Rundfunk braucht auch Werbung - WDR · theoretische Konstrukt der Einstellung nach Tolman hat...

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Kapitel 08

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WerbungRundfunk braucht auch Werbung

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Wer sagt was zu wem und benutzt dabei welchen Werbeträger mit welcher Wirkung? Was sich hier – frei nach der sogenannten Lasswell-Formel (Who says what in which channel to whom with what effect?) – so geordnet liest, ist in der Realität ein komplexer Prozess: Werbung zu machen.

– Wie Werbung Werbung wurde

Die Geburtsstunde moderner Werbung schlug zu Beginn des vorigen Jahrhunderts. Der amerikanische Psycholo-ge John B. Watson begründete um 1913 den Behavioris-mus. Watson war zuvor an der Universität mit weit rei-chenden Experimenten aufgefallen (»Albert B.«) und entwickelte schließlich das »Black-Box-Modell«, auch bekannt als »S-R-Modell«. S steht dabei für Stimulus, R für Reaktion. Watson war davon überzeugt, dass sich der Mensch in einem permanenten Konditionierungs-prozess befindet und ausschließlich auf äußere Reize rea-giert. Das Innere des Menschen sei entsprechend unin-teressant, einem schwarzen Kasten gleich (»Blackbox«), nur die Außeneinflüsse zählten. Er glaubte, der Mensch käme als völlig unbeschriebenes Blatt zur Welt (Tabula-rasa-Theorie) und könne je nach Konditionierung alles werden: Ob Massenmörder oder Politiker, sei nur eine Frage der Einflussnahme von außen. Von dieser Idee war er so überzeugt, dass er schließlich sogar dem Weißen Haus den Vorschlag machte, mit Konditionierungsmaß-nahmen den Weltfrieden herbeizuführen. Aufgrund privater Eskapaden verlor Watson schließlich seine Professur und begann bei der großen Werbeagentur Thompson zu arbeiten – für die Entwick-lung der Werbung im 20. Jahrhundert eine schicksalhafte Wendung. Denn Watson wurde zum Begründer moder-ner, emotionaler Werbung. Zunächst musste er einige Zeit in einem Kaufhaus den Süßwarenstand betreuen und lernte so durch eigene Anschauung den Vorgang des Interesseweckens und Verkaufens. Schließlich führte er die Studie »What are you smoking and why?« durch, deren Ergebnis bahnbrechend war. Weil Raucher im Blindversuch ihre präferierte Marke nicht herausschme-

cken konnten, forderte Watson, die bislang auf einer Nut-zenargumentation basierende Werbung (»Die Schachtel hält drei Wochen«) durch das Verkaufen eines Lebens-gefühls zu ersetzen. Dies war die Geburtsstunde der Wer-bung, wie wir sie heute kennen.

– Das Konstrukt »Einstellung«

Edward C. Tolman – ebenfalls ein Vertreter der experi-mentellen Psychologie – entwickelte Watsons S-R-Modell in den 30er Jahren weiter und fügte die Komponente »O« für Organismus ein. Das »S-O-R«-Modell und das darauf basierende theoretische Konstrukt »Einstellung« wurde eine der wichtigsten Grundlagen in der Kommu-nikations- und Werbelehre. Im Gegensatz zu Watsons S-R-Modell beschrieb Tolman, dass das Innere des Menschen – also Wünsche, Meinungen, Einstellungen etc. – eine tragende Rolle im Verbund von Reiz und Re-aktion spiele. Diese Ansammlung von Dispositionen bezeichnete er als intervenierende oder interne Variable. Die wich-tigste dieser Variablen ist die Einstellung selbst, die auf einer affektiven (emotionale Reaktion), kognitiven (ratio-nale Auseinandersetzung) und konativen (Handlungs-absicht) Komponente beruht. Ein vollständiges Durch-laufen des Reiz-Verarbeitungs-Absichts-Prozesses wird als Aktualgenese bezeichnet. Werbung wirkt im Idealfall eben so: affektiv (die Werbung wird überhaupt erst wahr-genommen, beispielsweise durch eine auffällige Farb- oder Tongestaltung), kognitiv (die Werbung wird im Kopf verarbeitet) und konativ (eine Absicht wird be-gründet, zum Beispiel ein Produkt zu kaufen). Das A.I.D.A-Modell galt lange als das Grundprinzip beim Herstellen eines Kaufanreizes. A.I.D.A ist die Ab-kürzung für Attention – Interest – Desire – Action (also Aufmerksamkeit, Interesse, Verlangen, Aktion). Mittler-weile ist das Modell jedoch überholt, »Interesse und Ver-langen« und »Verlangen und Aktion« sind – so ist heute klar – nicht immer kausal miteinander verkettet. Das theoretische Konstrukt der Einstellung nach Tolman hat diesen Platz eingenommen, da hier alle Möglichkeiten mit einbezogen werden, also auch die der negativen Handlungsabsicht.

