festhalten, sonderneine geistige Konturierung dieses Ortes mit Hilfe der Dinge, die sich in ihmbefinden. [21]

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So «hält» der Engel einen bestimmten Ort, indem er ihn durch seine Kraftgestaltet und in dieser Gestaltung auch weiterhin «erhält». Im Unterschiedzum Engel sind die sinnlich wahrnehmbaren Dinge nicht als «Haltende»,sondern als «Gehaltene» in der Welt: sie sind abhängig von dem Ort, an demsie sich befinden, werden in ihrer Erscheinungsweise und in ihrem Verhaltenvon ihm bestimmt. Dies kann man sich beispielsweise an der Abhängigkeiteiner Pflanze von dem Ort ihres Wachstums verdeutlichen. Demgegenüberwird der Engel nicht von dem Ort bestimmt, an dem er sich befindet, sonderner bestimmt diesen Ort. Im Unterschied zu allen körperlichen Dingen befindetsich der Engel «nicht (vom Raum) umschrieben an einem Ort ..., sonderneingrenzenderweise (definitive)». (13) – In diesen Ausführungen des Thomasscheint durch, wie der Mensch beispielsweise in der Naturbetrachtung vomGewordenen über das Werdende zu der wirkenden Kraft übergehen kann, diein der Natur gestaltet. [22]

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Zur vorliegenden Auswahl

Die drei Teile dieses Buches unterscheiden drei Bereiche der Wirkunghöherer Wesenheiten: menschliche Individualität, Menschheitsentwicklungund Kosmos. Die Vortragstitel wurden z. T. aus der Rudolf-Steiner-Gesamtausgabe übernommen, teilweise aber auch neu formuliert. DieAuswahl kann nicht annähernd alle Aspekte der Ausführungen Rudolf Steinersüber höhere Hierarchien repräsentieren; dennoch sollte sie in den drei Teilenjeweils ein möglichst breites Spektrum des betreffenden Themenbereichsdeutlich werden lassen. Bei einigen Vorträgen ist zu beachten, daß sieVortragsreihen entnommen sind, die ihre Perspektive bestimmen. Für dasVerständnis gilt hier ähnliches wie für Einzelvorträge: nicht die einzelneFormulierung, sondern nur der Gesamtzusammenhang und der damit gegebeneBetrachtungsaspekt sind voll aussagefähig. [22] Der Leser steht also vor derAufgabe, für jeden einzelnen Vortrag diesen Aspekt der Betrachtung selberzunächst herauszufinden. Die aus Reihen stammenden Vorträge wurden soausgewählt, daß ihre Betrachtungsperspektive auch deutlich wird, wenn mannicht die ganze Reihe kennt.

Das Lesen und Verstehen eines Zusammenhangs, nicht einer isoliertenStelle ist eine Übungsaufgabe, die dem Leser zugemutet werden muß – dabeihandelt es sich nicht um eine zusätzliche Mühe, die zu dem «normalen» Lesenhinzukommt, sondern um die Grundvoraussetzung des Verständnisses.Entscheidend ist die Bemühung, den Zusammenhang von vornherein im Augehaben zu wollen, denn dadurch ergibt sich eine andere Verständnisart, als wennman Einzelaussagen hintereinander reiht. Ob sich eine Einsicht in denZusammenhang dann auch gleich ergibt, hat geringere Bedeutung; vermutlichist dies (wie bei jedem übenden Verstehen) eine Frage der Zeit. Ein solchesVerstehen aus dem Kontext heraus löst sofort viele Probleme, die sich auseiner punktuellen Herangehensweise ergeben würden. Beispielsweise kann dieBerücksichtigung des jeweiligen Betrachtungsaspektes dazu führen, daß sichvermeintliche «Widersprüche» zwischen Formulierungen in denverschiedenen Vorträgen auflösen, weil sie sich als perspektivisch bedingterklären lassen. Es liegt auf der Hand, daß komplexe Wirklichkeitsbereichewie diejenigen der höheren Hierarchien sich nicht durch definitionsähnlicheEinzelaussagen erhellen lassen.

Gerade die Darstellungen Rudolf Steiners zu höheren Wesenheiten könnendazu anregen, das punktuelle Bewußtsein zu einem Denken desZusammenhangs weiterzuentwickeln. Ein erster Schritt kann dabei daswiederholte Lesen eines Vortrags mit einigem zeitlichen Abstand und derVersuch sein, den Inhalt in einer «stillen Nacherzählung» zu erinnern. EineFortsetzung dieser Übung könnte darin bestehen, sich ein inneres Bild von derBeziehung des einen Vortrags zu einem anderen innerhalb desselben Teils dervorliegenden Ausgabe aufzubauen. Später könnte der Versuch folgen, alleVorträge dieses Teiles im Zusammenhang zu betrachten. [23]

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Wenn alle drei Teile des Buches in dieser Weise betrachtet wurden, wäreschließlich denkbar, die Beziehungen der drei Teile untereinander denkendherzustellen. – Wer sich darüber hinaus mit dem «großen» Zusammenhang derHierarchienanschauung Rudolf Steiners beschäftigen möchte, sei insbesondereauf die Schriften «Die Geheimwissenschaft im Umriß» (erstmals erschienen1910) und «Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit» (1911)verwiesen. In dem zuletzt genannten Autoreferat' wird vor allem das Thema«Geistige Hierarchien und menschliche Individualität» entfaltet, während die«Geheimwissenschaft im Umriß» die Themenbereiche II. und III. dervorliegenden Auswahl (geistige Hierarchien in der Menschheitsentwicklungund als kosmische Wirklichkeit) zum Gegenstand hat.

Wolf-Ulrich Klünker

Anmerkungen

1 Johannes Scotus Eriugena: Über die Einteilung der Natur. Übersetzt vonLudwig Noack. Hamburg 1870/74 (Reprint 1983), II, S. 250. LateinischerText: Migne, Patrologia Latina 122, col. 912 c.

2 Ebd. II, 355. Migne PL 122, col. 982 BC. .3 Alanus ab Insulis: Summa «Quoniam homines». Ed. P Glorieux. AHMA 28

(1953), S. 137. – Eine deutsche Übersetzung liegt nicht vor; der Titel gibtdie beiden Anfangsworte des lateinischen Textes wieder.

4 Thomas von Aquin: Sentenzenkommentar IV, 49.2.1.5 Ebd.6 Ebd.7 Thomas von Aquin: Summe der Theologie 1, 88.1. – Vgl. zum folgenden:

Wolf-Ulrich Klünker: Selbsterkenntnis der Seele. Zur Anthropologie desThomas von Aquin. Stuttgart 1990. S. 41 ff.

8 Ebd.9 Ebd.10 Thomas von Aquin: Summe der Theologie 1, 88.1 ad 1.11 Vgl. Dionysius Areopagita: Über die himmlische Hierarachie. Hrsg. von

Günter Heil. Stuttgart 1986. – Die Schrift ist im 5. Jahrhundert n. Chr.entstanden, geht aber auf ältere mündliche Überlieferung zurück.

12 Thomas von Aquin: Summe der Theologie 1. 52.1 (Hervorhebung W.-U.K.). – Vgl. zum folgenden: Wolf-Ulrich Klünker: Selbsterkenntnis derSeele. Zur Anthropologie des Thomas von Aquin. Stuttgart 1990, S. 67 ff.

13 Thomas von Aquin: Summe der Theologie 1. 52.2.

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I. Geistige Hierarchien und menschliche Individualität

Was tut der Engel in unserem Astralleib?

Anthroposophische Geist-Erfassung soll nicht bloß sein eine theoretischeWeltansicht, sondern sie soll sein ein Lebensinhalt und eine Lebenskraft. Undnur, wenn wir uns in die Lage versetzen, unsere anthroposophischeWeltauffassung in uns so zu erkraften, daß sie wirklich voll lebendig in unswird, dann erfüllt sie eigentlich ihre Aufgabe. Denn wir sind dadurch, daß wirunsere Seelen vereinigen mit der anthroposophischen Geisteserfassung, ineiner gewissen Beziehung zu Wächtern über ganz bestimmte, bedeutungsvolleEntwickelungsvorgänge der Menschheit geworden.

Menschen, die sonst nach der einen oder anderen Weltanschauunghinstreben, sind ja in der Regel überzeugt, daß Gedanken, Vorstellungen,außer dem, was sie in ihren menschlichen Seelen sind nicht noch etwasanderes im Weltenzusammenhange sind, sondern Menschen mit solchenWeltanschauungen glauben: Gedanken, Vorstellungen als Ideale werden sicheben in die Welt so einleben, wie es dem Menschen, insofern er sinnenfälligeTaten nur vollbringt, gelingt, sie in der Welt zur Geltung zu bringen.Anthroposophische Gesinnung setzt voraus, daß wir uns klar darüber sind, daßunsere Gedanken und Vorstellungen, um sich zu verwirklichen, noch andereWege finden müssen, als dasjenige ist, was durch unsere sinnenfälligen Taten,durch unsere Taten in der Sinneswelt geschieht. In der Erkenntnis dieserLebensnotwendigkeit liegt schon die Aufforderung, daß der Anthroposoph ineiner gewissen Weise sich beteiligen müsse an dem Wachen über die Zeichender Zeit. [27] Es geschieht in der Weltentwickelung gar manches; demMenschen, insbesondere dem Menschen unseres Zeitalters obliegt es, sichwirkliches Verständnis zu verschaffen von dem, was in der Weltentwickelung,in die er selbst hineingestellt worden ist, geschieht.

Mit Bezug auf den einzelnen Menschen weiß jeder, daß man seineEntwickelung berücksichtigen muß, nicht bloß die äußeren Tatsachen, die umihn herum sind. Bedenken Sie nur einmal, ich möchte sagen, ganz grobgedacht: Die äußeren sinnenfälligen Tatsachen, die jetzt geschehen, die sindrundherum um die Menschen, die fünf Jahre, zehn Jahre, zwanzig Jahre,dreißig Jahre, fünfzig Jahre, die siebzig Jahre alt sind. Dennoch wird keineinziger Mensch, der vernünftig ist, verlangen, daß man dasselbe Verhältnisdes Menschen zu den Tatsachen bei den Fünfjährigen, bei den Zehnjährigen,bei den Zwanzigjährigen, bei den Fünfzigjährigen, bei den Siebzigjährigenherstellen soll. Wie die Menschen sich verhalten sollen zu der äußerenUmgebung, das kann nur bestimmt werden, wenn man auf die Entwickelungdes Menschen selbst Rücksicht nimmt. Beim einzelnen Menschen wird dasjeder zugeben.

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Aber so wie der einzelne Mensch einer ganz bestimmten Entwickelungunterliegt, wie er gewissermaßen eine andere Art von Kräften hat als Kind, inder Mitte des Lebens, als Greis, so hat die Menschheit im Lauf ihrerEntwickelung auch immer andere und andere Kräfte, und man stehtgewissermaßen nur schlafend in der Weltentwickelung drinnen, wenn mannicht beachtet, daß die Menschheit in ihrem Wesen etwas anderes ist im 20.Jahrhundert, als sie im 15. Jahrhundert war oder gar in der Zeit desMysteriums von Golgatha oder vorher. Es gehört zu den größten Mängeln undVerirrungen und Verwirrungen gerade unserer Zeit, daß man das, was ich ebengesagt habe, nicht beachten will, daß man der Meinung ist, man könne vondem Menschen oder von der Menschheit im allgemeinen ganz abstraktsprechen und müsse nicht wissen, daß diese Menschheit einer Entwickelungunterworfen ist.

Nun frägt es sich: Wie kommt man genauer zu einer Einsicht in dieseDinge? – [28] Sie wissen, ein Wichtiges über diese Entwickelung haben wir jaoftmals besprochen. In der griechisch-lateinischen Zeit, vom 8. vorchristlichenJahrhundert bis ungefähr ins 15. Jahrhundert der christlichen Zeitrechnungherein, da rechnen wir mit dem sogenannten Kulturzeitalter der Verstandes-oder Gemütsseele, und seit dem 15. Jahrhundert rechnen wir mit demKulturzeitalter der Bewußtseinsseele. Damit haben wir ein Wesentlichescharakterisiert in der Entwickelung der Menschheit, gerade insofern es unsereZeit betrifft. Wir wissen dadurch, daß die hauptsächlichste Kraft, auf welchegerechnet wird in der Menschheitsentwickelung vom 15. Jahrhundert bis indas 4. Jahrtausend hinein, bis zu dem Anfang des 4. Jahrtausends, dieBewußtseinsseele ist. Aber man darf in der Geisteswissenschaft, in derwirklichen Geisteswissenschaft nirgends bei Allgemeinheiten undAbstraktionen stehenbleiben; man muß überall sehen, konkrete Tatsachen zuerfassen. Die Abstraktionen nützen einem höchstens, wenn man neugierig istin einem sehr gewöhnlichen Sinne. Will man Geisteswissenschaft zumLebensinhalt, zur Lebenskraft machen, so muß man ernster sein als neugierig,so muß man nicht bei solchen Abstraktionen stehenbleiben, wie ich sie ebenausgesprochen habe. Daß wir im Zeitalter der Bewußtseinsseele leben, daßvorzugsweise auf die Ausbildung der Bewußtseinsseele gerechnet wird, das istganz richtig, das ist außerordentlich wichtig auch, aber man darf nicht dabeistehenbleiben.

Wollen wir nun zu einer bestimmten Anschauung über die Dinge kommen,so müssen wir vor allen Dingen einmal etwas genauer auf das Wesen desMenschen selber hinsehen. So wie wir Menschen sind, gliedern wir uns imgeisteswissenschaftlichen Sinne, wenn wir gewissermaßen von obenheruntersteigen, in das Ich, in den astralischen Leib, in den Ätherleib, den ichin neuerer Zeit auch den Bildekräfteleib genannt habe, und den physischenLeib. Von diesen Gliedern der menschlichen Natur ist eigentlich nur das Ichdasjenige, in dem wir seelisch-geistig zunächst leben und weben. [29]

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Das Ich ist uns ja auch durch unsere Erdenentwickelung und die siedirigierenden Geister der Form gegeben. Alles im Grunde, was in unserBewußtsein eintritt, tritt durch unser Ich in unser Bewußtsein ein. Und wenndas Ich nicht sich so entfaltet, daß es in Verbindung stehen kann – wenn auchdurch die Leiber – mit der äußeren Welt, so haben wir ebensowenigBewußtsein wie vom Einschlafen bis zum Aufwachen. Das Ich ist dasjenige,was uns mit unserer Umgebung verbindet. Der astralische Leib ist uns durchdie unserer Erdenentwickelung vorangehende Mondenentwickelung zugeteiltworden, unser Ätherleib durch die weiter vorangehende Sonnenentwickelung,der physische Leib seiner ersten Anlage nach durch die Saturnentwickelung.

Aber wenn Sie die Schilderung dieser Leiber in der «Geheimwissenschaftim Umriß» (1) durchgehen, da werden Sie sehen, in welch komplizierterWeise dies zustande gekommen ist, was heute der Mensch ist in seinerZusammenfügung aus den vier charakterisierten Gliedern. Sehen wir nicht ausden Tatsachen, die uns die «Geheimwissenschaft» überliefert, daß an dieserGliederung in die drei Hüllen des Menschenwesens Geister aller möglichenHierarchien mitgewirkt haben? Sehen wir nicht, daß dasjenige, was uns alsphysischer Leib, als Ätherleib, als astralischer Leib umhüllt, sehr, sehrkomplizierter Natur ist? Aber nicht nur, daß diese Hierarchien mitgearbeitethaben an dem Zustandekommen unserer Hüllen, sie arbeiten noch immerdarinnen. Und der versteht den Menschen nicht, der glaubt, daß dieser Menschbloß die Zusammenfügung ist von Knochen, Blut, Fleisch und so weiter, vondenen uns die gewöhnliche Naturwissenschaft, die Physiologie oder Biologieoder Anatomie erzählen.

Nähert man sich der Wirklichkeit dieses menschlichen Hüllenwesens, siehtman dieses menschliche Hüllenwesen in seiner Wahrheit, dann sieht man, wieineinanderarbeiten, planvoll, weisheitsvoll ineinanderarbeiten in alledem, wasin unseren Leibeshüllen ohne unser Bewußtsein vorgeht, geistige Wesenheitender höheren Hierarchien. [30] Sie können aus den, ich möchte sagen,skizzenhaft gehaltenen Umrissen, die ich in meiner «Geheimwissenschaft»gegeben habe über das Zusammenwirken der einzelnen Geister der höherenHierarchien, damit der Mensch zustande komme, entnehmen, wie kompliziertsich diese Sache im einzelnen ausnehmen muß. Aber dennoch: will man denMenschen verstehen, so muß man auch diesen Dingen immer mehr imeinzelnen, immer mehr im Konkreten beikommen.

Nun ist es ungeheuer schwierig, auf diesem Felde eine konkrete Frage auchnur ins Auge zu fassen. Sie sind ungeheuer kompliziert, diese konkretenFragen. Denken Sie einmal, daß jemand fragen wollte: Was tut imgegenwärtigen Entwickelungszyklus der Menschheit, im Jahre 1918, in demmenschlichen Ätherleib, nun, sagen wir die Hierarchie der Seraphim oder derDynameis? – Denn diese Frage kann man ebenso aufwerfen, wie manaufwerfen kann die Frage, ob es, sagen wir, in Lugano jetzt regnet oder nicht.

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Allerdings wird man das eine wie das andere ebensowenig durch ein bloßesNachdenken oder eine bloße Theorie herausbekommen, sondern dadurch, daßman an die Tatsachen herantritt. Wie man sich erkundigen muß, meinetwillendurch ein Telegramm oder einen Brief oder dergleichen, ob es jetzt in Luganoregnet oder nicht, so muß man auch durch wirkliches Eindringen in dieTatsachen sich über so etwas erkundigen, wie: Was haben gerade die Geisterder Weisheit oder die Throne im gegenwärtigen Menschheitszeitalter für eineAufgabe, sagen wir im menschlichen Ätherleib ? – Aber nun ist eine solcheFrage wie die gerade aufgeworfene von einer außerordentlichenKompliziertheit, und wir können uns gewissermaßen nur immer nähernsolchen Gebieten, auf denen solche Fragen wachsen. Es ist wirklich eigentlichauf diesem Gebiete dafür gesorgt, daß dem Menschen seine Schwingen nichtin den Himmel hineinwachsen und er übermütig und stolz wird, wenn er nachwirklicher Erkenntnis strebt.

Gewissermaßen die nächsten Wesenheiten (2), die uns unmittelbar etwasangehen, sind diejenigen, über die wir klar sehen können. [31] Aber über diesollen wir auch klar sehen, wenn wir nicht schlafen wollen in bezug auf dasHineingestelltsein in die menschliche Entwickelung. Und so will ich Ihnenvon einer Frage sprechen, die nicht so vage, nicht so unbestimmt ist – obwohlsie sehr konkret ist wie diese Frage: Was machen die Dynameis oder dieThrone in unserem Ätherleib? – Ich will Ihnen eine andere Frage sagen, dienicht so vage, nicht so unbestimmt ist, sondern sogar den Menschen derGegenwart angehen soll. Diese Frage ist: Was machen die allernächst an demMenschen tätigen Wesen der Angeloi im gegenwärtigen Menschheitszeitalterinnerhalb des Astralleibes?

Der Astralleib liegt unserem Menschen-Ich, wenn wir in unser inneresWesen schauen, am nächsten. Es ist also zu hoffen, daß die Beantwortung dereben gestellten Frage uns recht viel angehen könnte. Die Angeloi sind dienächste Hierarchie über der Menschenhierarchie selber. Also wir stellen einebescheidene Frage, und wir werden nachher sehen, daß die Beantwortungdieser Frage: Was machen gerade jetzt in unserem Lebensalter derMenschheit; die das 20. Jahrhundert durchläuft, in diesem Lebensalter derMenschheit, das begonnen hat im 15. Jahrhundert und bis in den Beginn des 4.Jahrtausends dauern wird, was machen die Angeloi in dem menschlichenastralischen Leibe? – für uns sehr wichtig sein wird.

Nun, was kann man denn überhaupt darüber sagen, wie sich eine solcheFrage beantworten läßt? Man kann nur sagen: Geistesforschung, wenn sieernsthaft getrieben wird, ist nicht eine Spielerei mit Vorstellungen oder eineSpielerei mit Worten, sondern sie arbeitet wirklich hinein in die Gebiete, wodie geistige Welt anschaulich wird. Und so etwas Nächstliegendes kann ebenangeschaut werden. Aber es kann eigentlich diese Frage fruchtbar nurbeantwortet werden im Zeitalter der Bewußtseinsseele selbst.

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Sie könnten sich denken: Würde in anderen Zeitaltern diese Frage habenaufgeworfen werden können und beantwortet werden sollen, so würdewahrscheinlich Antwort da [gewesen] sein. – [32] Aber weder im Zeitalter desatavistischen Hellsehens noch im Zeitalter der griechisch-lateinischen Kulturkonnte diese Frage beantwortet werden, aus dem Grunde nicht, weil dieBilder, die man im atavistischen Hellsehen in der Seele bekommen hat, dieBeobachtungen über die Taten der Engel in unserem astralischen Leibeverdunkelten. Da war nichts zu sehen, gerade dadurch, daß man die Bilderhatte, die das atavistische Hellsehen gab. Und im griechisch-lateinischenZeitalter war das Denken noch nicht so stark, wie es jetzt ist. Das Denken hatschon eine Verstärkung erfahren, gerade durch das naturwissenschaftlicheZeitalter eine Verstärkung erfahren, so daß das Zeitalter der Bewußtseinsseeledasjenige ist, in dem bewußt auch eingedrungen werden kann in eine solcheFrage wie die eben aufgestellte. Darinnen muß sich gerade die Fruchtbarkeitunserer Geisteswissenschaft für das Leben zeigen, daß wir nicht bloß mitTheorien abspeisen, sondern daß wir Dinge zu sagen wissen, die für das Lebeneine eingreifende Bedeutung haben.

Was tun die Engel in unserem astralischen Leibe? Wir können nur dann unsüberzeugen, was sie da tun, wenn wir bis zu einem gewissen Gradehellsichtiger, Beobachtung aufsteigen, so daß wir sehen, was in unseremastralischen Leibe drinnen sich abspielt. Also bis zu einem gewissen Gradewenigstens der imaginativen Erkenntnis muß aufgestiegen werden, wenn dieangedeutete Frage beantwortet werden soll. Dann zeigt sich, daß dieseWesenheiten aus der Hierarchie der Angeloi – und in gewisser Weise jedereinzelne der Angeloi, der für jeden Menschen gewissermaßen seine Aufgabehat, aber auch namentlich durch ihr Zusammenwirken – Bilder immenschlichen astralischen Leibe formen. Unter der Anleitung der Geister derForm formen sie Bilder. Wenn man nicht aufsteigt zur imaginativenErkenntnis, so weiß man nicht, daß fortwährend in unserem Astralleib Bildergeformt werden. Sie entstehen und vergehen, diese Bilder. Würden dieseBilder nicht geformt, so gäbe es keine Entwickelung der Menschheit in dieZukunft hinein, die den Absichten der Geister der Form entspricht. [33] Wasdie Geister der Form mit uns bis zum Ende der Erdenentwickelung weitererreichen wollen, das müssen sie zuerst in Bildern entwickeln, und aus diesenBildern wird dann später die umgestaltete Menschheit, die Wirklichkeit. Unddiese Bilder in unserem astralischen Leibe formen heute schon die Geister derForm durch die Engel. Die Engel formen im menschlichen astralischen LeibBilder, Bilder, die man mit dem zur Hellsichtigkeit entwickelten Denkenerreichen kann. Und man kann diese Bilder, welche die Engel in unseremastralischen Leibe formen, verfolgen. Dann zeigt sich, daß diese Bilder nachganz bestimmten Impulsen, nach ganz bestimmten Prinzipien geformt werden.Und zwar so werden sie geformt, daß in der Art, wie diese Bilder entstehen,gewissermaßen Kräfte für die zukünftige Entwickelung der Menschheit liegen.

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Wenn man – so sonderbar es klingt, man muß das so ausdrücken – die Engelbei dieser ihrer Arbeit betrachtet, so haben diese Engel bei dieser ihrer Arbeiteine ganz bestimmte Absicht für die künftige soziale Gestaltung desMenschenlebens auf Erden; und sie wollen solche Bilder in den menschlichenastralischen Leibern erzeugen, welche ganz bestimmte soziale Zustände immenschlichen Zusammenleben der Zukunft herbeiführen.

Die Menschen können sich sträuben, anzuerkennen, daß Engel in ihnenZukunftsideale auslösen wollen, aber es ist doch so. Und zwar wirkt ein ganzbestimmter Grundsatz bei dieser Bilderformung der Angeloi. Es wirkt derGrundsatz, daß in der Zukunft kein Mensch Ruhe haben soll im Genusse vonGlück, wenn andere neben ihm unglücklich sind. Es herrscht ein gewisserImpuls absolutester Brüderlichkeit, absolutester Vereinheitlichung desMenschengeschlechtes, richtig verstandener Brüderlichkeit mit Bezug auf diesozialen Zustände im physischen Leben. Das ist das eine, der eineGesichtspunkt, nach dem wir sehen, daß die Angeloi die Bilder immenschlichen astralischen Leibe formen. [34]

Aber es gibt noch einen zweiten Impuls, unter dessen Gesichtspunkt dieseAngeloi formen; das ist: sie verfolgen nicht nur gewisse Absichten mit Bezugauf das äußere soziale Leben, sondern sie verfolgen auch gewisse Absichten mitBezug auf die menschliche Seele, auf das seelische Leben der Menschen. MitBezug auf das seelische Leben der Menschen, da verfolgen sie durch ihreBilder, die sie dem astralischen Leibe einprägen, das Ziel, daß in der Zukunftjeder Mensch in jedem Menschen ein verborgenes Göttliches sehen soll.

Also wohlgemerkt: Anders soll es werden nach der Absicht, die in derArbeit der Angeloi liegt. Es soll werden so, daß wir nicht den Menschengewissermaßen wie ein höherentwickeltes Tier nur seinen physischenQualitäten nach betrachten, weder in der Theorie noch in der Praxis, sonderndaß wir jedem Menschen entgegentreten mit dem voll ausgebildeten Gefühl:In dem Menschen erscheint etwas, was aus den göttlichen Weltengründenheraus sich offenbart, durch Fleisch und Blut sich offenbart. – Den Menschenzu erfassen als Bild, das sich aus der geistigen Welt heraus offenbart, so ernstals möglich, so stark als möglich, so verständnisvoll als möglich, das wird indie Bilder durch die Angeloi gelegt.

Das wird einmal, wenn es verwirklicht wird, eine ganz bestimmte Folgehaben. Alle freie Religiosität, die sich in der Zukunft innerhalb der Menschheitentwickeln wird, wird darauf beruhen, daß in jedem Menschen das Ebenbildder Gottheit wirklich in unmittelbarer Lebenspraxis, nicht bloß in der Theorie,anerkannt werde. Dann wird es keinen Religionszwang gehen können, dannwird es keinen Religionszwang zu geben brauchen, denn dann wird dieBegegnung jedes Menschen mit jedem Menschen von vornherein einereligiöse Handlung, ein Sakrament sein, und niemand wird durch einebesondere Kirche, die äußere Einrichtungen auf dem physischen Plan hat,nötig haben, das religiöse Leben aufrechtzuerhalten.

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Die Kirche kann, wenn sie sich selber richtig versteht, nur die eine Absichthaben, sich unnötig zu machen auf dem physischen Plane, indem das ganzeLeben zum Ausdruck des Übersinnlichen gemacht wird. [35]

Das liegt wenigstens den Impulsen der Arbeit der Engel zugrunde:vollständige Freiheit des religiösen Lebens über die Menschen hin auszugießen.Und ein drittes liegt zugrunde: den Menschen die Möglichkeit zu geben, durchdas Denken zum Geist zu gelangen, durch das Denken über den Abgrundhinweg zum Erleben im Geistigen zu kommen. Geisteswissenschaft für denGeist, Religionsfreiheit für die Seele, Brüderlichkeit für die Leiber, das tönt wieeine Weltenmusik durch die Arbeit der Engel in den menschlichen astralischenLeibern. Man braucht, möchte ich sagen, nur sein Bewußtsein bis zu einergewissen anderen Schichte hinaufzuheben, dann fühlt man sich hineinversetzt indiese wunderbare Arbeitsstätte der Angeloi in dem menschlichen astralischenLeibe.

Nun ist es so, daß wir im Zeitalter der Bewußtseinsseele leben, und in diesemZeitalter der Bewußtseinsseele tun die Angeloi im menschlichen astralischenLeibe das, was ich eben erzählt habe. Die Menschen sollen nach und nachbewußt zum Erfassen dessen kommen, was ich eben erzählt habe. Das gehört indie menschliche Entwickelung hinein. Wie kommt man denn überhaupt dazu,so etwas zu sagen, wie das, was ich jetzt eben ausgesprochen habe? Wo findetman gewissermaßen diese Arbeit? Nun, heute findet man sie noch in demschlafenden Menschen. – Man findet sie in den Schlafzuständen der Menschenvom Einschlafen bis zum Aufwachen. Man findet sie auch in den wachendenSchlafzuständen. Ich habe oft davon gesprochen, wie die Menschen, trotzdemsie wach sind, in den wichtigsten Angelegenheiten eigentlich ihr Lebenverschlafen. Und ich kann Ihnen die allerdings nicht sehr erfreulicheVersicherung geben, daß man wirklich, wenn man bewußt durchs Leben geht,heute viele, viele schlafende Menschen findet. Sie lassen geschehen, was in derWelt geschieht, ohne sich dafür zu interessieren, ohne sich darum zubekümmern, ohne sich damit zu verbinden. Dasjenige, was vorbeigeht angroßen Weltereignissen, das geht an den Menschen oftmals so vorbei, wiedasjenige, was sich in der Stadt abspielt, vor einem Schlafenden vorbeigeht,trotzdem die Leute scheinbar wach sind. [36] Dann aber, wenn die Menschengerade wachend so etwas Besonderes verschlafen, dann zeigt sich, wie in ihrenastralischen Leibern ganz unabhängig von dem, was sie wissen wollen odernicht wissen wollen – diese wichtige Arbeit der Angeloi sich abspielt, von derich gesprochen habe.

Solche Dinge spielen sich vielfach ab in einer Weise, die den Menschen rechträtselvoll, recht paradox erscheinen muß. Da hält man manchen für ganzunwürdig, das oder jenes an Verbindungen mit der geistigen Welt einzugehen.Aber in Wahrheit ist der Betreffende nichts anderes als zunächst in dieserInkarnation eine furchtbare Schlafmütze, die alles verschläft, was um ihn herumvorgeht; in seinem astralischen Leib aber arbeitet der Engel aus derGemeinschaft der Engel heraus an der Zukunft der Menschheit.

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Der astralische Leib wird trotzdem benutzt, und man kann an seinemastralischen Leib so etwas beobachten. Aber darauf kommt es an, daß so etwassich gerade hereindrängt in das menschliche Bewußtsein. Die Bewußtseinsseelemuß erhoben werden zu der Anerkennung desjenigen, was nur auf diese Weisegefunden werden kann.

Indem wir diese Voraussetzungen gemacht haben, werden Sie begreifen,wenn ich Sie nun aufmerksam mache darauf, daß eben dieses Zeitalter derBewußtseinsseele zudrängt einem ganz bestimmten Ereignisse, und daß es, weilwir es mit der Bewußtseinsseele zu tun haben, von den Menschen abhängenwird, wie dieses Ereignis sich in der Menschheitsentwickelung vollzieht. DasEreignis kann um ein Jahrhundert früher oder später kommen, aber eigentlichmüßte es in das Gebiet der Menschheitsentwickelung hereinkommen. Unddieses Ereignis kann man eben so charakterisieren, daß man sagt: Die Menschenmüssen rein durch ihre Bewußtseinsseele, durch ihr bewußtes Denken dazukommen, daß sie schauen, wie es die Engel machen, um die Zukunft derMenschheit vorzubereiten. – [37] Dasjenige, was Geisteswissenschaft aufdiesem Gebiete lehrt, muß praktische Lebensweisheit der Menschheit werden,solche praktische Lebensweisheit, daß die Menschen die feste Überzeugunghaben können: es ist ihr eigenes Weisheitsgut, indem sie anerkennen, daß dieEngel dies wollen, was ich charakterisiert habe.

Nun ist aber das Menschengeschlecht in bezug auf die Annäherung zu seinerFreiheit so weit fortgeschritten, daß es von dem Menschengeschlecht schonselber abhängt, ob es das betreffende Ereignis verschlafen oder mit vollerBewußtheit ihm entgegengehen will. Was würde es heißen: ihm mit vollerBewußtheit entgegengehen? Mit voller Bewußtheit ihm entgegengehen, heißtdas Folgende: Man kann heute Geisteswissenschaft studieren, sie ist da, manbraucht wahrhaftig nicht einmal etwas anderes zu tun als Geisteswissenschaft zustudieren. Wenn man außerdem noch allerlei Meditationen macht, wenn manberücksichtigt dasjenige, was an praktischen Anleitungen durch so etwasgegeben ist wie in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?», sounterstützt man die Sache weiter. Aber das Nötige geschieht schon, wenn mannur Geisteswissenschaft studiert und richtig bewußt versteht. Man kann, ohnehellseherische Fähigkeiten sich anzueignen, Geisteswissenschaft heutestudieren; jeder Mensch kann es, der sich nicht selber Vor. urteile in den Weglegt. Und wenn die Menschen immer mehr und mehr Geisteswissenschaftstudieren, wenn sie sich die Begriffe und Ideen aneignen, die in derGeisteswissenschaft gegeben sind, dann werden sie in ihrem Bewußtsein soweiterwachen, daß gewisse Ereignisse eben nicht verschlafen werden, sondernbewußt vorübergehen.

Und diese Ereignisse, wir können sie noch genauer charakterisieren. Denn imGrunde ist, daß wir wissen, was der Engel tut, nur die Vorbereitung. DieHauptsache ist, daß eben in einem bestimmten Zeitpunkte ein Dreifacheseintreten wird. Wie gesagt, je nachdem sich die Menschen verhalten, wird derZeitpunkt früher oder später oder im allerschlimmsten Falle gar nicht eintreten.

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Aber dasjenige, was eintreten soll, ist eben das, daß der Menschheit durch ihreEngelwelt ein Dreifaches gezeigt wird. [38] Erstens wird gezeigt, wie manwirklich die tiefere Seite der Menschennatur mit seinem unmittelbarstenmenschlichen Interesse erfassen kann. Ja, es wird ein Zeitpunkt kommen, dendie Menschen nicht verschlafen sollen, wo die Menschen einen anregendenImpuls aus der geistigen Welt heraus durch ihren Engel empfangen werden, derdahin gehen wird, daß wir ein viel tieferes Interesse an jedem Menschen habenwerden, als wir geneigt sind, heute zu haben. Diese Erhöhung des Interesses anunserem Mitmenschen soll sich nicht bloß etwa so subjektiv entwickeln, wiedies die Menschen so bequem in sich entwickeln, sondern mit einem Ruck,indem tatsächlich dem Menschen eingeflößt wird von spiritueller Seite eingewisses Geheimnis, was der andere Mensch ist. Ich meine damit etwas ganz,ganz Konkretes, nicht irgendwelche theoretische Erwägung, sondern: DieMenschen erfahren etwas, was sie an jedem Menschen interessieren kann.

Das ist das eine, und das wird das soziale Leben ganz besonders erringen.Und das zweite wird sein, daß von der geistigen Welt aus der Engelunwiderleglich dem Menschen zeigen wird, daß der Christus-Impuls außerallem übrigen auch völlige Religionsfreiheit für die Menschen bedingt, daß nurdas das rechte Christentum ist, welches absolute Religionsfreiheit möglichmacht. Und das dritte ist eben die unwiderlegliche Einsicht in die geistige Naturder Welt.

Dieses Ereignis, wie gesagt, es soll so eintreten, daß die Bewußtseinsseeledes Menschen ein gewisses Verhältnis dazu erhält. Das steht einmal derMenschheit in ihrer Entwickelung bevor. Denn darauf arbeitet der Engel durchseine Bilder im menschlichen astralischen Leibe hin. Nun mache ich Sie aberdarauf aufmerksam, daß dieses Ereignis, das da bevorsteht, schon in denmenschlichen Willen gestellt ist. Die Menschen können ja manches unterlassen.Und viele unterlassen heute noch vieles, was hinführen soll zum wachendenErleben des angedeuteten Zeitpunktes. [39]

Nun gibt es aber, wie Sie wissen, andere Wesen in der Weltentwickelung, dieein Interesse daran haben, den Menschen aus seiner Bahn hinauszubringen: dassind die ahrimanischen und die luziferischen Wesenheiten. Das, was ich ebengesagt habe, liegt in der göttlichen Entwickelung des Menschen. Es müßteeigentlich der Mensch, wenn er sich so recht seiner eigenen Natur überließe, zuder Anschauung desjenigen kommen, was der Engel in seinem astralischenLeibe entfaltet. Aber die luziferische Entwickelung, sie geht dahin, denMenschen abzudrängen von der Einsicht in die Arbeit der Angelos-Hierarchie.Und diese luziferischen Wesen, sie machen es in folgender Weise, um denMenschen abzudrängen: sie machen es so, daß sie den freien Willen desMenschen hemmen.

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Sie versuchen, dem Menschen Dunkelheit zu geben über die Praxis seines freienWillens, indem sie ihn zwar zu einem guten Wesen machen – Luzifer will vondiesem Gesichtspunkte aus, den ich jetzt berühre, beim Menschen eigentlich dasGute, das Geistige –, aber er will ihn automatisch machen, ohne freien Willen;es soll der Mensch ins Hellsehen nach guten Prinzipien hineinversetzt werden,aber gewissermaßen automatisch; die luziferischen Wesenheiten wollen demMenschen seinen freien Willen, die Möglichkeit zum Bösen, nehmen. Siewollen ihn so machen, daß er zwar aus dem Geiste heraus, aber wie eingeistiges Abbild handelt, nämlich ohne freien Willen. Automatisch wollen sieihn machen, die luziferischen Wesen.

Das hängt mit ganz gewissen Geheimnissen der Entwickelung zusammen.Die luziferischen Wesen, Sie wissen es, sind auf anderen Entwickelungsstufenstehengebliebene Wesenheiten, die Fremdartiges in die normale Entwickelunghereinbringen. Diese luziferischen Wesen haben ein hohes Interesse daran, denMenschen so zu ergreifen, daß er nicht zum freien Willen kommt, weil sieselbst den freien Willen sich nicht errungen haben. Der freie Wille kann nur aufder Erde errungen werden. Aber sie wollen mit der Erde nichts zu tun haben, siewollen nur Saturn-, Sonnen-, Mondenentwickelung, und da stehenbleiben,nichts mit der Erdenentwickelung zu tun haben. Sie hassen gewissermaßen denfreien Willen des Menschen. [40] Sie handeln hoch-geistig, aber sie handelnautomatisch – das ist außerordentlich bedeutsam –, und sie wollen zu ihrerHöhe, zu ihrer geistigen Höhe den Menschen erheben. Sie wollen ihnautomatisch machen; geistig, aber automatisch. Dadurch würde auf der einenSeite die Gefahr erzeugt, daß der Mensch, wenn er zu früh, bevor seine volleBewußtseinsseele funktioniert, zum geistig automatisch handelnden Wesenwird, jene Offenbarung verschläft, die kommen soll und die ich ebencharakterisiert habe.

Aber auch die ahrimanischen Wesen arbeiten dieser Offenbarung entgegen.Sie streben nicht danach, den Menschen besonders geistig zu machen, aber siestreben danach, in dem Menschen das Bewußtsein seiner Geistigkeit zu ertöten.Sie streben danach, dem Menschen die Anschauung beizubringen, daß ereigentlich nur ein vollkommen ausgebildetes Tier ist. Ahriman ist in Wahrheitder große Lehrer des materialistischen Darwinismus. Ahriman ist auch dergroße Lehrer all derjenigen technischen und praktischen Betätigung innerhalbder Erdenentwickelung, die nichts gelten lassen will als das äußere sinnenfälligemenschliche Leben, die nur eine ausgebreitete Technik haben will, damit inraffinierterer Weise der Mensch dieselben Eß- und Trinkbedürfnisse undsonstigen Bedürfnisse befriedigt, die auch das Tier befriedigt. In dem Menschenertöten, verdunkeln das Bewußtsein, daß er ein Abbild der Gottheit ist, dasstreben für die Bewußtseinsseele durch allerlei raffinierte wissenschaftlicheMittel die ahrimanischen Geister in unserer Zeit an.

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In früheren Zeitaltern würde es den ahrimanischen Geistern nichts genützthaben, durch Theorien den Menschen die Wahrheit in dieser Weise zuverdunkeln. Warum? Noch während des griechisch-lateinischen Zeitalters, abernoch mehr in dem älteren Zeitalter, in dem der Mensch noch das atavistischeHellsehen, die Bilder hatte, da war es ganz gleichgültig, wie der Mensch dachte.Da hatte er seine Bilder. Durch seine Bilder sah er in die geistige Welt hinein.[41] Was ihm Ahriman beigebracht hätte über seine Beziehung zu den Tieren,das würde gar keine Bedeutung gehabt haben für seine Lebenshaltung. DasDenken ist erst mächtig geworden – in seiner Ohnmacht mächtig geworden,könnte man sagen – in unserem fünften nachatlantischen Zeitalter, seit dem 15.Jahrhundert. Erst seit jener Zeit ist das Denken geeignet, die Bewußtseinsseelehineinzubringen in das geistige Gebiet, damit aber auch, sie zu verhindern,hineinzukommen in die geistige Welt. Erst jetzt erleben wir die Zeit, wo eineTheorie durch Wissenschaft auf bewußte Weise dem Menschen seineGöttlichkeit und die Erfahrungen über das Göttliche raubt. Das ist eben nur imZeitalter der Bewußtseinsseele möglich. Daher streben die ahrimanischenGeister an, solche Lehren über den Menschen zu verbreiten, die den göttlichenUrsprung des Menschen verdunkeln.

Aus der Anführung dieser der normal-göttlichen Entwickelung des Menschenentgegenstrebenden Strömungen kann man entnehmen, wie man sich einrichtenmuß im Leben, damit man eben das, wovon gesprochen worden ist, was dakommen soll als eine Offenbarung in die Menschenentwickelung, nichtverschlafe. Sonst entsteht eine große Gefahr. Und der Mensch muß aufmerksamsein auf diese Gefahr, sonst wird statt des bedeutungsvolles Ereignisses, dasmächtig eingreifen soll in die zukünftige Gestaltung der Erdenentwickelung,dasjenige eintreten, was recht gefährlich werden kann dieserErdenentwickelung.

Sehen Sie, gewisse geistige Wesenheiten erlangen ja ihre Entwickelung durchden Menschen, indem sich der Mensch mitentwickelt. Die Engel, die in demmenschlichen astralischen Leibe ihre Bilder entwickeln, entwickeln diese Bildernatürlich nicht als Spiel, sondern damit etwas erreicht wird. Da aber das, waserreicht werden soll, gerade innerhalb der Erdenmenschheit erreicht werdensoll, so würde ja die ganze Geschichte zum Spiel, wenn die Menschen, nachdemsie die Bewußtseinsseele erlangt haben, bewußt die ganze Sache außer achtließen. Es würde das Ganze zum Spiel! [42] Die Engel würden nur ein Spieltreiben in der Entwickelung des astralischen Leibes des Menschen. Nurdadurch, daß das sich in der Menschheit verwirklicht, dadurch ist es kein Spiel,sondern Ernst. Daraus aber werden Sie entnehmen können, daß die Arbeit derEngel unter allen Umständen ernst bleiben muß. Bedenken Sie, was das wärehinter den Kulissen des Daseins, wenn die Menschen einfach durch ihreSchlafmützigkeit die Arbeit der Engel zum Spiel machen könnten!

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Und wenn das nun doch geschähe, wenn doch die Erdenmenschheit dabeibeharren würde, das wichtige geistige Offenbarungsereignis der Zukunft zuverschlafen? Wenn die Menschen zum Beispiel den mittleren Teil – die auf dieReligionsfreiheit bezügliche Sache – verschlafen würden, wenn sie dieWiederholung des Mysteriums von Golgatha auf dem Ätherplane, von der ichoft gesprochen habe, die Wiedererscheinung des ätherischen Christus, wenn siedas verschlafen würden, oder die anderen Dinge verschlafen würden, dannmüßte dasjenige, was mit den Bildern im astralischen Leibe des Menschenerreicht werden soll, auf einem anderen Wege von den Engeln angestrebtwerden. Und das, was die Menschen in ihrem Astralleibe nicht erreichen lassen,indem sie wach werden, das würde in diesem Falle angestrebt dadurch, daß dieEngel ihre Absichten verwirklichen durch die schlafenden Menschenleiber.Also dasjenige, was die Menschen verschlafen würden im Wachzustande unddie Engel dadurch nicht erreichen können, das würde erreicht werden mit Hilfeder in dem Bette liegenbleibenden menschlichen physischen Leiber undÄtherleiber während des Schlafens. Dort würden die Kräfte gesucht werden, umdas zu erreichen. Was mit den wachen Menschen, wenn die wachen Seelen indem Ätherleib und in dem physischen Leib drinnen sind, sich nicht erreichenläßt, das wird mit den schlafenden Ätherleibern und physischen Leibernerreicht, wenn die Menschen, die wachen sollten, dann schlafend heraußen sindmit ihrem Ich und ihrem astralischen Leibe.

Das ist die große Gefahr für das Bewußtseinszeitalter. [43] Das ist dasjenigeEreignis, welches sich noch vollziehen könnte, wenn die Menschen sich nichtzu dem geistigen Leben hinwenden wollten, vor dem Beginne des 3.Jahrtausends. Wir stehen nur noch eine kurze Zeit entfernt vor dem Beginne des3. Jahrtausends. Es beginnt ja das 3. Jahrtausend bekanntlich mit dem Jahre2000. Es könnte sich noch vollziehen, daß, statt mit dem wachenden Menschen,mit den schlafenden Leibern der Menschen das erreicht werden müßte, waserreicht werden soll für die Engel durch ihre Arbeit; daß die Engel ihre ganzeArbeit aus dem astralischen Leib des Menschen herausholen müßten, um sieunterzutauchen in den Ätherleib, damit sie sich verwirklichen könne. Aber derMensch würde nicht drinnen sein! So müßte es sich im Ätherleib verwirklichen,wenn der Mensch nicht dabei ist, denn wenn der Mensch dabei wäre im wachenZustande, so würde er das hindern.

Jetzt habe ich Ihnen die allgemeine Idee von der Sache entwickelt. Aber waswürde denn damit eintreten, daß die Engel eine solche Arbeit, ohne daß derMensch dabei ist, in den Ätherleibern und in den physischen Leibern derMenschen, während sie schlafen, verrichten müßten? Dadurch würdeunweigerlich ein Dreifaches in der Menschenentwickelung eintreten. Erstenswürde in den schlafenden Menschenleibern, während der Mensch eben schläft,ohne daß er mit seinem Ich und seinem astralischen Leib dabei ist, etwaserzeugt, was er dann findet nicht durch Freiheit, sondern was er vorfindet, wenner morgens aufwacht. Immer findet er es dann vor. Es wird Instinkt stattFreiheitsbewußtsein, aber es wird dadurch schädlich. [44]

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Und zwar drohen schädlich zu werden gewisse instinktive Erkenntnisse, diein die Menschennatur kommen sollen und die zusammenhängen mit demMysterium der Geburt und der Empfängnis, der Konzeption, mit dem ganzensexuellen Leben, wenn die Gefahr eintreten sollte, von der ich gesprochen habe,durch gewisse Engel, die dann selber eine gewisse Veränderung durchmachenwürden, von der ich nicht sprechen kann, weil diese Veränderung zu jenenhöheren Geheimnissen der Initiationswissenschaft gehört, von denen heute nochnicht gesprochen werden darf. Wohl aber kann man sagen: Was innerhalb derMenschheitsentwickelung geschieht, das würde darin bestehen, daß, statt inhellem, wachem Bewußtsein in nützlicher Weise, dann in schädlicher Weise, inzerstörerischer Weise gewisse Instinkte aus dem Sexualleben und Sexualwesenauftreten würden, Instinkte, die nicht bloß Verirrungen bedeuten würden,sondern die übergehen würden ins soziale Leben, die Gestaltungenhervorbringen würden im sozialen Leben; vor allen Dingen die Menschenveranlassen würden durch das, was dann in ihr Blut kommen würde infolge desSexuallebens, jedenfalls nicht irgendwelche Brüderlichkeit auf der Erde zuentfalten, sondern sich immer aufzulehnen gegen die Brüderlichkeit. Das aberwürde Instinkt sein.

Also es kommt der entscheidende Punkt, wo gewissermaßen nach rechtsgegangen werden kann: dann aber muß gewacht werden; oder nach linksgegangen wird: dann kann geschlafen werden; aber Instinkte treten dann auf,Instinkte, die grauenvoll sein werden. Was werden die Naturgelehrten dannsagen, wenn solche Instinkte auftauchen? Die Naturgelehrten werden sagen:Das ist eine Naturnotwendigkeit. Das mußte so kommen, das liegt eben in derMenschheitsentwickelung.

Man kann durch Naturwissenschaft auf solche Dinge nicht aufmerksammachen, denn naturwissenschaftlich würde erklärbar sein, wenn die MenschenEngel werden, und würde es auch sein, wenn die Menschen Teufel werden.Über beides hat die Naturwissenschaft dasselbe zu sagen: Es ist das Folgendeaus dem Früheren hervorgegangen – die große Weisheit der Kausal-Naturerklärungen! Die Naturwissenschaft wird nichts bemerken von demEreignis, von dem ich Ihnen gesagt habe, denn sie wird selbstverständlich, wenndie Menschen zu halben Teufeln werden durch ihre sexuellen Instinkte, das alseine Naturnotwendigkeit ansehen. Also naturwissenschaftlich kann die Sachegar nicht erklärt werden, denn, wie es auch kommt: alles ist nach derNaturwissenschaft erklärlich. [45] Solche Dinge sind eben nur im geistigenErkennen, im übersinnlichen Erkennen durchschaubar.

Das ist das eine. Das zweite ist, daß aus dieser Arbeit, aus dieser für dieEngel Veränderungen hervorrufenden Arbeit noch ein zweites für dieMenschheit erfolgen wird: die instinktive Erkenntnis gewisser Heilmittel, abereine schädliche Erkenntnis gewisser Heilmittel. Alles dasjenige, was mitMedizin zusammenhängt, wird eine ungeheure, im materialistischen Sinneungeheure Förderung erfahren.

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Man wird instinktiv Einsichten bekommen in die Heilkraft gewisser Substanzenund gewisser Verrichtungen, und man wird ungeheuren Schaden anrichtendadurch, aber man wird den Schaden nützlich nennen: Man wird das Krankegesund nennen, denn man wird sehen, daß man da in eine gewisse Verrichtunghineinkommt, die einem dann gefallen wird. Es wird einem einfach gefallen,was die Menschen nach einer gewissen Richtung hin ins Ungesundehineinführt. Also gerade die Erkenntnis der Heilkraft gewisser Vorgänge,gewisser Verrichtungen, die wird erhöht werden, aber sie wird in ganzschädliches Fahrwasser gelangen. Denn vor allen Dingen wird man erfahrendurch gewisse Instinkte, was gewisse Substanzen und was gewisseVerrichtungen für Krankheiten hervorrufen, und man wird ganz nachegoistischen Motiven einrichten können, Krankheiten hervorzubringen, oder sienicht hervorzubringen.

Das dritte, was sich ergeben wird, das wird sein, daß man ganz bestimmteKräfte kennenlernen wird, durch die man, ich möchte sagen, nur durch ganzleichte Veranlassungen, durch Harmonisierung von gewissen Schwingungen, inder Welt große Maschinenkräfte wird entfesseln können. Eine gewisse geistigeLenkung des maschinellen, des mechanischen Wesens wird man gerade aufdiese Weise instinktiv erkennen lernen, und die ganze Technik wird in einwüstes Fahrwasser kommen. Aber dem Egoismus der Menschen wird dieseswüste Fahrwasser außerordentlich gut dienen und gefallen. [46]

Das ist ein Stück konkreter Erfassung der Entwickelung des Daseins, einStück Lebensauffassung, das im Grunde genommen nur derjenige rechtwürdigen kann, der durchschaut, wie eine ungeistige Lebensauffassung garnicht zur Klarheit über die Sache kommen kann. Eine ungeistigeLebensauffassung würde, wenn einmal kommen würde einemenschheitsschädigende Medizin, eine furchtbare Verirrung der sexuellenInstinkte, ein furchtbares Getriebe im reinen Weltmechanismus in derVerwertung der Naturkräfte durch Geisteskräfte, eine ungeistigeWeltanschauung würde ja das alles nicht durchschauen, würde nicht sehen, wiesie abirrt vom wahren Pfade, geradesowenig wie der Schlafende, solange erschläft, sehen kann, wenn ihm der Räuber nahekommt, der ihn bestehlen will,sondern das geht an ihm vorüber. Er sieht höchstens später, wenn er aufwacht,was angerichtet worden ist. Aber das würde ein sehr schlimmes Aufwachen seinfür den Menschen: Er würde sich ergötzen an einer instinktiven Erweiterung inder Kenntnis der Heilkräfte gewisser Vorgänge und gewisser Substanzen, würdeein solches Wohlgefühl empfinden in dem Verfolgen gewisser Verirrungensexueller Instinkte, er würde preisen diese Verirrung als eine besonders hoheAusgestaltung der Übermenschlichkeit, der Vorurteilslosigkeit, derUnbefangenheit. Häßlich würde schön und schön häßlich in gewisserBeziehung, und man würde nichts davon merken, weil man alles als eineNaturnotwendigkeit ansehen würde. Aber es würde eine Abirrung sein vondemjenigen Wege, der in der Menschheit selbst der Eigenwesenheit desMenschen vorgeschrieben ist.

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Ich glaube, man kann, wenn man sich ein Gefühl dafür erworben hat, wieGeisteswissenschaft in die Gesinnung hereindringt, auch den Ernst aufbringenfür solche Wahrheiten wie die heute angeführten, und man kann daraus dasschöpfen, was eigentlich aus aller Geisteswissenschaft geschöpft werden soll: indieser Geisteswissenschaft anzuerkennen eine gewisse Verpflichtung, einegewisse Lebensverpflichtung. Wo wir auch stehen, was wir auch zu tun habenin der Welt, darauf kommt es an, daß wir den Gedanken hegen können: [47]Unser Tun muß durchtränkt und durchleuchtet sein von unseremanthroposophischen Bewußtsein. Dann tragen wir etwas dazu bei, daß dieMenschheit in richtigem Sinne in ihrer Entwickelung vorwärtskommt.

