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Inhaltsverzeichnis
EinleitungA. Schweiz
1. Banken2. StiftungenundTrusts3. Lebensversicherungen
B. Liechtenstein1. Banken2. StiftungenundTrusts3. Lebensversicherungen
C. Österreich1. Banken2. StiftungenundTrusts3. Lebensversicherungen
D. Deutschland1. Banken2. StiftungenundTrusts3. Lebensversicherungen
E. Ergebnisse
Einleitung
Erben sind zur Durchsetzung ihrer Rechte im Nachlass häufig auf Informationen angewiesen, zu welchen sie nur kommen, wenn die (anderen) Erben oder Dritte ihnen aufgrund von Auskunfts-pflichten diese Informationen liefern. Im Folgen-den soll verglichen werden, wie weit die Aus kunfts-pflicht von Banken, Beteiligten an Strukturen (Stiftungen/Trusts) und Lebensversicherungen ge-hen und zwar in der Schweiz, in Liechtenstein, Österreich und Deutschland. Die Ausführungen können nur einen ersten Überblick über die Rechtslage in den vier Ländern geben und wollen zur weiteren Entwicklung dieser Rechte anregen, insbesondere aus einer rechtsvergleichenden Be-trachtung heraus.
A. Schweiz
1. Bankena. Gesetzliche Grundlagena) Die gesetzliche Grundlage für die vertragliche Auskunftspflicht der Banken an die Erben setzt beim Vertrag ein, welchen der Erblasser mit der Bank vor seinem Tod abge schlossen hat. Dies war ein (ir-gendwie gearteter) Auftrag,3 bei welchem der Um-fang der Rechenschaft in Art. 400 OR geregelt ist: «Der Beauftragte ist schuldig, auf Verlangen jeder-zeit über seine Geschäfts füh rung Rechenschaft ab-zulegen und alles, was ihm infolge derselben aus ir-gendeinem Grunde zu ge kommen ist, zu erstatten.» Durch Universalsukzession (Art. 560 ZGB) wird das Auskunftsrecht des Erblassers auf die Erben über-tragen. Im internationalen Verhältnis gilt für die Be-stimmung des anwendbaren Rechts das Vertragssta-tut (Art. 117 IPRG) und für die Zuständigkeit ist das Lugano-Übereinkommen (LugÜ) zu beachten.4
Auskunftspflichten gegenüber Erben1
Hans Rainer Künzle2
1 Ausführliche Fassung eines Vortrags, welchen ich am 7. Februar 2012 bei der Society of Trust and Estate Prac-titioners (STEP) Basel (www.step-ch-fl.com/public/cen-tres/basel/) gehalten habe.
2 Prof. Dr. Hans Rainer Künzle, Rechtsanwalt, Titularpro-fessor für Privatrecht und Privatrechtsvergleichung an der Universität Zürich (www.rwi.uzh.ch/lehreforschung/tp/tit-kuenzle.html), Partner von KENDRIS AG, Wengi-strasse 1, 8026 Zürich 4 (www.kendris.com).
3 Im schweizerischen Recht wird die Bankbeziehung nicht als Ganzes vom Auftragsrecht erfasst, sondern die ein-zelnen Elemente, vgl. cLauDe bretton-cheVaLLier/MégeVanD notter, La banque face aux demandes de renseignements des héritiers – Aspects contractuels, successoraux et de droit international privé, Not@lex 2011, 124: «Le droit suisse ne reconnaît pas la notion de contrat bancaire général, espèce de contrat cadre appli-cable à toute relation entre un client et sa banque.»
4 Vgl. anDreaS SchröDer, Erbrechtliche Informations-ansprüche oder: die Geister, die ich rief …, successio 5 (2011) 189, 193.
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b) Die gesetzliche Grundlage für die erbrechtliche Auskunftspflicht der Banken an die Erben setzt bei der gegenseitigen Auskunftspflicht unter den Er-ben an: Nach Art. 607 Abs. 3 ZGB haben Miterben, «die sich im Besitze von Erb schafts sachen befin-den oder Schuldner des Erblassers sind, … hier-über bei der Teilung ge nauen Aufschluss zu geben». Nach Art. 610 Abs. 2 ZGB haben sie (sc. die Erben) «einan der über ihr Verhältnis zum Erblasser alles mitzuteilen, was für die gleichmässige und ge rechte Verteilung der Erbschaft in Berücksichtigung fällt». Diese Normen werden analog auf Dritte (wie hier
die Banken) übertragen. Im internationalen Ver-hältnis gilt für die Bestimmung des anwendbaren Rechts das Erbstatut (Art. 90 ff. IPRG) und die Zu-ständigkeit bestimmt sich nach Art. 86 ff. IPRG.
b. Praxisa) Die Gerichtspraxis zur Auskunftspflicht der Ban-ken in Bezug auf das Bankkonto machte in der Schweiz eine bemerkenswerte Entwicklung durch, von der Verneinung der Auskunft bis zur umfas-senden Gewährung derselben: 1939 hat die Privat-sphäre eine Auskunft der Bank gegenüber den Er-ben noch verhindert.5 1945 wurde Auskunft gewährt, allerdings beschränkt auf die Zeit seit dem letzten Richtigbefund.6 1963 hat sich das Bundesgericht erstmals für die zeitlich unbeschränkte Auskunft ausgesprochen.7 1991 wurde die Rechtsprechung dahingehend ergänzt, dass auch provisorische Erben ein Auskunftsrecht besitzen.8 2007 hat das Bundes-gericht9 zusammenfassend festgehalten, (1) dass je-der Erbe einzeln Auskunft verlangen könne (E. 2.5), (2) dass Anhaltspunkte zur Begründung genügen (E. 2.6)10, (3) dass der Verweis auf das Bankgeheimnis (Art. 47 BankG) unbehelflich sei (E. 2.6) und (4) dass höchstpersönliche Rechte des Erblassers na-turgemäss unvererblich seien, sodass auch die ent-sprechenden Informationsrechte nicht auf die Er-ben übergehen (E. 2.5). 2010 hat das Handelsgericht Zürich11 klargestellt, (1) dass die Auskunftspflicht der Banken umfassend12 (nicht auf «relevante» In-formationen beschränkt)13 (E. 2.5) und (2) unab-hängig von der Auskunftspflicht anderer Dritter sei (E. 2.5), (3) dass auch bereits erteilte Auskünfte nochmals gegeben werden müssten (Erw. 2.6) und (4) keine Vorauszahlungspflicht bestehe (Erw. 2.8). 2012 wurde schliesslich durch das Bundesgericht14 entschieden, dass auch dar Datenschutz einer Aus-kunft nicht entgegenstehe (interne Aufzeichnun-gen über Kundeninstruk tionen betreffend Börsen-geschäfte). Von diesen Punkten ist insbesondere die Frage, welche Unterlagen ein Erbe der Bank ge-nau vorlegen müsse, um Auskunft zu erhalten, von entscheidender Bedeutung. Im Zivilrecht15 herrscht eine sehr liberale Praxis, indem Anhaltspunkte (wie Unterlagen über die frühere Kontobeziehung oder genaue Angaben über das Konto [z.B. IBAN-Num-mer]) als Grundlage sicher genügen. Ob auch eine voraussetzungs lose Auskunft zu erteilen sei (für eine Negativbescheinigung), ist soweit ersicht lich durch die Rechtsprechung noch nicht entschieden worden. Wichtig ist jedenfalls, dass es keinen Inter-essenachweis für eine Auskunft braucht.16
b) Ein Gemeinschaftskonto (compte-joint) begrün-det gemeinschaftliches Eigentum der Konto-Inha-
5 Vgl. ZBJV 75 (1939) 158.6 Vgl. SJ 67 (1945) 281.7 Vgl. BGE 89 II 93.8 Vgl. ZR 91 (1992) Nr. 64.9 Vgl. BGE 133 III 664 = 5C.8/2007 = SJ 130 (2008) I 98 =
SJZ 103 (2007) 584.10 Vgl. BGE 133 III 664, 668 E. 2.6: Es spielt keine Rolle,
wenn «nicht mit Sicherheit feststeht, ob überhaupt Ein-zahlungen durch den Erblasser erfolgt sind»; es liegt «in der Natur der Sache, dass es im Zusammenhang mit dem Erbgang zu Wissensdefiziten und zum Verlust von Bele-gen über die entsprechenden Vorgänge kommen kann».
11 Vgl. ZR 109 (2010) Nr. 37.12 Ebenso schon ZR 101 (2002) Nr. 26 E. 3.1.13 Vgl. ZR 109 (2010) Nr. 37 E. 2.5: «die Bank hat Fragen
auch dann zu beantworten, wenn sie ihr als belanglos er-scheinen»; vgl. dazu auch Brigitte Hürlimann, Recht im Spiegel der NZZ, NZZ vom 9. September 2009, NZZ 208-51.
14 Vgl. BGer. 4A_688/2011 vom 17. April 2012.15 Davon zu unterscheiden sind die Anforderungen an Aus-
kunftsgesuche im Rahmen von Steuer- und Strafverfah-ren, vgl. dazu etwa aLexanDer M. gLutz, Beschwerde ans Bundesgericht gegen Entscheide des Bundesverwal-tungsgerichts auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen (Art. 84 BGG) – Die materi-elle Abgrenzung von Amts- und Rechtshilfe am aktuel-len Beispiel der strafprozessual unzulässigen amerika-nischen «fishing expeditions» («Gruppenanfragen»), ASA 80 (1911) 713 ff.; FLaVio aMaDò/gioVanni MoLo, Abschaffung des Unterschieds zwischen Abgabebetrug und Steuerhinterziehung bei der Rechtshilfe in Strafsa-chen – Mögliche Konsequenzen für die Amtshilfe im Fi-nanzmarktbereich. Eine kritische Auseinandersetzung, AJP 20 (2011) 1369 ff.; gioVanni MoLo, Die neue Tren-nungslinie bei der Amtshilfe in Steuersachen: Das Verbot der fishing expeditions und die formellen Anforderun-gen an das Gesuch, ASA 80 (2011) 143 ff.; urS r. beh-niSch, Neuere Entwicklungen der internationalen Amts-hilfe im Bereich der direkten Steuern, STH 84 (2010) 165 ff.
16 Vgl. BGer. 5A_638/2009 vom 13. September 2010 E. 3.3.5; anders noch Maurice aubert/jeanne terracina, Res-pon sabilité des banques suisses à l’égard des Héri tiers, SJZ 92 (1996) 139: «Mais il doit rendre plausible que ces renseignements sont nécessaires afin de sauvegarder ses intérêts contre la banque …»
Auskunftspflichten gegenüber Erben
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ber. Beim Tod eines Konto-Inhabers übernehmen dessen Erben materiell seine Stellung, also seinen Anteil (Art. 560 ZGB).17 Für den Fall, dass das Ver-hältnis zwischen den Kontoinhabern nicht näher ge-regelt ist, gelten die gesetzlichen Regeln über das Miteigentum, welche eine hälftige Aufteilung vorse-hen (Art. 646 Abs. 2 ZGB). Eine Regelung, welche der joint tenancy des common law ähnlich ist (the survivor takes it all), gibt es in der Schweiz nicht.18 Diese zivilrechtliche Lage hat zur Folge, dass die Er-ben ein Auskunftsrecht über das (ganze) Gemein-schaftskonto für die Zeit vor dem Tod des KontoInhabers haben.19
c) Grundsätzlich haben die Erben auch in der Zeit nach dem Tod des KontoInhabers Anspruch auf Auskunft gegenüber der Bank, weil der Auftrag seit dem Ableben des Erblassers nun mit den Erben be-steht. Gegen dieses Recht versucht die sog. Erben-ausschlussklausel anzugehen. 2002 und 2006 wurde von zwei kantonalen Gerichten ausgeführt, dass die Erbenausschluss klausel eine Auskunft an die Er-ben nicht verhindern könne20 und nichtig sei, wenn sie die Formvorschriften für letztwillige Verfügun-gen nicht einhalte.21 Das Bezirksgericht Zürich22 hat demgegenüber 2009 eine (form-)gültig verein-barte Erbenausschlussklausel als Hindernis für die Auskunft gegenüber den Erben nach dem Tod des Erblassers angesehen. Diese Ansicht teile ich nicht: Nach Art. 560 ZGB übernehmen die Erben eines Konto-Inhabers bei dessen Tod materiell seine Stel-lung.23 Damit erwerben sie auch seinen Anspruch auf Auskunft. Bei der Erbenausschlussklausel han-delt es sich um eine letztwillige Verfügung des Erb-lassers, mit welcher er über seinen Anteil am Konto (auf den Zeitpunkt des Todes) verfügt, welche aber den Auskunftsanspruch der Erben nicht be-rührt,24 weil der Erblasser darüber gar nicht verfü-gen kann,25 schon gar nicht rückwirkend und voll-ständig.26
d) Im Sinne eines Exkurses sei hier kurz auf das An-waltsgeheimnis eingegangen, welches zu Diskus sio-nen Anlass gegeben hat. Umstritten ist die Frage, inwieweit das Anwaltsgeheimnis eine Auskunft an die Erben verhindere. Zunächst haben sich kanto-nale Gerichte zur Frage geäussert, ob und in wel-chen Fällen der Rechtsanwalt den Erben Auskunft erteilen dürfe, ohne von der Aufsichtsbehörde eine entsprechende Bewilligung zu erhalten. Im Kan-ton Zürich herrscht eine liberale Praxis, indem das Interesse an der Aufklärung eines Tötungsdelikts am Erblasser27, aber auch die gerechte Verteilung der Erbschaft (Geltendmachung der Pflichtteile) Grund für die Aufhebung des Anwaltsgeheimnis-ses ohne Bewilligungspflicht ist.28 Im Kanton Ba-
sel-Stadt besteht keine Bewilligungspflicht, wenn der Anwalt des Erblassers zum Willensvollstrecker berufen wird.29 Restriktiver ist dagegen die Pra-xis im Kanton Neuenburg, wo der Anwalt in jedem Fall eine Bewilligung der Aufsichtsbehörde benö-tigt, um gegenüber den Erben Auskunft erteilen zu dürfen.30 Dann hat das Bundesgericht in BGE 135 III 597 (4A_421/2009) entschieden, dass die Ge-heimhaltungspflicht des Anwalts (Art. 13 BGFA) gegenüber der Rechenschaftspflicht (Art. 400 OR) vorgehe und Anwälte deshalb grundsätzlich eine Bewilligung der Aufsichtsbehörde zur Auskunftser-teilung benötigten.
e) Das Bundesgericht hat 200931 entschieden, dass sich die Zuständigkeit für Auskunftsansprü-che der Erben gegen die Bank im internationa-len Verhältnis nach dem Lugano-Übereinkommen (LugÜ) bestimmt, auch wenn der vertragliche An-
17 Vgl. BGE 94 II 167, 170 ff. E. 4.18 Vgl. DoMiniQue rochat/phiLipp FiScher, Compte-joint
et clause d’exclusion des héritiers: de la difficulté de ser-vir plusieurs maitres, successio 4 (2012) 240 ff.; anders bretton-cheVaLLier/not ter (Fn. 3), Not@lex 2011, 123; geneVièVe brunner, Der Tod des Bankkunden, Zürich 2011, S. 165 f.
19 Vgl. ZR 109 (2010) Nr. 37 E. 2.4: «Zum Umfang der Aus-kunftspflicht ist festzuhalten, dass der Auftraggeber (und damit dessen Erben …) sämtliche Auskünfte verlangen kann, die ihn selber betreffen (ZR 64 [1965] Nr. 136 E. 3). Dies gilt auch beim sog. ‹Compte-joint› …»
20 Vgl. ZR 101 (2002) Nr. 26 E. III/4.2 und BJM 2006, 106.21 Vgl. ZR 101 (2002) Nr. 26 E. III/4.3; allerdings offen ge-
lassen vom Handelsgericht Zürich im Urteil vom 26. Juni 2008, ZBGR 93 (2012) 91 Nr. 6.
22 Vgl. Bezirksgericht Zürich (CG080087/U vom 7. Juli 2009), in: Finanzmarktrecht Entwicklungen 2009, hrsg. v. Andreas Bohrer, Martin Dietrich, Sebastian Harsch, Andreas Ito, Bern 2010, S. 47 f.
23 Vgl. BGE 94 II 167, 170 f. E. 4a.24 Ebenso MatthiaS häuptLi, Kommentar zu Art. 560
ZGB, in: Praxiskommentar Erbrecht, hrsg. v. Daniel Abt und Thomas Weibel, 2. Aufl., Basel 2011 (zit. PraxKomm-häuptLi), Art. 560 ZGB N 19.
25 Ebenso ZR 102 (2002) Nr. 26 E. 4.2 S. 103: «Insoweit die Erbenausschlussklausel das Informationsrecht der Er-ben unterbindet oder auf ein Minimum reduziert, dient sie der Umgehung von erbrechtlichen Vorschriften; sie ist mithin widerrechtlich und damit gemäss Art. 20 Abs. 1 OR nichtig»; bestätigt durch BJM 2006, 106 E. 6.
26 Zur Unzulässigkeit des vollständigen Verzichts auf Re-chenschaft vgl. hinten, Fn. 56.
27 Vgl. ZR 81 (1982) Nr. 38 E. 2.28 Vgl. ZR 53 (1954) Nr. 180 S. 376.29 Vgl. BJM 2002, 280 E. 3b).30 Vgl. RJN 2005, 284, 299 f.31 Vgl. BGE 135 III 185, 191 f. E. 3.4.2; bestätigt in BGer.
4A_249/2009 vom 29. Juli 2009 E. 2.1.