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– Sender-Empfänger-Modell

Die einfachste Grundlage der Werbung ist das Sender-Empfänger-Modell: Der Werbetreibende als Sender sen-det seine Botschaft an den Werbeempfänger, also den Konsumenten, aus. Die Marketingforschung überprüft, ob die Botschaft richtig ankommt und verstanden wird. Das sogenannte Transformationsmodell ist somit eine direkte Umsetzung des S-O-R-Modells nach Tolman. Wenn dies vollständig bedient wird, handelt es sich um erfolgreiche Werbung. Die wesentlichen Fragen (»Wer sagt was zu wem mit welcher Wirkung?«) der Lasswell-Formel sind somit geklärt. Im Rahmen der Mediaselektion wird schließlich der Werbeträger ausgewählt. Werbeträger werden in zwei Kategorien unterteilt. Kommunikationsträger im engeren Sinn (klassische Medien) sind Printmedien, elektronische Medien wie Hörfunk und Fernsehen, Pla katwände, Stadionbanden und Verkehrsmittel. Kom-munikationsträger im weiteren Sinn (nichtklassische Medien) sind: Produktverpackung, Direktwerbung (Di-rektmarketing), Werbung am Point of Sale (Verkaufsför-derung), Warenproben, Trikots und Sportfahrzeuge, zum Beispiel in der Formel 1. Die erweiterte Lasswell-Formel trägt diesen Über-legungen Rechnung: Wer übersetzt seine Zielsetzung in welche Werbebotschaft, benützt welchen Werbeträger, um bei welcher Zielgruppe zu welchem Zeitpunkt wel-che Wirkung zu erzielen?

– Werbung in Radio und Fernsehen

Werbung hat das alltägliche Leben fast völlig durchdrun-gen; man kann ihr nicht mehr »entkommen«, Werbung begleitet die Menschen in unserer Gesellschaft den ganzen Tag, von morgens bis nachts. Wer nach dem Auf-stehen das Radio einschaltet, hört in den meisten Sen-dern Werbespots, wer während des Frühstücks Tages-zeitungen liest, wird mit Anzeigen konfrontiert, wer mit dem Auto, dem Bus und der Bahn zur Arbeit fährt oder zum Einkaufen geht, kommt an ungezählten Plakat-wänden vorbei. Die Zeitschriften sind voll von Anzeigen, Radio und Fernsehen senden beinahe rund um die Uhr Werbung.

So ist es nicht verwunderlich, dass Werbung zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig herangewachsen ist. Für Werbung werden in Deutschland pro Jahr rund 30 Milliarden Euro ausgegeben, rund zwei Drittel davon gehen in die klassischen Medien wie Fernsehen, Radio und Zeitungen. Werbung erfüllt gefragt oder ungefragt mehrere Aufgaben. Neben der Information der Verbrau-cher stimuliert sie die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen – ob diese Nachfrage echten Bedürf-nissen entspricht, ist sicherlich diskussionswürdig, aber sie ist damit zu einem wichtigen Motor der Wirtschafts-leistung geworden. Darüber hinaus subventionieren Werbeschaltungen den Abgabepreis mancher Medien-angebote, zum Beispiel im Printbereich: Ein Nachrich-tenmagazin würde anzeigenfrei am Kiosk sicher nicht unter 10 Euro zu haben sein.

– Defi nition

Der Rundfunkstaatsvertrag (RStV) in der Fassung vom 1. April 2004 defi niert Werbung als »jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs, die im Rundfunk von einem öffentlich-rechtlichen oder privaten Veranstalter entweder gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigen-werbung gesendet wird mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, ein-schließlich unbeweglicher Sachen, Rechte oder Ver-pfl ichtungen, gegen Entgelt zu fördern«. Diese Defi nition bedeutet, dass nur kommerzielle Wirtschaftswerbung und Social Advertising, aber nicht weltanschauliche, religiöse oder politische Werbung (Ausnahme zu Bundestags- und Europaparlaments-Wahl kämpfen) statthaft ist. Im selben Rundfunkstaatsvertrag wird Sponsoring defi niert als »Beitrag jeder natürlichen oder juristischen Person oder einer Personenvereinigung, die an Rund-funktätigkeiten oder an der Produktion audiovisu eller Werke nicht beteiligt ist, zur direkten oder indirekten Finanzierung einer Sendung, um den Namen, die Marke, das Erscheinungsbild der Person oder der Personen-vereinigung, ihre Tätigkeit oder ihre Leistungen zu fördern«.

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Werbung soll Reaktionen in den Nervenzellen des Hirns auslösen

links: Werbung für das Haushaltsgerät Mixette um 1960

rechts: ein Werbeblatt der Firma Essig Kühne aus dem Jahre 1935

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– Rechtliche Rahmenbedingungen

Werbung und Sponsoring im Fernsehen oder Radio un-terliegen strengen rechtlichen Vorgaben, die in erster Linie der Rundfunkstaatsvertrag, aber auch andere Gesetze und Vorschriften festlegen. Diese sind unter an-derem das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, das Heilmittelwerbegesetz mit dem Werbeverbot für ver-schreibungspflichtige Medikamente sowie dem Gebot der Ausstrahlung von Pflichthinweisen (die im Übrigen nicht auf die Werbezeit angerechnet werden), Einschrän-kungen bei Werbung für alkoholische Getränke, das Ver-bot von Tabakwerbung und generell irreführender Wer-bung. Besondere Aufmerksamkeit des Gesetzgebers, aber auch der Marktpartner aus Werbewirtschaft und Medien, gilt dem Jugendschutz. Es gibt einen speziellen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, der als grundle-gende Maxime besagt, dass Werbung Kindern und Ju-gendlichen weder körperlichen noch geistigen Schaden zufügen darf. Darüber hinaus gibt er beispielsweise vor, dass in der Werbung keine direkten Konsumaufforde-rungen an Kinder gestellt werden noch Kinder in gefähr-lichen Situationen gezeigt werden dürfen. Weiterhin gibt es spezielle Verhaltensregeln des Deutschen Werberates für die Werbung von und mit Kindern. Der Rundfunkstaatsvertrag unterscheidet aus-drücklich zwischen den privaten und öffentlich-recht-lichen Sendern. Für beide gilt grundsätzlich, dass Wer-bung nicht die Gesundheit oder Sicherheit der Verbrau-cher sowie den Schutz der Umwelt gefährden darf, dass Werbetreibende die redaktionellen Inhalte nicht beein-flussen dürfen, Werbung und Programm deutlich von-einander getrennt sein müssen, dazu zählen auch die eindeutige Trennung von Splitscreen-Werbung vom üb-rigen Programm sowie das Verbot von Schleichwerbung und Product-Placement.