Der Mensch geht ganz irre, wenn er glaubt, wahre Geisteswissenschaft, ernstund würdig erfaßt, könne ihn jemals von der praktischen, intensiven Arbeit imLeben abbringen. Wahre Geisteswissenschaft macht eben erwachen, erwachenüber solche Dinge, die ich heute angeführt habe. Meine lieben Freunde, mankann fragen: Ist denn eigentlich das wache Leben dem Schlafe schädlich? –Wenn wir den Vergleich wählen wollen, daß das Hineinschauen in die geistigeWelt gegenüber dein gewöhnlichen Wachen ein weiteres Aufwachen ist, wiedas gewöhnliche Aufwachen ein Aufwachen aus dem Schlafe ist, dann könnenwir auch, um den Vergleich zu verstehen, die Frage aufwerfen: Kann dennjemals das Wachleben dem Schlafe schädlich sein? – Ja, wenn es nichtordentlich ist! Wenn einer das Wachleben ordentlich zubringt, dann wird erauch einen gesunden Schlaf haben, und wenn einer das wache Leben dösendoder faul oder bequem, ohne Arbeit zubringt, dann wird auch sein Schlafungesund sein. Und so ist es auch mit Bezug auf das Leben, das wir durch dieGeisteswissenschaft als waches Leben uns aneignen. Begründen wir durchGeisteswissenschaft in uns ein ordentliches Verhältnis zur geistigen Welt, sowird ebenso, wie durch ein gesundes Wachleben der Schlaf geregelt wird, durchdieses rechte Verhältnis zur geistigen Welt auch unser Interesse an demgewöhnlichen sinnenfälligen Leben in richtige Bahnen gelenkt.

Wer das Leben gerade selber schlafen, wenn er in unserer Zeit betrachtet, dermuß nicht auf verschiedenes aufmerksam wird. Wie haben sich die Menschengebrüstet, besonders in den letzten Jahrzehnten, mit ihrer «Lebenspraxis»! [48]Man hat es endlich dahin gebracht in den letzten Jahrzehnten, daß diejenigen,die das Ideelle, das Geistige, das Spirituelle am meisten verachten, überallgerade in die führenden Stellen hineingekommen sind. Und man konnte solange deklamieren von der Praxis dieses Lebens, solange man nicht dieMenschheit in den Abgrund hineingezerrt hatte. Jetzt eben fangen einige – aberdie meisten, die es tun, ganz instinktiv – an zu krächzen: Es muß eine neue Zeitkommen, es müssen allerlei neue Ideale auftreten! – Aber es ist ein Krächzen.Und würden die Dinge instinktiv auftreten, ohne bewußtes Sich-Hineinleben indie Geisteswissenschaft, dann würden sie eher zum Verfall dessen, was imWachzustande erlebt werden soll, hinführen, denn zu irgendeinem gedeihlichenEntwickelungsübergang.

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Wer den Menschen heute vordeklamiert mit denselben Worten, die sie seitlanger Zeit gewöhnt sind, der findet manchmal noch einigen Beifall. Aber dieMenschen werden sich dazu bequemen müssen, andere Worte, andereWendungen zu hören, damit aus dem Chaos wiederum ein sozialer Kosmoskomme.

Wenn nämlich in irgendeinem Zeitalter die Menschen, die wachen sollten,versäumen zu wachen und nicht herausfinden, was wirklich geschehen sollte,dann geschieht überhaupt nichts Wirkliches, sondern das Gespenst dervorhergehenden Epoche geht dann herum, so wie in vielen religiösenGemeinschaften heute einfach die Gespenster der Vergangenheit herumgehen,und so wie zum Beispiel in unserem juristischen Leben vielfach das Gespenstvom alten Rom noch herumgeht. Geisteswissenschaft soll gerade in dieserBeziehung im Zeitalter der Bewußtseinsseele den Menschen frei machen,wirklich hineinführen in die Beobachtung einer geistigen Tatsache: Was tut derEngel in unserem astralischen Leib? – Abstrakt zu reden über Angeloi und soweiter, das kann höchstens der Anfang sein; der Fortschritt muß dadurch erzieltwerden, daß wir konkret reden, das heißt, mit Bezug auf unser bestimmtesZeitalter uns die nächste Frage beantworten, die uns angeht. Sie geht uns an,weil einfach n unserem astralischen Leib der Engel Bilder webt, diese Bilderunsere Gestaltung in der Zukunft bringen sollen und diese Gestaltung durch dieBewußtseinsseele herbeigeführt werden soll. [49] Hätten wir nicht dieBewußtseinsseele, dann brauchten wir uns nicht zu kümmern, dann würdenschon andere Geister, andere Hierarchien eintreten, um das zu bewirken, wasder Engel webt. Aber da wir die Bewußtseinsseele entwickeln sollen, so tretenkeine anderen Geister ein, um das zu verwirklichen, was der Engel webt.

Natürlich haben auch Engel gewoben im ägyptischen Zeitalter. Aber baldtraten andere Geister ein, und dem Menschen verdunkelte sich gerade dadurchsein atavistisch-hellseherisches Bewußtsein. Also die Menschen woben, weil siedas sahen in ihrem atavistischen Hellsehen, einen Schleier, einen dunklenSchleier über die Taten der Engel. Aber jetzt soll der Mensch sie enthüllen.Deshalb soll er nicht verschlafen, was in sein bewußtes Leben hereingetragenwird in dem Zeitalter, das noch schließen wird vor dem 3. Jahrtausend. Nehmenwir aus der anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft nicht nur allerleiLehren, nehmen wir auch Vorsätze! Und die werden uns Stärke geben,wachende Menschen zu sein. (3)

Wir können uns angewöhnen, wachende Menschen zu sein. Wir könnenmancherlei beachten. Wir können gleich einmal anfangen mit der Wachsamkeit,können finden, daß eigentlich im Grunde genommen kein Tag vergeht, in demnicht in unserem Leben ein Wunder geschieht. Wir können diesen Satz, den ichjetzt sprach, umkehren, wir können sagen: Wenn wir an irgendeinem Tag keinWunder finden in unserem Leben, so haben wir es nur aus dem Auge verloren.– Versuchen Sie einmal, Ihr Leben am Abend zu überblicken; Sie werden einkleines oder ein großes oder ein mittleres Ereignis darinnen finden, von dem Siesich werden sagen können:

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Es ist ja ganz merkwürdig in mein Leben hereingetreten, es hat sich ganzmerkwürdig vollzogen. – Sie können dies erreichen, wenn Sie nur umfassendgenug denken, wenn Sie nur Zusammenhänge des Lebens umfassend genug insseelische Auge fassen. Aber das tut man im gewöhnlichen Leben gar nicht, weilman sich gewöhnlich nicht frägt: Was ist zum Beispiel durch irgend etwasverhindert worden? [50]

Wir kümmern uns meistens nicht um die Dinge, die verhindert worden sind,die, wenn sie eingetreten wären, unser Leben gründlich verändert hätten. Hinterdiesen Dingen, die aus unserem Leben fortgeschafft werden auf irgendeineWeise, sitzt ungeheuer viel von dem, was uns zu wachsamen Menschen erzieht.Was hätte mir heute alles passieren können? – Wenn ich diese Frage mir anjedem Abend stelle und dann einzelne Ereignisse betrachte, die dies oder jeneshätten herbeiführen können, so knüpfen sich an solche FragenLebensbetrachtungen, die Wachsamkeit in die Selbstzucht hereinbringen. Dasist etwas, was einen Anfang machen kann und was schon von selbst immerweiter und weiter führt, endlich dazu führt, daß wir nicht nur auskundschaften,was es in unserem Leben bedeutet, daß wir zum Beispiel um halb elf Uhrvormittags einmal ausgehen wollten und daß gerade im letzten Augenblickenoch irgendein Mensch kam, der uns aufhielt; wir sind ärgerlich, daß er unsaufhielt, aber wir fragen nicht nach, was hätte geschehen können, wenn wirwirklich zur rechten Zeit ausgegangen wären, wie wir es geplant haben. Wirfragen nicht: Was hat sich da verändert?

Ich habe über solche Dinge auch hier einmal schon ausführlicher gesprochen.Von der Beobachtung des Negativen in unserem Leben, das aber von derweisheitsvollen Führung unseres Lebens Zeugnis ablegen kann, bis zu derBeobachtung des webenden und wirkenden Engels in unserem astralischenLeibe ist ein gerader Weg, ein recht gerader Weg und ein sicherer Weg, den wireinschlagen können. ... [51]

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Die drei Begegnungen der Menschenseelemit den Wesen des Universums

So recht praktisch gestalten im edelsten Sinne, was wir als Frucht derGeisteswissenschaft haben können, das kann dazu führen, zu empfinden, wieder Mensch in seinem gewöhnlichen äußeren Menschen den innerenMenschen, für die gewöhnliche Vorstellung einen durchaus zweitenMenschen, trägt. In dieser Beziehung bestehen wir wirklich alle als Menschenaus zwei Wesenheiten, wovon die eine Wesenheit, welche sich zusammensetztmehr aus unserem physischen Leib und aus unserem ätherischen Leib,demjenigen angehört, was Außenwelt ist; Außenwelt in dem Sinne, daß dieserphysische Leib und in gewissem Sinne auch der ätherische LeibAusgestaltungen und Abbilder, Offenbarungen sind der uns immerumgebenden göttlich-geistigen Wesenheiten. Unser physischer Leib und unserÄtherleib in ihrer wahren Wesenheit, nicht wie wir sie als Menschen zunächstkennen, sind Bilder, nicht von uns, nicht von unserer Wirklichkeit, sondernBilder, können wir sagen, der Götter, die sich ausleben, indem sie so, wie wirMenschen unsere Handlungen hervorbringen, hervorbringen unserenphysischen Leib und unseren Ätherleib und diese beiden zur Entwickelungbringen. Der innere Mensch ist so, daß ihm näher liegt der astralische Leib unddas Ich. Dieses Ich und der Astralleib sind für das Weltenall jünger als derphysische Leib und Ätherleib. Das wissen wir ja aus den Mitteilungen, dieauch in der «Geheimwissenschaft» (4) verzeichnet sind. Dieses Ich und derAstralleib, sie sind dasjenige, was gleichsam ruht in dem Bette, das unszubereitet wird von den göttlich-geistigen Wesenheiten, die das äußereUniversum durchdringen und offenbaren. [52] Und dieses Ich und derAstralleib sollen durch die Erfahrungen, durch die Erlebnisse, durch diePrüfungen, durch die Schicksalswendungen, die sie durchmachen durch denphysischen und ätherischen Leib, allmählich aufsteigen zu denEntwickelungsstufen, die wir ja auch schon kennengelernt haben.

Nun stehen wir, wie ich Ihnen schon angedeutet habe das letzte Mal, ininnigsten Beziehungen zu dem ganzen Universum, zu dem ganzen Kosmos; insolchen Beziehungen, die, wie wir aus einer flüchtigen Rechnungsskizze dasletzte Mal gesehen haben, sogar berechnet werden können, in Zahlenausgedrückt werden können; die sich natürlich in vielem, vielem anderen nochäußern, aber, ich möchte sagen, zu unserer Überraschung in solchen Zahlen sichausdrücken lassen, wie diese ist, daß die Zahl der Atemzüge, die der Mensch ineinem Tage macht, gleichkommt der Zahl, welche der Frühlingspunkt derSonne braucht an Jahren, um wiederum an seine alte Stelle zurückzukommen.Solche zahlenmäßigen Entdeckungen, wenn wir sie gefühlsmäßig durchdringen,können uns erfüllen mit einem Schauer, mit einem heiligen Schauer über unsereZusammengehörigkeit mit dem göttlich-geistigen Universum, wie es sich inallen äußeren Erscheinungen offenbart.

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Viel tiefer aber zeigt sich aus dieser Tatsache, daß wir der Mikrokosmos, diekleine Welt sind, die herausgestaltet, herausgeoffenbart ist aus demMakrokosmos, aus der großen Welt, wenn wir solche Tatsachen ins Augefassen, wie wir sie heute vor unsere Seele rücken wollen, solche Tatsachen, dieich nennen möchte die drei Begegnungen der Menschenseele mit den Wesendes Universums. Also sprechen möchte ich Ihnen heute von den dreiBegegnungen der Menschenseele mit den Wesen des Universums.

Wir wissen ja alle, daß wir zunächst, so wie wir als Erdenmenschen wandeln,an uns tragen den physischen Leib und den Ätherleib, den Astralleib und dasIch. [53] Jede von diesen zwei Wesenheiten, die wir angeführt haben, trägtwiederum, ich möchte sagen, zwei Unterwesenheiten in sich: der mehr äußereMensch den physischen Leib und Ätherleib, der mehr innere Mensch das Ichund den Astralleib. Nun wissen wir aber, daß der Mensch sich weiterentwickelnwird. Die Erde wird einen Abschluß erlangen. Die Erde wird sichweiterentwickeln durch eine Jupiter-, Venus-, durch eine Vulkan-Planetenentwickelung. Da wird der Mensch von Stufe zu Stufe aufsteigen. Zuseinem Ich, wissen wir, wird sich hinzuentwickeln eine höhere Wesenheit, diesich in ihm offenbaren wird: das Geistselbst, das so recht sich offenbaren wirdwährend der Jupiterentwickelung, die auf unsere Erdenentwickelung folgenwird. Der Lebensgeist wird sich voll offenbaren im Menschen während derVenuszeit, und der eigentliche Geistesmensch wird sich offenbaren während derVulkanzeit. Wir sehen also, indem wir der großen kosmischenMenschenzukunft entgegenblicken, auf diese dreistufige Entwickelung desGeistselbst, des Lebensgeistes, des Geistesmenschen. Aber diese drei, die unsgewissermaßen erwarten in unserer Zukunftsentwickelung, sie stehen heuteschon in einer gewissen Beziehung zu uns, wenn sie auch noch gar nichtentwickelt sind; denn sie liegen beschlossen im Schoße der göttlich-geistigenWesenheiten, die wir als höhere Hierarchien kennen gelernt haben. Sie werdenuns herausgespendet aus diesen höheren Hierarchien. Und heute schon stehenwir in Beziehung zu diesen höheren Hierarchien, die uns in der Zukunft dasGeistselbst, den Lebensgeist, den Geistesmenschen bescheren werden. So daßwir einfach sagen können, statt daß wir den komplizierten Ausdruck gebrauchen«Wir stehen in Beziehung zur Hierarchie der Angeloi»: «Wir stehen inBeziehung zu dem, was da kommen soll in der Zukunft, zu unseremGeistselbst.» Und statt daß wir sagen: «Wir stehen in Beziehung zu denArchangeloi», sagen wir: «Wir stehen in Beziehung zu dem in der Zukunftkommenden Lebensgeist» und so weiter.

Und in der Tat, wir Menschen sind in einer gewissen Beziehung mehr, jetztschon der Anlage nach mehr – und in der geistigen Welt bedeuten Anlagenetwas weit Höheres als in der physischen Welt –, als bloß dieser viergliedrigeMensch: physischer Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich. [54]

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Wir tragen als Keim schon das Geistselbst in uns, auch den Lebensgeist, auchden Geistesmenschen. Entwickeln aus uns werden sie sich später, aber wirtragen sie als Keim in uns. Und nicht nur so abstrakt, daß wir sie als Keim inuns tragen, ist das zu sagen, sondern dieses In-uns-Tragen ist ganz konkretgemeint, denn wir haben mit diesen höheren Gliedern unserer WesenheitBegegnungen, wirkliche Begegnungen. Und diese Begegnungen, die liegen inder folgenden Weise: Wir würden als Menschen immer mehr und mehr dahinkommen, eine gewisse für die gegenwärtige Entwickelung des Menschenschwer erträgliche Entfremdung von allem Geistigen zu fühlen, wenn wir nichtvon Zeit zu Zeit begegnen könnten unserem Geistselbst. Unser Ich muß jenemHöheren, jenem Geistselbst begegnen, das wir erst entwickeln werden und dasin einer gewissen Beziehung gleichartig ist mit Wesenheiten aus der Hierarchieder Angeloi. So daß man in der populären Sprache auch sagen kann, wenn wirchristlich sprechen: Wir müssen von Zeit zu Zeit begegnen einem Wesen ausder Hierarchie der Angeloi, das uns besonders nahesteht, weil dieses Wesen,indem es uns begegnet, an uns geistig dasjenige vornimmt, was uns in die Lageversetzt, einstmals ein Geistselbst aufzunehmen. Und wir müssen eineBegegnung haben mit einem Wesen aus der Hierarchie der Archangeloi, weildieses Wesen dann mit uns etwas vornimmt, was dazu führt, daß derLebensgeist einstmals entwickelt wird und so weiter.

Ob wir im christlichen Sinne dieses Wesen versetzen in die Hierarchie derAngeloi, oder ob wir mehr im antiken Sinne sprechen von dem, was die älterenVölker gemeint haben, wenn sie von dem Genius, von dem führenden Geniusdes Menschen sprachen, das ist im Grunde genommen ganz gleich. Wir wissen,wir leben in einer Zeit, wo es nicht vielen, sondern nur wenigen Menschengestattet ist – aber diese Zeit wird bald anders werden –, hineinzuschauen in diegeistige Welt, die Dinge und Wesenheiten der geistigen Welt zu schauen. [55]Die Zeit ist vorbei, aber sie war da, wo man in einem viel umfänglicheren Sinneallgemein die Wesenheiten der geistigen Welt und auch die verschiedenenEntwickelungsvorgänge der geistigen Welt geschaut hat. Und in der Zeit, in derman gesprochen hat von dem Genius eines jeden Menschen, da hat man auchein unmittelbar konkretes Anschauen von diesem Genius gehabt. Dieseskonkrete Anschauen war in einer nicht so fern zurückliegenden Vergangenheitso stark noch, daß die Menschen es beschreiben konnten in aller Konkretheit, inaller Sachlichkeit; in einer Sachlichkeit, die die gegenwärtige Menschheit fürDichtung hält, die aber nicht als Dichtung gemeint ist. So schildert Plutarch (5)– und ich möchte die Stelle wörtlich mitteilen – das Verhältnis des Menschen zuseinem Genius in der folgenden Art. Plutarch, der griechische Schriftsteller,sagt, daß außer dem in den irdischen Leib versenkten Teil der Seele ein andererreiner Teil derselben außerhalb, über dem Haupte des Menschen schwebendbleibt, als ein Stern sich darstellend, der mit Recht sein Dämon, sein Genius,genannt wird, welcher ihn leitet, und dem der Weise willig folgt. –

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Also so konkret schildert Plutarch das, was er nicht als eine Dichtung,sondern als eine konkrete äußere Wirklichkeit meint, daß er ausdrücklich daraufhinweist: Für das übrige ist der geistige Teil des Menschen gewissermaßen mitdem physischen Leibe zugleich zu schauen, so daß der geistige Teil denphysischen in demselben Raume normalerweise ausfüllt; aber, was den Geniusbetrifft, den leitenden, führenden Geist des Menschen, der ist noch als etwasBesonderes außerhalb des Hauptes für jeden Menschen zu sehen. – UndParacelsus (6), einer der letzten, die ohne besondere Anleitung oder ohnebesondere Veranlagung kräftige Kunde von diesen Dingen hatten, sagte aus sichheraus ungefähr das gleiche über diese Erscheinung. Und viele andere. DieserGenius ist nichts anderes als das werdende Geistselbst, getragen allerdings voneinem Wesen aus der Hierarchie der Angeloi. [56]

Es ist sehr bedeutsam, sich ein wenig in diese Dinge zu vertiefen; denn mitdem Sichtbarwerden dieses Genius hat es seine besondere Bewandtnis, und dielernt man verstehen, wenn man unter anderem – es könnte auch von einem ganzanderen Gesichtspunkte zu der Sache geführt werden, aber nehmen wir deneinen Gesichtspunkt – das Verhältnis der Menschen in ihrem gegenseitigenVerkehr untereinander auffaßt. Dieses Verhältnis der Menschen in ihremgegenseitigen Verkehr untereinander, das lehrt uns etwas. Es lehrt uns etwaskeineswegs Unbedeutsames im Hinblick auf die geistigen Glieder dermenschlichen Wesenheit. Wenn zwei Menschen sich begegnen, und derMensch nur imstande ist, mit seinem physisch-sinnlichen Auge dieseBegegnung zu beobachten – nun, da merkt er, daß sie aufeinander loskommen,daß sie sich vielleicht begrüßen und dergleichen. Wenn der Mensch aber in derLage ist, den Vorgang geistig zu beobachten, so findet er, daß mit jedermenschlichen Begegnung wirklich verknüpft ist ein geistiger Vorgang, der sichunter anderem darin äußert, daß der Teil des Ätherleibes, der den Kopf bildet,so lange als zwei Menschen nebeneinander stehen, ein Ausdruck wird für dieauch feinste Sympathie und Antipathie, welche diese zwei Menschen, diezusammenkommen, einander entgegenbringen. Nehmen wir an, zwei Menschenbegegnen einander, die einander nicht ausstehen können. Nehmen wir denextremen Fall, aber er kommt ja vor im Leben: Zwei Menschen begegneneinander, die sich nicht ausstehen können, und zwar sei dieses Gefühl derhervorragenden Antipathie gegenseitig. Da tritt das ein, daß der Teil desÄtherleibes, der den Kopf bildet, bei beiden Menschen sich aus dem Kopfherausneigt, und die Ätherleiber des Kopfes sich zusammenneigen. Gleichsamwie ein fortdauerndes Kopfneigen mit Bezug auf den ätherischen Menschen, sostellt sich die Antipathie heraus, wenn zwei Menschen sich begegnen, die sicheben nicht ausstehen können. – Wenn zwei Menschen zusammenkommen, diesich lieben, so merkt man einen ähnlichen Vorgang. Dann tritt nur derÄtherkopf zurück, beugt sich ab nach rückwärts. [57]

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Und auf diese Weise entsteht in beiden Fällen – ob sich dann, wenn man sichnicht ausstehen kann, der Ätherleib gleichsam grußartig nach vorne neigt, oderob er sich nach rückwärts neigt, wenn man sich liebt –, in beiden Fällen entstehtgewissermaßen das, daß durch das Herausneigen des Ätherleibes des Kopfesder physische Kopf freier wird, als er sonst ist. Es ist immer nur relativ; esgeht der Ätherleib nicht ganz heraus, aber er verlagert sich und geht zurück, sodaß man eine Fortsetzung erblickt. Aber dadurch füllt jetzt ein dünnererÄtherleib das Haupt aus, als wenn man allein steht. Das hat zur Folge, daßdurch diesen dünneren Ätherleib, der den Kopf ausfüllt, im Haupte derAstralleib, der dableibt, deutlicher sichtbar wird für das hellsichtigeAnschauen. So daß nicht nur diese Bewegung des Ätherleibes eintritt, sonderndaß tatsächlich mit dem Haupte des Menschen eine astralischeLichtveränderung vor sich geht. Darauf, wiederum nicht auf einer Dichtung,sondern auf einer tatsächlichen Wahrheit, beruht das, daß man, wo man vonden Dingen etwas versteht, Menschen, die in der Lage sind, vieles selbstlos zulieben, abbilden muß mit einer Kopfaura, was man einen Heiligenschein nennt.Denn wenn zwei Menschen einander einfach begegnen, wobei in der Liebeimmer ein starker Einschlag von Egoismus ist, so ist die Erscheinung nicht soauffällig. Wenn aber ein Mensch der Menschheit sich gegenüberstellt inAugenblicken, wo er es nicht mit sich und seiner persönlichen Beziehung zueinem anderen Menschen zu tun hat, sondern – mit etwas allgemeinMenschlichem, mit etwas, das mit allgemeiner Menschenliebezusammenhängt, so treten auch die Dinge ein. Dann aber wird der Astralleib inder Hauptesgegend mächtig sichtbar. Und sind Leute da, die imstande sind,selbstlose Liebe an einem Menschen hellsichtig zu schauen, dann sehen sieden Heiligenschein und sind gedrängt, den Heiligenschein als eine Realität zumalen, oder wie man es eben dann macht. Diese Dinge hängen durchaus mitobjektiven Tatsachen der geistigen Welt zusammen. Was da objektivvorhanden ist, was als fortdauernde Wirklichkeit derMenschheitsentwickelung vorhanden ist, das ist aber noch mit etwas anderemverbunden. [58]

Der Mensch muß wirklich von Zeit zu Zeit eine innigere Gemeinschaft mitseinem Geistselbst eingehen, mit dem Geist selbst, das nun auch in derastralischen Aura, die so sichtbar wird in dem, was ich Ihnen angedeutet habe,veranlagt, nicht entwickelt ist, die gleichsam von oben, von dem Zukünftigenüberstrahlt wird, der Mensch muß mit seinem Geistselbst von Zeit zu Zeitzusammentreffen. Und wann geschieht dieses?

Da kommen wir auf die erste Begegnung, von der wir zu sprechen haben.Wann geschieht dies? Es geschieht einfach jedesmal ungefähr beim normalenSchlafe in der Mitte zwischen Einschlafen und Aufwachen. Bei denMenschen, die dem Naturleben näherstehen, bei den einfachen Landleuten, diemit der sinkenden Sonne schlafen gehen und entsprechend mit deraufgehenden Sonne aufstehen, fällt diese Mitte der Schlafenszeit auchwiederum mit der Mitte der Nacht mehr oder weniger zusammen.

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Bei dem Menschen, der sich herausreißt aus den Naturzusammenhängen, istdas weniger der Fall. Aber darauf beruht ja die menschliche Freiheit, daß diesmöglich ist. Der Mensch der modernen Kultur kann sich sein Lebeneinrichten, wie er will; zwar nicht, ohne daß das von einem gewissen Einflußist auf dieses Leben, aber er kann es sich in gewissen Grenzen einrichten, wieer will. Dann kann er doch in der Mitte einer längeren Schlafenszeit daserleben, was man nennt ein innigeres Zusammensein mit dem Geistselbst, alsomit den geistigen Qualitäten, aus denen das Geistselbst genommen sein wird,eine Begegnung mit dem Genius. Diese Begegnung mit dem Genius findetalso beim Menschen, cum grano salis gesprochen, jede Nacht, das heißt jedeSchlafenszeit, statt. Und dies ist wichtig für den Menschen. Denn was wirauch haben können an einem die Seele befriedigenden Gefühl über denZusammenhang des Menschen mit der geistigen Welt, es beruht darauf, daßdiese Begegnung während der Schlafenszeit mit dem Genius nachwirkt. DasGefühl, das wir im wachen Zustand bekommen können von unseremZusammenhang mit der geistigen Welt, ist eine Nachwirkung dieserBegegnung mit dem Genius. [59] Das ist die erste Begegnung mit der höherenWelt, von der man als zunächst etwas Unbewußtem für die meisten Menschenheute sprechen kann, das aber immer bewußter und bewußter werden wird, jemehr die Menschen die Nachwirkung gewahr werden dadurch, daß sie ihrwaches Bewußtseinsleben in den Empfindungen durch Aufnahme der Ideen undVorstellungen der Geisteswissenschaft so verfeinern, daß die Seele eben nichtzu grob ist, um die Nachwirkung aufmerksam zu betrachten. Denn nur daraufkommt es an, daß die Seele fein genug ist, in ihrem inneren Leben intim genugist, um diese Nachwirkungen zu betrachten. In irgendeiner Form kommt dieseBegegnung mit dem Genius bei jedem Menschen oftmals zum Bewußtsein, nurist die heutige materialistische Umgebung, das Erfülltsein mit den Begriffen, dieaus der materialistischen Weltanschauung kommen, namentlich das von dermaterialistischen Gesinnung durchzogene Leben, nicht geeignet, die Seeleaufmerksam sein zu lassen auf dasjenige, was durch diese Begegnung mit demGenius hergestellt wird. Es wird einfach dadurch, daß die Menschen sich mitgeistigeren Begriffen, als der Materialismus ihnen liefern kann, vertiefen, dieAnschauung von dieser Begegnung mit dem Genius in jeder Nacht etwas mehrund mehr Selbstverständliches, für den Menschen.

Eine höhere Begegnung ist die zweite, von der wir nun zu sprechen haben.Sehen Sie, schon aus der Andeutung, die ich gegeben habe, können Sie

entnehmen, daß diese erste Begegnung mit dem Genius zusammenhängt mitdem Tageslauf. Sie würde, wenn wir unser äußeres Leben ganz anpassenwürden als mehr unfreie Menschen, als wie wir sie sind während der modernenKultur, zusammenfallen mit der Mitternachtsstunde. In jeder Mitternachtsstundewürde der Mensch diese Begegnung mit dem Genius haben. Aber darauf beruhtdie Freiheit des Menschen, daß sich das verschiebt. Also das, wo das Ich sichmit dem Genius begegnet, das verschiebt sich. Dagegen kann sich viel wenigerverschieben die zweite Begegnung. [60]

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Denn dasjenige, was mehr an den astralischen Leib und Ätherleib gebundenist, das verschiebt sich weniger gegenüber der makrokosmischen Ordnung. Wasmit dem Ich und physischen Leib verbunden ist, das verschiebt sich für denheutigen Menschen sehr stark. Die zweite Begegnung ist daher schon mehr andie große makrokosmische Ordnung gebunden. Diese zweite Begegnung ist nunebenso an den Jahreslauf gebunden, wie die erste an den Tageslauf gebundenist. Und da muß ich aufmerksam machen auf manches, was ich ja über dieseSache schon von anderen Gesichtspunkten aus angedeutet habe.

Das Leben des Menschen in seiner Ganzheit verläuft tatsächlich nicht imganzen Jahreslauf in gleichmäßiger Art, sondern der Mensch machtVeränderungen durch während des Jahreslaufes.

In der Sommerzeit, wenn die Sonne ihre höchste Wärmeentfaltung hat, da istder Mensch viel mehr seinem physischen Leben anheimgegeben, und damitauch dem physischen Leben der Umgebung, als während der Winterzeit, wo derMensch gewissermaßen kämpfen muß gegen die äußeren elementarischenErscheinungen, wo er mehr auf sich angewiesen ist. Da reißt sich auch mehrsein Geistiges los – von sich und auch von der Erde –, und er ist mit dergeistigen Welt, mit der ganzen geistigen Umgebung verbunden.

Daher ist die eigentümliche Empfindung, die wir mit demWeihnachtsmysterium und dem Weihnachtsfest verbinden, keineswegs etwasWillkürliches, sondern sie hängt zusammen mit der Festsetzung desWeihnachtsfestes. In jenen Wintertagen, an denen das Fest angesetzt ist, da istder Mensch in der Tat, wie die ganze Erde, dem Geiste hingegeben. Dadurchlebt der Mensch gewissermaßen ein Reich, wo der Geist ihm nahesteht.Und die Folge davon ist eben das, daß um die Weihnachtszeit, so bis zuunserem heutigen Neujahr hin, der Mensch ebenso eine Begegnung seinesAstralleibes mit dem Lebensgeist durchmacht, wie er für die erste Begegnungdie Begegnung des Ich mit dem Geistselbst durchmacht. Und auf dieserBegegnung mit dem Lebensgeist beruht das Nahesein dem Christus Jesus. [61]

Denn durch den Lebensgeist offenbart sich der Christus Jesus. Er offenbartsich durch ein Wesen aus dem Reiche der Archangeloi. Selbstverständlich ist erein unendlich viel höheres Wesen, aber nicht darauf kommt es jetzt an, sonderndarauf, daß er sich offenbart durch ein Wesen aus dem Reiche der Archangeloi.So daß wir durch diese Begegnung für die heutige Entwickelung, für dieEntwickelung seit dem Mysterium von Golgatha, eben dem Christus Jesusbesonders nahestehen, und daß wir die Begegnung mit dem Lebensgeist ingewisser Beziehung auch die in den tiefen Untergründen der Seele vor sichgehende Begegnung mit dem Christus Jesus nennen können.

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Wenn nun der Mensch – sei es durch die Entwickelung des Geistesbewußtseinsin Bereiche der religiösen Vertiefung und der religiösen Übung, oder sei es,diese religiöse Übung und religiöse Empfindung ergänzend, auch noch durchAufnahme von Vorstellungen der Geisteswissenschaft –, wenn nun der Menschsein Empfindungsleben vertieft, vergeistigt auf die geschilderte Weise, dannwird er ebenso, wie er im wachen Leben die Nachwirkung der Begegnung mitdem Genius erleben kann, erleben die Nachwirkung der Begegnung mit demLebensgeist, beziehungsweise mit dem Christus. Und es ist tatsächlich so, daßin der Zeit, die nun auf die angedeutete Weihnachtszeit folgt, bis zur Osterzeithin, die Verhältnisse ganz besonders günstig liegen, um sich zum Bewußtseinzu bringen die Begegnung des Menschen mit dem Christus Jesus.

In tiefsinniger Weise – und man sollte das nicht durch eine abstraktematerialistische Kultur heute verwischen – ist die Weihnachtszeit gebunden anVorgänge der Erde, weil der Mensch mit der Erde die Weihnachtsveränderungder Erde durchmacht. Die Osterzeit ist bestimmt nach den Vorgängen amHimmel. Der Ostersonntag soll festgesetzt werden auf den ersten Sonntag, derfolgt auf den ersten Vollmond nach der Frühlingstagundnachtgleiche-Zeit.Während also die Weihnachtszeit durch Verhältnisse der Erde festgesetzt ist, istvon oben herunter bestimmt die Festsetzung der Osterzeit. [62] Denn ebensowahr, wie wir durch all dasjenige, was wir geschildert haben, mit denErdenverhältnissen zusammenhängen, ebenso wahr hängen wir zusammendurch dasjenige, was ich jetzt zu schildern habe, mit den Himmelsverhältnissen,mit den großen, kosmisch-geistigen Verhältnissen. Denn die Osterzeit, das istdiejenige Zeit im konkreten Jahresablauf, in der alles dasjenige, was durch dieBegegnung mit dem Christus in der Weihnachtszeit in uns veranlaßt worden ist,wiederum sich mit unserem physischen Erdenmenschen so recht verbindet. Unddas große Mysterium, das Karfreitagsmysterium, das dem Menschen dasMysterium von Golgatha zur Osterzeit vergegenwärtigt, hat neben allemanderen auch noch diese Bedeutung, daß der Christus, der gleichsam neben unseinherwandelt, in der Zeit, die ich beschrieben habe, sich nun uns am meistennähert, gewissermaßen, grob gesprochen, in uns selber verschwindet, unsdurchdringt, so daß er bei uns bleiben kann für die Zeit nach dem Mysteriumvon Golgatha, in der Zeit, die jetzt kommt als Sommerzeit, in der sich in altenMysterien zu Johanni die Menschen mit dem Makrokosmos haben verbindenwollen auf eine andere Weise, als das nach dem Mysterium von Golgatha seinmuß.

Sie sehen, wir sind in dieser Beziehung der Mikrokosmos, der eingegliedertist in den Makrokosmos in einer tief bedeutsamen Weise. Und es ist jedesmalein Zusammengehen mit dem Makrokosmos im Jahreslebenslauf da, das abergebunden ist, weil es mehr innerlich ist im Menschen, an den Jahreslebenslauf.So versucht uns nach und nach die Geisteswissenschaft zu enthüllen, was derMensch an Vorstellungen, an geisteswissenschaftlichen Vorstellungen sichaneignen kann über den seit dem Mysterium von Golgatha unser Erdenlebendurchsetzenden und durchdringenden Christus.

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Und ich glaube an dieser Stelle eine Einschaltung machen zu sollen, diewichtig ist, und die gerade von den Freunden unserer Geisteswissenschaft rechtgut verstanden werden sollte. [63]

Man sollte nicht die Sache so darstellen, als ob geisteswissenschaftlicheBestrebungen ein Ersatz sein sollten für die religiöse Übung und das religiöseLeben. Geisteswissenschaft kann im höchsten Maße und insbesondere auch mitBezug auf das Christus-Mysterium eine Stütze, eine Unterbauung des religiösenLebens und der religiösen Übung sein; aber man sollte Geisteswissenschaftnicht geradezu zur Religion machen, sondern man sollte sich klar sein darüber,daß Religion in ihrem lebendigen Leben, in ihrem lebendigen Geübtwerdeninnerhalb der menschlichen Gemeinschaft das Geistbewußtsein der Seeleentfacht. Soll dieses Geistbewußtsein im Menschen lebendig werden, so kannder Mensch nicht bei abstrakten Vorstellungen von Gott oder Christus stehenbleiben, sondern er muß immer erneut in der religiösen Übung, in der religiösenBetätigung, die ja für die verschiedenen Menschen die verschiedensten Formenannehmen kann, darinnenstehen als in etwas, was ihn als ein religiöses Milieuumgibt, was als ein religiöses Milieu zu ihm spricht. Und ist dieses religiöseMilieu tief genug, findet dieses religiöse Milieu die Mittel, die Seele genügendanzuregen, so wird diese Seele schon Sehnsucht empfinden, gerade dannSehnsucht empfinden auch zu jenen Vorstellungen hin,, welche in derGeisteswissenschaft entwickelt werden. Ist in objektiver BeziehungGeisteswissenschaft ganz sicherlich eine Stütze der religiösen Erbauung, so istin subjektiver Beziehung heute die Zeit gekommen, von der wir sagen müssen,daß ein recht religiös empfindender Mensch gerade durch das religiöseEmpfinden hingetrieben wird, auch zu erkennen. Denn im religiösen Empfindenwird das Geistbewußtsein, in der Geisteswissenschaft die Geist-Erkenntnis, sowie in der Naturwissenschaft die Naturerkenntnis, errungen; und dasGeistbewußtsein führt zu dem Drange, Geist-Erkenntnis sich zu erwerben.Subjektiv kann man sagen, daß gerade ein inniges religiöses Leben den heutigenMenschen zur Geisteswissenschaft treiben kann. [64]

Eine dritte Begegnung ist diejenige, in welcher der Mensch herankommt,nahekommt dem ganz spät in der Zukunft zu entwickelnden eigentlichenGeistesmenschen, vermittelt durch ein Wesen der Hierarchie der Archai. Wirkönnen sagen: Die Alten, und auch noch die Menschen der Gegenwart – nurdaß die Menschen der Gegenwart meist, wenn sie von diesen Dingen sprechen,nicht mehr ein Bewußtsein von der tieferen Wahrheit der Sache haben –, sieempfanden und empfinden diese Begegnung als die Begegnung mit dem, wasdie Welt durchdringt, was wir kaum mehr unterscheiden können in uns selbstund in der Welt, sondern wo wir aufgehen mit unserem Selbst in der Welt als ineiner Einheit.

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Und so wie man bei der zweiten Begegnung zugleich sprechen kann voneiner Begegnung mit dem Christus Jesus, so kann man bei der drittenBegegnung sprechen von der Begegnung mit dem Vater-Prinzip, mit dem«Vater» als dem der Welt zugrunde Liegenden; mit dem, was man empfindet,wenn man richtig empfindet, als das, was in den Religionen mit dem «Vater»gemeint ist. Diese Begegnung, die ist nun wiederum so, daß sie unser intimesVerhältnis zum Makrokosmos, zum göttlich-geistigen Universum offenbart. Dertägliche Verlauf der universellen Vorgänge, der Weltenvorgänge, schließt einfür uns die Begegnung mit dem Genius. Der jährliche Verlauf schließt ein füruns die Begegnung mit dem Christus Jesus. Und der Verlauf des ganzenMenschenlebens, dieses Menschenlebens, das normalerweise eben als dasPatriarchenleben von 70 Jahren bezeichnet werden kann, schließt sichzusammen mit der Begegnung mit dem Vater-Prinzip. Wir werden eine gewisseZeit unseres physischen Erdenlebens, mit Recht durch die Erziehung heutevielfach unbewußt, aber doch eben darauf vorbereitet und erleben dann –zumeist für die Menschen zwischen dem 28. und 42. Jahre unbewußt, aber inden intimen Tiefen der Seele vollwertig die Begegnung mit diesem Vater-Prinzip. Dann kann die Nachwirkung in das spätere Leben hineinragen, wennwir feine Empfindungen genug entwickeln, um auf das zu achten, was so inunser Leben aus uns selber kommend als Nachwirkung der Begegnung mit demVater-Prinzip hereinspielt. [65]

Eine gewisse Zeit unseres Lebens, wo wir vorbereitet werden, sollte daher dieErziehung dahin wirken – durch die mannigfaltigsten Mittel kann das geschehen–, dem Menschen recht tief möglich zu machen diese Begegnung mit demVater-Prinzip. Es kann dadurch geschehen, wenn der Mensch während seinerErziehungszeit angetrieben wird, so recht das Gefühl zu entwickeln von derHerrlichkeit der Welt, der Größe der Welt, der Erhabenheit der Weltvorgänge.Wir entziehen dem heranwachsenden Menschen viel, wenn wir ihn zu wenigmerken lassen, so daß es auf ihn übergeht, daß wir für all das, was sichoffenbart an Schönheit und Größe in der Welt, die hingebungsvollste Ehrfurchtund Ehrerbietung haben. Und indem wir so recht den Gefühlszusammenhangdes menschlichen Herzens mit. der Schönheit, mit der Größe der Welt denheranwachsenden Menschen fühlen lassen, bereiten wir ihn vor für eine rechteBegegnung mit dem Vater-Prinzip. Denn diese Begegnung mit dem Vater-Prinzip bedeutet viel für das Leben, das zwischen dem Tode und einer neuenGeburt verläuft. Dieses Begegnen mit dem Vater-Prinzip, das in denangedeuteten Jahren normalerweise eintritt, bedeutet, daß der Mensch einestarke Kraft und Stütze hat, wenn er, wie wir wissen, zurückzuleben hat,nachdem er durch die Todespforte geschritten ist, im Rücklauf seelisch seinenLebensgang, sein Erdenleben, indem er durch die Seelenwelt geht. Und starkund kräftig, wie es eigentlich der Mensch soll, kann er diese Rückwanderung –die, wie wir wissen, einen dritten Teil der Zeit bedeutet, die wir zubringenzwischen der Geburt und dem Tode – erleben, wenn er immer wieder schaut:

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Da, an dieser Stelle bist du begegnet demjenigen Wesen, das der Menschstammelnd, ahnend ausdrückt, wenn er von dem Vater der Weltenordnungspricht. Das ist eine wichtige Vorstellung, die neben der Vorstellung des Todesselber der Mensch, nachdem er durch die Todespforte geschritten ist, immerhaben soll.

Natürlich entsteht in Anbetracht dessen, was wir gerade besprochen haben,eine wichtige Frage. [66] Es gibt Menschen, welche, bevor sie des LebensMitte, wo normalerweise die Begegnung mit dem Vater-Prinzip geschieht,durchlaufen haben, sterben. Wir müssen den Fall ins Auge fassen, daß derMensch eben dann durch Veranlassung von außen, durch Krankheit – die jaauch eine Veranlassung von außen ist –, durch Schwäche stirbt. Wenn durchdieses frühe Sterben die Begegnung mit dem Vater-Prinzip in den tiefenunterbewußten Seelengründen noch nicht hat stattfinden können, dann findet siein der Todesstunde statt. Mit dem Tode wird diese Begegnung zugleich erlebt.Und hier ist es, wo wir anders ausdrücken können etwas, was ja, eben wiederanders, im entsprechenden Zusammenhang schon ausgedrückt ist zum Beispielin meiner «Theosophie» (7), wo von der ja immer im höchsten Gradebetrüblichen Erscheinung gesprochen ist, daß Menschen durch ihren eigenenWillen ihrem Leben ein Ende machen. Das würde keiner tun, der die Bedeutungeiner solchen Tat einsieht. Und wenn einmal Geisteswissenschaft wirklich indie Empfindungen der Menschen übergegangen sein wird, wird es keinenSelbstmord mehr geben. Denn daß der Mensch in der Todesstunde, wenn dieserTod vor der Lebensmitte eintritt, zugleich wahrnehmen kann das Vater-Prinzip,das hängt davon ab, daß eben der Tod von außen an ihn herankommt, nicht daßer ihn sich selbst gibt. Und die Schwierigkeit, die die Menschenseele hat, dievon einem anderen Gesichtspunkt in meiner «Theosophie» geschildert wird,könnte nun von dem Gesichtspunkt, von dem wir heute sprechen, auch sogeschildert werden, daß wir sagen könnten: Der Mensch entzieht sich durch deneigenwilligen Tod eventuell der Begegnung mit dem Vater-Prinzip in derentsprechenden Inkarnation.

Deshalb, weil sie so intim in das Leben eingreifen, sind die Wahrheiten,welche uns die Geisteswissenschaft über das Menschenleben selbst zu sagenhat, so unendlich ernst in besonders wichtigen Fällen. [67] Sie klären uns inernster Weise über das Leben auf, und dieses ernste Aufklären über das Leben,das braucht der Mensch in der Zeit, in der er sich wiederum wird herauswindenmüssen aus dem Materialismus, der die heutige Weltordnung undWeltanschauung, insofern sie von Menschen abhängt, beherrscht. Es wirdstarker Kräfte bedürfen, um die starke Verbindung mit den bloß materiellenMächten, die in der Gegenwart die Menschen ergriffen hat, zu überwinden, umdem Menschen wieder die Möglichkeit zu geben, aus der unmittelbarenLebenserfahrung heraus seinen Zusammenhang mit der geistigen Welt zuerkennen.

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Und wenn man in mehr abstrakter Weise von den Wesen der höherenHierarchien spricht, so kann man in konkreterer Weise sprechen davon, daßder Mensch selber, in zunächst unbewußten, aber zum Bewußtsein zubringenden Erlebnissen schon während seines Lebens zwischen Geburt undTod aufsteigen, drei Stufen hinaufschreiten kann: durch die Begegnung mitdem Genius, durch die Begegnung mit dem Christus Jesus, durch dieBegegnung mit dem Vater. Natürlich hängt sehr viel davon ab, daß wirmöglichst viele zur Empfindung drängende Vorstellungen gewinnen, die unserLeben, unser inneres Seelenleben so verfeinern, daß wir nicht achtlos undunaufmerksam an diesen Dingen vorbeigehen, die einfach als Realität, wennwir aufmerksam sind, in unser Leben hereinsprießen. In dieser Beziehung wirdinsbesondere die Erziehung viel, viel, gerade in der nächsten Zeit zu tunhaben.

Eine Vorstellung möchte ich noch erwähnen. Denken Sie, wie unendlich dasLeben vertieft wird, wenn man zu dem allgemeinen Wissen über das Karmasolche Einzelheiten hinzufügen kann wie diese, daß bei einem verhältnismäßigfrühen Lebensende der Mensch im Tode die Begegnung mit dem Vater-Prinziphat. Denn dann zeigt sich, daß eben im Karma des Menschen es notwendiggewesen ist, den frühen Tod herbeizuführen, damit eine abnorme Begegnungmit dem Vater-Prinzip stattfindet. Denn was findet denn eigentlich statt, wenneine solche anormale Begegnung mit dem Vater-Prinzip stattfindet? DerMensch wird ja dann von außen zerstört; sein physisches Wesen wird vonaußen untergraben. Auch bei einer Krankheit ist das in Wahrheit der Fall. [68]Dann ist der Schauplatz, auf dem sich die Begegnung mit dem Vater-Prinzipabspielt, hier noch die physische Welt. Dadurch, daß diese äußere physischeErdenwelt den Menschen zerstört hat, dadurch offenbart sich an derZerstörungsstätte selbst, im Rückblick natürlich später immer wieder sichtbar,die Begegnung mit dem Vater-Prinzip. Dadurch aber auch gewinnt derMensch die Möglichkeit, durch sein ganzes Leben, das er durchschreitet,nachdem er durch die Pforte des Todes gegangen ist, festzuhalten denGedanken an die Stätte hin, das heißt an die Erde, von Himmelshöhenherunter, wo die Begegnung mit dem Vater-Prinzip stattgefunden hat. Dasaber bringt den Menschen dazu, von der geistigen Welt viel hereinzuwirken indie physische Erdenwelt.

Betrachten wir von diesem Gesichtspunkte einmal unsere heutige Zeit undversuchen wir, eine solch wichtige Empfindung, wie wir sie heute auch wiederin der Erwähnung der Begegnung mit dem Vater-Prinzip entwickelt haben, alsEmpfindung zu erleben, nicht bloß als abstrakte Vorstellung, versuchen wirmit dieser Empfindung auf die zahlreichen frühzeitigen Tode hinzublicken,dann müssen wir sagen: In ihnen liegt die Prädestination, die Vorbereitungdazu, daß in der kommenden Zeit viel gewirkt werden kann von der geistigenWelt herunter in die physische Erdenwelt.

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Und da haben Sie von einem anderen Gesichtspunkte dasjenige, was ichjetzt unter den Eindrücken der traurigen Ereignisse schon seit Jahren gesagthabe, daß diejenigen Menschen, die frühzeitig heute durch die Pforte desTodes gehen, ganz besondere Helfer werden sollen für die künftigeEntwickelung der Menschheit, die starke Kräfte braucht, um sich aus demMaterialismus herauszuwinden. Aber das alles muß uns zum Bewußtseingebracht werden; das alles soll ja nicht im Unbewußten oder Unterbewußtenvor sich gehen. Und es ist deshalb schon notwendig, daß hier auf der Erde dieSeelen sich dafür empfänglich machen – ich habe es schon einmal angedeutet–, sonst gehen die Kräfte, die entwickelt werden aus der geistigen Welt, nachanderen Seiten hin. [69] Damit der Erde fruchtbar werden können dieseKräfte, die prädestiniert sind, die da sein können, dazu ist notwendig, daß aufder Erde Seelen sind, welche sich mit Erkenntnis der geistigen Weltdurchdringen. Und immer mehr und mehr müssen Seelen sein, die sich mit derErkenntnis der geistigen Welt durchdringen. Versuchen wir deshalb fruchtbarzu machen dasjenige, was ja schon einmal durch Worte gesagt werden muß,nämlich den Inhalt der Geisteswissenschaft. Und versuchen wir mit Hilfe derSprache – ich habe das Wort im vorletzten Vortrage hier gebraucht –, die wirdurch die Geisteswissenschaft lernen, wieder zu beleben solche altenVorstellungen, die nicht umsonst hereinverwoben werden in unsergegenwärtiges Leben – versuchen wir zu beleben, was wir hören von so einemPlutarch: daß der Mensch, sonst eben als physischer Mensch, durchdrungen istvon dem geistigen Menschen, daß aber noch im besonderen normalerweise einhöheres Glied außerhalb des Hauptes zum Menschen dazugehört geistig, dasseinen Genius darstellt, dem der Weise willig folgt. Versuchen wir zu, ichmöchte sagen, Hilfsempfindungen zu kommen, um nicht in Unaufmerksamkeitdiesen Erscheinungen des Lebens gegenüberzustehen.

Und zum Schlusse lassen Sie uns heute eine Hilfsvorstellung, eineHilfsempfindung unserer Seele besonders nahegelegt sein: Es ist leiderschwierig für viele Menschen heute in unserem modernen materialistischenLeben, etwas zu empfinden, das ja die traurige Prüfungszeit mildert, aber dienicht nur gemildert bleiben sollte – was ja kaum zu hoffen ist, wenn derMaterialismus in der Stärke andauern sollte, in der er da ist, das sehr, sehrerhöht und mehr und mehr erhöht werden sollte –, es ist für viele Menschen inunserer materialistischen Zeit sehr, sehr schwierig, dasjenige zu empfinden, wasich nennen möchte: die Heiligkeit des Schlafes. Wenn erlebt wird, daß geradezudie in der Menschheit geltende Intelligenz allen Respektes entbehrt für dieHeiligkeit des Schlafes, so ist das eine weittragende Kulturerscheinung. SolcheDinge sollen ja nicht getadelt werden, sie sollen auch nicht in dem Sinne hieraufgezählt werden, daß sie zu einer nun einmal nicht durchzuführenden Asketikführen. [70]

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Wir müssen mit der Welt leben, aber wir müssen sehend mit der Welt leben.Denn nur dadurch reißen wir unsere Körperlichkeit ... [Lücke im Stenogramm].Man denke nur, wieviele Menschen, die mit rein dem MateriellenZugewendeten die Abendstunden verbringen, sich dann dem Schlafe übergeben,ohne die Empfindung zu entwickeln – sie wird ja nicht recht lebendig aus dermaterialistischen Gesinnung heraus –, ohne die Empfindung zu entwickeln: DerSchlaf vereinigt uns mit der geistigen Welt, der Schlaf schickt uns hinüber indie geistige Welt. – Und wenigstens sollten die Menschen nach und nachdasjenige entwickeln, was sie sich mit den Worten sagen können:

Ich schlafe ein. Bis zum Aufwachen wird meine Seele in der geistigenWelt sein. Da wird sie der führenden Wesensmacht meines Erdenlebensbegegnen, die in der geistigen Welt vorhanden ist, die mein Haupt umschwebt,da wird sie dem Genius begegnen. Und wenn ich aufwachen werde, werde ichdie Begegnung mit dem Genius gehabt haben. Die Flügel meines Geniuswerden herangeschlagen haben an meine Seele.

Ob man eine solche Empfindung lebendig macht, wenn man an seinVerhältnis zum Schlafe denkt, oder ob man es nicht tut, davon hängt sehr, sehrviel ab in bezug auf die Überwindung des materialistischen Lebens. DieseÜberwindung des materialistischen Lebens kann nur durch die Erregungintimer, aber auch der geistigen Welt entsprechender Empfindungen geschehen.Nur wenn wir recht rege machen solche Empfindungen, dann wird das Lebenim Schlafe so intensiv sein, daß andererseits die Berührung, mit der geistigenWelt so stark ist, daß nach und nach auch unser waches Leben sich erkraftenkann, und wir da nicht bloß die sinnliche Welt, sondern die geistige Welt umuns haben, die doch die wirkliche, die wahrhaft wirkliche Welt ist. Denn dieseWelt, die wir gewöhnlich die wirkliche nennen, ist ja, wie ich selbst in demletzten öffentlichen Vortrage ausgeführt habe, nur ein Abbild der wirklichenWelt. Die wirkliche Welt ist die des Geistes. [71] Und die kleine Gemeinde, diesich heute der anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft widmet, diewird die ernsten Symptome unserer Zeit, die schweren Leiden unserer Zeitdann unter dem besten Eindruck empfangen, wenn sie zu allem übrigen, mitdem der Mensch heute geprüft werden kann, noch das hinzutut, daß sie dieseZeit als eine Prüfung empfindet, ob man mit genügender Seelenstärke und mitwahrem Herzensmut, mit seinem ganzen Menschen vereinigen kann dasjenige,was wir aufnehmen müssen durch unseren Verstand, durch unsere Vernunft,als Geisteswissenschaft.