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spruch (Art. 400 Abs. 1 OR) qua Erbrecht (Art. 560 ZGB) erworben werde. Die Gerichtspraxis32 wen-det sodann übereinstimmend das Vertragsstatut an (Art. 117 IPRG).33
f) Abgrenzung: 1974 beurteilte das Bundesgericht34 einen Fall, in welchem der Kontoinhaber nicht der wirtschaftlich Berechtigte war und führte aus, dass der wirtschaftlich Berechtigte keinen vertraglichen Auskunfts-Anspruch habe, welcher vererbt werden könnte. 2002 wurde dieser Grundsatz vom Bundes-gericht35 und 2003 vom Genfer Cour de Justice36 be-stätigt. Etwas anders begründete das Tessiner Tri-bunale d’Apello37 die Ablehnung der Auskunft: Ein grundsätzlich gegebener Anspruch müsse im Sinne einer Interessenabwägung auch den vom Erblasser zum Ausdruck gebrachten Wunsch auf Geheimhal-tung berücksichtigen. 2010 hat das Bundesgericht38 entschieden, dass sich ein Auskunftsrecht von Erben eines an einem Bankkonto (nur) wirtschaftlich Be-rechtigten gegenüber einer Bank nur aus dem Erb-recht ergeben könne,39 weil Vertragsrecht in diesem Fall nicht anwendbar sei.40 Im internationalen Ver-hältnis ist dabei zunächst das anwendbare Erbrecht anhand des Erbstatuts (Art. 90 ff. IPRG) zu bestim-men.41 Nach Art. 88 IPRG ist die Schweiz bei einem ausländischen Erblasser nur dann zuständig, wenn sich Nachlassvermögen in der Schweiz befindet.42 Nun stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt dies der Fall sein muss (im Zeitpunkt des Ablebens des Erblassers oder im Zeitpunkt der Klageeinrei-chung) und wie weit diese Tatsache nachzuweisen ist (Anhaltspunkte oder strikter Beweis). Das Bun-desgericht hat 200843 beide Fragen offen gelassen (E. 4.2), die Zuständigkeit aber bejaht. Da es beim Auskunftsanspruch um eine rückwärtsgerichtete Betrachtung geht (Todeszeitpunkt und Zeitraum davor), sollte m.E. auf den Todeszeitpunkt abge-stellt werden.44 Dies verhindert auch Manipulatio-nen durch einzelne Erben. Ein Glaubhaftmachen von Nachlassvermögen in der Schweiz (Anhalts-punkte) muss (wie beim vertraglichen Anspruch45) sodann genügen,46 weil man nicht beweisen kann, wonach man erst sucht.
c. Doktrina) Die herrschende Lehre betreffend das Aus-kunftsrecht der Erben gegenüber der Bank wurde von MeierHayoz/Forstmoser47 im Jusletter vom 8.9.2003 zusammen gefasst: Das Auskunftsrecht des Erblassers geht auf die Erben über (Art. 560 ZGB), es ist umfassend und reicht zurück bis (mindestens) 10 Jahre vor dem Tod. Geheimhaltungswünsche des Erblassers können die Auskunft der Bank zeit-lich erheblich einschränken, nämlich bis zum letzten
32 Vgl. etwa ZR 109 (2010) Nr. 37 E. 2.1.; Handelsgericht Zürich vom 26. Juni 2008, ZBGR 93 (2012) 91 Nr. 6 E. 3.1.
33 Ebenso bretton-cheVaLLier/notter (Fn. 3), Not@lex 2011, 123.
34 Vgl. BGE 100 II 200, 214 f. E. 9.35 Vgl. BGer. 4C.108/2002 vom 23. Juli 2002 (Panama Ge-
sellschaft): Der wirtschaftlich Berechtigte hat keinen vertraglichen Auskunfts-Anspruch, welcher vererbt wer-den könnte (E. 3caa).
36 Vgl. CdJ GE ACJC 87/2003 vom 30. Januar 2003 E. 3, zit. von carLo LoMbarDini, Ayant droit économique et droit aux renseignements bancaires: deux arrêts de la Cour de Justice de Genève, relevant 2004 Nr. 2 S. 5 f.: Da kein Ver-trag mit der Bank nachgewiesen werden konnte, fehlte es in diesem Fall an einem klaren und unbestrittenen An-spruch, welcher zur Anordnung einer provisorischen Massnahme (Art. 324 der Genfer Zivilprozessordnung) notwendig gewesen wäre.
37 TA TI vom 27. Juni 2002, zit. von LoMbarDini (Fn. 36), re-levant 2004 Nr. 2 S. 2 f.: Ein grundsätzlich gegebener An-spruch ist aufgrund einer Interessenabwägung dann ab-zulehnen, wenn es dem ausdrücklichen Wunsch des Erblassers zuwider lief; statt dessen habe die Bank den Erben die Namen von Treuhändern mitzuteilen, welche Strukturen des Erblassers verwalten.
38 Vgl. BGer. 5A_638/2009 vom 13. September 2010 E. 4.1 und BGer. 4A_421/2009 vom 26. Juli 2010 E. 4.
39 Die Aussage von tarkan gökSu, Informationsrechte der Erben, AJP 21 (2012) 954: «Für Auskunftsansprüche der Erben gegenüber Dritten besteht keine erbrechtliche Rechtsgrundlage», meint wohl, dass es keine ausdrückli-che Grundlage im Gesetz gibt, was richtig ist, weil der Wortlaut von Art. 607 Abs. 2 und Art. 610 Abs. 3 ZGB, welche analog angewendet werden, diesen Fall nicht ab-deckt.
40 Ebenso schon BGer. 5C.126/2005 vom 18. August 2005 E. 6.2; BGer. 4C.108/2002 vom 23. Juli 2002 E. 3c/aa = Pra. 92 (2003) Nr. 51; BGE 100 II 200, 211 f. E. 8; Appel-la tions gerichtshof des Kantons Tessin in: BGer. 5P.40/ 2005 vom 28. Juni 2005, Sachverhalt C.; weiter vgl. bret-ton-cheVaLLier/notter (Fn. 3), Not@lex 2011, 141.
41 Vgl. BGer. 5A_638/2009 vom 13. September 2010 E. 4.1; ebenso schon CdJ GE C/28930/ 2003, DAS/217/05 vom 17.11.2005, SZW 78 (2006) 292, 301; ebenso bretton-cheVaLLier/notter (Fn. 3), Not@lex 2011, 124.
42 Vgl. CdJ GE C/28930/2003, DAS/217/05 vom 17.11.2005, SZW 78 (2006) 292, 301.
43 Vgl. BGer. 5C.291/2006 vom 30. Mai 2008.44 Anders das Obergericht Zürich, vgl. BGer. 5C.291/2006
vom 30. Mai 2008 E. 3.2 und anDreaS SchröDer in sei-nen Anmerkungen zu diesem Entscheid, BGer. 5C_291/ 2006. Urteil des Bundesgerichts vom 30. Mai 2008 (so-wie Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 17. August 2006, Nr. LN060014/U), successio 3 (2009) 302 f.
45 Vgl. vorne, A. 1. b. a).46 Ebenso SchröDer (Fn. 44), successio 3 (2009) 303; anders
aber das Obergericht Zürich im vorinstanzlichen Ent-scheid, vgl. BGer. 5C.291/2006 vom 30. Mai 2008 E. 3.2.
47 Vgl. arthur Meier-hayoz/peter ForStMoSer, Die Aus-kunftsrechte von Erben gegenüber Banken, Jusletter vom 8. September 2003; weiter vgl. etwa Dieter zobL,
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Richtigbefund. Wenn es um Pflichtteile geht, greifen solche Einschränkungen des Erblassers allerdings nicht. Jeder Erbe kann die Auskunft alleine ver-langen. Die Auskunft betrifft auch Gemeinschafts-konti. Das Bankgeheimnis gilt gegenüber den Er-ben nicht. Generell kann gesagt werden, dass die Erben den Anspruch so übernehmen, wie er im Ver-hältnis zum Erblasser bestand.48 Besonders grosszü-gige Regeln gelten für nachrichtenlose Vermögen (wenig bis keine Anhaltspunkte).49
b) Nach eigener Meinung geht das Auskunftsrecht vom Erblasser auf die Erben über (Art. 560 ZGB). Es kann von jedem Erben einzeln geltend gemacht werden, ist umfassend (soweit noch Unterlagen bei der Bank vorhanden sind), voraussetzungslos (es genügen Anhaltspunkte, welche nicht zu beweisen sind, ein Interessenachweis ist ebenso nicht zu er-bringen) und ohne Vorleistungspflicht der Erben. Die Bank muss die Auskunft unabhängig von der Auskunftspflicht Dritter und wiederholt erfüllen. Die Auskunftspflicht gilt auch für Gemeinschafts-konti, sie kann durch eine Erbenausschlussklausel (für die Vergangenheit) nicht eingeschränkt wer-den.50 Einschränkungen des Auskunftsrechts durch den Erblasser sind möglich, soweit es seine Person betrifft,51 nicht aber, soweit es sein Vermögen be-trifft,52 weil dieses nach Art. 560 ZGB von Geset-zes wegen auf die Erben übergeht. So kann der Erb-lasser insbesondere nicht ein Auskunftsrecht, das er selbst in der Vergangenheit gegenüber der Bank be-anspruchte, rückwirkend für die Erben auslöschen. Noch nicht ganz geklärt scheinen mir die Fragen, ob die Erben beliebig Anfragen an Banken stel-len können (bis zur fishing expedition)53 und wel-ches die genaue Rechtsgrundlage dafür ist, dass der Erblasser das Auskunftsrecht der Erben bezüg-lich des Nachlassvermögens nicht (oder mindestens nicht vollständig)54 einschränken kann, ob dies aus dem Erbrecht55 oder aus dem Vertragsrecht hervor-gehe.56 Eine gesetzliche Grundlage fehlt sodann für die Frage, wie sich die Auskunft verlangenden Er-
48 Vgl. SchröDer (Fn. 4), successio 5 (2011) 189, 192.49 Vgl. SchröDer (Fn. 4), successio 5 (2011) 189, 202: «Laut
Breitschmid/Matt erhalten ‹nach Mitteilung aus Schwei-zer Bankkreisen› ausländische Erben sodann Auskunft darüber, ob der Erblasser zur angefragten Bank in einer vertraglichen Beziehung stand. Dabei müsse nicht ein-mal nachgewiesen werden, weshalb ein Konto des Erb-lassers bei der Bank vermutet wird und es könne die An-frage an beliebig viele Banken gerichtet werden.»
50 Ebenso SchröDer (Fn. 4), successio 5 (2011) 189, 192.51 Ebenso SchröDer (Fn. 4), successio 5 (2011) 189, 194:
«Einigkeit herrscht weitgehend, dass bei per se höchst-persönlichen Angelegenheiten kein Übergang der Ge-heimnisherrschaft auf die Erben erfolgt, die Bank also nicht auskunftspflichtig ist.»
52 In diesem Punkt gehe ich weiter als Meier-hayoz/ForSt-MoSer (Fn. 47), Rz. 59; neben den Pflichtteilen ist auch an die Ausgleichung (Art. 626 ZGB) zu denken; diese kann auch von nicht pflichtteilsgeschützten Erben geltend ge-macht werden.
53 Nach gökSu (Fn. 39), AJP 21 (2012) 954, sind fishing ex-peditions «auf dem Weg prozessrechtlicher Informa-tions rechte weder zulässig noch möglich»; nach jean ni-coLaS Druey, Das Informationsrecht des Erben – die Kunst, Einfaches kompliziert zu machen, successio 5 (2011) 183, 187, sind fishing expeditions unzulässig, weil der Informationsanspruch verhältnismässig ausgeübt werden muss; in dem von ihm zitierten BGE 133 III 664 E. 2.6 findet sich dieses Kriterium allerdings nicht; nach SchröDer (Fn. 4), successio 5 (2011) 189, 194, unterste-hen «Informationsgesuche an eine Bank … dem Ausfor-schungsverbot und setzen daher – neben einer in inhalt-licher und zeitlicher Hinsicht möglichst konkreten Frage – die Plausibilität der Anspruchsverfolgung voraus. In Zweifelsfällen hat die Bank die Informationen dem Richter oder, sofern sich die Parteien einig sind, einem unbeteiligten und zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten zu erteilen, der sie dann ‹gefiltert› an die Erben weitergibt.»
54 So SchröDer (Fn. 4), successio 5 (2011) 189, 194: «Wollte der Erblasser seine Angelegenheiten vor seinen Erben geheim halten, findet der Übergang des Rechts auf Ge-heimhaltung grundsätzlich nicht statt, denn der Kunde bestimmt den näheren Inhalt des Rechts. … Diese Frei-heit wird … allerdings durch das zwingende Pflichtteils-recht begrenzt.»
55 Ansatzweise wird diese Problematik bei der Erbenaus-schlussklausel behandelt, vgl. dazu vorne, A. 1. b. c); zobL (Fn. 47), AJP 10 (2001) 1018, bezeichnet Einschränkun-gen der Auskunfts pflicht durch den Erblasser als unzu-lässig, ohne allerdings die angewendete Bestimmung ge-nau anzugeben: «Auffassungen, wonach es dem Erblasser freigestellt sein soll, der Bank die Weisung zu erteilen, bei seinem Tode den Erben Auskünfte mit Bezug auf ver-mögensrechtliche Dispositionen ganz oder teilweise zu verweigern, sind mit der schweizerischen Rechtsordnung unvereinbar.»
56 Nach WaLter FeLLMann, Kommentar zum Schweizeri-schen Privatrecht, Band VI: Das Obligationenrecht, 2. Abteilung: Die einzelnen Vertragsverhältnisse, 4. Teil-band: Art. 394–406 OR, 4. Aufl., Bern 1992, Art. 400 OR N 58, verstösst ein genereller Verzicht auf die Rechen-schaftspflicht gegen die guten Sitten und ist daher nich-
Probleme im Spannungsfeld von Bank-, Erb- und Schuld-recht, AJP 10 (2001) 1007, insbesondere 1016 ff.; benoît chappuiS, L’utilisation de véhicules successoraux dans un contexte international et la lésion de la réserve suc-cessorale – Considérations de droit civil et procédure, SJ 127 (2005) II 37, 54 f.; peter breitSchMiD, Das Bank-konto im Erbgang – Probleme rund um die Vermögens-verwaltung vor und nach dem Tod, successio 1 (2007) 220 ff.; MichaeL haMM/gian anDry tön Dury, Aus-kunftsrechte von Erben gegenüber Schweizer Banken, fast grenzenlose Auskunfts ansprüche, STH 83 (2009) 659 ff.
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ben gegenüber der Bank genau auszuweisen ha-ben.57
c) BGE 135 III 59758, welcher sich mit dem Anwalts-geheimnis auseinandersetzt, wurde in der Literatur durch verschiedene Autoren kritisch kommentiert. Nach Dorjee-Good,59 ist der Entscheid für Anwälte in Ordnung, aber für Erben unbefriedigend, weil die Schranke des Rechtsmissbrauchs nicht erwähnt wurde. Nach Fargnoli60 sind die Erben (als Gesamt-rechtsnachfolger) entgegen der Ansicht des Bun-desgerichts keine Dritten. Nach Breitschmid/Matt61 macht es Sinn, dass sich die Aufsichtsbehörde zur Geheimhaltungsbedürftigkeit äussert.
d) Nach eigener Meinung62 wurde das Bankge-heimnis geschaffen, um Vermögenswerte zu schüt-zen, und das Anwaltsgeheimnis, um persönliche In-
formationen zu schützen. An beiden Orten, sowohl in der Bank als auch in der Anwaltskanzlei, können aber auch die jeweils anderen Güter eine Rolle spie-len. Der Banker soll mit anderen Worten für sich be-halten, dass die Geldempfängerin die Geliebte des Kontoinhabers war und der Anwalt muss offenle-gen, wo sich zusätzliches Nachlassvermögen befin-det. Die Offenlegung soll also nicht nur darauf ab-stellen, wer sie zu leisten hat (ob die Bank oder der Anwalt), sondern vermehrt berücksichtigen, welche Informationen preisgegeben werden (Information über das Vermögen oder die Person). Beim Umgang mit dem Anwaltsgeheimnis wäre eine einheitlichere Praxis der Kantone zu wünschen, zudem sollte das Anwaltsgeheimnis Auskünften über Vermögensbe-stände und -transaktionen nicht im Wege stehen.
e) Das Bundesgericht hat ausgeführt, dass die Aus-kunftspflicht der Bank gegenüber den Erben eines wirtschaftlich Berechtigten nur aus dem Erbrecht hervorgehen könne, ohne aber eine genaue Rechts-grundlage anzugeben.63 In der Lehre werden unter-schiedliche Ansätze vertreten: Nach Genna64 ist es offen, ob solche Ansprüche im schweizerischen Erb-recht überhaupt vorhanden sind, Schröder lehnt sie ab,65 andere Autoren sehen Art. 170 ZGB als mög-liche Grundlage.66 Nicht zu übersehen ist, dass in kantonalen Entscheiden nochmals andere Ansätze verfolgt wurden: So werden zivilprozessrechtli-che Bestimmungen als Grundlage verwendet oder Entscheide auf den Einzelfall gestützt,67 aber auch die Pflichtteile werden als Grundlage angegeben.68
tig; nach SchröDer (Fn. 4), successio 5 (2011) 189, 192, sind die Modalitäten der Informationserteilung «unter Berufung auf den Zweck der Mitteilung und unter Ab-wägung der Interessen der Beteiligten zu konkretisie-ren» und die Geheimhaltungserklärung des Erblassers unterliegt den allgemeinen Schranken von Art. 19 und Art. 20 OR sowie Art. 2 ZGB (194).
57 Vgl. bretton-cheVaLLier/notter (Fn. 3), Not@lex 2011, 133 f.: «Ici encore, aucun texte légal ne répond à cette question et il appartient à chaque établissement financier d’établir des règles en la matière Si la succession est soumise au droit suisse et ouverte dans ce pays, les documents habituellement requis des banques sont le certificat de décès et le certificat d’héritier»; die Banken verlangen regelmässig einen Erbschein (eine Erb be-schei nigung), vgl. SchröDer (Fn. 4), successio 5 (2011) 189, 193.
58 Vgl. vorne, A. 1. b. d).59 Vgl. anDrea Dojee-gooD, Das Anwaltsgeheimnis ist
auch gegenüber den Erben des Klienten zu wahren – BGE 135 III 597, successio 4 (2010) 299, 307.
60 Vgl. ioLe FargnoLi, Bundesgericht, II. zivilrechtliche Abteilung, Urteil vom 15. September 2009 (4A_15/2009), AJP 19 (2010) 380, 383.
61 Vgl. peter breitSchMiD/iSabeL Matt, Informationsan-sprüche der Erben und ihre Durchsetzung – Insbeson-dere Informationsansprüche gegenüber Banken über ihre Geschäftsbeziehung mit dem Erblasser, successio 4 (2010) 85, 106.