– Fernsehwerbung in öffentlich-rechtlichen Sendern

Die Fernsehwerbung in den öffentlich-rechtlichen Fernsehangeboten unterliegt deutlich schärferen Regle-mentierungen als bei den privaten Fernsehanbietern. Sie ist explizit auf Das Erste und das zdf beschränkt (§15 Abs. 1 RStV). Die dritten Fernsehprogramme (von br, hr, mdr, ndr, rb, rbb, sr, swr, wdr), KI.KA, phoenix, 3sat und arte sind werbefrei. Fernsehwer-bung im Ersten und im zdf darf höchstens 20 Minuten täglich betragen und ist auf die Zeit werktags bis 20.00 Uhr beschränkt (§15 Abs. 1 RStV). Der Rundfunkstaatsvertrag definiert neben der Dauer auch die Häufigkeit von Werbeeinschaltungen im Ersten und im zdf; zum Beispiel dürfen Fernsehsen-dungen von über 45 Minuten Länge nur einmal unter-brochen werden (§14 Abs. 3 RStV). Gottesdienste und Kindersendungen genauso wie Nachrichtensendungen dürfen nicht unterbrochen werden. Die Übertragung von Sportereignissen darf nur in den Pausen für Wer-bung unterbrochen werden. Zusätzlich konkretisieren ard-Richtlinien die gesetzlichen Bestimmungen.

– Fernsehwerbung in privaten Sendern

Da private Fernsehveranstalter nicht aus der Rundfunk-gebühr finanziert werden, müssen sie ihre Programme aus Werbeeinnahmen, Sponsoring, Teleshopping oder sonstigen Einnahmen bestreiten. Zu Letzteren gehören Abonnements, Pay-per-View-Angebote und Mehrwert-dienste per Telefon oder Handy. Fernsehwerbung in den privaten Sendern unterliegt keiner uhrzeitlichen Be-schränkung, sie darf rund um die Uhr ausgestrahlt werden. Der Anteil der Werbung darf jedoch 20 Prozent der täglichen Sendezeit nicht überschreiten. Der Anteil von Werbeinseln an einer Programmstunde liegt somit bei maximal zwölf Minuten – rein rechnerisch kann also jeder Privatsender täglich 280 Minuten Werbung ausstrahlen. Der Rundfunkstaatsvertrag erlaubt die Platzierung von Werbung sowohl zwischen zwei Sendungen als auch innerhalb einer Sendung, die sogenannte Unterbrecher-werbung.

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Social Advertising: Die Rapper Tyrell a.ka. Twenty Zack und Di Albo sangen 2005 für einen Kinospot des hessischen Aus-länderbeirats, um die Wahlbeteiligung zu den Ausländerbeiräten in Hessen zu vergrößern

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Nicht erlaubt ist die Unterbrechung der Übertra-gung von Gottesdiensten oder Kindersendungen sowie von Nachrichtensendungen bis zu einer halben Stunde Dauer. Um dennoch einen Werbeblock einschieben zu können, werden Nachrichtensendungen darum gerne als »Journal« oder »Nachrichtenmagazin« bezeichnet oder redaktionell in zwei Teile zerlegt, indem die Nach-richten vom Wetter getrennt präsentiert werden. Zwischen zwei Unterbrecherwerbeblöcken inner-halb einer Sendung müssen mindestens 20 Minuten Pro-gramm liegen. Bei Sendungen, die länger als 45 Minuten dauern, ist mehr als eine Unterbrechung zulässig. Ur-sprünglich bildeten Spielfilme die Ausnahme von dieser Regelung, sie durften nur alle 45 Minuten unterbrochen werden, um den dramaturgischen Faden nicht reißen zu lassen. Auch hier bedienten sich die Privatsender eines Tricks, um mehr Unterbrechungen zu erzielen: Die aus-gestrahlten Spielfilme bzw. deren Sendeplätze wurden einfach als Sendereihe tituliert. Angebote, die in diesem Kontext laufen, dürfen ganz normal, also alle 20 Minuten unterbrochen werden. Darum also heißen die Spielfilm-sendeplätze bei rtl, ProSieben oder sat.1 »Der große Sonntagsfilm«, »Blockbuster«, »Eventkino« oder »Satur-day Night Action«. Die Landesmedienanstalten (finanziert durch Ge-bührengelder) kontrollieren die Einhaltung der gesetz-lichen Rahmenbedingungen durch die kommerziellen Sender. Im Falle eines Verstoßes – wenn zwischen zwei Werbeblöcken zum Beispiel nur 17 Minuten Programm liegen – droht eine Abmahnung.

– Hörfunkwerbung

Die Hörfunkwerbung ist auf 90 Minuten werktäglich im Jahresdurchschnitt begrenzt (§15 Abs. 5 RStV). Pro Stunde dürfen zwei Werbeblöcke, die nicht länger als dreieinhalb bis vier Minuten sein dürfen, ausgestrahlt werden. Die Werbezeit pro Stunde ist auf sieben bis acht Minuten beschränkt. Auch die öffentlich-rechtlichen Radioangebote dürfen an Sonn- und Feiertagen keine Werbung ausstrahlen.

