s15 Anmerkungen zum praktischen Kantionalsatz - Orgelbuch · PDF fileDiether de la Motte,...

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15 Anmerkungen zum praktischen Kantionalsatz 1. Prim-, Quint- und Oktavparallelen sind – wie das Handspiel beim Fußball – verboten. In der Popularmusik und im Neuen Geistlichen Lied (NGL) kommen Quintparallelen als Stilmittel gelegentlich vor. 2. Weisen zwei aufeinanderfolgende Akkorde gemeinsame (gleiche) Töne auf, so ist es am sichersten und einfachsten, die gemeinsamen Töne in der gleichen Stimme liegen zu lassen. 3. Bei der Verbindung von zwei Akkorden werden am sichersten und einfachsten die Töne von Alt und Tenor auf dem kürzesten Wege aufwärts oder abwärts zum nächsten Akkordton geführt. 4. Zu vermeiden ist ein Abstand zwischen den drei Oberstimmen von jeweils mehr als einer Oktave; der Abstand zwischen Bass und Tenor sollte eine Dezime nicht überschreiten. 5. Dreiklangsfremde Töne bereitet man am besten im vorausgehenden Akkord konsonant vor. Der Doppelvorhalt (Quart-Sext-Vorhalt) mit vorbereiteter Quarte und frei eintretender Sexte ist auch eine mögliche Form der Kadenzgestaltung. Beide Vorhalte lösen sich schulmäßig stufenweise nach unten auf. 6. Bei Zeilenübergängen ist querständige Chromatik, wie auch die querständige Aufeinanderfolge von Moll und Dur (etwa bei picardischen Schlussakkorden) möglich. 7. Beim Leitton in den Mittelstimmen (Alt oder Tenor) hat man freie Wahl: entweder man gibt der Schulregel der Aufwärtsführung des Leittones nach und es ergibt sich ein Schlussakkord ohne Terz oder Quint oder man wählt die gleichwertige Möglichkeit des abspringenden Leittones bzw. des Aufwärtssprunges zu Gunsten eines vollständigen Akkordes. Bei einem Vokalsatz liegt die strenge Stimmführung nahe, beim Orgelsatz ist der volle Akkord ein gutes Argument. 8. Bei der geteilten Penultima kann man gut die sixte ajoutée verwenden. 9. Ein zweitöniges Motiv am Anfang aus dem gleichen Dreiklang – beispielsweise Grundton gefolgt von Terz – harmonisiert man am einfachsten durch eine Akkordwiederholung; es ergibt sich dann ein Lagenwechsel. 10. Bei einer auftaktigen Melodie setzt man am besten auf den ersten Akzent die Tonika. 11. Eine anspringende Quarte harmonisiert man gut mit Dominant-Sextakkord gefolgt von der Tonika. Eine zweite Möglichkeit ist Dominante gefolgt von Tonika-Sextakkord. 12. Barocklieder haben gerne die Subdominante auf dem Höhepunkt. Literatur Reinhard Amon, Lexikon der Harmonielehre; Wien-München 2005. Peter Rummenhöller, Artikel „Harmonielehre“ in MGG (II) Bd.4. Ernst Tittel, Harmonielehre; Wien-München 1965. Thomas Daniel, Der Choralsatz bei Bach und seinen Zeitgenossen; Köln-Rheinkassel 2000. Thomas Daniel, Kontrapunkt; Köln-Rheinkassel 1997. Joseph Trompke, Tonsatz – Lehrbuch und Übungen in historischen Satztechniken. Diether de la Motte, Harmonielehre, Kassel 1976, 11 1999. Joseph Friedrich Doppelbauer, Der Choralsatz; Altötting 1979. Erwin Horn, Grundlagen des modalen Begleitsatzes; in: musica sacra Mai/Juni 1984. Harald Banter, Akkordlexikon; Mainz, 1982. Carl Dahlhaus, Untersuchungen über die Entstehung der harmonischen Tonalität; Kassel 1967. Heinrich Lehmacher / Hermann Schroeder, Harmonielehre, Köln 1958. Walter Salmen/Norbert J. Schneider (Hrsg.), Der musikalische Satz, Innsbruck 1987. Gárdony / Nordhoff; Harmonik, Wolfenbüttel 1990. Erich Wolf, Die stilistischen Merkmale des Kantionalsatzes, Wiesbaden 1965. Wilhelm Maler, Beitrag zur Durmolltonalen Harmonielehre‚ Bd. 1/2, München 1975. Hermann Grabner, Generalbaßübungen, Köln 1936. Paul Hindemith, Aufgaben für Harmonieschüler, 1949 (Nachdruck 1985). Hermann Grabner, Handbuch der funktionellen Harmonielehre, Regensburg, 12 1999. Michael Dachs / Paul Söhner; Harmonielehre, München 1953, 14 1997.

