Rundshagen: Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 3. Oktober 2006: „Scorpio“....

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E Steuerrecht E1 Die Besteuerung des Künstlers 39 Kultur & Recht November 2007 E 1.4 S. 1 Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 3. Oktober 2006: „Scorpio“ Auswirkungen in der Praxis Helmut Rundshagen Rechtsanwalt Steuerberater, Ernst & Young AG, Hamburg Inhalt Seite 1. Einleitung 2 2. Die Entscheidung des EUGH im Fall „Scorpio“ 3 3. Das BMF-Schreiben zum Fall „Scorpio“ 5 4. Praktische Konsequenzen für Veranstalter 7 Nachweismöglichkeiten 6 BMF-Schreiben vom 5. 4. 2007 - IV C 8 - S 2411/07/0002 8

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E Steuerrecht

E1 Die Besteuerung des Künstlers

39 Kultur & Recht November 2007

E 1.4 S. 1

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 3. Oktober 2006: „Scorpio“ Auswirkungen in der Praxis

Helmut Rundshagen Rechtsanwalt Steuerberater, Ernst & Young AG, Hamburg

Inhalt Seite

1. Einleitung 2 2. Die Entscheidung des EUGH im Fall „Scorpio“ 3 3. Das BMF-Schreiben zum Fall „Scorpio“ 5 4. Praktische Konsequenzen für Veranstalter 7

Nachweismöglichkeiten 6

BMF-Schreiben vom 5. 4. 2007 - IV C 8 - S 2411/07/0002 8

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E1 Die Besteuerung des Künstlers

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1. Einleitung

Die Regeln über die Abzugsbesteuerung von nicht in Deutschland ansässigen Künstlern waren wiederholt Gegenstand von Urteilen des Europäischen Gerichts-hofes (EUGH) und wurden mehrfach geändert. Mit dem Urteil des EUGH im Fall „Scorpio“1, das die Frage der Verletzung der Dienstleistungsfreiheit bei der Ab-zugsbesteuerung zum Gegenstand hat, dürfte nun weitgehend Klarheit über den eurooparechtlichen Rahmen der sog. Künstlerbesteuerung bestehen.

Unmittelbarer Änderungsbedarf ergibt sich aus dem Urteil für die geltende Rechtslage nur für die Berücksichtigung von Betriebsausgaben bei der Durchfüh-rung der Abzugsbesteuerung durch den Vergütungsschuldner. Im Vorgriff auf eine zu erwartende gesetzliche Regelung hat die Finanzverwal-tung mit BMF-Schreiben vom 5. April 2007 versucht, die Mindestanforderungen aus dem Urteil in die Praxis umzusetzen. Offen ist jedoch, welche Konsequenzen die Umsetzung der Richtlinie zur Vollstreckung von Steuerforderungen in 2002 für die Abzugsbesteuerung bei Künstlern hat.

Die in Deutschland vor dem Urteil und bis heute geltende gesetzliche Regelung sieht hierzu Folgendes vor:

- Nach § 50a Abs.4 Einkommensteuergesetz (EstG) sind Betriebsausgaben des Künstlers, die von einem Veranstalter übernommen werden (z. B. Reise-kosten, Bekleidung, etc), der Bemessungsgrundlage für die Abzugsbesteue-rung hinzuzurechnen.

- Auf die so erhöhte Bemessungsgrundlage sind 20 % Abzugssteuer zzgl. 5,5 % Solidaritätszuschlag zu erheben, so dass sich eine Abgabenlast von 21,1 % ergibt. Ggf. findet ein niedriger Steuersatz Anwendung, wenn die Vergütung bestimmte Beträge nicht überschreitet (Staffeltarif und Bagatellgrenze).

- Sollten die unmittelbar mit einem Auftritt wirtschaftlich zusammen hängen-den Aufwendungen mehr als 50 % der Bemessungsgrundlage ausmachen, so ist durch ein gesondertes Verfahren auf Antrag eine Erstattung der insoweit übersteigenden Abzugssteuer nach § 50 Abs. 5 Ziff. 3 EStG möglich.

Damit ist nach aktueller Gesetzeslage eine Berücksichtigung von Betriebsausga-ben schon bei der Erhebung der Abzugsbesteuerung durch den Vergütungs-schuldner in Deutschland nicht möglich. Nur der Künstler kann in einem geson-derten Verfahren bestimmte Aufwendungen berücksichtigen.

Allerdings hat Deutschland den aus dem Fall „Gerritse“2 resultierenden Anpas-sungsbedarf hinsichtlich der Option einer Veranlagung zur Besteuerung in Deutsch-land bisher nur durch ein BMF-Schreiben3 mit einer Günstigerprüfung umgesetzt.

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Durch dieses Verfahren soll erreicht werden, dass der Mindeststeuersatz unter Berücksichtigung des Grundfreibetrages gegenüber inländischen Künstlern nicht zu hoch ausfällt. Die EU-Kommission hat jedoch diese Verwaltungsanweisung als nicht ausreichend beurteilt4.

2. Die Entscheidung des EUGH im Fall „Scorpio“

Mit Urteil vom 3. Oktober 2006 hat sich der europäische Gerichtshof mit dem System der Abzugsbesteuerung bei Auftritten von Künstlern im Hinblick auf die Berücksichtigung von Betriebsausgaben befasst. Anlass war ein Fall aus dem Jahr 1993, der dem EUGH vom deutschen Bundesfinanzhof vorgelegt wurde. Ein inländischer Veranstalter wurde auf Steuerhaftung in Anspruch genommen, weil von ihm für durch eine in den Niederlanden ansässige Künstleragentur vermittelte Musikgruppe keine deutsche Abzugsbesteuerung einbehalten und abgeführt wur-de. Der Veranstalter hat geltend gemacht, die Abzugsbesteuerung verstoße gegen die Niederlassungsfreiheit in der EU und das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und den Niederlanden.