– Der Werbemarkt in Deutschland

Im Jahr 2005 wurden brutto mehr als 19 Mrd. Euro in Werbung in den klassischen Medien investiert. Im Ver-gleich zum Vorjahr ist dies ein Zuwachs von 0,96 Mio. Euro (+5,3%). Die meisten Gelder flossen mit 8,04 Mrd. Euro (42,1%) in Fernsehwerbung, gefolgt von 4,99 Mrd. Euro (26,1%) in Tageszeitungen und 3,87 Mrd. Euro (20,3%) in Publikumszeitschriften. Mit deutlichem Ab-stand folgten Hörfunk mit 1,17 Mrd. Euro (6,1%), Pla- kate mit 0,61 Mrd. Euro (3,2%) und Fachzeitschriften mit 0,42 Mrd. Euro (2,2%).

Werbemarkt 2005: Anteil der Werbeträger am Bruttoumsatz in ProzentHF - Hörfunk, TV - Fernsehen, PK - Plakate, TZ - Tageszeitungen,PZ - Publikumszeitschriften, FZ - FachzeitschriftenQuelle: Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft, eigene Berechnungen

TZ 26,1 % HF 6,1 %

TV 42,1 %

PK 3,2 %

FZ 2,2 %

PZ 20,3 %

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Lediglich ca. 8,3 Prozent der gesamten Werbeeinnahmen aus Radio und Fernsehen gingen an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Mit rückläufi ger Tendenz – der Anteil von ard und zdf an den Gesamtwerbeaufwen-dungen ist über die Jahre immer geringer geworden. Die meisten Gelder für Fernsehwerbung konnte mit mehr als 2,2 Mrd. Euro rtl verbuchen, gefolgt von sat.1 (1,62 Mrd. Euro) und ProSieben (1,38 Mrd. Euro). ard und zdf liegen mit Brutto-Werbeeinnahmen in Höhe von 0,20 Mrd. Euro bzw. 0,13 Mrd. Euro noch deutlich hinter den Privatsendern der zweiten Generati-on wie rtl ii, vox und kabel 1. Der Fernsehwerbemarkt wird schon heute de facto durch die Sendergruppen von rtl und ProSiebensat.1 beherrscht. Diese verfügen über einen Umsatzmarkt-anteil von insgesamt knapp 80 Prozent. Der Umsatz-marktanteil von ard und zdf beträgt gemeinsam ledig-lich 4,4 Prozent. Die meisten Gelder für Hörfunkwerbung konnten die Radioangebote der Privaten unter dem Dach des RMS (Radio Marketing Service) mit 696,1 Mio. Euro verbu-chen; das entspricht einem Umsatzmarktanteil von fast 60 Prozent. Die werbeführenden ard-Radio angebote konnten dagegen mit knapp 415 Mio. Euro nur 36 Prozent der Gelder für Hörfunkwerbung einnehmen. Die sonsti-gen Radioanbieter spielen mit Brutto-Werbeumsätzen von 55, 7 Mio. Euro nur eine unbedeutende Rolle.

– Werbezeitenvermarktung in Deutschland

Die Fernseh-, aber auch Radiosender vermarkten ihre Werbezeiten in der Regel nicht selbst, sondern beauftra-gen damit eigens zu diesem Zweck gegründete Tochter-unternehmen.

Die großen Vermarkter für die Werbung führenden deutschen Fernsehangebote sind:– ard Werbung Sales & Services (AS&S) (Das Erste)– zdf Werbefernsehen– SevenOne Media (sat.1, ProSieben, Kabel 1, N24, 9Live)– IP Deutschland (rtl, vox, n-tv, Super rtl, rtl Shop)– Sonstige (dsf, mtv, viva, Tele 5, rtl ii)

Die großen Vermarkter für die Radioangebote mit Werbung sind:– AS&S national/regional (öffentlich-rechtlich und privat als Mandant)– RMS national/regional (privat)– Energy national/regional (privat)– Sonstige

Auch bei den Landesrundfunkanstalten der ard ist die Abwicklung der Werbung selbstständigen Tochter ge-sellschaften übertragen, mit denen Ergebnisabführungs-verträge bestehen, d. h., Einnahmen aus Werbung und Sponsoring werden nach Abzug eines Unkosten anteils an die jeweilige Landesrundfunkanstalt überwiesen. Die Werbetöchter der Landesrundfunkanstalten und des zdf erhalten keine Subventionen aus den Rundfunk-gebühren. Sie sind privatwirtschaftliche Unter nehmen, die der vollen Steuerpfl icht unterliegen.

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Die Werbetöchter gestalten die Werberahmenpro-gramme und übernehmen die Kosten der Mutteranstal-ten für die Abspielung und Ausstrahlung. Wie die Rund-funkanstalten sind auch die Werbegesellschaften in einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen. Sie unterhält eine gemeinsame Vermarktungsgesellschaft, die ard-Werbung Sales & Services GmbH. Zu den zen-tralen Aufgaben der GmbH zählen die Vermarktung der nationalen Fernseh- und Radio-Werbezeiten sowie For-schung und Service, ferner die Presse- und Öffentlich-keitsarbeit für die Radio- und TV-Angebote der ard-Werbung. Die ard-Werbung Sales & Services GmbH ist der zentrale Ansprechpartner für den Werbemarkt und Dienstleister zwischen Medien und Werbewirtschaft. Sie kümmert sich um das Media-Marketing und damit um die Refinanzierung der Programme durch Werbung.

– Bedeutung von Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Werbung in den öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radioangeboten ist Garant des Wettbewerbs unter den Marktteilnehmern und gleichzeitig eine wichtige zusätz-liche Finanzierungsquelle. Die Werbewirtschaft nimmt das Angebot, die qualitativ attraktiven Zielgruppen der Öffentlich-Rechtlichen, die bei den Privaten so nicht zu finden sind, zumindest am Vorabend mit Werbung zu erreichen, stark an. Ein nennenswerter Wettbewerb findet auf dem Fernsehwerbemarkt somit lediglich zwischen 17.oo Uhr und 20.00 Uhr statt, also zu einer Zeit, zu der Das Erste und das zdf Werbung im Fernse-hen ausstrahlen. Dieser verschärfte Wettbewerb drückt sich in den Spotpreisen der TV-Anbieter aus. In diesem Zusammenhang ist der absolute Preis eines Werbeträgers allein nicht sehr aussagekräftig. Der Preis muss vielmehr in Beziehung zu seiner Leistung für den Werbetreibenden gesehen werden.