62 Vgl. hanS rainer künzLe, Interessenkollision im Erb-recht: Willensvollstrecker, Notar, Anwalt, SJZ 108 (2012) 1, 4.
63 Vgl. vorne, A. 1. b. f); bretton-cheVaLLier/notter (Fn. 3), Not@lex 2011, 141 f.
64 Vgl. gian SanDro genna, Bundesgerichtliche Wider-sprüchlichkeiten zum Informationsanspruch im Erb-recht?, successio 5 (2011) 203, 206.
65 Vgl. SchröDer (Fn. 4), successio 5 (2011) 189, 200: «Rich-tigerweise ist die Frage zu verneinen: Wenn ein Aus-kunftsrecht des wirtschaftlich Berechtigten verneint
wird, gilt dies auch für die Erben, können diese im Rah-men der Universalsukzession doch nicht Rechte erwor-ben haben, die dem Erblasser selbst nicht zugestanden sind.»
66 Vgl. etwa chappuiS (Fn. 47), SJ 127 (2005) II 37, 60; guy StaniSLaS, Ayant droit économique et droit civil: le de-voir de renseignements de la banque, SJ 121 (1999) II 413, 443; anders noch aubert/terracina (Fn. 16), SJZ 92 (1996) 141: Prüfung von Art. 401 OR und Ablehnung der Auskunftspflicht, weil der Bank die genaue Art der Be-rechtigung nicht bekannt sei.
67 Cour de Justice Genève (CdJ GE) ACJ 1382/1998 vom 11. Dezember 1998 in der Sache C/8736/1997 (nicht pu-bliziert), zit. von StaniSLaS (Fn. 66), SJ 121 (1999) II 413, 443; CdJ GE ACJC 318/2003 vom 20. März 2003, SZW 76 (2004) 334 r47 = Journée 2004 de droit bancaire et financier, S. 97–107; CdJ GE ACJC 146/2006 vom 16. Feb-ruar 2006, SZW 79 (2007) 322 = www.com mer cial arbitra-tion.ch.
68 CdJ GE ACJC 895/2003 vom 10. September 2003 E. 4c, zit. von LoMbarDini (Fn. 36), relevant 2004 Nr. 2 S. 13: «il en resulte qu’en leur qualité d’héritiers réservataires, AS, veuve R, GU R et D R sont ainsi légitimés à obtenir de l’intimée tous les renseignements et documents qu’ils
Auskunftspflichten gegenüber Erben
262 successio 4/12
§
Nach Bretton-Chevalier/Notter ist die Rechtsstel-lung des wirtschaftlich Berechtigten jedenfalls noch weiter zu klären: «Le statut et les droits des héri-tiers de l’ayant droit économique d’un compte res-tent encore à clarifier en droit suisse.»69 Angesichts dieser Unsicherheiten haben die Banken jeweils eigene Vorgehensweisen entwickelt, welche das Bankgeheimnis wahren. Die einen nehmen Kontakt mit den Strukturen auf und ersuchen deren Organe, die Erben des wirtschaftlich Berechtigten direkt zu kontaktieren, andere wiederum weisen die Erben an einen Treuhänder mit dem Hinweis, dieser könne ihnen antworten.70
f) Nach eigener Meinung ist ein Auskunftsrecht erb-rechtlicher Natur immer dann gegeben, wenn die Erben (von Gesetzes wegen oder durch letztwillige Verfügung) einen erbrechtlichen Anspruch haben, welchen sie nur durchsetzen können, wenn man Ih-nen gegenüber anderen Erben (Art. 607 Abs. 3 und Art. 610 Abs. 2 ZGB) oder gegenüber Dritten (ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage)71 einen Aus-kunftsanspruch gewährt. Ein typisches Beispiel sind die Pflichtteilserben, welche ihre Rechte mit der Herabsetzungsklage (Art. 527 ZGB) geltend ma-chen müssen und unentgeltliche Vermögenstrans-aktionen (Schenkungen) verfolgen, bei denen der Gesetzgeber kein ausdrückliches Auskunftsrecht für die Erben vorgesehen hat. Ähnliche Auskunfts-rechte gibt es etwa im Zusammenhang mit der Aus-gleichung (Art. 626 ZGB) und der Erbschaftsklage (Art. 598 ZGB), sind aber bei weiteren erbrechtli-chen Klagen/Ansprüchen denkbar. In allen diesen Fällen bleibt nichts anderes übrig, als Art. 607 Abs. 3 und Art. 610 Abs. 2 ZGB analog anzuwenden.
g) Auch im internationalen Verhältnis ist für die Be-ziehung zwischen der Bank und dem Erblasser «ge-stützt auf die in den AGB erfolgte Rechtswahl»72 regelmässig schweizerisches Recht und damit (zu-mindest ergänzend) das Auftragsrecht (Art. 400 OR) anwendbar.
h) Der Nacherbe hat vor Eintreten des Nacherbfalls keine Auskunftsrechte gegenüber der Bank. In die-ser Phase beschränken sich seine Auskunftsrechte auf das Verhältnis zum Vorerben.73 Nach Eintritt des Nacherbfalls ist der Nacherbe vollwertiger Erbe und seine Auskunftsrechte entsprechen denjenigen eines (gewöhnlichen) Erben.74
2. Stiftungen und Trustsa. Gesetzliche Grundlagena) Die gesetzliche Grundlage für die vertragliche Auskunft der Bank an die Erben über Überweisun-
gen des Erblassers in eine Struktur (Stiftung/Trust), also Schenkungen/Zuwendungen, ist Art. 400 OR i.V.m. Art. 560 ZGB. Während beim Bankkonto75 ein Dauerschuldverhältnis vorliegt, handelt es sich hier um einen Einzelauftrag. Fragen kann man sich, ob die gleiche gesetzliche Grundlage auch für Bar-einzahlungen in eine Struktur gilt. Im internatio-nalen Verhältnis gilt das Vertragsstatut (Art. 117 IPRG) und für die Zuständigkeit ist das Lugano-Übereinkommen (LugÜ) zu beachten.76
b) Die gesetzliche Grundlage für die erbrechtliche Auskunftspflicht der Struktur (Stiftung/Trust) an die Erben setzt bei der (erbrechtlichen)77 Anfechtung von Verfügungen unter Lebenden (Schenkungen/Zuwendungen) an eine Struktur ein, welche etwa in Art. 527 ZGB und Art. 598 ZGB geregelt sind.78 Um diese Rechte durchsetzen zu können, benöti-gen die Erben Auskunft von den Strukturen, wel-che in Analogie zu Art. 607 Abs. 3 und Art. 610 Abs. 2 ZGB (Auskünfte unter den Erben) gebil-
demandent aux fins de déterminer dans quelle mesure leur réserve héréditaire a été lésée et entreprendre, si nécessaire, toute démarche en vue de sa reconstitution, soit … les renseignements relatifs à la constitution et au fonctionnement des sociétés F et L, et éventuelles autres dont feu GO R était ayant droit économique» (Her vor-hebung vom Verfasser).
69 bretton-cheVaLLier/notter (Fn. 3), Not@lex 2011, 143; ebenso Luc théVenoz/Dieter zobL, Das schweizerische Bankprivatrecht 2005–2006 Le droit bancaire privé suisse 2005–2006, SZW 78 (2006) 293: «Ein sauberes dogmati-sches Konzept, welches Auskunftsrechte an die Erben des wirtschaftlich Berechtigten (oder auch an den wirtschaft-lich Berechtigten selber) im Verhältnis zum Bankgeheim-nis zu rechtfertigen vermag, fehlt aber bis heute.»
70 Vgl. bretton-cheVaLLier/notter (Fn. 3), Not@lex 2011, 143.
71 In diesem Fall werden Art. 607 Abs. 3 und Art. 610 Abs. 2 ZGB analog angewendet; vgl. dazu auch hinten, A.2.a.b) (analoge Anwendung bei Strukturen) und A.3.a.b) (ana-loge Anwendung bei der Lebensversicherung).
72 SchröDer (Fn. 4), successio 5 (2011) 189, 191.73 Vgl. gökSu (Fn. 39), AJP 21 (2012) 953, 956: «Keine Er-
benstellung haben und daher nicht anspruchsberechtigt sind dagegen Nacherben, solange der Nacherbfall nicht eingetreten ist (Art. 492 ZGB) …»
74 Vgl. SchröDer (Fn. 4), successio 5 (2011) 189, 196: «Nach-erben sind ab dem Zeitpunkt des Nacherbfalls informa-tions berechtigt.»
75 Vgl. dazu vorne, A. 1.76 Vgl. SchröDer (Fn. 4), successio 5 (2011) 189, 193.77 Neben der erbrechtlichen Anfechtung gibt es zum Bei-
spiel auch die güterrechtliche Anfechtung nach Art. 220 ZGB.
78 Weitere erbrechtliche Ansprüche (vgl. dazu vorne, A. 1. c. f]) sind denkbar, werden aber hier nicht behandelt.
successio 4/12 263
det wird.79 Das anwendbare (schweizerische oder ausländische) Erbrecht wird nach dem Erbstatut (Art. 90 ff. IPRG) bestimmt und die Zuständigkeit bestimmt sich nach Art. 86 ff. IPRG. Wenn nicht nur Zuwendungen, sondern eine Struktur als sol-che angefochten wird, bestimmt sich das anwend-bare Erbrecht nach dem Kollisionsrecht des jewei-ligen Forums (für trusts: Art. 15 lit. c HTÜ80).
c) Das schweizerische Stiftungsrecht kennt keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für das Auskunftsrecht des Stifters bzw. der Begünstigten gegenüber der Stiftung, dieses ist aber dennoch aner-kannt.81 Das anwendbare Stiftungsrecht richtet sich nach dem Gesellschaftsstatut (Art. 150 IPRG).
d) Die gesetzliche Grundlage für das Auskunfts-recht des Settlor bzw. Begünstigten gegenüber dem Trustee bestimmt sich nach dem (lokalen) Trust-Recht.82 Das anwendbare Trustrecht richtet sich nach dem Truststatut (Art. 149c IPRG).
b. Praxisa) Schenkungen/Zuwendungen: 1963 erklärte das Bundesgericht,83 dass im Falle einer Schenkung auf den Todesfall (Sparheft auf den Namen eines Drit-ten unter Vorbehalt der Verfügung zu Lebzeiten) die Erben Auskunft erhalten und das Bankgeheim-nis dem nicht entgegenstehe. 2005 hielt das Bundes-gericht84 fest, dass Art. 170 ZGB keine genügende gesetzliche Grundlage für die Ehefrau sei, um nach dem Tod des Ehemannes Auskunft über seine leb-zeitigen Verfügungen zu erhalten.85 2007 gewährte das Bundesgericht86 den Erben Auskunft bei ei-ner Bareinzahlung in eine Struktur und führte zur Stellung der Bank aus: Wenn der Kontoinhaber aus freien Stücken Geld in eine liechtensteinische Stif-tung verschiebt, «ist die Bank nicht Gehilfin des Kontoinhabers», vielmehr verwendet sie «das Geld gemäss dessen Weisungen». Die Bank ist also nicht nur eine Zahlstelle, sondern hat eine vertragliche Verpflichtung übernommen, die vererbt werden kann. Giovanoli87 berichtet von einem Fall der Cour de Justice de Genève, in welchem die Bank einem Pflichtteilserben Auskunft über Einzahlungen in einen Trust geben musste, sowie von einem Fall, in welchem dem Nicht-Pflichtteilserben dieses Recht verwehrt wurde.
b) Stiftungen: 1964 führte das Bundesgericht88 aus, pflichtteilsverletzende Zuwendungen an Stiftungen könnten angefochten werden (Art. 527 ZGB). Über die ihnen bekannten Zuwendungen an die Stiftung haben sich die Erben gegenseitig Auskunft zu ge-ben (Art. 607 Abs. 3 und Art. 610 Abs. 2 ZGB) und ebenso der Willensvollstrecker (i.V.m. Art. 517 f. ZGB) und gleichzeitige Stiftungsrat. 2005 wurde ein Auskunftsrecht des Erben eines wirtschaftlich Be-rechtigten an einer liechtensteinischen Stiftung ge-stützt auf Art. 400 Abs. 1 OR verneint, soweit keine Simulation vorliegt.89 2006 stellt des Bundesgericht90 fest, dass im Zusammenhang mit einer Erbschafts-klage (Art. 598 ZGB) gegen eine liechtensteinische Anstalt auf Herausgabe von Kunstwerken (E. 3.5) auch Auskunftsansprüche gegen Dritte vorhanden sein können (E. 4).91 Dabei stützte das Bundesge-richt den Auskunftsanspruch analog auf Art. 607 Abs. 3 und Art. 610 Abs. 2 ZGB. 2010 hat das Bun-desgericht92 entschieden, dass der an liechtensteini-schen Strukturen (Stiftungen/Anstalten) oder an-gelsächsischen Trusts wirtschaftlich Berechtigte keine Vertragsbeziehung mit diesen Vehikeln un-terhält, welche vererbt werden könnten (E. 4). Ein Auskunftsrecht könne sich deshalb nur aus dem (ausländischen) Erbrecht ergeben (E. 5.2).
c) Trusts: 2003 hat das Bundesgericht93 entschieden, dass der amtliche Erbschaftsliquidator keine ho-
79 Vgl. etwa breitSchMiD/Matt (Fn. 61), successio 4 (2010) 85, 100; kritisch dazu SchröDer (Fn. 4), successio 5 (2011) 189, 192.
80 Vgl. Übereinkommen vom 1. Juli 1985 über das auf Trusts anzuwendende Recht und über ihre Anerkennung (SR 0.221.371).
81 Vgl. dazu hinten, A. 2. b. c).82 Ein schweizerisches Trust-Recht gibt es nicht.83 Vgl. BGE 89 II 87, 93 f. E. 6.84 Vgl. BGer. 5C.276/2005 vom 14. Februar 2006 E. 2.85 Anders gökSu (Fn. 39), AJP 21 (2012) 957.86 Vgl. BGE 133 III 664, 668 E. 2.6; vgl. dazu auch MarkuS
FeLber, Recht im Spiegel der NZZ, NZZ vom 11. Okto-ber 2007, NZZ 236-21.
87 Vgl. Mario gioVanoLi, Aspects successoraux, in: Journée 2006 de droit bancaire et financier, hrsg. v. Christian Bo-vet und Luc Thévenot, Zürich 2007, S. 142 f.
88 Vgl. BGE 90 II 365 (Crisanus Familien-Stiftung).89 Vgl. BGer. 5P.40/2005 vom 28. Juni 2005 (Vorinstanz: TA
TI vom 1. Dezember 2004, RCP 2005, 325).90 Vgl. BGE 132 III 677 = 5C.261/2005.91 Vgl. auch peter breitSchMiD, Entwicklungen im Erb-
recht, SJZ 103 (2007) 119: «BGE 132 III 677 signalisiert auskunftsscheuen ausländischen Konstrukten, dass sie mittels der Erbschaftsklage auskunftsrechtlich nach Art. 86 IPRG vor schweizerischen Gerichten umfassend belangt werden können wenn auch möglicherweise zu Unrecht nicht im summarischen Verfahren: dazu ein kan-tonaler Entscheid aus Genf.»
92 Vgl. BGE 136 III 461 = 4A_421/2009.93 Vgl. BGE 130 III 97 = 5P.302/2003 = ZBGR 85 (2004)
352.
Auskunftspflichten gegenüber Erben
264 successio 4/12
§
heitlichen Befugnisse habe, um (für die Erben) Aus-künfte von Dritten (A. Trust Ltd.) einzuholen. 2006 hat sich der Cour de Justice de Genève94 mit einem Trust befasst, welcher in einem Erbfall unter der Anwendung französischen Erbrechts zu beurteilen war. Der Auskunftsanspruch des Erben des Settlors und gleichzeitig Begünstigten eines Trusts wurde abgelehnt, weil der Antragsteller (nach französi-schem Erbrecht) kein Pflichtteilserbe und weil der Anspruch auf eine vorsorgliche Massnahme nicht liquid war (der im Verfahren notwendige Zeugen-beweis steht bei vorsorglichen Massnahmen nicht zur Verfügung). 2010 entschied das Bundesgericht,95 dass der amtliche Erbschaftsliquidator das Recht hat, von Dritten Auskünfte über die finanzielle Lage des Erblassers zu verlangen. Auskunft geben muss insbesondere der Anwalt, welcher einen Trust für Rechnung des Verstorbenen errichtet hat (Mandat); der Anwalt kann sich nicht auf sein Berufsgeheim-nis berufen. Nach Schröder würde dieses Auskunfts-recht auch den Erben zustehen.96
c. Doktrina) BGE 133 III 66497 (Bareinzahlung) ist auf Kri-tik gestossen: So bemerken Borer/Dietrich/Forlin/Harsch/Ito/Spiegel zu dieser Entscheidung,98 dass nur der Kontoinhaber ein Vertragsverhältnis mit der Bank unterhält, nicht aber der Einzahlende. Nach Schröder99 ist (ebenfalls) kein Vertragsverhältnis mit der Bank ersichtlich; er ist der Ansicht, die Er-ben sollten sich primär an die Stiftung wenden, bei unbekannten Dritten könne man einen Auskunfts-vertrag «kon stru ieren» oder in Analogie zu Art. 170 ZGB oder Art. 16 PartG «vorgehen».100
b) Giovanoli101 bemerkt, dass eine vertragliche Be-ziehung (in welche alle Erben – auch die nicht pflichtteilsberechtigten – eintreten können), nicht nur wie geschildert im Rahmen einer Einzahlung der Bank an eine Struktur, sondern auch im Rah-men eines Auftrags zur Errichtung einer Struktur (Stiftung/Trust) erfolgen könne (Mandat).
c) Noseda beschreibt die Auskunftsrechte der Be-günstigten, welche im Einzelnen dem jeweiligen Trust-Recht unterstehen, allgemein wie folgt: «Der Begünstigte besitzt ein Recht auf Information ge-genüber dem Trustee (mit gewissen Ausnahmen und Beschränkungen).»102 Das Auskunftsrecht wird teil-weise mit dem Eigentumsrecht103 und teilweise mit dem Aufsichtsrecht des Begünstigten104 begründet. Der Begünstigte darf die allgemeinen Urkunden einsehen und erhält davon auch eine Kopie. Dazu gehören etwa die Trusturkunde (trust deed) und Urkunden über Ernennung und Abberufung des
Trustees, Protokolle von Trustee-Sitzungen (wobei Abschnitte über die Ausübung der dispositive pow-ers abgedeckt werden dürfen), Rechtsberatungen, Buchhaltung und Belege und Unterlagen über die Anlage des Trustvermögens. Nicht gezeigt werden müssen Unterlagen, welche die Ausübung der dis-positive powers betreffen, insbesondere die letter of wishes.105 Baddeley führt aus, dass Auskunftsbe-gehren von Erben im Ausland «nicht immer statt-gegeben wird, um die einheimische Trustindustrie zu schützen».106 Dagegen können sich Trustees oder Protectors in der Schweiz der Auskunftspflicht nicht entziehen, selbst wenn sie Träger eines Berufsge-heimnisses (wie Rechtsanwälte) sind.107
d) Nach Chapuis108 haben nur Pflichtteilserben einen Anspruch auf Auskunft und dieser ist auf-grund einer Interessenabwägung zu gewähren bzw. einzu schränken: «Il ressort toutefois de manière unanime que ce droit n’est reconnu qu’aux héritiers réservataires et qu’il est soumis à une pesée d’intérêts entre le secret bancaire dont le véhicule successoral, détenteur du compte, peut se prévaloir et le droit des héritiers réservataires à faire valoir leurs droits successoraux.» Das anwendbare Erbrecht bestimmt sich nach den Kollisionsregeln des Internationalen
94 Vgl. Cour de Justice GE ACJC/146/2006 vom 16.02.2006, SZW 79 (2007) 322.
95 Vgl. BGer. 5A_620/2007 vom 7. Januar 2010 = ZBGR 93 (2011) 57 Nr. 9.
96 Vgl. SchröDer (Fn. 4), successio 5 (2011) 189, 200 f.97 Vgl. vorne, A. 2. b. a). 98 Vgl. anDreaS borer/Martin Dietrich/chriStine For-
Lin/SebaStian harSch/anDreaS ito/Dirk SpiegeL, Fi-nanzmarktrecht – Entwicklungen 2007, Bern 2008, S. 97.