Der Bundesfinanzhof hatte dem Gericht sinngemäß folgende Fragen zur Ent-scheidung vorgelegt:

1. Wird gegen die Dienstleistungsfreiheit in der EU verstoßen, wenn ein Vergü-tungsschuldner im Inland in Haftung genommen wird, weil bei einer Vergü-tung an inländische Künstler keine Haftung entstehen würde?

2. Ist die Frage anders zu beantworten, wenn der in der EU ansässige Künstler keine Staatsbürgerschaft eines EU-Staates hat?

3. Wenn die Ausgangsfrage verneint wird,

- gebieten Art 59, 60 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV), dass bereits im Abzugsverfahren Betriebsausgaben, die im wirt-schaftlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit im Inland stehen, mindernd angesetzt werden können?

- reicht es aus, wenn im Steuerabzugsverfahren nur nachgewiesene, unmit-telbar mit dem Auftritt zusammenhängende Betriebsausgaben berücksich-tigt werden können und weitere Aufwendungen nur im Erstattungsverfah-ren geltend gemacht werden können?

- folgt aus Art 59, 60 EGV ein Verstoß, wenn die nach einem DBA zuste-hende Steuerbefreiung nur im Rahmen eines Freistellungs- oder Erstat-tungsverfahrens erreicht wird?

- hängt die Beantwortung dieser Fragen davon ab, ob der Künstler als Ver-gütungsgläubiger EU-Staatsangehöriger ist?

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E1 Die Besteuerung des Künstlers

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E 1.4 S. 4

Der EUGH hat entschieden, dass bezüglich der vorgelegten Rechtsfragen zwar der Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit verletzt sei. Dieses sei jedoch im Hinblick auf die Effizienz der Durchführung der Abzugsbesteuerung gerechtfer-tigt. Das Abzugsverfahren sei ein legitimes Mittel zur Erfassung von Einkünften von Personen mit Wohnsitz außerhalb des betreffenden Mitgliedsstaates. Dies gelte auch für die Haftung des Vergütungsschuldners. Lediglich bei der Berück-sichtigung von Betriebsausgaben im Rahmen der Abzugsbesteuerung hat der EUGH entschieden, dass diese ohne Haftungsnachteile für den Vergütungs-schuldner zu berücksichtigen sind. Eine Anwendung der Dienstleistungsfreiheit auf Dienstleister aus Drittstaaten sei nicht geboten, da die von Art. 49 Abs. 2 EG vorgesehene Harmonisierungsmaßnahe noch nicht erfolgt sei.

Insgesamt hat damit der EUGH das für 1993 geltende System der Besteuerung ausländischer Künstler in Deutschland im Wesentlichen anerkannt. Lediglich in Bezug auf die Höhe der Bemessungsgrundlage für die Abzugssteuer hat das Ge-richt Deutschland Änderungen vorgeschrieben. Offen geblieben ist dagegen die Frage, ob die Folgerungen des Gerichts auch im Hinblick auf die nunmehr geltende Beitreibungsrichtlinie 2001/44/EG5 Bestand haben kann. Diese ist am 15. Juni 2001 durch den Rat verabschiedet worden und ändert die Richtlinie 76/308/EWG6. Durch diese Richtlinie ist die Vollstreckung von Steuerforderungen aus direkten Steuern auch in anderen Mitgliedstaaten ermöglicht worden. Die Mitgliedsstaaten hatten bis zum 30. Juni 2002 Zeit, die Richtlinie in innerstaatliches Recht umzusetzen. Deutschland hat die Richtlinie durch Änderung des Beitreibungsgesetzes - Gesetz zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie ( EGBeitrG) umgesetzt7. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob es zur Durchsetzung von Steuerforderungen noch einer Abzugsbe-steuerung bedarf, wie sie derzeit besteht. Denn es wäre möglich, von einem Künstler in einem anderen EU-Staat die Abgabe einer Steuererklärung für be-schränkt Steuerpflichtige in Deutschland zu verlangen und mit Hilfe des Wohn-sitzstaates des Künstlers auch durchzusetzen. Damit steht die Rechtfertigung für den Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit, nämlich das Erfordernis einer effizien-ten Besteuerungsmöglichkeit, auf dem Prüfstand. Es kann also nicht ausgeschlos-sen werden, dass der EUGH in zukünftigen Entscheidungen für Fälle nach 2001 zu einem anderen Ergebnis käme. Vorstellbar ist aber auch, dass der EUGH ledig-lich eine Gleichstellung in der Weise verlangt, dass ein ausländischer Künstler die Möglichkeit hat, die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs durch die Abgabe einer Steuererklärung als beschränkt Steuerpflichtiger aufzuheben und eine echte Nettobesteuerung zu erreichen.

In diesem Szenario hätte der Künstler die Wahl, ob er es bei einer Abzugsbesteue-rung belässt oder den Aufwand in Kauf nimmt und eine Steuererklärung erstellt, der dann der Überschuss seiner Einnahmen über die Ausgaben aus seinen Auftrit-ten in Deutschland zu Grunde gelegt würde. Ob eine Steuererklärung vorteilhaft ist, hängt sowohl von der Höhe der Einnahmen als auch dem Ausgabenanteil ab. Bei aller berechtigten Kritik an der Abzugssteuer für viele Fallgruppen darf näm-