Mit diesen Worten wollte ich heute noch einmal bekräftigen, was ich schonöfter hier gesagt habe: Geisteswissenschaft findet erst ihre rechte Stelle imMenschenherzen, wenn sie nicht bloß Theorie, nicht bloß Wissen ist, sondernwenn sie – symbolisch gesprochen – wie das Herzblut der Seele unser ganzesWesen so innig durchdringt und lebendig macht, wie unser physisches Blutunser leibliches Wesen innig durchdringen und lebendig machen muß. [72]

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Schicksalsgestaltung in Schlafen und Wachen

Lassen Sie uns heute etwas betrachten, das vielleicht in gewissem Sinnewiederum eine Ergänzung zu dem gestrigen öffentlichen Vortrage (9) bildenkann. Näher ins Auge fassen möchte ich heute die Art, wie sich der Menschhineinstellt in jenen Teil der Weltenordnung, der zusammenhängt mit seinemeigenen Schicksal, mit demjenigen, was wir in unserem Kreise gewohntworden sind, das Karma zu nennen. Wie findet eigentlich dieseSchicksalsgestaltung beim Menschen statt? Da müssen wir, um diese Fragelebensfähig, nicht theoriefähig zu beantworten, etwas, näher eingehen auf dieWesenheit des Menschen.

Man spricht von dem menschlichen Leben oftmals so, daß man sagt: DasMenschenleben zerfällt in diese beiden voneinander unterschiedenenBewußtseinszustände, in das Wachen und in das Schlafen. Aber man faßtdabei das Schlafen eigentlich nur in dem Sinne auf, daß man sich dieVorstellung bildet: Im Schlafe ruht sich der Mensch eben aus. – Dienaturwissenschaftliche Anschauung nimmt ja überhaupt an, daß dieBewußtseinstätigkeit aufhört mit dem Einschlafen, dann wiederum beginnt,daß also auch in bezug auf den Organismus das Schlafen nichts weiter sei alsein Aussetzen der menschlichen Tätigkeit zur Ruhe. Aber der Schlaf ist nichtein bloßes Ruhen, sondern man muß sich klar darüber sein, daß vomEinschlafen bis zum Aufwachen zunächst das, was wir den astralischen Leibnennen, und dann das Ich als wirklich Wesenhaftes außer dem physischen undätherischen Leibe sind. [73]

Nun kann der Mensch zwar auf der Entwickelungsstufe, auf der ergegenwärtig im Erdenleben steht, kein unmittelbares Bewußtsein davonerringen, was eigentlich dieses Ich und was der astralische Leib zwischen demEinschlafen und Aufwachen tun. Aber dasjenige, was die beiden da tun, das istfür das menschliche Leben zum mindesten von einer ebenso großen Bedeutungwie das tagwachende Leben. Daß das Ich und der astralische Leib keinBewußtsein entwickeln können von all den komplizierten Verhältnissen, die mitihnen vorgehen im Schlafe, das rührt nur davon her, daß im Erdenstadium, sowie es heute ist, dieses Ich und dieser astralische Leib keine Organe haben, umdie Ereignisse, in die sie verstrickt sind, wahrzunehmen. Aber diese Ereignissesind da. Und diese Ereignisse werden vom Einschlafen bis zum Aufwachendurchgemacht, und sie wirken herein in das Tagesleben, in das bewußte Lebendes Menschen.

Wir werden uns am besten richtige Vorstellungen verschaffen über die Artund Weise, wie hereinwirken die Erlebnisse von Ich und astralischem Leib indas tageswachende Leben, wenn wir auf den Anfang des Menschenlebenssehen. Wir haben das bei andern Betrachtungen schon öfter getan.

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Da schläft sich gewissermaßen in der allerersten Lebenszeit der Mensch alsganz kleines Kind in das Erdenleben herein. Man darf da nicht nur vonderjenigen Zeit sprechen, in der das Kind vollständig schläft, so daß es auchäußerlich sichtbar ist, daß es schläft, sondern man muß eigentlich von derganzen Zeit sprechen, an die man sich mit dem gewöhnlichen Bewußtsein garnicht zurückerinnern kann. Das Kind mag allerdings auch für diese Zeit für dieäußerliche Beobachtung einen wachen Eindruck machen, aber dasjenige, wasim Bewußtsein vor sich geht, bildet sich ja nicht so aus, daß es später erinnertwird. Und alles dasjenige, was von dem Kinde erlebt wird, ohne daß es sichspäter daran erinnert, all das können wir so bezeichnen, daß wir sagen: Wirverweisen dabei auf die Zeit, in welcher sich der Mensch in das Erdenlebenhereinschläft.

Aber was entwickelt sich alles gerade aus diesem Schlafenszustande imBeginne des menschlichen Erdenlebens? [74] Drei Dinge müssen wir ganzbesonders ins Auge fassen, wenn wir verstehen wollen, wie das wirkt, was dader Mensch heruntergetragen hat aus seinem vorirdischen Dasein, was er ineiner ihm selbst dunklen, schlafdunklen Art nun hineinverwebt in seinphysisches Dasein; drei Dinge sind es, die der Mensch in einer andern Weise alsdie Tiere sich aneignen muß. Die Tiere eignen sich das entweder gar nicht an,oder sie bringen es schon mehr oder weniger mit auf die Welt.

Diese drei Dinge sind dasjenige, was wir gewöhnlich im Leben sobezeichnen, daß es sehr einseitig aufgefaßt wird. Nur ein kleiner Teil von demGanzen wird eigentlich aufgefaßt. Das erste ist das Gehenlernen. Der Menschkommt als ein Wesen in die irdische Welt, das nicht gehen kann, das sich erstdas Gehen aneignen muß. Das zweite, was sich der Mensch aneignen muß, istdas Sprechen, und das dritte ist das Denken. Wir können beim Kinde genauunterscheiden, wie manchmal das eine vor dem andern kommt, aber wenn mandie Menschheit im allgemeinen nimmt, so kann man im ganzen sagen: DerMensch lernt, gehen, sprechen, denken – jedenfalls das Denken erst nach demSprechen. Erst aus dem Sprechen heraus entsteht allmählich die Fähigkeit,dasjenige, was in Worte gefaßt wird, auch in Gedanken festzuhalten. Und esdauert eigentlich ziemlich lange, bis man wirklich sagen kann: Das Kind denkt.

Aber gerade das Gehen wird als etwas sehr Einseitiges aufgefaßt. Das Gehenbesteht ja nicht bloß darin, daß das Kind sich aufrichten lernt und sozusagenseine Beine in pendelnde Bewegung setzen kann, sondern es besteht darin, daßdas Kind überhaupt sich aneignet, das Gleichgewicht, das menschlicheGleichgewicht in der Welt durchaus zu beherrschen, ich möchte sagen: daß mansich überall hinstellen kann, ohne daß man umfällt; daß man also seinen Leibhineinstellen kann in die Welt, seine Muskeln, seine Gliedmaßen so beherrschenlernt, daß der Schwerpunkt des Leibes, ob wir stehen, oder ob wir gehen, an dierichtige Stelle fällt. Aber das ist noch immer einseitig aufgefaßt, denn Siemüssen bedenken, daß etwas außerordentlich Wichtiges sich dabei nochvollzieht: das ist die Differenzierung der Beine und der Arme. [75]

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Die Tiere gebrauchen ihre vier Gliedmaßen in gleichförmiger Weise – in derRegel wenigstens, wenn Abweichungen da sind, läßt sich das sehr gut erklären–, der Mensch differenziert. Er braucht zum Ins-Gleichgewicht-Stellen, erbraucht zum Gehen seine Beine, während die Arme und die Hände geradewunderbare Ausdrucksmittel für sein Seelisches und die Träger seinerWeltenarbeit werden. Gerade auch in dieser Differenzierung zwischen Füßenund Händen, Armen und Beinen liegt dasjenige, was hinzugehört zu dem, wasman gewöhnlich mit dem Gehenlernen nur einseitig bezeichnet. Damit ist mandann zu dem gekommen, was uns innerhalb der physischen Welt dasjenigebezeugt, was sich der Mensch erst während des physischen Erdenlebensaneignet.

Das zweite, was er sich aneignet, indem er – wie beim Gehen und Stehen,beim Gleichgewichtsuchen, beim Differenzieren der Hände von den Füßen –probiert, nachahmend probiert, das zweite, was er sich dadurch aneignet, ist dasSprechen. Und wir können sagen: Das Sprechen ist nicht ganz ohneZusammenhang mit dem Gehen, namentlich nicht mit dem Gebrauche derdifferenzierten Hand. Denn man weiß ja, wie das Sprechen mit einer ganzbestimmten Ausbildung eines Gehirnorgans, der linken Schläfenwindungzusammenhängt. Aber das ist nur bei denjenigen Menschen der Fall, welchevorzugsweise die wichtigsten Angelegenheiten des Lebens mit der rechtenHand erledigen. Linkshänder haben auf der andern Seite, der rechten Seite, ihrSprachorgan gelegen. Daraus können wir schon sehen, wie mit dem Suchennach Gleichgewicht dasjenige zusammenhängt, was sich im Sprechenausdrückt.

Und aus dem Sprechen heraus entwickelt sich dann das Denken. Nur aufkünstliche Weise kann derjenige, der stumm geboren ist, zum Denken gebrachtwerden. Aber für all diejenigen Menschen, die nicht stumm geboren werden, istdas Denken etwas, was sich aus dem Sprechen erst herausentwickelt. [76]

Nun aber kann man diese Eigentümlichkeit des Menschen, die ich eben jetztzusammengefaßt habe, eigentlich erst ganz übersehen, wenn man den Übergangdes Menschen im späteren Leben aus dem Wachen in den Schlafzustandverfolgt. Da ist es ja so, daß physischer Leib und ätherischer Leib auf physischeWeise im Bette ruhend sind, daß das Ich und der astralische Leib sich imwesentlichen getrennt haben von dem physischen und dem ätherischen Leib.Wenn wir aber nun mit den Mitteln der Geisteswissenschaft an diesenastralischen Leib des Menschen herantreten, wie er vom physischen undÄtherleib vom Einschlafen bis zum Aufwachen getrennt ist, dann finden wir,daß dieser astralische Leib wesentlich in sich die Kräfte enthält, diezusammenhängen mit dem Sprechenlernen des Menschen. Es istaußerordentlich interessant, das Einschlafen und Aufwachen des Menschen zubeobachten, wenn er als Kind sprechen lernt, und es ist sogar noch interessantbei irgend jemandem, der erst als Erwachsener sprechen lernt, zu beobachten,wie der astralische Leib gerade an dem Sprechenlernen außerordentlich starkbeteiligt ist.

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Denn der astralische Leib trägt in der Zeit, in der der Mensch imSprechenlernen darinnen ist, und auch später, wenn er sich im Tageslaufe desSprechens bedient, mit sich das Geistig-Seelische, das in den Worten, das in derSprache liegt, hinaus aus dem physischen und Ätherleibe.

Können Sie verfolgen, wie der Mensch spricht, wie er seine Worte formt, wieer seinen Worten den eigentümlichen Stimmklang gibt, können Sie verfolgen,wie er in seine Worte die Kraft der Überzeugung seiner Seele hineinlegt, wie erdas Seelische, das er erlebt, in seine Worte hineinverlegt, dann können Sie auchweiter verfolgen, wie mit dem Einschlafen der astralische Leib dieses Geistig-Seelische aus dem physischen Leib und dem Ätherleib herausnimmt und imschlafenden Zustande gerade die Nachwirkung des Geistig-Seelischen derSprache in der geistig-seelischen Welt wie ein Nachschwingen enthält. Siekönnen die Wortbildungen, die Lautnuancierungen, die Überzeugungskraft, dieder Mensch in die Worte hineinzulegen vermag, auch an dem schlafendenastralischen Leibe verfolgen. [77] Da ist natürlich nicht etwas von einerSchwingungskraft vorhanden, die sich der Luft mitteilt; dadurch kommt auchkein physischer Stimmklang der Sprache zustande. Aber dasjenige, was auf denWellen der Worte als Geistig-Seelisches aus dem menschlichen Mundeherauskommt und vom menschlichen Ohre gehört wird, was da auf dem Stromder Sprache sich seelisch vermittelt, das trägt als Seelisch-Geistiges derastralische Leib hinaus in die geistige Welt, wenn der Mensch schläft. Man siehtdas nur deutlicher während das Kind oder auch der Erwachsene im Erlerneneiner Sprache sich anstrengen, die Sprache sich erst aneignen; aber statt findetes das ganze Leben hindurch, daß dasjenige, was wir bei Tag sprechen, in bezugauf sein Geistig-Seelisches dann in der Nacht vom astralischen Leibehinausgetragen wird in die geistige Welt. So daß wir sagen können: Namentlichdie Gefühlsnuance des Gesprochenen wird durch den astralischen Leib aus demMenschen hinausgetragen während der Nacht. Das ist eine Eigentümlichkeit desastralischen Leibes.

Aber jetzt beobachten wir, wie das Ich sich vom Einschlafen bis zumAufwachen verhält. Das Ich ist ebenso zunächst, ich möchte sagen, reinnatürlich an das Gliedmaßensystem gebunden. Wie der astralische Leib an dieBrust gebunden ist, und aus der Brust die Sprache kommt, in eben solcherWeise ist das Ich an alles dasjenige gebunden, was der Mensch mit seinenGliedern ausführt, was der Mensch vom Aufwachen bis zum Einschlafen tut,indem er diesen oder jenen Gang macht, indem er dieses öder jenes mit seinenArmen und Händen vollzieht. So wie der astralische Leib in jedes Worthineinfließt und das Seelische des Wortes sich herausnimmt während desSchlafens, so ist das Ich verbunden mit jeder Bewegung, die wir machen, indemwir in der Welt diesen oder jenen Ort aufsuchen im Wachzustande. Es ist dasIch verbunden mit jeder Handbewegung, mit jedem Ergreifen irgendeinesGegenstandes. [78]

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Aber während man beim astralischen Leib, weil die Sprache etwas soSeelisches ist, das eigentliche Seelische weniger beachtet, weniger daraufaufmerksam wird, daß in der Sprache eben noch etwas ganz Besonderesseelisch in die Sprache hineinergossen wird, ist man schon bei demZusammenhang des Ich mit den Gliedmaßen geneigt, überhaupt nicht mehrdarauf Rücksicht zu nehmen, daß damit etwas Seelisch-Geistiges verknüpft ist.Man faßt halt das Gehen, man faßt das Greifen mit den Händen auf wie etwas,ich möchte sagen, was rein in einer Art physischem Mechanismus geschieht,der der menschliche Organismus sein soll. Das ist aber nicht der Fall.

Dasjenige, was in jeder Fingerbewegung während des Tages liegt, was injedem Schritte liegt, mit dem man einen Ort aufsucht, das enthält auch einGeistig-Seelisches, so wie das Wort ein Geistig-Seelisches enthält. Und das,was da mit unseren Gliedmaßen verbunden ist, was verbunden ist mit unserenBewegungen, das nimmt das Ich beim Einschlafen aus unserem physischen undÄtherleib hinaus in die geistige Welt, nur deutlich verbunden jetzt mit einembesonderen Geistig-Seelischen: damit nämlich, daß das Ich in jedemAugenblick zwischen dem Einschlafen und Aufwachen unbewußt zufriedenoder unzufrieden ist – Sie werden das gleich nachher besser verstehen, wenn iches weiter erläutern werde –, zufrieden ist damit, wenn ich mich zwar deutlich,aber etwas trivial ausdrücken muß, ob die Beine sich nach diesem oder jenemOrt hinbewegt und etwas getan haben, ob die Arme dies oder jenes verrichtethaben. Nicht nur wird der Nachklang der Beinbewegungen undArmbewegungen hinausgenommen in das Schlafen, sondern es wirdZufriedenheit oder Unzufriedenheit hinausgenommen. Es haftet vomEinschlafen bis zum Aufwachen dem Erleben des Ich an: Eigentlich hättest dudahin nicht gehen sollen. Oder:

Eigentlich war das recht gut, daß du dahin gegangen bist. Eigentlich war esgut, daß du dies oder jenes mit deinen Armen gemacht hast. Eigentlich war esschlecht, daß du dies oder jenes getan hast. – Das ist das Geistig-Seelische, dasdas Ich hinzusetzt zu dem, was es aus den Gliedmaßen des Menschenhinausnimmt in den schlafenden Zustand.

Und woher kommt es denn, daß dies so ist? [79] Das kommt davon, daß derastralische Leib, indem er zwischen dem Einschlafen und Aufwachen in diegeistige Welt versetzt wird, nach der Weltenordnung beim Menschen eigentlichdazu bestimmt ist, in innigen Kontakt zu kommen zwischen dem Einschlafenund Aufwachen mit denjenigen Wesenheiten, welche in meiner«Geheimwissenschaft im Umriß» geschildert sind als angehörig der Hierarchieder Archangeloi, der Erzengel. Denn mit dem, was wir da als den Nachklangder Sprache mit hinausnehmen in das Schlafen, fühlen sich dieseArchangeloiwesen verwandt. Das ist dasjenige, was sie brauchen, das istdasjenige, was sie erleben wollen.

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Ich möchte sagen: Genau ebenso, wie wir Menschen im physischenErdenleben darauf angewiesen sind, zu atmen, also Sauerstoff um uns haben,und daher den Sauerstoff als etwas Wohltätiges empfinden, so empfinden dieErzengel, die mit dem Inneren der Erde verbunden sind, es als ihr Bedürfnis,daß ihnen die Menschenseelen, wenn sie schlafen, entgegenbringen denNachklang dessen, was in ihrer Sprache liegt.

Das ist das Eigentümliche der menschlichen Sprache, daß sie Verwandtschafthat durch die Vermittlung des Schlafzustandes mit der Hierarchie derArchangeloi, der Erzengel: Sie werden sich erinnern, wenn Sie sich insGedächtnis rufen, was ich verschiedentlich gesagt habe in früheren Zyklen: (10)daß eigentlich die Erzengel die Genien, die Leiter, die Führer derVolkssprachen sind. Das hängt damit zusammen. Die Erzengel sind deshalb dieFührer der Volkssprachen, weil sie – es ist ja figürlich ausgesprochen, aber esist so – geradezu einatmen dasjenige, was ihnen der Mensch aus der Spracheentgegenträgt, wenn er einschläft. Aber es ergibt sich sofort eineUnzulänglichkeit des Menschen, wenn der Mensch mit seiner Sprache in denschlafenden Zustand nicht das Rechte hinausbringt.

Das ist etwas, was man insbesondere innerhalb der Gegenwartskulturbeobachten kann. [80] Innerhalb dieser Gegenwartskultur ist eigentlich wenigvon dem vorhanden, was man Idealismus nennt, und die menschlichen Wortehaben allmählich bloß solche Bedeutungen angenommen, die sich auf äußerlichphysisch-materielle Dinge beziehen. Die Bezeichnung von Idealen – was javoraussetzt, daß man ans Geistige glaubt, denn das Ideal ist Geistiges –, dieBezeichnung von Idealen fällt immer mehr und mehr aus. Die Menschenentwickeln nicht im wachen Zustande den Schwung, den inneren Enthusiasmusfür Idealismus. Dadurch reden sie eigentlich auch nur mehr über solche Dinge,die in der physischen Welt da sind. Worte nehmen immer mehr und mehr dieBezeichnung an für Dinge, die in der physischen Welt da sind.

Es ist ja so, daß in unserer Zeit mehr oder weniger selbst diejenigenMenschen, die sehr fanatisch manchmal an den Geist glauben wollen, doch denGeist gerade ablehnen. Da machen sie spiritistische Experimente, wobei sie denGeist sich manifestieren lassen, weil sie eigentlich an den Geist nur glaubenwollen, wenn er materiell sein kann. Aber das ist ja kein Geist, der immateriellen Lichtschimmer und dergleichen erscheint. Spiritismus ist nämlichdie äußerste Form des Materialismus. Man versucht den Geist abzuleugnendadurch, daß man nur das als Geist gelten läßt, was in die Welt des Materiellenhereinkommt. Also wir sind schon einmal in einem Zeitalter, wo die Worte sichnicht so aus der Seele herausringen, daß sie einen idealen Schwung annehmen.Und das wird immer weniger.

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Aber wenn dieser ideale Schwung nicht da ist, wenn, mit andern Worten, derMensch im wachenden Zustande nicht in der Lage ist, außer von denphysischen Dingen auch von seinen Idealen zu sprechen, gewissermaßen sichhinzuwenden an dasjenige, was eben dem Ideal angehört, was über diephysische Welt hinausliegt, was dem Leben Ziele gibt, die über das physischeLeben hinausliegen, wenn der Mensch nicht in seiner Tagessprache Worteentwickelt für Ideale, wenn nicht die Sprache selber in Idealismus ergossen ist –dann findet der Mensch nur außerordentlich schwierig während des schlafendenZustandes jenen Zusammenhang mit dem Erzengelwesen, der ihm eigentlichnotwendig ist, und dann kommt im schlafenden Zustande keine Ordnung hineinin dasjenige, was sich da abspielen soll zwischen der menschlichen Seele undder Hierarchie der Archangeloi. [81] Wenn das der Fall ist, wenn der Menschdem Materialismus verfallen ist, in seiner Sprache keinen Idealismusentwickelt, die Worte nach und nach so geworden sind, daß der Mensch nurmehr wenig spricht von Idealen, dann verfließt das irdische Leben so, daß derMensch jede Nacht eigentlich, wenn ich mich so ausdrücken darf, den Anschlußversäumt an das Erzengelwesen. Dann wird es ihm schwer, mit der geistigenWelt so innig verbunden zu sein, daß er nun auch in genügender Weise dasLeben nach dem Tode, vom Tode zu einer neuen Geburt, kräftig durchlebenkann. Der Mensch schwächt sich dadurch, daß seine Sprache keinen Idealismusenthält, für das Leben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt.

Zu wissen, wie es sich mit diesen Dingen verhält, ist eigentlich schon einLebenswissen. Derjenige, der weiß, was es für eine Bedeutung hat, wenn dieSprache keinen Idealismus enthält, der wird endlich die Kraft gewinnen,wiederum einzutreten dafür, daß in die menschliche Sprache auch Idealismushineinkommt. Schon während des Erdenlebens kann man bemerken, daßderjenige nicht zu seiner rechten Kraft kommt, der aus dem Erzengelwesennicht die nötige Kraft heraussaugen kann in diesem Zustand vom Einschlafenbis zum Aufwachen. Wir können geradezu sagen in bezug auf dasjenige, wasdie Sprache an uns als Menschen während des Schlafes tun soll: Um das in derrechten Weise als Ergebnis für das Leben zu bekommen, müssen wir unswirklich bemühen, solchen Idealismus zu haben, daß in die Worte nicht bloß dieVerständigung über das alltägliche Leben einfließt, sondern in die Worte auchGeistiges in Form des Idealismus einfließt.

Aber noch stärker tritt das hervor, wenn wir jetzt auf den schlafendenZustand des Ich schauen. Das Ich nimmt mit hinaus in den schlafenden ZustandZufriedenheit und Unzufriedenheit über dasjenige, was die Gliedmaßen getanhaben. [82] Geradeso wie der astralische Leib durch die Nachwirkung derSprache an die Hierarchie der Erzengel herangetragen wird, so wird das Ichdurch das, was es da als Nachklang der täglichen Verrichtungen durch Armeund Beine hinausbringt in den Schlafzustand, herangetragen an die Hierarchieder Urkräfte, der Archai, der Urbeginne.

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Aus diesen Urbeginnen kommt uns dann die Kraft, erstens den physischen Leibin der richtigen Weise zu durchdringen, so daß wir nicht nur das Gute wollen,sondern bis zu einem gewissen Grade auch imstande sind, die Triebe desphysischen Leibes soweit zu beherrschen, daß wir kein Hindernis haben anunserem physischen Leib, um dasjenige zu tun, was wir in der Freiheit desGedankens uns als Pflicht oder als Ziel vorsetzen. Wir sind frei im Gedanken.Aber die Kraft, die Freiheit im Leben anzuwenden, bekommen wir nur, wennwir in den Schlaf hinaustragen den richtigen Zusammenhang mit den Urkräften,mit den Archai.

Aber wie können wir das? Der Idealismus bringt unseren astralischen Leib inrichtiger Weise mit den Erzengelwesen in Zusammenhang. Was bringt unserIch in der richtigen Weise mit den Urkräften in Zusammenhang? Wenn auchwir zunächst unbewußt in der Nacht bleiben – aber das Wesen aus derHierarchie der Urkräfte hat ein völliges Bewußtsein von der Sache, nimmtdasjenige auf, was wir unbewußt haben, und entwickelt es zu einemausgesprochenen Gedanken der Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit dem,was wir am Tage getan haben. Was aber bringt uns in einen richtigenZusammenhang mit diesen Urkräften, in einen solchen Zusammenhang, wie wirihn durch den Idealismus in der Sprache zu den Erzengeln bekommen?

Es gibt nichts anderes, um während des Schlafens in bezug auf sein Ich inden richtigen Zusammenhang mit den Urkräften zu kommen, als wirkliche,echte, wahre Menschenliebe, unbefangene Menschenliebe, allgemeineMenschenliebe, richtiges Interesse für jeden Mitmenschen, mit dem uns dasLeben zusammenbringt, nicht Sympathie oder Antipathie, die nur aus irgendetwas herauskommen, das wir nicht überwinden wollen. [83] Echte, wahreMenschenliebe während des Wachzustandes führt uns zwischen demEinschlafen und Aufwachen in den Schoß der Urkräfte, der Archai, in derrichtigen Weise hinein. Und da wird, während das Ich im Schoße der Archairuht, das Karma, das Schicksal geformt. Da entsteht das Urteil: Ich binunzufrieden mit demjenigen, was ich mit meinen Armen und Beinen getanhabe. Und aus dem, was da als eine Zufriedenheit oder Unzufriedenheit sichergibt, entsteht nun nicht bloß das, was gilt für die Zeit kurz nach dem Tode,sondern für das nächste Erdenleben; es entsteht die Kraft zum richtigen Bildendes Schicksals, so daß auch wirklich die Dinge ausgeglichen werden, die wirin einem Erdenleben empfunden haben während des Schlafes, im Ich, imZusammenhange mit den Urkräften.

Wenn Sie dies bedenken, so sehen Sie genau hinein in diesen merkwürdigenZusammenhang des Ich und des Schicksals, des Karma. Während wirsozusagen dem astralischen Leibe ansehen, wie er, wenn der Mensch einIdealist ist, die Sprache als eine Opfergabe den Erzengeln übergibt, so daß ihndann die Erzengel in der richtigen Weise zwischen Tod und neuer Geburtleiten können; so sehen wir, wie das Ich an dem Schicksal webt.

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Da wird das Karma ausgearbeitet im Zusammenhange mit den Urkräften. Unddie Urkräfte haben wiederum die Gewalt, dasjenige uns zu verleihen, was wirbrauchen, um nicht nur die Zeit zwischen Tod und neuer Geburtdurchzugehen, sondern beim nächsten Herabsteigen ins Irdische mit einersolchen Kraft anzukommen, daß wir, wenn wir ein kleines Kind sind, jetzt mitder Erbschaft vom vorhergehenden Erdenleben so oder so gehen lernen,Gleichgewicht finden lernen, Füße und Hände, Arme und Beine differenzierenlernen.

Es ist sehr merkwürdig, zu sehen, wie beim Kinde, wenn es vom Kriechenzum Gehen übergeht, wenn es zunächst Gleichgewicht erwirbt, in dieserAnstrengung die Art und Weise nachwirkt, wie im letzten Erdenleben das Ichdurch allgemeine Menschenliebe in der richtigen Weise den Schlaf inZusammenhang mit den Urkräften gebracht hat. Das drückt sich aus imGehenlernen. Man kann dies bis in die Einzelheiten verfolgen. [84] Man kannsehen, wenn ein Kind immer wieder umkippt, wie das davon herrührt, daß ineinem früheren Leben das Kind starke menschenhassende Gefühle entwickelthat. Da ist es nur herangekommen an die Urkräfte, da hat es nicht die richtigeVerbindung mit ihnen gefunden, und gerade in dieses Gehenlernen hinein, indas fortwährende Umkippen, da hinein prägt sich die Wirkung aus. Derjenige,der sich einen richtigen Blick gerade dafür aneignen würde, der also zumBeispiel sich vornehmen würde: Ich will dadurch ein richtiger Erzieherwerden, daß ich die Kinder im Gehenlernen richtig beobachte –, wer dasdurchführen könnte, der würde aus der Art und Weise, wie das Kind gehenlernt, wirklich Ungeheures von dem sehen, was man auch als Unterrichtender,als Erzieher karmisch auszugleichen hat, weil es aus dem vorhergehendenErdenleben durch nicht genügende, oder genügende, aber falsch angebrachteMenschenliebe in dieses Leben hereingebracht worden ist.

Hier sehen Sie, wie die materialistische Ansicht beim Physischen bleibt. Diematerialistische Ansicht beschreibt, wie der menschliche Organismus wie eineMaschine sich aufrichtet, gehen lernt und so weiter. Aber mit allemPhysischen ist ein Geistiges verbunden, und derjenige, der den ganzenVorgang überschaut, lernt erkennen, daß im Gehenlernen des Kindeshereinspielt das vorhergehende Erdenleben. Das heißt, Gehenlernen istüberhaupt die Art und Weise, wie der Mensch, wenn er ein neues Erdenlebenantritt, seinen physischen Körper beherrschen lernt. Und für den, der die Sachevollständig überschaut, ist das Gehenlernen nicht erschöpft damit, daß manseine Beine aufrichten kann und den ganzen Körper aufrichten kann, sonderndas geht so weit, daß es nun zu inneren Prozessen des Menschen kommt, auchdazu, wie der Mensch nun innerlich Herr wird über seine Drüsentätigkeit undso weiter. [85] Denn wenn das Kind gehen gelernt hat, und schon vorher,kommt es nicht nur auf das Gehen an, sondern es kommt auch darauf an, daßes, sagen wir, wenn es einen phlegmatischeren oder cholerischeren Charakterhat oder ein Übermaß an den oder jenen Emotionen, dann seineDrüsentätigkeit beherrschen oder nicht beherrschen lernt.

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Das hängt wiederum mit dem zusammen, was während des Schlafes aus denvorhergehenden Erdenleben aus allgemeiner Menschenliebe oder nichtallgemeiner Menschenliebe sich als das Verhältnis zu den Urkräftenherausgestellt hat.

Wenn man materialistisch denkt, so sagt man: Der Mensch ruht im Schlafe. –Aber er ruht nicht bloß. Wenn er den richtigen Idealismus während desWachens entwickelt, so trägt er in den Schlaf hinein für den astralischen Leibdie Möglichkeit, sich hinaufzuschwingen zu der Hierarchie der Archangeloi,also mit der geistigen Welt während des Schlafes so in Beziehung zu treten, daßin der richtigen Weise verlebt werden kann die Zeit vom Tode bis zu einerneuen Geburt. Natürlich tragen wir, wenn wir diese Zeit nicht richtig verleben,auch Schwächen davon in das Erdenleben hinein .Aber in der Art und Weise,wie sich der Mensch in ein richtiges Verhältnis zu den Urkräften, zu den Archaiversetzt, davon hängt es dann ab, wie wir uns das nächste Leben zu zimmernverstehen. Man sieht also, daß allgemeine Menschenliebe geradezu eineschöpferische Kraft hat. Denn, wovon hängt es denn ab, daß irgend jemandstark und kräftig ist in einem Leben, um seinen physischen Leib in den Dienstder Seele zu stellen, beherrschen zu können seinen physischen Leib? Das hängtdavon ab, ob er im vorhergehenden Leben Menschenliebe, etwas rein Seelischesentwickelt

Sie erinnern sich, wie ich in früheren Vorträgen gesagt habe: Das Seelischedes einen Erdenlebens lebt sich in dem Physischen des nächsten Erdenlebensaus, das Geistige des einen Erdenlebens in dem Seelischen des nächstenErdenlebens. – Aber so hängen die Dinge zusammen, die ich ebenauseinandergesetzt habe.

Man kann nicht bloß so im allgemeinen behaupten, daß es so etwas wie einSchicksal, wie ein Karma gibt. Man kann geradezu sagen: Man schaut, wie derMensch an seinem Karma arbeitet. [86] Er webt es während des Schlafes, aberer erntet dasjenige, was er zum Gewebe braucht, während des Wachens ein.Denn das, was er webt, sind die Fäden, die er wirken muß aus allgemeinerMenschenliebe; oder die Fäden, die fortwährend abreißen und ein schlechtesKarma für das nächste Leben bilden, das sind diejenigen, die aus Menschenhaßgewoben sind. Denn für das Karma kommen als schöpferische Kräfte vor allenDingen Menschenliebe und Menschenhaß in Betracht.

Nun muß man diese Sache in der richtigen Weise ansehen. Es ist im Grundegenommen eine bequeme Karmaauffassung, wenn man sagt: Ich bin krank –nun, das ist mein Karma. Mich hat dieses Unglück getroffen – das ist meinKarma. – Ich will nicht sagen, daß es als Lebensweisheit besonders beruhigendist, aber eine bequeme theoretische Auffassung ist es, in fatalistischer Weisealles auf das Karma zu schieben. Es ist aber durchaus nicht richtig so. Dennnehmen Sie an, Sie betrachten nicht dieses Erdenleben, sondern dasdrittnächste, so werden Sie in dem drittnächsten Erdenleben auf dieses jetzigezurückschauen können.

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Dann werden Sie sagen: Es ist mein Karma. – Aber dasjenige, was Ihr Karmaist, weist in dieses Erdenleben zurück; da ist es entstanden. Das heißt, es istfortwährend entstehendes Karma da.

Wir müssen nicht alles in die Vergangenheit zurückschieben. Wir müssen unsklar sein, daß in der richtigen Weise zum Karma sich zu stellen dazu führt, daßman sich sagt: Eine Krankheit, die mich jetzt trifft, braucht gar nicht die Folgefrüherer seelischer Schwächen zu sein, sondern es kann eine Krankheitzuallererst auftreten. Aber Karma gilt doch. Trifft mich eine Krankheit, einUnglück in diesem Erdenleben, es wird der Ausgleich kommen, oder diesesUnglück, diese Krankheit können der Ausgleich sein.

Das heißt, man muß immer auch mit der Zukunft rechnen, wenn man vonKarma spricht. Das Verhältnis, das man zum Karma hat, ist das, daß manunerschütterlich wird in der Anerkennung der allgemeinen Weltengerechtigkeit,daß man also weiß: [87] Alles gleicht sich aus, aber nicht so, daß man einfachdie Reihe der Erdenleben zerreißt durch das gegenwärtige und alles auf dieVergangenheit schiebt.

Derjenige stellt sich in einer lebensvollen Weise in den karmischen Verlaufder Lebensereignisse hinein, der da weiß: Ausgleich ist. Aber das Wesentlichebei der Karmaauffassung ist die Seelenstimmung, die aus dieser Auffassungkommt. Und die Seelenstimmung, die aus der Karmaauffassung kommen muß,das ist die, daß für den Fall, wo irgend etwas, sagen wir als Unglück, dieAusgleichung ist für eine frühere Seelenschwäche, wir darin den Anlaß finden,uns zu sagen: Hättest du jetzt dieses Unglück nicht erfahren, so hättest du dieSchwäche fernerhin behalten. Wenn du in die Tiefen deiner Seele hineinsiehst,so mußt du sagen: Es ist recht, daß dieses Unglück über mich gekommen ist,denn dadurch ist eine Schwäche ausgelöscht, eine Schwäche hinweggenommen.

Wer ein solches Unglück, welches ein Ausgleich ist für eine vorherigeSeelenschwäche oder Verfehlung, hinwegwünscht, stellt sich eigentlich nichtauf den Standpunkt vollständiger Menschenwürde. Er sagt gewissermaßen:Ach, mir ist es gleichgültig, ob ich schwach bleibe oder eine gewisse Stärke mirerringe! – Allein derjenige faßt ein Unglück in der richtigen Weise auf, der dasagt: Falls es für eine frühere Schwäche wäre, ist es gut, daß es mich getroffenhat. Denn ich werde diese Schwäche, die ich gehabt habe, die sich in einerVerfehlung vielleicht ausgedrückt hat, durch das Unglück fühlen. Dadurchlösche ich die Schwäche aus, ich werde wieder stark.

Und falls ein Unglück als erster Schritt im Karma kommt, so ist die richtigeStimmung dagegen diese, daß man sich sagt: Wenn den Menschen nurdasjenige treffen würde, was er sich wünscht, so würde er gerade durch einenLebensverlauf, der so ist, recht schwach werden. [88] Wir würden zwar unterUmständen in einem oder zwei Erdenleben bequem und wohl leben, weil immernur dasjenige über uns kommt, was wir uns wünschen, aber im dritten, viertenErdenleben würden wir überhaupt seelisch und geistig wie gelähmt sein, weilgar keine Anstrengung in uns entstehen würde, um Widerstände zu überwinden.

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Widerstände lassen sich ja nur überwinden, wenn das Unerwartete, dasUnerwünschte kommt. Entwickelt man aber die rechte Kraft an denWiderständen, nimmt man genug Menschenliebe hinein in den Schlaf, danngestaltet sich dasjenige, was von dem Ich im Zusammenhange mit denUrkräften, mit den Archai als Karma gewoben wird so, daß der richtigeAusgleich in dem nächsten Erdenleben stattfindet.

Alle anthroposophischen Wahrheiten müssen nicht bloß theoretischeWahrheiten sein, durch die man etwas erkennt, sondern sie sind alle so, daß siein die Stimmung, in die Gemütsverfassung übergehen. Und derjenige, bei demsie nicht in die Gemütsverfassung übergehen, der hat sie noch nicht vollständigerfaßt, der hat sie bloß als theoretische Wahrheiten erfaßt. Das richtigeVerstehen des Karma, des Schicksals, führt eben dazu, daß der Mensch zwar,indem er dem Leben gegenübersteht, sogar feiner empfänglich wird für Glückund Unglück, als er sonst es ist – er erlebt stark Glück und Unglück –, aber erfindet auch die Möglichkeit, in seiner Seele sich gewissermaßen der geistigenWelt gegenüber in jene Stimmung zu versetzen, die nun nicht aus einemGlaubensbekenntnis heraus, sondern aus der Anschauung desjenigen kommt,was Ich und astralischer Leib tun, während sie dem Tagesleben entzogen sind.Aus der Anerkenntnis dessen kommt er in die Stimmung hinein, unerläßlichfestzuhalten an der Weltgerechtigkeit. Karma verstehen heißt, in der richtigenWeise die Weltgerechtigkeit anschauen. Es heißt nicht, phlegmatisch werdengegenüber Glück oder Unglück, gegenüber Freude und Schmerz, aber es heißt,Freude und Schmerz, Glück und Unglück an die richtige Stelle des Lebensversetzen.

Nun können wir sagen: [89] Wenn man den Menschen während desTageslebens sieht, so sieht man ja eigentlich nur Ich und astralischen Leib, wiesie sich betätigen am physischen Leibe, und dann weiß man nur etwas von derBetätigung am physischen Leibe, nicht von dein Geistig-Seelischen im Ich undastralischen Leibe. Wenn ich mit einem Menschen spreche, achte ich auf dieWorte, die er mir sagt, und bin ich dann Materialist, so erkläre ich mir dasfolgendermaßen: Lunge, Kehlkopf und so weiter arbeiten, dadurch wird die Luftin Schwingungen versetzt, die stoßen an mein Ohr an und so weiter. – Sehe ichaber die Sache recht an, so sehe ich vibrieren in dem, was als Worte sich bildet,was in der Sprache sich ausgestaltet, seinen astralischen Leib. Aber ich findedann mit diesem astralischen Leibe verbunden des Menschen Verwandtschaftmit der göttlich-geistigen Welt. Ich sage mir. Ist der astralische Leib imphysischen Leibe darinnen während des Tagwachens, dann verbirgt er sich inder Sprache und in ähnlichen Tätigkeiten. Während der Nacht nimmt er teil andem Leben der höheren Hierarchien. Und in einer solchen Weise ist es auch derFall mit dem Ich.

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So dürfen wir sagen: Wenn der Mensch schläft, so ruht er sich nicht bloß fürdas tägliche Leben aus. Dann arbeitet er in der geistigen Welt, so wie er mitseinem physischen Leib arbeitet und spricht hier in der physischen Welt. Und sowie der Materialismus ableugnet, daß als reales Wesen Ich und astralischer Leibvorhanden sind während des Schlafens, so muß es ;auch der Materialismusbelassen, daß er nicht die ganze Welt verstehen kann. Denn was ist für denMaterialismus moralische Welt? Moralische Welt ist für ihn, was sich derMensch vorsetzt in Gedanken, was aber mit den weltschöpferischen Kräftennichts zu tun hat. Für denjenigen, der wirklich, wahrhaftig hineinschaut insmenschliche Leben, ist die moralische Weltenordnung dasjenige, in dem derMensch schlafend ebenso stark lebt, wie er wachend in Luft und Licht lebt.

Da gibt es noch etwas, was wesentlich ist zu beachten. Wenn wir sterben,nehmen wir die Sprache heraus – dasselbe gilt dann auch für das Karma –, wirsterben, und wir waren das Leben hindurch in richtiger oder in mehr oderweniger mangelhafter Weise verbunden mit der Welt der Archangeloi. Das hatsich wiederholt in jedem Schlafe. [90] Wir tragen durch die Pforte des Todes indie geistige Welt dasjenige hinaus, was uns die Erzengelwesen im Schlafegegeben haben. Da können wir uns dann in der richtigen Weise in die geistigeWelt hineinfinden, die der Logos ist, die aus den kosmischen Elementenbesteht, die in den Worten der Sprache ihr Abbild haben, da können wir unshineinfinden in die geistige Welt für das Leben zwischen dem Tod und einerneuen Geburt.

Aber so einfach ist dies nicht. Wenn wir durch den Tod gehen, haben wirkeinen physischen Körper mehr. Da genügt das, was die Erzengel unsmitgegeben haben aus jedem Schlafzustand, um zu wirken, um es zu verwertenzwischen Tod und neuer Geburt. Wenn wir aber aufwachen als physischeErdenmenschen, müssen wir in den physischen Leib wiederum untertauchen.Das können uns die Erzengel gar nicht vermitteln. Da müssen noch höhereHierarchien mitwirken: diejenigen Wesen, die ich in meiner«Geheimwissenschaft» bezeichnet habe als die Exusiai und als die Kyriotetes.Die müssen das, was wir zunächst im Verein mit den Erzengeln durch dieGeistigkeit der Sprache uns errungen haben, in die Triebe und Begierden desphysischen Leibes, der uns sonst Widerstand leistet, hineinbringen. Da flammtes dann auf als Gewissensstimme. Aber indem das, was wir aus dem Schlaf inden Leib hineintragen, als Gewissensstimme aufflammt, wirkt in dieserGewissensstimme dasjenige, was in der Hierarchie der Exusiai und derKyriotetes, als einer höheren Hierarchie als der der Erzengel, gegeben ist.

Wenn wir also in der physischen Welt herumschauen und finden, daß dereine oder der andere Mensch das Gewissen so stark entwickelt, daß seinphysischer Leib bessere Triebe, bessere Instinkte bekommt, dann haben infolgedes Idealismus seiner Sprache Kyriotetes und Exusiai in der richtigen Weise anihm gewirkt. [91]

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Und wiederum, wenn der Mensch durch allgemeine Menschenliebe in denrichtigen Zusammenhang kommt mit den Archai, mit den Urkräften, so arbeiteter sich sein Karma in einer solchen Weise aus, wie es eben in dem nächstenErdenleben im Gehenlernen, im Gleichgewichtlernen, im Geschicklichwerdender Arme, im Beherrschen des Drüsensystems und so weiter in der allererstenKindheitszeit, wenn wir uns in das Erdenleben hereinschlafen, sich in denKörper hineinfügt. Denn wir haben uns das erworben, daß wir sozusagen imVerein mit den Urkräften, mit den Archai zwischen Tod und neuer Geburtarbeiten können. Aber damit der Mensch hier auf Erden in einer richtigenWeise eine feine Empfindung, ein scharfes Bewußtsein bekommt für seineeigenen Taten, dazu ist notwendig, daß diejenige Hierarchie, die ich Ihnen inder «Geheimwissenschaft» bezeichnet habe als die Dynameis, imZusammenhang wirkt mit den Archai, also wiederum Wesenheiten einerhöheren Hierarchie. –

Wenn dem Menschen nun allgemeine Menschenliebe fehlt, richtigesInteresse an seiner menschlichen Umgebung fehlt, so findet er nicht denrichtigen Anschluß an die Archai. Dadurch verdirbt er sich die Möglichkeit,sich sein Karma für das nächste Erdenleben in der richtigen Weise zu weben,und es müssen weitere Erdenleben kommen, durch die er das ausgleicht.Aber für dieses Erdenleben hat er noch das im Nachteil, daß er immerweniger und weniger die Kraft bekommt, die Urteile, die gebildet werden,Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit dem, was Beine und Hände tun,hinauszutragen in den physischen Leib. Denn das können wir nicht selber, damüssen wir durch verstärkte Menschenliebe in der richtigen Weise mit denDynameis zusammenkommen. Die tragen dann in der richtigen Weise inunseren physischen Leib die Kraft herein, die das Richtige ausführt. Sonstklappen wir zusammen, trotzdem wir das Richtige einsehen.

Frei werden können wir in Gedanken. Daß wir aber auch die Freiheit in derrichtigen Weise im physischen Leben gebrauchen können, dazu müssen wirdas richtige Gleichgewicht im Wachen und Schlafen herstellen, weil wir inder richtigen Weise nicht nur mit den Urkräften, sondern auch mit denDynameis zusammenkommen müssen. [92]

Die höchste Hierarchie, Seraphim, Cherubim, Throne, sie wollen das, waswir tun, hinaustragen in die Welt. Exusiai, Dynameis, Kyriotetes tragen ausdem Schlaf als moralische Kraft dasjenige, was wir in Gedanken erfassen,herein in unser körperliches Wesen. Die Seraphim, Cherubim und Thronetragen das wiederum hinaus in die Welt, so daß unsere eigenen moralischenKräfte weltschöpferische Kräfte werden.

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Wenn also die Erde einmal in den Jupiterzustand übergehen wird und unseremoralischen Kräfte bei dieser Umwandlung ihre richtigen Funktionenausführen, haben die Seraphim, Cherubim und Throne natürlich damit nuretwas zu tun, wenn wir ihnen die nötigen Unterlagen dafür geben. Übergebenwir ihnen dadurch, daß wir immer schwächer und schwächer werden,Zerstörungskräfte, dann arbeiten wir mit an der Zerstörung der Erde, nicht andem Aufbau des Jupiter.

Sie sehen, die Gliederung der geistigen Welt ist in der Anthroposophiewahrhaftig nicht bloß dazu da, daß man für einzelne Stufen Namen hat,sondern man kann nach und nach wirklich eingehen in den ganzenZusammenhang der Welt, kann den Zusammenhang des Menschen mit dergeistigen Welt so überschauen, wie man sonst den Zusammenhang desMenschen mit der physischen Welt überschaut. Und das ist dasjenige, was denMenschen wiederum die rechte Kraft geben wird zu einem aufbauendenLeben, wenn sie in dieser Weise den Weg finden, um ihren Zusammenhangmit der geistigen Welt einzusehen, wenn sie nicht bloß glauben, der Schlaf seida, um zu ruhen, sondern die Überzeugung gewinnen: Der Schlaf ist da, ummit der geistigen Welt unter den Nachwirkungen des physischen Lebens in denrichtigen Zusammenhang zu kommen.

Ja, es ist schon richtig, die geistig-moralische Welt kann der Menschleugnen, weil er sie zunächst in diesem Erdenstadium verschläft. Aber es mußdurch eine wirkliche Wissenschaft herauskommen, was der Mensch daverschläft. Er verschläft nämlich dasjenige, was sich in das Erdenleben hereinals himmlisches Dasein erstreckt. [93] Dazu hat der Mensch den Schlaf, daß ertatsächlich aus der geistigen Welt sich die entsprechende Kraft herausholenkann gerade für sein physisches Leben. Betrachten Sie jetzt von diesemGesichtspunkte aus den Zusammenhang desjenigen, was ich versuchte, Ihnenheute skizzenhaft darzulegen, mit meiner «Philosophie der Freiheit». Dawerden Sie finden: Ich habe ausdrücklich betont, es käme nicht darauf an, daßman die Theorie aufstellt, der Wille solle frei sein, sondern der Gedanke sollfrei sein. Der Gedanke muß gerade den Willen beherrschen, wenn man einfreier Mensch sein will. Aber damit der Wille dem freien Gedanken nichteinen unmöglichen Widerstand bietet, muß der Mensch sein Leben inentsprechender Weise einrichten. Den Gedanken können wir frei machen alsMensch, der wir geworden sind in der physischen Welt. Das Gemüt und denWillen bekommen wir bloß frei, wenn wir für das Gemüt in das richtigeVerhältnis zu den Erzengeln, wenn wir für den Willen in das richtigeVerhältnis zu den Archai kommen.

Daher ist es aber auch so: Dasjenige, was in der Sprache lebt, lassen wir mitdem Geistig-Seelischen hinausgehen in der Nacht. Dasjenige, was in unserenGliedmaßen lebt; lassen wir auch hinausgehen. Astralischer Leib und Ichgehen hinaus. Der ätherische Leib bleibt beim physischen Leib. Das Denken,das an den ätherischen Leib gebunden ist, das setzt sich fort im ätherischenLeib.

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Nur wissen wir im gewöhnlichen Bewußtsein nichts davon, wie der ätherischeLeib vom Einschlafen bis zum Aufwachen denkt, weil wir draußen sind. Es istgar nicht wahr, daß wir in dem schlafenden Zustand nicht denken, wir denkenvom Einschlafen bis zum Aufwachen. Die Gedanken laufen fortwährend ab inunserem Ätherleib, nur weiß der Mensch nichts davon. Er fängt erst wiederuman etwas zu wissen, wenn er untertaucht; da werden die Gedanken wiederlebendig für sein Bewußtsein. Deshalb, weil die Gedanken mit demphysischen Erdenleben durch den Ätherleib so verbunden sind, ist es, daß derMensch in Gedanken frei sein kann. Denn auf die Erde ist er versetzt, um freizu werden. [94] Die Kraft der Freiheit kann er sich nur aus der geistigen Weltholen, die Kraft zur Freiheit im Gemüte, die Kraft zur Freiheit im Willen.

Das ist der Zusammenhang mit der Tatsache, daß der Mensch seineeigentliche Denkgrundlage, den Ätherleib, durch das ganze Erdenlebenhindurch behält. Der Ätherleib geht während des Erdenlebens nicht hinaus ineine kosmische Welt. Der astralische Leib und das Ich gehen hinaus. Erstwenn der Tod eintritt, geht auch der Ätherleib hinaus. Da kommt dann dieRückschau auf das Leben durch ein, zwei, drei Tage, wo der Mensch seinganzes Leben überschaut, so ähnlich, wie ich das gestern für die Imagination,die erste Stufe des übersinnlichen Erkennens, beschrieben habe. (12) Es trittdas nach dem Tode unter allen Umständen ein, daß der Mensch alsozurücksieht auf sein verflossenes Erdenleben. Aber während das ganze Meerder Gedanken, die er schlafend und wachend zwischen der Geburt und demTode durchgemacht hat, da ist, während diese in den ersten drei Tagen nachdem Tode daliegen wie ein Meer von ineinanderwebenden Gedanken, nimmtder Kosmos diese Gedanken sogleich danach in Anspruch. Sie lösen sich auf,und nach zwei bis drei Tagen ist die ganze Rückschau in den Kosmosverflogen. Wir sagen, der Ätherleib hat sich auch getrennt. In Wahrheit hat derKosmos den Ätherleib aufgenommen, aufgesogen. Er hat sich immer mehrund mehr vergrößert, bis er endlich ganz in den Kosmos aufgegangen ist. Dawerden wir dann wiederum als Ich und Astralisches aufgenommen in denSchoß der höheren Hierarchien. Und erst, wenn wir wiederum einen Ätherleibbekommen, können wir zum Erdenleben heruntersteigen, können wir dieArbeit an uns zum freien Menschen fortsetzen. Denn das Erdenleben hat alsZiel, den Menschen zum freien Menschen zu machen. Das kann ihm auf Erdengeschenkt werden, was im reinen Denken als Grundlage zur Freiheit liegt.Deshalb bleibt aber auch der Ätherleib durch das ganze Erdenleben mit demphysischen Leibe verbunden, das heißt, löst sich mit dem Tode auf in Welten,wo die Freiheit nicht erlernt wird. [95] Die wird während des Erdenlebenserlernt; Sie wissen ja, auch nur während gewisser Epochen des Erdenlebens.

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So können wir einsehen, daß die Freiheit durchaus in richtiger Verbindungmit dem Karma steht, denn die Freiheit hat zu tun mit dem, was im Betteliegen bleibt, was mit uns auch während des Schlafes verbunden ist, was sichnicht trennt von uns. Das Karma wird gewoben von dem Ich zwischenEinschlafen und Aufwachen. Das Karma wird gewoben abseits von dem imMenschen, worin die Freiheit liegt. Das Karma webt auch nicht an den freienoder unfreien Gedanken, das Karma webt an Gemüt und Willen. Da kommtaus den Tiefen der Menschennatur heraus, aus dem träumenden Gemüt unddem schlafenden Willen, das Karma herauf. In dieses können wirhineingießen, das heißt, dem entgegenstellen dasjenige, was in der Freiheit derGedanken, im reinen Denken, \n den ethischen, moralischen Impulsen lebt,wie ich sie beschrieben habe in der «Philosophie der Freiheit»; diese müssenim reinen Denken liegen.