99 Vgl. anDreaS SchröDer, BGE 133 III 664. Urteil des Bundesgerichts 5C.8/2007 vom 10. September 2007, suc-cessio 3 (2008) 225 ff.
100 Vgl. auch SchröDer (Fn. 4), successio 5 (2011) 189, 201 f.101 Vgl. gioVanoLi (Fn. 87), S. 143.102 FiLipo noSeDa, Praktische Auswirkungen des Haager
Trust Übereinkommens für den Schweizer Trustee, Pro-tector, Trust Administrator und Investment Advisor, AJP 15 (2006) 482, 485.
103 Vgl. Re Londonderry’s Settlement (1965) Ch 918.104 Vgl. Rabaiotti’s Settlement (2000) JLR 173; Schmidt v
Rosewood Trust Ltd (2003) UKPC 25.105 Vgl. Re Londonderry’s Settlement (1965) Ch 918;
Rabaiotti’s Settlement (2000) JLR 173, para. 53; Schmidt v Rosewood Trust Ltd (2003) UKPC 25.
106 Margareta baDDeLey, Vermögensübertragungen an Trusts und schweizerisches Eherecht, FamPra. 2011, 302, 304.
107 Vgl. baDDeLey (Fn. 106), FamPra. 2011, 302, 314; StaniS-LaS (Fn. 66), SJ 121 (1999) II 413, 434 f.
108 Vgl. chappuiS (Fn. 47), SJ 127 (2005) II 37, 55 f.
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Privatrechts, welches mit dem auf die Struktur an-wendbaren Recht nicht identisch sein muss (Bei-spiel: Anwendung französischen Erbrechts auf eine Stiftung nach liechtensteinischem Recht).109
e) Nach Thévenoz110 ist das Auskunftsrecht der Er-ben im Zusammenhang mit einer Herabsetzungs-klage gegen einen Trust wenig ausgebildet. Er schlägt deshalb vor, dieses Recht in einem neuen Art. 533a ZGB111 zu fassen. Weingart112 hat neuerdings einen ähnlichen Vorschlag113 gemacht.
f) Nach eigener Meinung gewährt das Erbrecht den Erben direkte Ansprüche gegenüber Dritten, etwa mit der Herabsetzungsklage nach Art. 527 ZGB oder dem Herausgabeanspruch nach Art. 598 ZGB.114 In Verbindung mit solchen erbrechtlichen Ansprüchen können die Erben auch Auskunftsansprüche gegen
eine Stiftung oder einen Trustee geltend machen, wel-che sich mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage auf die analoge Anwendung von Art. 607 Abs. 3 und Art. 610 Abs. 2 ZGB stützen.115 Das Erb-statut bestimmt das anwendbare Erbrecht.
Das Stiftungs- und Trustrecht gewähren den Be-günstigten Auskunftsansprüche, nicht aber den Erben von Begünstigten oder Stiftern. Das Ge-sellschaftsstatut bzw. Truststatut bestimmen das an-wendbare Stiftungs- und Trustrecht, welches die genaue Ausgestaltung des Auskunftsrechts des Be-günstigten bestimmt.
Das Vertragsrecht kann den Erben (Universal-sukzession) in gewissen Fällen, in denen im Zusam-menhang mit der Einrichtung einer Struktur oder bei Zuwendungen an sie (Banktransaktion, Barein-lage?) vertragliche Ansprüche (Mandat) entstanden sind, ein Auskunftsrecht gewähren. Das Vertragssta-tut bestimmt das anwendbare Vertragsrecht.
3. Lebensversicherungena. Gesetzliche Grundlagea) Die gesetzliche Grundlage für die vertragliche Auskunftspflicht der Lebensversicherung an die Erben befindet sich im Versicherungsvertrag (Art. 3 und Art. 43 VVG) und der Universalsukzession (Art. 560 ZGB). Im internationalen Verhältnis gilt das Ver-tragsstatut (Art. 117 IPRG) und für die Zuständig-keit ist das Lugano-Übereinkommen (LugÜ) zu be-achten.
b) Die gesetzliche Grundlage für die erbrechtliche Auskunftspflicht der Begünstigten einer Lebensversicherung an die Erben setzt bei der Herabset-zungsklage (Art. 527 ZGB) ein. Diese kommt zur Anwendung, weil der Rückkaufswert einer Le-bensversicherung nach Art. 476 und Art. 529 ZGB im Nachlass anzurechnen ist (die Pflichtteilberech-nungsmasse erhöht). Der Auskunftsanspruch der Er-ben gegenüber den Begünstigten stützt sich (analog) auf Art. 607 Abs. 3 und Art. 610 Abs. 2 ZGB. Soweit erbrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden, richtet sich das anwendbare Recht im internationa-len Verhältnis nach dem Erbstatut (Art. 90 ff. IPRG) und die Zuständigkeit nach Art. 86 ff. IPRG.
b. Rechtsprechunga) 2007 hat sich das Bundesgericht116 mit der Ver-erbung des Versicherungsvertrags117 beschäftigt und festgestellt, dass das Recht, die Begünstigung zu wi-derrufen, nicht vererblich sei, sofern der Tod des Versicherungsnehmers nicht das versicherte Ereig-nis einer Lebensversicherung sei. Zur Vererbung des Auskunftsrechts äussert sich das Bundesgericht
109 Vgl. chappuiS (Fn. 47), SJ 127 (2005) II 37, 60 f.: «Or la loi applicable à la succession ne coïncide pas forcément avec celle applicable au véhicule successoral dans la mesure où ces deux lois sont désignées par des règles de rat-tache ment différentes. Il faut examiner quelle est la perception du véhicule successoral par le droit applicable à la succession afin de déterminer si les biens détenus par le véhicule sont de nature successorale.»
110 Vgl. Luc théVenoz, Trusts en Suisse/Trusts in Switzer-land, Zürich 2001, S. 57 ff.
111 Vgl. théVenoz (Fn. 110), S. 342: «Macht ein pflichtteils-berechtigter Erbe Tatsachen glaubhaft, die eine Herab-setzungsklage gegen einen … Trustee oder Begünstigten eines … Trusts begründen könnten, kann der Richter den … Trustee sowie die Begünstigten oder Verwahrer der betreffenden Vermögenswerte verpflichten, die er-forderlichen Auskünfte zu erteilen und die notwendigen Urkunden vorzulegen.»
112 Vgl. cLauDio Weingart, Anerkennung von Trusts und trustrechtlichen Entscheidungen im internationalen Ver-hältnis – unter besonderer Berücksichtigung schweizeri-schen Erb- und Familienrechts, Zürich 2010, N 233 ff.
113 Vgl. Weingart (Fn. 112), N 297: «Sofern pflichtteils-geschützte Erben eine Verletzung ihres Pflichtteilsan-spruchs glaubhaft machen können, kann das Gericht Drittpersonen, wie z.B. Treuhänder, Begünstigte, Banken und Vermögensverwalter, zur Herausgabe von Informa-tionen und Beweisen verpflichten, die zur Feststellung des Pflichtteilsrechts notwendig sind.»
114 Zu weiteren erbrechtlichen Ansprüchen vgl. vorne, A. 1. c. f).
115 Ebenso pauL eiteL/SiLVia brauchLi, Trusts im Anwen-dungsbereich des schweizerischen Erbrechts, successio 6 (2012) 116, 146.
116 Vgl. BGE 133 III 669 E. 4.117 Vgl. dazu etwa FeLix rajoWer, Die Einforderung der
Versicherungsprämien nach VVG, AJP 11 (2002) 500, 502: «Für den Versicherungsnehmer treten dessen Rechts-nachfolger in die Prämienzahlungspflicht ein, so dessen Erben (Art. 560 Abs. 2 und 603 Abs. 1 ZGB).»
Auskunftspflichten gegenüber Erben
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§
weder in diesem Entscheid noch im hinten118 er-wähnten BGE 131 III 646.
b) 2005 hat das Bundesgericht119 festgehalten, dass derjenige, welcher sich auf den Pflichtteil beruft, ge-gen den aus der Lebensversicherung Begünstigten vorzugehen habe und nicht gegen die Versicherung.
c. Doktrina) Breitschmid120 erwähnt einen neueren Entscheid des OLG Saarbrücken, in welchem das Gericht «… den Lebensversicherer zur Auskunft über Be-zugsrechte gegenüber dem Nachlassinsolvenzver-walter verpflichtet …»121 und er bemerkt, dass sich eine parallele Praxis auch in der Schweiz entwickeln könnte.
b) Nach eigener Meinung richtet sich der (geerbte) vertragliche AuskunftsAnspruch der Erben gegen die Lebensversicherung nach dem Versicherungs-vertrag, ähnlich wie sich der (geerbte) vertragliche Anspruch bei der Bank sich nach dem Auftragsrecht (Art. 400 OR)122 richtet. Dieses Auskunftsrecht ist allerdings noch wenig ausgebildet und es muss noch genauer erarbeitet werden, welche Bestimmungen des VVG dieses Recht enthalten.
Der erbrechtliche AuskunftsAnspruch der Erben gegen den Begünstigten einer Lebensversicherung stützt sich auf den Pflichtteil (Art. 527 ZGB) und (analog) die erbrechtliche Auskunftspflicht (Art. 607 Abs. 3 und Art. 610 Abs. 2 ZGB). Diese ist in der Lehre und Rechtsprechung anerkannt.
B. Liechtenstein
Während bei der Darstellung der Rechtslage in der Schweiz123 versucht wurde, ein umfassendes Bild zu zeichnen, muss es bei den rechtsvergleichenden Hinweisen auf die benachbarten Länder bei Aus-schnitten bleiben.
1. Bankena. Gesetzliche Grundlagena) In Liechtenstein durchläuft der Nachlass ein Ver-lassenschaftsverfahren, welches stark an die anglo-amerikanische Probate Procedure erinnert und auf den 1. Januar 2011 neu geregelt wurde. Das Verlassenschaftsgericht kann Auskunft von den Banken verlangen. Die Todesfallaufnahme erfolgt durch die Gemeinde im Auftrag des Verlassenschaftsgerichts (Art. 145 Abs. 2 lit. b Außerstreitgesetz [FL Auß-StrG])124 Art. 146 Abs. 2 FL AußStrG umschreibt die Auskunftspflicht der Bank wie folgt: «Banken …
sind verpflichtet, bei Nachweis des Vorhandenseins einer Geschäftsbeziehung den Vermögensbestand ei-nes Verstorbenen auf entsprechenden Beschluss des Gerichtes diesem bekannt zu geben; die so erlang-ten Zahlen dürfen ausschliesslich für das Verlassen-schaftsverfahren verwendet werden». Dieses direkte Auskunftsrecht war unter dem bis 2010 geltenden § 1 Verlassenschaftsinstruktion (VerlI) umstritten.
b) Die Erben erwerben das Eigentum am Nachlass erst mit der sog. Einantwortung (§ 797 FL ABGB).125 Danach haben sie in etwa die gleiche Rechtsstel-lung wie die Erben in der Schweiz und können von einer Bank, bei welcher der Erblasser ein Konto be-sass, gestützt auf den Vertrag mit der Bank (§§ 1009 und 1012 FL ABGB) umfassend Auskunft verlan-gen. Es stellt sich die Frage, ob die Erben schon zuvor ein Auskunftsrecht haben, ob schon nach dem Erb-fall oder allenfalls nach der Erbserklärung (§ 799 FL ABGB/Annahme der Erbschaft).
c) Das Bankgeheimnis ist in Art. 14 FL BankG126 ge-regelt. Es wirkt nicht gegenüber den Erben des Bank-kunden oder dem Verlassenschaftsgericht und behin-dert deren Auskunftsrecht somit nicht.
b. Praxisa) Noch unter dem alten Recht (VerlI) hat der FL OGH127 1989128 die Auskunftspflicht der Bank im Verlassenschaftsverfahren wie folgt begründet: «Wenn schon eine Auskunftspflicht der Bank ge-genüber dem Gericht im Interesse dritter Perso-nen, wie etwa betreibender Parteien oder Siche-rungswerber im Rahmen der Bestimmungen des
118 Vgl. A. 3. b. b).119 Vgl. BGE 131 III 646 E. 2.3.120 Vgl. peter breitSchMiD, Ehe- und erbrechtliche Planung
an den Schnittstellen zu BVG, VVG und Sozialversiche-rung, insbesondere in Patchworksituationen, successio 4 (2010) 259 ff.
121 breitSchMiD (Fn. 120), successio 4 (2010) 265 Fn. 21.122 Vgl. vorne, A. 1. a. b).123 Vgl. vorne, A.124 G vom 25. November 2010 über das gerichtliche Verfah-
ren in Rechtsangelegenheiten ausser Streitsachen (LR 274.0).
125 Vgl. Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch vom 1. Juni 1811 (ABGB; LR 210.0).
126 Vgl. G vom 21. Oktober 1992 über die Banken und Wert-papierfirmen (Bankengesetz; FL BankG; LR 952.0).
127 Oberster Gerichtshof.128 Vgl. FL OGH A 234/88-53 vom 25.10.1989, zit. v. juLia
kLatiL, Die Auskunftspflicht der Banken im Verlassen-schaftsverfahren, LJZ 25 (2004) 118.
successio 4/12 267
Art 223 EO129 anerkannt wird, so muss dies in einem viel stärkeren Masse auch in Ansehung einer Aus-kunftserteilung im Interesse des Bankkunden selbst, hier des Verstorbenen bzw. des ruhenden Nachlas-ses, gelten.»130 Aber das Verlassenschaftsgericht er-hielt danach nur Auskunft, wenn die primären Mög-lichkeiten (insbesondere die Befragung der Erben) ergebnislos verlaufen waren.131 Dies wurde 2004 vom FL OGH nochmals bestätigt.132 Erst 2005 än-derte der FL OGH133 die Praxis und das Verlassen-schaftsgericht kann seither Auskünfte auch direkt bei der Bank einholen. Wie vorne134 dargelegt folgte der Gesetzgeber per 1.1.2011 dieser Ansicht (§ 146 Abs. 2 FL AußStrG).
b) In der vorne135 erwähnten Entscheidung von 1989 hat der FL OGH136 weiter ausgeführt, dass das Ver-lassenschaftsgericht nur Auskunft erhält, wenn kon-krete Anhaltspunkte für das Bestehen einer Ge-schäftsverbindung vorliegen. 2009137 hat der FL OGH präzisiert, dass als Anscheinsbeweis genügt, wenn eine konkrete Kontonummer bei einer be-stimmten Bank genannt wird. Abgelehnt wird dage-
gen die Nachfrage nach weiteren Konti bei dersel-ben Bank. Weiter hat das Gericht ausgeführt, dass die Inventarserstellung keine Voraussetzung für die Bankauskunft an das Verlassenschaftsgericht sei. Auch diese Praxis wurde per 1.1.2011 ins Gesetz (§ 146 Abs. 2 FL AußStrG) übernommen.
c) 1997138 hielt der StGH139 fest, dass das Bankge-heimnis kein Hindernis für die Auskunft an das Ver-lassenschaftsgericht sei.
d) 1993 hat der FL OGH140 entschieden, dass die Erben in die Position des Bankkunden (§§ 1009 und 1012 FL ABGB) treten und das Bankgeheimnis kein Hindernis für die Auskunft an sie sei. Jeder von mehreren Konto-/Depotinhabern ist auskunfts-berechtigt. Die Einsichtnahme bei der Bank, welche mehrfach erfolgen kann, stützt sich auf Art. XVI FL EGZPO.141 Ebenso sind auch Kopien der Un-terlagen auf Verlangen mehrfach zu übergeben, ge-gen Ersatz der Kosten. Eine Grenze für die Aus-kunft bildet (wie in der Schweiz)142 die gesetzliche Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren. Abgelehnt wurde das Auskunftsbegehren über weitere (als die im Auskunftsbegehren konkret bezeichneten) Konti der Erblasserin bei der Bank und zwar mit den Ar-gumenten, die Bank sei zur Geheimhaltung höchst-persönlicher Tatsachen des Erblassers oder von Dritten verpflichtet und die Auskunft finde am offenbaren Missbrauch des Rechts seine Grenze. 2002 hat der FL OGH143 präzisiert, dass das Bankgeheim-nis dann gegenüber den Erben wirken könne, wenn der Erblasser der Bank eine Schweigeverpflichtung auferlegt habe.
e) Der FL OGH hat 1998144 auch einem (deutschen) Testamentsvollstrecker ein Auskunftsrecht gegen-über der Bank gewährt. Dieser hat den Anscheinsbeweis erbracht, dass der Erblasser Konti bei der Bank führte. Das Auskunftsrecht ist eingeschränkt, wenn Rechte Dritte (wie einer Stiftung) betroffen sind.
f) Im gleichen Entscheid hat der FL OGH145 auch festgehalten, dass eine wirtschaftliche Berechtigung des Erblassers am Vermögen (Stifter) nicht vererbt werden könne und die Erben des Stifters deshalb kein Auskunftsrecht gegenüber der Stiftung haben. Daraus folgt, dass auch die Bank, welche für die Stif-tung ein Konto führt, den Erben des Stifters keine Auskunft geben muss.
c. Doktrina) In der Doktrin wurde eine Debatte zwischen Kla-til146 und Reithner147 ausgetragen: Während Klatil (damals Praktikantin am LG Vaduz) das Nachfra-
129 Vgl. G vom 24. November 1971 über das Exekutions- und Rechtssicherungsverfahren (Exekutionsordnung; EO; LR 281.0).
130 FL OGH A 234/88-53 vom 25.10.1989, zit. v. kLatiL (Fn. 128), LJZ 25 (2004) 118.
131 Vgl. FL OGH A 234/88-53 vom 25.10.1989, zit. v. kLatiL (Fn. 128), LJZ 25 (2004) 118.
132 Vgl. FL OGH 5 VA 2003.106-19 vom 3.6.2004, zit. v. nicoLaS reithner, Die Auskunft der Banken im Verlas-senschaftsverfahren – Replik, LJZ 26 (2005) 91.