– Tausenderkontaktpreis

Letztlich ausschlaggebend ist – neben qualitativen Aspekten – das Verhältnis der Kosten zur Größe der erreichten Zielgruppe: Präferierte Werbezielgruppe in Deutschland sind Erwachsene im Alter von 14 bis 49 Jahren. Dies wird mit der Maßeinheit des Tausender-kontaktpreises (TKP) ausgedrückt. Dieser Wert gibt in Euro an, wie hoch die Kosten sind, um bei einem Wer-beträger 1.000 Kontakte in der gewünschten Zielgruppe zu erreichen. Dieser errechnet sich aus dem Preis der Werbeschaltung(en) multipliziert mit tausend, dividiert durch die Anzahl der in der Zielgruppe gemessenen Werbe-Kontakte (s. Tabelle auf nachfolgender Seite). Die TKPs von rtl, ProSieben und sat.1 sind vor 20.00 Uhr deutlich niedriger als nach 20.00 Uhr. Der Tausenderkontaktpreis am Hauptabend lag zum Beispiel bei sat.1 im Jahr 2005 in der werberelevanten Zielgrup-pe um 39 Prozent über dem TKP des Vorabends. Die absoluten Kosten wurden sogar mehr als verdoppelt (+163%) bei einem Reichweitenanstieg von »nur« 17 Prozent. Dies zeigt, dass der Preisanstieg bei den kom-merziellen Rundfunkveranstaltern vom Vorabend zum Hauptabend nicht unbedingt in Relation zum Anstieg der Zuschauerzahlen steht. Eine vergleichbare Preis-strategie verfolgen auch die übrigen privaten Fernsehan-bieter.

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Der ehemalige Bundesliga-Manager Rainer Calmund während der Dreh-arbeiten zu einem Werbespot für den Mobilfunkanbieter O2

Um Werbe- und Sponsoreinnahmen geht es vor allem bei der Vermarktung der Bundesligarechte im privaten Fern-sehen, im Internet und im Mobilfunk

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Die werbetreibende Wirtschaft erreicht nach 20.00 Uhr durch die Werbefreiheit in ard und zdf so-wie den dritten Fernsehprogrammen der ard ca. 45 Pro-zent aller Fernsehzuschauer nicht. Deshalb weisen die Verbände der Werbewirtschaft wiederholt darauf hin, dass der Erhalt der Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk für die werbetreibende Wirtschaft unbedingt notwendig ist und ihre Abschaffung gravierende Aus-wirkungen auf den Fernsehmarkt hätte. Noch drastischer wären die Auswirkungen eines Verzichts von Werbung im öffentlich-rechtlichen Hör-funk. Der Hörfunkwerbemarkt wird bereits heute durch den Vermarkter der meisten privaten Radioangebote, den RMS, beherrscht. Er verfügte im Jahr 2005 über ei-nen Umsatzmarktanteil von ca. 60 Prozent. Die ard war mit einem Umsatzmarktanteil von fast 36 Prozent der deutlich kleinere Marktteilnehmer. Durch einen Verzicht auf die Werbung im öffentlich-rechtlichen Hörfunk könnte der Vermarkter RMS fast eine Monopolstellung einnehmen und die Hörfunkpreise nach Belieben diktie-ren. Auswirkungen hätte dies nicht zuletzt auf die Preise der Produkte, in die die Kosten der Werbung eingehen.

Die meisten Werbetreibenden, die Werbung in öf-fentlich-rechtlichen Programmen buchen, tun dies aber bewusst, um Zielgruppen mit ihrer Werbung zu errei-chen, die sie bei den privaten Rundfunkveranstaltern nicht erreichen. Ein weiterer Grund, warum Werbekun-den bewusst das Umfeld der öffentlich-rechtlichen Pro-gramme belegen, ist der erhoffte positive Imagetransfer vom Programm auf das beworbene Produkt. Die Kunden fühlen sich darüber hinaus in den hochwertigen, profes-sionellen, kompetenten und seriösen Umfeldern der Öffentlich-Rechtlichen besser aufgehoben. Ein Verzicht auf Werbung in ard und zdf hätte auch erhebliche Auswirkungen auf die Programmgestal-tung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Werbung und Sponsoring ermöglichen es zum Beispiel, teure Sportrechte ohne weitere Belastung der Gebührenzahler zu refinanzieren. Bestes Beispiel für die gelungene Re-finanzierung von Sportrechten durch Werbung sind die Rechte an den Spielen der 1. Fußball-Bundesliga. Es ist der ard gelungen, den Rechteerwerb vollständig durch Einnahmen aus Werbung und Sponsoring zu re-finanzieren.