So schließt sich wirklich alles zusammen. Und das wäre so notwendig, daßman immer mehr und mehr darauf aufmerksam würde, wie, je weiter man inder Anthroposophie vorrückt, desto mehr sich alle Einzelheitenzusammenschließen. Natürlich, wenn jemand herankommt an irgend etwas,was dieses oder jenes Gebiet darstellt, kann er Widerspruch über Widerspruchfinden. Das ist gar nicht anders möglich, weil man, um einzusehen, daß es soist, wie es auf einem einzelnen Gebiete dargestellt wird, doch eben das eineGebiet im Zusammenhange mit dem Ganzen betrachten muß. Sonst urteilt manso wie einer, der über einen einzelnen Planeten urteilt und nicht begreifenkann, warum sich der so oder so bewegt: man muß das ganze Planetensystembeachten. Und so muß man auch, will man etwas wissen über Welt und Leben,den Zusammenhang, die physischen, seelischen und geistigen Tatsachen unddie Einzelheiten der Tatsachenwelten versuchen zu überschauen. [96]

Das wollte ich Ihnen heute, wo sich die Möglichkeit gegeben hat, daß wirmich wieder im Zweige zusammensein konnten, auseinandersetzen. Ich wolltedamit etwas beitragen dazu, daß Sie die Stimmung empfinden, die der Menschdem Karma, das heißt der Weltgerechtigkeit gegenüber entwickeln kann, wenner in der richtigen Weise sich einlebt in die Anthroposophie. Denn auf dieEmpfindungen kommt es an, die wir ins Leben hinübertragen, nicht auf dasbloße Einsehen des Theoretischen. Möge es Ihnen wirklich immer mehr undmehr gelingen, dasjenige, was Ihnen die Anthroposophie gibt, nicht bloß zumGedankeninhalt, sondern zum Seeleninhalt, oder, wie man richtig sagt, zumHerzensinhalt zu machen. Und je mehr es gelingt, daß AnthroposophieHerzensinhalt derjenigen ist, die sie verstehen wollen, desto mehr wird es auchgelingen, Anthroposophie immer mehr in das allgemeine Kultur- undGeistesleben einzuführen. Und das brauchen wir gar sehr, sonst wird dieMenschheit mit den alten Traditionen, mit den alten Dingen nichtvorwärtskommen können. Versuchen Sie, immer mehr und mehr den Weg derAnthroposophie vom Kopf zum Herzen zu finden. In Ihren Herzen wirdAnthroposophie gut geborgen sein. [97]

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Das Verhältnis des Menschen zu seinem Engelwesenund zu den höheren Hierarchien

Wir haben gesehen, wie wir den Menschen in Gemäßheit deranthroposophischen Erkenntnisse hineinstellen müssen seiner Wesenheit nachin das ganze Universum, und wir haben zunächst betrachtet des MenschenForm, des Menschen Gestaltung. Wir mußten diese Gestaltung des Menschenzurückführen auf den Fixsternhimmel beziehungsweise auf die Repräsentationdieses Fixsternhimmels, auf den Tierkreis. Wir haben gesehen, wie gewisseKräfte von jenen Sternzusammenhängen ausgehen, wenn sie mit denSonnenkräften in Verbindung treten, und wie dasjenige, was die Form desmenschlichen Hauptes und der damit zusammenhängenden Organe bildet,zusammenhängt mit den oberen Tierkreisbildern, Widder, Stier, Zwillinge,Krebs; wie dann dasjenige, was des Menschen Brustorganisation ausmacht,zusammenhängt mit den mittleren Sternbildern, Löwe, Jungfrau, Waage,Skorpion, und wie endlich dasjenige, was zum menschlichen Stoffwechsel undden Gliedmaßen führt, zusammenhängt mit den unteren, Sternbildern, mitderen Wirksamkeit, wenn sie gewissermaßen von der Erde bedeckt sind, mitden Sternbildern des Schützen, des Steinbockes, des Wassermannes und derFische. So daß wir sagen können: Der Fixsternhimmel – denn die Sternbildersollen nur die Repräsentanten der Fixsternwirkungen auf den Menschen sein –,der Fixsternhimmel wirkt auf die menschliche Gestaltung, auf die menschlicheForm.

Die Planetensphäre, sie wirkt auf die menschlichen Lebensstufen. Und zwarmüssen wir uns klar darüber sein, daß der Mensch in sich verschiedenartigesLeben hat. [98] Wir würden nicht denken können, unser Haupt würde keinDenkorgan sein, wenn wir in unserem Haupte ein so starkes Leben hätten, wiewir es zum Beispiel in unseren Stoffwechselorganen haben. Wenn derStoffwechsel im Haupte, im Kopfe zu stark wird, dann erlischt unserBewußtsein, unsere Besonnenheit. Daraus können Sie schon äußerlichschließen; daß zum Bewußtsein, zum Vorstellen ein abgedämpftes, einabgelähmtes Leben, ein ersterbendes Leben nötig ist, während dasaufwärtssteigende Leben, das wuchtige, das intensive Leben, notwendig ist zudemjenigen, was in uns mehr aus dem Unbewußten heraus wirkt, zum Wollen.

Wir haben also unter unseren Lebensstufen solche, die mehr ersterbende,sich ertötende Lebensstufen sind, und solche, welche richtige Lebensstufensind, so wie das starke, intensive organische Leben etwa beim Kinde auftritt,wo das Denken noch nicht da ist. Wir haben dieses kindliche Lebenfortwährend in uns; aber es setzt sich in dieses kindliche Leben das allmählichersterbende Leben hinein.

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Diese verschiedenen Lebensstufen sind abhängig von der Planetensphäre.Während der Fixsternhimmel durch seine physischen Kräfte auf den Menschenwirkt, wirkt die Planetensphäre durch dasjenige, was sie an ätherischenKräften in sich hat. Also in feinerer Weise wirkt die Planetensphäre auf denMenschen. Aber es ist schon so, daß der menschliche physische Leib seineForm, seine Gestalt von dem Fixsternhimmel hat, nicht von etwas Irdischem,und seine Lebensstufen von der Planetensphäre.

Wir haben damit betrachtet von dem physischen Leib des Menschen dieGestalt, von dem ätherischen Leib des Menschen die Lebensstufen. Wirkönnen nun vorschreiten zum seelischen und zum geistigen Leben desMenschen. Da müssen wir aber eine andere Betrachtungsweise anstellen.Dasjenige, was uns unser physischer Leib und unser ätherischer Leib imwachen Tagesleben vermitteln, was ist denn das? [99] Das ist dasjenige, waswir durch die Sinne wahrnehmen und was wir durch unser Denken verarbeitenkönnen. Nur in dem, was unsere Sinne wahrnehmen und was wir durch unserDenken verarbeiten können, sind wir wirklich wach.

Betrachten Sie dagegen das Fühlen. Sie werden sich aus einer schonoberflächlichen Betrachtung sagen können, daß das Fühlen nicht in demselbenGrade ein Wachsein bedeutet wie das Denken und das sinnliche Wahrnehmen.Wenn wir des Morgens aufwachen und die äußeren Farben, die Töne an unsherantreten, wenn wir bewußt in die Wärmeverhältnisse versetzt werden, sotritt unser voller, wacher Zustand auf, und wir verarbeiten dann dasjenige, wasuns unsere Sinne liefern, durch unser Denken. Wenn aber die Gefühle aus derSeele heraustauchen, so können wir nicht sagen, daß wir in demselben Gradein den Gefühlen besonnen, bewußt sind. Die Gefühle schließen sich an dieSinneswahrnehmungen an. Die eine Sinneswahrnehmung gefällt uns, dieandere mißfällt uns. Die Gefühle schließen sich auch an unser Denken an.Aber wer das, was wir im Traum erleben an Bildern, vergleicht mit dem, waswir in den Gefühlen erleben, der wird die Verwandtschaft des Träumens mitdem Fühlen sehr wohl merken.

Träume müssen erst vom wachen Gedankenleben erfaßt werden, damit wirsie in der richtigen Weise bewerten und in der richtigen Weise verstehenkönnen. Aber Gefühle müssen auch erst von unserem Denkleben beobachtetwerden gewissermaßen, wenn wir sie in der richtigen Weise mit, unsverbinden wollen. In unserem Fühlen träumen wir eigentlich. Wenn wirträumen, träumen wir in Bildern. Wenn wir wach sind, träumen wir in unserenGefühlen. Und im Wollen schlafen wir auch beim Wachsein vollständig. Siebrauchen sich nur zu überlegen: Wenn Sie einen Arm heben, wenn Sie diesoder jenes tun, so wissen Sie aus der Anschauung, welche Bewegung Ihr Arm,welche Bewegung die Hand ausführt; aber Sie wissen nicht, wie die Kraft desWillens da eigentlich in Ihrem Organismus waltet. Das ist Ihnen so unbekannt,wie die Zustände vom Einschlafen bis zum Aufwachen. [100]

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Indem wir wollen, indem wir handeln, schlafen wir, während wir sonst mitBezug auf unser Sinneswahrnehmen und mit Bezug auf unsere Gedankenwachen. Wir schlafen also nicht nur vom Einschlafen bis zum Aufwachen, wirschlafen mit einem Teil unseres Wesens auch während wir wachen. Wirschlafen mit unserem Wollen und träumen mit unserem Fühlen.

Was wir während des Schlafens erleben, entzieht sich eigentlich unseremBewußtsein. Aber auch dasjenige, was das wahre Wesen des Fühlens und desWollens ist, entzieht sich unserem Bewußtsein. Es ist aber trotzdem wichtig,daß sich der Mensch auch ein Bewußtsein erwirbt von dem, was er in seinenunbewußten Welten, in diesen für das gewöhnliche Leben unbewußten Weltenerlebt.

Sie wissen ja aus den verschiedenen anthroposophischen Betrachtungen,daß wir vom Einschlafen bis zum Aufwachen mit unserem Ich und mitunserem astralischen Leib außerhalb des physischen und des Ätherleibes sind.Nun kann es von ganz besonderer Wichtigkeit werden, gerade diejenigenErlebnisse kennenzulernen, welche das Ich und der astralische Leib haben vomEinschlafen bis zum Aufwachen. Wenn wir wach sind, sind wir denSinneswahrnehmungen der Natur gegenüber; wir stoßen gewissermaßen bis zuden Sinneswahrnehmungen der Natur. Wir kommen aber mit unserenSinneswahrnehmungen und mit unserem wachen Denken nicht weiter als biszu der Oberfläche der Dinge.

Gewiß, es kann jemand einwenden, er käme weiter als bis zu der Oberflächeder Dinge. Er könne ja ein Stück Holz, an dem er sich stößt mit seinerWahrnehmung, zerschneiden, dann sei er im Inneren. Das ist aber nicht wahr,denn wenn Sie ein Stück Holz zerschneiden, dann haben Sie wiederum nureine Oberfläche, und wenn Sie die zwei Stücke wieder zerschneiden, habenSie wiederum Oberflächen. Und wenn Sie bis zu den Molekülen und Atomengehen, haben Sie immer nur Oberflächen. Sie kommen nicht zu dem, was mandas wirkliche Innere der Dinge nennen kann. [101] Das wirkliche Innere derDinge, das liegt jenseits der Sinneswahrnehmungen. Wir können uns dieSinneswahrnehmungen vorstellen wie einen Teppich, der um uns ausgebreitetist. Was diesseits des Teppichs liegt, das nehmen wir durch die Sinne wahr;was jenseits des Teppichs liegt, nehmen wir nicht durch die Sinne wahr. Wirsind in dieser Sinneswelt vom Aufwachen bis zum Einschlafen. Unsere Seeleist erfüllt von dem Eindrucke, den diese Sinneswelt auf uns macht. Wenn wirnun in den Schlaf übergehen, dann sind wir nicht in dieser Welt diesseits derSinne, dann sind wir nämlich in Wirklichkeit im Inneren der Dinge drinnen,dann sind wir jenseits des Sinnesteppichs. Aber der Mensch imErdenbewußtsein weiß nichts davon, und er träumt von allerlei Dingen, die dajenseits der Sinneswahrnehmungen sein sollen. Er träumt von Molekülen, vonAtomen; aber das sind eben nur Träume, Träume des wachen Bewußtseins.Man erfindet Moleküle, Atome, die Wirklichkeiten sein sollen.

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Aber nehmen Sie irgendeine Beschreibung, selbst die sorgfältigste neuereBeschreibung der Atome: nichts anderes ist das als kleine Dinger, die nachdemMuster dessen beschrieben werden, was an der Oberfläche der Dinge wacherlebt wird. Es ist eine Erdichtung, die herausgenommen wird aus dem, wasim wachen Bewußtsein diesseits des Sinnesteppichs erlebt wird.

Aber wenn wir einschlafen, dann dringen wir aus der ganzen Sinnesweltheraus, dann dringen wir hinüber nach der andern Seite. Und wenn wir hiermit unseren Sinnen und mit unserem wachen Denken die Natur erleben, dannerleben wir drüben, jenseits, vom Einschlafen bis zum Aufwachen dieGeisteswelt, diejenige Geisteswelt, die wir auch durchmachen vor unsererGeburt, die wir durchmachen nach unserem Tode. Aber der Mensch ist indieser Erdenentwickelung so eingerichtet, daß, wenn er jenseits der Sinnesweltist, er sein Bewußtsein ausgelöscht erhält. Sein Bewußtsein ist nicht starkgenug, um in diese geistige Welt einzudringen. [102] Dasjenige aber, was unsin der Geisteswissenschaft entgegentritt als Imagination, Inspiration, Intuition,das liefert uns Kenntnisse von dem, was da jenseits des Sinnesteppichs liegt.Und das erste, was wir entdecken, das ist die unterste Stufe jener Welt, die wirdie Welt der Hierarchien nennen.

Wenn wir aufwachen, werden wir in die Welt versetzt, wo Tiere, Pflanzen,Mineralien, wo die Wesen der drei Naturreiche sind, die eben der Sinnesweltangehören. Wenn wir hinüberschlafen jenseits der Sinneswelt, werden wirzunächst versetzt in dasjenige Gebiet, in dem die erste über den Menschengelagerte Wesensstufe der Angeloi, der Engel ist. Und wir stehen vomEinschlafen bis zum Aufwachen zunächst mit jenem Wesen, das demMenschen zugeordnet ist als sein Engelwesen, so in Verbindung, wie wirdurch unsere Augen und Ohren mit den drei Reichen der Natur hier in derSinneswelt in Verbindung stehen. Wenn wir auch zunächst kein Bewußtseinhaben von dieser Verbindung mit der Welt der Angeloi, sie ist doch da, dieseVerbindung. In dasjenige, was unser astralischer Leib ist, reicht dieseVerbindung hinein.

Wenn wir in unserem astralischen Leibe im Schlafe leben und würdenplötzlich aufwachen, würden wir ebenso in Berührung kommen mit der Weltder Angeloi, zunächst mit dem Engelwesen, das mit unserem eigenen Leben inVerbindung steht, wie wir hier in der irdischen Welt mit Tier und Pflanze undMineralien verbunden sind.

Nun aber sieht der Mensch auch in der irdischen Welt, in der Sinneswelt,wenn er aufmerksam ist, wenn er seine Gedanken schult, mehr, als wenn erunaufmerksam, flüchtig ist. Die Verbindung also mit den drei Reichen derNatur kann eine innigere oder eine oberflächlichere sein.

So ist es auch mit der Welt der geistigen Wesenheiten. Nur gibt es da andereBedingungen für diese Welt der geistigen Wesenheiten. [103]

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Ein Mensch, der mit seinen Gedanken ganz in der materiellen Welt aufgeht,der sich niemals erheben will über die materielle Welt, der sich nichtbekanntmachen will mit sittlichen Idealen, die über das bloß Nützlichehinausgehen, der nicht erleben will wirkliche Menschenliebe, der nicht kenntdas fromme Hingeben an die göttlich-geistige Welt im wachen Zustande, dembleiben beim Einschlafen keine Kräfte, um in der richtigen Weise mit seinemEngelwesen in Berührung zu kommen. Dieses Engelwesen wartetgewissermaßen jedesmal unser Einschlafen ab, wieviel wir mitbringen vonidealen Empfindungen, von idealen Gedanken mit diesem Einschlafen. Und jemehr wir von solcher Art mitbringen, desto inniger wird das Verhältnis zudiesem Engelwesen, wenn wir im Schlafe verweilen. Und so sammeln wirgewissermaßen im Wachen durch das ganze Leben hindurch dasjenige, waswir ausbilden in uns über die materiellen Interessen hinweg; wir sammelndasjenige, was die Beziehung zu unserem Engelwesen immer inniger und in-niger macht. Und wenn wir dann durch die Pforte des Todes gehen, dann fälltja von uns alles dasjenige ab, was Sinne sind. Die äußere Welt kann keinenEindruck mehr auf uns machen, denn den muß sie machen durch unsere Sinne.Die fallen aber mit unserem Leib ab. Ebenso erlischt dasjenige Denken, dassich nur an die Sinneswahrnehmung knüpft, denn das ist im ätherischen Leibvorhanden. Der ätherische Leib bleibt uns nur wenige Tage nach dem Todeerhalten. Wir sehen ihn, wie er zunächst da ist, in einem Tableau, das ich ja inanderer Beziehung in diesen Tagen auch in den öffentlichen Vorträgen schonbesprochen habe, das man erkennen, schauen kann, das man aber nach demTode schauen muß.

Aber man sieht zugleich, wie sich dieses ätherische Leibgewebe auflöst imAll, wie die gewöhnlichen Gedanken, die wir an der äußeren Sinnesweltgewonnen haben, von uns fortgehen. Die bleiben nicht. Alles das, was derMensch über das Nützliche gedacht hat im Leben, über die Zusammenhängeder Sinneswelt, was er gedacht hat in Anknüpfung an das Materielle, geht vonuns weg, wenn wir durch die Pforte des Todes gehen. [104] Allein das, waswir an idealen Gedanken und idealen Empfindungen, an reiner Menschenliebe,auch an religiösem Frommsein im echten wahren Sinne des Wortes, inunserem Wachzustande aufgebracht und mit unserem Engelwesen vereinigthaben, das nehmen wir auch mit, wenn wir durch die Pforte des Todesschreiten.

Das bewirkt aber nun etwas ganz Wichtiges in der Zeit, in der wir unszwischen dem Tod und einer neuen Geburt entwickeln. Wir stehen jaallerdings auch im Erdenleben in Verbindung mit den noch höherenHierarchien, und es ist schon richtig, daß, wenn wir einschlafen und dieidealen Erlebnisse an unser Engelwesen herandringen, dann das Engelwesenwiederum mit dem Erzengelwesen, mit dem Archai und so weiter hinauf inVerbindung steht. So daß wir gewissermaßen unser Dasein fortgesetzt findenin einer reichen geistigen Welt.

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Aber diese reiche geistige Welt hat für uns keine besondere Bedeutung,während wir die Zeit zubringen zwischen der Geburt und dem Tode. Erstdadurch bekommt diese Welt der höheren Hierarchien eine große Bedeutungfür uns, daß sie die Welt unserer Umgebung wird zwischen dem Tode undeiner neuen Geburt. Je mehr wir gewissermaßen unserem Engelwesenüberliefert haben, desto mehr kann aber auch nach dem Tode, wenn wir eingeistig-seelisches Wesen sind, dieser Engel uns an bewußtem Leben, anbewußten Seeleninhalten von den höheren Hierarchien geben. Ich möchtesagen: Was unsere Augen hier in der physischen Welt sind, oder unser Ohrhier in der physischen Welt ist, das ist für unser Bewußtsein zwischen demTod und einer neuen Geburt in der geistigen Welt dasjenige, was dasEngelwesen, was überhaupt durch dieses unser Engelwesen die andern Wesenaus dem Reich der dritten Hierarchie im Zusammenhange mit den höherenHierarchien entwickeln. Und unser Bewußtsein wird um so heller, um soinniger leuchtender, je mehr wir an idealen Gedanken und idealenEmpfindungen, an Menschenliebe und religiösem Frommsein unseremEngelwesen zugeführt haben.

Nun kommt zwischen dem Tod und einer neuen Geburt eine gewisse Zeit,wo das Engelwesen mit uns eine bestimmte Aufgabe hat. [105] DiesesEngelwesen muß eine noch innigere, wichtigere Verbindung herstellen mitdem Reiche der Archangeloi, der Erzengel, als es früher der Fall war. Ich habedie Zeit, die der Mensch durchlebt zwischen dem Tod und einer neuen Geburt,von den verschiedensten Gesichtspunkten dargestellt – das kann man auch –,zuletzt noch in meinem Wiener Zyklus vom Jahre 1914, der da heißt: «InneresWesen des Menschen und Leben zwischen Tod und neuer Geburt.» (14) Heutewill ich von einigen anderen Gesichtspunkten aus die Sache darstellen.

Eine gewisse längere Zeit nach dem Tode kommt eben einmal der wichtigeAugenblick, wo gewissermaßen der Engel an den Erzengel überliefern mußdasjenige, was er von uns Menschen aufgenommen hat durch die geschildertenidealen Erlebnisse. Der Mensch wird gewissermaßen hingestellt vor die Weltder Archangeloi, die übernehmen können dasjenige, was er an solch geistig-seelischen Erlebnissen schon zwischen der Geburt und dem Tode entwickelthat. Und das ist der große Unterschied, der sich darstellt zwischen Mensch undMensch in der Zeit zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, daß es inunserer Zeit der Menschheitsentwickelung solche Persönlichkeiten gibt,welche wenig mitbringen von idealen Empfindungen und Gedanken undMenschenliebe, wenn der Engel dem Erzengel abgeben soll für die weitereWeltenentwickelung dasjenige, was wir da hindurchgetragen haben durch diePforte des Todes.

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Die Tätigkeit, die sich da entwickelt zwischen Angeloi und Archangeloi, diemuß unter allen Umständen stattfinden. Aber es ist ein großer Unterschied, obwir durch die geschilderten Erlebnisse mehr mit Bewußtsein verfolgenkönnen, was da mit uns sich abspielt zwischen Angeloi und Archangeloi, oderob wir es nur in einem dumpfen, dämmerhaften Zustande erleben, wie es ebenerleben müssen diejenigen Menschen, die nur von materialistischemBewußtsein sich durchdrungen haben.

Es ist nicht ein ganz zutreffender Ausdruck, wenn ich sage: dumpf,dämmerhaft erleben die Menschen. Ich müßte vielleicht, um genauer es zucharakterisieren, sagen: [106] Sie erleben es so, daß sie fortwährendherausgestoßen werden aus einer Welt, von der sie eigentlich aufgenommenwerden sollen, daß sie fortwährend sich erkältet fühlen von einer Welt, die sieeigentlich warm empfangen soll. Denn sympathisch soll der Mensch von derWelt der Archangeloi in dem wichtigen angeführten Zeitmomente empfangenwerden, warm soll er von ihnen empfangen werden. Dann wird er auch inrichtiger Weise hingeführt zu dem, was ich in einem meiner Mysteriendramengenannt habe «die Mitternachtsstunde» des Daseins. (15)

Dann wird der Mensch wiederum durch die Archangeloi an das Reich derArchai herangeführt. Und indem der Mensch gewissermaßen eingefügt wirddem Reiche der Archai, wird er allen höheren Hierarchien eingefügt, denndurch die Archai kommt er in Beziehung zu allen höheren Hierarchien, und ernimmt nun aus dem Reiche dieser höheren Hierarchien den Drang auf,wiederum herunterzusteigen auf die Erde. Denn er nimmt die Kraft auf,wiederum in dem, was ihm materiell später übergeben wird durch dieVererbungsströmung, geistig-seelisch zu arbeiten.

Und die Mitternachtsstunde des Daseins ist der Punkt im Leben desMenschen zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, der so überschrittenwird, daß wir vorher immer fremder und fremder dem irdischen Daseinwerden, immer mehr und mehr hineinwachsen in die geistige Welt, indem wirimmer sympathischer und sympathischer im vorher charakterisierten Sinnevon dieser geistigen Welt aufgenommen werden, mit immer größerer undgrößerer Wärme von ihr angezogen werden, oder eben abgestoßen werden,erkältet werden.

Dann aber, wenn die Mitternachtsstunde des Daseins da ist, dann neigt sichder Mensch gewissermaßen langsam wiederum zu der Sehnsucht nach demErdendasein herunter. Und er begegnet auf dem zweiten Teile des Weges nunwiederum der Welt der Archangeloi. Es ist wirklich so, daß der Menschzwischen dem Tod und einer neuen Geburt zuerst hinaufsteigt zu der Welt derAngeloi, Archangeloi, Archai, dann wiederum steigt er herunter, und er trifftnach der Welt der Archai vorzugsweise auf die Welt der Archangeloi auf.[107]

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Nun kommt wiederum ein wichtiger Punkt in dem Leben zwischen Tod undneuer Geburt. Demjenigen Menschen, der nichts durch den Todhindurchgeführt hat von idealen Gedanken, idealen Empfindungen,Menschenliebe und wahrem, echtem Frommsein, dem ist von dem Geistig-Seelischen unter den Antipathien der höheren Welt, unter den Erkältungen derhöheren Welt gewissermaßen etwas erstorben. Während bei einem Menschen,der in der rechten Weise geistig-seelisch jetzt an das Reich der Angeloiherankommt, in das Geistig-Seelische innerlich die Kraft eingepflanzt wird, indem späteren Leben wiederum auf der Erde, den Leib durchdringend zuwirken, müssen die Angeloi, wenn der Mensch solche seelisch-geistigenErkenntnisse nicht mitgebracht hat, ihm so, daß es mehr unbewußt wirkt,dasjenige einpflanzen, was Sehnsucht nach dem irdischen Leben ist. Und beidiesem Einpflanzen entscheidet sich außerordentlich viel. Bei diesemEinpflanzen entscheidet sich nämlich jetzt, zu welchem Volke, zu welcherSprache, zu welcher sogenannten Muttersprache der Mensch heruntersteigtzum nächsten irdischen Dasein. Und es entscheidet sich, ob dieser Drang zumVolkstum, zu der Muttersprache mehr innerlich oder ob er mehr äußerlicheingepflanzt wird. So daß der Mensch durchdrungen wird beimHeruntersteigen von innerlicher Liebe zu demjenigen, was dann seineMuttersprache wird, oder mehr automatisch hineinversetzt wird in dasjenige,was er als Sprache durch seine Sprachorgane später zu äußern hat.

Das macht einen großen Unterschied, ob der Mensch auf die eine oder dieandere Art zu der Sprache hin determiniert wird für das kommendeErdenleben. Derjenige Mensch, der schon vor diesem Erdenleben, beimzweiten Durchgang durch das Reich der Angeloi, innerlich seelisch liebevolldurchdrungen werden kann mit der Hinneigung zu seiner Muttersprache, dernimmt diese Muttersprache innerlich auf. Er nimmt sie auf wie einen Teilseines Wesens. Er wird eins damit. Die Liebe wird eine selbstverständliche, siewird eine seelische Liebe. [108] Der Mensch wächst mit Selbstverständlichkeitin die Sprache und in das Volkstum hinein, indem er so hineinwächst.

Wenn der Mensch aber auf die andere Art hineinwächst – ich habe dasgenannt mehr automatisch –, dann kommt der Mensch später, indem er durchdie Geburt zum nächsten Erdendasein heruntersteigt, so auf der Erde an, daß ergewissermaßen nur instinktiv, triebhaft seine Sprache lieben lernt. Was erinnerlich nicht an Liebe, an selbstverständlicher Liebe für seine Sprache, fürsein Volkstum aufbringt, das stößt er dann gleichsam aus seinem Leibesdaseinhervor. Und das macht den großen Unterschied, ob wir in ein Volkstum, ineinen Sprachzusammenhang hineinwachsen mit jener stillen, keuschen Liebe,die derjenige Mensch hat, der innerlich mit Volkstum und Sprache verwächst,oder ob wir hineinwachsen in Sprachtum und Volkstum mehr automatisch, sodaß wir aus dem Triebe, aus den Instinkten gleichsam herausstoßen eineinnerliche Liebe für dieses Volkstum, für diese Sprache.

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Das erstere äußert sich niemals als dasjenige, was man in der WeltChauvinismus nennt, was man ein äußerliches Pochen auf das Volkstumnennt, sondern die wirklich aus einem vorherigen idealen, frommen Erlebenerrungene, innerlich geistig-seelische Liebe zu Volkstum und Sprache äußertsich selbstverständlich und ist mit wahrer universeller Menschenliebedurchaus vereinbar. Niemals wird der kosmopolitische, der internationale Sinndurch eine solche geistig-seelische Liebe zu Sprache und Volkstumverkümmert. Wenn aber der Mensch mehr automatisch in seine Sprachehineinwächst, dann, wenn er dadurch mit seinen Instinkten, mit seinen Triebeneine überhitzte, organische, animalische Liebe zu Sprache und Volkstumentwickelt, dann entsteht dasjenige, was falscher Nationalismus, waschauvinistische Gesinnung ist, was in einer äußerlichen Weise auf dasVolkstum pocht. [109]

Man hat insbesondere in der heutigen Zeit nötig, dasjenige, was uns in derAußenwelt entgegentritt in der Zeit, die wir zubringen als Menschen auf Erdenzwischen der Geburt und dem Tode, zu betrachten vom Gesichtspunkte desLebens zwischen dem Tode und einer neuen Geburt. Denn, wie wir das zweiteMal dem Reich der Archangeloi begegnen, davon hängt es ab, wie wir inVolkstum und Sprache hinein uns versenken durch die Verbindung mit derVererbungsströmung durch die Geburt.

Für denjenigen, der vom geistigen Gesichtspunkte gerade das heutige Lebenverstehen will, tritt als etwas sehr Wichtiges dieses Erleben zwischen dem Todund einer neuen Geburt heran, wenn er zum zweiten Male in das Reich derArchangeloi kommt. Wir sehen heute über das Erdenrund, wie die Völker ineiner falschen Weise auf ihre Nationalität, auf ihre Volkstümlichkeit, auf ihrSprachtum hinschauen. Und vieles von dem, was in der katastrophalen Zeit imzweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in der Menschheitsentwickelung desAbendlandes aufgetaucht ist, wird nur erklärlich, wenn man es unter solchenGesichtspunkten betrachtet. Wer das Leben eben innerlich anthroposophisch,geisteswissenschaftlich anschaut, der muß hinschauen heute bei vielenMenschen auf deren voriges Erdenleben als ein solches, in dem die Menschenin den Materialismus nach und nach sich eingesponnen hatten. Sie kennen alledie Tatsache, daß normalerweise eine längere Zeit verfließt zwischen demTode und einer neuen Geburt. Allein gerade in der heutigenErdenentwickelung sind viele Menschen, welche nur kurze Zeit gehabt habenzwischen ihrem letzten Tode und ihrer diesmaligen Geburt, und sie haben sichschon in ihrem vorigen Erdenleben wenig durchdrungen mit Menschenliebe,mit idealen Empfindungen. Sie waren schon in diesem vorigen Erdenleben aufdie bloße Nützlichkeit bedacht. Und dadurch wurde ihnen bei der zweitenBerührung mit dem Reich der Angeloi zwischen Tod und neuer Geburteigentlich alles dasjenige zubereitet, was jetzt in einer so üblen Weiseherauftaucht im Leben des Abendlandes. [110]

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Geradeso wie man den Menschen als Raumeswesen nur versteht, wenn manweiß, daß man seine Gestalt bis zum Fixsternhimmel zu verfolgen hat, daßman seine Lebensstufen zu verfolgen hat bis zur Planetensphäre, daß derMensch als Raumeswesen eben ein Wesen ist, das nicht allein aus der Erde dieKräfte, die in ihm wirksam sind, zieht, sondern aus dem ganzen Kosmos, sonotwendig zu dieser räumlichen Menschenerkenntnis das Hinausgehen überdas Irdische ist, so notwendig ist es, um das soziale, um das volksmäßigeLeben auf der Erde zu verstehen, über das Leben zwischen Geburt und Todhinauszugehen.

Wenn man vieles von dem heutigen Leben studiert, so findet man, wie dieMenschen heute, trotzdem sie so viel nach Freiheit rufen, eigentlich innerlichunfrei sind; wie in den Bestrebungen, die heute solche Niedergangskräftezeitigen, nicht ein freies Leben pulsiert, sondern die Instinkte und Triebepulsieren und das soziale Leben unglücklich machen. Wenn man dieses sieht,so will man es auch verstehen.

Ebenso nun, wie sich eine zweite Begegnung mit dem Reich derArchangeloi findet, so findet sich später, dann, wenn sich der Mensch schonwiederum sehr nähert seinem Erdenleben, eine innigere Verbindung wiederummit seinem Angelos, mit seinem Engelwesen. Der Mensch wirdgewissermaßen, wenn es wiederum gegen das Erdenleben hingeht, mehrentrückt, herausgezogen aus dem Reich der Archangeloi. Solange er im Reichder Archangeloi ist, ist sein Engel auch stärker verbunden mit diesem Reiche.Der Mensch lebt gewissermaßen in den höheren Hierarchien. Indem er weiterdie Zeit verbringt zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, wird er immermehr und mehr auf das bloße Reich der Angeloi angewiesen, und sie führenihn dann durch die Elemente, durch Feuer, Erde, Luft, Wasser, führen ihndann hin zu dem, was Vererbungsströmung ist. Es führt ihn namentlich seinEngelwesen hin zu dem physisch-irdischen Dasein. Es kann ihn zu einemMenschen machen, der aus dem Tiefsten seines Seelisch-Geistigen heraus freizu handeln in der Lage ist, wenn alle die Bedingungen erfüllt sind durch einvoriges Leben, wie ich es charakterisiert habe. [111]

Aber der Angelos ist nicht imstande, den Menschen zu einem freien Lebenzu führen, wenn der Mensch gewissermaßen automatisch mit seiner Sprache,mit seinem Volkstum hat verbunden werden müssen. Dann wird auch dasindividuelle Leben unfrei. Diese Unfreiheit drückt sich dadurch aus, daß derMensch zwar innerlich auch ein Bewußtsein entwickelt, wenn er nicht freieBegriffe faßt, sondern wenn er innerlich Worte denkt, aber der Mensch wirdveräußerlicht, wird unfrei, gemacht dadurch, daß sein ganzes Denken inWorten aufgeht. Das ist aber sogar ein Grunderlebnis der Menschen derheutigen Zeit, daß ihr Denken eben in Worten aufgeht. Man begreift auch dasErdenleben in seiner geschichtlichen Entwickelung, besonders in seinemgegenwärtigen Zustande nicht, wenn man nicht aufsteigt zu dem Lebenzwischen dem Tod und einer neuen Geburt, zu der geistig-seelischen Welt.

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Will man also die menschliche Gestalt verstehen, muß man zumFixsternhimmel hindeuten. Will man die menschlichen Lebensstufenverstehen, muß man zur Planetensphäre hindeuten. Will man das menschlich-geistig-seelische Leben verstehen, dann kann man nicht stehenbleibenzwischen der Geburt und dem Tode, denn dieses geistig-seelische Lebenwurzelt, wie wir gesehen haben, in der Welt der höheren Hierarchien, wie dasphysische und ätherische Wesen der Menschen zu der physischen undätherischen Außenwelt gehört.

Will man also Denken, Fühlen und Wollen richtig verstehen, dann muß mannicht bloß den Menschen in seiner Beziehung zur sinnlichen Außenwelt insAuge fassen, dann muß man den Menschen ins Auge fassen in bezug auf seinLeben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Denken, Fühlen, Wollensind die Kräfte, durch die sich zunächst unser Seelenwesen entwickelt. Unsereidealen Gedanken, dasjenige, was sich in diese Gedanken, in das Seelenwesenhineinverpflanzt hat aus idealer Liebe, aus Frömmigkeit, das trägt unsgewissermaßen durch die Todespforte. Wie wir unser Denken beeinflußthaben, wie unser Denken von einer idealen Gesinnung durchdrungen war, dasbringt uns in der richtigen Weise zu der ersten Begegnung mit denArchangeloi. [112] Dann aber, indem wir die Mitternachtsstunde des Daseinsüberschreiten, dann verglimmt, möchte ich sagen, unser Denken. Denn diesesDenken ist es, das nun gerade bearbeitet wird nach der Mitternachtsstunde desDaseins hin für das nächste Erdendasein. Und aus demjenigen, was diesesunser Denken war, werden nun diejenigen Kräfte geformt, die die physischenDenkorgane durchziehen im nächsten Erdenleben.

Wenn Sie auf den menschlichen Kopf hinschauen und sehen, wie die Kräftedarinnen wirken, so sind es nicht etwa bloß die Kräfte, die in diesem Lebenwirken. Es sind diejenigen Kräfte, die vom Denken des vorigen Lebensherrühren und die die Form unseres Gehirns zustande bringen. Dagegen beider zweiten Begegnung mit dem Archangeloi ist es namentlich der Wille, derda seine besondere Rolle spielt im seelisch-geistigen Leben des Menschen.Und der Wille, der ist es, der dann im nächsten Erdenleben mehr unserenGliedmaßen-Stoffwechselorganismus ergreift. Dieser Wille tritt dann, wennwir durch die Geburt ins Erdendasein eintreten, als dasjenige auf, was uns vonseiten des Gliedmaßen-Stoffwechselmenschen geschickter oder ungeschickterzu dem oder jenem macht. Ich möchte sagen, in unserem Kopfinneren sehenwir mehr das physische Abbild dessen, was wir im vorigen Leben anGedanken entwickelt haben. In den Fähigkeiten unseres Stoffwechsel-Gliedmaßenmenschen sehen wir das Wirken der neuerworbenen Willenskräfte,die uns nun entweder innerlich-seelisch, wie ich geschildert habe, oder mehrautomatisch eingegliedert werden bei der zweiten Begegnung mit demArchangeloi.

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Wer sieht, wie sich gewissermaßen herausgestaltet hat das gegenwärtigeLeben, das gerade für die abendländische Menschheit zu solchenNiedergangskräften führt, der wird mit dem allergrößten, idealsten Interesse zudemjenigen hinschauen, was tätig war in dem Menschen zwischen dem Todund einer neuen Geburt, in dem Leben, das vorangegangen ist diesemErdenleben. [113] Und er wird gerade aus dem, was er in dieser Beziehungerkennen kann, den starken Impuls bekommen, der Menschheit, die schon inihrer vorigen Inkarnation zu materialistisch war, jetzt, wo die Folgen diesesMaterialismus im Völkerleben aufgetreten sind, dasjenige zu bringen,dasjenige als Anregung zu geben, was wiederum hinführen kann zu einerVerinnerlichung, zur Freiheit, zu einem wirklich innerlichen, das heißtselbstverständlichen Leben in Sprache und Volkstum, das nicht inDisharmonie steht mit dem Internationalismus, mit dem Kosmopolitismus.

Das aber kann nur errungen werden, wenn unser Denken durchglüht werdenkann von wirklicher Geistigkeit. Was enthält denn eigentlich der heutige Geistdes Menschen? Gedanken – Gedanken über etwas. Wenn heute der Menschvon seinem Geiste spricht, spricht er eigentlich nur von seinen Gedanken, vondem mehr oder weniger abstrakten Denken. Was wir brauchen, das istwirklicher Geist, der innerlich in uns eindringt, lebendiger Geist. Von solchemlebendigem Geist handelt aber wirklich Anthroposophie in der Anschauungder Welt, die zwischen dem Tod und einer neuen Geburt liegt. Der Mensch hatalso heute nötig, von seiner Gestalt, von seiner Form, von seinenLebensstufen, von seinem Seelisch-Geistigen aus sich selbst zu betrachten alsangehörig einer Welt, die außerhalb des Irdischen liegt. Dann wird er in dasIrdische das Richtige hereintragen können.

Wir haben es erlebt, wie das Geistige des Menschen allmählich aufgesogenworden ist von den andern Elementen des Erdendaseins, von dem politischenLeben, von dem wirtschaftlichen Leben. Wir brauchen die Hinneigung zueinem selbständigen Geistesleben. Das allein nur kann die Grundlage gebenfür die Durchdringung des Menschen mit wirklicher Geistigkeit, mit geistigerSubstanz, nicht bloß mit den Gedanken über irgend etwas. Deshalb mußAnthroposophie sich geneigt finden, für eine Befreiung des Geisteslebens zuwirken. [114] Wenn dieses Geistesleben sich nicht auf seine eigenenGrundlagen stellt, so wird der Mensch immer mehr und mehr ein Abstraktlingwerden. Er wird sich nicht durchdringen können mit lebendigem Geiste,sondern nur mit abstraktem Geiste.

Wenn der Mensch hier im physischen Leben durch des Todes Pforte geht,so wird sein physischer Leichnam in die Erde versenkt oder den Elementenübergeben. In diesem physischen Leichnam ist nicht mehr der Mensch inseiner wahren Wesenheit. Wenn der Mensch durch die Geburt geht so, daß erin bezug auf Volkstum, auf Sprache, in bezug auf sein eigenes Handelnautomatisch geworden ist durch die geschilderten Vorgänge, dann erstirbt daslebendige Denken, das lebendige Wollen, das lebendige Geistig-Seelische,indem der Mensch in die physische Welt hereingeboren wird.

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Und dann entsteht der Leichnam des göttlich-geistig-seelischen Menscheninnerhalb des physischen Erdendaseins.

In unserem abstrakten, rationalistischen Denken haben wir den Leichnamdes Geistig-Seelischen. Wie wir in dem übriggelassenen physischen Leichnamnicht mehr die wahre Menschenwesenheit haben, so haben wir in einemabstrakten Denken, in einem nicht durchgeistigten Seelenwesen eigentlich nurdas Leichnamhafte der göttlich-geistigen Welt. Und die Menschheit steht ebenheute an dem starken Entscheidungspunkte, wo sie sich entschließen muß, diegeistige Welt wiederum aufzunehmen, damit dasjenige, was mehr oderweniger als göttlich-geistiger Leichnam im abstrakten Denken der MenschheitPlatz gegriffen hat, was nun wieder den Instinkten und Trieben, demautomatischen Wesen Platz gemacht hat, damit das der Mensch wiederumdurchdringen kann.

Sie sehen schon, tief wahr ist es, was ich auch gestern am Schlusse meinesVortrages vor der hiesigen Studentenschaft gesagt habe, tief, tief innerlich wahrist es: Der Mensch braucht in der Gegenwart, wenn er vom Niedergang zueinem wirklichen Aufstieg wiederum kommen will, die Überwindung desAbstrakten, man möchte sagen, des Seelisch-Leichenhaften, das imgegenwärtigen Intellektualismus und Rationalismus vorhanden ist. Der Menschbraucht eine Art Auferweckung des Seelisch-Geistigen. [115] Und dieseAuferweckung des Seelisch-Geistigen, die erkennt man eben in seinerNotwendigkeit aus den Erscheinungen des sozialen und geschichtlichenGegenwartslebens heraus. Wenn man sie richtig und unbefangen erkennt, dannsagt man sich: Anthroposophie hat gewiß eine ewige Aufgabe, eine Aufgabegegenüber dem im Menschen, was über alle Zeitepochen in ihm leben muß.Aber in der heutigen Gegenwart hat sie auch eine zeitliche Aufgabe. Sie mußden Menschen zurückbringen von der Veräußerlichung, von der Lähmung, vonder Ertötung des göttlich-geistigen Lebens in ihm. Sie muß dieses göttlich-geistige Leben zurückbringen, indem der Mensch lernt, sich nicht bloß als einErdenwesen, sondern als ein Himmelswesen anzusehen, indem er lernt, daß ersein Erdendasein in der richtigen Weise nur dadurch führen kann, daß er dieKräfte des himmlischen Daseins, des Daseins zwischen Tod und neuer Geburtin dieses Erdenleben hineinträgt ... [116]

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II. Geistige Hierarchien in der Menschheitsentwicklung

Engel, Volksgeister, Zeitgeister

... Ich möchte gerade bei diesem Vortragszyklus darauf aufmerksammachen, daß er ja in seinem Verlaufe mancherlei enthalten muß, wassozusagen zu den einschneidendsten Wahrheiten unserer Weltanschauunggehört, daß er einiges von dem wird enthalten müssen, was eigentlich demgegenwärtigen menschlichen Denken noch ziemlich fern liegt. Daher bitte ichvor allen Dingen diejenigen der verehrten Freunde, welche sich mit denweitergehenden Fragen der geisteswissenschaftlichen Weltanschauungweniger befaßt haben, darauf Rücksicht zu nehmen, daß wir ja nicht vorwärtskommen würden auf unserm Felde, wenn wir nicht von Zeit zu Zeit immerwieder einen kräftigen Ruck, einen kräftigen Sprung in diejenigen Partiengeistiger Erkenntnis tun würden, welche gerade dem gegenwärtigenmenschlichen Denken, Fühlen und Empfinden eigentlich ziemlich fern liegen.

Von diesem Gesichtspunkte aus wird manchmal den Ausführungengegenüber ein gewisser guter Wille notwendig sein; denn um alles dasherbeizutragen, was herbeigetragen werden müßte an Belegen und Beweisenfür dasjenige, was in den nächsten Tagen von dieser Stelle aus gesprochenwerden wird, dazu gehört eine viel längere Zeit. Wir würden nicht vorwärtskommen, wenn nicht gerade diesen Ausführungen gegenüber sozusagen etwasappelliert würde an den guten Willen, an das Entgegenkommen spirituellenVerständnisses. [119] Es ist in der Tat das Gebiet, welches wir hiermitberühren, ein solches, das so ziemlich bis in unsere Zeiten hinein gerade vonOkkultisten, gerade von Mystikern und Theosophen gemieden worden ist, undzwar gemieden worden ist aus dem Grunde, weil ein höherer Grad vonVorurteilslosigkeit notwendig ist, um die Dinge, die zu sagen sind,gewissermaßen ohne Widerstreben, das manchmal auftauchen könnte,entgegenzunehmen.

Wie das gemeint ist, wird Ihnen vielleicht am verständlichsten werden, wennSie sich erinnern, daß man in einem gewissen Grad mystischer oder okkulterEntwickelung ein heimatloser Mensch genannt wird. Es ist dies geradezu eintechnischer Ausdruck, «heimatloser Mensch», und wenn wir ohne Umschweife– da wir nicht über den Pfad der Erkenntnis sprechen – charakterisieren wollen,was mit dem Worte «heimatloser Mensch» gemeint ist, so können wir kurzsagen, daß derjenige ein heimatloser Mensch genannt wird, der in seinerErkenntnis, seiner Auffassung der großen Menschheitsgesetze in Wahrheitunbeeinflußbar ist von alledem, was sonst im Menschen aufsteigt aus dem Ort,an dem er in Gemäßheit seines Volkstums lebt.

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Ein heimatloser Mensch, können wir auch sagen, ist derjenige, welcher diegroße Mission der Gesamtmenschheit in sich aufzunehmen vermag, ohne daßsich die Nuancen der besondern Gefühle und Empfindungen einmischen, dieaus diesem oder jenem Heimatboden herauswachsen. Sie sehen daraus, daß zueinem gewissen Reifegrad mystischer oder okkulter Entwickelung ein freierGesichtspunkt gerade gegenüber demjenigen gehört, was wir mit Recht sonstals etwas Großes betrachten, was wir anderseits dem einzelnen Menschenlebengegenüber als die Mission der einzelnen Volksgeister, als dasjenige bezeichnen,was aus dem Untergrunde eines Volksbodens, aus dem Geiste der Völker herausdie einzelnen konkreten Beiträge zu der gesamten Mission der Menschheitliefert.

Schildern wollen wir also sozusagen das Große dessen, wovon der heimatloseMensch in gewisser Beziehung frei werden muß. [120] Nun haben dieheimatlosen Menschen aller Zeiten, von den Urzeiten angefangen bis in unsereTage hinein, immer gewußt, daß, wenn sie sozusagen in vollem Umfangecharakterisieren würden dasjenige, was man als den Charakter derHeimatlosigkeit bezeichnet, sie dann wenig, sehr wenig Verständnis findenwürden. Es würde zunächst einmal das Vorurteil diesen heimatlosen Menschenentgegengebracht werden, das sich in dem Vorwurfe ausdrücken würde: Ihrhabt ja allen Zusammenhang mit dem Mutterboden des Volkstums verloren; ihrhabt ja kein Verständnis für das, was den Menschen sonst das Teuerste ist. Nunist es aber nicht so. Heimatlosigkeit ist in gewisser Beziehung doch im Grundegenommen – oder kann es wenigstens sein – ein Umweg, um, nachdem dieseheilige Stätte, diese Heimatlosigkeit erreicht ist, wieder den Rückweg zu findenzu den Volkssubstanzen, den Einklang zu finden mit dem Bodenständigen inder Menschheitsentwickelung. Wenn darauf von vornherein aufmerksamgemacht werden muß, so ist es auf der andern Seite doch nicht unbegründet, daßgerade in unserer Zeit in unbefangenster Weise auch einmal über dasjenigegesprochen wird, was wir die Mission der einzelnen Volksseelen derMenschheit nennen. Ebenso, wie es begründet ist, daß bisher sozusagen bis zueinem gewissen Grade von dieser Mission ganz geschwiegen wurde, ebensobegründet ist es, in unserer Gegenwart damit zu beginnen, von dieser Missionzu reden. Es ist aus dem Grunde von einer ganz besonderen Wichtigkeit, weildie nächsten Schicksale der Menschheit in einem viel höheren Grade als dasbisher der Fall war, die Menschen zu einer gemeinsamen Menschheitsmissionzusammenführen werden. Zu dieser gemeinsamen Mission werden aber dieeinzelnen Volksangehörigen nur dann ihren entsprechenden freien, konkretenBeitrag liefern können, wenn sie vor allen Dingen ein Verständnis haben für ihrVolkstum, ein Verständnis für dasjenige, was man nennen könnte«Selbsterkenntnis des Volkstums». Wenn im alten Griechenland in denapollinischen Mysterien der Satz: «Erkenne dich selbst» eine große Rollegespielt hat, so wird in einer nicht zu fernen Zukunft der Ausspruch an dieVolksseelen gerichtet werden: «Erkennet euch selbst als Volksseelen.»

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Dieser Spruch wird eine gewisse Bedeutung haben für das Zukunftswirken derMenschheit. [121]

Nun wird es unserer Zeit schon ganz besonders schwer, Wesenheitenanzuerkennen, welche für die äußere sinnliche Wahrnehmung, für die äußerematerielle Erkenntnis sozusagen gar nicht da sind. Es wird ja vielleicht nicht soschwierig sein für unsere Gegenwart, anzuerkennen, daß der Mensch, so wie erin der Welt vor uns steht, gewisse Glieder, gewisse Teile seiner Wesenheit hat,die übersinnlich, unsichtbar sind. Es wird sich vielleicht der gegenwärtigematerialistische Sinn der Menschheit noch leichter zu dieser Anschauung führenlassen, daß Wesenheiten, die man wenigstens nach ihrer Außenseite hinphysisch sehen kann, wie die Menschen, auch einen übersinnlichen,unsichtbaren Teil haben. Aber eine starke Zumutung ist es für unsereGegenwart, wenn man zu ihr sprechen soll von Wesenheiten, die eigentlichnach gewöhnlicher Anschauung gar nicht da sind. Denn was ist es eigentlich,was man heute da oder dort Volksseele, Volksgeist nennt? Es ist höchstens das,was man gelten läßt als eine Eigenschaft, als eine gemeinschaftlicheEigenschaft von so und so vielen hundert Menschen oder Millionen vonMenschen, die auf einem gewissen Boden zusammengedrängt sind. Daß irgendetwas, was da lebt außer den vielen Millionen Menschen, die auf dem Bodenzusammengedrängt sind, daß irgend etwas Reales, das sich decken würde mitdem Begriff Volksgeist, diesem Begriffe zugrunde liegt, das ist schwer für einBewußtsein unserer gegenwärtigen Zeit klar zu machen. Wenn man fragenwürde – sagen wir jetzt, um etwas ganz Neutrales zu haben: Was versteht dergegenwärtige Mensch unter dem schweizerischen Volksgeist? – da würde er inabstrakten Ausdrücken einige Eigenschaften beschreiben, welche diejenigenMenschen haben, welche das schweizerische Gebiet der Alpen und des Jurabewohnen, und wird sich klar darüber sein, daß dem nicht etwas entspricht, wasman mit äußeren Erkenntniskräften, mit Augen oder sonstigenWahrnehmungsorganen erkennen könnte. [122] Das muß das erste sein, daßman in offener und ehrlicher Weise sich den Gedanken bilden kann, daß esWesenheiten gibt, die sich ohne weiteres eigentlich nicht sinnlich äußern, demgewöhnlichen materiellen Wahrnehmungsvermögen sich nicht darbieten, daß essozusagen zwischen den Wesen, die sinnlich wahrnehmbar sind, andereunsichtbar wirkende Wesenheiten gibt, die hereinwirken in sichtbareWesenheiten, wie die menschliche Wesenheit in die menschlichen Hände odermenschlichen Finger, daß man also sprechen kann von dem schweizerischenVolksgeist wie von dem Geiste eines Menschen, und daß man diesen Geist desMenschen ebenso genau von dem unterscheiden kann, was man in den zehnFingern vor sich hat, wie man den schweizerischen Volksgeist unterscheidenkann von den Millionen von Menschen, die in den Bergen der Schweiz leben.Er ist noch etwas anderes, nämlich eine Wesenheit, wie der Mensch selber eineWesenheit ist.

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Nur unterscheiden sich die Menschen davon dadurch, daß sie demWahrnehmungsvermögen des Menschen eine sinnliche Außenseite darbieten. Indemselben Maße, wie sich der Mensch dem sinnlichenWahrnehmungsvermögen darbietet, bietet eine äußere Erscheinung, etwas, wasman mit Empfindungsorganen oder äußeren Sinnen sehen oder wahrnehmenkann, ein Volksgeist nicht dar, aber er ist dennoch eine durchaus realeWesenheit.

Heute wird es sich darum handeln, uns gewissermaßen eine Vorstellung zubilden von einer solchen realen Wesenheit. Wie machen wir das überhaupt inder Geisteswissenschaft, wenn wir uns von einer realen Wesenheit eineVorstellung bilden wollen? Ein charakteristisches Beispiel, wie wir uns eineVorstellung bilden von einer realen Wesenheit, gewinnen wir, wenn wir zuersteinmal den Blick auf das Wesen des Menschen werfen. Wenn wirgeisteswissenschaftlich den Menschen beschreiben, unterscheiden wir an ihmden physischen Leib, den Äther- oder Lebensleib, den Astralleib oderEmpfindungsleib und das, was wir als das höchste Glied der menschlichenWesenheit betrachten, das Ich. (17) Wir wissen also, daß wir in dem, was wirphysischen Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich nennen, sozusagen dengegenwärtigen Menschen vor uns haben. [123] Sie wissen aber auch, daß wirauf eine Entwickelung der Menschheit in der Zukunft hinblicken, und daß dasIch an den drei niederen Gliedern der menschlichen Wesenheit arbeitet, so daßes diese Glieder vergeistigt, umarbeitet von der gegenwärtigen niederen in diezukünftige höhere Form. Das Ich wird das Astrale umarbeiten, umformen, sodaß es etwas anderes werden wird, als was es heute schon ist. Der Astralleibwird dann darstellen das, was Sie unter dem Namen Geistselbst oder Manaskennen. Ebenso wird eine noch höhere Arbeit des Ich an dem Ätherleibe oderLebensleibe geleistet werden dadurch, daß es ihn umarbeitet und umprägt indas, was wir Lebensgeist oder Buddhi nennen. Und endlich ist die höchsteArbeit des Menschen, die wir uns vorläufig denken können, die, daß derMensch das widerstrebendste Glied seiner Wesenheit, den physischen Leibvergeistigen, umwandeln und metamorphosieren wird in das Geistige. Es wirddas höchste Glied der menschlichen Wesenheit sein, wenn das Ich umgestaltethaben wird das, was heute physischer Leib ist, das, was heute uns am gröbstenund materiellsten entgegentritt, wenn das Ich es umgestaltet haben wird in denGeistesmenschen oder Atma. So blicken wir auf drei Glieder der menschlichenNatur, die sich in der Vergangenheit entwickelt haben, auf eines, in dem wirjetzt darinnen stehen, und auf drei andere, aus denen das Ich etwas Neues in derZukunft machen wird.