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Anmerkungen zum praktischen Kantionalsatz 1. Prim-, Quint- und Oktavparallelen sind – wie das Handspiel beim Fußball – verboten. In der

Popularmusik und im Neuen Geistlichen Lied (NGL) kommen Quintparallelen als Stilmittel gelegentlich vor.

2. Weisen zwei aufeinanderfolgende Akkorde gemeinsame (gleiche) Töne auf, so ist es am sichersten und einfachsten, die gemeinsamen Töne in der gleichen Stimme liegen zu lassen.

3. Bei der Verbindung von zwei Akkorden werden am sichersten und einfachsten die Töne von Alt und Tenor auf dem kürzesten Wege aufwärts oder abwärts zum nächsten Akkordton geführt.

4. Zu vermeiden ist ein Abstand zwischen den drei Oberstimmen von jeweils mehr als einer Oktave; der Abstand zwischen Bass und Tenor sollte eine Dezime nicht überschreiten.

5. Dreiklangsfremde Töne bereitet man am besten im vorausgehenden Akkord konsonant vor. Der Doppelvorhalt (→ Quart-Sext-Vorhalt) mit vorbereiteter Quarte und frei eintretender Sexte ist auch eine mögliche Form der Kadenzgestaltung. Beide Vorhalte lösen sich schulmäßig stufenweise nach unten auf.

6. Bei Zeilenübergängen ist →querständige Chromatik, wie auch die querständige Aufeinanderfolge von Moll und Dur (etwa bei →picardischen Schlussakkorden) möglich.

7. Beim → Leitton in den Mittelstimmen (Alt oder Tenor) hat man freie Wahl: entweder man gibt der Schulregel der Aufwärtsführung des Leittones nach und es ergibt sich ein Schlussakkord ohne Terz oder Quint oder man wählt die gleichwertige Möglichkeit des abspringenden Leittones bzw. des Aufwärtssprunges zu Gunsten eines vollständigen Akkordes. Bei einem Vokalsatz liegt die strenge Stimmführung nahe, beim Orgelsatz ist der volle Akkord ein gutes Argument.

8. Bei der geteilten → Penultima kann man gut die → sixte ajoutée verwenden. 9. Ein zweitöniges Motiv am Anfang aus dem gleichen Dreiklang – beispielsweise Grundton gefolgt von

Terz – harmonisiert man am einfachsten durch eine Akkordwiederholung; es ergibt sich dann ein Lagenwechsel.

10. Bei einer auftaktigen Melodie setzt man am besten auf den ersten Akzent die Tonika. 11. Eine anspringende Quarte harmonisiert man gut mit Dominant-Sextakkord gefolgt von der Tonika. Eine

zweite Möglichkeit ist Dominante gefolgt von Tonika-Sextakkord. 12. Barocklieder haben gerne die Subdominante auf dem Höhepunkt.

Literatur Reinhard Amon, Lexikon der Harmonielehre; Wien-München 2005. Peter Rummenhöller, Artikel „Harmonielehre“ in MGG (II) Bd.4. Ernst Tittel, Harmonielehre; Wien-München 1965. Thomas Daniel, Der Choralsatz bei Bach und seinen Zeitgenossen; Köln-Rheinkassel 2000. Thomas Daniel, Kontrapunkt; Köln-Rheinkassel 1997. Joseph Trompke, Tonsatz – Lehrbuch und Übungen in historischen Satztechniken. Diether de la Motte, Harmonielehre, Kassel 1976, 111999. Joseph Friedrich Doppelbauer, Der Choralsatz; Altötting 1979. Erwin Horn, Grundlagen des modalen Begleitsatzes; in: musica sacra Mai/Juni 1984. Harald Banter, Akkordlexikon; Mainz, 1982. Carl Dahlhaus, Untersuchungen über die Entstehung der harmonischen Tonalität; Kassel 1967. Heinrich Lehmacher / Hermann Schroeder, Harmonielehre, Köln 1958. Walter Salmen/Norbert J. Schneider (Hrsg.), Der musikalische Satz, Innsbruck 1987. Gárdony / Nordhoff; Harmonik, Wolfenbüttel 1990. Erich Wolf, Die stilistischen Merkmale des Kantionalsatzes, Wiesbaden 1965. Wilhelm Maler, Beitrag zur Durmolltonalen Harmonielehre‚ Bd. 1/2, München 1975. Hermann Grabner, Generalbaßübungen, Köln 1936. Paul Hindemith, Aufgaben für Harmonieschüler, 1949 (Nachdruck 1985). Hermann Grabner, Handbuch der funktionellen Harmonielehre, Regensburg, 121999. Michael Dachs / Paul Söhner; Harmonielehre, München 1953, 141997.