133 Vgl. FL OGH 5 VA 2005.6-43 vom 19.7.2005, zit. v. reith-ner (Fn. 132), LJZ 26 (2005) 92.
134 Vgl. B. 1. a. a).135 Vgl. B. 1. b. a).136 FL OGH A 234/88-53 vom 25.10.1989, zit. v. kLatiL
(Fn. 128), LJZ 25 (2004) 118.137 Vgl. FL OGH 03 RZ.2008.731 vom 7.5.2009, LES 2009,
318.138 Vgl. StGH 1996/42 vom 24.4.1997, LES 1998, 185.139 Staatsgerichtshof.140 Vgl. FL OGH 4C 170/92-23 vom 16.8.1993, Jus & News
1997, 58 ff.141 Vgl. G vom 10. Dezember 1912 betreffend die Einführung
der Zivilprozessordnung und der Jurisdiktionsnorm (FL EGZPO; LR 271.001).
142 Vgl. vorne A. 1. c. a).143 Vgl. FL OGH Cg 2/2000-58 vom 7.3.2002, LES 2002, 317;
ähnlich FL OGH 03 RZ.2008.731 vom 7.5.2009, LES 2009, 318, 321.
144 Vgl. FL OGH C 133/95-70 vom 8.1.1998, LES 1998, 111.145 Vgl. FL OGH C 133/95-70 vom 8.1.1998, LES 1998, 111,
115.146 Vgl. kLatiL (Fn. 128), LJZ 25 (2004) 118 ff.147 Vgl. reithner (Fn. 132), LJZ 26 (2005) 91 ff.
Auskunftspflichten gegenüber Erben
268 successio 4/12
§
gen des Verlassenschaftsgerichts bei den Erben be-mängelte und für ein direktes Nachfragen des Ver-lassenschaftsgerichts bei den Banken plädierte, nahm Reithner die gegenteilige Position ein. Er kam zum Schluss, dass die Auskunft der Bank an die Er-ben der Auskunft der Bank an die Verlassenschafts-behörde vorgehen solle. Der ruhende Nachlass sei zwar ein selbständiger Rechtsträger und prozess-fähig, aber bis zur Bestellung eines Nachlass- oder Prozesskurators unvertreten. Pflichtteilsberechtigte könnten sich an die übrigen Erben wenden, welche zur Rechnungslegung verpflichtet seien. Die Praxis folgte (wie vorne148 dargelegt) Klatil.
b) Als Liechtenstein das Außerstreitgesetz (FL Auß-StrG) parallel zu Österreich revidierte, sprach sich Klatil149 dafür aus, dass die Verfahrensgrundsätze des österreichischen Außerstreitgesetzes übernom-men werden sollten. Ungerank150 erläutert unter an-derem, was mit dem «Nachweis des Vorhandenseins einer Geschäftsbeziehung» (§ 146 Abs. 1 FL Auß-StrG) gemeint sei: Eine Beziehung des Erblassers zur Bank muss glaubhaft gemacht, aber nicht bewie-sen werden: «So kommt es in der Praxis vor, dass Erbansprecher bloss über einen älteren (z.B. einen Zeitraum Jahre vor Ableben des Erblassers betref-fenden) Kontoauszug verfügen, dass sie ein Konto-kärtchen mit der Anführung einer entsprechenden Kontonummer bei einer bestimmten Bank vorle-gen können, dass sie angeben können, der Erblasser habe immer wieder davon gesprochen, er würde ein Konto bei der X-Bank haben, oder sie hätten den Erblasser immer wieder zur Y-Bank in Vaduz ge-bracht, in welche dieser dann hineingegangen sei.»
c) Nach eigener Meinung müssen die Banken dem Verlassenschaftsgericht direkt Auskunft erteilen. Der Nachweis einer Geschäftsbeziehung wird in einer Art gehandhabt, welche die Erben nicht behindern dürfte, aber fishing expeditions vermeidet. Das Ver-wertungsverbot in Art. 146 Abs. 1 FL AußStrG ist verständlich und durch die besonders aktive Rolle des Verlassenschaftsgerichts bedingt. Damit soll eine Verwertung durch die Steuerbehörden verhin-dert werden.
Die Erben haben daneben ein eigenständiges Auskunftsrecht, welches sie seit dem Ableben des Erblassers ausüben können, denn die Erben sind erst aufgrund der erhaltenen Informationen in der Lage, über die Annahme der Erbschaft zu entschei-den. Die Einschränkung, dass Geheimnisse des Erb-lassers und von Dritten zu schützen sind, ist an sich richtig, sie muss aber sorgfältig angewendet werden: Zahlungsströme sind keine höchstpersönlichen Tat-sachen.151 Weil der Erblasser über Pflichtteile nicht verfügen kann, sind seine Anordnungen, die Bank
solle gewisse Transaktionen auf seinem Konto ge-genüber pflichtteilsgeschützten Erben geheim hal-ten, nicht verbindlich. Einen offenbaren Missbrauch des Auskunftsrechts kann ich mir sodann nur schwer vorstellen, er ist jedenfalls auch bei wiederholten Auskunftsbegehren oder unpräzisen Angaben über das Konto noch nicht gegeben. Ich erwarte, dass sich die Praxis des (privaten) Auskunftsrechts der Ban-ken in Liechtenstein (ähnlich wie in der Schweiz vor einigen Jahrzehnten152) in den nächsten Jahren noch weiter entwickeln – sprich: öffnen – wird.
2. Stiftungen und Trustsa. Gesetzliche Grundlagena) Seit der Reform des Stiftungsrechts (1.4.2009) be-steht nach Art. 552 § 9 PGR153 ein (zwingendes) Auskunftsrecht des Begünstigten gegenüber der Stiftung: «Der Begünstigte hat, soweit es seine Rechte betrifft, Anspruch auf Auskunft … Das Recht darf nicht in unerlaubter Absicht, in missbräuchlicher oder nicht in einer den Interessen der Stiftung oder anderer Be-günstigter widerstreitenden Weise ausgeübt werden. Ausnahmsweise kann das Recht auch aus wichtigen Gründen zum Schutz des Begünstigten verweigert werden …»
b) Nach Art. 552 § 11 PGR besteht ein reduziertes Auskunftsrecht des Begünstigten, wenn ein Kontroll-organ vorhanden ist. Nach Abs. 1 «kann der Begüns-tigte nur über Zweck und Organisation der Stiftung sowie über seine eigenen Rechte gegenüber der Stif-tung Auskunft verlangen und deren Richtigkeit durch Einsichtnahme in die Stiftungsurkunde, die Stiftungs-zusatzurkunde und die Reglemente überprüfen» so-wie Kontrollberichte verlangen (Art. 552 § 11 Abs. 4 und 5 PGR).154 Weitergehende Auskunftsrechte wer-den damit unterbunden. Diese Bestimmung dient etwa dazu, dass der Stifter, der sich gleichzeitig als Kontrollorgan einsetzt, die Informationen an die Be-
148 Vgl. vorne, B. 1. b. a).149 Vgl. juLia kLatiL, Verlassenschaft und Bankgeheimnis –
Aktuelle Jud zu Auskunftsansprüchen unter besonderer Berücksichtigung des öAußStrG, LJZ 31 (2010) 1 ff.
150 Vgl. WiLheLM ungerank, Das neue Verlassenschaftsver-fahren, LJZ 32 (2011) 178 ff.
151 Vgl. dazu vorne, A. I. c. d).152 Vgl. vorne, A. 1. b. a).153 Vgl. Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) vom 20. Ja-
nuar 1926 (LR 216.0).154 johanneS gaSSer, Neue Pflichten und Gestaltungsmög-
lichkeiten des Stiftungsrates, in: Das neue liechtensteini-sche Stiftungsrecht, hrsg. v. der Hochschule Liechten-stein, Zürich 2008, S. 187.
successio 4/12 269
günstigten (und späteren Erben) zunächst noch be-schränken kann.155
c) Das Auskunftsrecht der Erben (des Stifters) gegen die Stiftung stützt sich materiell auf den Pflichtteil (§ 762 ff. FL ABGB),156 denn dieser kann Grund-lage für die Anfechtung von Zuwendungen des Stif-ters an die Stiftung bzw. die Errichtung der Stiftung sein. Entsprechendes gilt für das Auskunftsrecht der Erben (des Gründers eines Trusts) gegenüber dem Trustee. Das Auskunftsrecht wird aus Art. XV Abs. 1 FL EGZPO abgeleitet. Das anwendbare Erb-recht bestimmt sich nach dem Erbstatut, welches auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers abstellt (Art. 29 Abs. 1 FL IPRG).157 Seit der Revision des Stiftungsrechts (1.4.2009) ist daneben immer auch «das für den Erwerbsvorgang massgebliche Recht» zu beachten ist (Art. 29 Abs. 5 FL IPRG). Damit wurde ein zweiter Filter eingebaut, weil bei Zuwen-dungen an liechtensteinische Stiftungen und Trusts die kurze 2-jährige Verjährungsfrist des liechtenstei-nischen Pflichtteilsrechts (§ 785 Abs. 3 FL ABGB) zusätzlich zur Anwendung kommt.
c. Praxisa) 1996 hat der FL OGH158 (gestützt auf das alte Stiftungsrecht) entschieden, dass der Stifter die Be-günstigten durch eine Statutenbestimmung von der
Auskunft weitgehend ausschliessen kann und dass das Auskunftsrecht somit nur «im Kern» gewahrt werden muss. 2004 präzisierte der FL OGH,159 dass die Übergabe des Revisionsstellenberichts ohne ent-sprechende Statutenbestimmung als Auskunft nicht genüge. 2012 wurde vom FL OGH160 klargestellt, dass die Bestellung eines Buchprüfers kein Kont-rollorgan im Sinne von Art. 552 § 11 PGR ist. 2005 wurde vom FL OGH bestätigt, dass «das gesetzliche Auskunftsrecht bis zu einem gewissen Umfang einer abweichenden privatautonomen Regelung zugäng-lich (sei). Kriterium für die Zulässigkeit einer pri-vatautonomen und damit statutarischen Gestaltung des Auskunftsrechtes von Destinatären ist die Wah-rung gesellschafts- und stiftungsrechtlicher Grund-sätze.»161 2008 führte der FL OGH zur Gestaltungsfreiheit des Stifters weiter aus: «Die Abwägung zwischen Transparenz und Vertraulichkeit ist pri-mär vom Stifter vorzunehmen, welchem gem. § 68 TruG162 die Kompetenz zukommt, die Auskunfts-ansprüche der Destinatäre zu regeln … Dieser Re-gelungskompetenz sind aber durch die Grundsätze von Treu und Glauben sowie des Verbots der Schi-kane bzw. des Rechtsmissbrauchs Grenzen gesetzt, weshalb bspw. die Auskunfts- und Einsichtsrechte der Destinatäre in den Statuten nicht zur Gänze ausgeschlossen werden können … Aus dem Wort-laut von § 68 TruG ist abzuleiten, dass die Stiftungs-verwaltung nicht verpflichtet ist …, jedem Nach-folgedestinatär alle bis zur Gründung der Stiftung zurückreichenden Geschäftsbücher und Papiere ge-schweige denn solche Dokumente, welche über den Willen des Auftraggebers der Stiftungserrichtung Aufschluss geben, zur Einsicht vorzulegen.»163 Das neue Stiftungsrecht (1.4.2009) hat die Gestaltungs-freiheit des Stifters stark eingeschränkt. Nach der Rechtsprechung des FL OGH können «die Rechte der Begünstigten durch Einräumung bestimm-ter Informations- und Auskunftsrechte konkret im Einzelnen definiert»164 werden. Der FL OGH be-tonte in einem Entscheid 2012 aber auch, dass die Begünstigten durch Statutenbestimmungen «von den ihnen zustehenden Informations- und Aus-kunftsrechten nicht vollständig ausgeschlossen wer-den»165 können.
b) 2003 hat der FL OGH166 festgehalten, dass Ermes-sens-Begünstigten das Recht auf Auskunft nur so-weit zusteht, als es deren (beschränkte) Rechte be-trifft.
c) 2004 hat der FL OGH167 entschieden, dass der 12,5%-Begünstigte ein volles Auskunftsrecht hat und dass ein Erbstreit in Frankreich kein miss-bräuchliches Motiv sei. Der FL OGH168 hat 2012 dargelegt, dass der Begünstigte sein Auskunftsrecht
155 Vgl. gaSSer (Fn. 154), S. 188.156 Vgl. vorne, Fn. 125; der Pflichtteil der Kinder beträgt 1⁄2
des gesetzlichen Erbteils, derjenige der Ehegatten/Part-ner 1⁄2 des gesetzlichen Erbteils und derjenige der Eltern 1⁄3 des gesetzlichen Erbteils.
157 Vgl. G vom 19. September 1996 über das internationale Privatrecht (IPRG; LR 290).
158 Vgl. FL OGH 3 C 452/92 vom 29. April 1996, zit. v. Mar-kuS SuMMer, «Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser» – die Auskunftsrechte von Begünstigten im liechtensteini-schen Stiftungs- und Trustrecht, LJZ 26 (2005) 36, 38 f.
159 Vgl. FL OGH 10 HG 2003 57-23 vom 4.11.2004, zit. v. Summer (Fn. 158), LJZ 26 (2005) 36, 39 ff.
160 Vgl. FL OGH 5 HG.2010.629 vom 10.2.2012, LES 2012, 66.
161 Vgl. FL OGH CG.2002.32 vom 4.5.2005, LES 2006, 191.162 Vgl. Gesetz vom 10. April 1928 über das Treuunterneh-
men (TrUG; nicht mehr in Kraft).163 FL OGH 4 CG.2005.305 vom 7.2.2008, LJZ 29 (2008) 42.164 FL OGH 02 CG.2007.145 vom 3.9.2009, LES 2010, 84.165 FL OGH 5 HG.2010.629 vom 10.2.2012, LES 2012, 66.166 Vgl. FL OGH 4 Cg 2001 492-29 vom 5.6.2003, LES 2004,
67 (mit USD 167 Mio. dotiertes Studien- und Forschungs-zentrum).
167 Vgl. FL OGH 2 Cg 2001.52 vom 23.7.2004, LES 2005, 392.168 Vgl. FL OGH 5 HG.2010.629 vom 10.02.2012, LES 2012,
66.
Auskunftspflichten gegenüber Erben
270 successio 4/12
§
auch dann ausüben könne, wenn er keine Unregel-mässigkeiten bei der Verwaltung der Stiftung be-hauptet. Der Begünstigte kann sein Auskunftsrecht nach einem weiteren Entscheid des FL OGH169 von 2012 auch in einem Schiedsverfahren geltend ma-chen, wenn die Statuten der Stiftung eine entspre-chende Schiedsklausel enthält.
d) 2000 hat der FL OGH170 eine Bank wegen unbe-rechtigter Verweigerung von Zeugenaussagen mit Busse bestraft. Die Erben (überlebende Ehefrau und einziger Sohn), welche Zuwendungen an eine Stiftung verfolgten, haben sich bei ihrem Auskunfts-recht auf den Vertrag mit der Bank (§§ 1009 und 1012 FL ABGB) gestützt.
e) 2002 hat der FL OGH171 das Auskunftsbegehren von Erben gegenüber einer Stiftung auf die Verlet-zung von Pflichtteilen gestützt und festgehalten, dass die Errichtung einer Stiftung gleich einer Schenkung angefochten werden könne. Das anwendbare (deut-sche) Erbrecht richtete sich nach dem Erbstatut. 2006 präzisierte der FL OGH den Auskunftspflichtigen: «Der nach deutschem Erbrecht zu beurteilende Aus-kunftsanspruch gegenüber einer Stiftung ist gegen diese, vertreten durch den Stiftungsvorstand, zu rich-ten. Die Stiftungsräte trifft in eigener Person keine Auskunftspflicht.»172 Gleichzeitig wurden die Anforderungen für die Geltendmachung des Auskunfts-rechts verschärft: «Der Auskunfts-(Informations-)Anspruch … eines Erben/Pflichtteilsberechtigten setzt … voraus, dass dieser in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines An-spruchs im Ungewissen ist».173 2009 hat der FL OGH den Umfang der Auskunftspflicht nach neuem Stif-tungsrecht (Art. 552 § 38 PGR) näher umschrieben: «Wenn die von einer Stiftung als Verpflichtete ge-schuldete Rechnungslegung ‹hinsichtlich aller von ihr in Empfang genommenen Zuwendungen› die be-treibende Partei in die Lage versetzen soll, allfällige Pflichtteilsergänzungsansprüche zu ermitteln, so hat die Stiftung nicht nur die zugewendeten Beträge (die auch von Dritten stammen können), sondern auch die ‹Zuwender› zu bezeichnen und insbesondere anzuge-ben, ob diese vom Erblasser (Stifter) stammen.»174
f) 2006 hat der FL OGH festgehalten, dass Erben des Stifters keinen Auskunftsanspruch haben: «Vo-raussetzung ist eine rechtliche Sonderverbindung zwischen dem Erben/Pflichtteilsberechtigten und der Person, von der Auskunft begehrt wird. Das Erb-(Pflichtteils-)Recht einer Person allein stellt keine solche hinreichende rechtliche Sonderverbin-dung dar, welche den Auskunftsanspruch nach § 242 dBGB rechtfertigt. Der Erbe/Pflichtteilsberechtigte
eines Stifters ist im Verhältnis zur Stiftung als Aus-senstehender anzusehen.»175
c. Doktrina) Bösch176 hat den Fall eines deutschen Erblassers besprochen, welcher 3 Jahre vor dem Tod eine unent-geltliche Zuwendung vornahm. Aufgrund von Art. 29 Abs. 1 FL IPRG richtet sich das Erbstatut nach der Staatsangehörigkeit (deutscher Erblasser) und § 2325 BGB sieht eine 10-Jahres-Frist für die Anfechtung von Zuwendungen vor. Mit der Bemerkung, dass die Anwendung des liechtensteinischen Erbrechts (2-Jahres-Frist) zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, sprach er einen Gedanken aus, welcher später zu Art. 29 Abs. 5 FL IPRG führte.177 Diese Bestim-mung wird von Rüdiger Werner178 näher besprochen.
b) Jacob179 umschreibt den Kreis der Kontrollbe-rechtigten einer liechtensteinischen Stiftung wie folgt: (1) aktuell Begünstigte mit Rechtsanspruch (Art. 552 § 6 Abs. 1 PGR), (2) Ermessensbegüns-tigte (Art. 552 § 7 PGR; was bei der Revision des Stiftungsrechts umstritten war). (3) Letztbegüns-tigte (Art. 552 § 8 PGR; erst nach Auflösung der Stiftung). (4) Anwartschaftsberechtigte mit künfti-gem Anspruch (Art. 552 § 6 Abs. 2 PGR).
c) Lorenz180 erläutert die Einschränkungen des Aus-kunftsrechts: Zu beachten ist das Verhältnismässigkeitsprinzip (u.a. Erforderlichkeitsprüfung) und ebenso das Geheimhaltungsinteresse der Stiftung oder von Mitbegünstigten. Solche Interessen müs-sen konkret bestehen/nachgewiesen werden.