Wir wissen auch, daß zwischen der Arbeit, die verflossen ist, und zwischender Arbeit, die in der Zukunft verfließen wird, um die drei höheren Glieder zubilden, etwas dazwischen liegt. Wir wissen, daß wir das Ich selber gegliedertuns denken müssen. Es arbeitet an einer Art von Zwischenwesenheit.

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Wir sprechen daher davon, daß zwischen dem Astralleibe, wie er aus derVergangenheit dem Menschen geworden ist, und dem Geistselbst oder Manas,das aus diesem Astralleib in ferner Zukunft dem Menschen werden wird, in derMitte darinnen liegen die drei vorbereitenden Glieder; das sind: dieEmpfindungsseele, das niederste Glied, in dem das Ich gearbeitet hat, dieVerstandes- oder Gemütsseele und die Bewußtseinsseele. [124] So daß wirsagen können: Von dem, was wir herausarbeiten als Geistselbst oder Manas,von dem ist außerordentlich wenig heute beim Menschen vorhanden, höchstensder Anfang. Dagegen hat sich der Mensch dadurch zu dieser künftigen Arbeitvorbereitet, daß er seine drei niederen Glieder in einer gewissen Weise, ingewissem Maße hat beherrschen gelernt. Er hat sich vorbereitet dadurch, daß erden Empfindungsleib oder den astralischen Leib hat beherrschen gelernt, indemer mit seinem Ich in denselben eingedrungen ist und innerhalb desEmpfindungsleibes die Empfindungsseele herausgebildet hat. Ebenso wie dieEmpfindungsseele in einem gewissen Verhältnis zum Empfindungsleibe steht,so steht die Verstandes- oder Gemütsseele in einem gewissen Verhältnis zumÄther- oder Lebensleibe, so daß die Verstandes- oder Gemütsseele einschwaches Vorbild dessen ist, was der Lebensgeist oder Buddhi sein wird, zwarein schwaches Vorbild, aber doch ein Vorbild. Und das, was in derBewußtseinsseele sich befindet, ist in gewisser Weise von dem Ichhineingearbeitet in den physischen Leib. Daher ist sie ein schwaches Vorbilddessen, was einst Geistesmensch oder Atma sein wird. Wir können auch sagen:Gegenwärtig erkennen wir am Menschen, wenn wir absehen von geringfügigenTeilen, die er schon aus dem astralischen Leibe herausgearbeitet hat als Anfangdes Geistselbstes oder Manas, vier verschiedene Glieder. Wir können heuteunterscheiden:

l. den physischen Leib,2. den Ätherleib,3. den Astralleib,4. das in demselben arbeitende Ich,

und ferner, wie ein Vorglanz zu den höheren Gliedern:

die Empfindungsseele,die Verstandesseele,die Bewußtseinsseele. [125]

Da haben wir den Menschen als eine Wesenheit vor uns, wie er sich unsheute darbietet, und da erfassen wir sozusagen diesen Menschen in demgegenwärtigen Augenblicke seines Werdens. Wir sehen förmlich das Ichherausarbeiten, nachdem als Vorbereitung ihm geworden ist dieEmpfindungs-, Verstandes- und Bewußtseinsseele, die höheren Glieder.

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Wir sehen dieses Ich arbeiten mit den Kräften der Empfindungs-, Verstandes-und Bewußtseinsseele an dem astralischen Leibe, an den Anfängen desGeistselbstes. Wir sehen den Menschen gegenwärtig in diesem Momenteseines Arbeitens.

Diejenigen – und es werden die meisten von Ihnen sein –, die sich mit dembefaßt haben, was wir die Erforschung der Akasha-Chronik nennen, (18) mitder Entwickelung des Menschen in urferner Vergangenheit und mit demAusblick in die ferne Zukunft, die werden wissen, daß die Menschen, wie ichsie Ihnen skizzenhaft charakterisieren konnte, sich entwickelt haben, daß wirzurückschauen können in ferne Vergangenheit, daß die Menschen langeEntwickelungsepochen gebraucht haben, um die erste Anlage ihres physischenLeibes, dann die erste Anlage des Ätherleibes und endlich des Astralleibes zubilden und diese drei Glieder dann weiter zu entwickeln. Der Mensch hat dazulange Zeiträume gebraucht, und Sie wissen vielleicht auch, daß der Menschdie frühere Entwickelung seines Wesens, zum Beispiel die Entwickelungseines astralischen Leibes, nicht in demselben Zustande der Erdedurchgemacht hat, in dem die Erde heute ist, sondern daß er seinenastralischen Leib entwickelt hat in einem früheren Zustande des Erdendaseins,dem Mondendasein. Wie wir das heutige Leben als die Folge frühererErdenleben, früherer Verkörperungen erkennen, so blicken wir auch auffrühere Verkörperungen unserer Erde zurück. Das, was wir Empfindungsseele,Verstandes- oder Gemütsseele nennen, wurde erst in dem heutigenErdendasein gebildet. [126] In dem Mondendasein wurde der astralische Leibeingepflanzt, und in einem noch früheren Dasein unserer Erde, demSonnenzustande, wurde der Ätherleib eingepflanzt und endlich während desSaturnzustandes der physische Leib. So daß wir auf drei Verkörperungen derErde zurückblicken, und auf jeder dieser Verkörperungen sehen wir eines derGlieder, die der Mensch heute in sich trägt, zuerst veranlagt und dann weiterausgebildet.

Noch etwas anderes ist zu betonen, wenn wir von dem Saturn-, Sonnen-,Monden-Zustande reden. Genau so, wie wir als Menschen auf der Erde denZustand durchmachen, den wir den selbstbewußten Menschheitszustandnennen können. So haben während früherer Zustände unsererErdenentwickelung, während des alten Monden-, Sonnen- undSaturnzustandes andere Wesen die Stufe durchgemacht, die wir heute auf derErde durchmachen. Es ist dabei ziemlich gleichgültig, ob man mit derTerminologie, die man im Orient gebraucht, oder mir derjenigen, die mehr imOkzident üblich ist, die Wesenheiten benennt. Diejenigen Wesenheiten, diewährend des Mondenzustandes unserer Erde auf der Stufe standen, auf der derMensch heute steht, und die die nächsthöheren Wesenheiten sind, die über unsstehen, nennen wir in der Terminologie der christlichen Esoterik Angeloi oderEngel.

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Sie stehen eine Stufe höher als der Mensch, weil sie um eine Epoche früherihre Menschheitsstufe absolviert haben, so daß diese Wesenheiten dasjenige,was wir heute sind, dazumal während des alten Mondenzustandes waren. Siewaren es aber nicht so, daß sie damals auf dem Monde herumgegangen wärenwie die Menschen heute auf der Erde. Sie waren Wesenheiten auf derMenschheitsstufe, aber sie lebten nicht im Fleische wie der Mensch heute. Soentsprach nur ihre Stufe der Entwickelung dem Menschsein, das der Menschheute durchmacht. Ebenso finden wir Wesenheiten noch höherer Art, welchewährend des alten Sonnenzustandes die Menschheitsentwickelungdurchgemacht haben. Es sind die Archangeloi oder Erzengel. Das sindWesenheiten, die zwei Stufen höher stehen als der Mensch, die zwei Epochenfrüher ihre Menschheitsstufe durchgemacht haben. [127] Wenn wir nochweiter zurückgehen bis zur ersten Verkörperung unseres Erdendaseins, biszum Saturnzustand, da finden wir, daß da diejenigen Wesenheiten ihreMenschheitsstufe durchgemacht haben, die wir als Geister der Persönlichkeit,Archai, Urbeginne bezeichnen, so daß wir, wenn wir bei diesen Wesenheitenbeginnen – die also in urferner Vergangenheit, während des altenSaturnzustandes Menschen waren – und dann die Verkörperungen der Erdeverfolgen bis auf unseren Zeitpunkt, vor uns haben die Entwickelungsstufen derWesen bis herunter zu unserer Wesenheit. Wir können also sagen: Urbeginne,Archai waren Menschen auf dem alten Saturn; Erzengel, Archangeloi warenMenschen auf der alten Sonne; Engel oder Angeloi waren Menschen auf demalten Mond; Menschen sind Menschen auf unserer Erde.

Da wir nun wissen, daß wir in der Zukunft unsere Entwickelungweiterführen, dasjenige, was unsere niederen Glieder sind, weiter entfalten, alsodasjenige, was heute unser astralischer Leib, unser Äther- oder Lebensleib undunser physischer Leib ist, so müssen wir doch fragen: Ist es nicht ebensonatürlich, daß die Wesenheiten, die früher die Menschheitsstufe durchgemachthaben, jetzt schon auf der Stufe sind, wo sie umarbeiten ihren astralischen Leibin das Geistselbst oder Manas? Wie wir während der nächsten Verkörperungunserer Erde – während des Jupiter-Daseins – fertig werden mit derUmgestaltung unseres Astralleibes in Geistselbst oder Manas, so sind fertiggeworden diejenigen Wesenheiten, die während der Mondepoche Menschenwaren, die Angeloi, mit der Umgestaltung ihrer Astralleiber in Geistselbst oderManas, oder sie werden damit während unseres Erdendaseins fertig werden. Siemachen das durch während unserer Erdenverkörperung, was wir erst währendder nächsten Verkörperung der Erde werden durchzumachen haben. Blicken wirnoch weiter zurück auf die Wesen, die während des alten SonnendaseinsMenschen waren, so können wir sagen: Sie haben schon während desMondenzustandes das durchmachen müssen, was wir erst in der nächstenErdenverkörperung werden durchmachen müssen. [128]

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Sie stehen bei der Arbeit, die der Mensch ausführen wird, wenn er mit seinemIch umarbeitet seinen Äther- oder Lebensleib in Lebensgeist oder Buddhi. Wirhaben also in diesen Archangeloi, in diesen Erzengeln Wesenheiten, die zweiStufen über uns stehen, die auf der Stufe stehen, die wir einst erreichen werden,wenn wir von unserem Ich aus umarbeiten werden den Lebensleib inLebensgeist oder Buddhi. Wir blicken, wenn wir zu diesen Wesenheitenaufschauen, so zu ihnen auf, daß wir sagen: Wir sehen in ihnen Wesenheiten,die zwei Stufen über uns stehen, Wesenheiten, in denen wir gleichsamvorausgenommen sehen, was wir selber in Zukunft erleben werden; wir blickenzu ihnen auf als zu solchen Wesen, die heute arbeiten an ihrem Äther- oderLebensleib und ihn umformen zu Lebensgeist oder Buddhi. Ebenso blicken wirauf zu noch höheren Wesenheiten, zu den Geistern der Persönlichkeit. Siestehen auf einer noch höheren Stufe als die Erzengel, auf einer Stufe, die derMensch erreichen wird in noch fernerer Zukunft, wenn er wird umarbeitenkönnen den physischen Leib in Atma oder Geistesmensch.

So wahr der Mensch auf der jetzigen Stufe seines Daseins ist, so wahr sinddiese entsprechenden Wesenheiten auf den eben charakterisierten Stufen ihresDaseins, so wahr stehen sie über uns, so wahr sind sie Realitäten. Nun steht ihreRealität nicht etwa fern dem Erdendasein, sondern greift vielmehr in dasselbeein, wirkt hinein in unser Menschendasein. Wir müssen uns jetzt nur fragen:Wie wirken diese über dem Menschen stehenden Wesenheiten in unserMenschheitsdasein hinein? Wenn wir uns dieses Hineinwirken begreiflichmachen wollen, dann müssen wir darauf Rücksicht nehmen, daß solcheWesenheiten sozusagen in ihrer Arbeit einen anderen geistigen Anblickdarbieten werden als diejenigen Wesenheiten, die wir heute Menschen nennen.[129] Es ist in der Tat ein beträchtlicher Unterschied zwischen diesenWesenheiten, die über dem Menschen stehen, und denjenigen Wesenheiten, dieheute erst auf der Menschheitsstufe sich befinden. So sonderbar das jetzt auchklingen mag, es wird Ihnen im Laufe der nächsten Tage noch vollständig klarwerden. Es ist doch durchaus aus wirklicher Geistesforschung herausgesprochen: Der Mensch, wie er heute ist, ist gewissermaßen in einemMittelzustand seines Daseins. So wie heute sein Ich an seinen niederen Gliedernarbeitet, wird es nicht immer bleiben. Es ist gleichsam das ganze menschlicheWesen heute wie in sich zusammenhängend, und es bildet gleichsam eine durchnichts unterbrochene Wesenheit. Das kann in der Zukunft derMenschheitsentwickelung anders werden, und es wird wesentlich anderswerden. Wenn der Mensch einmal so weit sein wird, daß er mit vollemBewußtsein an seinem Astralleib arbeiten und mit seinem Ich diesen Astralleibin Geistselbst oder Manas umarbeiten wird, dann wird ein ähnlicher Zustand beivollem Bewußtsein vorhanden sein, wie er jetzt beim Unbewußtsein oderUnterbewußtsein des Menschen im Schlafe vorhanden ist.

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Stellen Sie sich einmal den Schlafzustand des Menschen vor. Der Menschrückt beim Schlafzustand in bezug auf seinen Astralleib und sein Ich aus seinemphysischen Leib und seinem Ätherleib heraus, er läßt sie im Bette liegen undschwebt dann gleichsam außerhalb des physischen und Ätherleibes. Denken Siesich jetzt in diesem Zustande den Menschen so, daß das Bewußtsein erwacht:Ich bin ein Ich, – daß es so erwacht in diesem Geistesleib, wie es im tagwachenBewußtseinszustande da ist. Was würde der Mensch schon gegenwärtig füreinen merkwürdigen Anblick für sich selber darbieten! Er würde an einer Stellefühlen: «Da bin ich», und vielleicht da unten, weit weg von dieser ersterenStelle: «Da ist mein physischer Leib und mein Ätherleib; sie sind an jenem Orteund sie gehören zu mir, aber ich mit meinen anderen Gliedern, ich schwebeaußerhalb, da oben». [130] Wenn der Mensch heute bewußt wird in seinemAstralleibe, außerhalb seines physischen und Ätherleibes, dann kann erallerdings – und wenn er heute auf der Erde sozusagen noch so hoch entwickeltist – nichts anderes tun, als frei in seinem Astralleibe sich da- oder dorthinbewegen und kann unabhängig von seinem physischen Leibe da oder dort in derWelt tätig sein, aber das kann er dann noch nicht mit seinem physischen undÄtherleibe. Man wird sie aber in ferner Zukunft auch von einer Stätte desNordens von Europa zum Beispiel von außen hingeleiten können nach eineranderen Stätte, ihnen befehlen: Geht weiter! und sie dann in ihrer Bewegungvon außen lenken. Das geht heute noch nicht. Das wird aber der Menschkönnen, wenn er sich über die Stufe der Erdenentwickelung zu der Jupiterstufeentwickelt haben wird, zu der folgenden Entwickelungsstufe unseresErdenplaneten. Das wird auch der folgende Entwickelungszustand desMenschen sein. Wir werden dann fühlen, daß wir gewissermaßen für uns selbstder Dirigent von außen sein werden. Das ist das Wesentliche. Und das führt zueiner Spaltung von dem, was wir heute die menschliche Wesenheit genannthaben.

Das materialistische Bewußtsein kann damit allerdings nicht viel anfangen.Es kann nicht verfolgen dasjenige, was heute schon in gewisser Beziehung realin der Außenwelt wirkt in ähnlicher Weise, wie es einmal in der Zukunft beimMenschenwesen vorhanden sein wird. Solche Erscheinungen sind schon heuteda. Die Menschen könnten sie wahrnehmen, wenn sie acht geben würden. Siewürden dann sehen, daß es gewisse Wesenheiten gibt, die zum Beispiel zu frühsich so entwickelt haben. Wie der Mensch, wenn er den richtigen Zeitpunktabwartet, im richtigen Zeitpunkt den Jupiterzustand erreichen wird, so daß erleiten kann seinen physischen und ätherischen Leib, so gibt es auch Wesen,welche in gewisser Beziehung sich vorschnell entwickelt haben, ohne denrichtigen Zeitpunkt abgewartet zu haben. Solche vorzeitig entwickelteWesenheiten haben wir in unserer Vogelwelt, und zwar in solchen Wesenheitender Vogelwelt, welche jedes Jahr die großen Wanderzüge über die Erdevollführen. Da ist es die sogenannte Gruppenseele, welche mit dem ätherischenLeibe eines jeden Vogels zusammenhängt. [131]

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So wie die Gruppenseele die regelmäßigen Wanderzüge der Vögel über dieErde hin dirigiert, so wird der Mensch, nachdem er sein Geistselbst oder Manasentwickelt hat, das, was wir physischen und ätherischen Leib nennen,befehligen, ihnen gebieten, sie in Bewegung setzen. In einem noch höherenSinne wird der Mensch diese dirigieren, von außen in Bewegung setzen können,wenn er einmal so weit entwickelt sein wird, daß er auch noch umarbeitend inbezug auf den Äther- oder Lebensleib wirkt. Solche Wesenheiten, die das schonkönnen, gibt es schon heute. Das sind die Archangeloi oder Erzengel. Das sindWesenheiten, die das bereits können, was der Mensch einmal können wird,Wesenheiten, die dasjenige vollbringen können, was man nennen kann «seinenätherischen und seinen physischen Leib von außen dirigieren», die aberaußerdem auch noch arbeiten können an ihrem eigenen Ätherleibe.

Bilden Sie sich als Idee den Begriff von Wesenheiten, die sozusagen imUmkreis unserer Erde wirken, die in der geistigen Atmosphäre unserer Erdeenthalten sind mit ihrem Ich, die von diesem ihrem Ich aus schon umgewandelthaben ihren astralischen Leib, so daß sie ein vollentwickeltes Geistselbst oderManas besitzen, die aber jetzt mit diesem vollentwickelten Geistselbst oderManas weiterwirken auf unserer Erde und hereinarbeiten in die Menschen,indem sie unseren Äther- oder Lebensleib umgestalten; Wesenheiten, die aufder Stufe stehen, auf welcher sie den Äther- oder Lebensleib zu Buddhi oderLebensgeist umgestalten. Wenn Sie sich solche Wesenheiten denken, die alsoauf der Stufe der geistigen Hierarchien stehen, die wir Erzengel nennen, habenSie einen Begriff von dem, was man «Volksgeister» nennt, was man diedirigierenden Volksgeister der Erde nennt. Die Volksgeister gehören in dieStufe der Archangeloi oder Erzengel. Wir werden sehen, wie sie ihrerseits denÄther- oder Lebensleib dirigieren, und wie sie dadurch wieder hineinwirken indie Menschheit und diese in ihre eigene Tätigkeit einbeziehen. [132] Wenn wirdie verschiedenen Völker unserer Erde betrachten und einzelne herausheben,dann werden wir in dem eigentümlichen Weben und Leben dieser Völker, indem, was wir die besonderen, charakteristischen Eigenschaften dieser Völkernennen, ein Abbild von dem haben, was wir als die Mission der Volksgeisterbetrachten können.

Wenn wir die Mission dieser Wesenheiten erkennen – Inspiratoren derVölker sind diese Wesenheiten –, dann können wir sagen, was ein Volk ist. EinVolk ist eine zusammengehörige Gruppe von Menschen, welche von einem derArchangeloi, einem der Erzengel geleitet wird. Die einzelnen Glieder einesVolkes bekommen das, was sie als Glieder des Volkes tun, was sie als Gliederdes Volkes vollführen, von einer solchen Seite her inspiriert. Dadurch, daß wiruns vorstellen, daß diese Volksgeister individuell verschieden sind, wie dieMenschen auf unserer Erde, werden wir es begreiflich finden, daß die einzelnenverschiedenen Gruppen der Völker die individuelle Mission dieser Archangeloisind. Wenn wir uns einmal geistig veranschaulichen, wie in der WeltgeschichteVolk nach Volk und auch Volk neben Volk wirkt, so können wir jetzt,wenigstens in abstrakter Form – die Form wird immer konkreter und konkreter

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werden in den nächsten Vorträgen – uns vorstellen, daß alles, was da vor sichgeht, inspiriert ist von diesen geistigen Wesenheiten. Aber eines wird uns wohlleicht vor die Seele treten können: daß neben diesem Wirken von Volk nachVolk noch etwas anderes stattfindet in der Menschheitsentwickelung. Siekönnen, wenn Sie jenen Zeitraum überblicken, den wir von der großenatlantischen Katastrophe aus rechnen, die das Antlitz der Erde so weit veränderthat, daß jener Kontinent, der bestanden hat zwischen dem heutigen Afrika,Amerika und Europa, in jener Zeit untergegangen ist, die Zeiträumeunterscheiden, in welchen die großen Völker gewirkt haben, bei denen dienachatlantischen Kulturen herauskamen: die alte indische, die persische, dieägyptisch-chaldäische, die griechisch-lateinische und unsere gegenwärtigeKultur, die nach einiger Zeit in die sechste Kulturepoche übergehen wird. Wirbemerken auch, daß nacheinander darin gewirkt haben verschiedeneVölkerinspiratoren. [133] Wir wissen, daß noch lange die ägyptisch-chaldäischeKultur gewirkt hat, als die griechische Kultur schon ihren Anfang nahm, unddaß die griechische Kultur noch weiter waltete, als die römische schon ihrenAnfang genommen hatte. So können wir die Völker nebeneinander undnacheinander betrachten. Aber in allem, was sich in und mit den Völkernentwickelt, entwickelt sich noch etwas anderes. Es ist ein Fortschritt in dermenschlichen Entwickelung. Es kommt dabei nicht in Betracht, ob wir das einehöher oder niedriger stellen. Es kann zum Beispiel einer sagen: Mir gefällt dieindische Kultur am besten. Das mag ein persönliches Urteil sein. Wer aber nichtauf persönliche Urteile schwört, der wird sagen: Es ist gleichgültig, wie wir dieDinge bewerten; der notwendige Gang führt die Menschheit vorwärts, mag mandas später auch Niedergang nennen: Die Notwendigkeit führt die Menschheitvorwärts. Wenn wir die verschiedenen Zeiträume vergleichen, 5000 Jahre vorChristus, 3000 Jahre vor Christus und 1000 Jahre nach Christus, dann ist etwasnoch da, was über die Volksgeister hinübergreift, etwas, woran dieverschiedenen Volksgeister teilnehmen. Sie brauchen das nur in unserer Zeit insAuge zu fassen: Woher kommt es, daß in diesem Saale so viele Menschenzusammensitzen können, die aus den verschiedensten Volksgebietenherkommen und sich verstehen und sich zu verstehen versuchen in bezug aufdas Allerwichtigste, was sie hier zusammengeführt hat? Die verschiedenenMenschen kommen aus dem Bereich der verschiedensten Volksgeister heraus,und dennoch gibt es etwas, worin sie sich verstehen. In ähnlicher Weiseverstanden sich und konnten sich verstehen in damaliger Zeit die verschiedenenVölker untereinander, weil es in jeder Zeit etwas gibt, was die Volksseeleübergreift, die verschiedenen Volksseelen zusammenführen kann, etwas, wasman überall mehr oder weniger versteht. Das ist dasjenige, was man mit demrecht schlechten, aber gebräuchlichen deutschen Wort «Zeitgeist» benennt oderauch «Geist der Epoche». Der Geist der Epoche, der Zeitgeist, ist ein anderer inder griechischen Zeit, ein anderer in der unsrigen. Diejenigen, welche den Geistin unserer Zeit erfassen, werden zur Theosophie hingetrieben. [134]

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Das ist das aus dem Geiste der Epoche über die einzelnen VolksgeisterÜbergreifende. In derjenigen Zeit, in der Christus Jesus auf der Erde erschien,bezeichnete sein Vorläufer, Johannes der Täufer, den Geist, den man alsZeitgeist bezeichnen könnte, mit den Worten: «Ändert die Verfassung derSeele, denn die Reiche der Himmel sind nahe herbeigekommen.» (19)

So kann man für jede Epoche den Zeitgeist finden, und. das ist etwas, wassich hineinwebt in das Weben der Volksgeister, das wir damit zu gleicher Zeitals das Weben der Archangeloi charakterisiert haben. Für den heutigenmaterialistischen Menschen ist der Zeitgeist etwas ganz Abstraktes ohneRealität, und noch weniger darf man ihm damit kommen, in dem Zeitgeist einwahres Wesen zu sehen. Dennoch verbirgt sich hinter dem Worte «Zeitgeist»eine wirkliche Wesenheit, keine andere Wesenheit als eine solche, die dreiStufen über der Menschheitsstufe steht. Jene Wesenheiten verbergen sichdahinter, die schon auf dem alten Saturn, der am weitesten zurückliegendenEntwickelungsepoche der Erde, ihre Menschheitsstufe durchmachten, und dieheute aus dem geistigen Umkreis der Erde an der Umgestaltung der Erdearbeiten und dabei die letzte Phase sozusagen an der Umgestaltung ihresphysischen Leibes in Geistesmensch oder Atma durchmachen. Mit hohenWesenheiten haben wir es hier zu tun, mit Wesenheiten, gegenüber derenEigenschaften den Menschen ein Schwindel überkommen möchte. Es sinddiejenigen Wesenheiten, die wir wieder bezeichnen könnten als die eigentlichenInspiratoren – oder wir müssen auf diesem Gebiete sagen, wenn wir mittechnischen Ausdrücken des Okkultismus sprechen wollen –, die Intuitoren desZeitgeistes oder der Zeitgeister. Sie wirken so, daß sie sich abwechseln undgleichsam einer dem andern die Hand reicht. Von Epoche zu Epoche reichen siesich ihre Aufgabe zu. Der Geist der Epoche, der während der griechischen Zeitwirkte, reicht weiter die Mission an den, der später wirkt und so weiter. Siewechseln sich also ab. [135] Es sind, wie wir sahen, eine Anzahl solcherZeitgeister, solcher Geister der Persönlichkeit, die als Zeitgeist wirken. Sie sindeine höhere Rangordnung gegenüber den Volksgeistern, diese Geister derPersönlichkeit, diese Intuitoren des Zeitgeistes. In jedem Zeitalter wirktvorzugsweise einer und gibt diesem Zeitalter seine Gesamtsignatur, gibt seineAufträge an die Volksgeister, so daß dasjenige, was der Gesamtgeist der Epocheist, sich spezialisiert, individualisiert nach den Volksgeistern. Dann wird erabgelöst in der kommenden Epoche von einem andern Zeitgeiste, einem andernGeiste der Persönlichkeit, einem andern Arché oder Archai.

Wenn eine gewisse Anzahl von Epochen vorübergegangen ist, dann ist einZeitgeist durch die Weiterentwickelung hindurchgegangen. Das müssen wir unsso vorstellen: Wenn wir in unserer Zeit sterben und unsere Entwickelung hierdurchgemacht haben, so gibt unsere Persönlichkeit das Ergebnis diesesErdenlebens an das nächste Erdenleben weiter. So ist es auch mit den Geisternder Epoche der Fall. In jeder Epoche haben wir einen solchen Geist der Epoche;der gibt am Ende der Epoche sein Amt an seinen Nachfolger ab, dieser wiederan seinen weiteren Nachfolger und so weiter.

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Die vorangegangenen machen inzwischen ihre eigene Entwickelung durch,dann kommt derjenige, der am längsten nicht daran gewesen ist, wieder an dieReihe, so daß derselbe in einer spätern Epoche; während die andern dann ihreeigene Entwickelung durchmachen, als Geist der Epoche wiederkommt und fürdie fortgeschrittene Menschheit das, was er selber für seine höhere Missionerworben hat, intuierend der Menschheit einflößt. Wir blicken zu diesenGeistern der Persönlichkeit hinauf, zu diesen Wesen, die mit dem sonst sonichtssagenden Worte «Zeitgeist» benannt werden können, so, daß wir sagenkönnen: Wir Menschen gehen von Inkarnation zu Inkarnation; wir wissen aberganz genau, daß, indem wir selber von Epoche zu Epoche schreiten, indem wirin die Zukunft sehen, immer andere Zeitgeister die Geschehnisse unserer Erderegieren. [136] Aber auch unser heutiger Zeitgeist wird wiederkommen, wirwerden ihm wieder begegnen. Wegen dieser Eigenschaft dieser Geister derPersönlichkeit, daß sie gleichsam Kreise beschreiben und wieder zu ihremAusgangspunkte zurückkommen, daß sie Zyklen beschreiben, wegen dieserEigenschaft werden sie auch «Geister der Umlaufszeiten» genannt. – Wirwerden diesen Ausdruck noch genauer zu rechtfertigen haben. – Also diesehöheren geistigen Wesenheiten, die ihre Befehle ausgeben an die Volksgeister,werden auch Geister der Umlaufszeiten genannt. Es sind damit gemeint jeneUmlaufszeiten, die der Mensch selber durchzumachen hat, indem er von Epochezu Epoche in gewisser Weise zurückkehrt zu früheren Zuständen und sie inhöherer Form wiederholt. Nun sehen Sie, dieses Wiederholen derEigentümlichkeiten früherer Formen, das kann Ihnen auffallen. Wenn Sie ingeisteswissenschaftlichem Sinne genau die Entwickelung derMenschheitsstufen auf der Erde durchnehmen, so finden Sie diese wiederholtenGeschehnisse in der verschiedensten Weise. So ist eine Wiederholung darin,daß sozusagen sieben Epochen sich folgen nach der atlantischen Katastrophe,die wir nennen die nachatlantischen Kulturstufen. Die griechisch-lateinischeStufe oder Kulturepoche bildet sozusagen den Wendepunkt in unserm Zyklusund erleidet daher keine Wiederholung. Auf diese folgt die Wiederholung derägyptisch-chaldäischen Epoche, und zwar in unserer eigenen Zeit. Auf diesewird folgen eine andere Epoche, die eine Wiederholung der persischen Zeit seinwird, allerdings in etwas anderer Art, und dann wird die siebente Epochekommen, die eine Wiederholung der uralt-indischen Kultur, der Epoche derheiligen Rishis sein wird, so daß in dieser Epoche gewisse Dinge in andererForm heraus kommen werden, die damals veranlagt worden sind. Die Lenkungdieser Geschehnisse obliegt den Zeitgeistern. [137]

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Daß nun auf die Erde verteilt in verschiedenen Völkern das ausgelebt wird,was von Epoche zu Epoche weiterschreitet, daß die verschiedensten Gestaltenaus diesem oder jenem Boden gebildet werden, aus dieser oder jenerSprachgemeinschaft herauswachsen, aus dieser oder jener Formensprache, ausArchitektur, Kunst und Wissenschaft entstehen können und alle dieMetamorphosen annehmen können und alles das aufzunehmen vermögen, wasder Geist der Epoche der Menschheit einflößen kann, dazu brauchen wir dieVolksgeister, die in der Hierarchie höherer Wesenheiten zu den Erzengelngehören.

Nun brauchen wir noch eine Vermittlung zwischen der höheren Mission derVolksgeister und denjenigen Wesenheiten, die hier auf der Erde von ihneninspiriert werden sollen. Sie werden unschwer erkennen können, zunächst inabstrakter Form, daß die Vermittler dieser beiden Geisterarten die Hierarchieder Engel sind. Sie bilden das vermittelnde Glied zwischen Volksgeist undEinzelmensch. Damit der Mensch in sich hineinbekommen kann, was derVolksgeist dem ganzen Volke einzuflößen hat, damit der einzelne Mensch einWerkzeug werde in der Mission des Volkes, dazu bedarf es dieser Vermittlungzwischen Einzelmensch und Erzengel des Volkes.

So haben wir hinaufgeschaut zu den Wesen, welche Mensch geworden sind,drei Stufen bevor der Erdenmensch seine Menschheitsstufe erreichte, und habengesehen, wie sie sich hineinstellen in ihrem Bewußtsein in die Menschheit undeingreifen in unsere Erdenentwickelung. Wir werden nun morgen zu zeigenhaben, inwiefern das Arbeiten der Erzengel von oben herunter, von ihrem Ichaus, das schon Manas oder Geistselbst ausgebildet hat und am Ätherleib oderLebensleib des Menschen arbeitet, gerade in den Produktionen, in denEigenschaften und in dem Charakter eines Volkes sich darlebt. Der Menschsteht darin in dieser Arbeit der höheren Wesenheiten, unmittelbar umgibt sieden Menschen, indem er als Angehöriger eines Volkes in dieselbe hineingestelltist. Der Mensch ist zwar zunächst eine menschliche Individualität, eineAusgestaltung einer Ichheit, dann aber ist er nicht nur Individualität, sondernauch Angehöriger eines Volkes und damit etwas, wofür er zunächst alsmenschliche Individualität nichts kann. Was kann der Mensch, indem er einembestimmten Volke angehört, dafür, daß er gerade die Sprache dieses Volkesspricht? [138] Das ist nicht eine individuelle Errungenschaft, das gehört auchnicht zu dem, was wir ein individuelles Fortschreiten nennen, das ist dasStrombett, in das er aufgenommen wird. Das, was wir menschlichesFortschreiten nennen, ist etwas ganz anderes. Indem wir die Volksseele webenund leben sehen, werden wir uns erinnern, worin das Fortschreiten desMenschen besteht und was der Mensch braucht, um sich durch dasselbedurchzubewegen. Wir werden sehen, was sozusagen nicht nur zu seinerEntwickelung, sondern zur Entwickelung noch ganz anderer Wesenheitengehört.

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So sehen wir, wie der Mensch eingegliedert ist in die Reihe der Hierarchien,wie in seiner Entwickelung von Zeit zu Zeit, von Epoche zu EpocheWesenheiten, die wir von der anderen Seite her kennen, mitwirken. Und wirhaben gesehen, wie dafür gesorgt wird, daß sich diese Wesenheiten in dermannigfaltigsten individuellen Weise ausleben können, haben gesehen, daß das,was sie zu liefern haben, sich hineinleben kann in die Menschen.

Die großen Richtlinien der einzelnen Epochen geben die Zeitgeister. DieAusbreitung des Zeitgeistes über die ganze Erde hin wird durch die einzelnenVölkerindividualitäten möglich. Während die Zeitgeister die Volksgeisterbefähigen, wird durch die Engel bewirkt, daß diese einfließen können in dieeinzelnen Menschen, so daß die einzelnen Menschen ihre Mission erfüllenkönnen. Daß die einzelnen Menschen Werkzeuge werden in dieser Mission derVolksgeister, das wird bewirkt durch die Wesen, welche zwischen denMenschen und den Volksgeistern stehen, durch die Engel oder Angeloi. ... [139]

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Der Michael-Impuls und das Mysterium von Golgatha

... Heute soll zunächst von mancherlei die Rede sein, welches uns die großeMission der anthroposophischen Weltanschauung aus dem ganzen Charakterunserer gegenwärtigen Kulturepoche vor Augen führen kann. Wir stehen in derTat – ich habe das öfter betont und davon eingehender gesprochen – in einemwichtigen Abschnitt der menschlichen Erdenentwickelung, und ich habe öftersbetont, daß, wenn man ja bei oberflächlicher Betrachtung derMenschheitsevolution der Erde gar oftmals jedes Zeitalter einÜbergangszeitalter nennt, so muß man von einem gewissen Gesichtspunkte ausunser Zeitalter vielleicht nicht gerade ein Übergangszeitalter, aber einbedeutungsvolles Zeitalter für die ganze Entwickelung der Menschheit nennen.

Ein erster Gesichtspunkt, den ich heute vor Sie hinstellen will, ist der, den ichoft schon erwähnt habe; daß Anthroposophie, von der wir wissen, daß sie heutein das menschliche Kulturleben durch Notwendigkeiten der Erdenentwickelungsich hineinleben muß, daß Anthroposophie, wenn auch ihre Ergebnisse nurerforscht werden können von der geschulten Seele des Geistesforschers, dochvon jeder Menschenseele, die nur will, die nur Unbefangenheit genug der Sacheentgegenbringt, verstanden werden, begriffen werden kann.

Da kann natürlich gleich eingewendet werden: Ja, aber es gibt doch nurwenige Menschen, die das Bewußtsein haben, daß ihnen wahr zu sein scheintdas, wovon die Anthroposophie spricht. Und die Mehrzahl der Menschenbetrachtet das, was von der Geisteswissenschaft, der Geistesforschung kommt,als Phantasterei, als Träumerei, wenn nicht gar noch – nun wir haben ja gesterngehört – als eine der „sieben Sekten des Verderbens.“ (20) [140]

Was liegt da eigentlich zugrunde? Kann gegenüber der Tatsache, daß nocheine überaus große Menge Menschen der Gegenwart sich findet, die sagen: Ja,wir können Anthroposophie nicht verstehen, sie erscheint uns eben alsPhantasterei, – kann demgegenüber aufrechterhalten werden die Behauptung,daß diese Wahrheit, die von wenigen verstanden wird, doch für denunbefangenen Menschensinn erkennbar ist?

Ich habe in dem gestrigen öffentlichen Vortrage auseinandergesetzt,wodurch man zu übersinnlichen Erkenntnissen kommen kann, daß mangewisse Kräfte der Seele frei machen kann von ihrem Eingreifen in dasLeibliche. Ich habe erwähnt, wie die Denk-, Sprach- und Willenskräfte freiwerden können, sich emanzipieren können vom Körperlichen, so daß sie reinim Seelischen, im Geist-Seelischen wirken können, und daß sie dann dieKräfte sind, welche sich eben ausbilden durch Meditation, Konzentration undKontemplation, die dann eindringen in die übersinnlichen Welten. Alle dieKräfte, die befähigen, einzudringen in die übersinnlichen Welten, kommendavon, daß der Mensch seine Seele loslösen kann von alledem, womit derMensch im Leiblichen verbunden ist. Also in den Erkenntniskräften, mit denendie übersinnlichen Welten erforscht werden können, haben wir es mitleibfreien Seelenkräften zu tun.

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Nun gibt es aber im ganz alltäglichen Leben eine Seelenkraft, welche ineiner gewissen Weise schon in sich hat, was mit den anderen Seelenkräftenangestrebt wird bei der Geistesforschung, und diese Seelenkraft ist dieDenkkraft, wie sie sich äußert im gewöhnlichen, unbefangenen, gesundenMenschenverstand. Diese gewöhnliche Denkkraft nämlich, sie kann untergewissen Voraussetzungen, ohne daß sie weiter entwickelt wird, selber schonals etwas Leibfreies sich darstellen.

Mit diesem Denken hat es nämlich folgende Bewandtnis. Dieses Denken, dasalso jede Seele heute in sich als eine Kraft haben kann, hat gewissermaßen zweiGesichter, ist ein Januskopf. [141] Dieses Denken ist entweder vom Gehirnabhängig, bringt nur dasjenige als Gedanken zum Bewußtsein, was sich imGehirn, im Nervensystem spiegelt. Dann ist dieses Denken mehr passiv, ist einsolches Denken, das sich anlehnen will an das Instrument des Gehirns. Oderaber dieses Denken kann sich schon einfach – ohne irgendwelche Meditation –durch inneres Aufraffen, dadurch daß es seiner selbst in seiner wahrenWesenheit sich bewußt wird, daß es sich losreißen will von der Anlehnung andas Gehirn, freimachen: dann ist es ein mehr aktives Denken.

Beides sind Seiten des gesunden menschlichen Denkens, wie es heute jedeSeele haben kann. Denken ist in jeder Seele, aber es kann in zweifacher Weisebenutzt werden. Zunächst so: der Mensch kann sich in sich selber erkraften,kann in sich selber Gedanken prägen. Dann ist dieses Denken in seiner Aktivitätso, daß es voll entgegenkommt allem, selbst den scheinbar gewagtestenBehauptungen der Geistesforschung. Wenn, aber dieses Denken sich nichterkraften will, nicht in seiner Aktivität sich erfassen will, dann muß es sichanlehnen an das Instrument des Denkens, das Gehirn, dann bringt es überhauptnur Gedanken hervor, die mit dem Instrument des Gehirns erfaßt werden, danndenkt der Mensch nicht aktiv, dann denkt er passiv.

Wichtiger fast als jede andere – allerdings nicht für die unmittelbareGegenwart, sondern für die Zukunft – ist die Einteilung in aktive Denker undpassive Denker. Diejenigen, die etwas von selbständigem, innerlich freiemDenken in sich erkraften, die aktiv denken können, werden schon durch denTrieb dieses Denkens herzugedrängt zu der geisteswissenschaftlichenForschung. Diejenigen, die nicht tätig denken wollen, sondern nur inAbhängigkeit vom Gehirn, werden sagen, die anthroposophische Forschung istPhantasterei, weil sie keinen Begriff haben von dem, was in einem freienDenken erfaßt werden kann, weil sie hingegeben sein wollen an das Instrumentdes Gehirns. So daß man sagen kann, daß sie nicht in sich selbst denken wollen,nur in sich für sich selber denken lassen. [142]

Gerade unter diesem Gesichtspunkte ist die Anhängerschaft, das Verhaltengegenüber der anthroposophischen Weltanschauung heute im Grundegenommen eine Sache der inneren Emsigkeit, des inneren Erkraftens oder derinneren Bequemlichkeit, der inneren Faulheit.

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Das Denken, das emsig sein will, sich innerlich erkraften will, das begreift dieErgebnisse der Geisteswissenschaft; das Denken, das sich der Krücke bedienenwill, des Instruments, das bloß im Spiegelbild des Gehirns sich die Gedankenzum Bewußtsein bringen will, das ist bequem, das will in sich nur denkenlassen, das wird die anthroposophische Forschung aus Bequemlichkeit ablehnenmüssen. Und alle Philosophien und alle Schreibereien, welche in die Welthinauslaufen und scheinbar wissenschaftlichen und geistvollen Charakterannehmen und sagen, daß man nicht begreifen könne, was anthroposophischeForschung zustande bringen kann, das beruht auf einer zunächst unbewußten,aber tief innerlichen Bequemlichkeit des menschlichen Denkens, das nicht aktivwerden, sondern passiv bleiben will. Bequem ist die Anhängerschaft zuranthroposophischen Weltanschauung nicht.

Das ist im Grunde genommen die Wahrheit über die Sache. Und wenn Sie inVersammlungen kommen, die sich ja heute nicht mehr materialistisch nennen,die sich monistisch vielleicht nennen und die sich auslassen über die«Phantastereien» der Geisteswissenschaft, so liegt da manches andere zugrunde,als was in diesen Versammlungen gesprochen wird. Da liegt zugrunde dasUnvermögen, zum aktiven Denken fortzuschreiten, da liegt ferner dieAnmaßung zugrunde weil man selber sich nicht zum aktiven Denken aufraffenwill –, die Bequemlichkeit des passiven Denkens zum obersten Grundsatz dermenschlichen Forschung zu machen.

Bequemlichkeit im Gebrauch von Seelenkräften führt ja schon imgewöhnlichen Leben zuweilen zu etwas, was öfter zu beobachten ist. [143]Wenn jemand sich diese oder jene Rede anhören will und zu bequem ist, mitden Ausführungen mitzugehen, schläft er nach und nach ein und verschläftdasjenige, was eigentlich in seiner Absicht war zu erfahren, vielleicht auchnicht in seiner Absicht war zu erfahren. Mit einem solchen Verschlafen einesnotwendigen Entwickelungsimpulses der Menschheit wird man es zu tunhaben bei allen denjenigen, die sich nicht aufraffen können zu einem aktivenDenken in der Gegenwart und der nächsten Zukunft. Verschlafen wird man einAllerwichtigstes. Denn, wenn auch diese oder jene Menschen nichts davonwissen wollen, hinter dem, was sich abspielt in unserer Sinnenwelt, liegen dieübersinnlichen Wesenskräfte, übersinnliche Vorgänge. Deshalb, weil ein Teilder Menschheit verschlafen will, was eigentlich geschieht, werden sich dochdie übersinnlichen Vorgänge abspielen. Mit wichtigen übersinnlichenVorgängen haben wir es in unserer gegenwärtigen Epoche zu tun! Und allesinnlichen Vorgänge sind die äußeren Ausgestaltungen von übersinnlichenVorgängen. Wenn wir sozusagen den Schleier durchschauen, in welchem sichalle sinnlichen Vorgänge der Entwickelung unserer Epoche darbieten, dannkommen wir hinter diesen Schleier zu den übersinnlichen Vorgängen. Und umsie, die übersinnlichen Vorgänge, zu charakterisieren, die jetzt gerade wichtigsind; wollen wir uns daran erinnern, daß alles Leben im Weltenall auf einersich steigernden Entwickelung beruht.

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Verfolgen wir den Entwickelungsweg des Menschen, so finden wir ihnzunächst, seiner ersten Anlage nach, in der alten Saturnzeit. Wir finden ihndann mit einem neuen Element durchsetzt in der alten Sonnenzeit, noch weiterausgebildet in der alten Mondenzeit und mit dem vierten Element, dem Ich, inder Erdenzeit. Und wir wissen ja, daß seine Seelenkräfte in der Jupiterzeit einesolche Gestaltung annehmen werden, daß er sich mit den Wesenheiten derHierarchie der Angeloi vergleichen läßt. [144]

So wie nun der Mensch in seiner Entwickelung fortschreitet undhinaufsteigt, so schreiten aber auch die anderen Wesenheiten der einzelnenHierarchien von niederen Stufen zu höheren Stufen. Nicht nur die menschlicheHierarchie unterliegt einer solchen sich noch steigernden Entwickelung,sondern auch die über den Menschen stehenden Hierarchien. Nehmen wirunter diesen Hierarchien die eine, zwei Stufen höherstehende als der Mensch,die Hierarchie der Archangeloi, der Erzengel. Nun habe ich schon gesterngesagt, man nimmt es heute im allgemeinen von mancher verständigen Seitenicht übel, wenn man vom Geist im allgemeinen redet. Wenn man abereingeht auf Klassen, Ordnungen, Individuen, wie man es doch bei Pflanzen,Tieren und anderen Bereichen in der Naturwissenschaft tut, dann nimmt es derheutige Kulturmensch sehr übel. Dennoch muß man es, wenn man es imKonkreten mit der geistigen Welt zu tun haben will.

Wenn Sie jenen Vortragszyklus, den ich in Kristiania gehalten habe über dieEntwickelung von Volksstämmen, (21) in die Hand nehmen, so sehen Sie, daßdie Entwickelung von Volksstämmen mit der Hierarchie der Erzengelzusammenhängt. Die aufeinanderfolgenden Epochen unterstehen denUrkräften, den Archai, den Geistern der Persönlichkeit.

Wenn wir nun die wichtigsten Wesenheiten aus der Reihe der Archangeloinehmen, so haben wir Namen, die uns auch sonst begegnen, die wir auchgebrauchen können wie andere Namen: Raphael, Gabriel, Michael und soweiter.

Diese Wesenheiten können wir mit solchen Namen benennen, denn der Nameist ja gar nicht das Wesentliche. Wir benennen sie, wie wir eben andere Dingeauch mit Namen nennen. Sie spielen eine gewisse Rolle in dem, was wir alsTatsachen der übersinnlichen Entwickelung finden. Von dieser übersinnlichenEntwickelung ist aber unsere sinnliche Entwickelung abhängig. Wir könnentatsächlich ganz gut geisteswissenschaftlich unterscheiden zwischen deneinzelnen Wesenheiten aus der Hierarchie der Archangeloi. [145] Nichtabstrakt durch bloßes Namen-Hinpfahlen, sondern wir können unterscheidenso, daß wir die hauptsächlichsten Kulturimpulse, die sich äußerlich in dersinnlichen Welt auf einem Fleck der Erde zum Beispiel in den erstenchristlichen Jahrhunderten ergeben, von einer anderen Wesenheit beherrschtsehen als die, welche die hauptsächlichsten Kulturimpulse bei den leitendenVölkern, sagen wir im 12. und 13. Jahrhundert, beherrschte, und die, welcheunsere Kulturentwickelung beherrscht.

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Bleiben wir zunächst bei dem, was für unsere Kulturentwickelung inBetracht kommt. Da haben wir deutlich zu unterscheiden zwischen demCharakter desjenigen Zeitalters, das etwa im 15., 16. Jahrhundert begonnenhat, das seine hauptsächliche Signatur hat von dem Aufkommen der neuenNaturwissenschaften, das die Naturwissenschaften bis zu jener Größe gebrachthat, die uns im 19. Jahrhundert entgegentritt und die nicht genug bewundertwerden kann.

Wenn man diese Jahrhunderte der naturwissenschaftlichen Arbeit dergesamten Menschheit ins Auge faßt, dann muß man sagen, sie ist geführtworden von gewissen Völkerschaften, die gelenkt wurden aus derübersinnlichen Welt heraus von einem ganz bestimmten Wesen aus derHierarchie der Archangeloi, und dieses Wesen unterscheidet sich ganz genauvon dem Wesen, das jetzt unsere beginnende geistige Kulturepoche von derübersinnlichen Welt aus leitet. Wenn man Namen, die im Abendlandgebräuchlich geworden sind, für diese leitenden Wesenheiten aus derHierarchie der Archangeloi geben will, kann man sagen: Seit der Christus-Zeither waren verschiedene Wesenheiten leitend für die fortschreitende Kultur.Ohne auf diese Namen pochen zu wollen, will ich eben die Namen einer Reihevon Wesenheiten aus der Hierarchie der Erzengel aufzählen, wie man Namenvon Menschen nennt, die an irgend etwas teilhaben auf dem physischen Plan,einer Reihe von Wesenheiten aus der Hierarchie der Archangeloi, diebeherrscht haben die fortschreitende Kultur: Oriphiel, Anael, Zachariel,Raphael, Samael, Gabriel, Michael.

Gabriel war der leitende Geist in derjenigen Kulturperiode, die ebenabgelaufen ist für die geistige Welt seit dem letzten Drittel des 19.Jahrhunderts. [146] Denn in der Tat beginnt mit diesem letzten Drittel des 19.Jahrhunderts – und dies wird immer mehr hervortreten – eine Epoche, inwelcher ganz andere Einflüsse und Impulse aus der übersinnlichen Welt in diesinnliche hineinströmen. Während in der verflossenen Epoche dieMenschenseelen vorzugsweise hingerichtet waren auf das, was die Sinneschauen, der Verstand begreifen kann, werden die Menschen der kommendenZeit, welche die fortschreitende Entwickelung nicht verschlafen wollen,vorzugsweise zu beachten haben, wie immer mehr übersinnliche Weisheit undErkenntnisse hereindringen werden ans den übersinnlichen Welten in dieirdische sinnliche Entwickelung.

Wenn man äußerlich charakterisieren will, könnte man sagen: In derabgelaufenen Epoche hatten die übersinnlichen Wesen genug damit zu tun, dieInspirationen, die Intuitionen, die hereinfließen können aus den übersinnlichenWelten, möglichst abzuhalten von dem physischen Leben. Es hatten dieHierarchien damit zu tun, daß sie nicht hineinfließen konnten in die Seelen.

Von jetzt an werden die übersinnlichen Kräfte so gelenkt und geleitet vonder übersinnlichen Welt aus, daß möglichst viele Inspirationen und Intuitionenhineinfließen können in die Menschenseele, so daß ein Wissen vonImagination, Inspiration, Intuition die Menschenseele wird ergreifen können.

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So bar allen inspirierten Wesens, aller Erkenntnisse des Geistigen dasabgelaufene Zeitalter war, so erfüllt von inspiriertem, von intuitivem Wesenwerden die wirklich lebendigen Kulturimpulse der folgenden Zeit sein.

Unmöglich wäre es gewesen, vor fünfzig Jahren dasjenige zu Menschen zusprechen, was durch den notwendigen Gang der Weltenentwickelung heute zuIhnen gesprochen werden kann, weil es damals unmöglich gewesen wäre,unmittelbar aus den geistigen Welten diese Dinge herunter zu bekommen. DasTor ist erst jetzt geöffnet worden. Und wie die verflossenen Zeiten amgünstigsten für die Verstandesentwickelung waren, so wird die nächste Zeitam günstigsten sein für die Entwickelung der Inspiration und Intuition. [147]

Hart aneinander stoßen zwei Zeitalter: Eines, das abgeneigt war allerInspiration, und eines, in dem zwar mächtige Kräfte mit allen Mittelnankämpfen werden gegen alle Inspiration, in dem aber die Möglichkeit seinwird, die Inspiration aufzunehmen, sie zum Tonangebenden zu machen in denMenschenseelen.

Und wenn wir in die Sache weiter hineinschauen, so entdecken wir, daß dieübersinnlichen Kräfte, die nicht unmittelbar hineinfließen konnten in dieMenschenseelen im abgelaufenen Zeitalter, nicht etwa untätig waren. Das, waseine äußere Physiologie nicht konstatieren kann, ist doch Wahrheit: ImZeitalter des Gabriel ist auch gearbeitet worden von der übersinnlichen Weltaus in die sinnliche hinein. Diese Arbeit ist geleistet worden am physischenLeib des Menschen. Innerhalb des Vorderhirns entstanden in dieser Zeit feineStrukturen, die nach und nach durch das Gabriel-Regiment in die menschlicheGeneration eingepflanzt worden sind, wodurch die Menschen zum großen Teilmit solchem Gehirn geboren werden, welches andere, feinere Strukturen hieram Vorderhirn hat, als es bei den Menschen des 12. und 13. Jahrhunderts nochder Fall war.

Das war die Aufgabe des Zeitalters, in dem die Menschen den Sinn lenktenauf das Physisch-Sinnliche, abgeschlossen waren gegen das Inspirierte, daß indie Leiblichkeit hinein sich die Impulse der übersinnlichen Welt ergossen unddiese feine Struktur im Gehirn ausbildeten.

Und immer mehr und mehr wird diese Struktur da sein bei denen, die jetztsich fähig fühlen werden, zum aktiven Denken und zum Verstehen derGeisteswissenschaft fortzuschreiten. Und dann werden in unserer Epoche, inderjenigen Epoche, an deren Anfang wir eigentlich erst stehen, dieübersinnlichen Kräfte nicht verbraucht, um Strukturen im Gehirn zu bilden,sondern um unmittelbar in die Seelen einzufließen, durch Imagination undInspiration zu wirken, einzufließen in die menschlichen Seelen. Das ist dasMichael-Regiment. [148]

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So unterscheiden sich zwei Wesenheiten in der Reihenfolge der Archangeloidadurch, daß der eine, Gabriel, der geleitet hat den Menschen unmittelbar vorunserem Zeitalter, gearbeitet hat an der feineren Ausbildung des Gehirns, unddaß derjenige, der nun beginnt zu arbeiten, nicht die Aufgabe hat, einmenschliches Organ umzugestalten, sondern einzupflanzen in diemenschlichen Seelen Verständnis für die spirituelle Wissenschaft. So grenzenwir voneinander ab die Wesenheiten, welche der Hierarchie der Archangeloiangehören.