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Zielgruppe Erwachsene (14- bis 49-Jährige)

Vermarkter/Medien Brutto-Preise 2005 (EUR) Reichweite (Mio.) TKP (EUR) 17 – 20 Uhr 20 – 23 Uhr 17 – 20 Uhr 20 – 23 Uhr 17 – 20 Uhr 20 – 23 Uhr

IP-Sender rtl 16.241 42.399 0,792 1,544 20,50 27,45 vox 4.237 12.323 0,296 0,678 14,31 18,19 n-tv 993 959 0,021 0,025 47,44 38,71

ProSiebensat.1 sat.1 17.593 28.740 0,881 1,036 19,96 27,75 ProSieben 12.696 24.576 0,575 0,860 22,08 28,57 Kabel 1 3.550 8.483 0,259 0,439 13,73 19,32 n24 573 1.168 0,023 0,044 24,49 26,54 rtl ii rtl ii 4.202 9.792 0,298 0,506 14,08 19,34 Öffentlich-Rechtliche ard 14.933 werbefrei 0,511 werbefrei 29,24 werbefrei zdf 14.098 werbefrei 0,438 werbefrei 32,17 werbefrei

vgl: GfK-Fernsehforschung, Standardwerbung, Tarifart 1–20, mo. bis sa., Fernsehpanel D+EU 2006

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Die Werbeerträge des öffentlich-rechtlichen Rund-funks helfen, die Höhe der Rundfunkgebühren zu be-grenzen. Würden sie wegfallen, müssten die Gebühren deutlich erhöht werden, um das bei unveränderter Pro-grammvielfalt und -qualität entstehende Defizit aus-zugleichen. Das Bundesverfassungsgericht sieht in der Misch-finanzierung, d.h. in der Finanzierung durch Rundfunk-gebühren, Werbung und sonstige Einnahmen, eine Mög-lichkeit, einseitige Abhängigkeiten zu lockern und die Programmgestaltungsfreiheit der Rundfunkanstalten zu stärken.

– Schleichwerbung

Zwar investiert die Industrie jährlich allein in Deutsch-land mehr als acht Mrd. Euro, um ihre Produkte im Fern-sehen zu bewerben, die Effektivität dieser Maßnahmen ist jedoch sehr umstritten. Werbepausen sind für die Fernsehkonsumenten klar erkennbar: Die Senderken-nung wird in dieser Zeit nicht eingeblendet und die Trennung erfolgt durch optische Mittel, in der Regel durch kurze Jingles. Zudem umrahmen die Sender nahe-zu jede Werbeinsel mit Programmtrailern, so dass der Konsument die meist vier- bis siebenminütigen Unter-brechungen genau abpassen kann und für andere Akti-vitäten nutzt: Der Gang zur Toilette, die Rauchpause, die Versorgung mit Snack-Nachschub oder das Umschalten zu anderen Sendern sind der Alptraum jedes Werbetrei-benden. Für die Werbeindustrie besonders interessante Programme, etwa Spielfilme bei den großen Privatsen-dern, verlieren in den Werbepausen oft mehr als die Hälfte ihrer Zuschauer. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Indus-trie bereits seit langem massiv versucht, ihre Produkte auch in den Programmen selbst zu platzieren. In ande-ren europäischen Ländern, etwa Italien, ist es längst üblich, dass zum Beispiel ein Magazin-Moderator selbst Werbebotschaften vorliest, und das zwischen zwei Bei-trägen, so dass kein Zuschauer verloren geht. Weitaus häufiger ist jedoch die akustische oder visuell wahr-nehmbare Präsentation von Produkten jeder Art – oder anders: Product-Placement.

– Rechtliche Rahmenbedingungen

Das deutsche Medienrecht kennt zwei Grundsätze, die die Trennung von Werbung und Programm regeln. Beide sind im Rundfunkstaatsvertrag gesetzlich geregelt. Das ist zum einen das Gebot, Werbung vom übrigen Pro-gramm deutlich zu trennen und als solche zu kenn-zeichnen. Sie darf »das übrige Rundfunkprogramm in-haltlich nicht beeinflussen«. Zum anderen verbietet der Rundfunkstaatsvertrag Schleichwerbung im Programm. Schleichwerbung ist »die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tä-tigkeiten eines Herstellers, wenn sie zu Werbezwecken vorgesehen ist und die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann«. Schleichwerbung ist also durch drei Merkmale gekennzeichnet: Eine kommerzielle Leistung oder ihr Erbringer muss erkennbar sein, sie muss in werblicher Absicht erfolgen und sie muss geeignet sein, die Zuschauer über die wahre (Werbe-)Absicht zu täu-schen. Das Erfordernis der Werbeabsicht gilt als erfüllt, wenn die Darstellung gegen Geld oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt. Aus dieser Definition wird deutlich, dass die redak-tionell veranlasste Darstellung von Produkten keine Schleichwerbung darstellt und daher zulässig ist, sofern sie nicht über das redaktionell erforderliche Maß hin-ausgeht. In der heutigen Zeit ließe sich ansonsten eine reale Umwelt kaum noch darstellen. Wenn also ein Kom-missar einen Dienstwagen fährt und das Fahrzeug aus-schließlich aus dramaturgischen und inhaltlichen Grün-den im Bild erscheint, handelt es sich um eine zulässige Produktdarstellung. Erlaubt ist es auch, wenn das Fahr-zeug dem Sender für die Dreharbeiten unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird (Produktionshilfe), solange dies nicht an Bedingungen hinsichtlich der Darstellung in der Sendung geknüpft wird. Zu einem Fall von (illegaler) Schleichwerbung wird dieses Beispiel aber, wenn der Autohersteller dafür zahlt, dass sein Produkt im Bild erscheint. Im Dezember 2006 hat das Europäische Parlament eine neue EU-Richtlinie in erster Lesung beschlossen, die unter anderem eine Lockerung der Regelungen für Produktplatzierungen vorsieht. Danach soll Product-