169 Vgl. FL OGH 5 HG.2011.172 vom 16.5.2012, LES 2012, 67.170 Vgl. FL OGH C 145/99-38 vom 3.5.2000, LES 2000, 201.171 Vgl. FL OGH Cg 145/99-74 vom 7.3.2002, LES 2003, 100.172 FL OGH CG.2004.252 vom 7.9.2006, LES 2007, 302, 303.173 FL OGH CG.2004.252 vom 7.9.2006, LES 2007, 302, 303.174 FL OGH 8 EX.2009.1221 vom 1.10.2009, LES 2010, 104.175 FL OGH CG.2004.252 vom 7.9.2006, LES 2007, 302, 303;
ebenso schon der in Fn. 145 erwähnte Entscheid FL OGH C 133/95-70 vom 8.1.1998, LES 1998, 111, 115.
176 Vgl. haraLD böSch, Auskunfts- und Rechnungslegungs-anspruch des Pflichtteilsberechtigten gegenüber einer liechtensteinischen Stiftung, LJZ 24 (2003) 55 ff.
177 Vgl. dazu vorne, B. 2. a. c).178 Vgl. rüDiger Werner, Stiftungen als Instrument des
Vermögensschutzes, ZErb 2010, 177 ff.179 Vgl. DoMiniQue jacob, Die liechtensteinische Stiftung,
Vaduz 2009, N 478 f.180 Vgl. bernharD Lorenz, Kommentar zu Art. 552 § 9
PGR, in: Kurzkommentar zum liechtensteinischen Stif-tungsrecht, hrsg. v. Martin Schauer, Basel 2009, Art. 552 § 9 N 42 ff. , 48 ff. und 52 ff.
successio 4/12 271
d) Nach Lins181 hat das Auskunftsrecht des neuen Stiftungsrechts (anders als noch Art. 68 TrUG) zwingenden Charakter. Nur einen eingeschränk-ten Auskunftsanspruch haben Anwartschaftsbe-rechtigte auf eine Ermessensbegünstigung ohne fes-ten Anspruch (Widerrufsrecht/Art. 552 § 10 PGR), Begünstigte von Stiftungen mit Kontrollorgan (Art. 552 § 11 PGR) und Begünstigte von beaufsich-tigten Stiftungen (Art. 552 § 12 PGR).
e) Nach eigener Meinung wurde das Auskunftsrecht der Begünstigten mit der Schaffung des neuen Stif-tungsrechts verstärkt. Die Position des (häufig vor-kommenden) Ermessens-Begünstigten ist aller-dings nach wie vor schwach, was auch der FL OGH bereits 2003 feststellte: «Der österreichische Ge-setzgeber definierte den Auskunftsanspruch des Begünstigten einer Privatstiftung umfassender und räumte dieses Recht jedem Begünstigten unabhän-gig davon ein, ob dieser einen Anspruch gegen die Stiftung hat oder nicht».182 Die Statuten können das Auskunftsrecht immer noch konkretisieren, aller-dings in viel engeren Grenzen als früher. Wenn der Erst-Begünstigte nicht will, dass die späteren Be-günstigten in diesen Zeitabschnitt hineinsehen kön-nen, kann er das Auskunftsrecht in den Statuten ent-sprechend begrenzen. Die indirekte Kontrolle durch eine Kontrollstelle ersetzt die eigene Kontrolle nie vollständig. Wie sich die Einschränkungen des Aus-kunftsrechts (Erforderlichkeitsprüfung, Rechts-missbrauch, Geheimhaltungsinteressen) auswirken,
muss die Praxis erweisen. Der Trend dürfte langfris-tig in Richtung Öffnung gehen.
Die Errichtung der Stiftung und Zuwendungen an die Stiftung können von den Erben gleich einer Schenkung angefochten werden, wenn Pflichtteile verletzt sind. Unter diesem Titel können die Erben auch Auskunftsrechte geltend machen. Weil das FL ABGB keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für das Auskunftsrecht vorsieht,183 wird Art. XV FL EGZPO als Grundlage verwendet. Die in Art. 29 Abs. 5 FL IPRG eingefügte Bestimmung, welche die Geltendmachung der Pflichtteile auf 2 Jahre be-grenzt, schränkt das Auskunftsrecht ein. In der Pra-xis beginnt die Frist allerdings häufig nicht zu laufen, weil sich viele Stifter ein Widerrufs- und Änderungs-recht vorbehalten.
3. Lebensversicherungena. Gesetzliche Grundlagena) Das Auskunftsrecht der Erben gegenüber der Lebensversicherung richtet sich materiell nach dem Ver-sicherungsvertragsgesetz (Art. 3 FL VersVG)184 und Versicherungsaufsichtsgesetz (Art. 45 Vers AG)185 und formell nach Art. XV FL EGZPO.186 Die Er-ben treten in die Position des Erblassers als Ver-sicherungsnehmer ein (Einantwortung; § 797 FL ABGB187) und erben damit sein Auskunftsrecht. Das anwendbare Erbrecht bestimmt sich nach dem Erb-statut (Art. 29 FL IPRG188), das anwendbare Versi-cherungsrecht nach dem IVersVG.189 Die Geheim-haltungspflicht der Versicherungen (Art. 44 Abs. 1 FL Vers AG) gilt gegenüber den Erben nicht.
b) Das Auskunftsrecht der Erben gegenüber den Begünstigten einer Lebensversicherung stützt sich ma-teriell auf den Pflichtteil (§ 762 ff. FL ABGB) und das Auskunftsrecht wird aus Art. XV FL EGZPO abgeleitet. Das anwendbare Erbrecht (und damit auch der Pflichtteil) wird aufgrund des Erbstatuts (Art. 29 FL IPRG) bestimmt.190
b. Praxis a) Der FL OGH191 hat in einem 2012 gefällten Urteil festgehalten, dass dem Erben des Versicherungsneh-mers grundsätzlich ein Auskunftsanspruch gegen-über der Lebensversicherung zusteht. Als Rechts-grundlage wurde der auf das bürgerliche Recht rekurrierende Auskunftsanspruch von Art. XV Abs. 1 FL EGZPO192 angegeben. Dem Auskunftsan-spruch der Erben steht die Geheimhaltungspflicht der Versicherung (Art. 44 Abs. 1 FL VersAG) nicht entgegen. Aufgrund des Erbstatuts kam italieni-sches Erbrecht zur Anwendung.
181 Vgl. aLexanDer LinS, Die Begünstigtenrechte im neuen liechtensteinischen Stiftungsrecht nach der Reform 2008, in: Das neue liechtensteinische Stiftungsrecht, Zürich, 2008, S. 83 ff.
182 FL OGH 4 Cg 2001 492-29 vom 5.6.2003, LES 2004, 67.183 Ebenso wie das schweizerische Recht, vgl. vorne, A. 2.
c. f).184 Vgl. G vom 16. Mai 2001 über den Versicherungsvertrag
(Versicherungsvertragsgesetz, FL VersVG; LR 225. 229.1).
185 Vgl. G vom 6. Dezember 1995 betreffend die Aufsicht über Versicherungsunternehmen (Ver siche rungs auf-sichts gesetz; FL VersAG; LR 961.01).
186 Vgl. vorne, Fn. 141.187 Vgl. vorne, Fn. 125. 188 Vgl. vorne, Fn. 157189 Gesetz über das internationale Versicherungsvertrags-
recht (LR 291).190 Vgl. dazu vorne, B. 2. a. (Liechtenstein/Stiftungen und
Trusts).191 Vgl. FL OGH 8 CF.2010.283 vom 13.04.2012, LES 2012,
137.192 Vgl. dazu vorne, Fn. 141.
Auskunftspflichten gegenüber Erben
272 successio 4/12
§
b) Der FL OGH193 hat 2007 festgehalten, dass die Überlassung von Begünstigungen (Bezugsberech-tigungen) von Lebensversicherungen im gleichen Sinne der Herabsetzung untersteht wie Schenkun-gen (§ 785 Abs. 1 FL ABGB). «Im Falle der Zuwen-dung der Versicherungssumme aus der Lebensver-sicherung durch den (späteren) Erblasser, für die der Begünstigte selbst Prämien bezahlte …, wird die Differenz zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der vom Begünstigten selbst bezahlten Prämien als Geschenk behandelt.» Zum Auskunfts-recht der Erben äussert sich dieser Entscheid nicht.
c. Doktrina) Schurti/Blasy194 führen aus, dass der Umfang der Beratungspflicht des Versicherers in Art. 45 VersAG und deren Anhang festgelegt wird und diese Infor-mationen nach Art. 3 VersVG von der Versicherung an den Versicherungsnehmer geliefert werden müs-sen. Sie kritisieren einen Entscheid des OGH,195 weil in Deutschland und Österreich die Erfüllung der Informationspflichten durch den Agenten bzw. Mäkler genügt und der Versicherer damit entlas-tet wird, was in Liechtenstein nicht der Fall ist. Zum Auskunftsrecht der Erben gegenüber der Versiche-rung äussern sie sich nicht.
b) Nach eigener Meinung richtet sich der (geerbte) vertragliche AuskunftsAnspruch der Erben gegen die Lebensversicherung und er stützt sich auf den Ver-sicherungsvertrag (FL VersVG) bzw. das Versiche-rungsaufsichtsgesetz (FL VersAG). Die genaue ma-teriell-rechtliche Grundlage scheint aber noch nicht ganz geklärt zu sein, weil Art. 3 VersVG den Infor-mationsanspruch des Versicherungsnehmers beim Abschluss der Versicherung zum Inhalt hat und für spätere Auskunftsansprüche eine ausdrückliche ge-setzliche Regelung fehlt.
Der erbrechtliche AuskunftsAnspruch der Erben gegen den Begünstigten einer Lebensversicherung stützt sich materiell auf den Herabsetzungsanspruch (§ 785 Abs. 1 FL ABGB) und das Auskunftsrecht wird aus Art. XV FL EGZPO abgeleitet. Für das Auskunftsrecht des Pflichtteilsberechtigten fehlt im FL ABGB eine ausdrückliche Grundlage.
C. Österreich
1. Bankena. Gesetzliche Grundlage a) Gesetzliche Grundlage für die Auskunftspflicht der Bank an das Abhandlungsgericht bilden § 145 f. Außer-streitgesetz196 (öAußStrG)197 und § 166 öAußStrG.198
b) § 531 öABGB199 umschreibt den Nachlass als «In-begriff der Rechte und Verbindlichkeiten eins Ver-storbenen». Mit der Einantwortung (§ 819 öABGB) erwerben die Erben das Eigentum an den Nachlass-gegenständen und erben damit auch den mit der Bank bestehenden Vertrag. Die Auskunftspflicht der Bank an die Erben stützt sich auf die Rechenschafts-pflicht der Bank (§ 1012 öABGB).
c) Das Bankgeheimnis (§ 38 BWG)200 gilt nicht ge-genüber dem Abhandlungsgericht bzw. dem Ge-richtskommissär und den Erben.
b. Praxisa) 1966 entschied der OGH,201 dass ein Kreditinsti-tut dem Abhandlungsgericht über ein Bankkonto (oder eine Einlage) Auskunft geben müsse, ausser es ergebe sich aus der Kontobezeichnung, dass das Konto nicht in den Nachlass fällt. Im gleichen Jahr entschied der OGH,202 dass der Abhandlungsrichter nicht berechtigt sei, von der Verlassenschaft fernste-henden Personen Auskünfte über Vermögenswerte (Spareinlagen) zu verlangen, wenn keine Anhalts-punkte dafür bestehen, dass sie zum Vermögen des Erblassers gehört haben. 1985 lehnte der OGH203 die Auskunft einer Bank gegenüber den Erben eines Schweizers ab, der einem österreichischen Ehepaar anscheinend einen Geldbetrag übergeben hatte, wel-chen dieser auf ein Nummernkonto bei einer öster-reichischen Bank angelegt haben soll, zumal jegliche
193 Vgl. FL OGH 1 CG.2003.159 vom 3.10.2007.194 anDreaS Schurti/Moritz bLaSy: Vertrieb von fondsge-
bundenen Lebensversicherungen – Informations- und Beratungspflichten, LJZ 33 (2012) 49 ff.
195 Vgl. FL OGH 01.CG.2009.62 vom 10.2.2012.196 § 145 öAußStrG: «(1) Der Gerichtskommissär … hat die
Todesfallaufnahme zu errichten … (2) Die Todesfallauf-nahme hat zu umfassen … 2. das hinterlassene Vermögen samt Rechten und Verbindlichkeiten …».
197 Vgl. Bundesgesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten ausser Streitsachen (Außerstreit-gesetz; öAußStrG; BGBl. I. Nr. 111/2003).
198 «(1) Das Inventar dient als vollständiges Verzeichnis der Verlassenschaft … (3) Zur Feststellung der Nachlasszu-gehörigkeit sind Dritte verpflichtet, Zutritt zu den stritti-gen Gegenständen zu gewähren und deren Besichtigung und Beschreibung zu gestatten.»
199 Vgl. Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die ge-sammten deutschen Erbländer der Österreichischen Mo-nar chie (öABGB; JGS Nr. 946/1811).
200 Vgl. Bundesgesetz über das Bankwesen (Bankwesenge-setz; BWG; BGBl. 532/1993).
201 Vgl. OGH 6 0b 48/66 usw. vom 23.2.1966, QuHGZ 1966/2,1 = BA 1967, 215.
202 Vgl. OGH 6 Ob 280/66 vom 14.9.1966, ÖBA 1967, 218.203 Vgl. OGH 2 Ob 536/85 vom 23.4.1985.
successio 4/12 273
Dokumentation fehlte. Zum Umfang der Auskunfts-pflicht führte der OGH204 1992 aus, die Bank müsse auch über Kontobewegungen nach dem Todestag Auskunft geben, insbesondere über Eingänge aus vinkulierten Lebensversicherungen. 1996 entschied der OGH,205 dass die Bank nur Auskunft zu ertei-len habe, wenn die Kundeneigenschaft bewiesen sei. Dazu genüge es, wenn das Konto des Verstorbenen bestimmt genannt werde. 1999 hielt der OGH206 fest, dass der Anspruch auf Auskunft vermögensrechtli-cher Natur sei. 2000 führte der OGH207 aus, dass der Anspruch auf Auskunft über Vermögen bei einer Schweizer Bank voraussetze, dass die Zugehörigkeit zum Nachlass nachgewiesen werden könne. 2007 ur-teilte der OGH,208 dass die Auskunft grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Todes beschränkt sei. Der An-spruch von Pflichtteilsberechtigten kann aber Grund sein, die Konten des Erblassers rückwirkend vom Todestag zu öffnen (ein Noterbe macht die Verlet-zung des Pflichtteils durch Vorempfänge und Schen-kungen geltend). Schliesslich entschied der OGH209 2009, dass bei Mitinhabern eines Kontos nur Trans-aktionen des Erblassers offenzulegen seien.
b) Bei Inhaber-Sparbüchern gelten besondere Re-geln: 1987 verweigert der OGH210 die Auskunft über ein Inhaber-Sparbuch gegenüber einem Testaments-erben, weil dieser keinen Besitz am Sparbuch hatte und auch keine Einantwortung oder Vollmacht vor-weisen konnte. In einem solchen Fall kann eine Aus-kunft an das Abhandlungsgericht oder den Ge-richtskommissär erfolgen. Im konkreten Fall wurde das Sparbuch gegen Nennung des Losungswortes durch einen Dritten eingelöst. Ähnlich lag der Fall, welchen der OGH 2005211 zu entscheiden hatte: Die
Bank war nicht zur Auskunftserteilung verpflich-tet, weil die Kundeneigenschaft bezüglich der In-haber-Sparbücher nicht ausreichend bewiesen war (kein Besitz). Die Erwähnung im Testament ge-nügte nicht.