An diesen zwei Beispielen versuchte ich, Ihnen gleichsam konkreteEigenschaften, Charaktereigenschaften dieser beiden Wesenheitenhinzustellen. Nicht mit Namen wollen wir uns begnügen; denn, wie wir nichtswissen von einem Menschen, wenn wir nur wissen, daß er Müller heißt, sowissen wir auch nicht viel von Gabriel, wenn wir nur seinen Namen wissen.Aber dann wissen wir etwas von einem Menschen, wenn wir angeben können,er ist ein mitleidsvoller Mensch, er hat dies oder jenes getan. So wissen wirauch etwas von einer übersinnlichen Wesenheit, wenn wir sagen können, daßsie Kräfte einfließen ließ in den physischen Menschenleib, die Kräfte, diegewisse Strukturen im Vorderhirn haben entstehen lassen durch diemenschliche Fortpflanzungskraft. Und wir charakterisieren den Geist, dieWesenheit, die auf ihn folgt, richtig, wenn wir aufweisen seine Tätigkeit imErreichen des Verständnisses für die inspirierten, intuitiven Wahrheiten. Nichtso sehr für den Geistesforscher, den Initiierten selbst, sondern für diejenigen,die verstehen wollen die Geistesforschung, die zu aktivem Denken übergehenwollen, wirkt Michael, wenn die Kräfte des aktiven Denkens immer mehr inder Menschheit sich ansammeln in den folgenden Jahrhunderten.

Dieser Übergang ist noch in anderer Beziehung ein wichtiger. Durchdasjenige, was da geschehen ist, bildet sich immer mehr eine Menschheitheran, die durch ihre Organisation in der Lage ist, gedächtnismäßig inzukünftigen Inkarnationen wirklich zurückzuschauen auf frühereInkarnationen. Aber die Menschheit muß sich in diese Lage erst versetzen.[149]

Man kann sich nicht an etwas erinnern, an das man niemals gedacht hat.Wenn man abends gedankenlos seine Manschetten ausgezogen hat undgedankenlos die Knöpfe hinlegt, so kann man sie am andern Morgen nichtfinden, weil man nicht daran gedacht hat. Wenn man den Gedanken gefaßt hat,sich das Bild der Umgebung von den Knöpfen, die man abgelegt hat,einzuprägen, wird man am nächsten Morgen schnurstracks zu dem Platzehingehen, wo man sie hingelegt hat.

So wie das für das gewöhnliche Leben gilt in bezug auf dasErinnerungsvermögen, so sollte es auch begriffen werden für den großenHorizont in bezug auf frühere Erdenleben. An das innerste Wesen der Seelemüssen wir uns zuerst erinnern; an das, was wirklich hinübergeht in dasWesen der Seele. Aber dazu müssen wir dieses innerste Wesen zuerst erfaßthaben. Das können wir nur durch okkulte Schulung.

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Wenn man sich nicht bemüht hat, den Gedanken des Wesens der Seele zuhaben in der früheren Inkarnation, so kann man sich auch nicht daranzurückerinnern, mag man noch so gut organisiert sein. Organisiert zurRückerinnerung werden die Menschen sein, aber sie werden dieseOrganisation zunächst als Krankheit empfinden, als Nervosität, als einenfurchtbaren Zustand, wenn sie sie nicht gebrauchen können. Denn sie werdenorganisiert sein, um sich zurückzuerinnern, aber sie haben nichts, woran siesich erinnern können. Wenn der Mensch Eindrücke hat, die er nicht verwerten,Organe in sich hat, die er nicht gebrauchen kann, dann erkrankt er.

Dem gehen wir entgegen, daß die Menschen in den folgenden Zeitalterndazu organisiert sein werden, sich zurückzuerinnern an frühere Erdenleben,daß aber nur diejenigen sich erinnern können, die etwas zum Erinnern haben,die also das Menschenseelenwesen in seiner Eigenart als Glied der geistigenWelt durch okkulte Schulung erkannt haben. In jedem Leben, das auf einsolches folgt, in dem man die Seele als Geistwesen erkannt hat, kommt dieRückerinnerung an frühere Erdenleben. So stehen wir an einem wichtigenWendepunkt. [150] Geisteswissenschaft verstehen, heißt im Grunde nichtsanderes, als ein Gefühl haben für diesen Wendepunkt in unserer Zeit.

Nun sind nicht alle Wesenheiten, die der Hierarchie der Archangeloiangehören, gleich geartet, gleich im Rang. Wenn wir von der Hierarchie derArchangeloi sprechen, kann man sagen, die lösen sich zwar so ab, wie ichgesagt habe. Aber der höchste im Range, gleichsam der Oberste ist derjenige,der in unserem Zeitalter die Herrschaft zu führen beginnt, ist Michael. Er isteiner aus der Reihe der Archangeloi, aber er ist gewissermaßen derFortgeschrittenste. Nun gibt es eine Entwickelung, und die Entwickelungumfaßt alle Wesen. Alle Wesen sind in einer sich steigernden Entwickelung,und wir leben in dem Zeitalter, wo Michael, der Oberste von der Natur derArchangeloi, übergeht in die Natur der Archai. Er wird allmählich übergehenin eine leitende Stellung, wird eine leitende Wesenheit, wird Zeitgeist, leitendeWesenheit für die ganze Menschheit.

Das ist das Bedeutsame, das ist das ungeheuer Wichtige unseres Zeitalters,daß wir begreifen, daß das, was in allen vorhergehenden Epochen noch nichtda war, für die ganze Menschheit nicht da war, nun sein kann, werden muß einGut für die ganze Menschheit. Was bisher bei einzelnen Völkern auftrat –spirituelle Vertiefung –, kann nun etwas sein für die gesamte Menschheit.

Und wenn wir so hinweisen auf dasjenige, was hinter der Sinnenweltgeschieht, so können wir auch hinweisen auf das, was sich in der Sinnenweltabspielt als ein äußerer Ausdruck dessen, was eben geschildert worden ist: daßgleichsam eine Erhöhung des Erzengels Michael sich abspielt hinter dersinnlichen Welt.

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Bisher hat der Mensch eine Persönlichkeit sein können; in Zukunft wird erauch eine Persönlichkeit sein können, aber in einer anderen Weise als es bis inunser Zeitalter möglich gewesen ist. Der Mensch hat gewissermaßen immerteilgenommen an den übersinnlichen Welten, hat es wenigstens können mitseinem Seelenleben. Aber die persönliche Note, die persönliche Färbung, dieder Mensch dargelebt hat in dieser Sinnenwelt, kam nicht von oben herunter,sondern von unten herauf, sie kam von Luzifer. Luzifer hat die Persönlichkeitgemacht. Daher konnte man bisher sagen: Der Mensch kann mit seinerPersönlichkeit nicht eindringen in die übersinnliche Welt, kann seinePersönlichkeit nicht hineinbringen in die geistige Welt, er muß seinePersönlichkeit auslöschen, sonst verunreinigt er die geistige Welt.

In Zukunft obliegt dem Menschen, daß er die Persönlichkeit inspiriert werdenläßt von oben, auf daß sie aufnehmen könne, was da ausfließen soll aus dergeistigen Welt. Ihre Note bekommt die Persönlichkeit durch das, was sie anspirituellen Erkenntnissen aufzunehmen vermag, die Persönlichkeit wird etwasganz anderes werden in zukünftigen Zeiten. Gewissermaßen durch das,wodurch er abgewichen ist vom Geistigen, was ihm von dem Leibe aufgedrücktwird, war der Mensch früher eine Persönlichkeit, in Zukunft wird er einePersönlichkeit sein müssen durch dasjenige, was er aus der spirituellen Welt insich zu verarbeiten, in sich aufzunehmen vermag.

Durch ihr Blut, durch ihr Temperament, durch mancherlei, was von untenkam, waren in der Vergangenheit die Menschen eben Persönlichkeiten, und indiese Persönlichkeiten strahlten unpersönliche Elemente aus demÜbersinnlichen hinein. Durch Temperament, durch Blut und so weiter wird manimmer weniger und weniger Persönlichkeit sein können in der Zukunft. Aberman wird es sein können durch seine Teilnahme an der übersinnlichen Welt. Bisin den Charakter herein wird fließen das, was die übersinnlichen Impulseenthalten. Das wird bewirken der Impuls des Michael, der eben in diemenschliche Seele hineinleitet das Verständnis für das spirituelle Leben. DieMenschen mit ausgesprochenem Persönlichkeitscharakter werden diesenPersönlichkeitscharakter davon haben in Zukunft, daß sie dieses oder jenesausdrücken werden durch Verständnis der übersinnlichen Welten. [152] DieAlexanders, Cäsars, Napoleons gehören der Vergangenheit an. In sie floß gewißdas übersinnliche Element hinein, doch die hohe persönliche Färbung haben siedurch das, was sie erhalten haben von unten herauf. Die Menschen, diePersönlichkeiten sind durch die Art, wie sie die geistige Welt in die sinnlichehineintragen, die Menschen, die von der Seele aus Persönlichkeit in dieMenschheit tragen, das werden die Persönlichkeiten sein, welche dieAlexanders, Cäsars, Napoleons ablösen werden. Die Stärke der Menschentatenin der Zukunft wird sich ergeben aus der Stärke des geistigen Einschlags, der indiese Menschentaten hineinfließen wird.

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Dieses alles gehört zu dem, was das Bedeutsame des Übergangs von einerEpoche zur anderen ist. Aber was eben den bedeutungsvollsten Übergangcharakterisiert, ist der Übergang von der Epoche des Gabriel zu der Epoche desMichael in unserer Entwickelungsepoche.

Wir können auch mit dem gesunden Menschenverstand uns durchaus einVerständnis aneignen dessen, was heute gesagt ist, wenn wir nur vorurteilsfreigenug sind, in unsere Zeit hineinzuschauen und zu sehen, wie aneinanderstoßendie zwei Möglichkeiten noch bis ins letzte Drittel des 19. Jahrhunderts.

Die erste Möglichkeit ist, aus der Naturwissenschaft heraus Weltanschauungzu bauen. Heute ist das veraltet, etwas Antiquiertes, liegt nicht mehr imCharakter des Zeitalters. Die Menschen machen es noch, weil sie eben noch dasforttragen, was aus dem Alten kommt. Im Charakter des Zeitalters liegt es, ausden Inspirationen der geistigen Welt und aus deren Verständnis herausWeltanschauung zu zimmern. Das müssen wir als ein Gefühl, als eineEmpfindung in unserer Seele aufnehmen, dann lernen wir wissen, wasanthroposophische Weltanschauung für die einzelnen Seelen bedeutet, lernenempfinden, was Entwickelung für die Menschheit ist. Teilnehmer dürfen wirsein an Bedeutungsvollem.

Und nun erinnere ich Sie an etwas, was ich eingeflochten habe in dieVorträge, die ich das letzte Mal hier gehalten habe, (22) in die Vorträge von derVeränderung der Funktion des Buddha. [153] Hier ist auch der Punkt, wo in dernächsten Betrachtung an die heutige angeknüpft werden soll.

Gewissermaßen mit einer Frage möchte ich die heutigen Betrachtungenabschließen, mit der Frage, die sich in jeder Seele erheben kann, und die unsvon Wichtigem, das heute betrachtet wurde, zu noch Wichtigerem führen wird.

Wenn eine Erhöhung des Michael stattgefunden hat, wenn er zum leitendenGeist der abendländischen Kultur geworden ist, wer tritt an seine Stelle? DerPlatz muß ausgefüllt werden. Jede Seele muß sich sagen: also muß auch einEngel eine Erhöhung, ein Aufrücken erfahren haben, muß eintreten in dieReihe der Archangeloi. Wer ist das?

Mit dieser Frage will ich abschließen, um hinüberzuleiten in nochwichtigere Betrachtungen, die uns übermorgen beschäftigen sollen.

Heute wollte ich vor Ihre Seele stellen die wichtigste Charakteristik desÜbergangs: die Tatsache, daß die Seelen, die sich dazu aufraffen können,Verständnis finden können für übersinnliche Wahrheiten. Denn so wollen esdie hinter der Menschheit stehenden, die Menschheitsevolution leitendenWeltenmächte. Und das Abbild in der Sinnenwelt ist, daß die Persönlichkeiteine völlig andere Nuance annimmt. Während im verflossenen Zeitalter derPersönlichkeit die Färbung gegeben hat von unten her Temperament und Blut,wird in Zukunft tonangebend werden für die Persönlichkeit des neuenZeitalters das Element des spirituellen Verständnisses. Das wird dastonangebende Element sein.

Wichtig ist, dies zu verstehen, noch wichtiger ist, dies zu erfühlen. ... [154]

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Erkenntnis geistiger Wesenheiten in verschiedenen Epochen

... Man denkt ja gewöhnlich gar nicht, wie anders die ganzeVorstellungswelt vor einer verhältnismäßig kurzen historischen Zeit war beidenjenigen, die sich zu den erkennenden Menschen gerechnet haben – wieganz anders, als heute. Heute spricht man von chemischen Stoffen, siebzigoder achtzig chemischen Stoffen, und wird sich gar nicht bewußt, daßeigentlich wirklich furchtbar wenig damit gesagt ist, wenn man einen Stoff alsSauerstoff, als Stickstoff und so weiter bezeichnet. Denn Sauerstoff ist ja nuretwas, was vorhanden ist unter bestimmten Voraussetzungen, unterbestimmten Voraussetzungen von Wärmezuständen, von anderen Zuständengerade des irdischen Lebens. Es kann doch unmöglich eigentlich einvernünftiger Mensch mit irgend etwas den Begriff der Realität verbinden, wasbei Erhöhung einer Temperatur um soundso viele Grade nicht mehr indemselben Maße, in derselben Weise vorhanden ist, wie es gerade eben unterden Bedingungen vorhanden ist, in denen der Mensch als physischerErdenmensch lebt. Und gerade solche Begriffe, solche Vorstellungen, dieTendenz über das Relative des Daseins hinauszugehen zu einem wirklichenDasein, dieses Ziel lag eben dem Forschungsleben der ersten Zeit desMittelalters, der mittleren Zeit des Mittelalters durchaus zugrunde.

Ich setze deshalb einen Übergang vom 9. ins 10. nachchristlicheJahrhundert, weil vorher die ganzen Anschauungen der Menschen noch sehrgeistig waren. [155] Es würde zum Beispiel einem wirklich Wissenden des 9.Jahrhunderts gar noch nicht haben beikommen können, in der Annahme vonEngeln oder Erzengeln oder Seraphim irgend etwas zu sehen, was an Realitätnicht gleichgekommen wäre – ich meine nur an Realität – den physischenMenschen, die man mit Augen sieht. Bei den Wissenden finden Sie, daßdurchaus in dieser Zeit vor dem 10. Jahrhundert von den geistigen Wesenheiten,den sogenannten Intelligenzen des Kosmos, wie von Wesenheiten gesprochenwird, nun ja, denen man eben begegnet, wenn auch die Leute gewußt haben, siesind schon längst aus dem Zeitalter hinaus, in dem das ein allgemeinesAnschauungsgut der Menschen war. Sie haben aber gewußt, unter besonderenVerhältnissen ist die Wirkung da. Man darf zum Beispiel durchaus nichtübersehen, daß zahlreiche Priesternaturen, katholische Priesternaturen, bis ins9., 10. Jahrhundert im Verlauf der Verrichtungen des Meßopfers sich ganz klardarüber waren, daß sie bei dieser oder jener Handlung des Meßopfers dieBegegnung von geistigen Wesenheiten, von Intelligenzen des Kosmos gehabthaben.

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Aber mit dem 9., 10. Jahrhundert verschwand allmählich aus demBewußtsein der Menschen der unmittelbare Zusammenhang mit deneigentlichen Intelligenzen des Weltenalls, und immer mehr und mehr tauchteauf nur das Bewußtsein von den Elementen des Kosmos, von dem Erdigen, demFlüssigen oder Wäßrigen, dem Luftartigen, dem Wärmeartigen, dem Feurigen.So daß, ebenso wie man früher von kosmischen Intelligenzen gesprochen hat,welche die Planetenbewegungen regeln, die Planeten vorbeiführen an denFixsternen und so weiter, so sprach man nunmehr, ich möchte sagen, von derunmittelbaren Umgebung des Irdischen. Man sprach von den Elementen derErde, des Wassers, der Luft, des Feuers. Chemische Stoffe im heutigen Sinnebeachtete man nicht. Das kam erst viel später, daß man diese beachtete. Abersehen Sie, Sie würden sich etwas ganz Falsches vorstellen, wenn Sie sichdenken würden, daß die Wissenden selbst noch im 13., 14. Jahrhundert, ja sogarin einer gewissen Weise herein bis ins 18. Jahrhundert, sich unter Wärme, Luft,Wasser, Erde dasselbe vorgestellt hätten, was sich heute die Menschen daruntervorstellen. [156] Heute reden die Menschen von der Wärme überhaupt nur nochals von einem Zustande, in dem die Körper sind. Von einem eigentlichWärmeätherischen wird ja nicht mehr geredet. Aber Luft, Wasser, das ist ja fürdie Menschen heute, man möchte sagen, das Allerabstrakteste geworden, und esist schon notwendig, daß man sich vertiefe in die Art, wie diese Vorstellungeneinmal waren. Und so möchte ich Ihnen heute ein Bild geben, wie etwa dieRedeweise bei den Wissenden in der bezeichneten Zeit war.

Ich war genötigt, als ich meine «Geheimwissenschaft» schrieb, (23) dieEntwickelung der Erde doch wenigstens ein wenig mit den gebräuchlichenVorstellungen der Gegenwart in Einklang zu bringen. Im 13., 12. Jahrhundertwürde man sie haben anders machen können. Da würde zum Beispiel in einemgewissen Kapitel dieser «Geheimwissenschaft» das Folgende zu findengewesen sein. Da hätte man zunächst eine Vorstellung hervorzurufen gehabtvon den Wesenheiten, die man als die Wesenheiten der ersten Hierarchiebezeichnen kann: Seraphim, Cherubim, Throne. Man würde die Seraphimcharakterisiert haben als Wesenheiten, bei denen es nicht Subjekt und Objektgibt, sondern bei denen Subjekt und Objekt zusammenfällt, die nicht sagenwürden: Außer mir sind Gegenstände – sondern: Die Welt ist, und ich bin dieWelt, und die Welt ist Ich –, die eben nur von sich wissen, und zwar so, daßdiese Wesenheiten, diese Seraphim, von sich wissen durch ein Erlebnis, vondem der Mensch einen schwachen Nachglanz hat, wenn er, nun, sagen wir, dieErfahrung macht, die ihn in eine glühende Begeisterung versetzt.

Es ist sogar schwer manchmal, dem gegenwärtigen Menschen klar zumachen, was eine glühende Begeisterung ist, denn noch im Beginne des 19.Jahrhunderts wußte man besser, was glühende Begeisterung ist, als heute. Dakam es schon noch vor, daß das oder jenes Gedicht – von diesem oder jenemDichter vorgelesen worden ist, und die Leute benahmen sich vor Begeisterungso – verzeihen Sie, aber es war schon so –, daß der gegenwärtige Mensch sagenwürde: Die sind ja alle wahnsinnig geworden! – [157]

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So sind sie in Bewegung gekommen, so ist Wärme in sie eingezogen.Gegenwärtig erfriert man ja, gerade wenn man glaubt, die Leute solltenbegeistert sein.

Und durch dieses Element der Begeisterung, das insbesondere in Mittel- undOsteuropa recht heimisch war, durch diese seelische Begeisterung, indem diesesElement zum Bewußtsein erhoben ist, einheitliches Bewußtseinselement ist, hatman sich das innere Leben der Seraphim vorzustellen. Und als ein völligabgeklärtes Element im Bewußtsein, lichtvoll, so daß der Gedanke unmittelbarLicht wird, alles beleuchtet, hat man das Bewußtseinselement der Cherubimvorzustellen. Und als in Gnade tragend, weitentragend, das Element der Throne.

Nun, das ist solch eine Skizze. Ich könnte darüber lange noch fortsprechen.Ich wollte Ihnen nur zunächst sagen, daß man versucht hätte in jener Zeitzunächst Seraphim, Cherubim, Throne in ihren wesenhaften Eigenschaften zucharakterisieren. Dann würde man gesagt haben: Der Chor der Seraphim,Cherubim, Throne wirkt zusammen, und zwar so wirkt er zusammen, daß dieThrone einen Kern begründen (Siehe Zeichnung; Mitte rotlila); die Cherubimlassen von diesem Kern ausströmen ihr eigenes lichtvolles Wesen (gelber Ring).Die Seraphim hüllen das Ganze in einen Begeisterungsmantel, der weithin inden Weltenraum strahlt (rote Umhüllung).

Aber das sind alles Wesenheiten in dem, was ich zeichne, in der Mitte dieThrone, im Umkreis die Cherubim, in dem, was im Äußersten hier ist, dieSeraphim. Das sind Wesenheiten, die ineinanderschweben, -tun, -denken,ineinanderwollen, die ineinanderfühlen. Das sind Wesenhaftigkeiten. Und wennein Wesen, das die entsprechende Empfindungsfähigkeit gehabt hätte, nunmehrden Weg durch den Raum genommen hätte, wo in dieser Weise die Throneeinen Kern begründet haben, die Cherubim eine Art von Umkreis, die Seraphimeine Art von Abschluß nach außen, wenn ein solches Wesen in den Bereichdieses Wirkens der ersten Hierarchie gekommen wäre, so hätte es Wärme inverschiedener Differenzierung, an verschiedenen Stellen Wärme gefühlt, dahöhere Wärme, dort tiefere Wärme. [158]

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Alles aber seelisch-geistig, aber so seelisch-geistig, daß das seelischeErlebnis auch zu gleicher Zeit in unseren Sinnen ein physisches Erlebnis ist, daßalso, indem das Wesen sich seelisch warm fühlt, wirklich das da ist, was Siefühlen, wenn Sie in einem geheizten Raume sind. Solch eine Zusammenbauungvon Wesenheiten der ersten Hierarchie ist einmal im Weltenall entstanden, unddas bildete das saturnische Dasein. Die Wärme ist bloß der Ausdruck dafür, daßdiese Wesenheiten da sind. Die Wärme ist nichts, sie ist bloß der Ausdruckdafür, daß diese Wesenheiten da sind.

Ich möchte dafür ein Bild gebrauchen, das hier vielleicht etwas aufklärendsein kann. Denken Sie sich, Sie haben einen Menschen gern. Sie empfindenseine Gegenwart als Sie wärmend. Denken Sie sich, es kommt einer, der einfurchtbarer Abstraktling ist und sagt: Ja, der Mensch interessiert mich eigentlichnicht, den denke ich mir weg, mich interessiert nur die Wärme, die er verbreitet.– Aber er sagt gar nicht: Mich interessiert nur die Wärme, die er verbreitet –,sondern: Mich interessiert überhaupt nur die Wärme. – Er redet natürlichUnsinn, das verstehen Sie, denn wenn der Mensch weg ist, der die Wärmeverbreitet, dann ist die Wärme auch nicht mehr da. [159] Die Wärme istüberhaupt nur etwas, was da ist, wenn der Mensch da ist. Sie ist an sich nichts.Der Mensch muß da sein, wenn die Wärme da ist. So müssen Seraphim,Cherubim, Throne da sein, sonst ist auch die Wärme nicht da. Die Wärme istnur die Offenbarung der Seraphim, Cherubim, Throne.

Sehen Sie, in jener Zeit, von der ich spreche, gab es ja in der Tat bis zu denkolorierten Zeichnungen herunter das, was ich Ihnen eben jetzt beschriebenhabe. Man redete so, daß man, wenn man von Elementen redete, vomElemente der Wärme, darunter eigentlich Cherubim, Seraphim, Throneverstand. Und das ist das saturnische Dasein.

Nun ging man weiter, und man sagte sich dann: Nur die Seraphim,Cherubim, Throne haben die Macht, so etwas hervorzubringen, so etwashinzustellen in den Kosmos. Nur diese höchste Hierarchie hat die Fähigkeit, soetwas hinzustellen in den Kosmos. Aber indem diese höchste Hierarchie imAusgangspunkte eines Weltenwerdens so etwas hingestellt hat, konnte dieEntwickelung weitergehen. Es konnten gewissermaßen die Söhne derSeraphim, Cherubim und Throne die Entwickelung weiterleiten. – Und dasgeschah dann auf die Weise, daß wirklich die von den Seraphim, Cherubimund Thronen hervorgebrachten Wesenheiten der zweiten Hierarchie, dieKyriotetes, Dynameis, Exusiai, daß diese nun eindrangen in diesen Raum,sagen wir, der hier durch Seraphim, Cherubim und Throne saturnisch gestaltetworden war, saturnisch warm gebildet worden war. Da drangen dann diejüngeren, natürlich kosmisch jüngeren Wesenheiten ein. Diese kosmischjüngeren Wesenheiten, wie wirkten sie? Während die Cherubim, Seraphimund Throne für sich im Elemente der Wärme sich offenbarten, so offenbartensich die Wesenheiten der zweiten Hierarchie im Elemente des Lichtes.

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Hier (auf der Zeichnung, roter Hintergrund) das Saturnische ist dunkel, liefertWärme. Und innerhalb der dunklen finsteren Welt des saturnischen Daseinsersteht dasjenige, was durch die Söhne der ersten Hierarchie, durch dieExusiai, Dynameis, Kyriotetes entstehen kann. [160]

Was da entsteht innerhalb dieses saturnisch Warmen, das entsteht dadurch,daß das Eindringen der zweiten Hierarchie bedeutet ein innerlichesDurchleuchtet-werden. Dieses innerliche Durchleuchtet-werden ist verknüpftmit einer Verdichtung der Wärme. Es wird aus dem bloßen WärmeelementLuft. Und wir haben auf der einen Seite eindringend in der Offenbarung desLichtes die zweite Hierarchie. Aber Sie müssen sich jetzt klar vorstellen, inWirklichkeit dringen Wesenheiten ein. Für ein Wesen mit entsprechenderWahrnehmungsfähigkeit dringt Licht ein. Licht ist dasjenige, was die Wegedieser Wesenheiten bezeichnet. Wenn irgendwo Licht hinkommt, so entstehtunter gewissen Bedingungen Schatten, Finsternis, finsterer Schatten. Durchdas Eindringen der zweiten Hierarchie in Form des Lichtes entstand auchSchatten. Was war dieser Schatten? Die Luft. Und tatsächlich, bis ins 15., 16.Jahrhundert hat man gewußt, was die Luft ist. [161] Heute weiß man nur, dieLuft besteht aus Sauerstoff, Stickstoff und so weiter, womit nicht viel anderesgesagt ist, als wenn einer meinetwillen von einer Uhr weiß, sie besteht ausGlas und Silber, womit über die Uhr gar nichts gesagt ist. Es ist über die Luftgar nichts gesagt als kosmische Erscheinung, wenn man sagt, sie besteht ausSauerstoff und Stickstoff, aber es ist viel über die Luft gesagt, wenn man weiß:Aus dem Kosmos heraus ist die Luft der Schatten des Lichtes. – So daß manalso jetzt tatsächlich mit dem Eindringen der zweiten Hierarchie in dassaturnisch Warme das Eindringen des Lichtes hat (weiße Strahlen) und denSchatten des Lichtes, die Luft (grüne Schlangenlinien). Und wo das entsteht,ist Sonne. So hätte man eigentlich müssen im 13., 12. Jahrhundert sprechen.

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Nun gehen wir weiter. Die weitere Entwickelung wird nun wiederum durchdie Söhne der zweiten Hierarchie durch Archai, Archangeloi, Angeloi geleitet.Diese Wesenheiten bringen ein Neues in das leuchtende Element, das zunächstdurch die zweite Hierarchie, eingezogen ist, das seinen Schatten, die luftigeFinsternis nach sich gezogen hat – nicht die gleichgültige neutrale Finsternis,die saturnische, die einfach Abwesenheit des Lichtes war, sondern die, welcheden Gegensatz des Lichtes herausgearbeitet hat. Zu dieser Entwickelung hinzubringt die dritte Hierarchie, Archai, Archangeloi, Angeloi, durch ihre eigeneWesenheit ein Element hinein, das ähnlich ist unserem Begehren, unserenTrieben, etwas zu erlangen, nach etwas sich zu sehnen.

Dadurch kam folgendes, dadurch kam zustande, daß, sagen wir, ein Archai-oder Angeloiwesen hier hereinkam (siehe Zeichnung S. 161, Punkt auf demLichtstrahl rechts) und auftraf auf ein Element des Lichtes, ich möchte sagen,auf einen Ort des Lichtes. In diesem Ort des Lichtes empfing es durch dieEmpfänglichkeit für dieses Licht den Drang, das Begehren für die Finsternis. Estrug das Angeloiwesen das Licht in die Finsternis herein, oder einAngeloiwesen trug die Finsternis in das Licht herein. Diese Wesenheitenwerden die Vermittler, die Boten zwischen Licht und Finsternis. [162] Und dieFolge davon war, daß dann dasjenige, was früher nur im Lichte erglänzte undseinen Schatten, die dunkle luftige Finsternis, nach sich gezogen hat, daß dasanfing in allen Farben zu schillern, daß Licht in Finsternis, Finsternis in Lichterschien. Die dritte Hierarchie ist es, die die Farbe hervorgezaubert hat ausLicht und Finsternis.

Sehen Sie, hier haben Sie auch sozusagen etwas historisch Dokumentarischesvor Ihre Seele hinzustellen. In der Aristoteles-Zeit (24) hat man noch gewußt,wenn man, ich möchte sagen, innerhalb des Mysteriums sich gefragt hat, woherdie Farben kommen, daß damit die Wesenheiten der dritten Hierarchie zu tunhaben. Daher sprach es Aristoteles in seiner Farbenharmonie aus, daß die Farbeein Zusammenwirken des Lichtes und der Finsternis bedeutet. Aber diesesgeistige Element, daß man hinter der Wärme die Wesenheiten der erstenHierarchie, hinter dem Lichte und seinem Schatten, der Finsternis, dieWesenheiten der zweiten Hierarchie, hinter dem farbigen Aufglitzern in einemWeltenzusammenhange die Wesenheiten der dritten Hierarchie zu sehen hat,das ging verloren. Und es blieb nichts anderes übrig, als die unglückseligeNewtonsche Farbenlehre, über die bis ins 18. Jahrhundert herein dieEingeweihten gelächelt haben, und die dann das Glaubensbekenntnis derjenigenwurde, die eben physikalische Fachleute sind.

Man muß eben wirklich von der geistigen Welt gar nichts mehr wissen, wennman im Sinne dieser Newtonschen Farbenlehre sprechen kann. Und wenn mannoch innerlich aufgestachelt ist von der geistigen Welt, wie es bei Goethe derFall war, da sträubt man sich dagegen. Man stellt, wie er es getan hat, dasRichtige hin und schimpft furchtbar. Denn Goethe hat nie so geschimpft als beider Gelegenheit, wo er über Newton zu schimpfen hatte; er schimpfte furchtbarüber das unsinnige Zeug.

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Solche Dinge kann man ja heute nicht begreifen, aus dem einfachen Grunde,weil heute jemand vor den Physikern ein Narr ist, der nicht die NewtonscheFarbenlehre anerkennt. Aber die Dinge liegen doch nicht so, daß etwa in derGoethezeit Goethe ganz allein dagestanden hätte. [163] Unter denen, die nachaußen diese Dinge aussprachen, stand er allein da, aber die Wissenden, auchnoch am Ende des 18. Jahrhunderts, sie wußten eben durchaus auch, wieinnerhalb des Geistigen die Farbe erquillt.

Aber sehen Sie, die Luft ist der Schatten des Lichtes. Und geradeso, wie,wenn das Licht ersteht, unter gewissen Bedingungen der finstere Schatten da ist,so ersteht, wenn Farbe da ist und diese Farbe als Realität wirkt – und das konntesie, solange sie eindrang in das luftige Element –, so entsteht, wenn die Farbehinsprüht im luftigen Elemente, wirkt im luftigen Elemente, also etwas ist, nichtbloß ein Abglanz ist, nicht bloß die Reflexfarbe ist, sondern eine Realität, diehinsprüht im luftigen Elemente: dann entsteht, wie durch Druck Gegendruckentsteht unter gewissen Bedingungen, aus dem realen Farbigen das flüssige, daswäßrige Element. Wie der Schatten des Lichtes Luft ist, kosmisch gedacht, soist das Wasser der Abglanz, die Schöpfung des Farbigen im Kosmos.

Sie werden sagen: Das verstehe ich nicht. – Aber versuchen Sie nur einmal,tatsächlich das Farbige zu fassen in seinem realen Sinne.

Rot – nun ja, glauben Sie, daß das Rot wirklich in seiner Wesenheit nur dieneutrale Fläche ist, als die man es gewöhnlich anschaut? Das Rot ist dochetwas, was eine Attacke auf einen macht. Ich habe es oftmals erwähnt. Manmöchte davonlaufen vor dem Rot, es stößt einen zurück. Das Blauviolett, manmöchte ihm nachlaufen, es läuft immer vor einem davon, es wird immer tieferund tiefer. In den Farben lebt ja alles. Die Farben sind eine Welt, und dasseelische Element fühlt sich in der Farbenwelt tatsächlich so, daß es gar nichtauskommen kann ohne Bewegung, wenn es den Farben mit dem seelischenErleben folgt.

Sehen Sie, der Mensch glotzt heute den Regenbogen an. Wenn man nur miteiniger Imagination nach dem Regenbogen hinschaut, da sieht manElementarwesen, die am Regenbogen sehr tätig sind. [164]

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Diese Elementarwesen zeigen sehr merkwürdige Erscheinungen. Hier (bei Rotund Gelb) sieht man fortwährend aus dem Regenbogen herauskommen gewisseElementarwesen. Die bewegen sich dann so herüber. In dem Augenblicke, wosie ankommen an dem unteren Ende des Grüns, werden sie angezogen. Mansieht sie hier verschwinden (bei Grün und Blau). Auf der anderen Seite kommensie wieder heraus. Der ganze Regenbogen zeigt für den, der ihn mit Imaginationanschaut, ein Herausströmen des Geistigen, ein Verschwinden des Geistigen. Erzeigt tatsächlich etwas wie eine geistige Walze, wunderbar. Und zu gleicherZeit bemerkt man an diesen geistigen Wesenheiten, daß, indem sie daherauskommen, sie mit einer großen Furcht herauskommen, indem sie dahineingehen, gehen sie mit einem ganz unbesieglichen Mut hinein. Wenn mannach dem Rotgelb hinschaut, da strömt Furcht aus, wenn man nach demBlauviolett hinschaut, bekommt man das Gefühl: Da lebt ja alles wie Mut, wieCourage. [165]

Nun stellen Sie sich vor, daß nicht bloß der Regenbogen da ist, sondern wennich jetzt hier einen Schnitt zeichne (siehe Zeichnung oben), und derRegenbogen so steht (um 90° gedreht), so kommen die Wesenheiten da heraus,da verschwinden sie; hier Angst, hier Mut (siehe Zeichnung S. 166).

Der Mut verschwindet wiederum. So wäre jetzt das Auge gerichtet, hier ist derRegenbogen, hier ist jetzt das Rot, Gelb und so weiter. Da bekommt derRegenbogen eine Dicke. Und da werden Sie sich schon vorstellen können, daßwäßriges Element daraus entsteht. Und in diesem wäßrigen Element leben nungeistige Wesenheiten, die wirklich auch eine Art von Abbild sind derWesenheiten der dritten Hierarchie.

Man kann schon sagen: Kommt man an die Wissenden des 11., 12., 13.Jahrhunderts heran, so muß man solche Dinge verstehen. Sie können nichteinmal die Späteren mehr verstehen, Sie können nicht den Albertus Magnusverstehen, wenn Sie ihn lesen mit dem, was heute der Mensch weiß.

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Sie müssen ihn lesen mit einer Art von Wissen, daß solches Geistiges für ihnnoch eine Realität war; dann verstehen Sie erst, wie er die Worte gebraucht,wie er sich ausdrückt.

Und auf diese Weise treten auf wie ein Abglanz der Hierarchien Luft,Wasser. [166] Indem die Hierarchien selber eindringen, dringt die zweiteHierarchie ein in Form des Lichtes, die dritte Hierarchie ein in Form desFarbigen. Damit aber, daß dieses sich bildet, ist das Mondendasein erreicht.

Und nun kommt die vierte Hierarchie. Ich erzähle jetzt so, wie man im 12.,13. Jahrhundert gedacht hat. Nun kommt die vierte Hierarchie. Wir sprechengar nicht von ihr, aber im 12., 13. Jahrhundert hat man noch von dieser viertenHierarchie sehr wohl gesprochen. Was ist diese vierte Hierarchie? Das ist derMensch. Der Mensch selber ist die vierte Hierarchie. Aber beileibe nicht dashat man verstanden unter dieser vierten Hierarchie, was jetzt als zweibeiniges,alterndes, so höchst sonderbares Wesen herumgeht in der Welt, denn demeigentlich Wissenden ist dazumal gerade der gegenwärtige Mensch als einsonderbares Wesen vorgekommen. Sie haben gesprochen von demursprünglichen Menschen vor dem Sündenfall, der noch durchaus in einersolchen Form vorhanden war, daß er ebenso Macht über die Erde hatte, wieAngeloi, Archangeloi, Archai Macht über das Mondendasein, wie die zweiteHierarchie Macht über das Sonnendasein, die erste Hierarchie Macht über dasSaturndasein hatte. Man sprach von dem Menschen in seinem ursprünglichenirdischen Dasein und konnte da von dem Menschen als der vierten Hierarchiesprechen. Und mit dieser vierten Hierarchie kam, allerdings als eine Gabe deroberen Hierarchien, aber wie etwas, was die oberen Hierarchien erst wie einBesitztum gehabt haben, das sie gehütet haben, das sie nicht selber brauchten:es kam das Leben. Und in die farbenschillernde Welt, die ich Ihnen also inAndeutungen geschildert habe, kam das Leben hinein.

Sie werden sagen: Haben denn die Dinge nicht früher gelebt? – Meinelieben Freunde, wie das ist, können Sie am Menschen selber lernen. Ihr Ichund Ihr astralischer Leib haben nicht das Leben und wesen eben doch. DasGeistige, das Seelische braucht nicht das Leben. Erst bei Ihrem Ätherleib fängtdas Leben an, und es ist das etwas äußerlich Hüllenhaftes. [167]

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Und so kommt auch das Leben erst nach dem Mondendasein mit demErdendasein in den Bereich derjenigen Evolution hinein, der eben unsere Erdeangehört. Die farbenschillernde Welt wurde durchlebt. Nicht nur, daß jetztAngeloi, Archangeloi und so weiter Sehnsucht empfingen, Finsternis in Licht,Licht in Finsternis hineinzutragen und dadurch im Planeten das Farbenspielhervorzurufen, sondern es trat dieses auf, innerlich zu erleben diesesFarbenspiel, es innerlich zu machen. Zu erleben, wenn Finsternis innerlich dasLicht dominiert, Schwachheit zu fühlen, Lässigkeit zu fühlen; dagegen wennLicht die Finsternis dominiert, Aktivität zu fühlen. Denn was ist es, wenn Sielaufen? Wenn Sie laufen, ist es eben so, daß Licht in Ihnen die Finsternisdominiert; wenn Sie sitzen und faul sind, dominiert die Finsternis das Licht.Es ist seelisches Farbenwirken, seelisches Farbenschillern. Von Lebendurchsetztes, durchströmtes Farbenschillern trat auf, indem die vierteHierarchie, der Mensch, kam. Und in diesem Augenblicke des kosmischenWerdens fingen die Kräfte, die da regsam wurden im Farbenschillern, an,Konturen zu bilden. Das Leben, das die Farben innerlich abrundete, abeckte,abkantete, rief das feste Kristallinische hervor. Und wir sind im Erdendaseindrinnen. [168]

Solche Dinge, wie ich sie Ihnen jetzt dargestellt habe, die waren eigentlichdie Ausgangswahrheiten jener mittelalterlichen Alchimisten, Okkultisten,Rosenkreuzer und so weiter, die, ohne daß heute die Geschichte viel von ihnenberichtet, namentlich geblüht haben vom 9., 10. bis ins 14., 15. Jahrhundertherein, und die noch die letzten Nachzügler gehabt haben, die man aber immerdann als Sonderlinge angesehen hat, bis ins 18. Jahrhundert, ja bis in denBeginn des 19. Jahrhunderts herein. Nur sind dann diese Dinge völligzugedeckt worden. Nur hat es die moderne Weltanschauung dann dazugebracht, folgendes zu vollführen. Denken Sie sich, hier habe ich einenMenschen. Ich höre auf, mich für diesen Menschen zu interessieren und nehmeihm nur die Kleider ab und hänge die Kleider an einen Kleiderstock, der obeneinen kopfförmigen Knopf hat, und für den Menschen interessiere ich michnicht weiter. Ich stelle mir weiter vor: Das ist der Mensch (siehe Zeichnung S.168); was geht mich das an, daß in diesen Kleidern so etwas drinnensteckenkann? Das ist der Mensch (der Kleiderständer)! – Ja, sehen Sie, so kam es mitden Naturelementen. Es interessiert einen nicht weiter, daß hinter der Wärmeoder dem Feuer die erste Hierarchie, hinter dem Licht und der Luft die zweiteHierarchie, hinter dem sogenannten chemischen Äther, Farbäther und soweiter und dem Wasser die dritte Hierarchie, hinter dem Lebenselemente undder Erde die vierte Hierarchie oder der Mensch ist. Bloß den Kleiderrechen herund darauf die Gewänder gehängt! Nun, das ist der erste Akt. Der zweite Akt,der beginnt aber dann auf Kantisch! Da beginnt der Kantianismus. Da fängtman an, indem man nun den Kleiderstock hat – die Kleider hängen darauf –,nun zu philosophieren, was das Ding an sich dieser Kleider sein könnte. Undman kommt darauf, daß man eigentlich dieses Ding an sich der Kleider nichterkennen kann. Sehr scharfsinnig! [169]

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Natürlich, wenn man den Menschen zuerst weggenommen hat und dann denKleiderstock mit den Kleidern hat, so kann man über die Kleiderphilosophieren, und dann kommt man darauf, daß man hübsche Spekulationenmacht. Es ist ja eben der Kleiderstock da, nicht wahr, und da hängen dieGewänder daran, und da philosophiert man, entweder auf Kantisch: Das Dingan sich erkennt man nicht – oder auf Helmholtzisch (27) und da denkt man sich:Diese Kleider, die können doch nicht Formen haben; nun ja, da sind eben lauterkleine wirbelnde Staubkörnchen, Atome drinnen, die schlagen da an, und dawerden die Kleider in ihrer Form erhalten.

Ja, so hat sich das Denken dann später entwickelt. Das aber ist abstrakt,schattenhaft. Aber in diesem Denken, in diesem Spekulieren leben wir ja heute;aus dem prägen wir uns heute unsere gesamte naturwissenschaftlicheAnschauung. Und wenn wir nicht zugeben, daß wir atomistisch denken, so tunwir es erst recht. Denn das wird man noch lange nicht zugeben, daß es nichtnotwendig ist, den Wirbeltanz der Atome da hineinzuträumen, sondern wiederden Menschen in die Kleider hineinzutun. Das aber muß eben versuchen dieWiederaufrichtung der Geisteswissenschaft.

Ich wollte Ihnen heute in einer Anzahl von Bildern geben, wie dazumal nochgedacht worden ist, und was schon eigentlich zu lesen ist in älteren Schriften,was aber verglommen ist. Aber weil es verglommen ist, kommen solcheinteressanten Tatsachen zutage: Da hat ein nordischer Chemiker von heute eineStelle des Basilius Valentinus wieder abgedruckt und die Sache im heutigenSinne chemisch genommen. Und da konnte er natürlich nichts anderes sagen –weil das so aussieht, wenn man es heute chemisch denkt, als wenn man imLaboratorium stünde, Retorten und andere Instrumente hätte und heutigeExperimente ausführte –, da konnte er nichts anderes sagen, als daß das einUnsinn sei, was da bei Basilius Valentinus steht. Was aber bei BasiliusValentinus steht, ist ein Stück Embryologie, eben in Bildform ausgedrückt. EinStück Embryologie ist das. Wenn man einfach die heutige Denkweiseanwendet, so bekommt man scheinbar einen bloßen Laboratoriumsversuch, deraber dann ein Unsinn ist. – [170] Denn im Laboratorium – wenn man nichtgerade der Wagner ist, der aber immerhin noch mehr auf dem Standpunkt derfrüheren Jahrhunderte steht – kann man eben nicht ein Stück Embryologieausführen. ...

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III. Geistige Hierarchien als kosmische Wirklichkeit

Die dritte und die zweite Hierarchie

... Es ist im vorigen Vortrag gezeigt worden, daß es dem Menschen möglichist, über sich selber hinauszukommen, alles, was an ihm an speziellenegoistischen Interessen und Aufmerksamkeiten ist, zu überwinden, umdadurch sich in eine Sphäre zu erheben, in welcher er zunächst seinen eigenenFührer findet, der ihm schon eine Vorstellung geben kann von jenenWesenheiten, die wir im Sinne der abendländischen Esoterik Engel, Angeloi,nennen. Und wir haben dann gezeigt, wie ein Weiterschreiten auf diesemWege dazu führt, die Stammes-, die Völkergeister kennenzulernen, die wir alsErzengel, Archangeloi, angesprochen haben, und wie man dann als tätig imVerlaufe des Kulturprozesses die sogenannten Zeitgeister, die Archai, findet.Es wird der Mensch, wenn er den Weg beschreitet, der gestern skizzenhaftangedeutet worden ist, ein gewisses Gefühl davon erhalten, was mit diesenWesenheiten der dritten Hierarchie gemeint ist. Es wird lange Zeit, auch wennman eine okkulte Entwickelung durchmacht, durchaus so bleiben, daß manbloß eine Art von Gefühl hat. Erst wenn man lange in Geduld und Ausdaueralle die Gefühle und Empfindungen durchmacht, welche gestern angedeutetworden sind, dann wird man übergehen können zu dem, was genannt werdendarf hellsichtiges Erblicken dieser Wesenheiten der dritten Hierarchie.

Wenn man diesen Weg also weiter beschreitet, dann wird man finden, daßman allmählich zu einem anderen Bewußtseinszustand sich selber erzieht, sichselber entwickelt, und dann kann das hellsichtige Anschauen der Wesenheitender dritten Hierarchie beginnen. [175] Dieser andere Bewußtseinszustand läßtsich vergleichen mit dem Schlaf des Menschen, und zwar zunächst dadurch,daß der Mensch in diesem Zustand mit seinem Ich und seinem astralischenLeib sich befreit fühlt von dem physischen und ätherischen Leib. DiesBefreitfühlen muß man als eine Empfindung haben. Man muß allmählichlernen, was es heißt, nicht durch seine Augen zu schauen, durch seine Ohrenzu hören, durch den Verstand, der an das Gehirn gebunden ist, zu denken.Unterscheiden wiederum von dem gewöhnlichen Schlaf müssen wir diesenZustand dadurch, daß wir bei ihm eben nicht bewußtlos sind, sondern daß wirWahrnehmungen von geistigen Wesenheiten in unserer Umgebung haben;zuerst ein dunkles Gefühl, daß solche Wesenheiten in unserer Umgebung sind,dann aber, wie gesagt, das Aufleuchten hellsichtigen Bewußtseins und daslebendige Anschauen von den Wesenheiten der dritten Hierarchie und ihrerNachkommen, der Naturgeister. Wenn man noch genauer diesen Zustandcharakterisieren will, so kann man nun sagen, daß derjenige, welcher sich inder okkulten Entwickelung bis zu diesem Zustand erhebt, zunächst wirklicheine Art von Scheidung erblickt zwischen seinem gewöhnlichen Bewußtseinund diesem neuen Bewußtseinszustand.

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Wie eine Scheidung zwischen Wachen und Schlafen, so ist zunächst fürden, der eine okkulte Entwickelung durchmacht; eine Scheidung zwischendem Bewußtsein, wo der Mensch mit seinen gewöhnlichen Augen sieht, mitseinen gewöhnlichen Ohren hört, mit seinem gewöhnlichen Verstande denkt,und jenem hellseherischen Zustand, in dem er nichts von all dem um sichherum hat, was er im gewöhnlichen normalen Bewußtseinszustandwahrnimmt, dafür aber eben eine andere Welt um sich hat, die Welt der drittenHierarchie und ihrer Nachkommen. Wozu man es zunächst bringt, ist, daß manlernt, im gewöhnlichen Bewußtsein sich dessen zu erinnern, was man erlebthat in diesem anderen Bewußtseinszustand. [176]

Wir können also genau eine Stufe der okkulten Entwickelung des Menschenunterscheiden, auf welcher der Mensch abwechselnd leben kann in seinemgewöhnlichen Bewußtsein, wo er sieht und hört und denkt wie andereMenschen mit normalem Bewußtsein, und in dem anderenBewußtseinszustand, den er in gewisser Weise auch willkürlich herbeiführenkann, in welchem er wahrnimmt, was in der geistigen Welt der drittenHierarchie um ihn herum ist. Und dann kann er, wie man sich an einen Traumerinnert, sich, wenn er in seinem gewöhnlichen Bewußtseinszustand ist, an daserinnern, was er in dem anderen, in dem hellseherischen Zustand erlebt hat,und er kann davon erzählen, er kann das umsetzen in gewöhnliche Begriffeund Ideen, was er im hellseherischen Zustand erlebt. Wenn also ein solcherHellseher in seinem gewöhnlichen Bewußtseinszustand ist und selber etwaswissen will von der geistigen Welt oder aber erzählen will von ihr, dann mußer sich erinnern an das, was er in seinem anderen, hellseherischenBewußtseinszustand erlebt hat. Ein Hellseher, der auf dieser Stufe derEntwickelung steht, kann nur etwas wissen von jenen geistigen Wesenheiten,die wir bisher beschrieben haben als die Wesenheiten der dritten Hierarchieund ihre Nachkommen. Er weiß zunächst nichts von noch höheren Welten.Wenn er etwas wissen will von noch höheren Welten, dann muß er auch einehöhere Stufe der Hellsichtigkeit erreichen.

Diese höhere Stufe kommt dadurch zustande, daß der Mensch jeneÜbungen, die beschrieben sind in dem Buche «Wie erlangt man Erkenntnisseder höheren Welten?», immer weiter fortsetzt, daß er namentlich diejenigenÜbungen macht, welche dort beschrieben sind als das Beobachten, sagen wir,der Pflanzen, der Tiere und so weiter. Wenn der Mensch also seine Übungenfortsetzt, dann kommt er zu einer höheren Stufe der Hellsichtigkeit. [177] Siebesteht darin, daß der Mensch dann nicht nur zwei wechselnde Zustände hat,einen gewöhnlichen normalen Bewußtseinszustand und einen hellsichtigen,und sich also an die hellseherischen Erlebnisse in dem gewöhnlichenBewußtseinszustand erinnern kann, sondern es kann dann der Mensch, wenner diese höhere Stufe der Hellsichtigkeit erreicht hat, geistige Welten, geistigeWesenheiten und geistige Tatsachen auch wahrnehmen, wenn er in seinemgewöhnlichen Bewußtseinszustand ist und durch seine Augen auf die Dingeder Außenwelt schaut.

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Er kann sozusagen dann die Hellsichtigkeit hereintragen in seinengewöhnlichen Bewußtseinszustand und er kann hinter den Wesenheiten, dieihn in der Außenwelt umgeben, überall die wie hinter einem Schleierverborgenen tieferen geistigen Wesenheiten und Kräfte sehen.

Wir fragen uns: Was ist denn da geschehen mit einem solchen Hellseher,welcher in die Lage gekommen ist, nun nicht mehr bloß sich erinnern zumüssen an die Erlebnisse eines anderen Bewußtseinszustandes, sondern der inseinem alltäglichen Bewußtseinszustand hellseherische Erfahrungen machenkann? Wenn der Mensch erst zu der ersten Stufe des Hellsehens aufgestiegenist, kann er nur seinen astralischen Leib benützen, um in die geistige Welthineinzuschauen. Der Leib also; dessen sich der Mensch bedient, um in diegeistige Welt hineinzuschauen auf der ersten Stufe der Hellsichtigkeit, das istder astralische Leib. Auf der zweiten Stufe der Hellsichtigkeit, welche ebenjetzt beschrieben worden ist, kann sich der Mensch bedienen lernen seinesätherischen Leibes. Dadurch kann er auch in dem gewöhnlichen normalenBewußtsein hineinschauen in eine geistige Welt. Wenn der Mensch so lernt,seinen ätherischen Leib als ein Werkzeug für seine Hellsichtigkeit zubenutzen, dann lernt er allmählich alles das in der geistigen Welt erkennen,was zu den Wesenheiten der zweiten Hierarchie gehört.

Nun aber darf der Mensch nicht stehenbleiben dabei, nur sozusagen seineneigenen ätherischen Leib wahrzunehmen, sondern wenn er zu dieser zweitenStufe der Hellsichtigkeit aufsteigt, macht er eine ganz bestimmte Erfahrung. Ermacht nämlich die Erfahrung, daß er wie aus sich selber herausgeht, daß ersich gleichsam nicht mehr in seiner Haut eingeschlossen fühlt. Wenn er, sagenwir, einer Pflanze, einem Tiere gegenübersteht oder auch einem anderenMenschen, dann fühlt er, wie wenn ein Stück von ihm selber in dieser anderenWesenheit drinnen wäre. [178] Wie untergetaucht in die andere Wesenheitfühlt er sich. Im normalen Bewußtsein und wenn wir auf der ersten Stufe desHellsehens stehen, dann können wir noch in einer gewissen Weise sagen: Ichbin hier, das Wesen, welches ich sehe, ist dort. – So können wir auf derzweiten Stufe des Hellsehens nicht mehr sagen, sondern da können wir nursagen: Wo das Wesen ist, das wir wahrnehmen, da sind wir selber. – Wir sindgleichsam so, daß wir unseren eigenen Ätherleib wie Fangarme nach allenSeiten ausstrecken und uns hineinsaugen in die Wesenheiten, in die wir, alsowahrnehmend, unser eigenes Wesen untertauchen.