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Placemant in Spielfilmen, Serien, Sport- und leichten Unterhaltungssendungen erlaubt werden, wenn die Zu-schauer zu Beginn der Sendung informiert werden. Während den privaten Rundfunkveranstaltern diese De-regulierung nicht weit genug geht, lehnt der öffentlich-rechtliche Rundfunk den EU-Vorstoß ab, da nach seiner Auffassung eine Irreführung der Zuschauer allein durch die Transparenzregeln nicht wirksam ausgeschlossen wird (Zapper nehmen zum Beispiel den Hinweis nicht wahr, weil sie erst später zuschalten) und beim Product-Placement auch die verfassungsrechtlich geschützte Rundfunkfreiheit durch kommerzielle Einflussnahmen beeinträchtigt wird. Da der Rundfunkstaatsvertrag sich nur an Rund-funksendungen ausrichtet, sind die speziellen Vor-schriften zur Trennung von Werbung und Programm auch nur auf Fernseh- und Hörfunksendungen anwend-bar. Bei anderen Medien, wie zum Beispiel Kinofilmen, Printmedien oder Mediendiensten im Internet, fehlt es an einer vergleichbar detaillierten gesetzlichen Rege-lung. Dennoch gilt das Verbot der Schleichwerbung – al-lerdings in abgestufter Form – auch dort. Die insoweit schärferen Regelungen für den Rundfunk erklären sich aus der besonderen Bedeutung des Rundfunks für die öffentliche Meinungsbildung und der medienspezi-fischen Gefahr einer suggestiven Beeinflussung. Einen Sonderfall stellen Kinospielfilme im Fernsehen dar. An sich würden hier die strengen Regeln für den Rundfunk greifen. Die Sender schaffen es aber nur in Ausnahmefäl-len, sich Bearbeitungsrechte an diesen Filmen einräu-men zu lassen, so dass eine Beseitigung an sich unzuläs-siger Product-Placements regelmäßig nicht möglich ist. Da eine strenge Anwendung des Schleichwerbeverbots daher faktisch dazu führen würde, dass insbesondere große US-Kinoproduktionen in Deutschland überhaupt nicht ausgestrahlt werden könnten, ist es allgemein an-erkannt, dass solche Filme trotz Product-Placements ausgestrahlt werden dürfen.

– Formen und Inhalte von Product-Placements

Bei der Einordnung von Placements wird in der Werbe-branche nach Inhalt und Form unterschieden. Das tradi-tionelle Product-Placement meint die Integration eines einzelnen Produkts in einen szenischen Zusammenhang, zum Beispiel eine bestimmte Bier- oder Automarke. Bei einem Generic Placement wird eine ganze Warengruppe oder Gattung eingebaut, zum Beispiel Plasmafernseher, Wackelpudding oder Öko-Strom im Allgemeinen. Diese Form wird darum gern von Quasi-Monopolisten genutzt, da ohnehin jeder Zuschauer weiß, wer oder was gemeint ist, auch ohne ein Markenlogo zu sehen. Corporate Place-ment bezieht sich auf die Eingliederung eines ganzen Unternehmens oder einer Unternehmensgruppe, einzel-ne Produkte spielen keine Rolle. Das Message-Placement schließlich transportiert eine allgemeine Botschaft, ein Motto, zum Beispiel einen sozialen Appell. Sonderformen sind Themen-Placements (zum Bei-spiel erkrankt die Hauptfigur einer Serie an einer neuar-tigen Krankheit, ein Pharmaunternehmen will sie durch das Placement zum Gesprächsthema machen), Location-Placements (zum Beispiel spielt eine ganze Fernsehserie in einem Dorf im Schwarzwald, das sich eine Stärkung des Tourismusgeschäfts verspricht), Image-Placements (zum Beispiel wird eine Fernsehshow aus einem be-stimmten Freizeitpark gesendet, um die Attraktivität des Parks darzustellen) und Service-Placements (zum Bei-spiel nutzt die Hauptfigur eines Films bestimmte Ser-viceleistungen wie Kreditkarten oder Breitbandinterne-tanschlüsse). Die Integration selbst erfolgt auf verschiedenen Wegen. Visual Placement ist noch immer der Standard: Ein Produkt taucht, oft von einer Figur benutzt, im Bild auf. Diese simple Integration ist nicht angreifbar, solange ein »natürlicher« Zusammenhang gegeben ist (jede Bier-flasche hat ein Etikett) und die Werbebotschaft nicht dominiert. Dies gilt auch für On-Set-Placements, hierbei wird ein Produkt in die Requisite einer Szene integriert. Dies erfolgt ohne direkten Bezug zur Handlung oder zu den handelnden Personen, zum Beispiel steht scheinbar zufällig eine bestimmte Flasche Whisky auf dem Tisch, an dem sich die Figuren unterhalten. Beim Verbal Place-ment wird das Produkt nicht gezeigt, aber es wird darü-

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Product-Placement soll einen Imagetransfer zwischen dem Produkt und dem Film bewirken, hier zwischen BMW und »James Bond« 1997. In diesen Jahren hatte BMW in Großbritannien wegen seines Verhaltens gegenüber seinen Arbeitern ein negatives Image. Zwei britische Gewerkschaften riefen zu einem BMW-Boykott auf. James Bond sei »weltweit ein Symbol für britischen Patriotismus«, was mit dem Namen BMW nicht mehr in Einklang zu bringen sei (»Times« v. 20.3.2000)

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ber gesprochen, zum Beispiel, indem eine Figur eine andere bittet, ihr Schokolade einer bestimmten Marke mitzubringen. Das Gegenteil – die am weitesten entwickelte Form von Placement – ist Creative Placement. Hier wird das Produkt zum sinnstiftenden Teil der Handlung. Bereits vor 40 Jahren fuhr Dustin Hoffman in der Schlussszene von The Graduate (Die Reifeprüfung, 1967) mit einem ro-ten Sportwagen italienischen Fabrikats vor. Die Szene ging in die Kinogeschichte ein und blieb so sehr im kol-lektiven Gedächtnis, dass sie im Jahr 2004 von einem anderen Autohersteller für einen Werbespot neu gefilmt wurde: Diesmal fuhr Dustin Hoffman einen Wagen deutscher Bauart.