c) 1978 entschied der OGH,212 dass der Name eines Sparbuchs kein Eigentumsrecht des Namensträ-gers begründe. Der Namensträger sei auch nicht vom Nachweis des Eigentums befreit, wenn sich das Namens-Sparbuch in fremdem Besitz befinde. 1983 entschied der OGH,213 dass der Name, auf den das Sparbuch lautet, kein verlässlicher Hinweis da-für sei, dass sich das Namens-Sparbuch im Eigen-tum oder Besitz desjenigen befindet, auf dessen Na-men es ausgestellt ist. 2003 präzisierte der OGH214 dass die Bank keine Verpflichtung zur Auskunfts-erteilung habe, wenn die Kundeneigenschaft nicht ausreichend bewiesen sei (fehlender Besitz). Die Erwähnung im Testament vor rund sechs Jahren ge-nüge nicht.
d) Der OGH215 hielt 1993 fest, dass das Bankgeheim-nis gegenüber dem Abhandlungsgericht nicht gelte, nur gegenüber Dritten. 1998 präzisierte der OGH,216 dass das Bankgeheimnis eine Auskunft an das Ab-handlungsgericht deswegen nicht verhindere, weil dieses in der gleichen Rechtsstellung gegenüber der Bank stehe wie der Erblasser seinerzeit.
e) 2001 hat sich der OGH217 zu den Auskunftsbe-rechtigten geäussert: Dem Kunden und nach seinem Tod dem zur Vertretung des Nachlasses bestellten Verlassenschaftskurator ist das Kreditinstitut jeder-zeit zur Auskunft über den Stand der Konten oder über Einzelheiten der Geschäftsbeziehung ver-pflichtet. Auch dem ruhenden Nachlass kommt die Eigenschaft eines Bankkunden zu sowie dem eingeantworteten Erben. 2010 präzisierte der OGH,218 dass dem Noterben die Auskunftsrechte unter Ein-schaltung des Gerichtskommissärs nur im Verlas-senschaftsverfahren zustehen.
c. Doktrina) Klatil219 bedauert, dass sich der Gesetzgeber bei der Neufassung von § 166 öAußStrG220 nicht dazu durchringen konnte, dem Inventar den Status eines umfassenden, verpflichtenden und vor allem ab-schliessenden Vermögensverzeichnisses mit Rechts-wirkungen für alle Betroffenen zu verleihen. Wei-ter ist sie der Ansicht, wenn man dem Noterben schon ein Recht gibt, sollte man ihm auch die Mittel zur Durchsetzung des Rechts geben, folglich einen eigenen Auskunftsanspruch gegenüber dem Kredit-institut.221
204 Vgl. OGH 2 Ob 567/92 vom 16.12.1992, ÖBA 1993, 568.205 Vgl. OGH 7 Ob 610/95 vom 15.5.1996, SZ 69/119 = ÖBA
1996, 879.206 Vgl. OGH 7 Ob 358/98t vom 19.1.1999.207 Vgl. OGH 3 Ob 96/00i vom 29.11.2000.208 Vgl. OGH 7 Ob 292/06a vom 18.4.2007.209 Vgl. OGH 6 Ob 287/08m vom 16.4.2009 E. 3.2.210 Vgl. OGH 7 Ob 690/87 vom 24.9.1987.211 Vgl. OGH 7 Ob131/05y vom 21.12.2005.212 Vgl. OGH 8 Ob 582/78 vom 21.11.1978.213 Vgl. OGH 1 Ob 773/83 vom 30.11.1983.214 Vgl. OGH 7 Ob 100/03m vom 6.6.2003.215 Vgl. OGH 1 Ob 609/93 vom 21.12.1993, NZ 1994, 109 =
ÖBA 1994, 731216 Vgl. OGH 10 Ob 322/98w vom 1.12.1998, SZ 71/203 =
EvBl 1999/100 = ÖBA 1999/825.217 Vgl. OGH 4 Ob 36/01z vom 22.3.2001.218 Vgl. OGH 6 Ob 153/10h vom 17.12.2010.219 Vgl. kLatiL (Fn. 149), LJZ 31 (2010) 1 ff.220 Alte Fassung: § 97 öAußStrG.221 Vgl. kLatiL (Fn. 149), LJZ 31 (2010) 9.
Auskunftspflichten gegenüber Erben
274 successio 4/12
§
b) Haunschmidt/Haunschmidt bezeichnen folgende Personen als Auskunftsberechtigte: «Gerichtsko-missär und Notar, Finanzamt, Verlassenschaft ver-treten durch den Verlassenschaftskurator oder erbs-erklärte Erben, Erben, Legataren … Kuratoren, Testamentsvollstrecker.»222
c) Nach Haunschmidt/Haunschmidt223 erhält der Gerichtskomissär über legitimierte Werte Auskunft, d.h. solche, die auf den Namen des Erblassers lau-ten: Giro- und Pensionskonten, auf den Namen lau-tende Wertpapierdepots, auf den Namen lautende Sparbücher, Bausparverträge. Bei Inhaber-Sparbü-chern muss zusätzlich der Besitz nachgewiesen wer-den, das Losungswort ist dagegen nicht notwendig. Eccher224 betont, dass Kreditinstitute in der Praxis konkrete Anfragen verlangen. So ist bei Spareinla-gen die Nummer des Sparbuches unerlässlich.
d) Nach eigener Meinung ist die herrschende Ge-richtspraxis restriktiver als in der Schweiz225: Die Auskunftspflicht der Bank gegenüber den Erben setzt voraus, dass dieser relativ präzise und zeit-nahe Angaben über das Konto des Erblassers ma-chen kann (Angabe der Kontonummer und Vor-weisung von Unterlagen kurz vor dem Ableben des Erblassers) und sein Recht setzt erst mit der Erbs-erklärung (Annahme der Erbschaft) ein. Die Rück-wärtsdokumentation wird auf Pflichtteilserben be-schränkt. Bei Gemeinschaftskonti werden nur Ausschnitte gezeigt. Bei Sparbüchern muss zusätz-lich der Besitz nachgewiesen werden (nicht aber das Losungswort). Ich erwarte, dass die auch in Öster-reich zu beobachtende Öffnung des (privaten) Aus-kunftsrechts weiter voranschreitet. In diesem Zuge sollte auch dem Noterben ein eigenständiges Aus-kunftsrecht zugesprochen werden.
2. Stiftungen und Trustsa. Gesetzliche Grundlagena) Das Auskunftsrecht des Begünstigten einer Stif-tung richtet sich nach § 30 Privatstiftungsgesetz (PSG),226 der wie folgt lautet: «(1) Ein Begünstigter kann von der Privatstiftung die Erteilung von Aus-künften über die Erfüllung des Stiftungszwecks so-wie die Einsichtnahme in den Jahresabschluss, den Lagebericht, den Prüfungsbericht, die Bücher, in die Stiftungsurkunde und in die Stiftungszusatzur-kunde verlangen. (2) Kommt die Privatstiftung die-sem Verlangen in angemessener Frist nicht nach, so kann das Gericht auf Antrag des Begünstigten die Einsicht, gegebenenfalls durch einen Buchsachver-ständigen, anordnen. Für das Verfahren gelten die §§ 385 bis 389 ZPO sinngemäss.»
b) Unentgeltliche Zuwendungen an Stiftungen wer-den nach § 785 Abs. 1 öABGB227 bei den Berech-nungen von Pflichtteilen (§ 762 ff. öABGB) an-gerechnet. Grundlage für das Auskunftsrecht der Erben gegenüber der Stiftung über unentgeltliche Zuwendungen an die Stiftung bilden (für das Ab-handlungsgericht) § 145 f. und § 166 öAußStrG228 bzw. (für die Erben) Art. 42 Abs. 1 öEGZPO. 229 Das anwendbare Erbrecht (zur Beurteilung von unent-geltlichen Zuwendungen an Stiftungen) bestimmt sich nach dem Erbstatut (§ 28 öIPRG)230 und richtet sich nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers.231
b. Praxisa) 2008 entschied der OGH,232 dass eine Stiftung grundsätzlich keine Auskunft erteilen müsse, wenn die Antragstellerin keine Begünstigte sei. Die An-tragstellerin war die Unterhaltsberechtigte und wollte von der (bis dahin unbekannten) Stiftung ih-
222 regina haunSchMiDt/Franz haunSchMiDt, Erbschaft und Testament, 3. Aufl., Wien 2003, S. 96.
223 Franz haunSchMiDt/aLbert haunSchMiDt, Erbschaft kompakt, 2. Aufl., Wien 2009, S. 90.
224 Vgl. bernharD eccher, Kommentierung der §§ 531–824 ABGB, in: ABGB-Praxiskommentar, Band 3: §§ 531–858 ABGB, BauRG, AnerbG, Kärntner ErbhöfeG, Tiroler HöfeG, hrsg. v. Michael Schwimann, 3. Aufl., Wien 2006, § 531 ABGB N 3.
225 Vgl. dazu vorne, A. 1. b.226 Vgl. Bundesgesetz über Privatstiftungen und Änderun-
gen des Firmenbuchgesetzes, des Rechtspflegergesetzes, des Gerichtsgebührengesetzes, des Einkommensteuerge-setzes, des Körperschaftsteuergesetzes, des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes und der Bundesabgaben-ordnung (Privatstiftungsgesetz; PSG; BGBl. Nr. 694/ 1993).
227 Vgl. vorne, Fn. 198.228 Vgl. dazu vorne, C. 1. a. a).229 Vgl. Gesetz, betreffend die Einführung des Gesetzes
über das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechts-streitigkeiten (Civilprocessordnung; öEGZPO; RGBl. Nr. 112/1895).
230 Vgl. Bundesgesetz vom 15. Juni 1978 über das internatio-nale Privatrecht (IPR-Gesetz; öIPRG; BGBl. Nr. 304/ 1978).
231 Art. 4 Europäische Erbrechtsverordnung (Inkrafttreten: 17. August 2015) wird diesbezüglich eine Änderung brin-gen, nämlich die Anknüpfung am gewöhnlichen Aufent-halt: Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zu-ständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die An-nahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erb-sachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nach-lasszeugnisses (Amtsblatt EU Nr. L 201/107 vom 27.7. 2012).
232 Vgl. 10 Ob 46/08z vom 23.9.2008.
successio 4/12 275
res verstorbenen Vaters Auskunft gestützt auf § 102 öAußStrG (Familienrechtliche Unterhaltspflicht) i.V.m. § 140 und § 166 öABGB (Unterhalt). Das Ge-richt gewährte das Auskunftsrecht und führte dazu Folgendes aus: «Für das Bestehen der Auskunfts-pflicht der Privatstiftung massgeblich ist, dass die Höhe des Unterhaltsanspruchs der Antragstelle-rin vom Vermögen oder Einkommen der Privatstif-tung, das ihr vom Unterhaltsschuldner zugewendet wurde, abhängig sein kann.» Dieser Fall zeigt exem-plarisch, dass bei einem bestehenden materiellen Anspruch auch der Auskunftsanspruch ohne aus-drückliche gesetzliche Grundlage von den Gerich-ten anerkannt wird.
b) 2004 hat der OGH233 festgehalten, dass nur aktuell Begünstigte einen Auskunftsanspruch gegenüber der Stiftung haben. Eine subsidiäre Begünstigung (z.B. nach dem Tod des Stifters) genügt nicht. 2011 hat der OGH234 in einem Fall, in welchem der Stiftungsrat ein sehr detailliert vorgetragenes Auskunftsbegeh-ren der Begünstigten (§ 30 PSG) während 9 Monaten verweigert hat, die Einsicht durch einen Buchsach-verständigen angeordnet und die Stiftungsräte ab-berufen. Die Argumentation des Stiftungsvorstands, dass das Auskunftsersuchen zu umfangreich sei und dass viele Antworten aus dem Jahresabschluss ables-bar seien, wurde zurückgewiesen.
c) 2007 hat der OGH235 festgehalten, dass Zuwen-dungen an die Stiftung noch nicht definitiv erfolgt sind (§ 785 öABGB) und Pflichtteilberechtigte sol-che Zuwendungen anfechten können, wenn der Stif-ter sich die Änderung und den Widerruf der Stiftung
vorbehalten hat. In diesem Zusammenhang steht den Pflichtteilsberechtigten auch ein Auskunftsrecht zu.
c. Doktrina) Nach Zollner236 steht das Informationsrecht des Begünstigten nach § 30 Abs. 1 PSG den Begüns-tigte mit klagbarem Anspruch und aktuell Begüns-tigte ohne klagbaren Anspruch, aber nicht potenzi-ell Begünstigten zu. Eine zeitliche Begrenzung des Auskunftsanspruchs ergibt sich durch Beginn und Ende des Destinatärverhältnisses (nicht: von kon-kreten Zuwendungen). Nach Lins237 teilen sich der Stiftungsprüfer (Rechnungswesen) und die Begüns-tigten (Zweckeinhaltung) die Aufsicht. Er hält das österreichische Auskunftsrecht des Begünstigten ei-ner Stiftung für weniger flexibel als das liechtenstei-nische.
b) Welser238 erwähnt, dass Erben gestützt auf § 786 öABGB den anderen Erben Auskunft über Zu-wendungen geben müssen. Dritte Beschenkte müs-sen dagegen in engherziger Auslegung von Art. 42 Abs. 1 öEGZPO239 keine Auskunft geben. De lege ferenda sollte das Auskunftsrecht deshalb in beiden Gesetzen ausdrücklich vorgesehen werden.
c) Nach eigener Meinung ist das Auskunftsrecht des Begünstigten einer Stiftung in § 30 PSG zweckmäs-sig geregelt und gibt dem Begünstigten einen durch die Statuten nicht entziehbaren Anspruch.
Das Auskunftsrecht des Pflichtteilserben ge-gen die Stiftung ist weder im öABGB noch in der öEGZPO ausdrücklich geregelt und es wird von der Gerichts praxis nur zurückhaltend gewährt. Hier ist der Gesetzgeber gefragt.
3. Lebensversicherungena. Gesetzliche Grundlagena) Das Auskunftsrecht der Erben gegenüber der Lebensversicherung richtet sich materiell nach dem Versicherungsvertragsgesetz (Art. 3 öVersVG240) und das Auskunftsrecht wird aus Art. 42 Abs. 1 öEGPZO241 abgeleitet. Die Erben treten in die Po-sition des Versicherungsnehmers ein (Einantwor-tung; § 819 öABGB242). Im internationalen Verhält-nis bestimmt sich das anwendbare Erbrecht nach dem Erbstatut (§ 28 öIPRG243) und das anwendbare Versicherungsrecht nach dem Vertragsstatut (§ 35 öIPRG).
b) Der Auskunftsanspruch der Erben gegenüber den Begünstigten einer Lebensversicherung stützt sich auf den Pflichtteil (§ 762 ff. öABGB). Es ist al-lerdings unklar, ob und nach welcher Bestimmung
233 Vgl. 6 Ob 180/04w vom 15.12.2004.234 Vgl. 6 Ob 82/11v vom 16.6.2011.235 Vgl. 10 Ob 45/07a vom 5.6.2007, SZ 2007/92.236 Vgl. johanneS zoLLner, Die eigennützige Privatstiftung
aus dem Blickwinkel der Stiftungsbeteiligten, Wien 2011, S. 441 ff.
237 Vgl. aLexanDer LinS, Die Informations- und Auskunfts-rechte von Begünstigten nach dem liechtensteinischen und österreichischen Stiftungsrecht im Vergleich, in: Jahr buch Stiftungsrecht 2009, hrsg. v. Maximilian Eisels-berg, Wien 2009, S. 367 ff.
238 Vgl. ruDoLF WeLSer, Die Reform des österreichischen Erbrechts, Wien 2009, S. 32.
239 Vgl. vorne, Fn. 228.240 Vgl. Versicherungsvertragsgesetz (öVersVG; BGBl. Nr.
2/1959).241 Vgl. vorne, Fn. 228.242 Vgl. vorne, Fn. 198.243 Vgl. vorne, Fn. 229.
Auskunftspflichten gegenüber Erben
276 successio 4/12
§
(§§ 785, 787 und 789 öABGB) eine Anrechnung von unentgeltlichen Zuwendungen erfolgt. Grund-lage für die Auskunft bilden (für das Abhandlungs-gericht) § 145 f. und § 166 öAußStrG244 bzw. (für die Erben) Art. 42 Abs. 1 öEGZPO. Das anwendbare Erbrecht bestimmt sich nach dem Erbstatut (§ 28 öIPRG).
b. Praxis 2003 hat der OGH245 bestätigt, dass keine Anrech-nung der Versicherungssumme an den Pflichtteil nach § 789 öABGB stattfindet, wenn eine Lebens-versicherung abgetreten oder die Inhaberpolizze übergeben wurde. Damit entfällt auch die Auskunft des Lebensversicherers.
c. Doktrina) Welser246 erwähnt, dass die Lebensversicherung nicht in den Nachlass fällt und die Pflichtteilsbe-rechtigten nur «unter Zuhilfenahme der zweifelhaf-ten Konstruktion einer Schenkungsanrechnung» da-ran partizipieren können. Er schlägt deshalb de lege ferenda eine Anrechnung nach § 787 Abs. 1 öABGB vor. Eine andere Ansicht vertritt Weiss:247 Die Ver-sicherungssumme ist nach § 785 öABGB an den Pflichtteil anzurechnen.
b) Nach eigener Meinung besteht ein Auskunftsrecht der Erben gegen die Lebensversicherung auch in Österreich. Mangels Gerichtspraxis kann auch den Entscheid des FL OGH248 von 2012 verwiesen werden, zumal die Gesetzgebung der beiden Län-der starke Parallelen im Versicherungs- und Erb-recht aufweist.
Während die Gerichtspraxis eine Anrechnung von Lebensversicherungen nach § 789 Abs. 1 öABGB ablehnt, wird diese in der Lehre mit unterschiedli-chen Begründungen befürwortet. Diesen Lehrmei-nungen schliesse ich mich im Grundsatz gerne an. Angesichts der bestehenden Unsicherheiten wäre eine Klarstellung durch den Gesetzgeber (in der Art des Art. 529 ZGB) zu begrüssen. Dies würde auch zur Folge haben, dass die Erben ein Auskunftsrecht gegenüber den Begünstigen besitzen.