Es gibt im gewöhnlichen normalen Bewußtsein ein Gefühl, welches unseine Vorstellung davon geben kann, was der Hellseher auf dieser zweitenStufe der Hellsichtigkeit erlebt, nur ist das, was der Hellseher da erlebt,unendlich viel intensiver und nicht nur ein Gefühl, sondern steigert sich bis zurWahrnehmung, bis zum Verstehen, bis zum Untertauchen. Das Gefühl desnormalen Bewußtseins, das sich mit diesem Erlebnis des Hellsehers auf derzweiten Stufe der Hellsichtigkeit vergleichen läßt, ist nämlich das Mitleid, istdie Liebe.

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Was bedeutet es denn, wenn wir im gewöhnlichen Leben Mitleid und Liebeempfinden? Wenn man genauer nachdenkt über das Wesen von Mitleid undLiebe – es ist einiges schon gestern angedeutet worden –, dann findet man, daßMitleid und Liebe uns dahin bringen, von uns selber loszukommen und uns indas andere Wesen hinüberzuleben. Es ist eigentlich ein wunderbaresMysterium des Menschenlebens, daß wir imstande sind, Mitleid, Liebe zuempfinden. Und unter den gewöhnlichen Erscheinungen des normalenBewußtseins gibt es wohl kaum etwas, was den Menschen so sehr überzeugenkann von der Göttlichkeit des Daseins als die Möglichkeit, daß er Liebe, daßer Mitleid entwickeln kann. Man erlebt als Mensch sonst sein eigenes Daseinin sich selber, oder man erlebt die Welt, indem man sie wahrnimmt durch dieSinne oder indem man sie versteht durch den Verstand. [179] Hineinzuschauenin ein menschliches Herz, hineinzublicken in eine menschliche Seele istkeinem Verstand, ist keinem Auge möglich, denn verschlossen in innerstenKammern hält die andere Seele das, was sie in sich selbst an Leiden, anFreuden hat. Und wunderbar eigentlich, mysteriös sollte es jedem Menschenerscheinen, daß er gleichsam sich selber ergießen kann in das Wesen deranderen Seele, in ihr Leben mit ihren Freuden, mit ihren Leiden. So wie wiruntertauchen können mit dem normalen Bewußtsein durch Mitleid und Liebein Leiden und Freuden bewußter Wesen, so lernt der Hellseher auf der zweitenStufe der Hellsichtigkeit unterzutauchen nicht nur in alles Bewußte, das leidenund sich freuen kann auf eine menschliche oder menschenähnliche Art,sondern ein solcher Hellseher lernt unterzutauchen in alles Lebendige.Wohlgemerkt, ich sage: in alles Lebendige. Denn auf dieser zweiten Stufe derHellsichtigkeit lernt man nur unterzutauchen in alles Lebendige, noch nicht indas, was uns unlebendig, tot erscheint, was uns als ein Mineralisches umgibt.Aber mit diesem Untertauchen in das Lebendige ist verbünden ein Anschauendessen, was im Innern der Wesenheiten vorgeht. Wir selbst fühlen uns dadrinnen in den lebendigen Wesenheiten, wir lernen leben' mit den Pflanzen,mit den Tieren, leben mit den anderen Menschen auf dieser zweiten Stufe derHellsichtigkeit. – Aber nicht nur das. Wir lernen auch hinter all dem, was dalebt, eine höhere geistige Welt kennen, eben mit den Wesenheiten der zweitenHierarchie. Es ist notwendig, daß wir uns diese Begriffe klarmachen, denn eserscheint wie eine trockene Theorie, wenn man nur aufzählt, was fürWesenheiten zu den verschiedenen Hierarchien gehören. Eine lebendigeVorstellung kann sich der Mensch zunächst von dem, was da hinter derSinneswelt webt und lebt, nur dann verschaffen, wenn er den Weg kennt, aufdem das hellsichtige Bewußtsein dorthin dringt. Nun wollen wir, ebenso wiewir gestern versuchten, die Wesenheiten der dritten Hierarchie zucharakterisieren, wiederum vom Menschen ausgehend diese Wesenheiten derzweiten Hierarchie schildern. [180]

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Wir haben gestern gesagt, daß die Wesenheiten der dritten Hierarchie dadurchcharakterisiert sind, daß sie an der Stelle der menschlichen Wahrnehmung dieOffenbarung ihres eigenen Wesens haben und an der Stelle der menschlichenInnerlichkeit dasjenige, was wir nennen können Geist-Erfüllung. Bei denWesenheiten der zweiten Hierarchie, da erfahren wir, indem wir in sieuntertauchen, daß nicht nur ihre Wahrnehmung eine Offenbarung ihresWesens ist, daß sie nicht nur ihr eigenes Wesen offenbaren, sondern daß dieseOffenbarung ihres eigenen Wesens erhalten bleibt als etwas Selbständiges,was sich absondert von diesen Wesenheiten selbst. Eine Vorstellung von dem,was wir da wahrnehmen, können wir uns verschaffen, wenn wir etwa denkenan eine Schnecke, welche ihr eigenes Haus absondert. Das Haus, so stellen wiruns vor, besteht aus einer Substanz, die zuerst in dem Leib der Schneckeenthalten ist. Dann sondert die Schnecke ihr Haus ab. Sie hat nicht nur ihreigenes Wesen nach außen für den Anblick gezeigt, sondern sie hat etwasabgesondert, was dann objektiv wird, was bleibt. So ist es mit dem eigenenWesen, mit der Selbstheit der Wesenheiten der zweiten Hierarchie. Sieoffenbaren nicht nur ihr Selbst, wie die Wesenheiten der dritten Hierarchie,sondern sie sondern dieses Wesen von sich ab, so daß es erhalten bleibt alseine selbständige Wesenheit.

Dies wird uns klarer werden, wenn wir uns etwa auf der einen Seite einWesen der dritten Hierarchie, auf der andern Seite ein Wesen der zweitenHierarchie vorstellen. Wir richten den okkulten Blick auf ein Wesen derdritten Hierarchie. Dieses Wesen wird für uns dadurch erkennbar, daß es seineSelbstheit, seine Innenheit nach außen offenbart und in seiner Offenbarungseine Wahrnehmung hat; wenn es aber seine innere Vorstellung, seinInnenerlebnis ändert, dann ist auch eine andere Offenbarung da. So wie alsodieses Wesen der dritten Hierarchie innerlich seine Zustände ändert, seineErlebnisse variiert, so ändert sich fortwährend die äußere Offenbarung. Wennwir ein Wesen der zweiten Hierarchie anschauen mit dem okkulten Blick, soist das anders. [181] Da, sagen wir, stellt das Wesen auch vor, erlebt auchinnerlich, aber das, was es innerlich erlebt, das sondert es von sich ab wie eineArt Schale, wie eine Art Haut: es bekommt eine selbständige Wesenheit. Undwenn das Wesen dann zu einem andern Innenzustand übergeht, wenn dasWesen etwas anderes vorstellt und sich also auf eine neue Art offenbart, dannist die alte Offenbarung des Wesens noch vorhanden, bleibt bestehen und gehtnicht vorüber wie bei der Wesenheit der dritten Hierarchie. So daß wirdasjenige, was an die Stelle der Offenbarung tritt bei den Wesenheiten derzweiten Hierarchie, nennen können ein sich selbst Schaffen einer Art vonSchale oder Haut. Wie einen Abdruck seiner selbst schaffen, sich selber ineiner Art von Bild objektiv machen, das ist es, was die Wesenheiten derzweiten Hierarchie auszeichnet.

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Und wenn wir uns fragen: Was tritt an die Stelle der Geist-Erfüllung derWesenheiten der dritten Hierarchie bei den Wesenheiten der zweitenHierarchie? – dann zeigt sich für den okkulten Blick, daß jedesmal, wenn dasWesen ein solches Bild seiner selbst absondert, solch eine Art von Schäleseiner selbst, die das Gepräge seiner selbst trägt, daß dann im Innern desWesens Leben erregt wird. Immer ist das Erregen von Leben die Folge einessolchen Sich-selber-Schaffens.

So müssen wir unterscheiden bei den Wesen der dritten Hierarchie ihreÄußerlichkeit in ihrer Offenbarung und ihre Innerlichkeit in dem Erfülltseinvom Geiste, wir müssen unterscheiden bei den Wesen der zweiten Hierarchieihre Außenseite als «sich selber im Abdruck, im Bilde schaffen, objektivieren»und ihre Innerlichkeit als Lebenserregung, wie wenn Flüssigkeit fortwährendin sich selber rieselte, indem sie gefrierend ihr Bild nach außen absondert. Soungefähr stellt sich für den okkulten Blick dar, was die Wesenheiten derzweiten Hierarchie äußerlich und innerlich erfüllt. Während dem okkultenBlick die Geist-Erfüllung der Wesenheiten der dritten Hierarchie im Bilde, inder Imagination wie eine Art von geistigem Licht erscheint, so erscheint diesesLebensrieseln, diese Lebenserregung, die mit Absonderung nach außenverknüpft ist, so, daß die okkulte Wahrnehmung etwas wie geistiges Tönen,Sphärenmusik vernimmt. [182] Es ist wie geistiges Tönen, nicht wie geistigesLicht wie bei den Wesenheiten der dritten Hierarchie.

Wir können nun wiederum bei diesen Wesenheiten der zweiten Hierarchiemehrere Kategorien unterscheiden, wie wir auch bei den Wesenheiten derdritten Hierarchie mehrere Kategorien unterscheiden konnten. Wenn wirallerdings die Unterschiede dieser Kategorien ins Auge fassen wollen, so wirddas schwieriger, weil ja die Dinge immer schwieriger werden, je mehr wir zuden höheren Hierarchien aufsteigen. Wir haben, wenn wir da aufsteigen,zunächst eine Vorstellung zu gewinnen von all dem, was der uns umgebendenWelt zugrunde liegt, insofern diese uns umgebende Welt Formen hat. Eskommt, wie ich schon gesagt habe, für diese zweite Stufe der Hellsichtigkeitnur das in Betracht, was lebt, nicht das, was uns zunächst als Lebloseserscheint. Das, was lebt, kommt in Betracht, aber das, was lebt, ist zunächstgeformt. Formen haben die Pflanzen, Formen haben die Tiere, eine Form hatder Mensch. Wenn der hellsichtige Blick mit all den Eigenschaften, die wirheute beschrieben haben, sich richtet auf alles, was um uns herum in der Naturgeformt ist, und wenn er absieht von allem übrigen bei den Wesenheiten undnur auf die Formen sieht, bei den Pflanzen also die Mannigfaltigkeit derFormen betrachtet, ebenso bei den Tieren und bei den Menschen, dann nimmtdieser hellsichtige Blick aus der Gesamtheit der Wesenheiten der zweitenHierarchie diejenigen wahr, welche wir nennen die Geister der Form, Exusiai.

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Wir können aber auch etwas anderes an den Wesenheiten der unsumgebenden Natur ins Auge fassen als die Form. Wir wissen ja, daß alles, waslebt, seine Form in einer gewissen Beziehung ändert, indem es wächst. Ammeisten fällt uns diese Änderung, dieser Wechsel der Form, dieseMetamorphose bei der Pflanzenwelt auf. [183] Wir betrachten nunmehr, indemwir nicht den gewöhnlichen Blick, sondern den hellsichtigen Blick der zweitenStufe auf die wachsende Pflanzenwelt richten, wie die Pflanze ihre Form nachund nach gewinnt, wie sie von der Form der Wurzel übergeht zu der Form desBlattes, zu der Form der Blüte, zu der Form der Frucht. Wir betrachten daswachsende Tier, den wachsenden Menschen, kurz, wir betrachten nicht bloßeine Form, wie sie in einem Augenblick da ist, sondern wir betrachten dasWerden der Lebewesen. Wenn wir uns anregen lassen von dieser Betrachtungdes Werdens der Lebewesen: wie die Formen wechseln, wie sie in lebendigerMetamorphose sind, dann tritt uns für den hellseherischen Blick der zweitenStufe das entgegen, was wir die Kategorie der Geister der Bewegung nennen,Dynameis.

Schwieriger ist nun, eine dritte Kategorie von solchen Wesenheiten derzweiten Hierarchie zu betrachten. Da müssen wir weder die Form als solchenoch auch die Bewegung, die Veränderung der Form, sondern dasjenigebetrachten, was in der Form sich ausdrückt. Wir können charakterisieren, wieder Mensch zu einer solchen Betrachtung sich erziehen kann. Natürlich genügtnicht, daß man das gewöhnliche normale Bewußtsein in solcher Weise erzieht;wie es jetzt geschildert wird, sondern es müssen die anderen Übungen, welchedem Menschen zu dem okkulten Blick verhalfen, dabei sein. Der Mensch mußdie anderen Übungen machen und nicht mit dem gewöhnlichen Bewußtseingleichsam sich erziehen an dem, was jetzt geschildert wird, sondern sich schonmit dem hellseherischen Bewußtsein erziehen. Das hellseherische Bewußtseinmuß sich zuerst erziehen an der Art und Weise, wie der Mensch selber inseiner äußeren Form zum Ausdruck wird für sein Inneres. Wie gesagt, es kanndas auch das normale Bewußtsein. Da wird man aber nichts erreichen als einAhnen, als ein Vermuten dessen, was hinter der Miene, hinter der Geste, hinterdem Gesichtsausdruck, hinter der Physiognomie des Menschen ist. [184]Wenn aber der hellseherische Blick, der sich schon bis zur zweiten Stufe desHellsehers geschult hat, wenn der die Physiognomie, die Geste, denmimischen Ausdruck beim Menschen auf sich wirken läßt, dann ruft er in sichAnregungen hervor, durch die er sich allmählich erziehen kann, dieWesenheiten der dritten Kategorie der zweiten Hierarchie zu beobachten.

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Aber das kann nicht geschehen – ich bitte wohl zu beachten, was ich jetztsagen werde –, wenn man dabei stehenbleibt, nur die Gesten, den mimischenAusdruck, die Physiognomie des Menschen zu betrachten. Da erreicht maneigentlich noch wenig. Man muß dann, so ist die okkulte Schulung auf diesemGebiete am rationellsten, zu den Pflanzen übergehen. Die Tiere kann manüberspringen, das ist nicht besonders wichtig, daß man sich an den Tierenheranschult. Aber wichtig ist, daß, nachdem man sich hellseherisch ein wenigdazu erzogen hat, aus der Mimik, aus der Physiognomie, aus dem Gestus einesMenschen in das Innere seiner Seele sich hineinzuleben, nachdem man sich soerzogen hat am Menschen, man dann sich zu der Pflanzenwelt wendet und ander Pflanzenwelt sich weiter erzieht. Da wird der hellseherisch geschulteMensch sehr merkwürdige Erlebnisse haben können, da wird der hellseherischgeschulte Mensch tief empfinden können einen Unterschied zwischen einemPflanzenblatt, das, sagen wir, spitz zuläuft (a), und einem Pflanzenblatt, welchesdiese Form (b) hat; zwischen einer Blüte, welche in dieser Weise (c) nachaufwärts wächst, und einer Blüte, welche etwa so (d) nach außen sich öffnet.[185] Ganze Welten von Unterschieden in den inneren Erlebnissen stellen sichein, wenn man den okkulten Blick der zweiten Stufe nach einer Lilienblüte odernach einer Tulpenblüte hinwendet, wenn man die Rispe eines Hafers oder denHalm der Gerste oder des Weizens auf sich wirken läßt. Alles das wird solebendig sprechend wie die Physiognomie eines Menschen. Und wenn das solebendig sprechend wird, wie die Physiognomie eines Menschen spricht, wiesogar der Gestus eines Menschen spricht, wenn wir empfinden, wie eine Blüte,die nach außen sich öffnet, etwas hat wie eine Hand, die sich etwa, mit derInnenfläche nach unten, mit der Außenfläche nach oben, auswärts wendet, wennwir dann wiederum eine Blüte finden, welche die Blätter nach obenzusammenschließt wie eine Handbewegung, wo die zwei Hände sichzusammenfalten –, wenn wir so den Gestus, die Physiognomie der Pflanzenweltund in der Farbe der Blüte etwas wie Physiognomik empfinden, dann belebtsich der okkulte innere Blick, die okkulte Wahrnehmung und das okkulteVerständnis, und wir erkennen dann eine dritte Kategorie von Wesenheiten derzweiten Hierarchie, die wir nennen die Geister der Weisheit.

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Dieser Name ist vergleichsweise gewählt aus dem Grunde, weil, wenn wir einenMenschen betrachten in seiner Mimik, in seiner Physiognomie, in seinenGesten; wir sein Geistiges, sein Weisheitsvolles nach außen sprießen sehen, sichdarleben sehen. So fühlen wir, wie geistige Wesenheiten der zweiten Hierarchiealle Natur durchdringen und sich in der Gesamtphysiognomie, in demGesamtgestus, in der gesamten Mimik der Natur zum Ausdruck bringen.Flutende Weisheit geht lebensvoll durch alle Wesen, alle Reiche der Natur, undnicht bloß eine allgemein flutende Weisheit, sondern differenziert ist dieseflutende Weisheit in eine Fülle von geistigen Wesenheiten, in die Fülle derGeister der Weisheit. Es ist, wenn das okkulte Bewußtsein sich hinauferhebt zudiesen Geistern, zunächst die höchste Stufe dieser geistigen Wesenheiten, diewir auf diese Art erreichen.

Aber so, wie wir sagen konnten, daß die Wesenheiten der dritten Hierarchie,die Engel, Erzengel und Zeitgeister, Nachkommen haben, die sich von ihnenabspalten, so haben auch die Wesenheiten dieser zweiten HierarchieNachkommen. [186] Im Laufe der Zeit spalten sich in ähnlicher Art, wie wirdas gestern für die Wesen der dritten Hierarchie beschreiben konnten, vondiesen Wesenheiten der zweiten Hierarchie andere ab, die dann von niedrigererKategorie werden, die geradeso in die Reiche der Natur heruntergesandt werdenwie die Naturgeister aus den Wesenheiten der dritten Hierarchie, welchegleichsam die Baumeister und Werkmeister im kleinen in den Naturreichensind. Die geistigen Wesenheiten nun, welche da von der zweiten Hierarchieabgespalten werden und sich heruntersenken in die Reiche der Natur, das sinddiejenigen Wesenheiten, welche wir im Okkultismus bezeichnen als dieGruppenseelen der Pflanzen, der Tiere, die Gruppenseelen in den einzelnenWesenheiten. So daß der okkulte Blick auf der zweiten Stufe in denWesenheiten, die zum Pflanzen-, zum Tierreich gehören, geistige Wesenheitenfindet, welche nicht so wie beim Menschen als individuelle Geister in deneinzelnen menschlichen Persönlichkeiten sind, sondern wir finden Gruppen vonTieren und Pflanzen, die ähnlich gestaltet sind, beseelt von einer gemeinsamengeistigen Wesenheit. Sagen wir, wir finden die Form der Löwen, die Form derTiger, andere Formen beseelt von gemeinsamen Seelenwesen. Diegemeinsamen Seelenwesen, wir nennen sie die Gruppenseelen, und dieseGruppenseelen sind abgespaltene Nachkommen der Wesenheiten der zweitenHierarchie, wie die Naturgeister Nachkommen der Wesenheiten der drittenHierarchie sind.

So dringen wir von unten hinauf in die höheren Welten, finden, wenn wir dieElemente überblicken, die wichtig sind für alle Wesenheiten des Pflanzen-, desTierreichs, des Menschenreichs, daß in diesen Elementen, im Festen, imFlüssigen, im Gasförmigen, die Naturgeister walten, die da Nachkommen sindder Wesenheiten der dritten Hierarchie. [187]

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Wir finden, wenn wir von den Elementen Erde, Wasser, Luft aufsteigen zu dem,was mit Hilfe dieser Elemente lebt in den Naturreichen, geistige Wesenheiten,die belebend durchdringen die Wesenheiten dieser Naturreiche, Gruppenseelen,und diese Gruppenseelen sind abgespaltene geistige Wesenheiten derjenigen,die wir als die Wesenheiten der zweiten Hierarchie kennen.

Sie können daraus ersehen, daß auch mir für den okkulten Blick der zweitenStufe diese Wesenheiten, die wir als Gruppenseelen bezeichnen, wirklichwahrnehmbar sind. Nur für denjenigen okkult entwickelten Menschen, der dasWesen seines eigenen Ätherleibes wie in Fangarmen ausdehnen kann, ist esmöglich, daß er die Wesenheiten der zweiten Hierarchie kennenlernt und auchdie Wesenheiten der Gruppenseelen, die in den verschiedenen Reichen derNatur vorhanden sind. Noch schwieriger ist das Aufsteigen zu denWesenheiten der ersten Hierarchie und zu denjenigen Wesenheiten, welche inden Naturreichen wiederum die Abkömmlinge sind dieser Wesenheiten derersten Hierarchie. Davon wollen wir dann im nächsten Vortragweitersprechen. [188]

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Die erste Hierarchie und die göttliche Trinität

Wir sind in unseren Betrachtungen bis zu der sogenannten ZweitenHierarchie der geistigen Wesenheiten gelangt, und wir haben gesterncharakterisiert, wie die menschliche Seele sich verhalten muß, wenn sieeindringen will in das Wesen der zweiten Hierarchie. Ein noch schwierigererWeg führt zu einer noch höheren Reihe von geistigen Wesenheiten, zu jenenWesenheiten, welche der ersten, der obersten uns zunächst erreichbarenHierarchie angehören. Es ist hervorgehoben worden, daß durch eine besondereSteigerung jener Erlebnisse, die wir schon im gewöhnlichen Leben in demMitleid und in der Liebe haben, dadurch daß diese Erlebnisse gesteigertwerden bis zum okkulten Pfad, man dahin gelangt, das eigene Wesengleichsam aus sich herauszuergießen und unterzutauchen in die Wesenheiten,die man dann betrachten will. Beachten Sie wohl, daß das Charakteristischedieses Untertauchens darin besteht, daß wir unser eigenes Wesen wie inFangarmen ausstrecken und es hineinergießen in die fremde Wesenheit. Dabeiaber bleiben wir immer neben den fremden Wesenheiten in unseremBewußtsein, in unserem Innenleben noch bestehen. Das ist dasCharakteristische der zweiten Stufe der Hellsichtigkeit, von der gesprochenworden ist. Wir wissen auf dieser zweiten Stufe der Hellsichtigkeit in jedemAugenblick, in dem wir uns eins wissen mit den anderen Wesenheiten noch,daß wir auch da sind, daß wir gleichsam neben den anderen Wesen da sind.Auch dieser letzte Rest von egoistischem Erleben muß aufhören, wenn diedritte Stufe der Hellsichtigkeit erstiegen werden soll. [189]

Da müssen wir ganz die Empfindung verlieren, als ob wir an irgendeinemPunkt der Welt als besondere Wesen vorhanden wären. Wir müssen dahinkommen, daß wir nicht nur uns ausgießen in die fremden Wesenheiten undnebenbei stehen mit unserem eigenen Erleben, sondern wir müssen diefremden Wesenheiten eigentlich als unser Selbst empfinden, müssen ganz ausuns herausgehen und das Gefühl verlieren, daß wir neben den fremdenWesenheiten stehen. Wenn wir dann so untertauchen in die fremdenWesenheiten, dann kommen wir dazu, uns selbst, wie wir vorher waren, wiewir im gewöhnlichen Leben sind, als fremde Wesenheit anzuschauen. Sagenwir zum Beispiel, wir tauchen so auf der dritten Stufe der Hellsichtigkeit inirgendein Wesen der Naturreiche unter, dann schauen wir nicht von uns ausauf dieses Wesen, wir tauchen nicht bloß unter wie auf der zweiten Stufe derHellsichtigkeit, sondern wir wissen uns eins mit diesem Wesen und schauenzurück von diesem Wesen auf uns selbst. Wie wir sonst das fremde Wesenaußer uns anschauen, so schauen wir jetzt auf der dritten Stufe derHellsichtigkeit von dem fremden Wesen aus uns selber als ein fremdes Wesenan. Das ist der Unterschied zwischen der dritten Stufe und der zweiten Stufe.Erst wenn diese dritte Stufe erreicht ist, dann kommen wir dahin, außer denschon charakterisierten Wesenheiten der dritten und der zweiten Hierarchienoch andere Wesenheiten in unserer geistigen Umgebung wahrzunehmen.

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Die geistigen Wesenheiten, die wir dann wahrnehmen, gehören wiederumdrei Kategorien an. Die erste Kategorie nehmen wir vorzugsweise wahr, wennwir so, wie es jetzt geschildert worden ist, untertauchen in das Wesen andererMenschen oder der höheren Tiere und uns dadurch erziehen. Nicht was wir inanderen Menschen oder in den höheren Tieren wahrnehmen, ist dasWesentliche, sondern daß wir uns dadurch erziehen und hinter Menschen undTieren die Geister wahrnehmen, welche der einen Kategorie der erstenHierarchie angehören: die Geister des Willens oder, wie die abendländischeEsoterik sagt, die Throne. Wir nehmen dann Wesenheiten wahr, die wir nichtanders charakterisieren können, als indem wir sagen: [190] Sie bestehen nichtaus Fleisch und Blut, auch nicht aus Licht oder Luft, sondern sie bestehen ausdem, was wir nur in uns selber wahrnehmen können, wenn wir uns bewußtwerden, daß wir einen Willen haben. Sie bestehen in bezug auf ihre niedrigsteSubstanz nur aus Wille.

Dann, wenn wir uns dadurch erziehen, daß wir auf die geschilderte Weiseuntertauchen nun auch in niedrigere Tiere und deren Leben ins Auge fassenmit dem okkulten Blicke, oder auch wenn wir untertauchen in dasPflanzenleben, aber es nicht bloß so betrachten, wie wir das gestern schoncharakterisiert haben, durch die Geste, durch die Mimik, sondern wenn wireins werden mit den Pflanzen und von den Pflanzen aus uns selber anschauen,ja, dann werden wir zu einer Erfahrung, zu einem Erlebnis gebracht, für das eseigentlich keinen rechten Vergleich mehr gibt innerhalb der Welt, die wirsonst haben. Wir gewinnen höchstens einen Vergleich für die Eigenschaftenjener Wesenheiten, zu denen wir uns dann als den Wesenheiten der zweitenKategorie der ersten Hierarchie aufschwingen, wir gewinnen eine Möglichkeit,sie zu charakterisieren, wenn wir so recht auf unser Gemüt dasjenige wirkenlassen, wozu es ernste, würdige Menschen gebracht haben, welche vieleSchritte ihres Lebens dazu verwendet haben, Weisheit in sich anzusammeln,welche nach vielen Jahren reichen Erlebens so viel Weisheit angesammelthaben, daß wir uns sagen: Wenn solche Menschen ein Urteil aussprechen, sospricht nicht ein persönlicher Wille zu uns, sondern es spricht das Leben zuuns, das durch Jahre, durch Jahrzehnte in diesen Menschen sich angehäuft hatund durch das sie in einer gewissen Weise unpersönlich geworden sind.Menschen, welche auf uns einen solchen Eindruck machen, daß ihre Weisheitunpersönlich wirkt, daß ihre Weisheit wie die Blüte und Frucht eines reifenLebens erscheint, die rufen in uns ein wenn auch nur ahnendes Empfinden vondem hervor, was aus unserer geistigen, aus unserer spirituellen Umgebung aufuns wirkt, wenn wir zu dieser Stufe des Hellsehens emporrücken, von der hierjetzt die Rede sein muß. [191] Man nennt diese Kategorie in derabendländischen Esoterik die Cherubim. Es ist außerordentlich schwierig, dieWesenheiten dieser höheren Kategorien zu charakterisieren, denn je weiter wirhinaufsteigen, desto unmöglicher wird es, Eigenschaften des gewöhnlichenLebens heranzuziehen, um eine Charakteristik von der Höhe und Größe undErhabenheit der Wesenheiten dieser Hierarchien zu erwecken.

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Die Geister des Willens, die niederste Kategorie also der ersten Hierarchie,sie können wir noch dadurch charakterisieren, daß wir sagen, wir machen unsklar, was Wille ist, denn Wille ist die niederste Substanz, aus der sie bestehen.Aber es würde unmöglich sein, wenn wir nur auf den Willen, wie er uns beimMenschen oder bei den Tieren im normalen Leben entgegen tritt, wenn wir nurauf die gewöhnlichen Gefühle und Gedanken des Menschen sehen würden, eswürde unmöglich sein mit dem, was dem gewöhnlichen menschlichen Denken,Fühlen und Wollen entnommen ist, die Wesenheiten der zweiten Kategorie derersten Hierarchie zu charakterisieren. Da müssen wir schon zu besonderenMenschen des Lebens gehen, die eben in der charakterisierten Weiseüberwältigende Macht der Weisheit in ihrer Seele aufgehäuft haben. Wenn wirdiese Weisheit fühlen, dann fühlen wir ähnlich, wie der Okkultist fühlt, wenner den Wesenheiten, die wir Cherubim nennen, gegenübersteht. SolcheWeisheit, die nun nicht gesammelt ist in Jahrzehnten, wie die Weisheithervorragender Menschen, sondern solche Weisheit, die in Jahrtausenden, inJahrmillionen des Weltenwerdens gesammelt ist, die strömt uns entgegen inerhabener Macht aus den Wesenheiten, die wir Cherubim nennen.

Und noch schwieriger sind zu charakterisieren diejenigen Wesenheiten, dienun die erste, die höchste Kategorie der ersten Hierarchie ausmachen und dieman Seraphim nennt. Es würde nur möglich sein, sich eine Vorstellung vondem Eindruck, von der Impression, welche die Seraphim auf den okkultenBlick machen, zu verschaffen, wenn wir etwa folgenden Vergleich aus demLeben nehmen. [192] Wir setzen den Vergleich fort, den wir eben gebrauchthaben. Wir betrachten einen Menschen, der durch Jahrzehnte Erlebnisseaufgehäuft hat, die ihn zu überwältigender Weisheit gebracht haben, und wirstellen uns vor, daß ein solcher weiser Mensch, aus dem unpersönlichsteLebensweisheit spricht, aus seiner unpersönlichsten Lebensweisheit herauswie mit innerem Feuer sein ganzes Wesen derart durchdringt, daß er uns nichtszu sagen braucht, sondern sich nur vor uns hinzustellen braucht und das, wasJahrzehnte ihm an Lebensweisheit gegeben haben, in seinen Blick hineinlegt,so daß der Blick uns erzählen kann Leiden und Erfahrungen von Jahrzehntenund wir aus dem Blicke einen Eindruck davon haben können, daß dieser Blickspricht wie die Welt selber, die wir erleben. Wenn wir uns einen solchen Blickvorstellen, oder wenn wir uns vorstellen, daß ein solcher weiser Mensch dahingekommen ist, uns nicht nur Worte zu sagen, sondern in dem Klang und in dereigentümlichen Färbung seiner Worte den Abdruck zu geben von reichenLebenserfahrungen, so daß wir etwas wie einen Unterton hören in dem, was ersagt, weil er es mit einem gewissen Wie ausstattet und wir aus diesem Wieeine Welt von Lebenserfahrungen vernehmen, dann bekommen wir wiederumein Gefühl, wie es der Okkultist hat, wenn er zu den Seraphim aufsteigt.

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Wie ein Blick, der am Leben herangereift ist, und wie Jahrzehnte vonErfahrungen sprechen oder wie ein Satz, der so ausgesprochen wird, daß wirnicht bloß seine Gedanken hören, sondern daß wir hören: der Satz ist, indem ermit solchem Klange ausgesprochen wird, in Schmerzen und in Erfahrungendes Lebens errungen, er ist keine Theorie, er ist erkämpft, er ist erlitten, er istdurch Lebensschlachten und Siege in das Herz gegangen – wenn wir all dasdurch einen Unterton hören, dann bekommen wir einen Begriff von derImpression, welche der geschulte Okkultist hat, wenn er sich aufschwingt zuden Wesenheiten, die wir Seraphim nennen.

Wir konnten die Wesenheiten der dritten Hierarchie charakterisieren, indemwir sagten: [193] Was bei den Menschen Wahrnehmung ist, das ist bei ihnenOffenbarung ihres Selbst, was bei den Menschen Innenleben, wachesBewußtsein ist, das ist bei ihnen Geist-Erfüllung. Wir konnten dieWesenheiten der zweiten Hierarchie charakterisieren, indem wir sagten: Wasbei den Wesenheiten der dritten Hierarchie Offenbarung ihres Selbst ist, ist beiihnen Selbstverwirklichung, Selbstschaffen, Abdrückeprägen von ihremeigenen Wesen, und was bei den Wesenheiten der dritten Hierarchie Geist-Erfüllung ist, das ist bei ihnen Lebenserregung, so daß innere Lebenserregungentsteht in dem Absondern, in dem Selbstobjektivieren. Was nun bei denWesenheiten der zweiten Hierarchie Selbstschaffen ist, das tritt uns auch nochbei den Wesenheiten der ersten Hierarchie entgegen, wenn wir sie mit demokkulten Blick betrachten, aber es ist doch ein Unterschied. Der Unterschiedbesteht nämlich darin, daß das, was die Wesenheiten der zweiten Hierarchieobjektivieren, was sie aus sich heraus schaffen, so lange vorhanden bleibt, alsdiese Wesenheiten mit dem Geschaffenen verbunden bleiben. Alsowohlgemerkt, diese Wesenheiten der zweiten Hierarchie können so etwas wieein Abbild von sich schaffen, das aber bleibt mit ihnen verbunden, und es kannsich nicht von ihnen trennen. Es bleibt in einer gewissen Weise mit ihnenverbunden. Bei den Wesenheiten der ersten Hierarchie ist es so, daß sie sichauch selbst objektivieren, daß sie ihr eigenes Wesen abprägen, absondern wiein einer Haut, in einer Schale, die aber ein Abdruck ihres eigenen Wesens ist.Das sondert sich jetzt von ihnen ab und bleibt in der Welt vorhanden, auchwenn sie sich davon trennen. Sie tragen also ihre Schöpfung nicht mit sichherum, sondern diese Schöpfung bleibt, auch wenn sie von ihr weggehen.Dadurch ist ein höherer Grad von Objektivität erreicht als der durch die zweiteHierarchie erreichte. Wo die Wesen der zweiten Hierarchie schaffen, damüssen sie, damit ihr Geschaffenes nicht zugrunde gehe, bei demGeschaffenen bleiben. Das Geschaffene würde tot sein und zerfallen, wenn sienicht selber damit verbunden blieben. Es hat eine selbständige, objektiveWesenheit, aber nur so lange, als das Wesen damit verbunden bleibt. [194]Dasjenige, was abgesondert wird aus den Wesenheiten der ersten Hierarchieheraus, davon können diese Wesenheiten der ersten Hierarchie weggehen, unddennoch bleibt es als etwas Selbsttätiges, Objektives vorhanden.

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Bei der dritten Hierarchie haben wir Offenbarung und Geist-Erfüllung, beider zweiten Hierarchie Selbsterschaffen und Lebenserregung. Bei der erstenHierarchie, die da besteht aus den Thronen, Cherubim und Seraphim, da habenwir ein solches Schaffen, daß das Geschaffene abgesondert wird, da haben wirstatt des Selbstschaffens Weltschaffen: Eine abgesonderte Welt wird das, washervorgeht aus den Wesenheiten der ersten Hierarchie, eine solcheselbständige Welt, daß diese Welt Erscheinungen, Tatsachen zeigt, auch wenndie Wesenheiten nicht mehr dabei sind.

Wir können uns jetzt noch fragen: Und wie ist denn das eigene Leben dieserersten Hierarchie? Das eigene Leben der Wesenheiten der ersten Hierarchie istso, daß es sich selber wahrnimmt, indem es solche objektive, selbständige,sich absondernde Wesen aus sich hervorgehen läßt. Im Schaffen, imSelbständigmachen von Wesenheiten liegt für diese Wesenheiten der erstenHierarchie ihr innerer Bewußtseinszustand, ihr inneres Erleben. Wir könnensagen, sie schauen hin auf das, was sie schaffen und was die Welt wird, undnicht indem sie in sich hineinschauen, sondern indem sie hinausschauen aufdie Welt, auf ihre Geschöpfe, haben sie sich. Wesen schaffen, das ist ihrInnenleben. Andere Wesen schaffen, in anderen Wesen leben, das ist dasinnere Erleben dieser Wesenheiten der ersten Hierarchie. Weltschaffen ist ihrAußenleben, Wesenschaffen ihr Innenleben.

Wir haben nun im Laufe dieser Tage darauf aufmerksam gemacht, wie dieverschiedenen Wesenheiten der einzelnen Hierarchien Nachkommen, sichabspaltende Wesenheiten haben, die sie herunterschicken in die Reiche derNatur, und wir haben kennengelernt, daß die Nachkommen der drittenHierarchie die Naturgeister sind, daß die Nachkommender zweiten Hierarchiedie Gruppenseelen sind. [195] Auch die Wesenheiten der ersten Hierarchiehaben solche sich abspaltenden Nachkommen, und im Grunde genommen habeich Ihnen bereits von einer anderen Seite her diese Wesenheiten beschrieben,welche die Nachkommen der ersten Hierarchie sind. Ich habe es Ihnenbeschrieben in den allerersten Betrachtungen, als wir aufgestiegen sind zu densogenannten Geistern der Umlaufszeiten, zu denjenigen Geistern, welcheanordnen und dirigieren, was in den Naturreichen in rhythmischer Folge undWiederholung geschieht. Die Wesenheiten der ersten Hierarchie spalten vonsich ab diejenigen Wesenheiten, welche anordnen den Wechsel von Winter undSommer, so daß die Pflanzen sprießen und wiederum verwelken; jenerhythmische Folge, wodurch zum Beispiel die Angehörigen einer gewissentierischen Art eine bestimmte Lebenszeit haben, innerhalb welcher sie sichentwickeln von der Geburt bis zum Tod. Aber auch alles, was in denNaturreichen rhythmisch und sich wiederholend folgt, wie Tag und Nacht, wieJahreswechsel, wie die vier Jahreszeiten – alles, was so rhythmisch folgt, alleswas auf sich wiederholendem Geschehen beruht, das wird geregelt von denGeistern der Umlaufszeiten, von den Nachkommen der Wesenheiten der erstenHierarchie.

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Man kann diese Geister der Umlaufszeiten von der einen Seitecharakterisieren, wie wir das vor einigen Tagen gemacht haben, und man kannsie jetzt ihrer eigenen Abstammung nach charakterisieren, wie wir das heutetaten. So können wir zusammenfassend das Wesen dieser drei Hierarchien wiefolgt darstellen:

Erste HierarchieWeltschaffen Wesenschaffen Geister der Umlaufszeiten

Zweite HierarchieSelbsterschaffen Lebenserregung Gruppenseelen

Dritte HierarchieOffenbarung Geist-Erfüllung Naturgeister

[196]

Wenn wir nun in der mir gestellten Aufgabe weiterschreiten wollen, damüssen wir uns bekannt machen mit Vorstellungen, zu denen sich der geschulteBlick des Okkultisten allmählich erhebt und die ja für den Anfang, wenn manzuerst mit ihnen bekannt wird, etwas schwierig sind. Aber wir werden sie schonheute vor unsere Seele hinstellen, diese Vorstellungen und Ideen, und indem wirdas tun, bekommen wir die Möglichkeit, uns in den nächsten Vorträgen, wo unsdas ganze Leben und die ganze Wesenheit der Naturreiche und derHimmelskörper vor Augen treten soll, immer mehr und mehrhineinzugewöhnen in die Art und Weise, wie die charakterisierten Wesenheitenmit den Naturreichen und mit den Himmelskörpern zusammenhängen. Sowerden wir immer bestimmtere Vorstellungen nach dieser Richtung hin erhaltenkönnen.

Wenn wir von dem Menschen sprechen, dann sprechen wir so, daß wir diesenMenschen charakterisieren, wie er sich dem okkulten Blick darbietet; Siekönnen das ja verfolgen in anthroposophischen Schriften, zum Beispiel inmeiner «Theosophie» und in meiner «Geheimwissenschaft». Wenn wir denMenschen mit dem okkulten Blick betrachten, so sagen wir: Dasjenige, waszunächst das äußerste für Augen und Sinne überhaupt Wahrnehmbare amMenschen ist, das ist sein physischer Leib. Also den physischen Leib desMenschen betrachten wir als das erste menschliche Glied. Als das zweitemenschliche Glied betrachten wir dann schon etwas Übersinnliches, schonetwas für das normale Bewußtsein Unsichtbares, den ätherischen Leib. Alsdrittes Glied betrachten wir den astralischen Leib. Wenn wir diese drei Gliederhaben, dann haben wir ungefähr die Hüllennatur des Menschen.

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Wir kommen dann zu noch höheren Gliedern. Die sind dann seelenartigerNatur. Die nimmt man im gewöhnlichen Leben wahr als inneres Seelenleben,und ebenso wie wir von einer dreifachen äußeren Hülle sprechen, so können wirsprechen von einer dreifachen Seele: von der Empfindungsseele, Verstandes-oder Gemütsseele und Bewußtseinsseele. [197] Diese Glieder der menschlichenNatur, von dem physischen Leib bis zur Bewußtseinsseele herauf, sind imGrunde genommen heute bei jedem Menschen schon vorhanden. Dazu kommtnoch ein Hereinleuchten des nächsten Gliedes, das wir bezeichnen alsGeistselbst oder, wie vielleicht viele von Ihnen gewohnt sind, es zu nennen,Manas. Dann haben wir das nächste Glied, das in der Zukunft für den Menscheneigentlich erst ausgebildet werden wird im rechten Maße; wir nennen das denLebensgeist oder die Buddhi. Und dann haben wir das, was wir als deneigentlichen Geistesmenschen oder Atma bezeichnen, was zwar die innerstemenschliche Natur ist, was aber in dem Menschen für sein Bewußtsein heutenoch schlummert und erst in zukünftigen Erdentagen innerhalb des Bewußtseinsals der eigentliche Mittelpunkt des Bewußtseins aufleuchten wird. Diese Gliederder menschlichen Natur sind so, daß wir von ihnen sprechen als Einheiten. Ineiner gewissen Weise haben wir in dem physischen Leib des Menschen eineEinheit, wir haben in dem ätherischen Leib des Menschen eine Einheit und so inden anderen Gliedern der menschlichen Natur. Der ganze Mensch ist eineEinheit, welche aus der Zusammenfügung und dem Ineinanderwirken dieserverschiedenen Glieder besteht.

Sie müssen sich nun vorstellen, wenn wir weiterkommen wollen in unserenBetrachtungen; daß es über dem Menschen stehende Wesenheiten gibt, welcheso erhaben sind über die menschliche Natur, daß sie nicht bestehen ausGliedern, die wir bezeichnen können als physischen Leib, Ätherleib und soweiter, sondern daß die Glieder dieser Wesenheiten selbst wiederumWesenheiten sind. Während der Mensch also zu seinen einzelnen Gliedern dashat, was wir nicht als Wesenheit, sondern eben nur als einheitliche Gliederansehen können, müssen wir aufsteigen zu solchen Wesenheiten, die nicht einenphysischen Leib haben als ihren Teil, sondern welche ebenso, wie der Menschseinen physischen Leib als einen Teil hat, zu ihrem Teil etwas haben, was wirjetzt genannt haben in unseren Betrachtungen die Geister der Form. Wenn wirsagen: [198] Es gibt eine Wesenheit höherer Kategorie, welche nicht wie derMensch zu seinem Gliede einen physischen Leib hat, sondern welche zu ihremGlied eine Wesenheit selbst hat, einen Geist der Form, dann bekommen wir eineVorstellung von einer Wesenheit, die wir bisher noch nicht charakterisierthaben, aber die wir jetzt charakterisieren wollen. Wollen wir siecharakterisieren, so müssen wir uns schon derjenigen Vorstellungen bedienen,zu denen wir uns aufgeschwungen haben im Laufe unserer Betrachtungen.

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Ich sagte schon, es ist schwierig, zu diesen Vorstellungen zu kommen, aberSie werden durch eine Analogie sich erheben können zu solchen Vorstellungen,wie wir sie hier brauchen. Betrachten Sie einen Bienenstock oder einenAmeisenhaufen und nehmen Sie die einzelnen Wesenheiten, die einzelnenBienen des Bienenstockes und seien Sie sich klar darüber, daß der Bienenstockeinen realen Gesamtgeist hat, eine reale Gesamtwesenheit, und daß er in deneinzelnen Bienen seine Teile hat, wie Sie Ihre Teile haben in Ihren einzelnenGliedern. Da haben Sie eine Analogie für noch höhere Wesenheiten, alsdiejenigen sind, die wir bisher betrachtet haben, die zu ihrem Glied nicht soetwas haben, was wir nur als physischen Leib wie beim Menschen bezeichnen,sondern was wir selber als eine Wesenheit bezeichnen müssen, als Geist derForm. Wie wir in unserem physischen Leibe leben, so leben Wesenheiten vonhöherer Erhabenheit so, daß sie die Geister der Form, oder einen Geist der Formmeinetwillen, zu ihrem untersten Gliede haben. Wir Menschen haben dann denätherischen Leib, statt dessen haben diese Wesenheiten als zweites GliedGeister der Bewegung; statt des astralischen Leibes des Menschen haben dieseWesenheiten Geister der Weisheit; statt dessen, was wir Menschen alsEmpfindungsseele haben, haben diese Wesenheiten als ihr viertes Glied Throneoder Geister des Willens; statt unserer Verstandesseele haben dieseWesenheiten als fünftes Glied Cherubim; als sechstes haben sie, wie wir dieBewußtseinsseele haben, Seraphim. [199] Und wie wir hinaufschauen zudemjenigen, was wir uns allmählich erst aneignen in zukünftigen Erdentagen, soschauen diese Wesenheiten hinauf zu dem, was überragt das Wesen derHierarchien. Wie wir von unserem Manas, Buddhi, Atma oder Geistselbst,Lebensgeist, Geistesmenschen sprechen, so schaut gleichsam aus seinemseraphischen Glied, wie wir aus unserer Bewußtseinsseele, diese Wesenheithinauf zu einer Urgeistigkeit. Da erst haben diese Wesenheiten dann etwas demAnaloges, was wir unser geistiges Innenleben nennen. Es ist außerordentlichschwierig, von dem, was da oben über den Hierarchien gleichsam als diegeistige Wesenheit höchster Geister selber vorhanden ist, Vorstellungen zuerwecken. Im Laufe der Menschheitsevolution haben die verschiedenenReligionen und Weltanschauungen daher auch, man möchte sagen, mit einergewissen ehrfürchtigen Vorsicht unterlassen, in deutlichen, an die Sinneswelterinnernden Vorstellungen von dem zu sprechen, was da oben noch vorhandenist über den Hierarchien. Mußten wir schon, um eine Vorstellunghervorzurufen, wie sie in der Seele des Okkultisten lebt, wenn er auf dieSeraphim blickt, zu solchen Mitteln greifen, die uns nur in Analogienentgegentreten bei Menschen mit reicher Lebenserfahrung, so reicht auch allesdas, was uns selbst bei solchen Menschen als reine Äußerung ihres Lebensentgegentritt, nicht mehr aus, um die Dreiheit: zu charakterisieren, diegleichsam über den Seraphim als höchstes Wesen, als ihr Manas, Buddhi, Atma,figuriert.

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Im Laufe der Menschheitsevolution ist über die vorsichtigen Ahnungen, mitdenen der Menschengeist von dem, was da oben ist in den geistigen Regionen,gesprochen hat, sogar, man darf sagen leider, viel gestritten worden. Leider!darf man sagen, weil es dem Menschengeist viel angemessener wäre, nicht mitVorstellungen, die er sich nun einmal aus dem gewöhnlichen Leben durchallerlei Analogien und Vergleiche gezimmert hat, Wesenhaftes von so hoherGattung charakterisieren zu wollen; viel mehr geziemend wäre es für denMenschen, in tiefer Ehrfurcht immer mehr und mehr lernen zu wollen, umannähernde Vorstellungen von dem zu bekommen, was da oben ist. [200]Annähernde Vorstellungen versuchten die Religionen und Weltanschauungenvon dem, was da oben ist, zu geben, indem sie heranzogen vieldeutige undvielsagende Begriffe, Begriffe, welche gewissermaßen dadurch etwasBesonderes gewinnen, daß sie über das einzelne Leben des Menschen schon inder äußeren Sinneswelt hinausgehen. Mit solchen Begriffen kann man natürlichdas erhabene Wesen, um das es sich hier handelt, auch nicht einmal annäherndcharakterisieren, aber man kann gewissermaßen eine Vorstellung hervorrufenvon dem, was man nicht zu sagen vermag, sondern was sich hüllen soll in einheiliges Geheimnis, in ein heiliges Mysterium. Denn nicht sollte man mitmenschlichen Verstandesbegriffen, die an der Außenwelt gewonnen sind, soohne weiteres herankommen an diese Dinge. Daher versuchte man in denaufeinanderfolgenden Religionen und Weltanschauungen annähernd,ahnungsvoll diese Dinge dadurch zu charakterisieren, daß man das, was überden Menschen hinausragt und schon in der Natur mysteriös ist, zurCharakteristik oder, sagen wir besser, zur Namengebung heranzog.

Die alten Ägypter haben zur Namengebung herangezogen die Begriffe vonKind oder Sohn, von Mutter und Vater, also das, was über den einzelnenMenschen hinausragt. Das Christentum hat versucht, in der Aufeinanderfolgevon Heiligem Geist, Sohn und Vater für diese Dreiheit eine Namengebung zufinden. So daß wir sagen können: Wir würden an die siebente Stelle zu setzenhaben den Heiligen Geist, an die achte den Sohn und an die neunte den Vater.Wenn wir also ein Wesen, zu dem wir hinaufschauen und dessen oberster Inhaltuns wie in ein geistiges Mysterium verschwindet und wir andeutungsvoll dazusagen: Geist, Sohn und Vater –, wenn wir ein solches Wesen mit dem okkultenBlick betrachten, so sagen wir uns: Wie wir uns zum Menschen verhalten,indem wir ihn äußerlich anschauen, wie wir seinen physischen Leib als seinunterstes Glied betrachten, so haben wir bei einem solchen Wesen, wenn wir esso betrachten, daß diese Betrachtung analog ist der Menschenbetrachtung, denGeist der Form vor uns, das heißt, einen Geist, der sich eine Form gibt, einengeformten Geist. [201] Wir müßten also hinschauen können auf dasjenige, wasvon diesen Wesenheiten analog, ähnlich ist dem physischen Leib desMenschen, auf etwas Geformtes.

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Wie wir etwas Geformtes im physischen Leib des Menschen als seinunterstes Glied haben, und wie in diesem Geformten, das in Wahrheit, so wie esuns entgegentritt, selbstverständlich eine Maja ist, aber eben das lebt, was Geistder Form ist, so ist das, was uns erscheint, wenn wir den Blick hinausrichten inden Weltenraum und im Weltenraum einen Planeten erblicken – Merkur,Venus, Mars, Jupiter –, die äußere Form des Geistes der Form, das, was zudiesem Wesen, von dem wir jetzt gesprochen haben, gehört, wie der physischeLeib des Menschen zu dem Menschen gehört. Wenn ein Mensch vor uns steht,dang drückt uns diese Form aus, was als höhere Glieder, als ätherischer Leib,astralischer Leib, Empfindungsseele und so weiter, in dem Menschen lebt; wennwir einen Planeten sehen, drückt uns diese Form aus, was die Form der Geisterder Form ausmacht. Und wie hinter der menschlichen Form, hinter demphysischen Leib der ätherische Leib, der astralische Leib, die Empfindungsseeleund so weiter sind, so ist hinter dem Planeten als zu ihm gehörig dasjenige; waswir ansprechen als Geister der Bewegarg, der Weisheit, des Willens, Seraphim,Cherubim und so weiter. Wenn wir also im Sinne der Geisteswissenschaft dasvollständige Wesen eines Planeten uns vorhalten wollen, dann müssen wirsagen: Uns begegnet im Weltenraum für unsere Wahrnehmung der Planet,indem er uns sein Physisches, das der Geist der Form ihm gegeben hat,entgegenleuchtet, und er verbirgt, wie der Mensch seine höheren Glieder demphysischen Blick verbirgt, dasjenige, was als Wesenheiten der höherenHierarchien in dem Planeten und um ihn waltet. [202] Wir stellen uns also einensolchen Planeten wie den Mars oder den Merkur richtig vor, wenn wir ihn unszunächst seiner physischen Form nach vorstellen und ihn umgeben unddurchdrungen denken von einer geistigen Atmosphäre, die ins Endloseausgreift, die in dem physischen Planeten eben ihre physische Form, dieSchöpfung der Geister der Form, hat und die in ihrem geistigen Umkreis dieWesenheiten der anderen Hierarchien hat. Dann erst haben wir denvollständigen Planeten, wenn wir ihn so betrachten, daß er in der Mitte dasPhysische als einen Kern hat und um ihn herum geistige Umhüllungen, die ausden Wesenheiten der Hierarchien bestehen. Es soll das in den nächstenVorträgen noch eingehender betrachtet werden. Damit wir aber gewissermaßenheute noch die Richtung unserer Betrachtung andeuten können, sei nochfolgendes zunächst als Mitteilung, wie es die okkulte Forschung ergibt, gesagt.

Wir haben schon angedeutet: Wenn wir das, was physische Planetenformist, betrachten, so ist das ein Geschöpf des Geistes der Form. Auch unsereErdenform ist Geschöpf des Geistes der Form. Nun aber wissen Sie vonunserer Erde zunächst, daß sie in sich kein Ruhendes ist, daß diese Erde einerfortdauernden inneren Veränderung und Beweglichkeit unterliegt. Sie allewerden sich aus den Schilderungen der Akasha-Chronik erinnern, daß dasäußere Antlitz unserer Erde heute anders aussieht, als es zum Beispielausgesehen hat während der Periode der Erdenentwickelung, die wir als dieatlantische Zeit bezeichnen.