– Der weltberühmte Volleyball

Das berühmteste Creative Placement der jüngeren Kino-geschichte ist ein Volleyball. Tom Hanks strandet mit ihm im Gepäck auf einer einsamen Insel (Cast Away, 2000). Der Ball ist sein einziger Bezugspunkt, er spricht mit ihm, malt ihm ein Gesicht auf und nimmt ihn mit, als er die Insel verlässt. Den Ball nennt er bei seinem Namen – dem Namen des Herstellers, der durch den Film quasi über Nacht weltberühmt wurde. Creative Placements sind mittlerweile zu einem wichtigen Faktor bei der Finanzierung von Filmen geworden. Weltweit stellen vor allem europäische und US-amerikanische Unternehmen Millionenbeträge zur Verfügung, um die Konzeption und Finanzierung von Filmen schon vor Produktionsstart zu beeinflussen. Die damit einhergehenden Gefahren liegen auf der Hand. Der Rundfunk, der Faktor und Medium der öffent-lichen Meinungsbildung sein soll, gerät in Gefahr, von wirtschaftlichen Interessen vereinnahmt zu werden. Wirtschaftlich weniger mächtige gesellschaftliche Grup-pen oder Themen, die für die Wirtschaft uninteressant sind, hätten es zunehmend schwerer, im Programm berücksichtigt zu werden. Zudem ist es dem Product-Placement und seinen verschiedenen Abwandlungen eigen, unterschwellig zu wirken. Anders als bei der klas-

sischen Werbung wird den Zuschauern nicht sofort bewusst, ob diese Darstellung nun aus redaktionellen Gründen erfolgt oder weil ein Unternehmen hierfür Geld gezahlt hat. Mag die Vorgehensweise im Fernsehbereich zwar sanfter und mit einem nicht so punktuell eingesetzten Finanzvolumen ausgestattet sein wie im Kino, so sind derartige Maßnahmen trotz des Verbots auch im deut-schen Fernsehen zu sehen. Für Außenstehende, selbst für Experten, ist dabei häufig schwer festzustellen, ob es sich hierbei um künstlerische Darstellungsfreiheit oder um Schleichwerbung handelt. Besonders schwierig zu erkennen sind die Fälle, in denen nicht für ein bestimm-tes Produkt, sondern für Warengruppen oder ganz all-gemein für bestimmte Themen geworben wird. Fern-sehkommissare fahren Autos bestimmter Baureihen, Anwälte löffeln Wackelpudding, Ermittler lutschen Lollis, Showmaster verzehren Gummibärchen, das ist Fernsehalltag. Die Fernsehsender sind z.T. auch sehr erfinderisch in der Schaffung neuer Werbeformen. Ein Privatsender ging im Jahr 2005 gar so weit, einem Lebens-mittelhersteller ein Titelpatronat zu verkaufen: Die Show mit dem Markennamen im Titel wurde in der Prime Time ausgestrahlt, der Sender von der Landesmedien-anstalt aber abgemahnt.

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– Rundfunk braucht Werbung – Schleich- werbung will der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht

Umso größer war der Skandal, als auch in den Produkten öffentlich-rechtlicher Sender im Jahr 2005 Fälle von Schleichwerbung aufgedeckt wurden. Beispielsweise hatte sich ein Reiseveranstalter in die Vorabendserie Marienhof eingekauft: Ein ganzes Reisebüro war dauer-haft Spielort der Handlung, eine der Hauptfiguren arbei-tete dort, die Kulisse war im Stil des tatsächlichen Reise-büros gestaltet und der Name des fiktiven Büros ähnelte dem Slogan der Kette. Andere Fälle von Schleichwerbung wurden in diversen Tatort-Folgen und Fernsehfilmen seit den 80er Jahren entdeckt. Die ard hat diese Fälle rückhaltlos aufgeklärt und personelle Konsequenzen gezogen. Allein im wdr wurden 90 Fernsehfilme gesich-tet und auf potenzielle Schleichwerbung überprüft. Schließlich wurde von der ard eine Clearingstelle zur Aufklärung und Prophylaxe unter Vorsitz des swr ge-schaffen. Darüber hinaus richteten die Werbetöchter der ard eine Programmbeobachtungsstelle bei der wdr mediagroup ein. Die unerlaubte Produktwerbung trifft die öffent-lich-rechtlichen Rundfunkanstalten an ihrer empfind-lichsten Stelle. Sie verletzt nicht nur die Maxime des Rundfunkstaatsvertrags, Programm von Werbung klar zu trennen. Sie beeinträchtigt vor allem die Glaubwür-digkeit der Sender, die sich aus Gebühren finanzieren und der Allgemeinheit verpflichtet sind.

Von Schleichwerbung sind nicht nur die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten betroffen, auch bei priva-ten Sendern wurden bereits mehrfach Fälle von Schleich-werbung aufgedeckt. So hat die Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz bei den sat.1-Sendungen Frühstücksfernsehen und 17.30 Uhr Live aus Berlin in den Jahren 2000 bis 2005 unerlaubte Pro-duktwerbung in »beträchtlichem Ausmaß« festgestellt. Über direkte Kontakte oder Vermittlungsagenturen wur-den Beiträge ausgestrahlt, die in Zusammenarbeit mit Unternehmen oder Verbänden produziert wurden. Die ProSiebenSat.1 Media AG hat daraus Konsequenzen ge-zogen. Die Landesmedienanstalt als Aufsichtsorgan hat finanzielle Sanktionen erteilt und eine öffentliche Rüge ausgesprochen.

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