D. Deutschland
1. Bankena. Gesetzliche Grundlagena) Der Auskunftsanspruch der Erben gegenüber der Bank stützt sich auf den Vertrag, welchen der Erb-lasser mit der Bank geschlossen hat (§ 666 BGB) und welcher mittels Universalsukzession (§ 1922
BGB) auf die Erben übergegangen ist. Zusätzlich ist § 242 BGB (Treu und Glauben) zu beachten.
b) Da der auf den Pflichtteil gesetzte Pflichtteils-berechtigte nicht mehr Mitglied der Erbengemein-schaft ist,249 hat er auch keinen Auskunftsanspruch gegenüber der Bank, sondern muss sich an die Er-ben halten (§ 2314 BGB).
b. Praxisa) 1990 hat der BGH250 festgehalten, dass der dem Pflichtteilsberechtigen gegenüber zur Auskunft verpflichtete Erbe (§ 2314 BGB) von seinem Aus-kunftsanspruch gegenüber dem Kreditinstitut (§ 666 BGB i.V.m. § 1922 BGB) Gebrauch machen müsse. Der BGH weist darauf hin, dass dieser An-spruch des Erben dem Pflichtteilsberechtigten ab-getreten werden kann.
b) Nach einem Urteil des AG Kaiserslautern251 von 2011 kann der Erbe gestützt auf §§ 675, 666 BGB i.V.m. § 1922 BGB von der Bank Auskunft verlan-gen und zwar allein (§ 242 BGB) und neben dem Testamentsvollstrecker. Die Vorlage eines Testa-ments (ohne Erbschein) genügt (mit Verweis auf BGH NJW 2005, 2775). Das LG Stuttgart252 hat 2004 zur Legitimation festgehalten, dass die Bank sich nicht mehr auf § 5 AGB der Banken berufen und die Vorlage eines Erbscheins zum Legitimations-nachweis verlangen könne, wenn die Forderungs-inhaberschaft durch rechtskräftiges Urteil festge-stellt sei.
c. Doktrina) Bartsch253 fasst zusammen, dass der Erbe den Kontostand zum Todeszeitpunkt, Vorgänge vor dem Tod des Erblassers und die Entwicklung nach dem Todeszeitpunkt verlangen kann. Auf entsprechen-
244 Vgl. dazu vorne, C. 1. a. a).245 Vgl. OGH 6 Ob 181/02i, NZ 2003, 340.246 Vgl. WeLSer (Fn. 237), S. 33.247 Vgl. chriStian WeiSS, Rechtsgeschäfte unter Lebenden
auf den Todesfall, in: Erbrecht, hrsg. v. Susanne Ferrari/Gundula Maria Likar-Peer, Wien 2007, S. 331 f.
248 Vgl. vorne, Fn. 190.249 Vgl. § 2303 Abs. 1 BGB.250 Vgl. BGH XI ZR 91/88 vom 28.02.1989, BGHZ 107, 104
= NJW 42 (1989) 1601.251 Vgl. AG Kaiserslautern 7 C 319/10 vom 16.6.2010, ZEV
18 (2011) 585.252 Vgl. LG Stuttgart 8 O 434/03 vom 15.9.2004, ZErb 2005,
129.253 Vgl. herbert bartSch, Auskunftsansprüche der Erben
gegen die Bank des Erblassers, ZErb 1999, 20 ff.
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des Befragen hat ihm die Bank alles anzugeben, was ihn interessieren könnte.
b) Keim254 erläutert zur Legitimation der Erben, dass eine notariell beurkundete letztwillige Verfü-gung und die Eröffnungsverfügung genügen, um die Erbenstellung nachzuweisen, auch wenn Banken-AGB anderes sagen.
c) Bonefeld255 stellt fest, dass die Testamentsvollstre-ckung kein Hindernis (weder im Rahmen des Bank-geheimnisses noch der AGB) sei für eine umfas-sende Auskunft der Bank an die Erben.
d) Nach eigener Meinung ist die Stellung des Pflichtteilsberechtigten, der sich an den Erben wen-den muss und kein eigenes Auskunftsrecht gegen-über der Bank hat, unbefriedigend und sollte vom Gesetzgeber verbessert werden (direkter Anspruch und eigene Legitimationsmöglichkeit).
Der Umfang der Auskunftspflicht der Bank gegenüber den Erben ist umfassend. Diskutiert wird immer wieder die Legitimation der Erben. Hier ist Deutschland sehr fortschrittlich und die Gerichts-praxis eröffnet immer neue Möglichkeiten zur Le-gitimation der Erben.
2. Stiftungen und Trustsa. Gesetzliche Grundlagena) Der Auskunftsanspruch der pflichtteilsberechtigten Erben gegenüber Begünstigen (Destinatären) von Strukturen (Stiftungen/Trusts) stützt sich auf § 242 BGB, derjenige gegenüber Erben (letztwillig bedachten Stiftungen/Trusts) auf § 2314 BGB und derjenigen gegenüber Beschenkten (Zuwendungen an Stiftungen/Trusts) auf § 2329 BGB.
254 Vgl. chriStopher keiM, Erbnachweis gegenüber Banken ohne Erbschein?, WM 60 (2006) 753 ff.
255 Vgl. MichaeL boneFeLD, Auskunftsanspruch des Erben gegenüber Banken bei Testamentsvollstreckung, ZErb 2007, 142 ff.
256 Vgl. BGH IVa ZR 198/88 vom 4.10.1989, BHGZ 108, 395 f.
257 Vgl. LG Baden 2 O 70/98 vom 31.7.1998, ZEV 6 (1999) 152.
258 Vgl. OLG Karlsruhe vom 9.12.2003, ZEV 11 (2004) 470.259 Vgl. OLG Düsseldorf I-22 U 126/06, 22 U 126/06 vom
30.4.2010, ZEV 17 (2010) 528 = ZErb 2010, 305.260 Vgl. SteFan eDenFeLD, Auskunftsansprüche der Pflicht-
teilsberechtigten, ZErb 2005, 346 ff.261 Vgl. nieLS becker, Auskunftsansprüche des Pflichtteils-
berechtigten gegenüber liechtensteinischen Stiftungen, ZEV 16 (2009) 177 ff.
b) Der Auskunftsanspruch der pflichtteilsberechtigten Nichterben gegenüber Begünstigen (Destinatä-ren) von Strukturen (Stiftungen/Trusts) stützt sich auf § 242 BGB, derjenige gegenüber Erben (letztwil-lige bedachten Stiftungen/Trusts) analog auf § 2314 BGB bzw. § 242 BGB und derjenige gegenüber Beschenkten (Zuwendungen an Stiftungen/Trusts) analog auf § 2329 BGB.
b. Praxisa) 1989 hat der BGH256 entschieden, dass ein Aus-kunfts-Anspruch voraussetzt, dass sich der pflicht-teilsberechtigte Erbe gegenüber dem vom Erblasser in den letzten 10 Jahren Beschenkten die erforderli-che Kenntnis nicht auf andere ihm zumutbare Weise verschaffen kann und der Beschenkte die Auskunft unschwer zu geben vermag. Das LG Baden257 hat 1999 festgehalten, dass der Pflichtteilsberechtigte Anspruch auf Auskunft auch gegenüber einer Stif-tung (keine Familienstiftung) hat, die vom Erblas-ser zu Lebzeiten ausgestattet und zur Alleinerbin eingesetzt wurde. Ein als Stiftungsvorstand tätiger Rechtsanwalt muss ebenfalls Auskunft geben und kann sich nicht auf die Verschwiegenheitspflicht be-rufen. 2003 stellte das OLG Karlsruhe258 gestützt auf § 2314 BGB fest, dass die Auskunft die ursprüngli-che Ausstattung, aber auch spätere Zustiftungen und andere Zuwendungen umfasst.
b) Das OLG Düsseldorf259 hat 2010 bestätigt, dass § 242 BGB als Grundlage für die Auskunft der Be-günstigten dient.
c. Doktrina) Edenfeld260 beschreibt die Berechtigten und Ver-pflichteten des Auskunftsanspruchs: Auskunftsver-pflichtet sind Erben und Beschenkte. Auskunfts-berechtigt ist der Erbe gegen den Miterben (§ 2314 BGB) und der Nichterbe gegen den Beschenkten (§ 2329), der Erbe gegen den Beschenkten nur nach § 242 BGB.
b) Becker261 stellt fest, dass der Auskunftsanspruch gegenüber einer liechtensteinischen Stiftung sich auf § 2314 BGB und § 242 BGB stützt. Die Schwie-rigkeit, in Liechtenstein ausländische Urteile zu vollstrecken, führt häufig dazu, dass die entspre-chende Klage in Liechtenstein eingereicht wird. Wenn der Anspruch gegen die Stiftung nicht durch-dringt, ist ein Vorgehen gegen die Begünstigten ins Auge zu fassen.
Auskunftspflichten gegenüber Erben
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§
c) Osterloh-Konrad262 legt dar, dass die Auskunfts-ansprüche der (pflichtteilsberechtigten) Erben und Pflichtteilsberechtigten (Nichterben) unterschied-lich sind. Das Auskunftsrecht der Erben unterein-ander ist im BGB nicht allgemein,263 sondern (nur) für bestimmte Konstellationen geregelt, was von der Gerichtspraxis ausgeglichen werden muss. So-wohl der Auskunfts-Anspruch nach § 2314 BGB, als auch derjenige nach § 242 BGB setzen voraus, dass der zugrunde liegende erbrechtliche Anspruch (z.B. Pflichtteil) besteht (sog. vorbereitende Informa-tions ansprüche), insbesondere nicht verjährt ist.264 Mit § 242 BGB will man verhindern, dass materielle Rechtspositionen mangels Information typischer-weise nicht durchgesetzt werden können, weil etwas zu beweisen ist, von dem man in der Regel keine Kenntnis haben kann. So werden auch Lücken bei Normen wie § 666 BGB geschlossen.265
d) Nach eigner Meinung ist der Auskunftsanspruch der Erben gegenüber der Stiftung oder dem Trust und deren Begünstigten anerkannt und im Erb-recht auch ansatzweise (§ 2314 BGB) geregelt. So-weit eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage fehlt, wird auf eine analoge Anwendung von § 2314 BGB bzw. § 242 BGB (Treu und Glauben) ausgewichen. Es ist zu überlegen, ob der Gesetzgeber nicht spe-zifischere Grundlagen schaffen oder diesen Fall da-durch abdecken sollte, dass das Auskunftsrecht un-ter den Erben allgemein geregelt wird.
Die von der Gerichtspraxis gemachten Einschrän-kungen der Auskunftspflicht sind im Rahmen von § 242 BGB zwar verständlich, im Vergleich zu den anderen Ländern (Schweiz, Liechtenstein und Österreich)266 aber unüblich und sollten im Rahmen einer Gesetzesergänzung überdacht werden.267
3. Lebensversicherungena. Gesetzliche Grundlagea) Der Versicherungsvertrag wird – trotz des direk-ten Forderungsrechts des Begünstigten gegen die Lebensversicherung (§ 330 BGB) – durch Univer-salsukzession (§ 1922 BGB) auf die Erben übertra-gen. Das Auskunftsrecht der Erben gegenüber der Lebensversicherung stützt sich auf § 242 BGB.
b) Der Pflichtteilsberechtigte (Nichterbe) stützt seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch auf § 2325 BGB. Der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten (Nichterben) gegenüber dem Begünstigten einer Lebensversicherung stützt sich analog auf § 2314 BGB.
b. Praxisa) Das LG Köln268 hat 2008 den direkten Anspruch der Erben auf Auskunft von der Lebensversiche-rung festgehalten und stützt seinen Entscheid auf § 242 BGB bzw. analog auf § 2314 BGB. Die Aus-kunft betrifft die einbezahlten Prämien, also den Zuwendungsgegenstand. 2010 hat das OLG Saar-brücken269 entschieden, dass die Lebensversiche-rung Auskunft über Bezugsrechte auch dem Nach-lassinsolvenzverwalter zu geben habe und zwar gestützt auf § 80 Abs. 1 Insolvenzordnung.
b) Das LG Göttingen270 hat 2007 festgehalten: «Bei den aufgrund von Verträgen zugunsten Dritter auf den Todesfall dem überlebenden Ehegatten zuge-wendeten Leistungen aus einer Lebensversiche-rung … handelt es sich um Schenkungen i. S. des § 2325 Abs. 1 BGB. Schenkungsgegenstand sind die nach dem Todesfall ausgekehrten Versicherungsleis-tungen und nicht etwa die in den letzten zehn Jah-ren vor dem Erbfall durch den Erblasser aufgewen-deten Versicherungsprämien.»
c) Art und Umfang der Anrechnung auf die Pflicht-teile sind in der Praxis nicht einheitlich. Das OLG Stuttgart271 hat 2007 ausgeführt, dass die Lebensver-sicherungssumme nicht der Pflichtteilsergänzung unterliege, wohl aber die Prämien. Anders hat der BGH272 2010 in einem Urteil auf den Rückkaufs-wert abgestellt, als der Erblasser die Todesfallleis-tung aus einem Lebensversicherungsvertrag einem Dritten über ein widerrufliches Bezugsrecht schenk-weise zugehalten hat.
262 Vgl. chriStine oSterLoh-konraD, Rechtsgrundlagen für Informationsansprüche im Erbrecht, ErbR 2012, 299, 300 f.
263 Wie zum Beispiel in der Schweiz (Art. 607 Abs. 3 und Art. 610 Abs. 2 ZGB), vgl. vorne, A. 1. a. a).
264 Vgl. oSterLoh-konraD (Fn. 261), ErbR 2012, 299, 302.265 Vgl. oSterLoh-konraD (Fn. 261), ErbR 2012, 299, 303.266 Vgl. vorne, A. 2., B. 2. und C. 2.267 Ebenso oSterLoh-konraD (Fn. 261), ErbR 2012, 299,
303.268 Vgl. LG Köln 16 O 571/06 vom 18.12.2007, ZErb 2008, 31.269 Vgl. OLG Saarbrücken 5 U 233/09 vom 3.3.2010, ZEV 17
(2010) 621.270 Vgl. LG Göttingen 4 S 6/06 vom 23.3.2007, ZEV 14
(2007) 386 = ZErb 2007, 307.271 Vgl. OLG Stuttgart 19 U 140/07 vom 13.12.2007, ZErb
2008, 57 = WM 2010, 1273.272 Vgl. BGH IV ZR 73/08 vom 28.4.2010, ZErb 2010, 189.
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c. Doktrina) Trimborn v. Landenberg273 offeriert in den An-walt-Formularen Erbrecht ein Schreiben an die Ver-sicherung: «Mein Mandant weiss, dass der Verstor-bene eine Lebensversicherung zu seinen Gunsten abgeschlossen hatte, allerdings konnten im Nachlass bislang keine Unterlagen und insbesondere kein Versicherungsschein aufgefunden werden. Ich bitte daher um Auskunft, ob mit Ihrem Unternehmen ein Lebensversicherungsvertrag besteht, in dem o.g. Person Versicherungsnehmer oder versicherte Per-son ist. Sollte dies der Fall sein, bitte ich um Mittei-lung des Vertragsinhaltes.»
b) Nach eigener Meinung ist Deutschland beim Auskunftsrecht der Erben gegenüber der Lebens-versicherung Vorreiter für die Nachbarländer. Un-sicherheit besteht allerdings noch bei der Rechts-grundlage. Da es sich um einen vertraglichen Anspruch handelt, scheint mir § 242 BGB die zu-treffendere Rechtsgrundlage zu sein als § 2314 BGB, welcher einen erbrechtlichen Anspruch vor-aussetzt, der hier nicht vorhanden ist.
Das Auskunftsrecht der Pflichtteilsberechtigten (Nichterben) gegen den Begünstigen einer Lebens-versicherung ist an sich unbestritten und als Rechts-grundlage kommt nur § 2314 BGB in Frage; die Pro-blematik dieses Auskunfts-Anspruchs liegt in der unterschiedlichen Beurteilung des Herabsetzungs-anspruchs durch die Gerichte, welcher eine not-wendige Voraussetzung für den Bestand des Aus-kunfts-Anspruch ist. Deshalb ist zu überlegen, ob der Gesetzgeber nicht Klarheit in Bezug auf die He-rabsetzbarkeit schaffen sollte, ähnlich wie das in der Schweiz mit Art. 529 ZGB getan wurde.
273 Dieter triMborn V. LanDenberg, in AnwaltFormulare Erbrecht, § 25 Lebensversicherung im Erbfall, 4. Aufl., München 2010.
274 Noch enger war Thévenoz, welcher ein Auskunftsrecht vorschlug im Rahmen der Anfechtung von Trusts und von Zuwendungen an sie, vgl. vorne, Fn. 111.
275 Vgl. vorne, A. 1. c. f).
E. Ergebnisse
b) Das (erbrechtliche) Auskunftsrecht der Erben ge-genüber Dritten ist in allen vier Ländern im Gesetz nur ansatzweise geregelt. Regelmässig werden die Bestimmungen, welche die Auskunft unter den Er-ben regeln, analog auf Dritte angewendet oder dann wird der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder eine prozessuale Norm (Art. 42 öEG-PZO/Art. XV FL EGZPO) verwendet. Wenn der Gesetzgeber diese Situation bereinigen möchte, liegt die Krux darin, dass man versucht ist, im Rahmen der Pflichtteile ein solches Auskunftsrecht zu schaf-fen.274 Dies greift aber zu kurz, weil die Erben wei-tere erbrechtliche Ansprüche gegenüber Dritten ha-ben (wie Ausgleichung oder Erbschaftsklage)275 und auch bei diesen Ansprüchen auf ein Auskunftsrecht angewiesen sind.
c) Das Auskunftsrecht der Erben gegenüber Lebens-versicherungen scheint sich nach und nach durchzu-setzen und stützt sich auf den Versicherungsvertrag. Die Versicherungsvertragsgesetze ken nen aber in allen vier Ländern keine ausdrückliche Grundlage für ein solches Auskunftsrecht. Angesichts der be-stehenden Unklarheiten in der Rechtsanwendung, wäre eine Klärung durch die Gesetzgeber begrüs-senswert.
a) Das (vertragliche) Auskunftsrecht der Erben ge-genüber den Banken ist in allen vier Ländern ge-setzlich geregelt. Die genauen Voraussetzungen der Geltendmachung sind zwar nicht geregelt, können aber wohl nur von der Gerichtspraxis im einzel-nen erarbeitet werden. Die Legitimation der Erben (durch Erbschein, Erbbescheinigung, Einantwor-tung) ist in allen Ländern gesetzlich geregelt. Die zusätzlichen Legitimationsmöglichkeiten müssen von der Gerichtspraxis erarbeitet werden.