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In dieser uralten atlantischen Zeit war die Fläche unseres Erdballs, welcheheute vom Atlantischen Ozean überflutet ist, mit einem mächtigen Kontinentebedeckt, während an der Stelle, wo heute Europa, Asien, Afrika sind, kaumerst Kontinente sich bildeten. So hat sich die Masse, die Substanz der Erdeumgesetzt durch innere Beweglichkeit. Der Planet ist in einer fortwährendeninneren Beweglichkeit. Bedenken Sie nur, daß zum Beispiel das, was heutebekannt ist als die Insel Helgoland, nur ein kleiner Teil dessen ist, was nochim neunten, zehnten Jahrhundert von dieser Insel Helgoland ins Meerhinausragte. Wenn auch die Zeiten, in denen Umlagerungen, innereVeränderungen des Antlitzes der Erde stattfinden, verhältnismäßig groß sind,ohne viel auf diese Dinge einzugehen, kann jeder sich sagen, der Planet ist ineiner fortwährenden inneren Beweglichkeit. [203] Und gar, wenn der Menschnicht nur zum Planeten das Feste der Erde rechnet, sondern auch Wasser undLuft, dann lehrt ja das alltägliche Leben, daß der Planet in innererBeweglichkeit ist. In Wolkenbildung, in Regenbildung, in all denWitterungserscheinungen, im auf- und absteigenden Wasser, in alledem zeigtdie planetarische Substanz die innere Beweglichkeit. Das ist ein Leben desPlaneten. Innerhalb dieses Lebens des Planeten wirkt, wie im Leben deseinzelnen Menschen der Ätherleib, dasjenige, was wir bezeichnen als dieGeister der Bewegung. So daß wir sagen können: Äußere Gestalt des Planeten– Geister der Form als Schöpfer. Die innere Lebendigkeit, sie wird geregeltdurch die Wesenheiten, die wir die Geister der Bewegung nennen.

Nun ist aber ein solcher Planet für den Okkultisten durchaus eine wirklicheWesenheit, eine Wesenheit, welche das, was in ihr vorgeht, nach Gedankenregelt. Nicht nur, daß innere Lebendigkeit, wie sie eben geschildert worden ist,im Planeten vorhanden ist, sondern auch Bewußtsein hat der Planet als ganzerPlanet, denn er ist ja eine Wesenheit. Und dieses Bewußtsein, welches demmenschlichen Bewußtsein entspricht, insofern die niedere Bewußtseinsform,das Unterbewußtsein, im astralischen Leib ist, das wird geregelt beim Planetendurch die Geister der Weisheit. So daß wir sagen können: Das niedersteBewußtsein des Planeten wird geregelt durch die Geister der Weisheit. Wennwir so den Planeten charakterisieren, dann bleiben wir noch immer innerhalbdes Planeten. Wir schauen hinauf zum Planeten und sagen uns: Er hat einegewisse Form, das entspricht den Geistern der Form; er hat eine innereBeweglichkeit, das entspricht den Geistern der Bewegung; das alles ist vonBewußtsein durchdrungen, das entspricht den Geistern der Weisheit. Aber nunverfolgen wir den Planeten weiter: Er geht durch den Raum, er hat eineninneren Impuls, der ihn treibt durch den Raum, wie der Mensch einen innerenWillensimpuls hat, der ihn treibt, seine Schritte zu machen, durch den Raumzu gehen. Das, was den Planeten durch den Raum führt, was seine Bewegungim Raum regelt, was da macht, daß er zum Beispiel um den Fixstern sichbewegt, das entspricht den Geistern des Willens. [204]

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Sie geben dem Planeten den Impuls, hinzufliegen durch den Raum. Also,die Bewegung des Planeten im Raum entspricht den Geistern des Willens oderden Thronen. Wenn nun diese Geister des Willens nur die Bewegungsimpulsedem Planeten geben würden, so würde jeder Planet in der Welt seine eigenenWege gehen. Das ist aber nicht der Fall, sondern ein jeder Planet richtet sichnach dem ganzen System. Es wird die Bewegung nicht nur so geregelt, daß derPlanet sich bewegt, sondern es wird Ordnung hineingebracht in das ganzeplanetarische System. Wie Ordnung hineingebracht wird, wenn, sagen wir,eine Gruppe von Menschen, von denen der eine dahin, der andere dorthin ging,einem gemeinsamen Ziele zuzustreben beginnt, so werden die Bewegungender Planeten geordnet, bis sie zusammenstimmen. Dieses Zusammenstimmender Bewegungen des einen Planeten mit dem anderen, diese Tatsache, daß inder Bewegung des einen Planeten Rücksicht genommen wird auf die deranderen, das entspricht der Tätigkeit der Cherubim. Also die Regelung dergemeinsamen Bewegung des Systems entspricht der Tätigkeit der Cherubim.Und jedes Planetensystem mit seinem Fixstern, der gewissermaßen als derHauptanführer dasteht unter der Leitung der Cherubim, hat seine Beziehungwiederum zu den anderen Planetensystemen, die anderen Fixsternenzugehören, verständigt sich über seinen Ort im Raum und über seineBedeutung mit seinen Nachbarsystemen, wie die einzelnen Menschen sichuntereinander verständigen, miteinander sich besprechen zu ihrengemeinsamen Taten. Wie die Menschen ein soziales System begründendadurch, daß sie Gegenseitigkeit haben, so gibt es auch eine Gegenseitigkeitder Planetensysteme. Von Fixstern zu Fixstern waltet gegenseitigeVerständigung. Dadurch kommt allein der Kosmos zustande. Das, wassozusagen die Planetensysteme durch den Weltenraum miteinander sprechen,um zum Kosmos zu werden, das wird geregelt durch diejenigen Geister,welche wir Seraphim nennen.

Und nun haben wir gleichsam das erschöpft, was wir beim Menschen findenbis herauf in die Bewußtseinsseele. [205] Wie wir dann beim Menschenkommen zu seinem höheren Geistesleben, zu dem, was dem ganzen Systembis zur Bewußtseinsseele herauf erst Sinn gibt, so kommen wir, wenn wir überdie Seraphim heraufkommen, zu dem, was wir vorhin versuchten, heutezunächst andeutungsweise als oberste Dreiheit der Weitenwesenheit zucharakterisieren: Wir kommen da zu dem, was im Weltenall waltet als dasalldurchziehende, göttliche, dreifach göttliche Leben, das sich in den einzelnenPlanetensystemen Hüllen schafft. Wie sich das, was im Menschen lebt alsGeistselbst, Lebensgeist, Geistesmensch – Manas, Buddhi, Atma – Hüllenschafft in Bewußtseinsseele, Verstandesseele, Empfindungsseele,astralischem, ätherischem und physischem Leibe, so wandeln durch den Raumdie Fixsterne der Planetensysteme als die Körper der göttlichen Wesenheiten.Und indem wir das Leben der Sternenwelt betrachten, betrachten wir dieLeiber der Götter und zuletzt des Göttlichen überhaupt. [206]

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Das künftige Jupiterdasein und seine Wesenheiten

Wenn Sie sich erinnern an die Auseinandersetzungen, die gepflogen wordensind im Zusammenhang mit der Entwickelung der Erde über die Saturn-,Sonnen- und Mondenzeit, (30) so werden Sie wissen, daß auf jeder dieserStufen der Evolution eine bestimmte Wesensart, die wir heute zu denWesensarten der höheren Hierarchien rechnen müssen, gewissermaßen dieMenschheitsstufe erreichte. Wir wissen, daß während der alten Saturnzeitdiejenigen geistigen Wesenheiten die Menschheitsstufe erreichten, die wirnennen die Geister der Persönlichkeit, die Urbeginne, die Archai, daß währendder Sonnenzeit ihre Menschheitsstufe erreichten die Archangeloi, während derMondenzeit die Angeloi und während der Erdenzeit die Menschen.

Nun ersehen Sie aber auch aus all den Betrachtungen, die imZusammenhänge mit den Evolutionen gepflogen worden sind, daß jede Stufevon Wesenheiten, die in der folgenden Zeit eine bestimmte Entwickelungerreichte, vorbereitet worden ist. Wir wissen, daß der Mensch vorbereitetworden ist durch die Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit, daß dasjenige, was wirheute als den vollkommenen physischen Menschenleib bezeichnen, eineEvolution durchgemacht hat schon seit der Saturnzeit, daß der Ätherleib eineEvolution durchgemacht hat seit der Sonnenzeit, der Astralleib seit derMondenzeit, und daß das Ich erst hinzugekommen ist während der Erdenzeit,so daß also die Gesamtheit einer solchen Wesensart vorbereitet wird.

Es kann Ihnen die Frage gewissermaßen auf dem Herzen liegen: [207]Werden denn auch in unserer Zeit solche Wesenheiten vorbereitet, welchewährend der Jupiterzeit die Menschenstufe erreichen? – Nun wissen Sie aberauch, daß während der Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit – Sie brauchen nurdie Darstellung in meinem Buche «Die Geheimwissenschaft» nachzusehen –an der Vorbereitung zum Menschentum die Geister der höheren Hierarchienteilgenommen haben. Es ist da dargestellt worden, wie die Angeloi,Archangeloi und Archai an dem Zustandekommen der menschlichenWesenheiten teilgenommen haben, und so liegt es nahe, sich die Fragevorzulegen: Arbeiten vielleicht auch die Menschen durch ihr Erdensein andenjenigen Wesen vorbereitend, die während der Jupiterzeit dieMenschheitsstufe erreichen werden?

Das ist eine Frage, die gewiß jedes fühlende Herz – fühlend in dem Sinne,wie wir es in den vergangenen Tagen im Zusammenhang mit den Anregungendurch die Geisteswissenschaft fühlend genannt haben – als eine Lebensfragebetrachten muß. Denn es könnte sein, daß des Menschen Benehmen im ganzenwährend der Erdenzeit etwas fördern oder verfehlen könnte in bezug aufdiejenigen Wesenheiten, welche während der Jupiterzeit die Menschheitsstufeerreichen könnten. Man möchte sagen: Was können wir denn Schlimmeres tun,als während der Erdenevolution uns in einer Weise zu benehmen, die esunmöglich macht, daß aus unseren Taten die richtigen Jupiterwesenhervorgehen? –

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Nun muß man allerdings einen gewissen guten Erkenntniswillenvoraussetzen, wenn man über diese Dinge sprechen will, denn indem man überdiese Dinge spricht, berührt man wahrhaftig schon wichtige Geheimnisse derInitiation, solche Geheimnisse der Initiation, welche der heutigen Wissenschaftselbstverständlich ein Greuel sind. Da muß man sich schon vorbereiten durchsein Gefühl, anzusehen, wie diese heutige Wissenschaft zu den eigentlichenLebenswahrheiten notwendigerweise stehen muß.

Ich habe schon versucht, in den vorhergehenden Vorträgen einiges zucharakterisieren über das notwendige Verhältnis der heutigen Wissenschaftzum Leben. [208] Sie kann nicht unmittelbar an die Geheimnisse des Lebensheran. Sie kann dies auch nicht wollen; sie muß sich nur nicht anmaßen, andiese Geheimnisse des Lebens herankommen zu wollen. Für diejenigen,welche gern Eier essen, wenn sie hartgesotten sind, ist es sicher gut, wenn manEier hart siedet, und dann haben hartgesottene Eier einen guten Zweck eben fürdie, welche sie genießen. Aber wenn jemand hingehen wollte und sagen: Mannehme den Hühnern die Eier weg, um sie hart zu sieden und sie dann nachhervon ihnen ausbrüten zu lassen –, so würde ein solcher etwas Absurdesunternehmen. Ganz dasselbe unternimmt in bezug auf den Kosmos derjenige,welcher die Geheimnisse des Kosmos enträtseln will und mit dem heutigenWissen daran gehen will, sie zu enträtseln, was wirklich dem Verhaltendesjenigen entspricht, der hartgesottene Eier ausbrüten lassen will, aus denensich nichts mehr ausbrüten läßt.

Inwiefern diese Wissenschaft als zusammenhängend mit dem ganzenheutigen Denken in vieler Beziehung gerade für die wahren Rätsel des Lebensirreführend sein muß, kann Ihnen anschaulich werden durch einen Vergleich,den ich jetzt machen möchte. Nicht wahr, wenn jemand sich auslassen willüber das Förderliche oder Schädliche der Wissenschaft, so wird er zunächstversuchen, die Frage so zu stellen: Hat diese Wissenschaft da oder dort Recht?– Und wenn er beweisen kann, daß sie da oder dort Recht hat, so wird erselbstverständlich auf sie schwören.

Ja, aber das ist es gerade, wovon wir abkommen müssen, daß wir dieseFrage, ob das, was die Wissenschaft sagt, richtig oder nicht richtig ist, für sowichtig halten. Wir müssen dahinkommen, daß wir diese Frage nicht als dieHauptsache betrachten, wenn es sich darum handelt, die Rätsel des Lebens zulösen. Wenn jemand einen Wagen sieht, der von Pferden gezogen ist und aufdem ein Mensch sitzt, so wird derjenige, der das sieht, ganz gewiß Rechthaben, wenn er sagt: Die Pferde ziehen diesen Menschen auf dem Wagen, sieziehen ihn nach sich. – Das ist zweifellos richtig. [209] Und derjenige, derbehaupten wollte, die Pferde ziehen nicht den Wagen und den, der auf demWagen sitzt, der würde selbstverständlich etwas Unrichtiges behaupten. Aberebenso wahr ist es, daß der Mensch, der darauf sitzt, bewirkt durch die Art,wie er die Pferde dirigiert, wohin die Pferde ihn ziehen sollen, und das ist ganzgewiß das Wichtigere, das Wesentlichere, worauf es ankommt für dieErreichung dessen, was erreicht werden soll.

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Die heutige Wissenschaft gleicht eben der Behauptung desjenigen, derleugnet, daß der Mann auf dem Wagen die Pferde lenkt, und der nur zugebenwill, daß die Pferde den Mann auf dem Wagen ziehen.

Wenn Sie diesen Vergleich sich genauer ausdenken, so werden Sie sich überdas Verhältnis der heutigen Wissenschaft zur heutigen Wahrheitsforschung dierichtigen Ideen aneignen können. Ich muß diese Dinge immer wieder sagenaus dem Grunde, weil der auf dem Boden unserer Weltanschauung Stehendeimmer mehr und mehr in die Lage kommen muß, diese unseregeisteswissenschaftliche Weltanschauung gegenüber den Angriffen derheutigen Weltanschauung zu verteidigen, zu sichern. Das kann man aber nur,wenn man wirklich sich aufklärt über das Verhältnis der heutigen äußerenWissenschaft zu der echten Wahrheitsforschung. Immer muß man mit ganzbestimmten Empfindungen, mit ganz bestimmten Gefühlsnuancen an dieFragen der Geisteswissenschaft herangehen, sonst kommt man mit ihnen nichtzurecht.

Nun hängt die Frage, die wir berührt haben, die Frage nach denjenigenWesenheiten, welche auf dem Jupiter die Menschenstufe erreichen werden, inder Tat mit den tiefsten Fragen der Erdenevolution des Menschen zusammen.Es gibt in unserer Erdenevolution etwas, demgegenüber immer philosophischeBestrebungen da waren, das ist das Verhältnis des sittlichen, des ethischenHandelns zu dem natürlichen Dasein des Menschen. [210] Der Mensch muß jaunterscheiden als Erdenwesen, inwiefern er ein Wesen ist, das von seinenTrieben beherrscht ist, das seinen Trieben folgt, das diese Triebe befriedigenmuß, das gegenüber diesen Trieben und ihrer Befriedigung nichts vermag,weil sie einfach nach Naturgesetzen befriedigt werden müssen. Das ist die eineSeite der menschlichen Natur. Ihr gegenüber sagen wir: Das, was wir tun,müssen wir tun. Wir müssen essen, wir müssen schlafen. – Aber es gibt einanderes Gebiet des menschlichen Verhaltens auf der Erde, das ist das Gebiet,demgegenüber wir von einem Müssen nicht reden können, das allen Sinnverlieren würde, wenn wir von einem Müssen sprechen würden. Das ist dasweite Gebiet des Sollens, das Gebiet, wo wir gegenüber allen Trieben,gegenüber alldem, was auf naturgemäße Weise aus unserer Natur folgt,empfinden: Wir müssen einem rein geistigen Impulse folgen. – Das «Dusollst» ist niemals etwas, was triebartig zu uns spricht, sondern etwas, wasrichtunggebend auf rein geistige Art zu uns spricht. Dieses «Du sollst» umfaßtdas Gebiet unserer sittlichen Pflichten.

Es gibt Philosophien, die gar nicht finden können den Zusammenhangzwischen dem «Du sollst» und dem «Du mußt». Und unsere im Materialismusgerade dann schon, wenn es sich um das sittliche Leben handelt, fastversumpfende Gegenwart – sie wird noch immer mehr versumpfen –, möchtegleichsam alles «Du sollst» überhaupt in ein «Du mußt» verwandeln. In dieserBeziehung gehen wir Zeiten entgegen, in denen die Verwandlung des «Dusollst» in ein «Du mußt» mit einem gewissen Hochmut geradezu alsPsychologie ausposaunt wird.

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Schlimme Aspekte bieten sich dar, wenn man die Anfänge desjenigen, wassich in Zukunft noch auswachsen wird, zum Beispiel als Kriminalpsychologie,ins Auge faßt. Da sehen wir schon heute, wie angefaßt wird der Mensch so,daß man nicht frägt, hat er ein «Du sollst» übertreten, sondern man suchtnachzuweisen, wie er zu dieser oder jener den Menschen schädigenden Tatdurch ein Müssen seiner Natur getrieben, angespornt worden ist. KurioseVersuche werden immer mehr und mehr angestellt, Verbrechen nur als einenbesonderen Krankheitsfall in der Welt zu charakterisieren. Alle diese Dingegehen hervor aus einer gewissen materialistischen Unklarheit unserer Zeit überdie Beziehung des «Du sollst» zu dem «Du mußt».

Dieses «Du sollst», was man auch den kategorischen Imperativ genannthat, was hat es im gesamten Zusammenhang des menschlichen Daseinseigentlich zu bedeuten? Derjenige, welcher dem «Du sollst» folgt, begehtbekanntlich eine sittliche Handlung. Derjenige, der dem «Du sollst» nichtfolgt, begeht eine unsittliche Handlung. Das ist ja eine recht trivialeWahrheit. Aber nun versuchen wir einmal «sittlich» und «unsittlich» nichtnur in bezug auf die äußere Maja des physischen Planes anzusehen, sondernversuchen wir sittlich und unsittlich anzusehen in bezug auf die Wahrheit undin bezug auf dasjenige, was hinter der Maja des physischen Planes eigentlichsteht. Da nimmt sich das Moralische, das Ethische, das Sittliche, das, wasdem «Du sollst» entspricht, für die Wissenschaft der Initiation eigentlichschon, man möchte sagen, in einem gröberen Sinne genommen als etwas indas geistige Auge Springendes aus. Der Mensch zeigt sich Ihnen – es müssennun schon einmal auch solche für die. materialistische Weltanschauunggreulichen Wahrheiten ausgesprochen werden –, wenn Sie ihn bei gewissenTemperatur- und Witterungsverhältnissen betrachten – die Pferde zeigen esnoch besser, aber wir reden jetzt nicht von den Pferden –, der Mensch zeigtsich Ihnen dann, wie er aushaucht, und wie der Hauch durch das Eindringenin die Luft sichtbar wird als Dunst. Selbstverständlich ist für diematerialistische Wissenschaft dieser Hauch, den der Mensch von sich gibt –bei Pferden kann man es noch besser sehen, aber wir reden jetzt, wie gesagt,nicht von Pferden –, etwas, was verflattert und zerfließt und keine weitereBedeutung hat. Aber für denjenigen, der mit der Wissenschaft der Initiationdie Erscheinungen des Lebens verfolgt, ist dieser Aushauch insofernbedeutsam, als er in seiner Nuancierung genau die Spuren des sittlichen oderunsittlichen Verhaltens des Menschen trägt. Das sittliche oder unsittlicheVerhalten des Menschen ist in dem wäßrigwerdenden Hauch zu erkennen,und ganz anders ist der wäßrig werdende Hauch bei einem zur Sittlichkeithinneigenden Menschen und anders bei einem zum Unsittlichenhinneigenden Menschen. [212] Sie wissen, daß bei mancherlei, was in dermenschlichen Natur ist, die feineren Eigentümlichkeiten der menschlichenNatur auch erst in den feineren Teilen der ätherischen und astralischen Aurabeobachtet werden können.

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Aber dasjenige, was im gewöhnlichen Sinne des Wortes der Mensch alssittliches oder unsittliches Wesen ist, das zeigt sich schon in dem ätherisch-astralischen Einschlag, der in dem wäßrigwerdenden Hauch enthalten ist.Was physisch daran ist, zerflattert, das aber, was sich in dem Hauchverkörpert, das zerflattert nicht, denn das enthält ein dämonisches Wesen,und in dem ist enthalten, wenn der Hauch wässerig wird, ein Physisches, einÄtherisches und ein Astralisches, nur daß das Physische nicht erdig ist,sondern eben nur wässerig. Also etwas, was in der mannigfaltigsten WeiseGestaltung hat, zeigt sich in diesem Aushauch.

Bei Taten, die aus Liebe entstanden sind, zeigt sich etwas anderes als beiTaten, die zum Beispiel aus Enthusiasmus, aus schöpferischem Drang, ausVervollkommnungsdrang entstanden sind. Aber immer hat dieseAushauchgestalt etwas, was erinnert an Wesenheiten, die es jetzt noch garnicht gibt auf der Erde. In diesen Wesenheiten bereiten sich diejenigen vor,welche die Menschheitsstufe auf dem Jupiter erreichen werden. Das sind dieersten, voraneilenden Schattenbilder, die sich verändern und auch fernerhinverändern werden, um auf dem Jupiter dann zur Menschheitsstufeaufzusteigen.

Wir verdanken auch in einer gewissen Weise dem Ausatmungsprozesse derAngeloi auf dem Monde unsere Entstehung, und es gehört wiederum zu denerschütternden Erfahrungen des geistigen Lebens, wenn man von einer solchenErkenntnis ausgeht, daß sich in dem Aushauch die künftigen Jupitermenschenvorbereiten, daß aus dem, was heute die Menschen aushauchen, sichentwickeln werden die zukünftigen Jupitermenschen. Wenn man mit einersolchen Erkenntnis an die Bibel herangeht und liest die ersten Worte der Bibel,dann kann man sich sagen: [213] Jetzt fängt man an zu verstehen, wie dasgemeint ist, wenn da steht, daß Hauche ausgeatmet worden sind von denElohim, und daß sie durch den Hauch, den sie den Menschen einbliesen, denErdenmenschen formten.

Ich kann Ihnen das Geständnis machen, daß ich niemals verstanden hättedieses Einhauchen der Elohim, das Einhauchen in den Mund und die Nase derlebendigen Wesenheit des Menschen, wenn ich nicht vorher gewußt hätte, daßauch im Aushauch des Erdenmenschen die ersten Keime enthalten sindderjenigen Wesen, die auf dem Jupiter erst Menschen werden. AberJupitermenschen können nur werden diejenigen Aushauche, die ihr Daseinverdanken den Handlungen, die dem «Du sollst» folgen, die also sittlicheHandlungen sind.

So sehen wir, wie wir in die ganze kosmische Ordnung eingreifen mitunserer Erdensittlichkeit. So sehen wir, daß unsere Erdensittlichkeit in der Tateine schöpferische Macht ist, und wir sehen, daß es in der Geisteswissenschafteinen starken Antrieb gibt zu Impulsen für das sittliche Handeln, denn wirwissen, wir stellen uns entgegen der Schöpfung der Jupitermenschen, wennwir auf der Erde nicht sittlich handeln.

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Sittlichkeit, die der Ausdruck ist des «Du sollst», gewinnt so in der Tateinen realen Wert, einen Existenzwert. In einer intensiven Weise formt unsermenschliches Verhalten dasjenige, was wir aus der Geisteswissenschaftübernehmen können, wenn wir also real mit dem Kosmos zusammenhängendeGeheimnisse erkennen.

Auf ähnliche Dinge ist schon früher aufmerksam gemacht worden, indem daoder dort die Bemerkung gemacht worden ist, was wiederum die Sprache fürein Symbolum ist für das zukünftige Schaffen des Menschen selber. Daraufwill ich aber heute nicht eingehen, sondern ich wollte zunächst nur zeigen,welche Bedeutung das sittliche Verhalten im Ganzen des Kosmos hat.

Nun können Sie aber die Frage aufwerfen: Wie ist es nun mit demunsittlichen Verhalten? – Auch das unsittliche Verhalten spricht sich in derinneren Gestaltung, in der Formierung des Hauches aus. Aber das unsittlicheVerhalten prägt dem Hauche eine dämonische Gestalt ein. [214] Dämonenwerden geboren durch das unsittliche Verhalten des Menschen. Versuchen wiruns zunächst klarzumachen den Unterschied zwischen den Dämonen, diedurch das unsittliche Verhalten entstehen, und den geistigen Wesenheiten –geistig insofern, als sie es auf Erden nur zu einem wäßrigen Dasein bringen –,den geistigen Gestalten, die durch die sittlichen Handlungen geschaffenwerden.

Diejenigen Wesenheiten, die bis zu einem vorübergehenden wäßrigenDasein im Hauche kommen und die aus dem sittlichen Verhalten hervorgehen,sind Wesen, die einen astralischen, einen ätherischen und endlich einenphysischen Leib haben, der bis zur Wäßrigkeit verdichtet ist, so wie wirwährend des Mondendaseins einen ätherischen, einen astralischen und einenphysischen Leib hatten, und der physische Leib auch nur bis zu einer Art vonWäßrigkeit verdichtet war. Es war schon auch mit uns so während desMondendaseins, wenn auch nicht genau so. Und in diesem Gebilde, das da ausden sittlichen Handlungen entsteht und das aus physischem Leib, Ätherleibund Astralleib besteht, ist die Anlage, das Ich aufzunehmen, so wie in unseremphysischen, Äther- und Astralleib während der Mondenzeit die Anlage war,ein Ich aufzunehmen. Die Anlage, ein Ich aufzunehmen, ist also darinnen.Solche Wesenheiten sind zum regulär fortschreitenden Dasein im Kosmosberufen, sie gehen einen regulären Weg. Die andern Wesenheiten, die alsDämonen durch die unsittlichen Handlungen geschaffen werden, haben auchselbstverständlich astralischen Leib, ätherischen Leib und den physischen Leibbis zur Wäßrigkeit, aber sie haben nicht die Anlage, ein Ich zu entwickeln. Siekommen gleichsam geköpft zur Welt. Statt daß sie die Anlage in sichaufnehmen, fortzuschreiten in der regulären Evolution zum Jupiterdasein,lehnen sie diese Anlage ab. Sie verurteilen sich dadurch zu dem Schicksale,aus der Evolution herauszufallen. Dadurch aber vermehren sie die Scharen derluziferischen Wesenheiten. Sie gelangen unter die Gewalt der luziferischenWesenheiten. Sie müssen dadurch, weil sie zu keinem regelmäßig veranlagtenDasein kommen können, ein Parasitendasein führen. [215]

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Alle Wesenheiten, welche ein regelmäßig veranlagtes Dasein ablehnen,müssen ein Parasitendasein führen, müssen sich, um fortzukommen, woandersansetzen. Diejenigen Wesenheiten, die durch unsittliche Handlungenentstehen, haben insbesondere das Bestreben, ein Parasitendasein zu führen,indem sie die menschliche Evolution auf der Erde ergreifen unter der Leitungdes Luzifer, dem sie sich untergeordnet haben, indem sie die Evolution beimMenschen ergreifen, bevor dieser physisch zur Welt gekommen ist. DenMenschen in der Embryonalzeit befallen sie und führen bei dem nochungeborenen Menschen, in dem Leben des Menschen zwischen Empfängnisund Geburt, ein parasitäres Dasein. Manche Wesen, die stark genug sind,können dieses Dasein noch fortsetzen, wenn der Mensch schon zur Weltgekommen ist, und zeigen uns dann die Erscheinungen, die auftreten könnenbei gewissen besessenen Kindern.

Dieses, was aus dem parasitären Dasein hervorgeht, das dieVerbrecherdämonen bei noch ungeborenen Menschen führen, ist dasjenige,was die Generationenfolge verschlechtert, was die Menschen benagt, so daßsie nicht so gut werden können, als sie werden würden, wenn es solcheDämonen nicht gäbe. – Alles dasjenige, was mit dem Niedergang derGeschlechter, Stämme, Völker und Nationen zusammenhängt, kommt ausmancherlei Ursachen, aber auch daher, daß die Verbrecherdämonen einparasitäres Dasein führen beim Menschen in der Periode, von der ichgesprochen habe.

Das sind Dinge, welche eine große Rolle spielen in der ganzenErdenevolution, und wir berühren mit solchen Dingen, wie gesagt, wirklichtiefe Geheimnisse des menschlichen Daseins. Gewisse Vorurteile, gewisseAnschauungen prägen sich dadurch oftmals den Menschen schon ein, bevorsie noch durch die Geburt ins Dasein getreten sind. Und die Menschen werdenauf diese Weise geplagt von Zweifeln, von Unsicherheiten im Leben, vonallem möglichen, was damit zusammenhängt, daß solche dämonischen Wesenein solches Dasein führen. [216]

Mit dem, was der Mensch in sich von dem Momente an entwickelt, wo seinIch auftritt, können diese Wesenheiten nicht mehr viel machen, aber um somehr können sie ihr parasitäres Dasein entwickeln in der Zeit, bevor derMensch geboren ist oder noch in den ersten Kindheitsjahren. So sehen wir, daßauch die bösen Handlungen ihre bedeutsame kosmische Wirkung haben, daßsie schöpferisch sind, aber so schöpferisch sind, daß sie sich hinwenden, ichmöchte sagen, zum alten Mondendasein. Denn das, was der Mensch in der Zeitdurchmacht, von der eben gesprochen worden ist, wo diese dämonischenWesen ein parasitäres Dasein führen können, ist im wesentlichen die Erbschaftder alten Mondenzeit, die in allerlei unterbewußem, instinktivem Verhaltenzum Vorschein kommt.

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Es ist etwas, das aus früheren, besseren Zeiten her selbst die physischeWissenschaft noch unter ihren Instinkten bewahrt hat, indem sie dieEmbryonalzeit des Menschen auf der Erde nicht nach den gewöhnlichenMonaten, sondern nach den Mondmonaten berechnet und daher von zehnMondmonaten spricht und manches andere noch weiß von einemZusammenhang dieser Entwickelung mit dem Verlaufe der Mondenphasen.

So sehen wir, daß in unserer Erdenentwickelung ein Zweifaches enthaltenist: in den guten Handlungen die Tendenz, an der Schöpfung des Irdischenweiterzuarbeiten nach dem Jupiterdasein hin, damit auf dem Jupiter dasentstehen könne, was dem Menschen nachfolgen muß als der nächsteMensch. Aber es ist durch die bösen Handlungen zugleich unserer Evolutiondie Tendenz eingeprägt, die Erde wiederum zurückzubringen in die alteMondenzeit, sie abhängig zu machen von alledem, was mit denunterbewußten Impulsen zusammenhängt. Wenn Sie nachdenken, so werdenSie vieles, vieles finden, was mit solchen unterbewußten Impulsenzusammenhängt, und viel mehr als in den Zeiten, in denen die Menschennoch nicht so materialistisch waren, ist von solchen Impulsen vorhanden inder materialistisch gewordenen Menschheit der neueren Zeit. [217]

Ich glaube, gerade an Beispielen einer solchen Erkenntnis, wie sie heutewiederum gegeben worden sind, zeigt es sich, daß man fühlen kann, wie tiefeingreifend die Geisteswissenschaft in die menschliche Lebensauffassung seinkann, daß sie wahrhaftig nicht nur etwas sein wird, was dem MenschenTheoretisches gibt, sondern daß sie etwas sein wird, was das Leben desMenschen neu zu regeln imstande sein wird. Zeiten werden kommen, in denendieses Leben ganz chaotisch werden wird, wenn die Menschen nicht dieMöglichkeit ergreifen werden, es aus den geisteswissenschaftlichenErkenntnissen heraus zu regeln. Hinaus muß der Mensch mit seinenErkenntnissen aus der Eingeschlossenheit der Erkenntnis, die nur an diephysische Leiblichkeit gebunden ist. Unsere materialistische Zeit will keineandern Erkenntnisse als diejenigen, die nur an die physische Leiblichkeitgebunden sind. Aber der Mensch muß hinaus mit seinen Erkenntnissen ausdieser physischen Leiblichkeit. Und dasjenige, was wir heute anerkennen alsdie ersten Übungen, die erwähnt worden sind in «Wie erlangt manErkenntnisse der höheren Welten?», wird dem Menschen nach und nach – das«nach und nach» wird allerdings noch eine längere Zeit dauern, – etwasNatürliches werden, etwas, was der Mensch mit Selbstverständlichkeit zuseinem Leben rechnen wird. Namentlich dasjenige, was wir alsGedankenkonzentration bezeichnen, wird dem Menschen etwas Natürlicheswerden.

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Der Mensch wird immer mehr und mehr die Notwendigkeit anerkennen,sich wirklich gedankenmäßig zu konzentrieren, zu richten sein ganzesSeelenleben auf scharf umrissene Gedanken, die er sich hinstellt vor seinBewußtsein. Währender sonst seine Sinne schweifen lassen würde von Dingzu Ding, von Tatsache zu Tatsache, wird er immer mehr und mehr, wenn auchnur für kurze Zeit, das Gedankenleben richten auf bestimmte Dinge, die er sichauswählt, auf einen bestimmten Gedanken wird er sich konzentrieren, um dasganze Seelenleben in diesem Gedanken zusammenzuhalten. Dabei wird derMensch eine Erfahrung machen, eine Erfahrung, die viele von Ihnen hierschon ganz gut kennen. Im Verlaufe der Konzentration ergibt sich für alle einebestimmte Erfahrung. [218] Wenn wir einen Gedanken in den Mittelpunkt desBewußtseins rücken und unser ganzes Seelenleben auf ihn lenken, auf ihn unskonzentrieren, so merken wir, der Gedanke wird immer stärker und stärker.Gewiß. Aber dann kommt ein Punkt, wo er nicht mehr stärker wird, sondernwo er schwächer wird und verblaßt. Das ist eine Erfahrung, die viele vonIhnen kennen. Er muß so verblassen, der Gedanke, er muß gleichsam innerlichersterben. Denn so, wie wir den Gedanken zunächst haben, wie wir zunächstdenken, so denken wir durch das Werkzeug des physischen Leibes, und dieArt, wie wir durch das Werkzeug des physischen Leibes denken, diekonzentrieren wir, aber erst in dem Momente schlüpfen wir heraus aus demphysischen Leibe, wo der Gedanke, der konzentriert ist, erstirbt.

Wir würden nun überhaupt in das Unbewußte gehen, wenn wir nicht,parallel mit dieser Konzentration, etwas anderes versuchen würden, wodurchwir, wenn wir hinausschlüpfen aus unserem physischen Leibe, uns dochbewußt draußen erhalten. Wir nennen dasjenige, was wir tun müssen, um unsdraußen bewußt zu erhalten, ein gelassenes Leben haben, gelassen die Dingeder Welt hinnehmen. Wir können noch mehr tun, als gelassen die Dingehinnehmen. Wir können es mit dem, was uns ja als Theorie so geläufig ist, wirkönnen es mit der Karma-Idee völlig ernst nehmen. Was heißt das?

Zunächst ist im Leben der Mensch ganz und gar nicht geneigt, es mit derKarma-Idee völlig ernst zu nehmen. Wenn er nur eine kleine Fährlichkeit hatim Leben, die ihn verletzt, oder wenn irgend etwas sonst ihm begegnet, sokann er manchmal wütend werden, es ist ihm jedenfalls antipathisch.Demjenigen, was wir unser Schicksal nennen, stehen wir mit Sympathie oderAntipathie gegenüber. Im gewöhnlichen Leben kann es auch gar nicht anderssein, da ist es ganz notwendig, daß wir gewissen Ereignissen, die wir zumSchicksal rechnen, sympathisch, und daß wir andern derartigen Ereignissenantipathisch gegenüberstehen. Das Schicksal ist für uns etwas, was von außenan uns herankommt. [219]

Wenn wir es ernst nehmen mit der Karma-Idee, dann müssen wir unser Ich inunserem Schicksale wirklich erkennen, wir müssen uns klar sein, daß wir indem, was uns im Schicksal zustößt, selber tätig sind, daß wir selber dieeigentlichen Akteure sind. Es wird uns gewiß schwierig, wenn uns jemandbeleidigt, daran zu glauben, daß in dem Beleidiger wir selber darinnenstecken.

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Denn im physischen Leben kann es nötig sein, die Beleidigung zu ahnden. Aberwir müssen immer ein Kämmerchen in unserem Inneren haben, in dem wir unsdoch gestehen: Selbst wenn dich jemand beleidigt, so bist du es selbst, der dichbeleidigt, wenn dich jemand schlägt, bist du es selbst, der dich schlägt, wenndich mißliche Schicksalsschläge treffen, so bist du es selbst, der dieseSchicksalsschläge an dich heranbringt. – Wir vergessen, daß wir nicht bloß inunserer Haut sind, sondern in unserem Schicksal darinnen sind, wir vergessen,daß wir in allen den sogenannten Zufällen unseres Schicksals darinnen sind.

Es ist sehr schwierig, wirklich die Empfindung zu entwickeln, daß man seinSchicksal mit dem eigenen Ich heranträgt. Wahr ist es aber: wir tragen unserSchicksal mit unserem eigenen Ich heran, und die Impulse bekommen wir nachMaßgabe unserer früheren Inkarnationen in dem Leben zwischen dem Tode undeiner neuen Geburt, so daß wir da unser Schicksal selber an uns herantragen.Und wir müssen danach streben, zusammenzuwachsen mit unserem Schicksal,müssen immer mehr und mehr, statt antipathisch einen schwerenSchicksalsschlag abzuwehren, uns sagen: Dadurch, daß dieser Schicksalsschlagdich trifft, das heißt, daß du dich triffst mit dem Schicksalsschlag, dadurchmachst du dich in gewisser Beziehung stärker, kräftiger, kraftvoller. – Es istschwieriger, so mit seinem Schicksal zusammenzuwachsen, als uns dagegen zuwehren, aber das, was wir verlieren, wenn unser Gedanke erstirbt, das könnenwir nur wiedergewinnen, wenn wir auf diese Weise das, was außer uns ist, inuns hineinziehen. [220] In dem, was in unserer Haut ist, können wir nichtbleiben, wenn der Gedanke bei der Konzentration in uns erstirbt, aberhinaustragen wird er uns, wenn wir unser Karma, unser Schicksal im wahrenSinne erfaßt haben. Da wecken wir uns wieder auf. Der Gedanke erstirbt, aberdas, was wir als Identifizierung erfaßt haben zwischen unserem Ich undunserem Schicksal, das tragen wir hinaus, das trägt uns draußen in der Weltherum.

Diese Gelassenheit gegenüber unserem Schicksal, das wahrhaftige Hinnehmenunseres Schicksals, das ist es, was uns mit Existenz beschenkt, wenn wiraußerhalb unseres Leibes sind. Das braucht selbstverständlich unser Leben aufdem physischen Plane nicht zu ändern. Das können wir nicht immer. Aber dieGesinnung, die wir in einem Kämmerchen unserer Seele entwickeln müssen, diemuß da sein für die Augenblicke, wo wir wirklich außerhalb unseres Leibes dieMöglichkeit finden wollen, bewußt zu leben.

Zwei Sätze können Leitsätze für uns sein, können uns außerordentlich wichtigsein. Der erste dieser Sätze, den wir uns so recht tief einschreiben sollten, istdieser:

Erstrebe des Gedankens Ersterben im All.

Denn nur, wenn der Gedanke erstirbt im All, dann wird er draußen einelebendige Kraft. Aber wir können uns mit dieser lebendigen Kraft nichtverbinden, wenn wir uns nicht um den Inhalt des zweiten Satzes bemühen:

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Erstrebe des Schicksals Auferstehung im Ich.

Wenn du das vollbringst, dann vereinigst du das im Gedankenwiedergeborene mit dem außer dir auferstandenen Ich.

Es ist aber vieles in der menschlichen Natur, was es schwierig macht, eineEvolution zu suchen im Sinne dieser Sätze. Es ist schwierig, denn dasVerhältnis des Inneren zum Äußeren in der richtigen Weise anzuschauen, wirdden Menschen ganz besonders schwer. Je mehr wir in dieser BeziehungEthisches lernen können anhand der geisteswissenschaftlichen Weltanschauung,desto besser ist es. [221] Ethisches können wir insofern lernen anhand dergeisteswissenschaftlichen Weltanschauung, als gewisse ethische Begriffe erstBlut und inneres Leben erhalten durch das, was aus der Geisteswissenschaftihnen zuströmen kann.

So zum Beispiel gibt es Menschen, welche fortwährend über andereMenschen klagen, sich darüber beklagen, daß ihnen andere Menschen diesesoder jenes tun. Bis dahin geht es, daß sie davon sprechen, daß andereMenschen sie verfolgen. Alle solchen Dinge hängen immer zusammen mitdem andern Pol der Menschennatur, man muß nur in der richtigen Weise dasLeben betrachten, das heißt in der Weise, die gerade die wirklich verstandeneGeisteswissenschaft gibt. Wer durch das Leben geht und sich das Auge etwashellsichtig hat machen lassen durch die Geisteswissenschaft, der wird immerfinden – selbstverständlich gibt es Gründe, um über Lieblosigkeit zu klagen,aber dessen ungeachtet wird man finden –, daß am meisten über Lieblosigkeitgeklagt wird von denen, die eigentlich Egoisten sind, und der Glaube, daß alleMenschen ihnen schaden oder Böses zufügen wollen, wird am meisten beiegoistischen Naturen entstehen, während Naturen, die an sich liebevoll undliebefähig sind, nicht leicht zu dem Glauben kommen, daß sie verfolgt werden,daß man ihnen alles mögliche Böse antun wolle und so weiter.

Ja, indem so etwas ausgesprochen wird, ist man leicht geneigt, dastheoretisch zuzugeben. Ich bin sogar überzeugt davon, die meisten Menschenwerden das theoretisch schon zugeben, nachdem sie ein wenig nachgedachthaben. Es ins Leben einzuführen, das ist es aber, worauf es ankommt.

Nun kann die Frage entstehen: Welches ist der Weg, um diese Dinge in dasLeben einzuführen? – Da muß dann die Antwort wieder gegeben werden:Wirklich mitleben da, wo die Geisteswissenschaft wirklich gesucht wird,mitleben, soviel als man kann. – Das ist dasjenige, um was es sich handelt.[222] Dabei wird die Geisteswissenschaft nicht in Kompendien oder kurzenAbrissen gegeben, sondern es wird versucht, die Geisteswissenschaft zu einerlebendigen Strömung zu machen, in der wir darinnen leben können, so daß wirdurch sie fortwährend uns warm erhaltend Anregungen haben können. ...[223]

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Anmerkungen

1 «Die Geheimwissenschaft im Umriß» (1910), GA Bibl.-Nr. 13.

2 In der Nachschrift steht «Wesenheiten» statt «Aussichten»; offenbar einLese- oder Übertragungsfehler.

3 Zum 1. Absatz: Die Niederschrift ist hier offenbar lückenhaft;wahrscheinlich sind Sätze oder wesentliche Satzteile ausgefallen. Der Sinn derStelle ergibt sich durch Vergleich mit S. 32 f und mit den Ausführungen in«Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit» 2. Kapitel, GABibl.-Nr. 15.

4 Die Geheimwissenschaft im Umriß (1910), GA Bibl.-Nr. 13.

5 So schildert Plutarch, um 50–120 n. Chr., griechischer Schriftsteller. DasZitat fehlt im Stenogramm.

6 Theophrastus Bombastus Paracelsus von Hohenheim, 1493 – 1541.

7 zum Beispiel in meiner Theosophie: Siehe Kapitel «Die Seele in derSeelenwelt nach dem Tode» in «Theosophie. Einführung in übersinnlicheWelterkenntnis und Menschenbestimmung» (1904), GA Bibl.-Nr. 9.

8 in dem letzten öffentlichen Vortrage: Berlin, 17. Februar 1917, in «Geistund Stoff, Leben und Tod», GA Bibl.-Nr. 66.

9 zu dem gestrigen öffentlichen Vortrage: «Was wollte das Goetheanum undwas soll die Anthroposophie?», Bern, 5. April 1923. Vgl. im gleichnamigenBand GA Bibl.-Nr. 84: Erster Vortrag, Basel, 9. April 1923.

10 in früheren Zyklen: Siehe insbesondere «Die Mission einzelnerVolksseelen im Zusammenhange mit der germanisch-nordischen Mythologie»,GA Bibl.-Nr. 121; «Anthroposophie als Kosmosophie», Bibl.-Nr. 207; «DieImpulsierung des weltgeschichtlichen Geschehens durch geistige Mächte»,GA Bibl.-Nr. 222.

11 wie ich in früheren Vorträgen gesagt habe: Siehe insbesondere «DieOffenbarungen des Karma», GA Bibl.-Nr. 120; «Wiederverkörperung undKarma und ihre Bedeutung für die Kultur der Gegenwart», GA Bibl.-Nr. 135.

12 wie ich das gestern . .. beschrieben habe: Siehe oben Anm. 9.

13 in den öffentlichen Vorträgen schon besprochen: Bezieht sich auf diebeiden Vorträge vom 25. und 26. November 1921 in Kristiania, beide in «DieWirklichkeit der höheren Welten» (acht öffentliche Vorträge Kristiania [Oslo]1921), GA Bibl.-Nr. 79.

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14 «Inneres Wesen des Menschen und Leben zwischen Tod und neuer Geburt»,(acht Vorträge in Wien 1914), GA Bibl.-Nr. 153.

15 in einem meiner Mysteriendramen: «Der Seelen Erwachen»,viertesDrama in «Vier Mysteriendramen» (1910 – 13), GA Bibl.-Nr. 14.

16 Es ist aus dem Grunde von einerganz besonderen Wichtigkeit: Vgl.Vortrag vom 17. 2.1918 in «Mitteleuropa zwischen Ost und West», GA Bibl.-Nr. 174a.

17 Wenn wir geisteswissenschaftlich den Menschen beschreiben: Siehe«Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis undMenschenbestimmung», GA Bibl.-Nr. 9.

18 was wir die Erforschung der Akasha-Chronik nennen: Siehe «Aus derAkasha-Chronik», GA Bibl.-Nr. 11.

19 «Ändert die Verfassung der Seele: Matthäus 3,2 und 4,17 sowie Markus1, 15.

20 gestern gehört: Öffentlicher Vortrag Stuttgart, 17. Mai 1913:«Ergebnisse der Geistesforschung für Lebensfragen und das Todesrätsel.»

21 Vortragszyklus in Kristiania:: «Die Mission einzelner Volksseelen imZusammenhange mit der germanisch-nordischen Mythologie» (elf VorträgeKristiania [Oslo] 1910), GA Bibl.-Nr. 121.

22 Vorträge, die ich das letzte Mal hier gehalten habe: «OkkulteUntersuchungen über das Leben zwischen Tod und neuer Geburt» (20Vorträge in verschiedenen Städten 1912/13), GA Bibl.-Nr. 140.

23 Rudolf Steiner, Die Geheimwissenschaft im Umriß (1910), GA Bibl.-Nr.13.

24 Aristoteles, 384 – 322 v. Chr.

25 Aristoteles in seiner Farbenharmonie: «Über Sinn und Sinnliches»,besonders 3. Kapitel, in: Parva naturalia. – Siehe auch «GoethesNaturwissenschaftliche Schriften» (1883/97), herausgegeben und kommentiertvon Rudolf Steiner. Nachdruck Dornach 1975, Band IV, GA Bibl.-Nr. I d,«Materialien zur Geschichte der Farbenlehre», 1. Abt., S. 28ff.:Zusammenstellung der Aussagen des Aristoteles über Farben mit denAnmerkungen Rudolf Steiners.

26 Albertus Magnus, 1193 – 1280

27 Hermann von Helmholtz, 1821 – 1894; siehe Rudolf Steiner, «Die Rätselder Philosophie, in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt» (1914), GA Bibl.-Nr. 18.

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28 ein nordischer Chemiker: Theodor Svedberg, 1926 Nobelpreis fürChemie; vgl. sein Buch «Die Materie» (1912), deutsch 1914.

29 Basilius Valentinas, Alchimist aus dem 15. Jahrhundert.

30 Wenn Sie sich erinnern an die Auseinandersetzungen im Zusammenhangmit der Entwickelung der Erde über die Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit ...Vgl. beispielsweise die «Geheimwissenschaft im Umriß», GA Bibl.-Nr. 13,Kap. «Die Weltentwickelung und der Mensch»,

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Quellennachweis

Was tut der Engel in unserem Astralleib? (9.10.1918): aus GA Bibl.-Nr. 182Der Tod als Lebenswandlung; Dornach 1986.

Die drei Begegnungen der Menschenseele mit den Wesen des Universums(20.02.1917): aus GA Bibl.-Nr. 175 Kosmische und menschlicheMetamorphose. Bausteine zu einer Erkenntnis des Mysteriums von Golgatha;Dornach 1982.

Schicksalsgestaltung in Schlafen und Wachen (06.04.1923): aus GA Bibl.-Nr.224 Die menschliche Seele in ihrem Zusammenhang mit göttlich geistigenIndividualitäten. Die Verinnerlichung der Jahresfeste; Dornach 1983.

Das Verhältnis des Menschen zu seinem Engelwesen und zu den höherenHierarchien (27.11.1921): aus GA Bibl.-Nr. 209 Nordische undmitteleuropäische Geistimpulse. Das Fest der Erscheinung Christi; Dornach1982.

Engel, Volksgeister, Zeitgeister (07.06.1910): aus GA Bibl.-Nr. 121 DieMission einzelner Volksseelen im Zusammenhange mit der germanisch-nordischen Mythologie; Dornach 1982.

Der Michael-Impuls und das Mysterium von Golgatha (18.05.1913): aus GABibl.-Nr. 152 Vorstufen zum Mysterium von Golgatha; Dornach 1980.

Erkenntnis geistiger Wesenheiten in verschiedenen Epochen (04.01.1924): ausGA Bibl.-Nr. 233a Mysterienstätten des Mittelalters. Rosenkreuzertum undmodernes Einweihungsprinzip; Dornach 1980.

Die dritte und die zweite Hierarchie (06.04.1912): aus GA Bibl.-Nr. 136 Diegeistigen Wesenheiten in den Himmelskörpern und Naturreichen; Dornach1984.

Die erste Hierarchie und die göttliche Trinität (07.04.1912): aus GA Bibl.-Nr.136 Die geistigen Wesenheiten in den Himmelskörpern und Naturreichen;Dornach 1984.

Das künftige Jupiterdasein und seine Wesenheiten (03.11.1915): aus GA Bibl.-Nr. 275 Kunst im Lichte der Mysterienweisheit; Dornach 1980.

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Literaturhinweise

Weitere Werke Rudolf Steiners zum Thema der Hierarchien:

1. Schriften (aus der Rudolf Steiner Gesamtausgabe)

Aus der Akasha-Chronik. Schilderungen vergangener Entwicklungsstufen desMenschen und der Erde aus übersinnlicher Anschauung; Dornach 1986. GABibl.-Nr. 11.

Die Geheimwissenschaft im Umriß Dornach 1989. GA Bibl.-Nr. 13.

Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit.Geisteswissenschaftliche Ergebnisse über die Menschheitsentwicklung –Dornach 1987. GA Bibl.-Nr. 15.

Anthroposophische Leitsätze. Der Erkenntnisweg der Anthroposophie. DasMichael-Mysterium; Dornach 1989. GA Bibl.-Nr. 26.

2. Vorträge

Natur- und Geistwesen – ihr Wirken in unserer sichtbaren Welt. 18Einzelvorträge zwischen dem 5. November 1907 und dem 14. Juni 1908 inverschiedenen Städten; Dornach 1983. GA Bibl.-Nr. 98.

Das Hereinwirken geistiger Wesenheiten in den Menschen. 13 Vorträge inBerlin zwischen dem 6. Januar und dem 11. Juni 1908. GA Bibl.-Nr. 102.

Geistige Hierarchien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt. Tierkreis,Planeten, Kosmos. 10 Vorträge, Düsseldorf 12. bis 22. April 1909; Neuauflagein Vorbereitung. GA Bibl.-Nr. 110.

Die Mission einzelner Volksseelen im Zusammenhange mit der germanisch-nordischeu Mythologie. Elf Vorträge, Kristiana (Oslo) 7. bis 17. Juni 1910(Zyklus 13). Mit einer Vorrede von Rudolf Steiner. Dornach 1982. GA Bibl.-Nr. 121.

Die Geheimnisse der biblischen Schöpfungsgeschichte. Das Sechstagewerk im 1.Buch Moses. Elf Vorträge, München 16. bis 26. August 1910 (Zyklus 14).Dornach 1984. GA Bibl.-Nr. 122.

Die Evolution vom Gesichtspunkte des Wahrhaftigen. Fünf Vorträge, Berlin31. Oktober bis 5. Dezember 1911 (Zyklus 35). Dornach 1989. GA Bibl.-

Nr. 132.

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Die geistigen Wesenheiten in den Himmelskörpern und Naturreichen. ElfVorträge, Helsingfors 3. bis 14. April 1912 (Zyklus 21) mit einem öffentlichenVortrag: Der Okkultismus und die Initiation. Dornach 1984. GA Bibl.-Nr. 136.

Christus und die geistige Welt. Von der Suche nach dem heiligen Gral. SechsVorträge, Leipzig 28. Dezember 1913 bis 2. Januar 1914 (Zyklus 31). Dornach1987. GA Bibl.-Nr. 149.

Der menschliche und der kosmische Gedanke. Vier Vorträge, Berlin 20. bis 23.Januar 1914 (Zyklus 33). Dornach 1980. GA Bibl.-Nr. 151.

Bausteine zu einer Erkenntnis des Mysteriums von Golgatha. Kosmische undmenschliche Metamorphose. Siebzehn Vorträge, Berlin 6. Februar bis 8. Mai1917 (Zyklus 44 und 45). Dornach 1982. GA Bibl.-Nr. 175.

Die spirituellen Hintergründe der äußeren Welt. Der Sturz der Geister derFinsternis. Geistige Wesen und ihre Wirkungen, Band 1. Vierzehn Vorträge,Dornach 29. September bis 28. Oktober 1917. Dornach 1986. GA Bibl.-Nr.177.

Individuelle Geistwesen und ihr Wirken in der Seele des Menschen. GeistigeWesen und ihre Wirkungen, Band II, Neun Vorträge, St. Gallen, Zürich undDornach zwischen dem 6. und 25. November 1917. Dornach 1980. GA Bibl.-Nr. 178.

Die Sendung Michaels. Die Offenbarung der eigentlichen Geheimnisse desMenschenwesens. Zwölf Vorträge, Dornach 21. November bis 15. Dezember1919. Dornach 1983. GA Bibl.-Nr. 194.

Das Miterleben des Jahreslaufes in vierkosmischen Imaginationen. SechsVorträge, Dornach 3. bis 13. Oktober und Stuttgart 15. Oktober 1923. Dornach1989. GA Bibl.-Nr. 229.

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